Published in Bulletin VALS-ASLA (Vereinigung für angewandte Linguistik in der Schweiz) 87, 7-25, 2008
which should be used for any reference to this work
Junktionsstrategien in deutschen
und englischen Online-Hilfen für
Softwareprogramme
Doris TOPHINKE
Bergische Universität Wuppertal, Fachbereich A:
Geistes- und Kulturwissenschaften
tophinke@uni-wuppertal.de
Evelyn ZIEGLER
Fachbereich A: Sprachen Hochschule Zittau-Görlitz (FH)
eziegler@hs-zigr.de
From a comparative perspective this article will focus on instructions as a key feature in manuals and
examine how they are encoded in German and English online-manuals for the software application
SAP for Higher Education & Research. In chapter 1 we will give a detailed text-type description and
discuss external and internal text characteristics. Chapter 2 describes the English and German onlinecorpus. In chapter 3 we will present Raible’s "model of conjunction" (1992) as an appropriate model to
analyse the syntax of instructions. The quantitative analysis shows (chap. 4) that a preference for
conditional relations between two propositions is evident in both corpora. Furthermore, the data reveal
that subordination is the clearly favoured technique in both online-manuals. From this we conclude
that a more verbal style is preferred by which two propositions are expressed in an explicit manner.
Finally, the comparative approach indicates that the English online-manual serves as a model for
choices in the lexical and pragmatic domain of the German online-manual (chap. 5). This is especially
the case, where text understanding and information retrieval is made easier.
Key words:
German / English, online-manual, instruction, conjunction, style rules
1.
Online-Hilfesysteme
Softwareanwendungen sind in der Regel nicht so konzipiert, dass sie sich
intuitiv bedienen lassen. Um mit ihnen arbeiten zu können, ist "user
assistance" erforderlich. Einen wichtigen Bestandteil der "user assistance"
bilden die zugehörigen Online-Hilfen eines Softwareprodukts 1 . Sie strukturieren die Informationen nach logischen und anwendungsorientierten
Gesichtspunkten und sind damit eine wichtige Ressource im Arbeitsalltag.
Von ihrer Qualität hängt ab, wie effizient und sicher Technik am Arbeitsplatz
genutzt werden kann. Insofern müssen Online-Hilfen – genauso wie ihre gedruckten Pendants – aufgabenorientiert, benutzerfreundlich, verständlich und
ökonomisch gestaltet sein. Allerdings ist es nicht leicht, eine Online-Hilfe zu
1
Weitere Hilfen können sein: Support, Schulungen und selbsterklärende Assistenten, die den
Benutzer durch das Softwareprogramm führen.
Bulletin suisse de linguistique appliquée
N° 87, 2008, 7-25 • ISSN 1023-2044
© 2008 Centre de linguistique appliquée
Université de Neuchâtel
8
Junktionsstrategien in deutschen und englischen Online-Hilfen für Softwareprogramme
erstellen, die allen Ansprüchen, d.h. Autoren wie Benutzern, gerecht wird.
Schließlich sollen die Inhalte nicht nur schnell und einfach recherchierbar sein,
sondern auch effizient gepflegt und flexibel weiterentwickelt werden können
(vgl. Grinsted & Wagner, 1992; Lehrndorfer, 1996; Busch, 2000).
Im Folgenden sollen Online-Hilfen des Softwareunternehmens SAP
untersucht werden. SAP ist eines der erfolgreichsten deutschen
Softwareunternehmen, das seine Produkte – Softwareanwendungen für
kommerzielle und nicht kommerzielle Kunden – nicht unbescheiden mit dem
Slogan bewirbt: "The best run businesses run SAP". Zur Standardausstattung
der SAP-Softwareprogramme gehören Online-Hilfen, wie die hier analysierte
deutsche und englische Version der Online-Hilfe für das Softwareprogramm
SAP for Higher Education & Research, ein an vielen nationalen wie
internationalen Hochschulen eingesetztes Universitätsverwaltungsprogramm.
Die SAP-Autoren und Übersetzer (insgesamt 600) sind für die Qualität und
Verständlichkeit der von ihnen erstellten oder bearbeiteten Texte mitverantwortlich. Sie müssen bei ihrer Arbeit bestimmte Standards und
Richtlinien beachten, um höchstmögliche Qualität zu erzielen und die
Verständlichkeit ihrer Texte zu gewährleisten 2 . Das Dokument "Allgemeine
Standards und Richtlinien für das Schreiben bei SAP" (Englisch: General
Standards and Guidelines für Writing at SAP, kurz: S&G) listet diese Regeln
auf. Sie gelten für folgende Bereiche:
Technische Dokumentation (z.B. Inhalte der SAP-Bibliothek,
Dokumentationen im System)
Einträge in der Terminologiedatenbank von SAP
Texte auf der Oberfläche von Softwareanwendungen
Schulungsunterlagen
Marketingmaterial
Die Regeln betreffen die sprachliche und grafische Gestaltung der Texte. Die
Regeln für die sprachliche Gestaltung beziehen sich auf die Wortwahl,
Wortbildung, Interpunktion, Orthografie und den Stil. Zu den stilistischen Vorgaben zählen z.B. Regeln wie: Use verbs in the command form. Avoid
impersonal verb constructions. Vermeiden Sie "bitte" zu schreiben. Vermeiden
Sie Nominalisierungen. Insgesamt gilt eine "One-Voice-Policy", d.h. alle Texte
sind so zu konzipieren, dass sie wie "mit einer Stimme" geschrieben
erscheinen. Standardformulierungen, d.h. SAP-gültige Formulierungen, tragen
2
Die Standardisierung von Texten gehört zu den Charakteristika der technischen Dokumentation
(vgl. Jakobs, 2000; Göpferich, 2004).
