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Friedhelm Roth-Lange Theater sehen lernen mit Standbildern und Szenenfotos 1 Standbilder und Szenenfotos im aktuellen Dramenunterricht – überfordernde Rätselbilder und unterfordernde Bilderrätsel Ein Schwarzweißfoto zeigt zwei Männer in enger Umarmung. Unter der Überschrift „Don Karlos und Marquis Posa – Die Figurenbeziehung analysieren“ findet sich die Aufgabe: „Erläutern Sie, inwiefern das Szenenfoto zum zweiten Auftritt des ersten Aktes passt.“ Und im übernächsten Schritt heißt es: „Bauen Sie ein Standbild, das die Qualität dieser Freundschaft zu diesem Zeitpunkt zum Ausdruck bringt.“1. Zur Methode „Ein Standbild bauen“ erfährt der Leser in einem Kasten, dass „ein Schüler oder eine Schülerin sozusagen als ‚Bildhauer’ mit den Mitspielerinnen und Mitspielern das Bild (aufbaut), indem er die Haltung der Mitspieler so lange formt, bis die gewünschte Position eingenommen ist. Dann erstarren die Spieler für 30 bis 60 Sekunden(…)“2. Diese Anordnung von Material, Methode und Arbeitsaufträgen ist in zweierlei Hinsicht symptomatisch für aktuelle Tendenzen in der Behandlung dramatischer Literatur im Deutschunterricht. Zum einen zeigt sie, dass mit der Aufnahme szenischer Verfahren wie dem Erarbeiten von Sprechhaltungen, Standbildern oder Tableaus das Drama endlich als Theatertext verstanden und durch die Einbeziehung von Szenenfotos der Inszenierungsaspekt wenigstens ansatzweise im Unterricht behandelt wird. Andererseits macht das Beispiel aber auch deutlich, dass eine solche nachlässige und methodisch unreflektierte Thematisierung der theatralen Dimension deren Potenzial an ästhetischer Erfahrung verschenkt. Damit soll nicht kritisiert werden, dass hier ein komplexer emotionaler Vorgang auf eine Geste, die Beziehung zwischen Freunden auf eine Momentaufnahme reduziert wird. Diese Reduktion der Komplexität szenischer Vorgänge auf ein prägnantes Bild gehört gerade zu den Vorteilen dieser Verfahren. Problematisch in dem zitierten Beispiel sind vielmehr der Suggestivcharakter der ersten 3, die Redundanz und 1 2 Botor - Don Karlos, S. 11 ebd. Ungenauigkeit der zweiten Aufgabenstellung 4, die fehlenden Angaben zu dem Gestaltungsvorgang 5 sowie zur Auswertung und zu möglichen Bewertungskriterien. An ähnlichen Negativbeispielen ist leider in neueren Lehrwerken für den Deutschunterricht kein Mangel. Wenn Schüler etwa bei der Besprechung von Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“ die Aufgabe bekommen, „in einem Standbild die Tötung Ills“ darzustellen 6, ist der Unterhaltungswert - in dem Fall genauer gesagt wohl eine ‚Mordsgaudi’ - sicher garantiert. Aber welche Einsichten sollen dadurch gewonnen, welche spezifischen theaterästhetischen Erfahrungen dabei gemacht werden? Mindestens ein Dutzend Darsteller müssen da in eine szenische Form gebracht werden, selbst für einen erfahrenen Regisseur ist eine solche Massenszene eine Herausforderung. Der Eindruck der Überforderung und Beliebigkeit entsteht allerdings genauso, wenn den Schülern die Wahl der Situation überlassen bleibt, die sie in einem Standbild gestalten sollen7. Ähnliche Defizite lassen sich bei der Einbeziehung von Szenenfotos in neueren Unterrichtsmaterialien feststellen. Bilder einer Aufführung erleichtern es zweifellos, den dramatischen als inszenierten Text begreifbar zu machen. Aber: welcher Lernfortschritt kann in der Sekundarstufe II damit erreicht werden, dass Schüler Szenenfotos aus einer Laien-Aufführung „dem Woyzeck-Plot“ zuordnen 8 oder zu einer Serie von fünf Fotos vom Sterben der Mutter Peer Gynts die 3 Da das Foto den Dramentext wörtlich nimmt („In dieser Umarmung / heilt mein krankes Herz“ V 133 f.), kann hier kaum mehr als eine affirmative Antwort gegeben werden. 4 Die Angabe „zu diesem Zeitpunkt“ lässt nicht erkennen, welcher Moment der Szene für die Erstellung eines Standbildes gewählt werden soll. 5 Bei einem Standbild ist nicht nur in eine „gewünschte Position“, sondern auch die Haltung, die Blickrichtung, die Gestik, der Gesichtsausdruck zu gestalten. 6 Bekes - Kompetenzen, S. 92. Nur unter didaktischen Kuriosa verbucht werden kann auch der Vorschlag auf einer Internetseite von „Der Lehrerfreund.de“, dass beim Erstellen des Standbilds durch eine Gruppe alle nicht beteiligten „SchülerInnen der Klasse (auch: die Lehrperson) die Augen schließen oder aus dem Fenster schauen“ sollen. http://www.lehrerfreund.de/in/schule/1s/standbild-bauen-praesentation/ 7 Schurf - Texte S.174. Die übrigen Angaben zur Methode des Standbilds in diesem Lehrbuch sind dagegen durchaus brauchbar. 