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Martin F. Meyer, Botanisches Denken von Homer bis Platon 2013

2013, Martin F. Meyer, Botanisches Denken von Homer bis Platon, in: Michaela Bauks /Martin F. Meyer (Hgg.), Zur Kulturgeschichte der Botanik, Wissenschaftlicher Verlag Trier. Trier 2013, 107-145

Die botanische Wissenschaft beginnt mit Demokrit, Aristoteles und Theophrast. Die botanischen Schriften von Demokrit sind leider verloren. Aristoteles hat nur eine kleine Schrift De plantis angefertigt. 1 Der Titel "Vater der Botanik" gebührt Theophrast. Er gilt wegen seiner insg. 15 Buchrollen fassenden Werke, der Historia plantarum und De causis plantarum, als der eigentliche Begründer des Faches (vgl. Wöhrle 1985). Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit dem vorwissenschaftlichen Blick auf die Pflanzen. Er beleuchtet die Zeit von Homer bis Platon. Es geht darum, was in den erhaltenen Texten über Pflanzen gesagt wird, wie sie gesehen und in welchen Kontexten sie erwähnt werden. Wilhelm Capelle hat vor mehr als hundert Jahren den Artikel Zur Geschichte der griechischen Botanik (1910) verfasst. Jüngst ist die verdienstvolle Studie von Bernard Herzhoff, Das Erwachen des biologischen Denkens bei den Griechen (1999) erschienen 2. Während diese und andere Arbeiten philologische Aspekte ins Zentrum gestellt haben, konzentrieren sich

Martin F. Meyer Botanisches Denken von Homer bis Platon Abb. 1 Die botanische Wissenschaft beginnt mit Demokrit, Aristoteles und Theophrast. Die botanischen Schriften von Demokrit sind leider verloren. Aristoteles hat nur eine kleine Schrift De plantis angefertigt.1 Der Titel !Vater der Botanik" gebührt Theophrast. Er gilt wegen seiner insg. 15 Buchrollen fassenden Werke, der Historia plantarum und De causis plantarum, als der eigentliche Begründer des Faches (vgl. Wöhrle 1985). Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit dem vorwissenschaftlichen Blick auf die Pflanzen. Er beleuchtet die Zeit von Homer bis Platon. Es geht darum, was in den erhaltenen Texten über Pflanzen gesagt wird, wie sie gesehen und in welchen Kontexten sie erwähnt werden. Wilhelm Capelle hat vor mehr als hundert Jahren den Artikel Zur Geschichte der griechischen Botanik (1910) verfasst. Jüngst ist die verdienstvolle Studie von Bernard Herzhoff, Das Erwachen des biologischen Denkens bei den Griechen (1999) erschienen2. Während diese und andere Arbeiten philologische Aspekte ins Zentrum gestellt haben, konzentrieren sich 1 2 Arist. De plantis war in der Forschung wegen der komplexen Überlieferungsgeschichte lange umstritten. Heute gilt die Schrift ihrem Kern nach als aristotelisch; vgl. Herzhoff 2006, Repici 2009, Kullmann 2007. Bernhard Herzhoff verdanke ich wichtige Anregungen. Er hat den vorliegenden Beitrag gründlich durchgesehen und mich mit seinem fachkundigen Rat vor schwerwiegenden Irrtümern bewahrt. Ihm sei an dieser Stelle herzlich gedankt. 108 Martin F. Meyer meine Überlegungen auf die epistemologisch signifikante Seite des Themas. Deutlich soll vor allem werden, wie aus den frühen Betrachtungen erste botanische Fragen erwuchsen und unter welchen begrifflichen und methodologischen Voraussetzungen sich eine differenzierte Explanation botanischer Sachverhalte entwickelt hat. Es sei nochmals betont, dass erst bei Aristoteles und Theophrast wirklich systematische Erklärungsversuche vorliegen. Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Fünf kurze Vorbemerkungen: (1) Anders als das Klima des Mittelmeerraumes, das seit der Antike relativ konstant ist, hat sich die mediterrane Flora grundlegend gewandelt: Die heute eher karge Inselwelt Griechenlands und der ionische Oststreifen der heutigen Türkei waren im Altertum dicht bewaldet. Schiffsbau und Verfeuerung haben den Bestand insb. der Zypresse (Cypressus sempervirens) irreversibel reduziert (vgl. Baumann 1986, 37-43). Ebenfalls die wegen ihres harten Holzes vielfältig genutzte Kornelkirsche (Cornus mas) wurde schon früh dezimiert (ebd.). So war der Reichtum an pflanzlichen Individuen im Altertum weit größer als heute. Durch Handel und Migration kamen aber auch neue Pflanzenarten hinzu. Teils haben Neophyten endemische Spezies verdrängt. Dennoch ist die Artenvielfalt im heutigen Griechenland (insb. wegen der Feingliedrigkeit der Landschaft) vergleichsweise hoch. Für das relativ kleine Staatsgebiet (ca. 132.000 km²) sind etwa 6.000 Pflanzenspezies dokumentiert. Der Anteil der endemischen Arten liegt mit rund zehn Prozent weit höher als in Zentraleuropa. Paläobotanik und Genetik liefern zu Fragen des realen Pflanzenbestands im Altertum wichtige Antworten ! hier sei auf das Werk von Jacques Blondel, The Mediterranean Region: Biological Diversity in Space and Time (2010) verwiesen. Die Literatur der alten Griechen und Botanisches Denken von Homer bis Platon 109 Römer kennt insgesamt ca. 1.000 Pflanzenarten. Allein Theophrast erwähnt fast 500 Spezies (vgl. Baumann 1986, 11). Auch dies zeigt seine überragende Bedeutung für die frühe Botanik. (2) Die Griechen haben sich nicht erst seit Homer mit der Flora beschäftigt. Pflanzen dienten immer schon zur Ernährung oder zu medizinischen Zwecken. Die Kultivierung von Getreide begann im östlichen Mittelmeergebiet vor gut zehntausend Jahren. Um 6750 v. Chr. fand für Gerste ein Übergang von der wilden zweiteiligen Form (Hordeum spontaneum) zum Kulturtypus Hordeum distichum statt. Ein dritter Typ ist die sechszeilige Gerste. Diese phänotypische Unterscheidung geht auf Theophrast zurück. In der modernen Biologie gelten diese Formen als Subspezies der Art Hordeum vulgare (vgl. Zohary/Hopf 1994, 54 ff). Gerste ist in Griechenland schon für das Neolithikum belegt. Sie war hier die älteste kultivierte Getreideart. Da sie anspruchsloser ist als Weizen, war sie noch in klassischer Zeit dominant: Im 4. Jahrhundert v. Chr. wurde in Attika etwa zehnmal mehr Gerste angebaut als Weizen. Erst die Römer favorisierten (aufgrund der in Italien besseren Böden) den Weizen (vgl. Hondelmann 2002, 28-43). Die Hirse kam von Asien nach Europa. Auch sie wurde schon im Neolithikum (zuerst am Kaspischen Meer) domestiziert. Homer nennt zwei Spezies, die [süße, aber wenig stabile] Kolben- oder Borstenhirse (਩ȜȣȝȠȢ oder ȝİȜ઀ȞȘ: Setaria italica) und die robuste Rispenhirse (ț੼ȖȤȡȠȢ: Panicum miliaceum). Aristoteles erwähnt ț੼ȖȤȡȠȢ oft auch in den nicht-biologischen Werken (vgl. Zohary/Hopf 1994, 78 ff; Hondelmann 2002, 41-43). Für Theophrast ist Hirse im Unterschied zu anderen Getreidearten eine typische Sommerfrucht. In Rom diente Hirse dann v. a. als Speise für die Sklaven. Abb. 5 110 Martin F. Meyer (3) Es gibt reichlich Belege dafür, dass die frühen Griechen viele Blumen als ausnehmend schön und wohlriechend empfanden. Funde aus der Bronzezeit zeigen wunderbare Blumendekors von Oleander, Safran, Lotos, Krokus oder Lilien an den mykenischen Palastwänden. Zahllose Bildnisse von Blumen oder Nutzpflanzen zieren Trinkgefäße und Vasen (vgl. Abb. 2-5). Neben ihrer Nutzanwendung spielten Pflanzen lange vor Homer eine ästhetische Rolle. (4) Bereits in mykenischer Zeit gab es im Mittelmeerraum einen regen Handel mit Pflanzen und Pflanzenprodukten: In dem sog. Ulu Burun Wrack, das Ende des 14. Jh. v. Chr. vor der Westküste der heutigen Türkei versunken ist, fanden amerikanische Forscher in den 80er Jahren Belege für den Warenverkehr mit ägyptischem Ebenholz (Dalbergia melaoxylon), Oliven, Früchten, Nüssen, Wein, Färberdistel und Bittermandeln (vgl. Haldane 1993, 348-360). Anderthalb Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung gab es in Pylos eine florierende Parfumindustrie. Duftstoffe gewann man u.a. aus Rosen, Cyperus und Salbei (vgl. Chadwick 1959, 141; Shelmerdine 1984). Die stummen Zeugnisse der Bronzezeit verraten aber meist nur, dass es diese oder jene Pflanze gab und bestenfalls, wie sie genutzt wurde. Unklar bleibt oft, welche Bedeutung die Flora für das kulturelle oder geistige Leben hatte. (5) Die ersten schriftlichen Zeugnisse aus Griechenland liefert die 1952 von Michael Ventris und John Chadwick entzifferte Linear-B-Schrift. Diese ideosyllabische Schrift repräsentiert die griechische Sprache und war in der mykenischen Zeit fast 300 Jahre (von ca. 1400 bis 1100 v. Chr.) in Gebrauch. Nach dem Ende der sog. Palast-Kulturen verschwand sie wieder aus dem Bewusstsein: Homer und seine Zeitgenossen wussten nichts mehr von dieser Schrift. Linear-B ist auf ca. 5.600 erhaltenen, größtenteils poVtkartengroßen Ton-Täfelchen überliefert, die man überwiegend in Knossos, aber auch in Pylos, Theben, Mykene und Tiryns gefunden hat. Die Täfelchen verzeichnen Getreidearten wie Weizen und Gerste. (Die in Theben ausgegrabenen Funde (ca. 300 Tafeln) bezeugen frühe Demeterkulte). Für Feigen, Oliven, Sesam, Minze, Kreuzkümmel, Sellerie, Fenchel, Zypergras und Wein gab es eigene Ideogramme. Auf den Linear-B-Tafeln gibt es zu diesen Spezies regelmäßig Gewichtsangaben. Die genannten Pflanzen waren also wichtige Handelsgüter. Linear-B zeigt, dass die Räder der mykenischen Streitwagen meist aus Weiden- oder Ulmenholz, seltener aus Zypressenholz (nur ausnahmsweise aus Bronze) und die Stühle oft aus Ebenholz gefertigt wurden (vgl. Chadwick 1959, 132-144). Begriffsgeschichtlich ist bedeutsam, dass bereits in der mykenischen Zeit abstrakte Bezeichnungen für !Baum" (į੼ȞįȡȠȞ) oder !Pharmakon" (pa-ma-ko) existierten. Auch unser Wort !Koriander" ist schon auf den mykenischen Täfelchen (ko-ri-ja-da-na) belegt. Botanisches Denken von Homer bis Platon 111 1. Homer und Hesiod Die insg. etwa 28.000 Verse der Ilias und Odyssee erwähnen ca. 60 Pflanzenarten (38 in der Ilias)3; vgl. Verzeichnis Pflanzen bei Homer im Anhang dieses Beitrags. Homer begreift die !Pflanze" (ij઄IJȠȞ) als !Gewächs". Der Plural ijȣIJ੺ begegnet in der Odyssee nicht, in der Ilias nur zweimal (Il. 14.123; 21.258). So finden sich in den Homerischen Epen keine Reflexionen, die generelle Merkmale aller Pflanzen betreffen. Nichts weist darauf hin, dass Homer die Pflanzen als Lebewesen begriffen hätte. In der überwiegenden Zahl werden Pflanzen nicht um ihrer selbst willen genannt. Homers Pflanzen sind "chiefly economical important species [#] though a few seem purely decorative$ (Pease 1952, 44). Überhaupt lässt sich die vorwissenschaftliche Botanik mit Georg Wöhrle als !anthropozentrisch" charakterisieren (2006, 269-283). Das erste botanische Abstraktum bei Homer ist der (schon in mykenischer Zeit belegte) generische Ausdruck für !Bäume" (į੼ȞįȡİĮ; vgl. insb. Od. 18. 359: į੼ȞįȡİĮ ȝĮțȡ੹ ijȣIJİ઄ȦȞ). Er begegnet in der Ilias fünfmal, in der Odyssee an 15 Stellen (teils auch als Beiwort). Die Identifikation einzelner Arten ist ein komplexes Problem (vgl. Herzhoff 1990a). Spöttisch ließe sich sagen, dass die Zahl der Bestimmungsversuche die Zahl der erratischen Spezies übersteigt. Die Schwierigkeit liegt darin, dass viele Pflanzennamen nur kursorisch erwähnt sind bzw. in Reihungen auftauchen, die eine genaue Klassifikation kaum erlauben. Typisch ist ein Vers wie: !Die Rosse standen ein jedes neben dem Wagen und rupften Lotos und sumpfigen Sellerie" (Il. 2. 776). In Ilias 21. 349 ff. ist von einem Feuer die Rede, das Ulmen, Weiden, Tamarisken, Scharbockskraut (Ficaria verna) und Zypergras verbrennt; immerhin werden die Bäume vor den Gräsern genannt. Wo griechisch ȜȦIJંȢ steht, muss nicht unser Lotos gemeint sein (vgl. Herzhoff 1984, 257-271; 1999b, Sp. 449-450). Wenn Homer von įȡ૨Ȣ spricht, ist unklar, um welche Spezies von Eichen (Quercus) es sich handelt4. Bei Eichen ist die Artidentifikation besonders umstritten: Heute unterscheidet man weltweit ca. 300 differente Arten der Gattung !Quercus", von denen etwa ein Zehntel im antiken Mittelmeerraum 3 4 Vgl. dazu: Miquel 1836; Friedreich 1856; Fellner 1897; Weiher 1994, 741. Vgl. Herzhoff 1990b, 257-272; Herzhoff 1997, Sp. 904-905: Demnach sind Eichen in der natürlichen Vegetation des Mittelmeerraumes mit etwa 30 Arten die bei weitem häufigsten Laubgehölze. Das griechische Wort įȡ૨Ȣ ist bereits in der Linear-B-Schrift belegt. Bei Homer (und bis hin zu Dioskurides) heißen die nicht-immergrünen Arten allerdings noch nicht įȡ૨Ȣ. Vgl. Herzhoff, ebd. zur Identifikation von ijȘȖંȢ als Knoppereiche (Quercus ithaburensis). Knoppereichen wurden vom Altertum bis in die Gegenwart zum Zwecke des Färbens und Gerbens angebaut. Herzhoff 1997, Sp. 904 weist ferner darauf hin, dass die (heute nur noch im westlichen Mittelmeerraum vorkommende) Korkeiche (Quercus suber) mittlerweile in Griechenland ausgestorben ist. 112 Martin F. Meyer existierte. Die moderne Botanik trägt zur Lösung der Probleme bei, wenn sie genetische oder paläobotanische Belege für den Realbestand einer Spezies im antiken Mittelmeerraum erbringt. Umgekehrt finden sich in der modernen botanischen Nomenklatur Spuren des frühgriechischen Vokabulars. Exemplarisch ist die !Kretische Palme" (Phoenix theophrastii) (Abb. 6). Gemäß Od. 6. 