Doris TOPHINKE & Evelyn ZIEGLER
9
dazu bei, Sachverhalte einheitlich und prägnant auszudrücken. Sie sind über
eine Terminologiedatenbank verfügbar.
Die Vorgaben für die Formatierung und das Layout beziehen sich auf die
Textstrukturierung, die Gestaltung von Listen und Tabellen, die Verwendung
von Grafiken und die Einhaltung typografischer Konventionen. Analog zur
sprachlichen Einheitlichkeit gibt es auch für die grafische Ebene eine "OneLook-Policy". Generell gilt für das Schreiben bei SAP, dass die Entwicklung
von Textoberflächen immer mit Blick auf eine leichte und effiziente Anpassung
an andere Märkte (= Internationalisierung) erfolgt. Bei der Anpassung eines
Softwareprodukts bzw. Online-Hilfesystems an regionale Märkte bzw. unterschiedliche Sprach- und Kulturräume stellt die sprachliche Anpassung den
größten Anteil dar (= Lokalisierung). Dabei müssen die Autoren und Übersetzer 3 beachten, dass sie bestimmte Textlängen nicht überschreiten, damit
das Layout bewahrt bleibt und die parallele Suche nach Informationen
erleichtert wird 4 .
Die Branchenlösung SAP for Higher Education & Research: Release Campus
Management 4.72 ist ein integriertes Universitätsverwaltungssystem mit
folgenden Modulen:
Lehrangebot
Daten der Studierenden (Adressdaten, Visuminformation,
Studentenkonto, Bewerbung, Immatrikulation, Exmatrikulation)
Pflege von Studienleistungen
Unter textsortenspezifischen Gesichtspunkten (vgl. Heinemann & Heinemann,
2002) lassen sich die SAP-Online-Hilfen unter die Textsorte
"Bedienungsanleitung" subsumieren. Als solche besitzen sie charakteristische
Eigenschaften, die in ihrem Zusammenspiel die Typik dieser Online-Textsorte
ausmachen. Man kann analytisch textexterne und textinterne Eigenschaften
einer Textsorte unterscheiden. Typische textexterne Eigenschaften der
Online-Hilfen sind ihre Informationsfunktion sowie ihre Bindung an das
elektronische Medium.
Typische textinterne Eigenschaften sind der spezifische Inhalt, die Erläuterung
der Leistungs- und Bedienfunktionen von Softwareprogrammen. Zu den typischen Eigenschaften gehört auch die spezifische Gliederung in Teiltexte
bzw. Informationsbausteine, die durch Hyperjunktoren (Links wie etwa Ikons
oder Wörter) verbunden sind und insgesamt eine geschlossene
3
Die SAP-Texte werden immer von Muttersprachlern übersetzt, damit die Texte nicht nur
fehlerfrei, sondern auch dem kulturellen Kontext der jeweiligen Zielsprache angepasst sind.
4
Zum interkulturellen "technical writing" vgl. Göpferich (1998).
10
Junktionsstrategien in deutschen und englischen Online-Hilfen für Softwareprogramme
Hypertextstruktur bilden 5 . Diese Hypertextstruktur erlaubt es dem Leser,
seinem spezifischen Informationsinteresse entsprechend zwischen den
Informationsbausteinen hin und her zu springen. Die Hyperlinks dienen dabei
als technisierte Sprechakte, verweisen auf weiterführende oder verwandte
Informationen und fordern dazu auf, diesen Verweisen bei Interesse zu folgen.
Für Online-Hilfesysteme ist weiter kennzeichnend, dass Teiltexte häufig durch
Zwischenüberschriften markiert werden und die Grenzen zwischen den
Teiltexten auch mit grafisch-gestalterischen Mitteln (Absatz, Rahmen,
Schriftfarbe, farbigem Hintergrund,…) externalisiert werden. Gliederungsleisten unterstützen das schnelle Auffinden von Informationen.
Weiter ist für Online-Hilfen, wie für ihre gedruckten Entsprechungen,
kennzeichnend, dass sie syntaktische Konstruktionen mit einem anweisenden
oder anleitenden Charakter aufweisen, vgl.:
Um die Bankdaten eines Studenten zu bearbeiten,
Studentenstammdaten die Registerkarte "Zahlungsverkehr".
wählen
Sie
in
dessen
Die Syntax solcher und ähnlicher Konstruktionen wird im Folgenden näher
betrachtet. Dabei stehen zwei Fragen im Vordergrund:
Welche Techniken werden in der deutschen und englischen Online-Hilfe
verwendet, um Handlungsanweisungen zu versprachlichen?
Welche sprachspezifischen Präferenzen lassen sich beobachten?
Die Screenshots (s.u.) geben einen Einblick in die formale Textgestaltung und
in die sprachliche Form der Handlungsanweisungen:
5
Zur Typik von Hypertexten vgl. Storrer (2003) und Jakobs (2003).
Doris TOPHINKE & Evelyn ZIEGLER
11
Grafik 1: Online-Handbuch für die Hochschulsoftware SAP for Higher Education & Research:
Release Campus Management 4.72 (deutsche Version)
Grafik 2: Online-Handbuch für die Hochschulsoftware SAP for Higher Education & Research:
Release Campus Management 4.72 (englische Version)
12
Junktionsstrategien in deutschen und englischen Online-Hilfen für Softwareprogramme
Die Screenshots zeigen, dass die Text- und Bildfelder in der deutschen und
englischen Version nahezu identisch gefüllt sind.
2.
Korpus und allgemeine Charakteristika
Das Korpus umfasst alle Dokumente der aktuellen deutschen und englischen
Online-Hilfe für die Hochschulsoftware SAP for Higher Education & Research:
Release Campus Management 4.72, verfügbar über das SAP-Help-Portal und
abrufbar unter www.help.sap.com. Die Textlänge der Online-Hilfen variiert
leicht. Sie beträgt für die deutsche Version 389.133 Zeichen (=54.821 Wörter),
für die englische Version 354.871 Zeichen (=65.725 Wörter).
