BEGEHUNGEN NO17
2020
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The Heckert Kids
Are (not) Alright
Ein Essay von Dominik Intelmann
An essay by Dominik Intelmann
In den 1990er-Jahren war das ehemalige Fritz-Heckert-Gebiet
Ort intensiver Kämpfe. Synchron zu den gesellschaftlichen
Entwicklungen in den anderen ostdeutschen Plattenbaugebieten fand hier die Implosion des Realsozialismus auf multiple
Weise statt: Nicht nur zerbrachen hier die autoritären Momente des Realsozialismus, sondern auch der utopische Überschuss, der in der Idee einer Planstadt für die Menschen einer
befreiten Gesellschaft zumindest theoretisch aufgehoben war.
Es waren insbesondere die gerade eben noch privilegierten
Plattenbaugebiete mit einer sehr jungen und sozial heterogenen Bevölkerung – im Heckert wohnten 40 % der Chemnitzer
Jugendlichen – , in denen nach 1990 die neuen Antagonismen
in Konflikte zwischen Jugendmilieus und einen „Atavismus
der Rassenkämpfe“ (Heiner Müller) umschlugen. Die Signatur dieser Zeit lieferten die Pogrome von Hoyerswerda (1991),
Leipzig-Grünau (1991) und Rostock-Lichtenhagen (1992):
rassistische Verarbeitungsformen undurchschauter Konkurrenzverhältnisse zwischen länger ansässigen Menschen mit
vermeintlichen Vorrechten und neu Hinzukommenden. Vor
der Plattenbaukulisse wurden die Anderen gesucht und gejagt.
Angesichts des jugend(pop)kulturellen Habitus der TäterInnen konstatierte Diedrich Diedrichsen seinerzeit schockiert:
The kids are not alright.
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In the 1990s, the Fritz-Heckert district underwent intense struggle. Alongside the social developments in other East German
Plattenbau housing estates, the implosion of really existing
socialism took place here in multiple ways: not only with the
breakdown of its authoritarian moments, but also of its utopian
excess, which was at least theoretically preserved in the idea of
planned city for the people of a liberated society. It was specifically around the housing estates, areas that not long ago were
privileged with their very young and socially heterogeneous
population – 40% of Chemnitz youth lived in the Heckert –
that, after 1990, new antagonisms turned into conflicts between
youth milieus and an “atavism of racial struggles” (Heiner Müller). A stamp of this period is marked by the pogroms of Hoyerswerda (1991), Leipzig-Grünau (1991) and Rostock-Lichtenhagen (1992): racist forms of dealing with obscure competitive
relationships between long-terms residents with alleged priority
and newcomers. The Other was persecuted amidst the Plattenbauten. In accordance with the youth culture (pop) dispositions
of the perpetrators, Diedrich Diedrichsen was shocked at the
time: the kids are not alright.
The Heckert here found itself in the local press. Here it was
said that we lamentably find those struggles indicative of the
Das Heckert landete in dieser Zeit lediglich in der lokalen
Presse. Auch hier gab es jene Kämpfe, wurde der rapide Verfall
des zivilen Umgangs beklagt – der Eingang ins kollektive Gedächtnis blieb indes aus.
Während die Gesamtstadt bereits seit 1990 stark schrumpfte,
blieb das Heckert bis 1993 – aus heutiger Sicht überraschend
– stabil, da zahlreiche Menschen aus den ruinösen Altbauvierteln (Sonnenberg und Kaßberg) zuzogen. Dann setzte ein
Exodus ein, der auch heute noch etwas rätselhaftes an sich hat.
Zwischen 1996 und 2002 sank die Einwohnerzahl von 76.000
auf 46.000; vier von zehn Menschen zogen in diesem kurzen
Zeitraum aus dem Gebiet. Solch ein massenhafter Auszug aus
einer grundsätzlich funktionierenden sozialen Wohninfrastruktur – noch dazu in Friedenszeiten und ohne offensichtliche Katastrophensituation – dürfte historisch einmalig sein.