163-4 stand sie am Apollon-Altar in Delos. Schon die mykenischen Griechen kannten das Wort poni-ko. Sie nahmen offenbar an, dass die Phönizier den schönen geraden Baum auf die Insel gebracht hatten # eine Gattung der Palmen heißt bis heute !Phoinix". Ein weiteres Beispiel für das homerische Erbe in der modernen Abb. 6 Fachsprache ist Quercus trojana; eine Eichenart, die gemäß Il. 16.776 zusammen mit Kornelkirsche und Manna-Esche im Idagebirge bei Troja vorkommt. Homer vergleicht den Fall eines Helden mit dem Blitzeinschlag in eine Eiche (Il. 14. 414-417; vgl. Herzhoff 1990b). Religionswissenschaftler haben die Entstehung des Zeusorakels in Dodona (Nordgriechenland) mit solchen Blitzschlägen erklärt.5 Homer würdigt die Schönheit vieler Pflanzen. Die !rosenfingrige Eos" erscheint morgens im !Safrangewand". In Ilias XIV verführt Hera ihren Göttergatten auf dem Gipfel des Trojanischen Idagebirges [heute türkisch: !Kaz-Daøõ• (Gänseberg)]: •Also Zeus, und umarmte voll Inbrunst seine Gemahlin. Unten nun sproß die heilige Erd• aufgrünende Kräuter, Lotos mit tauiger Blum•, und Krokos6, samt Hyakinthos, Dichtgedrängt und weich, die empor vom Boden sie trugen: Hierauf ruhten beide, und hüllten sich rings ein Gewölk um, Schön und strahlend von Gold; und es tauten glänzende Tropfen•. (Il. 14. 346-351, Ü: Voß) Das weiche Blumendekor (inzwischen via Autopsie identifiziert: Herzhoff 1984, 257-271) illustriert den haptischen Untergrund der Verführungsszene. Homer führt 5 6 Vgl. Rose 1961, 43 f. In den frühsten Erwähnungen des Dodona-Orakels (Il. 16. 233!245; Od. 14, 327!330; 19. 296!299; Hdt. I 56; II 54!57) spielen Blitzeinschläge keine Rolle; vgl. Herzhoff 1990b, 385-391; Karageorghis/Caroll-Spillecke 1992. Vgl. Herzhoff 1984, 261; Herzhoff 1999b, Sp. 862: Homers țȡંțȠȢ ist Crocus gargaricus oder Crocus biflorus. Botanisches Denken von Homer bis Platon 113 dem Publikum den locus amoenus bildlich vor Augen. Dies setzt voraus, dass das Auditorium die Pflanzen kannte Auch im fünften Gesang der Odyssee geht es dem Sänger um Veranschaulichung. Die Hörer können sich die exotische Kalypso-Insel konkret ausmalen: [Hermes stieg] !aus dem Gewässer des dunkeln Meeres ans Ufer, Wandelte fort, bis er kam zur weiten Grotte der Nymphe Mit schönwallenden Locken, und fand die Nymphe zu Hause. Vor ihr brannte auf dem Herd ein großes Feuer, und fernhin Wallte der liebliche Duft vom brennenden Holze der Ceder Und des Citronenbaums. ["] Rings um die Grotte wuchs ein Hain voll grünender Bäume, Pappelweiden und Erlen und düftereicher Cypressen. Unter dem Laube wohnten die breitgefiederten Vögel, Eulen und Habichte und breitzüngichte Wasserkrähen, Welche die Küste des Meers mit gierigem Blicke bestreifen. Um die gewölbete Grotte des Felsens breitet ein Weinstock Seine scharrenden Ranken, behängt mit purpurnen Trauben. Und vier Quellen ergossen ihr silberblinkendes Wasser, Eine nahe der andern, und schlängelten hierhin und dorthin. Wiesen grünten umher, mit Klee bewachsen und Eppich. Selbst ein unsterblicher Gott verweilte, wann er vorbeiging, Voll Verwunderung dort, und freute sich herzlich des Anblicks#. (Od. 5. 58-75, Ü: Voß) Die Odyssee informiert nicht nur über Nutzen und Schönheit der Pflanzen. Sie lässt auch erkennen, was es nicht gab: Als Telemach in Sparta drei Pferde zum Geschenk bekommen soll, antwortet er, seine Heimat (das gebirgige Ithaka) eigne sich bestenfalls für Ziegen. Für Pferde bedürfe es einer flach-ebenen, von Lotos, Weizen, Gerste und andern Grünpflanzen gesäumten Landschaft, wie sie für das Gebiet bei Pylos typisch sei. Keine der Inseln tauge den !mutigen Rossen zur Laufbahn# (Od. 4.590-607). Homer charakterisiert $Landschaften% wie Kreta und das Idagebirge mit dem Beiwort !waldreich#. Der Sache (nicht dem Wort) nach unterscheidet er wildwachsende von kultivierten Pflanzen. In der Historia plantarum des Theophrast wird die Differenz von !kultiviert# und !wild# ein wichtiges Kriterium der Pflanzensystematik. Den kulturlosen Status der Kyklopen macht Odysseus u.a. an ihrer non-agrarischen Lebensweise fest: !Also steuerten wir mit trauriger Seele von dannen. Und zum Lande der wilden gesetzlosen Kyklopen Kamen wir jetzt, der Riesen, die im Vertrauen auf die Götter Nimmer pflanzen noch säen, und nimmer die Erde beackern. Ohne Samen und Pflege entkeimen alle Gewächse, Weizen und Gerste dem Boden, und edle Reben, die tragen Wein in geschwollenen Trauben, und Gottes Regen ernährt ihn. ["] Gegenüber der Bucht des Kyklopenlandes erstreckt sich, Weder nahe noch fern, ein kleines waldichtes Eiland, 114 Martin F. Meyer Welches unzählige Scharen von wilden Ziegen durchstreifen. Denn kein menschlicher Fuß durchdringt die verwachsene Wildnis#. (Od. 9. 105-119; Ü: Voß) In der Odyssee sind die gastfreundlichen Phäaken das idealisierte Gegenbild zu den wilden, asozialen Kyklopen. Zu ihrer rechtlich verfassten Inselgesellschaft passt eine vorbildliche Stadt- und Landschaftsarchitektur, mit einem eigenen, von Pappeln gesäumten Weihbezirk für Athene7 und einem quadratischen Garten inklusive öffentlicher Bewässerungsanlagen: !Eine Huf ins Gevierte, mit ringsumzogener Mauer. Allda streben die Bäume mit laubichtem Wipfel gen Himmel, Voll balsamischer Birnen, Granaten und grüner Oliven, Oder voll süßer Feigen, und rötlichgesprenkelter Äpfel. Diese tragen beständig, und mangeln des lieblichen Obstes Weder im Sommer noch Winter; vom linden Weste gefächelt, Blühen die Knospen dort, hier zeitigten schwellende Früchte: Birnen reifen auf Birnen, auf Äpfel röten sich Äpfel, Trauben auf Trauben erdunkeln, und Feigen schrumpfen auf Feigen. Allda prangt auch ein Feld, von edlen Reben beschattet. Einige Trauben dorren auf weiter Ebne des Gartens, An der Sonne verbreitet, und andere schneidet der Winzer, Andere keltert man schon. Hier stehen die Herling% in Reihen, Dort entblühen sie erst, dort bräunen sich leise die Beeren, An dem Ende des Gartens sind immerduftende Beete, Voll balsamischer Kräuter und tausendfarbiger Blumen. Auch zwei Quellen sind dort: die eine durchschlängelt den Garten; Und die andere gießt sich unter die Schwelle des Hofes An den hohen Palast, allwo die Bürger sie schöpfen. Siehe so reichlich schmückten Alkinoos& Wohnung die Götter. Lange stand bewundernd der herrliche Dulder Odysseus. Und nachdem er alles in seinem Herzen bewundert.# (Od. 7. 113-131, Ü: Voß) Homer unterscheidet drei Pflanzungen: Obstgarten (114-121), Weingarten (122126) und Gemüsegarten (127-128).8 Die Schilderung verdankt sich zweifellos der konkreten Anschauung vertrauter Gärten. Dass den Zeitgenossen solche Gärten bekannt waren, zeigt auch der letzte Gesang der Odyssee: Odysseus besucht seinen greisen Vater Laertes auf dessen Landgut. Der !lange Garten# ist ein Signum für den vorbildlich hohen Zivilisationsstand. Laertes behackt gerade einen Strauch 7 8 Vgl. Schäfer 1992, 137 zu weiteren den Göttern geweihten Hainen bei Homer [Il. 2.506; 20.8; Od. 6.291; 10. 350, 509; 17 308; 20, 278]; ebenfalls Caroll-Spillecke 1992, 155. Den Heroen wurde nur eine einzige solche Pflanzung zuteil, vgl. Il. 6.417-420. Die Pflanzung von Ulmen diente dem Totenkult; vgl. Il. 6.419; so noch Vergil, Aeneis 6.282: Ulme im Vorhof der Unterwelt. Vgl. Schäfer 1992, 136 zum sprachlichen Signum [਩ȞșĮ į੻] dieser topographischen Gliederung. Botanisches Denken von Homer bis Platon 115 (ij઄IJȠȞ), ein anderes ij઄IJȠȞ gräbt er um (Od. 24.227; 242). Sträucher und Setzlinge werden gut gepflegt (ebd. 244-247). Der Ausdruck ij઄IJȠȞ meint neben Feigen, Oliven, Wein und Gemüse ein unbestimmtes Gewächs (246). Maureen CarollSpillecke betont, dass Bäume und Weinstöcke bei Homer stets in !gerader Reihe# (੕ȡȤĮIJȠȢ) gepflanzt wurden (1992, 154). Ihre Studie zeigt, dass später, in klassischer Zeit, viele Städte so eng bebaut waren, dass sie kaum Platz für größere Privatgärten boten. Ausnahmen wie der Gartenfreund Kimon (der u.a. auf dem akademischen Hügel Pflanzungen anlegte) bestätigen die Regel (vgl. Plut. Kimon). Erst in hellenistischer Zeit kultivierte man außerhalb der Städte größere Gärten. Plinius berichtet, Epikur sei der erste gewesen, der eine Gartenvilla (habitari rura) besessen habe.9 Städte wie Olynth legten im 5. Jahrhundert Gemeinschaftsgärten an. CarollSpillecke erinnert hier an das von Aristoteles favorisierte Ideal der möglichst autarken Versorgung der Polis (vgl. Pol. VII 4. 1326b). Vor den Toren Athens gab es in klassischer Zeit größere Ölbaumpflanzungen. Die Bauern präsentierten stolz die auf ihren Landgütern angebauten Weine (vgl. Aristoph. Eirene 1159-1170; Archaner 231f; 512). Die Böden in Böotien waren noch ertragreicher als in die Attika (vgl. Caroll-Spillecke 1989, 16). Zurück zu Homer. In den Epen sind Kräuter u.a. für medizinische Zwecke relevant. Helena kennt ein Mittel (vermutlich Mohnsaft), um ihren Kummer zu vertreiben (vgl. Od. 4. 220). In der Ilias heißen die wundheilenden Kräuter meist !Pharmaka#. Einzelne Spezies nennt Homer nicht. Offenbar entstand der Terminus $Pharmaka% wegen der spürbaren Wirkung bei der Einnahme solcher Gewächse. Dies zeigt, wie die sinnliche Erfahrung ganze Begriffsklassen formt. Ebenfalls Gifte und Zaubermittel heißen !Pharmaka# (vgl. Schulze 2002). Hermes verabreicht Odysseus ein Pharmakon zum Schutz gegen die magischen Kräfte der Kirke, damit diese !Meisterin der Gifte# Odysseus nicht in ein Schwein verwandelt. Odysseus berichtet, wie ihm das Kraut überreicht wird: !So sprach der Schimmernde [Hermes], Zog aus der Erde ein Pharmakon, Gab es, und zeigte mir auch, wie es gewachsen. Schwarz war die Wurzel, weiß wie Milch war die Blüte, die Götter Nennen es Moly (ȝ૵Ȝȣ)#10. (Od. 10. 302-306) 9 10 Vgl. Caroll-Spillecke 1989, 40-41: Sie zeigt im Rekurs auf Cicero, dass dieser Garten nicht (wie Plinius schreibt) !in der Stadt# lag, sondern vor dem Dipylon-Tor. Vgl. Herzhoff 1999b, 13-49, 25 zur Identifikation dieser Pflanze: Theophrast hielt ȝ૵Ȝȣ für die (noch heute auf der Peloponnes wachsende) Sommer-Knotenblume (Leucojum aestivum L.), Dioskurides !mit mehr Berechtigung# für die !in Anatolien verbreitete Steppenraute (Peganum harmala L.), die in der Ethnobotanik Vorderasiens als unheilabwehrende Pflanze bis heute eine Schlüsselrolle spielt#. Herzhoff, 25 (Anmerk. 