Der allgemeine Vergleich der Online-Hilfen zeigt einige charakteristische
Gemeinsamkeiten in den Bereichen Syntax und Lexik. Mit Blick auf die Syntax
zeichnen sich beide Versionen durch einen hohen Anteil von Konstruktionen
mit agentivischem Subjekt aus. So heißt es typischerweise in der deutschen
Version: Sie können die Studentenakte starten…, die Parallelformulierung im
Englischen lautet: You can execute Campus Management activities….
Gleichzeitig fehlt die in Handbüchern zu beobachtende Tendenz der
Verwendung von "man". Stattdessen werden referentiell bestimmte Ausdrücke
gewählt. Der Grund für die Bevorzugung solcher Strukturen ist, dass deutlich
werden muss, wer oder was eine Aktivität ausführt, das System oder der
Benutzer. Aus demselben Grund werden Aktivkonstruktionen gegenüber
Passivkonstruktionen präferiert, vgl.
Der Status anderer Objekte kann nicht geprüft werden.
Sie können den Status anderer Objekte nicht prüfen. (Anmerkung: Der Benutzer führt die
Aktivität aus)
Das System kann den Status anderer Objekte nicht prüfen. (Anmerkung: Das System
führt die Aktivität aus).
Außerdem sind Aktivkonstruktionen leichter maschinell zu übersetzen und
insofern Kosten reduzierend. Weiterhin fällt auf, dass die Anzahl der
Modalverben begrenzt ist, die Modalverben sollen, dürfen bzw. shall, ought,
may etwa so gut wie gar nicht vorkommen. Die Online-Hilfen präferieren
Konstruktionen, die beschreiben, was genau zu tun ist, wenn ein bestimmtes
Ziel erreicht werden soll. Die Modalverben sollen, dürfen bzw. shall, ought,
may können dies jedoch aufgrund ihrer semantischen Polyfunktionalität nicht
leisten, da sie sowohl eine zirkumstantielle als auch eine deontische
Bedeutung haben. Auch sind Satzkonstruktionen mit Modalverben komplex
und führen zu einer zumeist nicht gewünschten Expansion des Textes. Bei
den Zeitformen dominiert das Präsens. Auf der lexikalischen Ebene fallen
textsortenspezifische Formulierungen aus der Verwaltungssprache auf, z.B.
Fachausdrücke wie Stammdaten bzw. Student Master Data. Dabei zeigt sich
in der deutschen Version eine deutliche Präferenz für englische Begriffe, wie
etwa Studentenadministration oder Akademische Historie des Studiums, die
Doris TOPHINKE & Evelyn ZIEGLER
13
der allgemeinen Tendenz zum "translation friendly authoring" entgegen
kommen und über die Terminologiedatenbank verfügbar sind. Abkürzungen
werden, so weit es geht, vermieden, da sie in der Regel nicht zur
Textverständlichkeit beitragen 6 . Zu den Höflichkeitsregeln in beiden Hilfesystemen gehört, dass die Benutzer adressiert werden, im Deutschen mit dem
Pronomen "Sie", im Englischen mit dem Pronomen "you". Die Adressierung ist
zwar unökonomisch. Sie ist aber pragmatisch sinnvoll, denn sie spricht den
Leser als denjenigen an, der eine Aktivität auszuführen hat, und unterstützt
die Aufrechterhaltung seines Interesses.
Die Hilfesysteme zeigen aber nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch
Unterschiede. Dies betrifft etwa den Textumfang. Beim quantitativen Vergleich
der englischen Version mit der deutschen ergeben sich gegenläufige Zahlen:
Die Zeichenanzahl ist in der englischen Version kleiner als in der deutschen
Version, die Wortanzahl hingegen größer. Dies ist einmal dadurch bedingt,
dass das Englische eine flexionsärmere Sprache ist als das Deutsche und es
auch über eingeschränktere Möglichkeiten der Wortbildung verfügt. So
werden Konzeptspezifizierungen, die im Deutschen durch Nominalkomposita
ausgedrückt
werden,
im
Englisch
paraphrasierend
durch
Attributkonstruktionen realisiert; vgl. die folgenden Beispiele:
Präpositionalattribut: Förderungsverwaltung vs. administration of grants
Adjektivattribut: Studienfortschritt vs. academic progression
Darüber hinaus können Unterschiede in der Konzeptualisierung der zu
beschreibenden Sachverhalte bestehen. Dies gilt etwa für den englischen
Ausdruck cost effective, dem im Deutschen der Ausdruck effizient entspricht.
Während effizient im Deutschen durch die Seme "Zeit" und "Geld" bestimmt
ist, findet im Englischen durch den Zusatz cost eine Spezifizierung statt, die in
ihrer Semantik auf den Ökonomiediskurs verweist, was im angloamerikanischen Kontext keineswegs unüblich ist.
3.
Syntax und Handlungsanweisungen
Die für die Textsorte Online-Hilfe typischen anweisenden oder anleitenden
Konstruktionen haben eine zweigliedrige semantische Struktur, setzen zwei
Sachverhalte in eine semantische Beziehung. Im Falle der Handlungsanweisung Bei einem Studiengangwechsel des Studenten nehmen Sie
Änderungen im System vor sind dies der Sachverhalt des Studiengangwechsels und der Sachverhalt der Änderungen im System. Sie werden
durch die Präpositionalkonstruktion mit "bei" konditional verbunden. Möglich
6
Zur Textverständlichkeit von Online-Hilfesystemen allgemein vgl. Jakobs & Villiger (1999) und
Busch (2000).
