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ADB:Hoffmann, Franz

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Artikel „Hoffmann, Franz“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 398–401, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hoffmann,_Franz&oldid=- (Version vom 28. November 2024, 18:31 Uhr UTC)
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Hoffmann: Alexander Friedrich Franz H., Jugend- und Volksschriftsteller, wird oft mit den Jugendschriftstellern Julius H., der früh verstarb; Friedrich H., der Fabeln, Parabeln, Biographien historischer Persönlichkeiten und Schilderungen bedeutender geschichtlicher Ereignisse heraus gab; Karl H., der Abenteurerromane schrieb; Wilhelm H., der fromme Tractate und Missionserzählungen veröffentlichte, sowie mit Heinrich H., dem Verfasser des Struwwelpeter, verwechselt. Er wurde am 21. Februar 1814 zu Bernburg geboren und besuchte bis zum 15. Jahre das Gymnasium seiner Vaterstadt. Dann begab er sich nach Stuttgart zu seinem älteren Bruder Karl, der daselbst eine Buchhandlung inne hatte, und trat in dessen Geschäft als Lehrling ein. Während seiner Lehrzeit besuchte er oft das Theater und empfand große Neigung, sich dem Schauspielerberufe zuzuwenden, doch unterdrückte er auf Zureden seiner Verwandten diesen Wunsch und stand seinem Bruder auch weiterhin als Gehilfe zur Seite. Später machte er sich selbständig und gründete ein eigenes Geschäft, anfangs in Zürich, dann in Goslar. 1842 ließ er seine ersten Jugendschriften erscheinen. Dieselben fanden solchen Beifall, daß er sich entschloß, dem mühseligen Berufsleben zu entsagen und sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Um seine mangelhafte Bildung zu ergänzen, hörte er in Halle philosophische und naturwissenschaftliche Vorlesungen und erwarb den Doctorgrad. In den nächsten Jahren hielt er sich, nicht ohne dann und wann trotz unermüdlicher Thätigkeit in drückende Nahrungssorgen zu gerathen, an verschiedenen Orten Deutschlands, namentlich in Ballenstedt am Harz, Stuttgart, Halle und Dessau auf. 1856 siedelte er nach Dresden über, wo er völlig zurückgezogen fern von jedem gesellschaftlichen Treiben lebte und am 11. Juli 1882 nach langen, schweren Leiden starb. Er war dreimal verheirathet und hinterließ drei Töchter. [399] Während seiner 40jährigen litterarischen Laufbahn hat er gegen 250 größere und noch viel mehr kleinere Erzählungen verschiedenster Art verfaßt, die theils einzeln, theils in Sammlungen und Zeitschriften erschienen. Die meisten erlebten mehrere Auflagen, und einige wurden in fast alle modernen Cultursprachen übersetzt. In manchen Jahren mußte er infolge contractlicher Verpflichtungen den Buchhändlern mehr als 20 umfangreiche Geschichten liefern, denen man es nicht selten deutlich anmerkt, daß sie rein fabrikmäßig hergestellt und mit innerem Widerwillen geschrieben wurden. Seine Verleger waren Bagel in Wriezen, Wesel und Mülheim, Trewendt in Breslau, Bertelsmann in Gütersloh, Bromme in Dresden, Schreiber in Eßlingen, Stoppani, Hallberger, Kröner und Hoffmann, sowie vor allem Schmidt & Spring in Stuttgart. Eine vollständige Aufzählung seiner selbständig erschienenen Schriften geben die Bücherlexika. Es genügt daher an dieser Stelle, sie zu classificieren und ihren Charakter anzudeuten.