42) stützt sich hier u.a. auf 116 Martin F. Meyer Hermes zeigt die !Natur# der Pflanze. Er zeigt, wie sie gewachsen ist (ȝȠȚ ij઄ıȚȞ Į੝IJȠ૨ ਩įİȚȟİ). Als ihre physis gelten die schwarze Wurzel (૧઀ȗȘ) und die milchartig weiße Blüte (ਙȞșȠȢ). Wuchs und Gestalt sind als !Natur# der Pflanze verstanden. (Das Wort ijȣ੾ für !Wuchs# gebraucht Homer zehnmal; stets auf Menschen gemünzt). Hier sind einige Punkte von grundlegender Bedeutung: (a) Die Pflanze ist ursprünglich als !Gewächs# begriffen. In der medialen Verbform ij઄İıșĮȚ kommt zur Sprache, dass ein solches Gewächs zugleich als $Subjekt% und $Objekt% verstanden wird. Einerseits wächst die Pflanze an einem passiven Objekt, dem Stamm oder Spross. Andererseits ist sie selbst ein aktiv wachsendes Subjekt. (b) Der Terminus !physis# (Vorläufer des lateinischen Lehnworts !natura#) geht auf die Vorstellung des Wachsens zurück. Anders als bei den (höheren) Tieren, bei denen leicht zu beobachten ist, wie ein neues Individuum aus dem Muttertier hervorgeht, ist der Generationswechsel bei den Pflanzen nicht deutlich zu erkennen. Das phänotypisch Neue wird als Einheit an jenem Individuum begriffen, an dem es sich ausbildet. !Physis# ist also (i) das, was an einer Sache wächst, (ii) dasjenige, woran diese Sache wächst und (iii) das Resultat dieses Reifungsprozesses. In der späteren wissenschaftlichen Sprache meint !physis# zunächst das Wesen einer Sache und dann (bei Aristoteles) dasjenige kausale Prinzip, das eine (natürliche) Sache zu dem macht, was sie wesentlich (ihrer realen Form nach) ist. Wichtig ist, dass der PhysisBegriff der Vorstellungswelt der Botanik entstammt. So richtet sich die antike Naturwissenschaft anfänglich nicht auf das !Ganze der Natur# (im Sinne der natura universalis), sondern auf das je konkrete Wesen einer Sache. !Physis# meint: Formbestimmung. (c) Nirgends im frühgriechischen Epos wird Pflanzen das Prädikat !Leben# zuerkannt. Bei Homer bedeutet Leben stets $noch-Leben% und ist in Opposition zum Totsein gedacht. Da Tiere und Pflanzen nach frühgriechischer Vorstellung nicht eigentlich !sterben# (sondern allenfalls !verenden#), kommt ihnen das Attribut $Leben% nicht zu. Pflanzen werden im Epos nicht als $beseelte Wesen% vorgestellt. Ihnen fehlt, was die Epiker die !Psyche# (den !Totengeist#) nennen. Diese Auffassung ändert sich erst zweihundert Jahre später bei Pythagoras. Dies alles bedeutet nicht, dass nicht schon bei Homer präzise Beobachtungen zur botanischen Umwelt vorliegen. Fast jeder Zeitgenosse lebte von der Landwirtschaft und war schon deshalb mit der Pflanzenwelt gründlich vertraut (weiterführend: Richter 1973). Die agrarische Existenz war so natürlich und normal, dass die Homerische Sprache kein eigenes Wort für !Bauer# (ȖİȦȡȖઁȢ) hervorbringen musste. Flattery/Schwartz 1989, die ȝ૵Ȝȣ zuerst als Peganum harmala bestimmt hatten. Die Steppenraute findet sich überall an trockenen Standorten in Kleinasien; ebenfalls zu ȝ૵Ȝȣ: Amigues 1995. Botanisches Denken von Homer bis Platon 117 Homers Zeitgenossen konnten sicher weit mehr Pflanzenspezies klassifizieren als ein durchschnittlicher Europäer heute11. Meine Überlegungen zum frühgriechischen Epos schließen mit einigen Bemerkungen zu Hesiod. In der Theogonie begegnen nur fünf Pflanzenspezies12. Pflanzen waren zwar ein fester Bestandteil der kultisch-rituellen Praxis (so werden etwa bei Homer regelmäßig !heilige Gerste" oder Wein geopfert). Pflanzen wurden aber nicht als Gottheiten verehrt. Ihre Existenz war so fraglos gegeben, dass es keiner genealogischen Ableitungen bedurfte. Bei Hesiod heißt es, Prometheus habe den Menschen das Feuer in einem hohlen Narthexrohr überbracht (vgl. Theog. 566; Op. 52). Dies war ein Riesenfenchel (Ferula communis), dessen Pflanzenmark lange brennt (Abb. 7). Auch in den Werken und Abb. 7 Tagen werden nur 15 Pflanzenspezies erwähnt. In botanischer Hinsicht sind die Werke und Tagen aber aussagekräftiger als die Theogonie. Hesiod war selbst Bauer und Hirte. Seine Ratschläge zur Bewältigung des agrarischen Lebens im Schlussteil des Gedichts lesen sich wie ein früher Bauernkalender. Hesiod gibt Anweisungen, wann gesät, geerntet oder der Wein beschnitten werden soll. Er kennt weder Monatsnamen noch Jahreszahlen. Umso bemerkenswerter ist, wie sich in den Werken und Tagen die agrarisch-botanischen Ereignisse mit den fixen Daten des astronomischen Jahresumlaufs verbinden. Dieser Konnex von biologischen, klimatischen und astronomischen Regelmäßigkeiten bringt einmal (den vor der klassischen Zeit nicht in diesem Sinne gebrauchten) Begriff des ![Natur-] Gesetzes" (ȞંȝȠȢ) hervor (vgl. Hes. Op. 387; weiterführend: Kullmann 2010, 13-14). Die folgende Tabelle zeigt, wie die zeitliche Orientierung der frühen Griechen sich auf den Zusammenhang von regelmäßig wiederkehrenden astronomischen, klimatischen und biologischen Ereignissen stützt: 11 12 Vgl. Lévi-Strauss 1973, 11-48 zu der immensen zoologischen und botanischen Kenntnis vieler schriftloser Völker: Bei manchen Stämmen kennen auch durchschnittliche Zeitgenossen mehr als 450 Pflanzenspezies. Vgl. das Verzeichnis (B) Pflanzen bei Hesiod im Anhang des vorliegenden Beitrags. 118 Martin F. Meyer ASTRONOMISCHE DATEN13 [Sep] Sirius tagsüber tief, nachts lange sichtbar; Sirius u. Orion im Zenit; Arkturos bei Eos Kraft der Hyaden METEOROLOGISCHE DATEN ZOOLOGISCHE DATEN Kraft des Helios nachlassend BOTANISCHE DATEN Bäume noch wurm- oder raupenfrei; Traubenlese 447ff 618f [Okt] Plejaden Untergang naht HERBST [Nov] Kranichzug Orion Untergang; Plejaden Untergang [7. Nov] (Plej. 40 Tage verborgen) [Dez] Sonnenwende (Süd) [19/20. Dez.] WINTER Beginn starken Regens [Jan] !Lenaion# [Feb] Arkturos Aufgang [60 Tage nach Sonnenwende] 388 Eisige Kälte; Helios zeigt sich kaum; Schnee und Frost Polyp frisst seine Füße; Waldtiere hungern Eisiger Boreas, feste Eisschicht Theres zeugungsunfähig Dichte Wolken Wiederkehr der Schwalbe 523ff 510 503 Erde bringt wieder Früchte hervor Äquinoktium [20/21.März] Schnecke kriecht an Pflanzen empor; Kuckucksruf FRÜHLING [April] Blätter des Feigenbaums sichtbar [Mai] 678ff 382ff Plejaden Aufgang [Juni] Sonnenwende [22/23. Juni] Orion Aufgang 478 582ff [Juli] Sirius Aufgang [19.Juli] SOMMER 560ff 485 571 [März] 13 413ff 608f 612f [Aug] Ermüdende Hitze; Erfrischender Zephir [Etesien] Gesang der Zikaden; Ziegen fett Golddistel blüht 598 Volle Kraft des Orion Astronomische Daten gemäß West 1978, 376-389 [Excursus II Time Reckoning], berechnet für das Jahr 701 v. Chr. und den Breitengrad 38û 20&; vgl. auch Wenskus 1990. Botanisches Denken von Homer bis Platon 119 2. Die Hymne an Demeter In der Frühzeit ist die Reflexion über die Ursachen für solch periodische Regelmäßigkeiten oft in komplexe Mythologeme eingewoben. Paradigmatisch ist die im 7. Jh. v. Chr. verfasste Hymne an Demeter (vgl. Weiher 1986, 140). Hades raubt Persephone (die schöne Tochter der Frucht- und Getreidegöttin Demeter), indem er ihr eine blumige Falle stellt. Persephone selbst berichtet von dieser Tat: !Auf lieblicher Wiese spielten wir alle ["] und pflückten liebliche Blumen, Wahllos mit unseren Händen: milden Krokus und Iris, Lilien, Hyazinthen, Rosenknospen # ein Wunder war es zu schauen, Narzissen sproßten wie Krokus in Fülle Weithin über das Land. Voll Jubels pflückte ich # plötzlich Klaffte die Erde vor mir, hoch stürmte der mächtige Herrscher Unter die Erde zog mich der Wirt der Vielen.$ (416-431, Ü: Weiher) Vier kurze Bemerkungen: (a) Der Dichter unterstreicht die wunderbare Anmut der Blumen auf der lieblichen Wiese. Abermals ein Beleg, dass die Blumen schon in der Frühzeit als besonders schön empfunden wurden und ästhetisch bedeutsam waren. (b) Der Text deutet an, dass die Wurzeln der Pflanzen bis in das subterrestrische Totenreich hinab reichen: Der Unterweltgott Hades herrscht (im Zusammenspiel mit Gaia, der Erdgöttin) über die Flora. Die Pflanzen verbinden in der mythischen Ideenwelt Tote und Lebendige: Die %Kräfte der Toten& befördern das Pflanzenwachstum. So %erklärt& die Hymne die unsichtbaren und rätselhaften Ursachen des Wachstums. (c) Die Demeterhymne lässt sich als %Strafmythos& für das Abb. 8 Abpflücken der erdverwurzelten Gewächse verstehen. Das kollektive Schuldbewusstsein für die %widerrechtliche& Aneignung der wilden Blumen bildet das %ethische Motiv& des Mythologems. Das übermütige Abbrechen der wilden Pflanzen fordert eine Sanktion, die sich in der realen Beschränkung der (durch Demeter personifizierten) agrarischen Möglichkeiten niederschlägt. (d) Insgesamt zielt der Hymnus auf eine Erklärung für den periodisch wiederkehrenden Vegetationszyklus: Demeters Früchte sind nur zwei Drittel des Jahres sichtbar. Das restliche Drittel bleibt Persephone in der Totenwelt (Abb. 8). 120 Martin F. Meyer Die Hymne führt die Dürreperioden auf den Zorn der mit Hades im Widerstreit liegenden Getreidegöttin zurück. Etwas plakativ lässt sich resümieren: Die Kultur musste der Natur und den Kräften der Toten abgerungen werden. (Eine grundverschiedene Deutung der Teilung des Jahres liefert in römischer Zeit der erste Gesang der Metamorphosen des Ovid.14) 3. Die Vorsokratiker Bei den ersten Vorsokratikern, den sog. Milesiern, zeigt sich ein auffälliges Desinteresse an botanischen Sachverhalten. Zwar kleiden sich ihre Gedanken zur Kosmogenese in eine von botanischen Metaphern durchsetzte Sprache: Anaximander spricht von einem !Urkeim# (ȖંȞȚȝȠȞ), der aus dem Ur-Einen ausgeschieden wird und einer den Kosmos bzw. die ersten Tiere umgebenden !Rinde# (ijȜȠȚઁȢ) (vgl. Herzhoff 1999a, 26-28). Nirgends aber ist bei Thales, Anaximander und Anaximenes von Pflanzen die Rede15. Der hier zuerst tradierte Ausdruck ȗ૴Į (für $Lebewesen%) bezieht sich exklusiv auf Tiere und Menschen. Arthur S. Pease bemerkt treffend: #The Presocratic philosophers seem in their extant fragments to have been only slightly interested in plants' (1952, 44). Ein Grund für die Vernachlässigung der Pflanzen lag in der Sprachbarriere, die aus der Sinnverschiedenheit der Wurzeln ijȣ- einerseits bzw. ȖİȞ- und IJİț- andererseits resultiert: Die ȗ૴Į erscheinen im Lichte von Geburtsvorgängen. Sie sind vom Phänomen der Geburt eines Individuums her begriffen. Die Pflanzen verbleiben dagegen im Assoziationskreis bloßer Wachstumsprozesse. Die ijȣIJ੺ sind dem eigentlichen Wortsinne nach !Gewächse#. In der Tat ist die Genese einer Pflanze schwerer zu beobachten als die Geburt von höheren Tieren oder Menschen. Kurz: Auch die milesischen Naturphilosophen begreifen Pflanzen noch nicht als Lebewesen. Die ent14 15 Vgl. Ovid, Met. I 117-119 (Übers. E. Rösch): !Jupiter zog die Frist des alten [vormals, im goldenen Zeitalter noch ewigen Frühlings] zusammen, führte mit Wintern, Sommern und unbeständigen Herbsten, kurzem Lenz in der Zeiten vier zu Ende den Jahreslauf.# Hier fehlt also das ethisch signifikante Strafmotiv. Ovid geht es allein um die Teilung des einstmals ewigen Frühlings in vier Jahreszeiten. Das kulturgeschichtliche Motiv verschiebt sich hier: Es ist nun Jupiter, auf dessen Konto diese Periodizität zu buchen ist. Erst infolge seiner göttlichen Anordnung verschwindet der ursprünglich paradiesische Zustand, als die Menschen von den immer und überall blühenden Früchten (vgl. I 105-113) noch ohne Ackerbau, d.h. ohne Arbeit und Mühsal, leben konnten. Herzhoff 1999a, 15-23: Demnach setzt die von Arist. Pol. I 11. 1259a6-19 überlieferte Thales-Anekdote zwar !genauste Kenntnis über den Vegetationszyklus des Ölbaums# (15) voraus. Der ökonomische Erfolg des Thales sei aber eher auf !astrometerologische Prognosen# (22) gegründet. Die Anekdote belegt also nicht, dass Thales größere botanische Kenntnisse hatte als ein normaler Olivenbauer. Botanisches Denken von Homer bis Platon 121 scheidende Wendung des biologischen Denkens kam von Pythagoras. Porphyrios erinnert Jahrhunderte später an seine Lehren: !Am meisten wurden jedoch folgende Lehren bei uns allen bekannt: Erstens, daß er [Pythagoras] behauptet, die Psyche sei unsterblich; zweitens, daß sie sich ändere, indem sie in andere Lebewesen eingehe; ["] schließlich, daß man alles Entstehende, das beseelt ist, notwendig als verwandt betrachten muß. Pythagoras scheint der erste gewesen zu sein, der diese Lehre in Griechenland einführte.# [Porphyrios, Vit. Pyth. 19 = DK 14, 8] Pythagoras& Thesen kamen einer Revolution gleich (vgl. Meyer 2008a). Vier Punkte sind hervorzuheben. Pythagoras lehrte, (a) die Psyche sei unsterblich (ਕș੺ȞĮIJȠȞ) und (b), sie verändere sich selbst. Die Psyche gehe (c) in jeweils andere Lebewesen ein (İੁȢ ਙȜȜĮ Ȗ੼ȞȘ ȗ૴ȦȞ). Alles Belebte trage in sich eine ihm eigentümliche unverwechselbare Psyche. Sein wichtigster Gedanke ist (d), dass alles Entstehende, das beseelt ist, !verwandt" ist (ʌ੺ȞIJĮ IJ੹ ȖȚȞંȝİȞĮ ਩ȝȥȣȤĮ ੒ȝȠȖİȞો). Damit war erstmals der Grundsatz aufgestellt, dass alle ਩ȝȥȣȤĮ eine $logische Klasse% bilden. Alle Elemente dieser Klasse sind $beseelt% und homogen (stammesverwandt; gleichen Ursprungs). Für die biologische Theoriebildung war dies ein grandioser Fortschritt: Seither galten alle Lebewesen (ȗ૴Į) als beseelt. Es kennzeichnet sie geradezu, !in sich# eine (für jedes Lebewesen spezifische) Psyche zu haben. Der Term !Empsycha# (!beseelte Wesen#) hat im Griechischen einen weiteren Bedeutungsumfang als der (im Deutschen meist als !Leben# übersetzte) Ausdruck ȗોȞ. Die pythagoreische Lehre evozierte die schwierige Frage (Guthrie 1992, 200: !logical difficulty#), wie sich erkennen lässt, ob etwas überhaupt beseelt ist. Diese theoretische Aporie war v.a. praktisch virulent: Wenn die Pflanzen als psychische Entitäten galten, so ließ sich Pythagoras& Verbot nicht durchhalten, keine beseelten Dinge zu essen. Empedokles hat diese radikale Konsequenz so gesehen: !Weh mir, dass mich nicht früher vernichtete der unentrinnbare Tag, ehe meine Lippen der Gedanke an den grässlichen Frevel des Fraßes umspielte# (B 139). Das Problem wird noch im sog. Neuplatonismus (fast ein Jahrtausend später) diskutiert. Seine Lösung ließ nicht so lange auf sich warten. Nach einem von Diogenes Laertius tradierten Bericht (DL VIII 24-29)16 lehrten die Pythagoreer (nicht Pythagoras selbst), dass !Wärme die Erzeugerin des Lebens# sei (ebd. 27). Der die Wärme erzeugende Sonnenstrahl dringe durch den kalten Äther !auch bis in die Tiefe# vor und mache so !alles belebt#. !Es lebe nämlich alles, was der Wärme teilhaftig werde; daher seien denn auch die Pflanzen belebt. (ȗોȞ ʌ੺Ȟș! ੖ıĮ ȝİIJ੼ȤİȚ IJȠ૨ șİȡȝȠ૨· įȚઁ țĮ੿ IJ੹ ijȣIJ੹ ȗ૶Į İੇȞĮȚ· ȥȣȤ੽Ȟ ȝ੼ȞIJȠȚ ȝ੽ ਩ȤİȚȞ 16 Vgl. DL VIII 24: ਥȞ ȉĮ૙Ȣ IJ૵Ȟ ijȚȜȠıંijȦȞ įȚĮįȠȤĮ૙Ȣ. Alexander (geb. ca. 100 v. Chr.) trug den Beinamen !Polyhistor#. Er verfasste zwei Werke über die Pythagoreer: (i) Über die Pythagoreischen Symbole, (ii) Die Philosophenfolge. 