14
Junktionsstrategien in deutschen und englischen Online-Hilfen für Softwareprogramme
wäre auch etwa eine subordinierende Konstruktion, die den Sachverhalt des
Studiengangswechsels als Konditionalsatz realisiert: Ist ein Studiengangwechsel erfolgt, nehmen Sie Änderungen im System vor.
Es handelt sich hier um verschiedene formale Möglichkeiten der syntaktischen
Verbindung von Sachverhalten, wie sie in funktional-syntaktischen Modellen
als Fälle syntaktischer "Junktion" 7 untersucht werden 8 . Ein Modell, das sich
zur Beschreibung und zum Vergleich der syntaktischen und textsyntaktischen
Eigenschaften der Online-Hilfen gut eignet, ist das Junktionsmodell von Raible
(1992). Angenommen wird, dass die in einer Sprache gegebenen strukturellen
Möglichkeiten der Herstellung von Sachverhaltsrelationen eine Skala bilden,
die von "aggregativen" bis zu "integrativen" Junktionstechniken reicht. Der Fall
einer rein aggregativen Technik liegt vor, wenn die Sachverhaltsrelation allein
durch Juxtaposition selbstständiger Sätze markiert wird. Stärker integrative
Konstruktionen sind solche, in denen ein Sachverhalt formal integriert wird,
etwa als subordinierter Satz oder auch als Partizipial- oder Präpositionalkonstruktion. Das folgende Schema bietet eine stark vereinfachte Darstellung
der Junktionsskala, wie sie Raible für das Französische konstruiert hat, und
überträgt diese auf die deutsche bzw. englische Sprache 9 . Sie ist auf den
Ausschnitt beschränkt, der in der vergleichenden Analyse der Online-Hilfen
relevant
ist,
und
berücksichtigt
nur
die
dort
vorkommenden
Konstruktionstypen. Die Beispielsätze, die den anweisenden Konstruktionen
der Online-Hilfen nachempfunden sind, sollen das Modell erläutern.
7
Generell werden folgende Typen der Junktion unterschieden: die explizite Junktion und die
implizite Junktion. Zur expliziten Junktion zählen die flexivische und die syntaktische Junktion,
die implizite Junktion beschränkt sich auf elliptische Konstruktionen wie etwa die
Koordinationsellipse (vgl. Weinrich, 1993; Zifonun et al., 1997).
8
Vgl. etwa Raible (1992), Weinrich (1993); in einer sprachtypologischen Perspektive Lehmann
(1988), van Valin & Lapolla (1997), auch Givón (2001: 328).
9
Für kritische Hinweise zum Junktionsmodell bedanken wir uns bei Vilmos Ágel & Kassel.
Doris TOPHINKE & Evelyn ZIEGLER
"Wählen" Sie auf der Junktionstechnik
aggregativ
15
Beispiele Vilmos Agel (Universität Kassel)
Juxtaposition
Der Student wechselt den Studiengang. Sie nehmen
Änderungen im System vor.
Explizit verknüpfte Hauptsätze
Der Student wechselt den Studiengang und Sie
nehmen Änderungen im System vor.
Subordination 10
(adverbial, attributiv)
Wenn der Student den Studiengang wechselt,
nehmen Sie Änderungen im System vor.
Im Falle, dass der Student den Studiengang
wechselt, nehmen Sie Änderungen im System vor.
integrativ
Infinitivkonstruktion
Um die Notizen anzusehen, wechseln Sie auf der
Studentenakte die Drucktaste Notizübersicht.
Partizipial- und
Gerundialkonstruktionen
You display and edit notes in the Student File by
choosing Note overview.
Präpositionale Gruppe
Im Falle eines Studiengangwechsels des Studenten
nehmen Sie Änderungen im System vor.
Einfache präpositionale Gruppe Bei einem Studiengangwechsel nehmen Sie
Änderungen im System vor.
Fig. 1: Junktionsskala (in Orientierung an Raible, 1992)
Eine integrative Junktionstechnik ist formal dadurch bestimmt, dass eine der
Sachverhaltsdarstellungen ihre Selbstständigkeit verliert 11 . Dies zeigt sich bei
den schwächer verbindenden Konstruktionen im Verlust der Illokution, bei den
stärker verbindenden Konstruktionen vor allem darin, dass das Verb seine
Finitheit verliert und damit auch das Potential, ein eigenes Syntagma
aufzuspannen und schließlich nur noch nominale Elemente vorhanden sind.
Angenommen werden kann, dass der Grad der Integration und die semantische Verbindung korrespondieren: Je stärker der formale Zusammenhang,
desto stärker die semantische Verbindung 12 . Das Junktionsmodell zeigt in
10
Auf eine Differenzierung innerhalb des Bereichs subordinativer Konstruktionen wird hier im
Kontext der sprachvergleichenden Analyse verzichtet (vgl. dazu in einer typologischen
Perspektive Lehmann (1988), aus konstruktionsgrammatischer Perspektive auch Croft (2001:
322).
11
Dies wird auch als "Desententialization" (Lehmann, 1988: 193ff.) oder "Deranking" (Cristofaro,
1998) bezeichnet.
12
Vgl. hierzu Givón (2001: 328): "Isomorphism between semantic-pragmatic connectivity and
syntactic dependency. The stronger is the semantic or pragmatic connectivity between two
events/states, the stronger will be the syntactic dependencies between the two clauses that code
them". Ähnlich auch van Valin & LaPolla (1997: 480): "the closer the semantic relationship
between two propositions is, the stronger the syntactic link joining them is. That is, the closeness
of the semantic relationship between the units in a juncture is mirrored in the tightness of the
syntactic relationship between them". Ágel (2007) nimmt allerdings an, dass die Annahme der
Isomorphie nur für "monozentrisch" (Ágel, 2007: 53) organisierte Texte gilt, wie sie in literaten
Schriftkulturen der Neuzeit bestimmend sind, nicht aber für bei "polyzentrischer" (Ágel, 2007: 53)
Organisation, wie sie etwa noch frühneuhochdeutsche Texte bestimmt.