8 Aleker - Blickfeld, S. 267 passenden Textstellen suchen?9 Szenenbilder verkommen hier zum Bilderrätsel. Da ist es nicht überraschend, wenn an anderer Stelle die Bilder von neueren Woyzeck-Inszenierungen mit der Aufgabe versehen werden: „Stellen Sie Vermutungen an, welche Geschichte des underdogs in unserer Gegenwart jeweils erzählt werden soll.“ 10 Da man im Buch nicht einmal erfährt, welche Figuren auf den Fotos zu sehen sind, von Aussagen über das rätselhafte Material in der Bühnenmitte und die Art der Videoeinspielungen ganz zu schweigen, kann die Aufgabe als Einladung zum wilden Spekulieren verstanden werden. Interesse an modernem Theater wird dadurch kaum zu wecken sein. Es sei denn, der Lehrer ist neugierig genug und entdeckt bei einer Recherche im Internet, dass im Web-Archiv des Staatstheaters Stuttgart diese und weitere Fotos der Inszenierung mit Kennzeichnung der Figuren bzw. der Darsteller sowie einem knapp informierenden Begleittext zu finden sind 11. Auch diese zusätzlichen Informationen und Bilder werden aber selbst einen theatererfahrenen Schüler kaum dazu befähigen, nun das “jeweilige Regiekonzept“ zu beschreiben, selbst wenn die Aufgabe dann im nächsten Satz auf das Bühnenbild, Kostüme und Licht eingeschränkt wird. 12 2 Vorschläge für eine theaterdidaktisch orientierte Verwendung von Standbildern und Szenenfotos „Das Bauen von Standbildern ist einfach, verführt aber zur Oberflächlichkeit. Wenn nicht präzise gearbeitet wird, bleiben die Bilder beliebig, es wird nicht erfahrbar, was das Verfahren leisten kann“13. Diese warnenden Feststellungen Ingo Schellers werden von 9 a.a.O., S. 71. Die Fragestellungen sind auch deshalb problematisch, weil sie implizit von der Annahme ausgehen, dass Inszenierungen in einem Abbildverhältnis zum Text stehen, sozusagen seine Illustration darstellen. Insbesondere für die gegenwärtige Theaterästhetik trifft das nicht zu, denn hier werden die theatralen Zeichen zum Teil bewusst kontrastierend zum Text, jedenfalls aber weitgehend autonom eingesetzt. 10 a.a.O., S. 271 11 Vgl.: http://www.staatstheater.stuttgart.de/schauspiel/spielplan/bild_popup.php? stid=340&id=837 12 Aleker – Blickfeld, S. 271 13 Scheller – Szenisches Spiel, S. 63. Scheller hat (in Anlehnung an den brasilianischen Theaterpädagogen Augusto Boal) die Arbeit mit Standbildern und mögliche Auswertungsprozesse im Rahmen seiner Methodik des szenischen Interpretierens überaus detailliert erläutert. Seine Vorschläge sind allerdings in den mir vorliegenden den angeführten Beispielen auf erschreckende Weise bestätigt. Es besteht offensichtlich weiterer Klärungsbedarf. Dem sollen die folgenden Empfehlungen dienen. Sie verstehen sich in einem doppelten Sinn als Beitrag zu einer weiterführenden Didaktisierung der szenischen Verfahren: Zum einen wollen sie deren theaterdidaktische Möglichkeiten akzentuieren. Denn diese Verfahren ermöglichen es, nicht nur dramatische Figuren und Konstellationen besser zu verstehen und zu interpretieren, sie sind auch geeignet, szenische Vorgänge in ihrer medialen Eigenart zu begreifen, Theater sehen zu lernen. Anders als bei Scheller, der mit der „szenischen Interpretation“ vor allem einen erfahrungsbezogenen Zugang zur Welt der dramatischen Figuren eröffnen will, steht hier also der Wahrnehmungs- und Gestaltungsaspekt im Vordergrund, die Sensibilisierung für das Verhalten im Raum als einem Teilbereich der Theaterästhetik. Zum anderen geht es darum, die Alltagstauglichkeit der szenischen Verfahren zu sichern: der ‚normale’ Literaturunterricht mit seinen organisatorischen und curricularen Rahmenbedingungen schränkt die Anwendung der von Scheller vorgeschlagenen, extrem zeitaufwendigen Verfahren erheblich ein. 14 Um im Unterricht praktikabel zu sein, müssen die Verfahren daher deutlich reduziert und auf exemplarische Aspekte konzentriert werden. 