Quibi: Streamingdienst wird nach nur 6 Monaten eingestellt
Der Smartphone-Streamingdienst Quibi wollte mit kurzen Episoden den Pendler-Nischenmarkt erobern. Doch das Konzept ging nicht auf. Wir verraten mehr zum Aus.
Quibi im Test
One Quibi a Day keeps the Doctor away!
Potenzial kann man dem Hosentaschen-Streamingdienst nicht absprechen, allerdings hat Quibi zur Zeit noch ein großes Problem: Er ist entbehrlich. Ohne Hype um die Eigenproduktionen gibt es für Kunden wenig Grund, den vergleichsweise hochpreisigen Streamingdienst dauerhaft zu abonnieren. Im besten Fall entfernt Quibi möglichst schnell die Kinderkrankheiten der App und konzentriert sich auf Innovationen. Aktuell ist Quibi jedenfalls noch nicht der Smartphone-Streamingdienst, der nötig wäre, um dauerhaft auf dem Markt zu bestehen.
Das hat uns gefallen
- Innovativer Formatwechsel durch "Turnstyle"
- Vielfältige Programmauswahl
- Langer Testzeitraum
Das hat uns nicht gefallen
- Recht hoher Preis
- Keine Profile möglich
- Einstellungen eingeschränkt
Aktuelle Meldungen
Update vom 22.10.2020: Nach nur sechs Monaten wird der Streamingdienst Quibi eingestellt. Schon seit dem Start hatte der Dienst zahlreiche Probleme, unter anderem schlechte Kritiken an den Inhalten, zu wenige Abonnenten, eine Patent-Klage und den Ausstieg einiger hochrangiger Führungskräfte.
Gründer Jeffrey Katzenberg gibt an, dass sich die Welt seit dem Start von Quibi sehr stark verändert habe und das erdachte Geschäftsmodell einfach nicht mehr bestehen kann. In einem offenen Brief von Katzenberg und Quibi Geschäftsführerin Meg Whitman erklären sie weiterhin, dass das Timing des Launchs während der Pandemie problematisch war.
Während man sich in Deutschland noch über den Start von Disney+ freut, gibt es nun schon den nächsten neuen Streamingdienst: Quibi, kurz für "Quick Bites". Die offizielle internationale Veröffentlichung von Quibi steht noch aus, dennoch lässt sich die Quibi-App bereits herunterladen - auch in Deutschland. Um mehr über Quibi zu erfahren, haben wir uns die App und das Angebot des Streamingdienstes angesehen. Geht das gewagte Konzept auf? Und kann man Quibi wirklich nur auf Smartphones sehen? Netzwelt verrät es euch!
Was ist Quibi?
Quibi will den stets wachsenden Streamingmarkt revolutionieren. Dabei konzentriert man sich aber ausschließlich auf das mobile Streamen und bietet Nutzern daher Serien und Shows mit einer Laufzeit von weniger als 10 Minuten. So richtet sich Quibi vor allem an Pendler, die unterwegs etwas sehen wollen und es nicht mögen, lange Filme und Serien ständig abbrechen zu müssen.
Quibi: Das kostet der Streamingdienst
In den USA kostet das günstigste Quibi-Abo 4,99 US-Dollar im Monat. Für diesen Preis stehen alle Programme und alle Funktionen zur Verfügung, allerdings müsst ihr akzeptieren, dass euch ein Werbespot vor jeder Episode gezeigt wird. Für 7,99 US-Dollar im Monat gibt es das werbefreie Abo. Ein Jahresabo bietet Quibi nicht an. In Deutschland muss man hingegen auf die günstige Quibi-Variante verzichten, bei uns gibt es nur das werbefreie Abo. Der Preis, 8,99 Euro, übertrifft sogar die US-Kosten.
Quibi ist also verhältnismäßig teuer, wenn man bedenkt, dass Disney+ für 6,99 Euro ein werbefreies Angebot auf zahlreichen Geräten anbietet. Der Verzicht auf ein Jahresabo lässt vermuten, dass Quibi generell nicht dafür gedacht ist, das Abo dauerhaft laufen zu lassen. Stattdessen entscheidet man sich zukünftig vielleicht gelegentlich für einen Monat Quibi, wenn genug neue Programme erschienen sind, um den Preis zu rechtfertigen.
90 Tage kostenlos
Zumindest mit der kostenlosen Testphase kann Quibi punkten, denn hier stehen einem zunächst 90 Tage gratis zur Verfügung. Hierbei handelt es sich um ein besonderes Angebot zum Start des Dienstes, ab Ende April 2020 soll der Testzeitraum auf 30 Tage reduziert werden. Nach Ende der Testphase verlängert sich das Quibi-Abo von allein, wenn man das Abo nicht vorher kündigt.
Kündigung
Die Kündigung des Abos funktioniert unkompliziert im AppStore beziehungsweise im Google Play Store. Allgemein lässt sich das Quibi-Abo nur über die in den Stores hinterlegten Zahlungsmethoden abschließen, direkt in der App lässt sich weder bezahlen noch kündigen.