16
Junktionsstrategien in deutschen und englischen Online-Hilfen für Softwareprogramme
seiner Berücksichtigung koordinativer Konstruktionen auf, dass eine scharfe
Grenzziehung zwischen der Satz- und der Textsyntax nicht möglich ist, es hier
vielmehr einen Übergangsbereich gibt 13 .
Die Junktionsstrategien haben bestimmte Texteffekte, bestimmen den
konzeptionellen Charakter des Textes. Stark verbindende Konstruktionen wie
die Präpositionalkonstruktionen bewirken eine verdichtete, komprimierte Darstellung von Sachverhalten. Es ergeben sich dichte Texte 14 .
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen lassen sich nun die spezifischen
(text-)syntaktischen Eigenschaften der SAP-Online-Handbücher genauer
bestimmen. So kann man feststellen, dass die anweisenden Konstruktionen
verschiedene semantische Relationen herstellen. Es werden finale, konditionale und instrumentale Relationen konstruiert. Bei Anweisungen mit finaler
Sachverhaltsrelation wird ein Sachverhalt A als Ziel dargestellt, das durch eine
spezifische Handlung (Sachverhalt B) erreicht werden soll: Um Informationen
über die Bankverbindungen eines Studenten zu bearbeiten, wählen Sie in
dessen Studentenstammdaten die Registerkarte "Zahlungsverkehr". Bei
Anweisungen mit konditionaler Sachverhaltsrelation wird ein Sachverhalt A als
Bedingung für eine Handlung A konstruiert: Wenn Sie den Status der
Bewerbung auf "genehmigt" zurücksetzen, führt das System Regelprüfungen
durch. Bei Anweisungen mit instrumentaler Sachverhaltsrelation wird ein
Sachverhalt A als Mittel für eine Handlung A konstruiert: Mit einem Exmatrikulationsvorgang beenden Sie die Einschreibung eines Studenten.
4.
Analyse der Handlungsanweisungen
Im Vergleich der englisch- und deutschsprachigen Handlungsanweisungen
ergeben sich spezifische Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der
Präferenz spezifischer Junktionstechniken. Die Darstellung finaler
Sachverhaltsrelationen erfolgt in beiden Sprachen sowohl durch adverbiale
Subordination als auch durch eine einfache Präpositionalkonstruktion:
1.
Subordination (damit, um…zu; (in order) to, so that)
Damit die gewünschten Selektionsmethoden zur Verfügung stehen, müssen Sie diese
der zugehörigen Selektionsmethodengruppe zuordnen.
13
Vgl. Givón (2001: 328), der auf den kontinuierlichen Übergang von der Satz- und Textsyntax
hinweist: "Along the functional continuum, the propositional-semantic features of event
integration shade gradually into the more discourse-pragmatic features of cross-event
coherence".
14
Fijas (1998: 393) spricht von "Impandierung": "Die Textverdichtung kann durch Impandierung
erfolgen, d.h. eine oder mehrere prädikative Linien gehen als impandierte Propositionen in den
Satz ein, so dass die syntaktische Struktur des Satzes komplexer wird und es über die
Satzverdichtung zur Textverdichtung kommt".
Doris TOPHINKE & Evelyn ZIEGLER
17
Um die Notizen anzusehen oder zu bearbeiten, wählen Sie auf der Studentenakte die
Drucktaste Notizübersicht.
To sort the data, select the desired column.
You can create number range intervals so that all numbers start with a zero.
2.
Präpositionalkonstruktion (zum; for)
Zum Anzeigen von Prüfungsangeboten wählen Sie …
For more information, see object selection.
Instruktiv ist der quantitative Vergleich, dessen Ergebnisse in Fig. 2 dargestellt
sind. Es zeigt sich, dass im Falle finaler Sachverhaltsrelationen sowohl im
Deutschen als auch im Englischen die Junktionstechnik der Subordination
präferiert wird. Allerdings finden sich finale Sachverhaltsrelationen in der
englischen Online-Hilfe deutlich seltener als in der deutschsprachigen.
Junktion
Deutsch
N
%
Englisch
N
%
Subordination
35
17%
damit
20
26%
so that
Infinitivkonstruktion
173
82%
um zu
49
63%
(in order) to
Einfache Präposition
4
1%
zum
9
11%
for
Total
212
78
Fig. 2: Handlungsanweisungen mit finaler Relation
Im Falle der konditionalen Sachverhaltsrelationen überwiegt ebenfalls die
Technik der Subordination. Im Deutschen dominieren Konstruktionen mit der
Subjunktion "wenn", die teilweise auch temporale Semantik transportiert, im
Englisch sind es Konstruktionen mit "if". Präpositionale Konstruktionen sind
selten. Im Deutschen finden sich wenige Präpositionalkonstruktionen mit "bei",
im Englischen ist eine entsprechende, einfache Präpositionalkonstruktion im
Falle der konditionalen Relation nicht möglich.
1.
Subordination (wenn, falls; if)
Wenn Sie mit dem Anlegen des neuen Stammdatensatzes fortfahren möchten, wählen
Sie "Abbrechen".
Falls kein Datum angegeben ist, ermittelt das SAP-System…
If you want to use this setting, you have to implement a business add-in.
2.
Präpositionalkonstruktion (bei)
Beim Status Zurückgezogen führt das System den Vorgang "Abgelehnte Bewerbung
zurücknehmen" durch.
Die folgende Figur gibt einen Überblick über die absolute Frequenz der
Techniken in den beiden Versionen.