1. In den Lehrwerken werden die Begriffe Standbild, Statue, lebendes Bild, Tableau (vivant) und Soziogramm oft recht undifferenziert gebraucht. Problematischer noch als die fehlende terminologische Festlegung erscheint mir, dass dadurch die Unterschiede der damit jeweils gemeinten Verfahrensweisen unklar bleiben. Während das Standbild als Momentaufnahme das Verhalten von einer oder mehreren Personen in einer konkreten Situation fixiert, etwa wenn Karlos im zweiten Auftritt des ersten Aktes zu Posa sagt: „Jetzt zum König, / Ich fürchte nichts mehr – Arm in Arm mit dir /So fordr’ ich mein Jahrhundert in die Schranken“, bringt die Statue abstrahierend eine Beziehung, ein Gefühl oder eine Einstellung bildlich auf den Begriff, z.B. die Freundschaft zwischen Karlos und Posa. 15 Auch das Soziogramm abstrahiert von einer bestimmten Situation, dabei geht es Unterrichtswerken nur sehr oberflächlich rezipiert worden. 14 Unterrichtspraktisch wenig praktikabel sind insbesondere seine Vorschläge zur Deutung der Standbilder, aber auch die Kapitel über die „Durchführung physischer Handlungen“ oder „die szenische Demonstration“. Scheller – Szenische Interpretation, S. 71 und 79 aber um die bildliche Darstellung der Beziehungsstruktur oder – konstellation in einer Gruppe. 16 Meist genügt hier eine skizzenhafte Darstellung als Grafik, eine räumliche Gestaltung als Standbild ist nur dann sinnvoll, wenn damit ein weiterführender Auftrag verbunden ist, etwa die Beziehungen untereinander in einem improvisierten Rollentext aus der Perspektive einer Figur zu deuten 17. Das Tableau ist ebenfalls eine abstrahierende Form des Arrangements mehrerer Figuren, allerdings in bewusster kompositorischer Gestaltungsabsicht und mit besonderer Berücksichtigung der theatralen Wirkung auf ein Publikum, etwa die Anordnung der glücklich vereinten Paare am Schluss einer Komödie.18 Die Entscheidung für eine dieser Bildformen hängt wesentlich davon ab, welche Intentionen der Unterricht mit diesen Methoden verfolgt. 2. Gewöhnlich werden Standfotos und Standbilder als „Einstieg in die Figurenanalyse“19 benutzt und dienen folglich dazu, die Haltungen und Einstellungen der Figuren in einer bestimmten Situation sowie ihre Beziehungen zu anderen Figuren zu erfassen. Sie können aber auch eine Konstellation zuspitzend und abstrahierend verdeutlichen oder das Augenmerk auf dramen- und theatertechnische Besonderheiten, etwa das Belauschen, die Teichoskopie, die vierte Wand, das Spiel mit dem Publikum oder das Spiel im Spiel, lenken. 3. Von der mit dem Standbild verfolgten Intention hängt entscheidend ab, für welche Stelle im Handlungsverlauf man sich entscheidet. Diese sollte gut überlegt sein und nicht der Lerngruppe überlassen bleiben. In dem Arbeitsauftrag muss auch deutlich werden, aus welcher Perspektive das Bild gebaut werden soll, aus der einer beteiligten Figur oder der eines Regisseurs, der seine Sicht der Beziehungen im Hinblick auf eine bestimmte Publikumswirkung gestalten will 20. Der 15 „Statuen werden wie Standbilder gebaut, sind aber, da sie Strukturen zeigen, in der Regel gröber, überzeichneter, manchmal auch klischeehafter als diese“. Scheller – Szenisches Interpretieren, S. 69. 16 a.a.O., S. 96 17 a.a.O. S. 93, 95 und 96 18 Vgl. Poloni – Tableau, S 904. Im Oberstufenunterricht empfehlenswert sind in diesem Zusammenhang Lessings Bemerkungen zum bildnerisch „fruchtbaren Moment“ in seinem Laokoon-Aufsatz. 19 Botor – Don Karlos, S. 33 20 Als Muster für einen entsprechend differenzierten Arbeitsauftrag formuliert Scheller: „Marie und Margreth stehen am Fenster, der Tambourmajor marschiert mit dem Zapfenstreich vorbei. Lest euch die Rollentexte zu den Figuren durch und entscheidet euch für eine Figur, aus deren Perspektive ihr das Geschehen wahrnehmen wollt. Zeigt letzte Gesichtspunkt etwa spielt bei Scheller fast keine Rolle, da es hier vor allem um „Einfühlung“ in Rollen und Situationen geht 21, das heißt ein mit Hilfe von szenischen Verfahren vertieftes Verständnis der im Drama dargestellten inneren und zwischenmenschlichen Vorgänge, nicht aber um das Erkennen und Reflektieren bestimmter theatraler Wirkungsmechanismen. 