122 Martin F. Meyer ʌ੺ȞIJĮ). Doch habe nicht alles eine Seele. Es sei aber die Seele ein losgerissenes Stück so- wohl des warmen wie des kalten Äthers, da sie auch Anteil am kalten Äther habe. Und es sei ein Unterschied zwischen Seele und Leben, denn die Seele sei unsterblich, da auch das, wovon sie losgerissen ist, unsterblich (unvergänglich) ist#. (DL VIII 28) 17 Den Pythagoreern ging es um die Verschiedenheit von Psyche und Leben: įȚĮij੼ȡİȚȞ ȥȣȤ੽Ȟ ȗȦોȢ. Anders als die unsterbliche Psyche ist das Leben vergänglich und sterblich. Eine weitere Umwälzung des botanischen Denkens kann ich nur kurz andeuten. Heraklit sah das $Leben% nicht länger in Opposition zum Totsein. Für ihn war $Leben% ein ewiges Kontinuum, das in artspezifischen Bahnen verläuft. Seine Überlegungen lenkten die Aufmerksamkeit auf Fragen der Reproduktion und der artspezifischen Bedingtheit von Leben. Zusammenfassend lässt sich sagen: Eine wichtige Implikation der Neufassung des Psychebegriffs lag darin, dass seither den Pflanzen das Prädikat $Leben% zuerkannt wurde. Dies bedeutete nicht, dass die Pflanzen zu jenen Wesen gezählt wurden, die seit den Milesiern als ȗ૴Į galten. Erst Aristoteles führte einen wissenschaftlichen Terminus für alle $Lebewesen% (ȗ૵ȞIJĮ) ein. So erstaunt nicht, dass Philosophen wie Anaxagoras, Demokrit oder Platon annehmen konnten, die Pflanzen seien !erdverwurzelte Tiere# (ȗ૶ȠȞ Ȗ੹ȡ ਩ȖȖĮȚȠȞ IJઁ ijȣIJઁȞ İੇȞĮȚ), vgl. Plutarch, Aetia physica, 911c. Es zeigte sich schon, wie sehr die frühe Kosmologie in der botanischen Sprach- und Vorstellungswelt verwurzelt ist. Das Lehrgedicht zur Weltentstehung des Empedokles (ca. 495 bis 435 v. Chr.) liefert dafür weitere Belege. Die Erde bildet sich in einer ersten Phase aus dem Akt einer spontanen Urzeugung (ausführlich: Kirk/Raven/Schofield 1994, 330-332). In einer zweiten Phase entstehen die Bäume. Sie erscheinen bei Empedokles als !Protagonisten des Lebens und gleichsam primitive und doch vollkommene Relikte aus einer Frühphase der Kosmogonie, als die Liebe noch mehr Macht hatte als heute# (Herzhoff 1999a, 36). Theophrast hat dies später so kommentiert: !Empedokles sagt, daß Bäume die ersten Lebewesen waren, die aus der Erde hervorwuchsen, noch bevor sich die Sonne gebildet hatte und Tag und Nacht geschieden waren. In ausgewogener Mischung faßten sie den Anteil des Männlichen und Weiblichen in sich. Sie wüchsen, indem sie von der in der Erde enthaltenen Wärme in die Höhe getrieben würden, so daß sie Teile der Erde seien, gerade so wie Embryos im Uterus Teile des Mutterleibes#. (Thphr. CP 1.12, 5; Ü: Herzhoff 1999a, 37) Die weiteren Phasen der Kosmogenese sind für unsern Kontext irrelevant. Wichtig ist, dass Empedokles die Bausteine des gesamten Kosmos als !Wurzeln# (૧ȚȗઆȝĮIJĮ) bezeichnet. Auch dies belegt, dass die frühgriechische Naturphilosophie von botanischen Bildern dominiert ist. Erst Platon ersetzt die Rede von den !Wurzeln# 17 Vgl. Guthrie 1992, 202-203 mit weiteren gründlichen und mit wichtigen Hinweisen. Botanisches Denken von Homer bis Platon 123 durch eine neue Metapher (ıIJȠȚȤİ૙Į sinngemäß: !Buchstaben#). Rückblickend lässt sich sagen, dass mit den Pythagoreern eine intensivierte Thematisierung botanischer Probleme anhebt. Zu Beginn des 5. Jahrhunderts stellt sich die Situation der vorwissenschaftlichen Botanik wie folgt dar: (1) Ernährung: Die Feststellung, dass sich Lebewesen ernähren, bedarf keiner besonderen Beobachtungsgabe und ist schon in frühster Zeit hinsichtlich der Tiere unstrittig. Erst als die Pflanzen als lebende Entitäten begriffen sind, gerät ihre Ernährung in den Blick. Anakreon notiert, die Bäume tränken Erde (Fr 21.2 West). Empedokles führt den differenten Geschmack von diversen Pflanzen (insb. von Wein) auf die Böden zurück, aus denen sie sich ernähren (vgl. A 70). Alkmaion nennt die Erde eine •Nährmutter der Pflanzen•18. Der Autor der hippokratischen Schrift De natura pueri vergleicht die Ernährung der Bäume mit der menschlichen Verdauung (vgl. Herzhoff 1999a, 18). Wie gesehen, bezeichnen Anaxagoras, Demokrit und Platon die Pflanzen als •erdverwurzelte Tiere•. (2) Fortpflanzung: Pythagoras und Heraklit verstehen die Fortpflanzung als geradezu konstitutives Moment von Leben. In der Zoologie bleibt indes der Gedanke einer generatio spontanea für niedrige Spezies (v.a. für kleine Insekten) leitend19. Beachtlich ist die Beobachtung des Empedokles, die Bäume enthielten in •symmetrischer Mischung• (ıȣȝȝİIJȡ઀ĮȢ IJોȢ țȡ੺ıİȦȢ) männliche und weibliche Anteile in sich; besonders hohe Bäume brächten sogar •Junge• zur Welt (A 70)20. Empedokles nennt die Oliven •Eier des Olivenbaumes• (B 79)21. Methodisch bedeutsam ist, wie Ana18 19 20 21 Zit. n. Herzhoff 1999a, 18 [gemäß Arist. De plantis 44]. Das Fragment fehlt bei Diels/ Kranz. Vgl. Arist. GA I 16. 721a2ff; Met. VII 7. 1032a27ff; VII 7. 1023b23ff; VII 9. 1034a9ff.; VII 9. 1034b4ff zur generatio spontanea; weitere Belege für antike Autoren: Diodor 1.7.3ff; Lukrez 5.783ff; Ovid, met. I 416ff. Weiterführend: Lesky 1950, 131ff.; Capelle 1955, 150-180; Rodemer 1928; 1985, 79-83. Vgl. Herzhoff 1999a, 37 (Anmerk. 78): Demnach war Aristoteles von Empedokles! Beobachtung des zwittrigen Wesens der Bäume so beeindruckt, dass er sie immer wieder zitiert hat; so beispielsweise in De plantis 3; 5; 36. Vgl. Arist. GA I 23. 730b33-731a9; Thphr. CP 1.7.1. Aristoteles und Theophrast zogen aus Empedokles! Überlegung den Schluss, dass Männliches und Weibliches bei den Pflanzen (anders als bei den Tieren) nicht getrennt, sondern gemischt vorkommen; vgl. Wöhrle 1985, 12f. bzw. 52-64: Für Arist. sei der •Pflanzensame gewissermaßen Sinnbild für die zusammengefügten Geschlechter•. Dies bedeute nicht, dass Arist. die Pflanzen für •ungeschlechtlich• hielt (53). Theophrast habe diese Frage nicht weiter vertieft. Er habe allerdings (Wöhrle nennt elf Stellen, allesamt aus HP) männliche und weibliche Pflanzen unterschieden. 124 Martin F. Meyer logien für botanische Erklärungen fruchtbar wird (grundlegend: Lloyd 1966).22 Für Philolaos (B 13) ist das •Schamglied• (ĮੁįȠ૙ȠȞ) ein gemeinsames Merkmal von Menschen, Tieren und Pflanzen, •denn alles blüht und wächst aus Samen heraus• (ʌ੺ȞIJĮ Ȗ੹ȡ ਕʌઁ ıʌ੼ȡȝĮIJȠȢ țĮ੿ ș੺ȜȜȠȞIJȚ țĮ੿ ȕȜĮıIJ੺ȞȠȞIJȚ). (3) Wärme: Ein weiteres Charakteristikum von Leben ist Wärme, die seit den Milesiern zu den vier Qualitäten (Warmes/Kaltes/Feuchtes/Trockenes) zählt. Empedokles sagt über die ersten Bäume, sie wüchsen, •indem sie von der in der Erde enthaltenen Wärme in die Höhe getrieben• würden (A 70)23. Nach Alkmaion ist die •Erde die Mutter der Pflanzen und Helios ihr Vater• (vgl. Herzhoff 1999a, 18). Der Pythagoreer Menestor schließt aus dem Sachverhalt, dass im Winter der Schnee auf Efeublättern schmilzt, dass Efeu (Hedera helix) eine warme Pflanze ist. Er unterscheidet erstmals warme und kalte Pflanzenarten. Das Prädikat "warm! ist also kein Merkmal aller Lebewesen. (4) Atmung: Seit Homer gilt das Atmen als Charakteristikum des Lebens. Bei Empedokles heißt es: •Also atmet alles ein und aus• (ੰįİ į! ਕȞĮʌȞİ૙ ʌ੺ȞIJĮ țĮ੿ ਥțʌȞİ૙, B 100 [= Arist. de respir. 7. 473b]). Dieser Satz könnte auch Pflanzen inkludiert haben. Dass Empedokles eine umfassende Theorie der Porenatmung entwickelt hat, passt zu dieser Vermutung. Auch die Theaterliteratur des 5. Jahrhunderts enthält botanische Informationen. Insb. die elf erhaltenen Komödien des Aristophanes liefern mannigfaltige Angaben zum bäuerlichen Leben und dem Gebrauch von Pflanzen für die Ernährung (vgl. Caroll-Spillecke, 1989, 15; Dalby 1998). Aristophanes verdanken wir wertvolle Schilderungen der attischen Landschaft. Bezeichnend sind die Verse über den akademischen Hügel, auf dem Platon dreißig Jahre später seine berühmte "Schule# errichten sollte: 22 23 Vgl. auch Kirk/Raven/Schofield 1994, 337 (Übers. Hülser): •Der bestechendste Zug von Empedokles! Biologie ist der, dass er in offensichtlich unähnlichen Teilen sehr unterschiedlicher Arten von Lebewesen homologe Funktionen erkannte. Aristoteles hat diesen Zug nicht nur gerühmt, sondern auch systematisch untersucht. B 82 [Arist. Meteor. IV 9. 387b4] ist eine ausdrückliche Formulierung des Themas; B 83 und B 79 zeigen, wie Empedokles es benutzte, um damit einen deskriptiven Gewinn zu erzielen: Er lässt seinen Leser die unerwartete Verwandtschaft aller Natur sehen.• [DK-Zählung: MM]; vgl. auch Hankinson 1998, 169. Vgl. Meyer 1854, 56: •Dies kann wohl nichts anderes bedeuten, als den Pflanzen fehle die den Tieren zukommende eigenthümliche (organische) Wärme.• Botanisches Denken von Homer bis Platon 125 !im friedlichen Hain des Akademos, im Schatten des Ölbaums ["] von Eiben umduftet und müßiger Ruh# und den silbernen Blättern der Pappel, in der Wonne des Frühlings, wo flüstern leise zu der Ulme sich neigt die Platane.$ (Aristophanes, Nub. 1005-1009)] 4. Herodot Die in der Mitte des 5. Jahrhunderts publizierten Historien des Herodot waren das bis dato umfangreichste Prosawerk. Herodot erwähnt etwa 60 Pflanzenarten (vgl. Kanngiesser 1912, 81-102; Baumann 1986, 11) und kann als Vorläufer der Pflanzengeographie gelten. Das Wort !Historie$ meint zunächst !Kunde$ oder !Zeugenschaft$ für das, was der sinnlichen Erfahrung nicht direkt zugänglich ist. Bei Herodot dient das Bekannte oft zur Veranschaulichung des unbekannten Fremden (grundlegend: Bichler 2001). Dies zeigt sich u.a. an Herodots Beobachtungen zu Pflanzen aus den nichtgriechischen Gebieten. Bei den ca. Abb. 9 40 %ausländischen& Spezies handelt es sich zum Großteil um außereuropäische, v.a. um ägyptische Pflanzen24. Pflanzenbeschreibungen charakterisieren in erster Linie die %Landesnatur&. Beispielhaft ist ein Satz wie: !Fast das ganze Skythenland ist baumlos mit Ausnahme von Hylaia$ (Hdt. IV 19). Auch die (gemäß Plinius Nat. hist. 19, 15 ausgestorbene, für die antike Medizin wertvolle)25 Ferula-Art Silphion (ıȓȜijȚȠȞ) erwähnt Herodot in 24 25 Vgl. im Anhang des vorliegenden Beitrags auch das Verzeichnis !(C) Exotische Pflanzen bei Herodot$. Vgl. De morb. 4; Thphr. HP VI 3, 7; Diosc. Mat. med. III. Die Notiz von Plinius d. Ä. hat zu komplexen Diskussionen über diese Spezies geführt; insb. weil Silphion noch im 4. Jh. n. Chr. (durch Bischof Synesios von Kyrene) bezeugt ist; vgl. dazu: Capelle 1954, insb. 185189; Parejko 2003, 925'927; Amigues 2004, 191-226; Kiehn 2007, 4-7. Dass Silphion eine besonders exklusive, kulturell bedeutsame Pflanze war, belegt insb. die sog. ArkesilasTrinkschale (vgl. Abb. oben). Die Abbildung zeigt, wie der kyrenische König Arkesilas das 126 Martin F. Meyer diesem Sinne: •Dort [in der Cyrenaica] fängt auch das Silphion an, es erstreckt sich von der Insel Platea bis zum Ausgang der Syrte.