Quibi: Das Angebot
Zum Start von Quibi stehen euch diverse Serien und Shows zur Verfügung. Ähnlich wie Apple TV+ setzt der Streamingdienst ausschließlich auf Eigenproduktionen, auf den ersten Blick ist das Angebot aber größer als das von Apple. Natürlich ist die gebotene Menge relativ, wenn manche der Episoden nur knapp 4 Minuten lang sind, aber allgemein überzeugt Quibi durch ein abwechslungsreiches Programm.
Serien wie "Survive" mit "Game of Thrones"-Star Sophie Turner, "Most Dangerous Game" mit Christoph Waltz oder "Flipped" mit Will Forte sind qualitativ hochwertig produziert und lassen durch ihre kurze Laufzeit nie Langeweile aufkommen. Allerdings hat die Handlung dadurch auch keine Luft zum Atmen, man springt von Höhepunkt zu Höhepunkt. Das ist durchaus Absicht, Quibi will schließlich der Streamingdienst für eine Zeit sein, in der die Aufmerksamkeitsspanne der Zuschauer durch Reizüberflutung immer weiter abnimmt. Dennoch ist es zunächst gewöhnungsbedürftig, so plötzlich in die Handlung geworfen zu werden.
Shows wie "Dishmantled" mit Tituss Burgess ("Unbreakable Kimmy Schmidt"), "Chrissy's Court" mit Chrissy Teigen oder "Punk'd" mit Chance The Rapper bieten ebenfalls kurzweilige Unterhaltung, wirken durch ihre geringe Länge aber gelegentlich wie teure YouTube-Videos. Durch die kostenlose Testphase bietet es sich an, das Angebot von Quibi selbst zu erkunden. Letztendlich fehlt dem Streamingdienst ein Top-Titel wie "Stranger Things" bei Netflix oder "The Mandalorian" bei Disney+, denn bisher macht Quibi zwar Spaß, ist dabei aber stets optional und kein Muss für Serien-Fans.
Quibis Geheimwaffe: Das wechselnde Bildformat
Quibi will sich nicht nur mit kurzen Episoden an die modernen Sehgewohnheiten anpassen, auch beim Bildformat spielt man der Jugend in die Hände. So ist es jedem Nutzer selbst überlassen, ob man ein Programm im Querformat sieht, wie es bei Streamingdiensten generell übrig ist, oder doch das Hochformat bevorzugt. Statt großen schwarzen Balken über und unter dem Bild passt Quibi die Inhalte so an, dass stets der ganze Bildschirm des Smartphones gefüllt ist und man dennoch nichts vom Geschehen verpasst.
Dafür werden gelegentlich auch Texte oder Einblendungen neu angeordnet, Quibi hat im Vorfeld also zwei Varianten jeder Episode produziert. Die von Quibi erschaffene "Turnstyle"-Technologie sichert einen schnellen und flüssigen Übergang zwischen den beiden Formaten. Um dies zu gewährleisten, streamt Quibi stets beide Fassungen des Programms, was die Datenübertragung dementsprechend erhöht.
Bisher ist es nicht möglich, "Turnstyle" zu deaktivieren, das Bild wird also stets automatisch das Format ändern, wenn man das Smartphone ein wenig zu weit kippt. Die Technologie ist aber durchaus interessant und einen Blick wert, wobei Quibi noch beweisen muss, ob es einen echten Mehrwert für den Nutzer gibt.
Da das Streamen im Hochformat von Anfang an fester Bestandteil der Quibi-Pläne war, wurden die meisten Programme direkt so gefilmt, dass nicht zu viel auf einmal im Bild passiert. Das ist sehr praktisch für den vertikalen Stream, in der Horizontalen vermisst man so aber ein wenig Dynamik.
Quibi: Funktionen und Einstellungen
Quibis Einstellungen sind in der App recht übersichtlich und selbsterklärend angeordnet. Allerdings unterscheiden sich die von Quibi gebotenen Möglichkeiten in einigen Bereichen stark von denen, die man von anderen Streamingdiensten gewohnt ist. Positive Einfälle wie der Linkshänder-Modus gehen dabei Hand in Hand mit störenden Eigenheiten. Daher bieten wir euch hier einen kurzen Überblick über die Funktionen von Quibi.
Profile
Quibi ist ein Streamingdienst für eine Person. Daher lassen sich keine Profile anlegen, ihr seid schließlich der einzige Nutzer eures Accounts. Es ist aber durchaus möglich, sich auf mehreren Geräten anzumelden. In den Einstellungen kann man sich unter dem Feld "Sign Out Other Devices" von allen anderen Geräten abmelden.