4. Für Lerngruppen, die im Umgang mit Standbildern und Szenenfotos ungeübt sind, erscheint es unerlässlich, die Methode nicht nur verbal einzuführen22, sondern den Blick der Schüler für Besonderheiten des Raumverhaltens zu schärfen und ihnen damit zugleich Kriterien für die Beschreibung, Auswertung und Beurteilung an die Hand zu geben. Die Proxemik, die das Raumverhaltens als Teil der nonverbalen Kommunikation systematisch erfasst, liefert dazu wertvolle Hilfen: etwa mit der Unterscheidung der Aspekte Distanz, Augenhöhe, Ausrichtung des Blicks, Ausrichtung des Körpers, Formen der Berührung.23. Wenn Schüler gelernt haben, unter diesen Gesichtspunkten Menschen in einem Raum wahrzunehmen und Raumbeziehungen als soziale und emotionale Beziehungen zu deuten, sind sie auch zu einer differenzierten Lösung von entsprechenden Gestaltungsaufgaben in der Lage. 5. Klare Vorgaben zur Organisation des Arbeitsvorgangs müssen die räumlichen und zeitlichen Rahmenbedingungen sowie die Gruppenstruktur berücksichtigen Sie werden dazu verhelfen, dass die szenische Arbeit an dem Arrangement der Figuren und ihrem Körperausdruck im Mittelpunkt steht. Für eine gründliche Erarbeitung eines Standbildes sollten mindestens 10 Minuten veranschlagt werden, vorausgesetzt, der Handlungskontext und die Rollenprofile sind bereits von den Schülern erarbeitet. Sinnvoll ist es auch, mehrere Kleingruppen gleichzeitig an einer Aufgabe arbeiten zu lassen, um die Ergebnisse am Ende miteinander vergleichen zu können. Ob dabei ein Regieteam ohne Worte, nur ‚modellierend’ mit passiven im Standbild, wie die Figur die Situation wahrnimmt und bewertet.“ Scheller – Szenische Interpretation, S. 84 21 a.a.O., S. 43 f. 22 Scheller bietet dazu eine sehr wortreiche Demonstration an, die in der Form im Unterrichtsalltag aus Zeitgründen kaum praktikabel ist. Vgl. Scheller – Szenisches Spiel, S. 63 – 68 23 Poggendorf – Proxemik, 137 f. Eine Unterrichtsskizze „Standbilder bauen“ mit anschaulichem Bildmaterial für die Klasse 6 findet sich auch auf http://www.schulebw.de/unterricht/faecher/deutsch/projekte/itg5_6/standards5_6/standbilderue.htm Darstellern 24 ggf. im Wechsel arbeitet oder die Darsteller selbst Vorschläge einbringen, über die eine Regiegruppe dann entscheidet, hängt von der Erfahrung und dem Alter der Lerngruppe ab. Wichtiger ist es, bei komplexen Situationen mit mehreren Figuren eine feste Reihenfolge der Arbeitsschritte vorzugeben: zunächst die Positionen im Raum unter Berücksichtigung wichtiger Raumelemente (z.B. Türen, Fenster, Möbel) und der Blickachse der Zuschauer festzulegen, dann die Körperhaltung zu modellieren, die Blickrichtung zu fixieren und schließlich den Gesichtsausdruck zu gestalten. Sobald das Standbild fertig und alle Darsteller „eingefroren“ sind, sollte das Ergebnis mit einer Digitalkamera aus verschiedenen Perspektiven, aber immer alle Darsteller einschließend, festgehalten werden. Diese von vornherein angekündigte fotografische Dokumentation erleichtert die vergleichende Auswertung, die oft nicht in der gleichen Unterrichtsstunde stattfinden kann. Sie unterstreicht auch, dass es sich bei dem Standbild nicht bloß um einen spielerischen didaktischen Impuls, sondern um ein bewusst zu gestaltendes Produkt handelt, das einem kritischen Vergleich standhalten soll und auch noch in späteren Phasen des Unterrichts nützlich sein kann. 6. Bei der Präsentation von Standbildern mit zahlreichen Randfiguren haben sich folgende Zwischenschritte bewährt: zunächst stellen sich die Schüler mit dem Namen ihrer Figur vor und erklären kurz, was sie in der im Standbild erfassten Situation gerade tun. Diese Einführung entlastet die Zuschauer von dem Rätseln darüber, wer in welcher Funktion auftritt, und lenkt die Aufmerksamkeit auf das ‚Wie’ der Darstellung. Sie hilft aber auch den Darstellern bei der Fokussierung auf ihre Aufgabe. Anschließend gehen die Figuren in die verabredete Position und zwar sukzessive von den Protagonisten zu den Randfiguren. Der Vorschlag, jede „Figur sagt dann in der eingenommenen Haltung, was sie gerade denkt und fühlt“ 25 überfordert nach meiner Erfahrung insbesondere Schüler der Sekundarstufe I, denn nicht nur der verabredete Gesichtsausdruck und die Blickachse, sondern oft auch die Haltung werden dadurch sofort verloren gehen. Ein entsprechender Selbstkommentar sollte also in knapper mündlicher Form auf jeden Fall nach dem Fotografieren erfolgen. Keinesfalls sollte darauf verzichtet werden, 24 Scheller – Szenisches Interpretieren, S. 67. Diese Vorgehensweise ist in den meisten Unterrichtswerken übernommen worden. 25 Bierman - Deutschbuch 8, S. 261 denn diese Äußerungen sind eine wichtige Hilfe, beispielsweise um den Unterschied von äußerer und innerer Handlung zu thematisieren oder komödienspezifische Verstellungsspiele zu begreifen. 