18
Junktionsstrategien in deutschen und englischen Online-Hilfen für Softwareprogramme
Junktion
Deutsch
N
%
Englisch
N
%
Subordination
259 90% wenn
352
9
3% falls
1
0% unless
Präpositionale Gruppe
1
0%
im Falle einer
1
0% in cases where
Einfache Präposition
20
7%
bei
-
Total
288
100% if
353
Fig. 3: Handlungsanweisungen mit konditionaler Relation
Möglich sind in beiden Sprachen auch komplexe präpositionale Gruppen, in
denen der bedingende Sachverhalt als Genitivattribut bzw. als Attributsatz
erscheint. Im Englischen sind dies Konstruktionen mit "in case(s) " oder "on
condition" (vgl. Quirk et al., 2002: 212), im Deutschen Konstruktionen mit "im
Falle, dass" bzw. "im Falle einer/eines/der/des", "in Fällen, in denen". Diese
Junktionstypen sind sowohl in der englischen als auch in der deutschen
Online-Hilfe belegt. In der englischsprachigen Online-Hilfe ist dies die Attributkonstruktion mit "in cases, where":
In cases where a prerequisite or corequisite is open (unfulfilled) when a module is
booked, you or the system can book this module conditionally by setting the conditional
booking indicator.
In der deutschsprachigen Online-Hilfe findet sich eine Konstruktion mit
Genitivattribut innerhalb eines Objektsatzes. Sie wird in ihrem syntaktischen
Kontext, in dem "bei" bereits vorkommt, aus Gründen der Variation der
einfachen Präpositionalkonstruktion mit "bei" vorgezogen.
Im Customizing des Campus Managements können Sie festlegen, bei welchen
Prüfzeitpunkten das SAP-System ein Meldungsprotokoll im Falle einer Überstimmung
speichert.
Hierbei handelt es sich allerdings um Einzelbelege, so dass sich bei der
Konstruktion konditionaler Sachverhaltsrelationen eine deutliche Präferenz für
die adverbiale Subordination erkennen lässt 15 . Dabei kommt diese Junktionstechnik in der englischen Version noch häufiger vor als in der deutschen.
Im Falle der Handlungsanweisungen mit instrumentaler Sachverhaltsrelation
ergibt sich ein etwas anderes Bild. In der deutschen Version finden sich
sowohl subordinierte Konstruktionen als auch einfache Präpositionalkonstruktionen, wobei letztere deutlich überwiegen. Eine Erklärung dafür
15
Ein Grund für die seltene Verwendung von Präpositionalkonstruktionen mit "bei" dürfte
vermutlich auch sein, dass "bei" sowohl konditionale als auch temporale Sachverhaltsrelationen
ausdrücken kann.
Doris TOPHINKE & Evelyn ZIEGLER
19
dürfte sein, dass die Konjunktion "indem" fachsprachlich konnotiert ist (vgl.
Weinrich, 1993: 755) und deshalb gemieden wird 16 .
Im englischen System ist die Bildung eines instrumentalen Adverbialsatzes
grundsätzlich nicht möglich. Hier dominieren Gerundialkonstruktionen mit "by".
Seltener finden sich auch einfache Präpositionalkonstruktionen mit "with".
1.
Subordination (indem)
Sie können die Verteilungsregeln pflegen, indem Sie mehrere Regelelemente
miteinander kombinieren.
2.
Präpositionalkonstruktion (mit, durch; with, by & Gerund)
Mit Doppelklick auf das gewünschte Studienmodul übernehmen Sie es in die Anzeige auf
die Registerkarte.
Durch diese Zuordnung steuern Sie jedoch nicht die Berechtigung für den
Anforderungskatalog.
You can select the desired modules and copy them to the booking dialogue with "Copy".
You display and edit notes in the Student File by choosing Note overview.
Junktion
Deutsch
N
%
Subordination
14
Gerundialkonstruktion
-
Einfache Präposition
114
4
Total
11%
Englisch
N
%
indem
184
86%
3%
mit
8
96%
4%
by
with
durch
132
192
Fig. 4: Handlungsanweisungen mit instrumentaler Relation
5.
Fazit
Die Ergebnisse der
zusammenfassen.
kontrastiven
Analyse
lassen
sich
wie
folgt
In beiden Online-Hilfesystemen dominiert die konditionale Sachverhaltsrelation, d.h. die Handlungsanweisungen werden präferenziell konditional
konstruiert. In der englischen Online-Hilfe ist diese Tendenz noch etwas
stärker als in der deutschen. Selten werden in der deutschen Online-Hilfe
Handlungsanweisungen mit instrumentaler, in der englischen Version mit
finaler Relation gewählt. Folgende Figur bietet eine Zusammenschau der
Frequenzwerte für die semantischen Relationen.
16
Diese Interpretation wird auch dadurch unterstützt, dass in den Guidelines explizit darauf
hingewiesen wird, dass typische "behördensprachliche" Satzkonstruktionen gemieden werden
sollen.
20
Junktionsstrategien in deutschen und englischen Online-Hilfen für Softwareprogramme
Deutsch
N
%
Englisch
N
%
1.
konditional 288
45%
konditional 353
57%
2.
final 212
34%
instrumental 192
31%
3.
Instrumental 132
21%
final 78
12%
Fig. 5: Häufigkeiten der konditionalen, finalen und instrumentalen Relation
Was die Junktionsstechnik anbetrifft, so überwiegt in beiden Versionen der
Online-Hilfen die Subordination. Das heißt, es wird ein Verbalstil präferiert, bei
dem die verbundenen Sachverhalte durch satzwertige Ausdrücke versprachlicht werden. Vgl. Fig. 6, die eine Übersicht über die Häufigkeiten der
einzelnen Junktionstechniken bietet und dabei die Ergebnisse für die
semantischen Relationen zusammenfasst.
Junktion
Deutsch
N
%
Englisch
N
Subordination
317
52%
373
60%
Infinitivkonstruktion
173
28%
49
8%
Gerundialkonstruktion
-
184
29%
Präpositionale Gruppe
1
Einfache Präposition
122
%
0%
1
0%
20%
17
3%
Fig. 6: Frequenz der Junktionstechniken
Unterschiede zeigen sich im Bereich der sprachsystematischen Möglichkeiten.