Am besten gelungen erscheinen seine kleine Erzählungen für das erste Kindesalter bis zum achten Jahre. Ihr Inhalt ist dem engen Gedankenkreise der Kleinen gut angepaßt, die Form ist ansprechend und leicht verständlich, und die zu Grunde liegenden religiös-moralischen Gedanken treten eindringlich hervor, ohne aufdringlich zu wirken. Hierher gehören folgende Sammlungen: „150 moralische Erzählungen für kleine Kinder“; „Märchen und Fabeln für kleine Kinder“; „Geschichtenbuch für die Kinderstube“; „Bilder-Quodlibet mit Denksprüchen und Fibelversen“; „Die erzählende Mutter“; „Weihnachtsgabe für gute Kinder“; „Neue moralische Erzählungen für Kinder von 5–8 Jahren“; „Das bunte Buch“ und „Die Großmutter im Kreise ihrer Enkel“. Zahlreiche andere Geschichten sind für das mittlere und reifere Jugendalter bestimmt. Diese tragen meist einen stark moralisirenden Charakter an sich. Theils verherrlichen sie in allgemeinen Zügen einen sittlichen Wandel oder stellen die Schändlichkeit sittenloser Lebensführung abschreckend dar (Gut und Böse; Der verlorene Sohn; Die Schule der Leiden; Der Tugenden Vergeltung; Wer Sünde thut, der ist der Sünde Knecht; Die mit Thränen säen, werden mit Freuden ernten; Den Gerechten wird Gutes vergolten; Die Macht des Gewissens; Prüfungen; Reue versöhnt; Nur immer brav; Der Bekehrte; Krumme Wege und gerade Wege; Lebenskämpfe), theils empfehlen sie einzelne Tugenden, wie Familienliebe (Eine Familiengeschichte; Die Kinder sollen dankbar sein den Eltern; Ehre Vater und Mutter!; Treue Kindesliebe; Mutter und Kind; Ein guter Sohn; Die Brüder; Geschwisterliebe; Oheim und Neffe; Die Stiefmutter), Freundschaft (Opfer der Freundschaft; Gute Kameraden), Treue (Treue gewinnt; Furchtlos und treu; Das treue Blut), Ehrlichkeit (Du sollst nicht stehlen; Ein rechtschaffener Knabe), Fleiß (Beharrlichkeit führt zum Ziel; Man muß sich durchschlagen; Arbeit und Geld; Fleiß und Trägheit), Geduld (Wenn man nur recht Geduld hat), Wohlthätigkeit und Hilfsbereitschaft gegen Arme und Unglückliche (Liebet eure Feinde; Segen des Wohlthuns; Liebe deinen Nächsten; Die Waisen; Selig sind die Barmherzigen; Wohlthun trägt Zinsen; Ein gutes Herz; Herzlos und herzensgut; Gute Seelen), oder warnen vor einzelnen dem kindlichen Verständniß nahe liegenden Lastern und schlechten Gewohnheiten (Eigensinn und Buße; Folgen des Leichtsinns; Der Widerspenstige; Die Bahn des Lasters; Keine Rückkehr; Böses Gewissen; Nemesis; Ein armer Sünder; Starrsinn und fester Wille; Der Bösen Lohn). In dem Bestreben, recht eindringlich zu wirken, verfällt H. hier nicht selten in Pedanterie, Geschmacklosigkeit und Unwahrscheinlichkeit. Seine Helden überragen jedes normale menschliche Maaß. Sie zeichnen sich fast immer durch unnatürliche Herzensgüte und Sittlichkeit oder durch außergewöhnliche [400] Lasterhaftigkeit aus. Kleine Kinder entwickeln oft eine Seelengröße, wie sie kaum den vielbewunderten Männern des Alterthums eigen war. Ueberdies wird die Tugend ohne Rücksicht auf die Verhältnisse der realen Wirklichkeit durch Leiden schließlich stets zum Siege, das Laster stets zum Untergang geführt. Der Deus ex machina treibt nicht selten ein geradezu phantastisches Spiel. So wird beispielsweise in der Erzählung „Brave Leute“ die unverschuldet eingetretene Noth durch einen Lotteriegewinn, einen zurückkehrenden, verschollen gewesenen Verwandten und einen in der Bibel wiedergefundenen Schuldschein plötzlich gewendet. Häufig wird die Moral, welche die Geschichte veranschaulichen soll, schon im Titel in der kurzen und eindringlichen Form eines Sprichwortes dargeboten (Unverhofft kommt oft; Wie die Saat, so die Ernte; Frisch gewagt ist halb gewonnen; Jeder ist seines Glückes Schmied; Ein Mann, ein