7. Für das Auswertungsgespräch liegen den Schülern die Fotos aller Standbilder zur gleichen Situation als Kopie oder in einer Projektion vor.26 Statt einer vorschnellen Deutung sollte zunächst einmal genau beobachtet, sollten auffällige Besonderheiten und Unterschiede beschrieben, einzelne Aspekte der Proxemik und Mimik kommentiert werden, bevor es um Fragen der Stimmigkeit und der Wirkung geht. Ein wichtiger Impuls ist abschließend der Vergleich der Standbilder mit Szenenfotos professioneller Inszenierungen von der entsprechenden Stelle im Handlungsverlauf. Nach dem eigenen Tun werden die Schüler nun die Besonderheiten eines szenischen Arrangements mit wacherem Blick erfassen. Empfehlenswert sind dabei insbesondere Szenenfotos, die eine Situation nicht nur im Einszu-eins-Verhältnis illustrieren, sondern diese verdichten, verfremden, reduzieren, kommentieren oder besonders eigenwillig interpretieren. So können diese szenischen Verfahren im günstigsten Fall auch zu einem tieferen Verständnis von neuen Theaterformen führen. Schließlich hat sich ja im Theater der Gegenwart neben dem dramatischen und epischen auch ein Theateransatz etabliert, der das Spiel auf der Bühne nicht mehr als eine Als-ob-Welt versteht, die auf eine andere Wirklichkeit verweist, sondern auf die dem Theater innewohnende performative Dimension fokussiert, indem er den Schauspieler mit seinem realen Körper und die sinnliche Qualität visueller und akustischer Zeichen erfahrbar macht. 27 3 Theater und Theatralität in einer Molière-Komödie sehen lernen 28 Am Beispiel einer Unterrichtssequenz zu Molières „Der eingebildete Kranke“ für die 8. Jahrgangsstufe möchte ich demonstrieren, wie 26 Die Vorschläge Schellers zur Auswertung erscheinen mir dagegen problematisch, weil die Schüler zunächst noch „rätseln“ sollen, auf welche Situation sich das Standbild bezieht und es dann in seiner Beziehung zum Text deuten: „Anschließend diskutieren sie die Deutung der Textstelle durch das Standbild, wobei sie eigene Deutungen in Form von Standbildern dagegen setzen können“. Scheller – Szenisches Interpretieren, S. 67. Damit wird das Verfahren im Unterricht sicher überstrapaziert. 27 Vgl. dazu den instruktiven Überblick über die „Ästhetik des Performativen“ bei Paule – Theaterdidaktik, S. 188 – 202 28 Vgl. zu diesem theaterdidaktischen Ansatz: Roth-Lange – Theater lesen, S. 2-4 diese Empfehlungen bei einer „aufführungsbezogenen Lektüre“ 29, die den Dramentext unter der Perspektive seiner Aufführung liest und szenische Verfahren als Hilfsmittel für die Textinterpretation einsetzt, konkret umgesetzt werden können. Das Deutschbuch 8 des Cornelsen-Verlags bietet für die Erarbeitung der Moliere-Komödie neben textanalytischen auch eine breite Palette von Methoden der szenischen Interpretation an: Rollenprofile erstellen, Kostüme, Bühnenbilder entwerfen, eine Szene parallel zum Lesen durch andere Schüler pantomimisch darstellen lassen sowie Inszenierungsvorschläge (Strichfassung, Regiebuch) entwerfen. 30 Zu den sehr stark gekürzt abgedruckten Szenen 5 und 6 des zweiten Aktes schlagen die Autoren eine „Leseprobe“ vor, also das charakterisierende Lesen mit verteilten Rollen, In dieser Szene spitzt sich der Konflikt zwischen Argan, der seine Tochter mit einem jungen Arzt verheiraten will, und seiner Tochter Angélique auf unerwartete Weise zu. Deren Liebhaber Cléante hat sich nämlich als Musiklehrer ausgegeben und Zutritt zum Hause Argans verschafft, wo er nun miterleben darf, wie der zukünftige Schwiegersohn seine gestelzte Aufwartung macht. Eine weitere Aufgabe lautet: „Baut ein Abb.1 Standbild zu dem Moment am Ende der Szene, als Angelika geht“31. Dieser vorgeschlagene Ablauf vom Rollenprofil über das szenische Lesen zum Standbild ist methodisch durchaus stimmig. Mir erscheint es allerdings sinnvoll, an dieser Stelle noch einen methodischen Schritt zur Einführung in proxemische Verfahren vorzuschalten. Um den Blick der Schüler für die soziale und emotionale Bedeutung des Verhaltens im Raum zu schärfen, erhalten sie das Standfoto 32 aus einer Theaterinszenierung, das die 29 Payrhuber zit nach Paule – Theaterdidaktik, S. 102 Biermann – Deutschbuch 8, S. 255-263 31 a.a.O., S. 261 32 Vgl. Abbildung 1.Das Original-Foto stand 2008 im Netz, ist leider aber dort inzwischen nicht mehr auffindbar und deshalb vom Vf. nachgestellt worden. 