Zu dieser Zeit stand der Wegzug nach Westdeutschland nicht
mehr im Vordergrund; es war die Flucht vor dem Plattenbau
– „als hätte das ‚Volkseigene‘ eine Art Langzeitkonsequenz“
(Olivia Golde). Die wahnsinnige Dynamik des Prozesses vom
Vorzeigequartier zum Ort des Exodus innerhalb weniger Jahre
verweist darauf, dass der Plattenbau nicht einfach aus seiner
Materialität heraus „hässlich“ und ungeliebt ist. Er erweist sich
vielmehr als soziales Verhältnis, das umkämpft ist: Die Abwertung und der folgende Exodus hatten eine diskursive (über die
verschlungenen Wege der öffentlichen Meinungsbildung) und
politisch-ökonomische (über Anreize zum Eigenheimbau und
eine speziellen Privatisierungspolitik) Grundlage.
Durch die Abwanderung hatte sich eine sozialräumliche
Segregation vollzogen, bei der die jungen, mobilen Bevölkerungsgruppen mit vermeintlich anspruchsvollen Wohnbedürfnissen fluchtartig das Gebiet verlassen hatten. Damit
verschwanden auch die einst starken Jugendsubkulturen
– Skater, Sprayer, Raver, Punks und Alternative – zu großen
Teilen aus dem Gebiet und folgten ihrer Eltern in die mittlerweile sanierten, besseren Viertel der Stadt. Als symbolische
Wiederkehr jener geflüchteten Milieus können Kunst-im-Plattenbau-Festivals wie „Hotel Neustadt“ (Halle/Saale 2003) oder
„Raster-Beton“ (Leipzig 2016) verstanden werden, die das Erlebnis Plattenbau für die anderswo wohnenden Alternativen
geschickt zu ästhetisieren verstanden. Dabei bleibt es oft bei
einem (romatischen) Schwärmen aus der Distanz, das vor Ort
mit Kommunikationsproblemen kontrastiert: Eine gemeinsame Sprache zwischen den sich (auch stadträumlich) immer
weiter voneinander entfernenden Milieus müsste erst wieder
eingeübt werden.
rapid decline of civil interactions – yet its entry into collective
memory was not long lasting. While the city as a whole had
been strongly shrinking since 1990, Heckert remained stable
until 1993 – surprising from today’s perspective – as numerous
people moved in from the ruinous old building neighborhoods
(Sonnenberg and Kaßberg). Thereafter an exodus set in, which
still today is shrouded in mystery. Between 1996 and 2002, the
number of inhabitants dropped from 76,000 to 46,000; four out
of ten people moved out of the area in that short period of time.
Such a mass exodus from a fundamentally functioning social
housing infrastructure – especially in times of peace and without an blatant disaster scenario – is in all likelihood historically
unique. At the time, moving to West Germany was no longer a
priority; it was the escape from the Plattenbau – “as if the ‘nationally-owned’ had a kind of long-term consequence” (Olivia
Golde). The insane dynamics of the process from being a showcase neighborhood to a place of exodus within a few years points
to the fact that the Plattenbau is not simply “ugly” and unloved
because of its materiality. It rather proves itself to be a contested
social relationship: the depreciation and subsequent exodus had
a discursive (through the convoluted paths of public opinion
formation) and politico-economic (through incentives for home
ownership and special privatization policy) basis.
Emigration led to socio-spatial segregation, with young, mobile
population groups and their alleged needs for more pretentious housing, fleeing the area. As a result, the once strong youth
subcultures – skaters, taggers, ravers, punks and other counter
cultures – largely disappeared from the area and followed their
parents to the now renovated, better quarters of the city. Festivals of artistic makeovers of the Plattenbauten such as “Hotel
Neustadt” (Halle/Saale 2003) or “Raster-Beton” (Leipzig 2016),
which cleverly aestheticized the experience of the Plattenbau for
a subculture that lived elsewhere, can be understood as a symbolic return of those fleeing milieus. Often found here is a (romantic) fervor set at a distance, which contrasts with the on-site
communication problems: a common language between milieus
moving further and further apart (also in terms of urban space)
would again require some rehearsal.