So besitzt das Deutsche keine Gerundialkonstruktion, verwendet hier die
Präpositionalkonstruktion. Im Englischen ist die Darstellung konditionaler
Relationen durch Präpositionalkonstruktionen nicht möglich. Auch kann die
instrumentale Relation hier nicht subordinierend ausgedrückt werden.
Stärker integrative Konstruktionen, wie sie die Gerundialkonstruktion sowie die
präpositionalen Konstruktionen darstellen, sind, wie die Auswertungen nahe
legen, eine in den Online-Hilfen weniger übliche Form der Junktion. Sie
kommen als Techniken der Verdichtung vor, werden aber vor allem dann
verwendet, wenn keine andere Konstruktion zur Verfügung steht oder wenn
eine Häufung von Subordinationen aus stilistischen Gründen (Monotonie)
bzw. pragmatischen Gründen (Aufmerksamkeit) vermieden werden soll. Hier
zeigt sich eine Dispräferenz für den stärker verdichtenden Nominalstil.
Mit Blick auf die Textrezeption lassen sich die skizzierten Konstruktionspräferenzen als das Ergebnis spezifischer Strategien der sprachlichen und
pragmatischen Textoptimierung deuten. Dabei konkurrieren Strategien der
Sprachökonomie mit Strategien der Verständnissicherung. So erstaunt die
Vermeidung stärker verdichtender Präpositionalkonstruktionen bzw. des
Doris TOPHINKE & Evelyn ZIEGLER
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Nominalstils zunächst, da sie einer ökonomischen Darstellung
entgegenkommt und etwa auch aufgrund der begrenzten Lesefläche am
Monitor zu erwarten wäre. Der Vorteil des Verbalstils, der sich mit der
Präferenz für die Subordination ergibt, liegt jedoch darin, dass auch die
integrierten Sachverhalte in ihren Komponenten expliziter versprachlicht
werden. Auch ergeben sich Möglichkeiten der Adressierung. Im Falle der
konditionalen Sachverhaltsrelation etwa kann der Leser bzw. der Programmnutzer als Agens auch im Konditionalsatz adressiert werden; vgl.
Wenn Sie Prüfungsangebote anzeigen wollen, wählen Sie ...
Zum Anzeigen von Prüfungsangeboten ... wählen Sie ...
Im Falle der Präpositionalkonstruktion bleibt unexpliziert, wer die Handlung
durchzuführen hat. Dies kann von Vorteil sein, wenn der Sachverhalt im
Hinblick auf das Agens nicht spezifiziert werden soll. Hier können sich für den
Leser bzw. Programmnutzer aber auch Unklarheiten ergeben, die zu
Problemen bei der Nutzung der Software führen können; vgl.
Bei der Konstruktion des Unternehmensmusters
Szenariobausteinen nicht erneut zu definieren.
sind
Verbindungen
zwischen
Die Textersparnis, die sich bei einer stärker verdichtenden Präpositionalkonstruktion ergibt, wird im Falle einer Präferenz für die Subordination einer
Verständnis sichernden Explizitheit nachgeordnet. Im Style Guide für die
technischen Redakteure wird deshalb explizit darauf hingewiesen, dass
Nominalisierungen und Funktionsverbgefüge wie etwa zur Durchführung
bringen zu vermeiden sind. Auch sind diese Konstruktionen stilistisch
konnotiert, gelten als "behördensprachlich" und passen nicht zum Bild einer
instruktiven, den Nutzer unterstützenden Online-Hilfe. Die technischen
Redakteure sind angewiesen, einen persönlichen Stil zu verwenden,
"unpersönliche" Konstruktionen zu vermeiden.
Weiter gilt im Falle verdichtender Präpositionalkonstruktionen, dass die
resultierende Sachverhaltsdarstellung semantisch sehr dicht ist und eine
relativ große Anzahl an Satzelementen aufweist. Dies ist – anders als in der
gesprochenen Sprache – in der Schriftlichkeit nicht grundsätzlich problematisch, da der Satz hier fixiert ist und er gegebenenfalls mehrfach gelesen
werden kann. Leserfreundlicher ist es jedoch, wenn die Sätze als zu
verarbeitende Syntagmen überschaubarer bleiben. Die syntaktisch stärker
hierarchische Konstruktion der Subordination, die auch die beiden in Relation
gesetzten Sachverhalte syntaktisch stärker trennt, kommt hier einer Verarbeitung der Sachverhaltsrelation entgegen. Es ergibt sich so eine
unaufwendige Satz- bzw. Textrezeption.
Wichtig ist darüber hinaus, dass der Leser die Sachverhaltsrelation schnell
erfassen kann. Dies wird im Falle der Subordination durch Subjunktionen
unterstützt, die die Sachverhaltsrelation explizit machen. Ambiguität oder
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Junktionsstrategien in deutschen und englischen Online-Hilfen für Softwareprogramme
Vagheit besteht hier in aller Regel nicht. Im Falle der Subjunktion wenn kann
sich auch eine temporale Semantik ergeben, die aber nicht im Widerspruch
zur konditionalen Semantik steht und für das Textverstehen unproblematisch
ist. Im Falle der Präpositionalkonstruktionen machen die Präpositionen die
Sachverhaltsrelation explizit, wobei sich die konditionale, finale bzw.
instrumentale Semantik der Präpositionen bei, zum, durch, mit sowie for, with
erst im monosemierenden Kontext der spezifischen handlungsanweisenden
Konstruktion ergibt.