30 Beziehung zwischen Argan und seiner Frau Béline sehr prägnant darstellt und im Zusammenhang der Figurenexposition besprochen wird. Es ist besonders geeignet, Kriterien für die Beschreibung des Raumverhaltens einzuführen. Die fehlende Distanz zeigt hier körperliche Nähe in mehrfacher Bedeutung: als Aufdringlichkeit des Notars, als Zuneigung seitens Bélines, als Konvention und Vertrautheit zwischen den Eheleuten. Die Höhe der Köpfe ergibt eine klare Rangordnung mit dem Notar als dominierendem ‚Drahtzieher’. Dem entspricht die Ausrichtung der Körper in die gleiche Richtung, die eine einseitige, manipulierende Form der Beziehung erkennen lässt. Der Blick ist in allen Fällen genussvoll nach innen gerichtet. Das Spiel der Hände und die Art der Berührungen zeigen erotische Zärtlichkeit (die Hand des Notars am Hals von Béline) und sanfte, beruhigende Kontrolle ( die Hand Bélines auf Argans Kopf). Interessant ist auch die große Ähnlichkeit des Gesichtsausdrucks mit dem halb geöffneten Mund: bei Béline Ausdruck ihrer leidenschaftlichen Erregung, bei Argan Zeichen seiner momentanen Zufriedenheit. Weiterhin sollte eine deutende Beschreibung des Bildes die raumsprachliche Metaphorik der Alltagssprache bewusst machen, die in Formulierungen wie „hintergehen“, „etwas hinter dem Rücken tun“, „Dreiecksbeziehung“, „sich in Sicherheit wiegen“, „unter einer Decke stecken“ zu beobachten ist. Schließlich macht das Szenenfoto auch den semantischen Eigenwert inszenatorischer Details deutlich, denn der Text selbst gibt keine Anhaltspunkte für eine intime Beziehung zwischen Béline und dem Notar Monsieur Bonnefoy. 33 Vielmehr hat der Regisseur dieses szenische Arrangement gewählt, um das doppelte Spiel, die Hinterhältigkeit und die nicht nur erbschleicherische Interessenlage Bélines schon zu Beginn klarzustellen. In der vorliegenden Szene, in der es um die testamentarischen Verfügungen Argans geht, entfaltet der Wissensvorsprung des Zuschauers zweifellos eine situationskomische Wirkung. Es wird dabei auch zu fragen sein, welche Folgen die frühe Demaskierung Bélines für die Wahrnehmung ihrer weiteren Aktionen hat und ob diese Eindeutigkeit der Figurenzeichnung den Genuss an der Verstellungskomödie wirklich steigert. Die Intentionen, die im Deutschbuch 8 zur Wahl der Situation 34 am Ende der Szene II, 6 geführt haben, lassen sich aus dem Kontext der 33 34 Molière – Kranke, S. 21 – 24 (I,7) a.a.O. S. 44 Reihenplanung erschließen: es geht den Autoren um eine vor allem an der Psychologie der Figuren und ihren Konflikten orientierte Erarbeitung der Komödie. Dafür ist dieser zugespitzte Moment, in dem Angélique zum ersten Mal offenen Widerstand gegenüber ihrem Vater zeigt, der sie vor die Alternative Zwangsheirat oder Kloster stellt, zweifellos geeignet. Da es mir neben der Erarbeitung der – übrigens recht einfach gestrickten - Psychologie der Figuren dieser Komödie genauso wichtig erscheint, das Funktionieren der komödienspezifischen Theatermittel zu vermitteln, habe ich einen anderen Moment für die Standbildarbeit gewählt, und zwar das Ende des improvisierten Schäferspiels, das Cléante als angeblicher Musiklehrer mit Angélique vor dem dadurch bald peinlich berührten Zuschauern Argan und seinem auserwählten Schwiegersohn mit dessen Vater aufführt. Diese Situation hat nicht nur den Vorteil, dass hier die Unterbrechung einer Handlung bereits vorgegeben ist35, sie ermöglicht durch die statische Theatralik des Liebesduetts auch eine besonders kontrollierte, opernhafte Gestik der Sänger, während die ‚Zuschauer’ Argan, der zukünftige Schwiegersohn mit seinem Vater sowie Antoinette in einer statischen Beobachterpose verharren. Vor allem spricht für diese Situation, dass sie als eine Form des „Spiels im Spiel“ besondere Möglichkeit eröffnet, das theatrale ‚Als-ob’, die spezifische mediale Qualität des Theaters, damit aber auch ein spezifisches Strukturprinzip dieser Komödie zu thematisieren, in der das „Theatermachen“, das Sich-inSzene-Setzen ein zentrales Motiv darstellt. Abbildung 2 35 Abbildung 3 „Cléante (will fortfahren zu singen): Oh! Meine Liebe… / Argan: Nein, nein, genug davon! Diese Komödie ist ein schlechtes Beispiel.