Wort; Die Sonne bringt es an den Tag; Untreue schlägt ihren eigenen Herrn; Jung gewohnt, alt gethan; Recht muß Recht bleiben; Zeit ist Geld; Hochmuth kommt vor dem Fall; Wie man’s treibt, so geht’s). Gelegentlich tritt sie aber auch in religiöser Einkleidung auf (Der alte Gott lebt noch; Des Herrn Wege sind wunderbar; Der Mensch denkt, Gott lenkt; Der Segen des Herrn macht reich ohne Mühe; Was Gott thut, das ist wohlgethan; Wen Gott liebt, den züchtigt er; An Gottes Segen ist alles gelegen). Hierbei war H. sorgfältig bemüht, jeden Anschein einer kirchlichen Parteinahme zu vermeiden. Keine seiner Erzählungen trägt einen ausgesprochen confessionellen Charakter, einige lehren direct die Duldsamkeit gegen Andersgläubige (Moschele; Schmulche-Leben), und so fanden sie bei den Angehörigen aller Bekenntnisse Anklang. Ebenso suchte er die Verschiedenheiten des Standes und des Vermögens als unwesentlich hinzustellen und zu zeigen, daß auch in den bescheidensten Verhältnissen Zufriedenheit und glückliches Familienleben möglich sei (Arm und reich; Brave Leute; Ohnmacht des Reichthums; Glückswechsel; Das wahre Glück; Das große Loos; Aeußerer Glanz und innerer Werth; Graf und Bärenführer; Ein Königssohn).

Obwohl es H. nicht an eigener Erfindungsgabe fehlte, bestand ein erheblicher Theil seiner schriftstellerischen Thätigkeit darin, daß er spannende Geschichten fremdländischer Erzähler für die deutsche Jugend bearbeitete, so das Leben Don Quixote’s nach Cervantes und verschiedene Abenteurerromane von Cooper (Lederstrumpf-Erzählungen; Narramatta; Conanchet; Mark’s Riff; Der rote Freibeuter; Capitän Spike oder die Golfinseln), Marryat(Der neue Robinson oder der Schiffbruch des Pacific; Jack, der tapfere Midshipman), Reid (Die Ansiedlerin der Prärie; Ein Robinson der Wüste; Der Büffeljäger am Lagerfeuer) und Bird (Die Gefahren der Wildnis). Da diese abenteuerlichen Geschichten großen Beifall fanden, fühlte er sich veranlaßt, ähnliche Geschichten, die in fremden Ländern oder auf fernen Meeren spielten, selbst zu erfinden. Hierher gehören hauptsächlich: Abenteuer zu Wasser und zu Lande; Abenteuer aller Arten und Orten; Aus allen Welttheilen; Zonenbilder; Nord und Süd; Wilde Scenen und Geschichten; Hoch im Norden; Jenseits des Meeres; Der Goldsucher; Die Eroberung von Mexiko; Der Schatz des Inka; Die Belagerung von Boston; Wilde Scenen in Südafrika; Auf der Karroo; Loango, eine Negergeschichte; Ein Negerleben; Scenen und Abenteuer auf Ceylon; Die Familie Waldmann, eine Robinsonade; Der Schiffbruch; Die Ansiedler am Strande; Der Strandfischer; Auf der Flucht; Kriegsbilder; Jagdbilder. In diesen Geschichten überschritt er nicht selten weit die Grenzen dessen, was für die Jugend zulässig ist. Mord und Blutvergießen, Verbrechen und Grausamkeiten aller Art, Unglücksfälle und andere Schreckensscenen häuft er in solcher Fülle, daß die Phantasie der kritiklosen jungen Leser überreizt und auf Irrwege geleitet [401] wird. Mehrfach entnahm er auch seine Stoffe alten bewährten Fabeln, Märchen und Sagen der in- und ausländischen Litteratur, die er mit einem neuen, nicht immer geschmackvollen und passenden Gewande bekleidete (Die Geschichte von Reineke dem Fuchs; Deutsche Volksmärchen; Die schönsten Märchen der Tausend und einen Nacht; Deutsche Sagen; Rübezahl). Auch merkwürdige geschichtliche Begebenheiten behandelte er wiederholt in ähnlicher Weise (Deutsche Helden der Vorzeit; Die Geschichte vom Tell; Fürst Wolfgang; Aus eiserner Zeit; Der Eisenkopf; Aus vergilbten Papieren; Aus der guten alten Zeit). Ebenso suchte er durch Lebensbeschreibungen großer Männer die Jugend zur Nacheiferung anzuregen (Ludwig van Beethoven; Mozart’s Jugendjahre; Schiller’s Jugendjahre).