Watchlist
Klickt ihr bei einer Serie oder Show von Quibi auf das kleine "Follow"-Lesezeichen, erscheint diese Serie im Bereich "Following". Zudem erhaltet ihr eine Benachrichtigung, wenn neue Folgen erscheinen, diese Funktion lässt sich aber deaktivieren. Einzelne Episoden lassen sich nicht auswählen, ihr "folgt" stets einem kompletten Programm.
Die Suche
Quibis Suche findet recht zuverlässig Sendungen, Genres und Darsteller. Häufig muss man einen Namen oder einen Titel ausschreiben, bevor das korrekte Ergebnis angezeigt wird. Im Bereich "Browse" findet sich zudem eine übersichtliche Unterteilung der Quibi-Inhalte nach Genre, auch die Bereiche "New Releases" und "Continue Watching" sind hier untergebracht.
Sprachen und Untertitel
Bisher steht bei Quibi nur englischer Ton zur Verfügung, ein Umstand, der sich in Zukunft sicherlich noch ändern wird. Untertitel stehen auf Englisch (auch für Hörgeschädigte) und auf Spanisch zur Verfügung. Die Untertitel passen sich der jeweiligen Bildgröße an, haben aber stets einen halb-transparenten Kasten hinter dem Text, der sich nicht abschalten lässt. Auch die Farbe, Schriftart oder Größe des Textes lässt sich nicht anpassen. Es ist zumindest überraschend, dass Quibi sich für die internationale Veröffentlichung der App entschieden hat, bevor eine größere Sprachauswahl zur Verfügung steht.
Bildqualität
Die Bildqualität bei Quibi war im Test gut und erreichte beim Stream innerhalb weniger Sekunden die volle Auflösung. In den Einstellungen kann man sich allerdings nur zwischen zwei Qualitäts-Optionen entscheiden: "Auto" und "Data Saver". "Auto" passt die Qualität automatisch der vorhandenen Internetverbindung an, während "Data Saver" die Qualität runterschraubt, etwa, um unterwegs die mobilen Daten zu sparen. 4K-Auflösung bietet Quibi selbst unter den besten Voraussetzungen nicht an, 1080p sind hier das Limit.
Offline-Modus und Downloads
Alle Inhalte von Quibi lassen sich problemlos herunterladen. Hier hat man in den Einstellungen die Möglichkeit, zwischen "High" und "Standard" zu wählen, um die Download-Qualität zu bestimmten. "High" entspricht hier einer Full HD-Auflösung, eine 10-minütige Episode benötigt knapp 300 MB. Auf Wunsch lassen sich Downloads deaktivieren, wenn man nicht mit dem WLAN verbunden ist.
Design der App
Die Quibi-App gleicht zunächst eher Instagram und erinnert wenig an einen klassischen Streamingdienst. Sobald das Angebot weiter wächst, muss man damit rechnen, dass einige Titel schnell in der Versenkung verschwinden. Die Startseite mit dem Titel "For You" präsentiert empfohlene Programme und neue Episoden der Serien, die man gesehen hat. Wenn man 3 Sekunden auf dem Bild eines Inhalts verweilt, startet der Trailer des Programms automatisch. Diese Funktion lässt sich leider (noch) nicht abschalten.
Insgesamt überzeugt Quibi aber durch die intuitive Menüführung, durch die man sich schnell zurecht findet und direkt nach der ersten Anmeldung mit dem Streamen beginnen kann.
Kompatible Plattformen und Endgeräte
Quibi läuft auf iPhones, Android-Smartphones und ... das war's! Quibi ist nicht nur vorrangig für Smartphones entwickelt worden, ihr habt nicht einmal die Möglichkeit, die App auf einem Tablet, einer Konsole oder einem Fernseher zu installieren. Auch die Übertragung vom Smartphone auf den Fernseher ist nicht möglich, hier sind euch also die Hände gebunden: Entweder Smartphone oder nichts! Das ist zumindest der aktuelle Stand, allerdings ist mittlerweile eine TV-App von Quibi in Planung. Wann sie erscheint und wie die Turnstyle-Videos an das Fernsehformat angepasst werden, ist noch nicht bekannt.
Der Start als reiner Smartphone-Streamer war zumindest eine gewagte Entscheidung von Quibi, schließlich verliert der Streamingdienst dadurch automatisch zahlreiche potenzielle Kunden, die zwar an den neuen Serien interessiert sind, aber ausschließlich auf dem Fernseher streamen möchten. Quibi hat zudem ein wenig Pech, da der auf Pendler angelegte Dienst zu einer Zeit erscheint, zu der fast niemand unterwegs ist und wenig Verwendung für mobilen Content hat. Erst in den kommenden Monaten wird sich so richtig zeigen, ob Quibi einen Nerv trifft oder an der mangelnden Nachfrage scheitert.
Quibi
Sagt euch nicht zu? Ihr sucht nach passenden Alternativen? Eine umfangreiche Liste an Quibi-Alternativen halten wir für euch in unserer Video-Streaming-Dienste-Übersicht bereit.
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