“ A.a.O. S. 39 Angélique, Béline, Argan, Toinette, Thomas, Cléante, Dr. Diafoirus Cléante, Toinette, Argan, Béline, Dr. Diafoirus, Thomas, Angélique Die fertigen Standbilder36 zeigen deutlich, dass die Schüler den Tableau-Charakter der Schäferspielszene erfasst haben. Vater und Sohn Diafoirus werden als Zuschauergruppe neben Argan positioniert, das Dienstmädchen hält sich in der Nähe ihres Herrn, ist aber mit ihrem Blick ebenfalls dem Liebespaar zugewandt, Béline bleibt eher unbeteiligt und in deutlicher Distanz zu ihrem Gatten im Hintergrund. Bei der Auswertung kann an diesem Beispiel anschaulich der Begriff des ‚Spiels im Spiel’ eingeführt und die besondere Wirkung dieses wichtigen dramaturgischen Gestaltungsmittels besprochen werden, das durch die Verdoppelung der Spielebenen die Bühnenillusion steigert und das Theater selbst zum Thema macht.37 Die besondere situationskomische Raffinesse der Schäferspielszene ist damit aber noch nicht erfasst. Theater ‚machen’ Cléante und Angélique hier ja in einem doppelten Sinn: Sie führen eine Szene vor, spielen aber damit gleichzeitig ihre Situation als Verliebte. Das müsste in der Haltung, auf jeden Fall aber in dem Kommentar von Toinette als Verbündete des Liebespaars deutlich werden. Als einzige ist sie ja in das doppelbödige Spiel eingeweiht, kennt die wahre Identität des angeblichen Musiklehrers und wird ihren besonderen Spaß daran haben, die als Gesangsdarbietung verkleidete Liebeserklärung zu durchschauen, während die drei männlichen Beobachter des Singspiels davon nichts ahnen und mit ihrer Ahnungslosigkeit lächerlich gemacht werden. Das gilt auch für Argan, selbst wenn dieser leisen Verdacht zu schöpfen scheint und in der Handlung des Singspiels einen indirekten Angriff auf seine Autorität verspürt 38. Diese Aspekte können in der Auswertung natürlich durch Fragen etwa nach der besonderen Beziehung Toinettes zu den übrigen Figuren in dieser Situation erarbeitet werden. Ich selbst habe dazu einen Bildimpuls gewählt, der verdeutlichen kann, welche Vorteile es hat, die Standbilder der Schüler mit einem entsprechenden Szenenfoto aus einer professionellen Inszenierung zu vergleichen. In einer Inszenierung an der Comédie francaise 39 wird Toinette in dieser Szene auffallend deutlich in die Nähe des Liebespaares gerückt, sie 36 Vgl. Abbildungen 2 und 3 Vgl. Pfister – Drama, S. 300 f. 38 „Diese Komödie ist ein schlechtes Beispiel (..) und die Schäferin Philis ein ungezogenes Ding, wenn sie so von ihrem Vater spricht.“ Molière – Kranke, S. 39 (II,5) 37 spielt und singt bei dem Duett des Liebespaares schließlich auch animierend mit. Wie das Publikum im Saal ist sie eine ‚aufgeklärte’ Zuschauerin, die im Wissen um die wahren Zusammenhänge den besonderen Reiz der anspielungsreichen Gesangsnummer auskosten kann. Abbildung 4 (Toinette, Thomas, Cléante, Angélique, Dr. Diafoirus, (Argan rechts) Zur Vertiefung dieser Beobachtungen und im Rückgriff auf das Szenenfoto mit Béline und dem Notar (Abb. 1) lässt sich das Spiel mit Als-ob-Situationen in dieser Komödie als ein Strukturprinzip erarbeiten, das hier ganz besonders häufig für komische Wirkungen genutzt wird. Schon in ihrem ersten Auftritt zeigt Toinette ihr schauspielerisches Talent40 und macht deutlich, welchen Unterhaltungswert das inszenierte Jammern im Hause Argan hat: „Wenn Ihr das Vergnügen habt zu schimpfen, muß ich wohl das Vergnügen haben zu weinen“ 41. Wenig später zieht Béline alle schauspielerischen Register, um ihre erbschleicherischen Absichten 39 Abb. 4. Screenshot aus: Molière: Le Malade imaginaire. Mise en scène par JeanLaurent Cochet (1976) dvd - edition montparnasse 2007 . 40 Molière – Kranke, S. 7 (I,2): Toinette „tut so, als hätte sie sich den Kopf gestoßen“. 41 a.a.O. S. 8 (I,2) hinter gespieltem Mitgefühl zu verbergen. Die jüngere Tochter Argans „stellt sich tot“, um der Prügelstrafe des Vaters zu entkommen. 