The exodus of particular social groups from the Plattenbau areas
occurred simultaneously with the tectonic shifts in the world of
work, with the visible emergence of new class fractions. GDR
urban planning had created spaces of absolute transparency,
conceived as the ideal living space for the type of person who
had nothing to hide in the professedly liberated society. Similar-
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Der Exodus bestimmter gesellschaftlicher Gruppen aus den
Plattenbaugebieten vollzog sich gleichzeitig mit den tektonischen Verschiebungen in der Arbeitswelt, wobei auch eine
neue Klassenfraktionierung sichtbar wurde. Der DDR-Städtebau hatte Räume der absoluten Transparenz erschaffen, konzipiert als idealer Lebensraum eines Menschentyps, der in der
behaupteten befreiten Gesellschaft nichts zu verbergen hätte.
Gleichermaßen fungier(t)en diese Räume als Teil eines Kontrolldispositivs, in der staatliche und gegenseitige soziale Kontrolle in die architektonische Struktur bereits eingelassen sind.
Diese Durchsichtigkeit des Alltagslebens entsprach der PlanLogik des Realsozialismus und wurde 1989 abrupt zum Ballast. Das Altern der Neubauten manifestierte sich darin, dass
ein neues Kontrolldispositiv mit der Morphologie der Plattenbausiedlungen in Konflikt trat: Im neuen, netzwerkartig
organisierten, flexibilisierten und entgrenzten Arbeitsregime
wurde Kontrolle nicht mehr nur von außen ausgeübt, sondern
als Selbstverantwortung und Selbstkontrolle in die Individuen
verschoben. Die in den Plattenbaugebieten mustergültig verräumlichte Trennung von Arbeit, Wohnen und Freizeit wurde
nun wieder aufgehoben und unter den neuen Bedingungen als
Einheit beschworen: Die moderne städtische Lebenswelt zehrt
vom Versprechen urbaner Abenteuer, bei denen ständig Alles
passieren kann – eine Gegenwelt zu den als Schlafstädten oder
gar Arbeiterschließfächern denunzierten Plattenbautgebieten.
Die alten Gründerzeitviertel mit ihren abgeschlossenen Hinterhöfen, bröselnden Verschlägen, sowie den dazugehörigen
Kellern und Dachböden wurden stattdessen zur Kulisse für
alternative, kreative und kollektive Wohn- und Arbeitsformen, in denen Arbeit und (Nacht-)Leben verschmolzen. Vor
diesem Hintergrund sortieren sich die verschiedenen Milieus
und Fraktionen räumlich in den Städten.
Im ehemaligen Heckert-Gebiet befand sich insbesondere Hutholz in der Zeit des Exodus im freien Fall: 40% der Wohnungen standen leer, Hausmeisterdienste wurden abgezogen; die
soziale Kontrolle ließ nach; es herrschte vollkommene Verunsicherung über die Zukunftsaussichten des Viertels. Bereits
zuvor kristallisierte sich der Stadtteil als Rückzugsort und
„Revier“ von Neonazis heraus, in dem der Jugendclub Piccolo
das ideelle Zentrum darstellte. Hier wurde das spätere Unterstützerumfeld des NSU-Kerntrios sozialisiert; hier tauchte das
Trio selbst nach seiner Flucht aus Jena in rechten WG-HausStrukturen unter.
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ly, these spaces functioned as part of a control system in which
state and interdependent social control is already embedded in
the architectural structure. This transparency of everyday life
corresponded to the planning logic of really existing socialism
and abruptly became an encumbrance in 1989. The ageing of the
new buildings was made manifest in the fact that a new control
apparatus came into conflict with the morphology of the Plattenbau estates: in the new, network-like organized, flexibilized
and deregulated labor regime, control was no longer exercised
merely from the outside; self-responsibility and self-control was
displaced on to individuals. The spatialised separation of work,
habitation and leisure time, exemplified in the Plattenbau estates, had now been overcome and under new conditions, a unity
emerged: the modern urban world exploits the promise of urban
adventures in which anything can happen – an alternative world
to the Plattenbau estates now denounced as dormitory communities or even as workers’ barracks. Instead, the old Gründerzeit
quarters, with their closed backyards, crumbling sheds, as well
as the attendant cellars and attics, became the backdrop for alternative, creative and collective forms of living and working.
Against this background, the different milieus and fractions assorted themselves spatially throughout the municipalities.
In the Heckert district, the area of Hutholz in particular was
in a free fall during the time of the exodus: 40% of apartments
were empty, janitorial services were withdrawn; social control
was weakening; there was complete uncertainty surrounding the
future prospects of the district. The neighborhood had already
solidified itself as a refuge and “territory” of neo-Nazis, with the
Piccolo youth club as its ideal center. It was here that the later
supporters of the NSU core trio were socialized; after their escape from Jena, the trio went into hiding here inside right-wing
shared housing structures.