• (Hdt. IV 169; Abb. 9). Gelegentlich heißt es, das fruchtbare Land hätte die Ansiedlung einzelner Ethnien begünstigt (so in Sparta und Ionien). Generell gilt: Für Herodot ist die Flora eines "Landes# von seinen Bewohnern geprägt. Sein botanischer Blick konzentriert sich fast exklusiv auf Kulturpflanzen. Diese "methodische# Voreinstellung führt zur Selektion des beschriebenen Materials. Für die Historien passt Theophrasts Bemerkung, im Allgemeinen hätten nur die kultivierten Pflanzen einen Namen, die wilden aber nicht (Thphr. HP I 14.4). Beinah ausnahmslos schildert Herodot Pflanzen als Nahrungs- oder Genussmittel, als Pharmaka oder Handelsgüter. Techniken des Anbaus, der Aneignung, der Gewinnung und Nutzung von Pflanzenprodukten stehen im Vordergrund. Nachstehend einige Beispiele für nicht-griechische Pflanzen: Baumwolle (Gossypium indicum) gilt als wildwachsende arabische Frucht, sie übertrifft Schafswolle an Schönheit und Güte. Ebenholz (Diospyros crassiflora) aus Aithiopien ist besonders wertvoll. DattelpaOmen (Phoenix dactylifera) sind in Ägypten und Babylonien weit verbreitet und werden durch Gallwespen bestäubt. Bei den Ägyptern ist Emmer (Triticum dicoccum) die dominante Weizenart. Sie gewinnen Gummi aus Akazien (Acacia nilotica) und machen ihr Brot aus Dinkel (Triticum aestivum spelta). Knoblauch (Allium sativum) gilt ihnen als exklusives Würzmittel. Sie balsamieren die Mumien der Reichen mit Myrrhe (Commiphora myrrha) und konservieren die Leichen der Armen mit Rettichöl. Papyrus (Cyperus papyrus) ist in Ägypten nicht nur Schreibmaterial, sondern dient auch zur Produktion von (Priester-)Schuhen, von Segeln und Brückenbauelementen [alle Angaben im Anhang]. Bei den Bäumen ist meist von der Holznutzung (besonders als Baustoff) die Rede. Ebenholz gilt als luxuriöses Handelsgut.26 Zu den Luxusgütern zählt Herodot begehrte Gewürze wie Zimt (țȚȞ੺ȝȦȝȠȞ) oder exquisites Räucherwerk.27 Vom Wein (Vitis vinifera) und sei- 26 27 Abwiegen, die Verpackung und Lagerung von Wolle bzw. Silphion überwacht. Auch diverse kyrenische Münzen deuten darauf hin, dass der König offenbar ein Monopol auf die wertvolle Pflanzenware hatte. Vgl. Herzhoff 2005, 173: Demnach war Ebenholz (Diospyros crassiflora) •seit der Bronzezeit in Ägypten für die Vornehmen das begehrteste, dann unter den Ptolemäern geradezu ein modisches Möbelholz, während es bei den Römern noch bis in die Herrschaft des Augustus weitgehend unbekannt blieb•; vgl. Meiggs 1982, 282-286 generell zur Holzverwendung im Altertum. Vgl. Hdt. III 111: Herodot ist unsicher, wo țȚȞ੺ȝȦȝȠȞ herkommt. Er führt einen Bericht an, demgemäß diese Gegend da liege, wo Dionysos aufgewachsen sei: •Große Vögel aber, sagen sie, bringen diese dürren Stängel, die wir țȚȞ੺ȝȦȝȠȞ nennen (so wie wir es von den Phöniziern gelernt haben). Die Vögel bringen sie also zu ihren Nestern, die aus Lehm sind und an steile Felsen geklebt, wohin kein Mensch klettern kann.• vgl. auch Arist. HA IX Botanisches Denken von Homer bis Platon 127 nen Wirkungen berichtet er mehr als vierzigmal. Von den Ägyptern heißt es, sie importierten griechischen Wein, da sie keine Rebstöcke hätten (II 77). Rohstoffgewinnung, ökonomische und kultisch-religiöse Nutzung sind in fast allen Beschreibungen dominant. Herodot notiert, dass bestimmte Pflanzen nur in einer Gegend vorkommen: Einzig in Arabien •und hier allein und sonst nirgends wächst Weihrauch, Myrrhe, Kasia, Zimtholz und Ledanon• (III 107). Bodenqualität oder klimatische Faktoren kommen nur exzeptionell in den Blick. Als Grund dafür, dass eine Spezies in einem Land nicht vorkommt, wird meist genannt, das entsprechende Volk baue sie aus religiösen oder kulturellen Gründen nicht an. Eine Ausnahme ist ein Passus über Babylonien: •Regen fällt nur wenig im Land der Assyrer. Gerade genug, um die Wurzeln der Saat wachsen zu lassen. [Es folgt eine kurze Beschreibung der Bewässerungssysteme im Vergleich zu Ägypten, MM.] Und unter allen Ländern, von denen wir wissen, ist dies das weitaus beste, Demeters Frucht zu tragen. Andere Bäume als Palmen zu tragen, versucht es erst gar nicht, nicht den Feigenbaum, nicht den Rebstock, nicht den Ölbaum. Aber für Korn ist es so trefflich, daß es dies bis zum Zweihundertfachen hergibt, wenn es sich aber selbst übertrifft, bringt es Ertrag bis zum Dreihundertfachen. Die Blätter des Weizen- und Gerstenhalms werden dort leicht vier Fingerbreit, und zu welcher Höhe Hirse und Sesam es bringen, ist mir zwar auch bekannt, doch sag! ich!s lieber nicht.• (Hdt. I 193) Dann wendet sich Herodot wieder den Kulturtechniken zu. In diesem Kontext findet sich die signifikante Äußerung zur Bestäubung der Palme (•die die Hellenen männliche nennen•).28 Die Beschreibung der ägyptischen Flora ist von anthropozentrischen Interessen dominiert: Die Ägypter ziehen keine Bohnen (ț઄ĮȝȠȚ), weil sie Bohnen für unreine Hülsenfrüchte halten (vgl. II 37). Sie verwenden weder Weizen noch Gerste, sondern Dinkel zum Brotbacken. Aus Gerste stellen sie (eine Art von) •Wein• her. Obwohl die Pflanzennutzung in den Historien im Vordergrund steht, werden auch einzelne Spezies präzise beschrieben. So unterscheidet Herodot im sog. •Ägyptenbuch• zwei Arten von am Nil heimischen Flusslilien: •Wenn der Fluß voll ist und die Ebenen überschwemmt, wachsen im Wasser viele Lilien, die die Ägypter "Lotos# (ȜȦIJંȢ) nennen. Wenn sie diese gepflückt haben, trocknen sie sie an der Sonne, dann zerstampfen sie die Körner aus der Mitte des Lotos (sie sind dem Mohn vergleichbar) und bereiten sich daraus ein Brot, das sie im Feuer backen. Es ist auch die Wurzel dieses Lotos eßbar und schmeckt angenehm süß; sie ist rundlich, in der Größe wie ein Apfel. Es gibt aber noch eine andere, den Rosen ähnliche Lilie, die ebenfalls im Fluß wächst, ganz ähnlich von Gestalt wie ein Wespennest. In dieser sitzen viele eßbare Früchte von der Größe eines Olivenkerns. Man ißt sie frisch und auch getrocknet.• (Hdt. II 92) 28 616a; Thphr. HP IX 5.1; weitere Belege bei LSJ. Die lateinische Übertragung cinnamus (daher das deutsche Wort) geht zurück auf Plin. Nat. hist. XI 86. Vgl. Herzhoff 1999a, 13-49 [insb. 36-39]; ders. 2006, 69-71. 128 Martin F. Meyer Wieder vergleicht Herodot Unbekanntes mit Bekanntem. Bei ȜȦIJંȢ dachten die Griechen an das bei Homer erwähnte Scharbockskraut (Ficaria verna) oder die Lotophagen in Odyssee IX.29 Die Körner des ägyptischen Lotos (Nymphaea caerulea) vergleicht Herodot mit denen des in Hellas häufigen Speisemohns (Papaver somniferum), die Größe der Wurzel mit einem Apfel. Die Blüte der andern Spezies (Ziziphus jujuba) ähnele griechischen Rosen, ihre Gestalt einem Wespennest; ihre Früchte Olivenkernen. Herodots Ausführungen zum Papyrus (Abb. 10) fokussieren die Produktaneignung und die vielseitigen Verwendungen: !Die Papyrusstaude, die einjährig wächst, ziehen sie [die Ägypter] aus dem Sumpfboden, schneiden dann den oberen Teil ab, verwenden ihn zu anderen Zwecken und verkaufen ihn, den unteren aber lassen sie etwa eine Elle lang und essen ihn. Wenn sie Papyrus recht schmackhaft genießen wollen, rösten sie ihn in einem heißen Backofen und essen ihn so" (Hdt. II 93). Abb. 10 Beiläufig bemerkt Herodot, dass Papyrus !einjährig" ist und auf !sumpfigen Böden" wächst. Freilich existieren in Ägypten auch Pflanzen, die ebenfalls in Hellas vorkommen. Paradigmatisch ist Sillikyprion (Ricinus communis): !Salböl verwenden die Ägypter, die in den Niederungen wohnen, aus der Frucht der Rizinussträucher, die die Ägypter #Kiki$ nennen. Sie gewinnen es folgendermaßen: An den Rändern der Flüsse und Seen säen sie diese Rizinussträucher aus, die bei den Griechen selbst wild wachsen. Diese werden in Ägypten ausgesät und tragen reichlich Frucht, welche aber schlecht riecht. Wenn sie diese gesammelt haben, zerstampfen manche sie und pressen sie aus, andere rösten sie auch, kochen sie aus und sammeln, was daraus abfließt. Das ist Fett und ebenso wie Olivenöl für Leuchter geeignet, verbreitet aber einen schwer erträglichen Geruch." (Hdt. II 94) Abb. 11 Wie beim Lotos notiert Herodot beim Rizinus (Abb. 11) die Verschiedenheit von griechischen und ägyptischen Pflanzennamen. Wichtig ist sein Hinweis, Rizinus wachse in Hellas wild, während er in Ägypten kultiviert 29 Vgl. Hondelmann 2002, 27: Lotos ist paradigmatisch für die Schwierigkeit, antike Pflanzen anhand der bloßen Namen zu identifizieren: So steht ȜȦIJંȢ für (i) eine Kleeart (Trifolium), (ii) den Zürgelbaum (Celtis australis), (iii) eine Seerosenart (Nymphaea), (iv) die Jujube (Ziziphus jujuba) und (v) den Bockhornklee (Trigonella foenum- graecum). !All diese Sippen haben nichts außer demselben Namen gemeinsam."; vgl. dazu ausführlich Herzhoff 1999b, Sp. 449-450. Botanisches Denken von Homer bis Platon 129 werde. Ebenfalls Bodenqualität, olfaktorische und "chemische# Eigenschaften (fettig, ölig) kommen zur Sprache. Insgesamt aber ist festzuhalten, dass in den Historien Beobachtungen zu den pflanzlichen Lebensfunktionen allenfalls eine Nebenrolle spielen. Herodot beschreibt die Flora nicht um ihrer selbst willen. Er begreift die Pflanzen nicht als Lebewesen. Er zeigt kein echtes (von anthropozentrischen Betrachtungen gelöstes) theoretisches Interesse an botanischen Fragen. Dem modernen Leser liefern die Historien wichtige Informationen, aus denen sich Rückschlüsse über geographische Verbreitung und Bekanntheit der Pflanzen ziehen lassen. So wird klar, welche Pflanzen Herodot daheim als bekannt voraussetzen konnte (vgl. Baumann 1986). Umgekehrt zeigen die Vergleiche mit den bekannten Spezies, welche Pflanzen den Griechen im 5. Jahrhundert nicht vertraut waren. Zu den bekannten Arten gehören Apfel, Bohne, Dinkel, Eiche, Emmer, Feige, Gerste, Hirse30, Knoblauch, Linsen, Mohn, Myrte, Olive, Rettich, Rizinus, Rose31, Sellerie, Sesam, Tamariske, Weiden, Wein, Weizen und Zwiebeln. Fast all diese Spezies begegnen schon im frühgriechischen Epos. Das griechische Publikum war interessiert, wenn das Vorkommen der vertrauten Pflanzen in den exotischen Gebieten bestätigt wurde. Man war neugierig auf Nachrichten über differente Verwendungsmodi (bei Speiserezepten und dem Einsatz neuer Pharmaka). Nur ausnahmsweise führt Herodot die Existenz einer Pflanzenart auf natürliche Faktoren zurück. Wie selbstverständlich gehören die Pflanzen zum vom Menschen geformten "geographischen Raum#. Ein echtes biologisches (an den Lebensfunktionen orientiertes) Interesse ist den Historien fremd. Andererseits hat Herodot die Griechen mit vielen bislang unbekannten Pflanzen konfrontiert. Durch die Historien erhielten sie Kenntnis von "exotischen# Gewächsen und ein Bewusstsein von der landschaftlichen Andersartigkeit neuer "geographischer Räume#. Für die Genese des szientifischen Denkens war diese Erweiterung des botanischen Horizonts instruktiv: Spätestens seit Herodot wurde problematisiert, warum bestimmte Arten unter bestimmten Bedingungen gedeihen und unter anderen nicht. Erst aber bei Theophrast schlagen diese Ansätze zu einer Pflanzengeographie dann wissenschaftlich zu Buche. 30 31 Vgl. Hondelmann 2002, 41-43. Vgl. Baumann 1986, 77: Bei der im klassischen Altertum bekannten Rose handelte es sich um die (schon von Homer besungene) sog. •wilde Hundsrose• (Rosa gallica). Ovid (10.728) lässt die Rose aus dem Blut des Adonis entstehen. Nach anderen Quellen entsteht sie aus einem Blutstropfen der Aphrodite. Gartenrosen wurde erst später kultiviert. 130 Martin F. Meyer 5. Demokrit Der Atomist Demokrit von Abdera (ca. 460 bis 380 v. Chr.) war der erste Naturforscher, der eigenständige biologische Abhandlungen verfasst hat (vgl. Meyer 2009). Methodisch bereitet er den zweiteiligen Weg der aristotelischen Naturwissenschaft vor. Demokrit versucht (a) zu erklären, dass ein bestimmter Sachverhalt besteht (Erklärung der Tatsachen) und (b), warum er besteht und worin die Ursachen liegen (aitiologische Erklärungen). Gemäß einer antiken Liste hat Demokrit ca. 75 "Bücher# geschrieben. Keine einzige Schrift ist vollständig erhalten. Das von Diogenes Laertius überlieferte Verzeichnis belegt, dass hier erstmals systematische botanische Überlegungen vorliegen. Eine Schrift handelt Über den Ackerbau (Ȇİȡ੿ ȖİȦȡȖ઀ȘȢ ਲ਼ īİȦȝİIJȡȚțંȞ). Die folgenden Fragmente stammen vermutlich aus diesem Text: •Demokrit meint, die Weinberge sollten nach Norden angelegt werden, da sie so am ertragreichsten würden, ohne freilich in der Güte des Weins die erste Stelle einzunehmen.• (Demokrit B 27) •Unklug verfahren diejenigen, die ihre Gärten ummauern. Denn eine Mauer aus Luftziegeln kann dem Regen und Sturm nicht standhalten, und eine steinerne erfordert Kosten, die dem Wert der Sache nicht entsprechen. Wenn man ein großes Stück Land mit einer Mauer umfriedigen wollte, würde man sein väterliches Erbe ganz verbauen müssen.