Den größten Einfluß hat H. auf die deutsche Jugend durch seine Sammelwerke ausgeübt, von denen er seit 1844 jedes Jahr kurz vor Weihnachten einen stattlichen Band erscheinen ließ: das Taschenbuch für die deutsche Jugend (1844–46), den Deutschen Jugendfreund (1846–57) und den Neuen deutschen Jugendfreund (1858 ff.), der auch nach seinem Tode fortgesetzt wurde. Jeder Jahrgang enthält Erzählungen, Schilderungen aus der Länder- und Völkerkunde und aus der Naturgeschichte, Biographien, Sagen, Märchen, Gedichte, Räthsel, Spiele und viele meist künstlerisch werthlose Abbildungen. Ein anderes periodisches Unternehmen war die von ihm begründete und lange Jahre geleitete, im Verlage von Schmidt & Spring erschienene Jugendbibliothek. Daneben lieferte er noch Beiträge für Trewendt’s Jugendbibliothek, Kröner’s Universalbibliothek für die Jugend, Bagels Neue Jugendbibliothek, sowie für eine große Reihe anderer Sammelwerke und Jugendschriften.

Außerdem hat er auch für weite Kreise der Erwachsenen durch seine zahlreichen Volksschriften gewirkt, die zwar jedes höheren künstlerischen Interesses und jeder Vertiefung in die großen Probleme des Einzellebens und der menschlichen Gesellschaft entbehren und deshalb von der strengeren Kritik als breite Bettelsuppen bezeichnet wurden, aber trotz ihrer Trivialität auch noch heute geeignet erscheinen, anspruchslose und unverwöhnte Leser nach den Anstrengungen der Tagesarbeit zu unterhalten und zu belehren, ohne ihren Geist anzustrengen. Hierher gehören hauptsächlich folgende Werke: Abendstunden; Häusliche Abende; Feierstunden; Kalendergeschichten; Beliebte Erzählungen; Schilderungen und Begebenheiten zum Vorlesen im Familienkreise; Bilder und Skizzen nach der Natur; Natur und Leben; Kleine dramatische Spiele; 300 Charaden, Worträthsel und Räthselfragen; sowie als ein überaus zahmes Erzeugniß des Sturmjahres 1848 das Politische Hausbüchlein für den deutschen Bürgers- und Bauersmann. Als ein Mißgriff erwies sich ein Illustrirter Volkskalender, den H. seit 1851 unter Mitwirkung namhafter Schriftsteller und Künstler in Monatsheften erscheinen ließ, der aber wegen seines hohen Preises schon im zweiten Jahre wieder einging. – Alles in allem genommen hat H. nichts von dauerndem Werthe geschaffen, keine seiner Leistungen sichert ihm trotz des großen Einflusses, den er zu seinen Lebzeiten auf die Lesewelt ausgeübt hat, für alle Zukunft einen Platz in der Geschichte der deutschen Litteratur. Will man seine Schriften mit einem Worte charakterisiren, so thut man ihnen nicht Unrecht, wenn man sie als Lesefutter bezeichnet.

A. Merget, Geschichte der deutschen Jugendlitteratur, Berlin 1867, S. 99–101. 2. Auflage ebd. 1877, S. 102–105. – Neuer deutscher Jugendfreund 1868 (Bild). – Illustrirte Zeitung 1882, LXXIX, S. 121 (mit Bild).