Aside from this unchecked neo-Nazi subculture, the political
atmosphere in the Plattenbau estates seemed disoriented for
many years, even though elections there since 1990 have shown
an obvious protest disposition. This attitude was channelled in
a harmless manner with the election of the PDS/Linke, which
in the Heckert area brought in up to 36% of the vote during the
2000s. Yet this hardly represented a “left” hegemony in the district: over the last five years, this electoral vote has effectively
reversed. In the 2019 city council elections, the two right-wing
parties (Pro Chemnitz and AFD) achieved 25% in the city as a
whole, but 34% in the Heckert area. At the level of constituencies [Wahlbezirke], which provide a micrological view of trends
Abseits dieser unbehelligt gebliebenen Neonazi-Subkultur
schien sich die politische Stimmung in den Plattenbaugebieten lange Jahre nicht klar zu verorten, auch wenn sich dort seit
1990 bei Wahlen eine offenkundige Protesthaltung zeigte. Diese Haltung kanalisierte sich auf noch ungefährliche Weise in
der Wahl der PDS/Linken, die im Heckert-Gebiet in den 2000er Jahren bis zu 36% einfuhr. Dies repräsentierte jedoch keine
„linke“ Hegemonie im Viertel: In den letzten fünf Jahren kippte dieses Wählervotum geradezu um. Bei den Stadtratswahlen
2019 erreichten die beiden rechten Parteien (Pro Chemnitz
und AFD) in der Gesamtstadt 25%, im Heckert-Gebiet jedoch
34%. Auf der Ebene der Wahlbezirke, die einen mikrologischen Blick auf Tendenzen innerhalb von Stadtteilen ermöglichen, zeigen sich noch extremere Werte: Im Wahlbezirk mit
dem höchsten Ergebnis für rechte Parteien in der gesamten
Stadt werden 45% erreicht. Es sind die Straßenzüge rund um
den ehemaligen Jugendclub Piccolo und den Unterschlupf des
NSU-Kerntrios in der Wolgograder Allee 76 in Hutholz.
Doch was sagen diese Zahlen? Neben teils manifesten rassistischen Einstellungen verweisen sie auf Empfindungen des Kontrollverlusts und fehlender Handlungsfähigkeit – dies interagiert mit dem Charakter des Viertels. Das Heckert-Gebiet ist
seit vielen Jahren ein fremdbestimmter Raum der Externalisierungen, in den soziale Probleme ausgelagert und konzentriert
werden, was freilich kein beabsichtigter Prozess ist, sondern
das Resultat von Ausschlussmechanismen auf Arbeits- und
Wohnungsmärkten. Hier ist die Arbeitslosigkeit am höchsten,
die Zahl der Alleinerziehenden am Größten; hier ziehen die
Menschen hin, die anderswo verdrängt werden oder denen es
aus anderen Gründen nicht gelingt, sich an den zentraleren
Orten zu halten. Es ist schwierig, eine Aussage über die Freiwilligkeit bzw. Unfreiwilligkeit der Zuzugsentscheidungen ins
Heckert-Gebiet zu fällen – die Wohnzufriedenheit der Bewohnenden, z.B. der vielerorts im Heckert entstehenden Pflegeheimen und der Alteingesessenen, ist mutmaßlich hoch.
Seit 25 Jahren geben fortlaufend Förderprogramme und andere Staatsinterventionen den Takt der Entwicklungen im Viertel
an: Erst das Altschuldenhilfegesetz; dann Stadtumbau Ost; die
Einführung von Hartz IV als Schlag, von dem sich das Viertel
bis heute nicht erholt hat – als Reaktion darauf verschiedene
Formen von Quartiersmanagement, Bürgerplattformen, Gemeinwesenkoordination. Sie alle versuchen mit kommunikativen Mitteln und Partizipationsangeboten soziale Probleme zu
lösen, die nicht vor Ort zu verantworten und dort auch kaum
bearbeitbar sind. Erfahrungen kollektiver Handlungsfähigkeit
within districts, even more extreme values are evident: in the
constituency with the highest result for right-wing parties of the
entire city, the figure is 45%. These are the streets around the
former Piccolo youth club and the haven of the NSU core trio at
Wolgograder Allee 76 in Hutholz.