• (Demokrit B 28) Lebenspraktische Ratschläge stehen im Zentrum. Doch auch das Wechselspiel von Umwelt und Pflanzennatur kommt zur Sprache. Die Bedeutung der natürlichen Umwelt für die Gesundheit hatte schon Herodot akzentuiert (vgl. Brandenburg 1976). Dieser Punkt spielt ebenfalls in den Frühschriften des Corpus Hippocraticum (vgl. De aeribus Kap. 2-6) eine wichtige Rolle. Dass auch Demokrit sich mit medizinischen Themen befasst hat, lässt sich aus sieben (von Diogenes Laertius tradierten) Titeln schließen. Es ist angesichts seiner materialistischen Thesen wahrscheinlich, dass diese Texte pharmazeutische Überlegungen enthielten. Unter den explizit biologischen Werken sind in botanischer Hinsicht v.a. die Schriften Über die Säfte (Ȇİȡ੿ Ȥȣȝ૵Ȟ) und jene über die Ursachen von Samen, Pflanzen und Früchten (ǹੁIJ઀ĮȚ ʌİȡ੿ ıʌİȡȝ੺IJȦȞ țĮ੿ ijȣIJ૵Ȟ țĮ੿ țĮȡʌ૵Ȟ) relevant. Dies sind die ersten Texte, die ausschließlich botanischen Themen galten. Aus der Schrift Über die Säfte zitiert Theophrast, wenn er über Demokrits Einteilung der Säfte referiert (vgl. Thphr. CP IV.1.6). Demnach behandelte Demokrit hier die flüssigen Pflanzenteile und erscheint als Wegbereiter einer Pflanzenanatomie. Eventuell wurden in der Schrift Über die Säfte auch praktische Fragen zur Gewinnung von heilendenden Säften oder Duftstoffen erörtert. Der Titel der Schrift Ursachen von Samen, Pflanzen und Früchten belegt, dass sich Demokrit nicht nur auf die materielle Zusammensetzung und ana- Botanisches Denken von Homer bis Platon 131 tomische Struktur der Pflanzen konzentrierte, sondern auch auf kausale Erklärungen zielte. Entsprechende Explanationen lassen sich aber nur indirekt rekonstruieren: Theophrast sagt, Demokrit habe das differente Wachstumstempo der Bäume auf den Unterschied der Dichte des Gewebes zurückgeführt (CP I 8.3). An anderer Stelle diskutiert Theophrast das Problem der Lang- bzw. Kurzlebigkeit gerader und gekrümmter Bäume (CP II. 11.7). Konträr zu seiner eigenen Ansicht32 lehre Demokrit, das kürzere Leben und das frühere Keimen von geraden (verglichen mit den gekrümmten) Bäumen habe ein und dieselbe Notwendigkeit (Į੝IJ੹Ȣ ਕȞ੺ȖțĮȢ). Begründung: In den geraden Bäumen verteilt sich die Nahrung schneller als in den gekrümmten. Da die Nahrung das Keimen und die Frucht verursacht, bewirkt die raschere Nahrungsverteilung den schnelleren Verbrauch der pflanzlichen Kräfte. So altern die geraden Bäume schneller als die gekrümmten. Aus demselben Grunde sind die Wurzeln der geraden Bäume schwächlich und bieten bei Wind und Wetter weniger Widerstand. Überhaupt altern die Bäume von den Wurzeln her. Bei gekrümmten Bäumen bleibt die Nahrung eher in den Wurzeln, was diese Bäume besser stabilisiert. Wichtig ist die Annahme, der subterrestrische Teil der Stämme biete der Nahrung bessere Wege als der über der Erde liegende Teil. Allgemeine Bedingung für Leben ist nach Demokrit die Nahrung. Namentlich denkt er hier an Wasser und Feuchtigkeit: •Es gibt einige Welten, in denen keine Tiere und Pflanzen existieren und überhaupt keine Feuchtigkeit• (A 40: İੇȞĮȚ į੻ ਥȞ઀ȠȣȢ țંıȝȠȣȢ ਥȡ੾ȝȠȣȢ ȗઆȚȦȞ țĮ੿ ijȣIJ૵Ȟ țĮ੿ ʌĮȞIJઁȢ ਫ਼ȖȡȠ૨). Wie in seiner Zoologie zeigt sich auch in der Botanik ein Modus der Erklärung, der Lebensprozesse exklusiv auf materielle Ursachen rückführt: Demokrit begreift das Leben als Ansammlung spezifischer Seelenatome. Er erklärt diesen Atomkomplex mithilfe eines atomaren 32 Vgl. Thphr. CP II. 11.1-2. Seine Auffassung geht dahin, dass die Pflanzen umso länger leben, desto weniger und desto leichtere Früchte sie tragen. Begründung: Das Tragen von Früchten mindere die Physis der Pflanzen $ und dies verhalte sich übrigens bei den Tieren ganz ähnlich. Um diese These zu untermauern, berichtet Theophrast von Pflanzen, die das Hervorbringen einer besonders großen Frucht so •ermüdet• habe, dass bald darauf •ihre ganze Physis• (ʌ੺ıȘȢ IJોȢ ij઄ıİȦȢ) zugrunde gegangen sei. Bei Fruchtbäumen spricht er vom •Austrocknen•. Theophrast stellt in diesem Zusammenhang die bemerkenswerte These auf, dass daher kultivierte Pflanzen (die vornehmlich der Fruchtproduktion dienten) eher vergingen als wilde $ dies gelte übrigens ähnlich auch für die Tiere wie etwa die Hühner. Der Text wendet sich dann den externen Bedingungen für das Vergehen (ijșȠȡ੺) der Pflanzen zu. Einflüsse wie beispielsweise starker Wind können eine bereits geschwächte Pflanze endgültig zerstören, wobei offeneres Gewebe ein Zusatzfaktor für eine erhöhte Anfälligkeit ist. $ Theophrast wendet gegen Demokrits Thesen u.a. ein, dass (i) die Sache mit den Wurzeln schon faktisch nicht zutreffend sei und (ii) die geraden und langen Bäume nicht kurzlebig seien (so ausdrücklich nicht die Dattelpalme, Silbertanne und Zypresse). 132 Martin F. Meyer !Wirbels". Anatomische Unterschiede und Vorgänge in Wachstums- und Entwicklungsprozessen erklärt er durch Materieeigenschaften wie Wärme und Dichte, die ihrerseits in der Verschiedenheit der atomaren Substrukturen gründen. Aristoteles kritisiert später die einseitige Fokussierung Demokrits auf die causa materialis mit Argumenten, die in aktuellen Debatten unter dem Titel •Reduktionismusvorwurf! firmieren. Überzogene Kritik ist indes unangebracht: Demokrit kannte den (von Platon beeinflussten), auf einer organischen Naturauffassung beruhenden, funktionalen Erklärungstyp der aristotelischen Biologie noch nicht (vgl. Meyer 2008b)33. In summa lässt sich sagen, dass bei Demokrit erstmals eigenständige botanische Schriften vorliegen und hier erstmals systematische botanische Explanationsversuche anheben. Aufgrund der katastrophalen Quellenlage lassen sich diese Lehren aber allenfalls in ihren Grundzügen rekonstruieren. 6. Corpus Hippocraticum Abb. 12 33 Wie gesehen, war die zunehmend differenzierte Diskussion über medizinische Themen eine ergiebige Quelle für die neue Beschäftigung mit botanischen Fragen. Zeitgleich mit Demokrits Werken entstanden die ersten Schriften des Corpus Hippocraticum. Die unter diesem Titel tradierte Schriftensammlung umfasst ca. 60 Werke, von denen ein Großteil erst in nachklassischer Zeit geschrieben wurde (Abb. 12). Dass der legendäre Hippokrates von Kos (geb. ca. 460 v. Chr.) selbst Verfasser dieser Texte war, gilt heute als unwahrscheinlich. Es verwundert nicht, dass sich die Ärzte für Pflanzen v.a. um ihrer Heilwirkungen willen interessiert haben. Details würden den hier vorgegebenen Rahmen sprengen. Es sei auf die Vgl. Arist. PA I 1. 640b 29-31: Aus Sicht des Stagiriten lässt sich die biologische Explanation des Demokrit wie folgt zusammenfassen: "Wenn nun jedes Lebewesen und jeder Teil nur aufgrund seiner Gestalt und Farbe existierte, dann hätte Demokrit richtig gesprochen.# (Übers. Kullmann 2007, 20). Botanisches Denken von Homer bis Platon 133 eindrucksvolle Arbeit von Monique Moisan, Lexique du vocabulaire botanique d•Hippocrate (Québec 1990) verwiesen, in der die ca. 500 im Corpus Hippocraticum erwähnten Pflanzennamen sorgsam aufgelistet und kommentiert werden. Unser Interesse gilt dem !botanischen Exkurs" der Schrift De natura pueri [Kap. 22-27 ed. Giorgianni]. Diese Schrift stammt vermutlich von demselben Anonymus wie die Schrift De genitura. Franco Giorgianni (2006) hat beide Texte neu ediert und kommentiert. Sie datieren auf die Wende vom 5. zum 4. Jh. v. Chr. (so auch schon Lesky 1950). Da sie sachlich und stilistisch zusammengehören, fasst Giorgianni sie als einheitliche Pragmatie auf [dies erklärt die doppelte Kapitelzählung im Folgenden]. De genitura thematisiert die menschliche Fortpflanzung, De natura pueri die Embryonalentwicklung. Methodisch signifikant ist der Versuch, von den sichtbaren botanischen Prozessen auf unsichtbare Vorgänge im menschlichen Uterus zu schließen: Wie der Pflanzensame benötigt auch der menschliche Same ein feuchtes Milieu, um aufzuschwellen. Der äußere Pflanzensame wird weich und bricht dann auf. Das darin liegende Pneuma entfaltet seine Keimkraft für die Blätter. (Feuchtigkeitsmangel verursacht Störungen bzw. das Ende der Keimung.) Haben sich die Wurzeln (vergleichbar mit den ersten Adern des Embryos) gebildet, verfault der Same und geht zugrunde. Im Pflanzenreich bestimmt die Sonnenwärme das weitere Wachstum und die Bildung der Früchte. Von den fruchtlosen Bäumen (dazu zählten seit Homer z.B. die Weiden) heißt es, sie besäßen nicht das nötige Fett zur Bildung der Früchte. Dies lässt sich als Ansatz einer frühen !Pflanzenchemie" lesen. Die folgenden Abschnitte untersuchen, wie und warum sich Pflanzen entwickeln, die auf andere Pflanzen aufgepfropft werden (sog. Stecklinge): Der ausgewachsene Steckling bringt die Früchte des Mutterbaumes (nicht die des Wirtbaumes) hervor. Der Text liefert detaillierte Beobachtungen zu dem Problem, wie die Temperaturen (warm/kalt) und die Bodendichte das gesunde Wachstum beeinflussen. Im 16. (27.) Kapitel gibt der Autor ein Fazit: #Ich behaupte nämlich, daß alle die sich in der Erde befindlichen Gewächse von der aus der Erde gezogenen Feuchtigkeit leben, und daß, je nachdem wie die Erde in sich über Feuchtigkeit verfügt, sich dementsprechend auch die Gewächse verhalten. Auf diese Weise lebt auch das Kind im Mutterleib von der Mutter, und je nachdem, wie die Mutter über Gesundheit verfügt, dementsprechend verhält es sich auch mit dem Kind. Wollte man allerdings über das zu diesem Thema Gesagte nachdenken, wird man herausfinden, daß der ganze Wachstumsvorgang der von der Erde lebenden Gewächse von Anfang bis Ende beinahe gleich dem des Menschen ist. Soviel sei von mir darüber gesagt.$ (De natura pueri 16; Ü: Giorgianni 2006)34 34 Vgl. Giorgianni 2006, 14: #Im Rahmen dieses Werkes versteht sich der botanische Exkurs daher als Verbindungsglied zwischen zwei normalerweise miteinander nicht vergleichbaren Welten, der der Menschen und der der restlichen Natur. Diese beiden Welten funktio- 134 Martin F. Meyer Wie gesagt: Methodisch signifikant ist der Ansatz, von den im Pflanzenreich beobachtbaren Vorgängen auf die nicht wahrnehmbaren Prozesse im Mutterleib zu schließen; auf die Primärstadien der menschlichen Embryonalentwicklung. Wichtig ist (a) der Rückschluss auf den Fortpflanzungsmechanismus: Die äußere Hülle des Spermas wird von Feuchtigkeit aufgeweicht, damit der eigentliche Keimträger (das Pneuma) sich entfalten kann. Der Anonymus schließt (b) von der primären Wurzelbildung auf die Bildung der ersten Adern beim menschlichen Fötus. Er schließt (c) aus dem im Pflanzenreich verfaulenden Samen auf das Verschwinden des menschlichen Samens. Die Passagen zu den Stecklingen belegen (d), dass Techniken der Pflanzenpfropfung in der damaligen Landwirtschaft üblich waren. Der Text gibt (e) eine Antwort auf die (noch bei Aristoteles diskutierte) Frage der sog. Überfruchtung im Falle der Zwillingsgenese. Der Mutterbaum wird dabei analog zum menschlichen Vater begriffen, dessen Erbgut gemäß dieser Vorstellung dominant ist. In botanischer Hinsicht lässt sich resümieren, dass der anonyme Verfasser von De natura pueri zwischen Reproduktion durch Samen und Reproduktion durch Pfropfung unterscheidet. Er behandelt ferner Aspekte der Pflanzenchemie, der klimatischen Bedingtheit des Wachstums und der Bodenbedingungen. 7. Platon Abschließend einige kurze Überlegungen zu Platon, dem großen philosophischen Lehrer des Aristoteles. Insgesamt ist zu sagen, dass sich Platon für botanische Sachverhalte allenfalls randständig interessiert (so auch Görgemanns 1999). Im Zentrum seiner Philosophie steht der Mensch. Dass Aristoteles seine botanischen Interessen der Akademie verdankt, ist unwahrscheinlich. Bezeichnend ist, dass Platons Dialog Protagoras zwar die Entstehung von Mensch und Tier in einem großen Mythos darlegt, die Existenz der Pflanzen aber kaum tangiert (vgl. Prot. 320c-323d). Die Flora gehört wie selbstverständlich zum Erdkörper. Während im Tierreich ein stabiles !ökologisches Gleichgewicht" zwischen den Spezies (bzw. zwischen ihren Dynameis) herrscht, sind die Pflanzen bloße Nahrung. Dass diese Theorie im illustren Zirkel der streitlustigen Disputanten widerspruchslos akzeptiert wird, zeigt, dass solche Annahmen als opinio communis galten. Dass Platon die Pflanzen auch später noch als akzidentelle, dem Erdkörper zugehörige, Wesen begreift, bringt der Kritias zum Ausdruck. Der Dialog enthält wertvolle Spekulationen zur geologischen Urgeschichte der vor 9.000 Jahren als unvergleichlich fruchtbar nieren nach denselben Prinzipien, obgleich dies für den alltäglichen Menschenverstand befremdlich wirken mag.