42 Auch die entscheidende Wende des Konflikts zwischen Vater und Tochter verdankt sich einem doppelten Theatercoup, den Toinette ‚inszeniert’: nachdem sie zunächst in einem virtuosen Rollen- und Kleiderwechsel als reisender Arzt Argans Vertrauen in seinen Hausarzt und Apotheker erschüttert hat, überredet sie ihn, sich tot zu stellen um so die wahren Gefühle seiner Frau und seiner Tochter zu erfahren. In beiden Fällen führt das inszenierte Trauerspiel zur Erkenntnis der wahren Gefühle: im ersten Fall entlarvt sich Béline als Heuchlerin, im zweiten Fall lernt der Vater die Anhänglichkeit und Liebe seiner Tochter anzuerkennen. Die Gestaltung dieser ‚Leichenschauszene’ ist für Schüler eine besonders motivierende Aufgabe: für Béline ist es ein Verstellungsspiel, während Béralde dessen verabredeten Charakter kennt und wie das Publikum im Saal den Theatervorgang genießt, aber auch gespannt auf die Reaktion wartet. Abb. 5 Béline, Béralde, Argan, Toinette 42 Abb 6 Béralde, Toinette, Argan, Béline a.a.O., S. 47 (II,8). Alle diese „Verstellungsspiele“ gehören nach Pfister zu einer Sonderform des Spiels im Spiel. Die Vereinbarung, dass es sich um ein Spiel handelt, ist hier nur einem Teil der Beteiligten Akteure und Zuschauer bekannt. Insofern die Figuren auf der Bühne zu Darstellern und Zuschauern gruppiert werden, sind diese dramaturgischen Muster mit dem Modell einer klaren Verschachtelung von Spielebenen durch den Auftritt von Schauspielern im Rahmen einer Theaterhandlung verwandt. Das Besondere des Verstellungsspiels besteht darin, dass „hier (…) Figuren des Spiels zusätzliche Rollen vor anderen Figuren (spielen), doch sind diese Rollen nicht fiktional, sondern fingiert. Als fingiertes Rollenspiel zielt dieses Spielen im Spiel darauf ab, andere Figuren des Spiels zu täuschen.“ Vgl. Pfister – Drama, S. 306 Am Ende des zweiten Aktes kündigt Béralde seinem hypochondrischen Bruder Argan an, ein Zwischenspiel aufgetrieben zu haben, in dem „Ägypter, als Mohren verkleidet, tanzen und singen. Die werden Euch sicher gefallen“43. Und in der Schlussszene der Komödie wird schließlich das Spiel im Spiel auch expressis verbis zum ‚Theater auf dem Theater’, wenn Béralde den Auftritt von Schauspielern ankündigt, die als Vertreter einer medizinischen Fakultät ein „Intermezzo“ über die „Verleihung der medizinischen Doktorwürde“ an Argan vorbereitet haben, der dabei „die Hauptrolle“ spielen soll.44 Am Ende erweist sich, dass das Spiel mit Theatermitteln nicht nur die Struktur dieser Komödie kennzeichnet, sondern auch ins thematische Zentrum dieses Dramas vom imaginierten Kranksein führt: werden doch hier der Hypochonder und seine professionellen Helfer als ‚Theatermacher’ entlarvt. Und gleichzeitig erweist sich das Theater als die bessere Medizin, denn Béralde weiß von seinen Intermezzi: „eine Verordnung von Herrn Purgon wiegen sie allemal auf“. 45 Dank Toinettes geschickten ‚Inszenierungen’ gelingt es, Argan von seinen eingebildeten Krankheiten zu heilen und obendrein die falschen von den echten Liebesbeweisen zu unterscheiden. Natürlich könnte man diese Aspekte auch textanalytisch erarbeiten. Doch warum sollte man Schülern bei einem Theaterstück, das so demonstrativ das Theaterspielen selbst zum Thema, eine Erfahrung verweigern, die Molière selbst seiner Titelfigur gestattet: „Was spiele ich doch für eine komische Rolle hier!“46 43 Molière – Kranke, S. 49 (II,9) Molière- Kranke, S. 74 (III,14) 45 a.a.O. S. 49 (II,9) 46 a.a.O. S. 42 (II,6). 44 4 Literatur Aleker, Wolfgang u.a.(Hg.): Blickfeld Deutsch. Oberstufe. Paderborn 2010 Biermann, Heinrich u.a. (Hg.): Deutschbuch 8. Sprach- und Lesebuch. Berlin 1998 Bekes, Peter u.a.: Kompetenzen, Themen, Training. Deutsch S II. Braunschweig 2006 Botor, Michael: Friedrich Schiller – Don Karlos. Kopiervorlagen. Texte, Themen und Strukturen. Berlin 2008 Molière, Jean Baptiste: Der eingebildete Kranke. Komödie in drei Aufzügen. Übersetzung und Nachwort von Doris Distelmaier-Haas. Stuttgart1986 Paule, Gabriela: Kultur des Zuschauens. Theaterdidaktik zwischen Textlektüre und Aufführungsrezeption. München 2009 Pfister, Manfred: Das Drama. Theorie und Analyse. 9. Auflage 1997 Pogggendorf, Armin: Proxemik – Raumverhalten und Raumbedeutung, in: Umwelt & Gesundheit 4/2006, S. 137- 140 Poloni, Bernhard: Tableau, in: Brauneck, Manfred u.a.(Hg.): Theaterlexikon. Begriffe und Epochen, Bühnen und Ensembles. Hamburg3 1992, S. 903 f. Roth-Lange, Friedhelm: Theater lesen – Texte sehen und hören, in: Der Deutschunterricht 4/2004, S. 2-4 Scheller, Ingo: Szenisches Spiel. Handbuch für die pädagogische Praxis. Berlin 1998 Scheller, Ingo: Wir machen unsere Inszenierungen selber (I). Szenische Interpretation von Dramentexten. Oldenburg 1993 Schurf, Bernd u.a. (Hg.): Texte, Themen und Strukturen. Deutschbuch für die Oberstufe. Berlin 2009