Im Falle konditionaler Subordination steht der Konditionalsatz immer vor der
handlungsanweisenden Sachverhaltsdarstellung. Dies entspricht einer für
Konditionalsätze als typisch angenommenen Serialisierung, bei der die Bedingung als Voraussetzung für die Geltung des nachfolgend dargestellten
Sachverhalts genannt wird. Im Kontext der Online-Hilfen ist diese Reihenfolge
sinnvoll. Sie kommt dem Informationsinteresse eines Lesers von Online-Hilfen
entgegen, der gegebenenfalls mit bestimmten Problemen bzw. Sachverhalten
konfrontiert ist und sich darüber informieren möchte, was im Falle des
betreffenden Sachverhalts zu tun ist.
Die Gestaltung der Online-Hilfen in ihrer Präferenz für subordinierte
Konstruktionen lässt sich in dem beschriebenen Sinne als Ergebnis eines
"information managements" (i.a. Tomlin, 1998) fassen, das darauf zielt, die
Handlungsanweisungen und -anleitungen so zu formulieren, dass sie für den
Leser bzw. den Nutzer verständlich sind. Explizitheit ist dabei eine zentrale
Strategie. Dies ergibt sich einmal aus der medialen Schriftlichkeit der OnlineHilfen, die eine dekontextualisierte Textkonzeption notwendig macht. Es ergibt
sich zum anderen aus der spezifischen Textsorte der Online-Hilfe, die ihre
Funktion nur erfüllen kann, wenn sie verständlich formuliert ist. Besonderheit
sowohl der englischen als auch der deutschen Online-Hilfen ist dabei, dass
sie – anders als viele gedruckte Bedienungsanleitungen – auf eine
ökonomische Textverdichtung verzichten und stattdessen den Verbalstil
präferieren. Dies motiviert auch die in Bedienungsanleitungen ansonsten eher
unübliche Adressierung des Lesers, die ihn als Agens der Sachverhalte
benennt, und folgt nicht einfach der aktuell in der Werbung zu beobachtenden
Strategie der persönlichen Ansprache von Kunden (Stichwort: "Ikeaisierung").
Unter einer übersetzungstechnischen Perspektive lassen sich die
beschriebenen syntaktischen Präferenzen auch als eine Strategie zur
Minimierung von potentiellen Übersetzungsproblemen deuten. Das Motiv ist
dabei nicht nur eindeutige Übersetzungseinheiten zu erstellen. Vielmehr geht
es auch um übersetzungsgerechtes Schreiben, damit die Übersetzungseinheiten von maschinellen Übersetzungssystemen (Computerprogramme mit
Modulen für Wörterbücher und Grammatikregeln, Translation-MemorySysteme für häufig wiederkehrende Übersetzungseinheiten) eindeutig
identifiziert und übersetzt werden können. Dies erleichtert nicht nur die
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maschinelle Übersetzung, sondern senkt auch die Übersetzungs- und
Lokalisierungskosten, die durch aufwendige Nachbearbeitungen und Korrekturen anfallen.
Mit Blick auf die Frage sprachlicher Homogenisierung bzw. Differenzierung
lassen sich die Ergebnisse auch dahingehend interpretieren, dass das
Englische eine Modellfunktion für die sprachliche Ausgestaltung der
deutschen Online-Hilfe übernimmt. Diese Tendenz zeigt sich nicht nur im
Bereich der Syntax der Handlungsanweisungen, sondern auch im Bereich der
Lexik sowie im Bereich der Adressierung (Pronominalisierung). Auffällig ist
dabei, dass die Orientierung an englischen Textmusterkonventionen generell
dort zu beobachten ist, wo dies zu einer Verbesserung der
Textverständlichkeit führt, die Informationsentnahme also erleichtert wird. Die
daraus resultierende tendenzielle Homogenisierung der Online-Hilfen führt zu
einem Abbau sprachlich-kultureller Eigenheiten und damit zu einer
"Internationalisierung" der deutschen Online-Hilfe. Lokalisierung und
Globalisierung der deutschen Online-Hilfe stehen sich dabei nicht entgegen,
sondern bilden textuelle Interferenzmuster aus, bei denen die globalisierende
Strategie (Orientierung am englischen Modell) zu einer Überformung lokal
präferierter Strukturen führt. Unter Textoptimierungsgesichtspunkten sind die
Interferenzen des Englischen mehr als nur wünschenswert, denn sie führen zu
einer Vereindeutigung der Handlungsanweisungen gerade dort, wo das
Deutsche Strukturen präferiert, die Mehrdeutigkeit zulassen.
Resümierend bleibt festzuhalten:
Erstens: Der Wahl der Junktionsstrategien für Handlungsanweisungen liegt
ein zweifaches Interesse zugrunde: Textverständlichkeit und Übersetzbarkeit.
Da die englische Online-Hilfe wiederum als Quellsprache für alle weiteren 32
Zielsprachen von SAP-Texten/Dokumenten dient, muss auch sie beide
Kriterien erfüllen. Der Stellenwert der englischen Online-Hilfe wird so erheblich
gesteigert: Sie dient sowohl als Vorbild für die deutsche Online-Hilfe als auch
als Ausgangstext für alle weiteren Übersetzungen. Gleichzeitig nimmt sie
Einfluss auf die Wahl der einzelnen Sprachstrukturen und Sprachelemente.
Zweitens: Mit seiner Entscheidung, Online-Support in beiden Sprachen zu
bieten, folgt SAP marktstrategischen Überlegungen. Mit der lokalen Präsentation der Online-Hilfe reagiert SAP auf die Bedürfnisse des deutschen
Mittelstands, den man in der Regel besser mit deutschsprachigen Dokumentationen erreicht. Mit der globalen Präsentation der Online-Hilfe reagiert
SAP auf die Bedürfnisse der von der lingua franca Englisch beherrschten
internationalen Märkte.
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Junktionsstrategien in deutschen und englischen Online-Hilfen für Softwareprogramme
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