$ Botanisches Denken von Homer bis Platon 135 vorgestellten attischen Landschaft. Doch auch an dieser Stelle wird kein einziges botanisches Thema vertieft. Dies gilt ebenfalls für den Timaios (Abb. 13). Den Pflanzen widmet diese ein gutes Jahrtausend einflussreichste Schrift der klassischen Naturphilosophie kaum fünf Zeilen (vgl. Tim. 77a-b). Timaios deutet die pythagoreische Reinkarnationslehre so, dass die Seelen der feigen und ungerechten Männer sich bald in den Körpern von Frauen wiederfänden und die schlechten Frauen in Tiere übergingen; ein Prozess des Abstiegs nach dem Muster einer verkehrten Evolution von den höheren Tieren bis hin zu den ganz vernunftlosen Wesen wie den Muscheln (vgl. Tim. 90e-92c). Mit diesen Ausführungen ist Abb. 13 Timaios! große Rede am Ziel. Es besteht keine Chance, dass der Psyche in einem pflanzlichen Dasein Erholung oder Besserung zuteilwürde. Dass Platon (eher aus logischen Gründen) Versuche zur definitorischen Bestimmung von zoologischen Spezies vorgeführte hatte, hat Spott und Häme evoziert. Ein Fragment des Komödiendichter Epikrates belegt, dass die Botanik schon früh einen schweren Stand hatte. Epikrates verspottet den Versuch der Akademiker, einen Kürbis zu klassifizieren: A. B. A. B. A. B. Was tun jetzt Platon, Speusipp und Menedemos? Darüber weiß ich Bescheid. Beim Panathenäerfest sah ich eine Schar Jünglinge in der Akademie und hörte ein seltsames Gespräch. Offenbar beschäftigten sie sich damit, Tiere, Bäume und Pflanzen in Arten und Gattungen einzuteilen; sie waren eben dabei zu bestimmen, zu welcher Gattung ein Kürbis gehört. Gelang es ihnen ? Zuerst waren alle stumm und nachdenklich und grübelten mit gesenkten Häuptern. Da kam einer der Jünglinge plötzlich mit einer Definition heraus: "Eine Gartenpflanze mit sphärischer Frucht.# Ein anderer sagte, der Kürbis gehöre zur Gattung $Bäume%. Ein Arzt aus Sizilien [wahrscheinlich Philistion], der dieses Geschwätz hörte, lachte roh über ihre Einfalt. Waren sie nicht empört? Denn so darf man sich ja doch nicht in der Akademie benehmen. Nein, die Jünglinge nahmen davon keine Notiz. Doch, jetzt ergriff Platon das Wort. Ruhig und gelassen begann er von Grund auf ihnen zu erklären, zu welcher Gattung der Kürbis gehört, und als ich sie verließ, waren sie immer noch mit dem Klassifizieren beschäftigt. (Übers. u. zit. nach Düring 1966, 525 f.) 136 Martin F. Meyer Tabellarische Übersichten (A) Pflanzen bei Homer Wie schon bemerkt, ist die Identifizierung einzelner Spezies mehr als problematisch. Selbst wenn identische Pflanzennamen bei Homer, Aristoteles oder Theophrast begegnen, beweist dies nicht, dass es sich um dieselben Arten handelt. Die folgende Tabelle soll nur einen Überblick geben und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bernhard Herzhoff hat mit seinem fachkundigen Rat (und dem Hinweis auf die Bestimmungen von P. H. Davis 1965-1988) geholfen, mannigfache Irrtümer zu vermeiden und die nachstehende Liste auf den modernen Forschungsstand zu bringen; Angaben zu seinen verdienstvollen Artikeln und Aufsätzen (so zu Eichen, Lotos, Mohn oder Zitrusfrüchten) finden sich im Literaturverzeichnis. Nachstehend werden für Homer 43 Spezies aufgeführt; bei 23 Arten handelt es sich um Bäume. In der Tabelle fehlt der Wein (Vitis vinifera), der an vielen Stellen in den Gesängen begegnet, ebenso wie die in den Gesängen durch Beiworte bekannten Rosen und Lilien. Die Schreibweise der griechischen Ausdrücke ist an das klassische Griechisch angepasst (etwa: ੁIJ੼Į statt homerisch ੁIJ੼Ș). Die griechischen Nomen sind (auch wo sie bei Homer im Plural vorkommen) im Singular aufgeführt. Die Referenzen in der fünften Spalte beziehen sich (sofern nicht anders angegeben) auf Theophrast, Historia plantarum (HP) bzw. De causis plantarum (CP). Į੅ȖİȚȡȠȢ Schwarzpappel (Populus nigra) ਙțĮȞșĮ Distel (Eryngium campestre) Affodil (Aspodelus ramosus) ਕıijંįİȜȠȢ ਕȤİȡȦ઀Ȣ į੺ijȞȘ įંȞĮȟ įȡ૨Ȣ ਥȜĮ઀Į ਥȜ੺IJȘ Espe o. Zitterpappel (Populus tremula) Lorbeer (Laurus nobilis) Pfahlrohr (Arundo donax) Tauben- o. Wintereiche (Quercus petraea) Olive (Olea europea) Nordmanntanne (Abies nordmanniana) ILIAS ODYSSEE 4.482 5.64 ; 5.239 ; 6.291 ; 7.106 ; 9.141 ; 10.510 ; 17.208 5.328 11.539; 11.573; 24.13 13.389 ; 16.482 9.183 14.474 11.494 ; 13.389 ; 14.398 ; 14.414 ; 16.482 ; 23.118 17.53 5.560 ; 7.5 ; 14.287 ; 24.450 REFERENZEN/ THEOPHRAST Eur. Hipp. 210 HP 1.2.6 ; 1.5.2 ; 2.2.10 ; 3.1.1 ; 3.3.1 ; 3.3.4 etc. HP 1.5.3; 1.9.3; 1.10.4 etc. Hes. Op. 41; Arist. HA 627a8; HP 1.10.7; HP 7.13.2 HP 1.10.1 Hes. Theog. 30; Hes. Op. 435; HP 5.9.7 HP 4.11.11 Hes. Theog. 35 ; Hes. Op. 436 ; 486 ; 509 5.477 ; 13.102 ; 13.372 ; 7.116 2.424 ; 5.239 ; 12.172 communis Hes. Op. 509 ; HP 2.2.2 ; 3.9.6 Botanisches Denken von Homer bis Platon ਥȡ੼ȕȚȞșȠȢ Erbse (Cicer arietinum) ȗİȚ੺ Weizen (Tritticum monococcum) Binsen (Juncus sp.) Zitronenbaum (Callitris quadrivalvis) Silber-Weide (Salix alba) Schilf (Phragmites communis) Wacholder (Junipherus oxycedrus) Schwarzerle (Alnus glutionosa) Kornelkirsche (Cornus mas) (Helle) Gerste (Hordeum vulgare) Krokus (Crocus gargaricus und Crocus biflorus) Lauchzwiebel (Allium cepa) Bohne (Vicia faba) șȡ઄ȠȞ ș઄ȠȞ ੁIJ੼Į ț੺ȜĮȝȠȢ ț੼įȡȠȞ țȜ੾șȡȘ țȡ੺ȞİȚĮ țȡ૙ ȜİȣțઁȞ [hom. für țȡȚș੾] țȡંțȠȢ țȡંȝȝȠȞ ț઄ĮȝȠȢ țȣʌ੺ȡȚııȠȢ ț઄ʌİȚȡȠȞ ȜȦIJંȢ ȝİȜ઀Ș ȝ੾țȦȞ ȝȘȜ੼Į ȝȣȡ઀țȘ ȝ૵Ȝȣ ੕ȖȤȞȘ ੕ȡȠijȠȢ ʌİ઄țȘ Zypresse (Cupressus sempervirens) Zypergras (Cyperus sp.) Scharbockskraut (Ficaria verna o. synonym : Ranunculus ficaria) Manna-Esche (Fraxinus ornus) Mohn (Papaver somniferum) Apfel (Pyrus malus) Tamariske (Tamarix smyrnesis) Moly (Steppenraute) (Peganum harmala L) Kultur-Birne (Pyrus communis) Schilfrohr (Phragmites communis) Korsische Pinie (Pinus laricio) 137 13.589 4.604 21.351 HP 4.11.12 5.60 21.350 19.222 Arist. HA V 15. 546a; HA VIII 21. 603b; HP 2.4.2; 2.6.16; 4.4.4; 4.4.9; 6.5.3 etc. HP 8.9.2 HP 5.3.7 HP 3.13.7 14.214 HP 1.10.5 5.60 HP 3.12.3 5.64 ; 5.239 HP 1.4.3 ; 3.3.1 16.767 10.242 HP 3.12.1-2; 5.6.4 8.564 4.41 ; 4.604 HP 8.1.6 etc. 14.348 11.630 HP 1.6.6; 1.6.7; 1.6.11; 4.3.1; 4.8.8. et passim. 19.233 HP 7.4.7 5.64; 17.340 Arist. HA VIII 7. 595b; HA IX 40. 627b; CP 4.14.2 Hdt. 4.75; HP 1.8.2 13.589 21.351 4.603 2.776 ; 14.348 ; 21.351 4.604 13.178 ; 16.767 [Verwendung für Speere : 19.390 ; 22.225] 8.306 14.281 ; 22.259 ; 22.276 Hes. Theog. 562-3 ; Hes. Op. 145 7.115 HP 9.8.2 ; 9.11.9 ; 9.12.3-5 etc. Hes. Theog. 215-216 ; 335 ; HP 3.3.1 HP 1.4.3 10.306 HP 9.15.7 ; Diosc. 3.47 7.115; 14.10 HP 2.5.6 6.39 ; 10.466 ; 10.467 ; 21.18 ; 21.350 HP 1.10.5 ; 4.8.1 ; 4.8.12 ; 4.10.1 ; 4.10.5 24.451 Hdt. 7.140 11.494 ; 23.328 HP 3.9.5 138 ʌ઀IJȣȢ ʌȜĮIJ੺ȞȚıIJȠȢ [hom. für ʌȜ੺IJĮȞȠȢ] ʌIJİȜ੼Į ૧ȠȚ੹ ı੼ȜȚȠȞ ıȣț੼Į ıȤȠ૙ȞȠȢ ਫ਼੺țȚȞșȠȢ ijȘȖઁȢ ijȠ૙ȞȚȟ Martin F. Meyer Aleppokiefer (Pinus halepensis) Platane (Platanus orientalis) Feldulme (Ulmus minor) Granate (Punica granatum) Sellerie (Apium graevolens) Feige (Ficus carica) Binse (Cymbopogon schoenanthus) Hyazinthe (Blaustern) (Scilla bifolia) Knoppereiche (Quercus ithaburensis) 13.390 ; 16.483 9.186 HP 2.2.2 ; 3.9.5 2.307 ; 2.310 Hdt. 5.119 ; 7.27 ; 7.31 ; Aristoph. nub. 1008 ; Plat. Phaedr. 229a ; HP 1.9.5 [Gortyn] Hes. Op. 435 6.419; 21.242; 21.350 2.776 7.115 HP 9.12.4 5.72 HP 1.2.2; 1.6.6; 1.9.4 etc. communis 7.116 ; 11.590 5.463 14.348 6.231 ; 23.158 6.237 ; 7.22 ; 11.170 ; 16.767 10.242 ; 13.409 Dattelpalme (Phoenix dactylifera) 6.163 Hdt. 4.190; Arist. Meteor. 359b1; HP 9.7.1; CP 6.18.1 HP 6.8.1 ; 6.8.2 ; 6.8.3 HP 3.3.1; 3.82 [Eiche von Dodona = Quercus trojana = Quercus macedonica] Hdt. 7.69 ; HP 1.4.3 (B) Pflanzen bei Hesiod ਕıijંįİȜȠȢ į੺ijȞȘ įȡ૨Ȣ ਥȜ੺IJȘ ȝĮȜ੺ȤȘ ȝİȜ઀Ș ȝȘȜ੼Į Ȟ੺ȡșȘȟ ʌȡ઀ȞȠȢ ʌIJİȜ੼Į ıțંȜȣȝȠȢ Affodil (Aspodelus ramosus) Lorbeer * (Laurus nobilis) Taubeno. Wintereiche (Quercus petraea) Nordmanntanne (Abies nordmanniana) Malve (Malva silvestris) Manna-Esche (Fraxinus ornus) Apfel (Pyrus malus) Riesenfenchel (Ferula communis) Kermeso. Stecheiche (Quercus coccifera) Feldulme * (Ulmus minor) Spanische Golddistel (Scolymus hispanicus) THEOGONIE WERKE UND TAGE 41 30 435 35 [233] ; 436 ; 486 ; 509 509 41 562-3 145 215-216 ; 335 566 52 436 435 582 Botanisches Denken von Homer bis Platon 139 Generische Termini in der Theogonie sind: Frühlingsblumen [279], Wiesenblumen [576]. Verschiedene Komposita und Farbbezeichnungen deuten auf die Kenntnis von weiteren Arten oder Gattungen: 3, 349, 844 [Veilchen], 246, 251, 351 [Rosen], 536 [Mohn], 273, 358 [Safran]. Mit Sternchen gekennzeichnet sind Spezies, die aus der Erwähnung der folgenden Pflanzenprodukte in den Werken und Tagen hervorgehen: Lorbeerdeichseln [435], Ulmendeichseln [435], Weihrauch [435]. In den Werken und Tagen häufig ist die allgemeine Erwähnung von Getreide; vgl. Demeters Getreide [32], Korn [480, 32], kornspendende Erde [117, 173], kornspendende Flur [237], Demeters heiliges Korn [597], weizentragende Felder [549], Ähren [473] [480, 41], Brot [316], Gerstenbrot [590], Demeters heilige Frucht [466, 806]; vgl. ferner: Heu, Streu [606]. Häufig ist die Erwähnung von Wein, Trauben und Reben: Wein [585, 592, 596, 724], Thrakerwein [589], heuriger Wein [674], Weinspenden [338], Weinberg [572], Reben [570], Trauben [611]; vgl. ferner: weinfarbenes Meer [818]. Als abstrakte Termini sind bemerkenswert: Bergwald [511], Blätter [421], Trieb [421], Holz [420, 422, 427] und v.a. der übergeordnete Terminus #Baum$ [583]. Vgl. auch Hes. Op. 471f: ıʌ੼ȡȝĮ țĮIJĮțȡ઄ʌIJȦȞ: Die Samen des Getreides sollen (wg. der Vögel) tief in der Erde verborgen werden. Riesenfenchel (Ferula communis) wird auch von Theophrast (HP 1.2.7) und Dioscorides (3.77) beschrieben. Zu ʌȡ઀ȞȠȢ (Kermes- o. Stecheiche / Quercus coccifera) vgl. auch Aristophanes, Ranae 859, Thphr. HP 3.16.1; 3.6.4 (hier: Quercus ilex) und Thphr. HP 3.7.3; zu Scolymus hispanicus vgl. Thphr. HP 6.4.3. Zu Malva silvestris vgl. Aristophanes, Plutus, 544; Thphr. HP 1.3.2; 7.7.2; 7.8.1, 9.15.5. Gemäß West 1978, 152 sind Asphodel und Malve Beispiele für die billigste und leicht zugänglichste Nahrung; auch bei Aristophanes wird die Malve als Brotersatz genannt. (C) Exotische Pflanzen bei Herodot Akazie (Acacia nilotica) Baumwolle (Gossypium indicum) Ägypten: Quelle für Gummi (dem Lotos von Kyrene ähnlich); zur Befestigungen von Schiffsmasten. aus Ägypten stammendes Panzerhemd der Samier. Arabien: #Dort tragen wildwachsende Bäume als Frucht eine Wolle, die an Schönheit und Güte die Schafwolle übertrifft, und die Inder tragen Kleider aus dieser Baumwolle.$ Kleidung der indischen Soldaten im Perserheer. II 96 Dattelpalme (Phoenix dactylifera) Babylonien/Ägypten: Bestäubung d. Gallwespen in Babylonien. (Produktion von Dattelwein: I 194; II 86; IV182 ) Ägypten: Herstellung des dort typischen Brotes. I 193 ; IV 172 ; IV 182 Aithiopien : Geschenk für Dareios. III 97 ; III 114 Ägypten : dort typische Weizenart. II 36 Dinkel (Triticum aestivum spelta) Ebenholz (Diospyros crassiflora) Emmer (Triticum dicoccum) III 47 III 106 VII 65 II 77 140 Hanf (Cannabis) Knoblauch (Allium sativum) Lotos (Nymphaea caerulea) Myrrhe (Commiphora myrrha) Papyrus (Cyperus papyrus) Rettich (Raphanus) Rizinus (Ricinus communis) Sesam (Sesamum indicum) Tamariske (Tamarix africana) Weiden (Saliceae) Weizen (Triticum) Zeder (Cedrus libani) Zimt (Cinnamomum) Martin F. Meyer Skythien: Herstellung von Kleidung; gezielte Intoxikation bei Trauerriten. Ägypten: Summe des Geldwertes für den von den Arbeitern verbrauchten Knoblauch beim Bau der Cheops-Pyramiden auf der Pyramide schriftlich angegeben. Hellenisierte Skythen bauen Knoblauch, Zwiebeln, Linsen und Hirse an. Ägypten : hier essbar. Ägypten: Einbalsamierung von Mumien der Reichen. Arabien : kostbare Handelsware. Ägypten: Schreibmaterial, Material für Schuhe der Priester, für Segel der Nilboote und zur Verbindung von Brückengliedern. Ägypten: Öl zur Einbalsamierung der ärmeren Toten. Ägypten : Gewinnung von Salböl. Babylonien : Ölgewinnung. Ägypten : Anfertigung von Ruderbooten. IV 74-75 II 92 II 40 ; II 86 ; III 107 II 37; 92; 96; 100; 142 II 88 II 94 I 193 ; III 117 II 96 Skythien: Anfertigung von Booten; Nutzen für die Mantik. Berechnung des Verbrauchs der persischen Armee. Ägypten: Saftgewinnung für preiswertere Bestattungsvarianten. Ägypten: zur Einbalsamierung von Mumien der Reichen. Arabien: kunstvolle Technik der Gewinnung. I 94 ; IV 67 VII 187 II 87 II 86 III 111 II 125 IV 17 Literaturverzeichnis Amigues 1988 Amigues 1995 Amigues 2004 Baumann 1986 Bichler 2001 Blondel 2010 Brandenburg 1976 Capelle 1910 Capelle 1954 Capelle 1955 S. Amigues, Le Crocus et le safran sur une fresque de Théra, Revue archéologique (1988/2), 228-242 S. Amigues, Des plantes nommées $Moly%, in: Journal des Savants, Paris 1995, 3-29 S. Amigues, Le Siliphium. État de la question, in: Journal de Savants Paris 2004, 191-226 H. Baumann, Die griechische Pflanzenwelt in Mythos, Kunst und Literatur, München 1986 (2. Auflage) [nochmals fachkundig verbesserte Ausgabe: Hellmuth Baumann, Greek wild flowers and plant lore in ancient Greece (translated and augmented by William T. Stern and Eldwyth Ruth Stearn), London 1993] R. Bichler, Herodots Welt. Der Aufbau der Historie am Bild der fremden Länder und Völker, ihrer Zivilisation und ihrer Geschichte, Berlin 2001 J. Blondel, The Mediterranean Region. Biological Diversity in Space and Time, Oxford 2010 D. Brandenburg, Medizinisches bei Herodot. Eine literaturhistorische Studie zur antiken Heilkunde, Berlin 1976 W. Capelle, Zur Geschichte der griechischen Botanik, in: Philologus 69 (1910), 264-291 W. Capelle, Theophrast in Kyrene? (mit Exkurs zum Schicksal der Silphiumplantagen), Rheinisches Museum für Philologie 97 (1954), 169-189 W. Capelle, Das Problem der Urzeugung bei Aristoteles und Theophrast und in der Folgezeit, in: Rheinisches Museum für Philologie 98 (1955), 150-180 Botanisches Denken von Homer bis Platon Chadwick 1959 Dalby 1998 Davis 1965-1988 Düring 1966 Fellner 1897 Flattery/Schwartz Fränkel 1977 Friedreich 1856 Giorgianni 2006 Görgemanns 1999 Guthrie 1992 Haldane 1993 Hankinson 1998 Herzhoff 1984 Herzhoff 1990a Herzhoff 1990b Herzhoff 1994 Herzhoff 1997 Herzhoff 1999a 141 J. Chadwick, Linear B. Die Entzifferung der Mykenischen Schrift, [zuerst engl. Cambridge 1958], Göttingen 1959 A. Dalby, Essen und Trinken im alten Griechenland. Von Homer bis zur byzantinischen Zeit. (aus dem Englischen übersetzt von Kai Brodersen). [first edition London 1996: A History of Food and Gastronomy in Greece], Stuttgart 1998 P. H. 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Volume I: The earlier Presocratics and the Pythagoreans [zuerst 1962], Cambridge 1992 Ch. W. Haldane, Direct Evidence for Organic Cargoes in the Late Bronze Age, in: World Archaeology 24 (1993): 348-360 R. J. Hankinson, Cause and Explanation in Ancient Greek Thought, Oxford 1998 B. Herzhoff, Lotos. Botanische Beobachtungen zu einem homerischen Pflanzennamen, in: Hermes 112 (1984), 257-271 B. Herzhoff, Zur Identifikation antiker Pflanzennamen. Vorträge des ersten Symposiums des Bamberger Arbeitskreises #Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption$, hrsg. von Klaus Döring und Georg Wöhrle, Wiesbaden 1990 B. Herzhoff, ĭǾīOȈ. Zur Identifikation eines umstritten Baumnamens, in: Hermes 118 (1990), 257-272, 385-403 B. Herzhoff, Kriegerhaupt und Mohnblume. Ein verkanntes Homergleichnis (Il. VIII, 306-308), in: Hermes 122 (1994), 385-403 B. Herzhoff, Eiche, in: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike (herausgegeben von Hubert Cancik / Helmuth Schneider / Manfred Landfester), Band III, Stuttgart 1997, Spalten 904-905 B. Herzhoff, Das Erwachen des biologischen Denkens bei den Griechen, in: G. Wöhrle (Hg.), Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften in der Antike. Band 1: Biologie, Stuttgart 1999, 1349 142 Herzhoff 1999b Herzhoff 2000 Herzhoff 2005 Herzhoff 2006 Hollinshead 1989 Hondelmann 2002 Kanngiesser 1912 Karageorghis/ Caroll-Spillecke 1992 Kiehn 2007 Kirk/Raven/ Schofield 1994 Kullmann 2007 Kullmann 2010 Lesky 1950 Lévi-Strauss 1973 Lloyd 1966 Meiggs 1982 Meyer 1854 Meyer 2008a Meyer 2008b Martin F. Meyer B. Herzhoff, Lotos, in: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike (herausgegeben von Hubert Cancik / Helmuth Schneider / Manfred Landfester), Band VII, Stuttgart 1999, Sp. 449-450 B. Herzhoff, Mohn, in: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike (herausgegeben von Hubert Cancik / Helmuth Schneider / Manfred Landfester), Band VIII, Stuttgart 2000, Sp. 338-339 B. Herzhoff, Orient im Okzident: Zitrusfrüchte in Vergils Georgica (2, 126-135), in: Corona coronaria: Festschrift für Hans-Otto Kröner zum 75. Geburtstag (hrsg. von Sabine Horwardt und Johannes Schwind), Hildesheim 2005, 163-187 B. Herzhoff, Ist die Schrift #De Plantis$ von Aristoteles?, in: J. Althoff / G. Wöhrle/ B. Herzhoff (Hgg.) Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption., Band 16, Trier 2006, 69-108 M. B. Hollinshead, The Swallows and Artists of Room Delta 2 at Akrotiri, Thera, in: American Journal of Archaeology 93 (1989), 339-354 W. Hondelmann, Die Kulturpflanzen der griechisch-römischen Welt. Pflanzliche Ressourcen der Antike, Berlin / Stuttgart 2002 F. Kanngiesser, Die Flora des Herodot, in: Archiv für Geschichte der Naturwissenschaften und Technik 3, Leipzig 1912, 81-102 V. Karageorghis / M. Caroll-Spillecke, Die heiligen Haine und Gärten Zyperns, in: Caroll-Spillecke (Hg.), Der Garten von der Antike bis zum Mittelalter, Mainz 1992, 141-152 M. Kiehn, Silphion revisited. Medicinal Plant Conservation (Newsletter of the Medicinal Plant Specialist Group of the IUCN Species Survival Commission) Vol. 13 (2007), 4-7 G. S. Kirk / J. E. Raven / M. Schofield, Die vorsokratischen Philosophen. Einführung, Texte und Kommentare (deutsch von K.-H. Hülser), Stuttgart / Weimar 1994 W. Kullmann, Aristoteles. Über die Teile der Lebewesen, Berlin 2007 W. Kullmann, Naturgesetz in der Vorstellung der Antike, besonders der Stoa. Eine Begriffsuntersuchung. (Philosophie der Antike. Band 30), Stuttgart 2010 E. Lesky, Die Zeugungs- und Vererbungslehre der Antike und ihr Nachwirken, Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse, Nr. 19 (1950) C. Lévi-Strauss, Das wilde Denken [La pensée sauvage, Paris 1962], Frankfurt a. M. 1973. G. E. R. Lloyd, Polarity and analogy. Two types of argumentation in early greek thought, Cambridge 1966 R. Meiggs, Trees and Timber in the Ancient Mediterranean World, Oxford 1982 E. H. F. Meyer, Geschichte der Botanik, Band 1, Königsberg 1854 M. F. Meyer, Der Wandel des Psyche-Begriffs im frühgriechischen Denken. Von Homer bis Heraklit, in: Archiv für Begriffsgeschichte, Bd. 50 (2008), 9-28 M. F. Meyer, Die Natur des Organischen. Zur wissenschaftlichen Bedeutung der aristotelischen Biologie; in: Bochumer Philosophisches Jahrbuch für Antike und Mittelalter. Band 13 (2008), 32-52 Botanisches Denken von Homer bis Platon Meyer 2009 Miquel 1836 Moisan 1990 Parejko 2003 Pease 1952 Repici 2009 Richter 1973 Rose 1961 Rodemer 1928 Rupe 1994 Schäfer 1992 Schulze 2002 Shelmerdine 1984 Caroll-Spillecke 1989 Caroll-Spillecke 1992 Weiher 1994 Weiher 1986 Wenskus 1990 West 1978 Wöhrle 1985 143 M. F. Meyer, Demokrit als Biologe, in: J. Althoff / G. Wöhrle / B. Herzhoff (Hgg.), Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption, Band 19, Trier 2009, 31-46 F. A. W. Miquel, Homerische Flora (aus dem Holländischen übers. V. J. C. M. Laurent), Altona 1836 M. Moisan, Lexique du vocabulaire botanique d&Hippocrate, Québec 1990 K. Parejko, Pliny the Elder&s Silphium: First Recorded Species Extinction. Conservation Biology, Volume 17/3 (2003), 925-927 A. S. Pease, A Sketch of The Development of Ancient Botany, in: Phoenix, Vol. 6, No. 2 (Summer, 1952), 44-51 L. Repici, Il De plantis pseudo-Aristotelico nella tradizione antica e medievale, in: A. P. Bagliani (Ed.), Le monde vegetal. Médicine, botanique, symbolique. Firenze 2009, 77-94 W. Richter, Die Landwirtschaft im Homerischen Zeitalter, in: F. Matz / H.-G. Buchholz (Hgg.), Archaeologica Homerica, Band II, Göttingen 1973, H 1- H 162 H. J. Rose, Griechische Mythologie. Ein Handbuch (aus dem Englischen [A Handbook of Greek Mythology] übertragen von A. E. BerveGlauning), München 1961 W. Rodemer, Die Lehre von der Urzeugung bei den Griechen und Römern, Gießen 1928 H. Rupe, Sachindex zu Homer, Ilias. [Griechisch und deutsch] Mit Urtext, Anhang und Registern. Übers. von H. Rupe, München / Zürich 1994 J. Schäfer, Gärten in der bronzezeitlichen ägäischen Kultur? Rituelle Bildsprache und bildliches Konzept der Realität, in: M. Caroll-Spillecke (Hg.), Der Garten von der Antike bis zum Mittelalter, Mainz 1992, 101140 Ch. Schulze, Die pharmazeutische Fachliteratur in der Antike. Eine Einführung (Göttinger Forum für Altertumswissenschaft. Beiheft 10 [hrsg. von S. Döpp / J. Radicke]), Göttingen 2002 C. W. Shelmerdine, The perfumed oil industry at Pylos, in: Palaima / Shelmerdine (Ed.), Pylos comes alive, New York 1984, 81-95 M. Caroll-Spillecke, Kepos. Der antike griechische Garten [Deutsches Archäologisches Institut / Architekturreferat. Wohnen in der Klassischen Polis. Band III], München 1989. M. Caroll-Spillecke, Griechische Gärten, in: Caroll-Spillecke.(Hg.), Der Garten von der Antike bis zum Mittelalter, Mainz 1992, 153-176 A. Weiher, Sachindex, in: Homer, Odyssee. Griechisch und deutsch. Mit Urtext, Anhang und Registern. Übertragen von A. Weiher. Einführung von A. Heubeck, München / Zürich 1994 (10. Aufl.) A. Weiher, Homerische Hymnen. Griechisch und deutsch, herausgegeben von Anton Weiher, München / Zürich 1986 (5. Auflage) O. Wenskus, Astronomische Zeitangaben von Homer bis Theophrast [Hermes Einzelschriften, Heft 55], Stuttgart 1990 M. L. West, Hesiod, Works and Days, edited with Prolegomena and Commentary, Oxford 1978 G. Wöhrle, Theophrasts Methode in seinen botanischen Schriften. [Studien zur antiken Philosophie 13], Amsterdam 1985 144 Wöhrle 2006 Zohary/Hopf 1994 Martin F. Meyer G. Wöhrle, Vom Nutzen der Pflanzen für den Menschen. Anthropozentrische Perspektiven in Theophrast botanischen Schriften, in: Ch. Rapp (Hg.) Wissen und Bildung in der antiken Philosophie, Stuttgart 2006, 269-283 [zuerst in: J. Althoff / B. Herzhoff / G. Wöhrle (Hgg.) Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption, Band 15, Trier 2005, 7389] D. Zohary / M. Hopf, Domestication of Plants in the Old World, Oxford 1994 (2. Aufl.) Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Abb. 2-4: Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11: Abb. 12: Mercur protegiert Ulysseus vor Circe, Handzeichnung von Annibale Carracci (ca. 1590), Musée des beaux-arts d'Orléans (20.5 × 42.5 cm). In der dargestellten Szene (Od. 10. 302-6) begegnet erstmals der (auf die magische Pflanze Moly gemünzte) Ausdruck #Physis$. Carracci lässt offen, welche Spezies Homer meint. / Quelle: Internet gemeinfrei Tongefäße aus Akrotiri (16. Jh. v. Chr.), teils kykladischer bzw. minoischer Einfluss, u.a. mit Darstellung von Lilien bzw. Weintrauben, Archäologisches Nationalmuseum Athen / Quelle: Fotos MM 2009 sog. Frühlingsfresko aus Akrotiri, Gebäudekomplex D, Raum 2 (16. Jh. v. Chr.), Archäologisches Nationalmuseum Athen. Die über drei Wände verteilten Dekors sind das älteste Bildzeugnis für Lilien (Lilium chalcedonicum ?). Ein zweites [hier nicht gedrucktes] Akrotiri-Wanddekor, die sog. Safransammlerinnen, bezeugt die bronzezeitliche Verwendung von Crocus sativa. Lilien und Safran sind in dieser Zeit die am häufigsten dargestellten Blumen; vgl. Amigues 1988; Hollinshead 1989 / Quelle: Foto MM 2011 Phoenix Theophrastii (Vai, Kreta) /Quelle: Internet gemeinfrei Ferula communis (Segesta, Sizilien) /Quelle: Foto MM 2013 Votivrelief aus Eleusis (ca. 445 v. Chr.), Archäologisches Nationalmuseum Athen [Kat.-Nr. 126]. Das Relief zeigt (v. links n. rechts) Demeter, den Jüngling Triptolemos und ihre Tochter Persephone / Quelle: Foto MM 2011 sog. Arkesilas-Trinkschale (Sparta ca. 550 v. Chr.), Louvre Paris. Die Schale zeigt, wie der kyrenische König Arkesilas das Abwiegen, die Verpackung und Lagerung von Wolle bzw. Silphion überwacht. Auch kyrenische Münzen belegen, dass der König ein Monopol auf die wertvolle Pflanzenware hatte / Quelle: Foto MM 2012 von einer Abbildung im British Museum London; Original in Paris Cyperus papyrus (Syrakus, Sizilien) /Quelle: Foto MM 2013 Ricinus communis (Botanischer Garten, Universität Münster) /Quelle: Foto MM 2012 Schriftenverzeichnis des Corpus Hippocraticum aus der ersten kompletten lateinischen Ausgabe von Marco Fabio Calvo (Ende des 15. Jh.), Bibliotheca Vaticana (Vat. gr. 277; fols. 11 recto, medbio09). Calvo besorgte die lat. Übersetzung des Corpus Hippocraticum auf der Basis einer Manuskript-Sammlung aus dem 14. Jh., die er irrtümlich für antik hielt. Er hatte zunächst beabsichtigt, eine griech. Edition des Corpus heraus- Botanisches Denken von Homer bis Platon Abb. 13: 145 zugeben. Aus den griech. Manuskripten fertigte er das abgebildete (griech. verfasste) Schriftenverzeichnis Corpus Hippocraticum an / Quelle: Internet gemeinfrei Auszug aus einer handschriftlichen Kopie der lateinischen Calcidius-Übersetzung von Platons Timaios (ca. 900-950 n. Chr.), Bibliotheca Vaticana (Codex Reginensis Latinus 1308 fols. 21 verso - 22 recto medbio01); Calcidius hatte im 5. Jh. n. Chr. die Passage Tim. 17a-53c ins Lateinische übersetzt und Tim 31c-53c lat. kommentiert. Diese Übersetzung war bis zur Renaissance eine der wichtigsten Quellen für das mittelalterliche Wissen von Platons Naturphilosophie. Selbst von den wenigen botanisch bedeutsamen Zeilen Tim. 77a-b erhielten die Leser und Interpreten also keine Kenntnis / Quelle: Internet gemeinfrei