But what do these figures tell us? In addition to partly manifest racist attitudes, they refer to feelings of loss of control and
lack of the capacity to act – this interacts with the character of
the neighborhood. For many years, the Heckert area has been
a heteronomous space of externalization, in which social problems are outsourced and concentrated, which of course is not
a planned process, but the result of exclusion mechanisms on
the labor and housing markets. Here unemployment is highest
along with the number of single parents; it is where people move
who are displaced from elsewhere or who, for other reasons, are
unable to remain in more central areas. It is difficult to make a
statement about the voluntary or involuntary nature of the decision to move to the Heckert area - the residential satisfaction
of the residents, e.g. the nursing homes and the long-established
residents that are being built in many places in Heckert are presumably high.
For 25 years ongoing subsidy programmes and other state interventions have set the rhythm of development in the district: first
the Inherited Debt Support Law [Altschuldenhilfegesetz]; then
the east urban restructuring [Stadtumbau Ost]; the introduction
of Hartz IV as a shock from which the neighborhood is yet to
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sind in diesem Rahmen kaum möglich. Seltene Beispiele eines
widerständigen Heckert lassen sich in den Jugend(sub)kulturen der frühen 1990er-Jahre, den Protesten gegen chaotische
Abrissexzesse in Hutholz (2001) und Markersdorf (2009) und
der Imitation der „banlieue-riots“ (2005) wiederfinden. Leider
fanden sich Elemente spontaner Mobilisierung auch bei der
Belagerung eines Kirchenasyls in Markersdorf (2015), bei der
Geflüchtete bedroht und die Kirche sogar angegriffen wurde.
Örtliche Eliten, wie die EntscheidungsträgerInnen in den
Wohnungsgenossenschaften oder bei den im Viertel überaus
aktiven sozialen Trägern wohnen nur im Ausnahmefall selbst
im Heckert. Engagierte Selbsthilfestrukturen im Umfeld der
PDS bzw. Linkspartei, die dort über Jahre die Kümmererpartei
darstellte, mussten aufgrund zurückgehender Wahlerfolge ihre
Aktivitäten im Viertel zurückfahren. Sie haben das Feld freigemacht für die AFD, die freilich überhaupt nicht anwesend
bzw. ansprechbar ist, aber umsomehr gewählt wird. Allein Jörg
Vieweg von der SPD hat es in den letzten Jahren vermocht,
die Kümmererfunktion auf nicht unsympathische Weise einzunehmen. Auch er wohnt nicht einer Platte, doch kommt es
recht glaubhaft rüber, wenn er verbreitet: „Das Heckert fetzt“.
Mit dem Ende der Exodus- und Abrisszeit war der Ideenhaushalt des Heckert-Gebiets zunächst erschöpft. Kleinere Abrissdebatten kamen auch in den Jahren danach immer wieder auf;
ein „Stabilisierungsszenario“ schien der positivste Ausblick
zu sein während unklar blieb, welche Hinzuziehenden die
gewünschte Stabilität bringen könnten. Seit 2015 ist der geisterhafte Schwebezustand und der kontinuierliche Alterungsprozess der Bevölkerung einstweilig beendet. Die Plattenbaugebiete erhalten eine neue Funktion als wohnungspolitische
Reserve. Das zaghafte Wachstum (insbesondere im Stadtteil
Morgenleite) geht dabei auf zumeist junge MigrantInnen
zurück, die aufgrund ihres prekären Status als (geflüchtete)
TransferempfängerInnen und rassistischen Ausschlüssen auf
dem Wohnungsmarkt auf die leicht anmietbaren Wohnungen
des kommunalen und genossenschaftlichen Sektors im Plattenbau angewiesen sind. Anders als in Teilen von Leipzig-Grünau oder Halle-Neustadt lässt sich vom Heckertgebiet jedoch
noch nicht als ein Ankunftsstadtteil sprechen – es gibt noch
genügend Ausweichmöglichkeiten in den innerstädtischen
Quartieren wie z.B. dem Sonneberg. Mit diesen Menschen
kommen neue Vorstellungen des Zusammenlebens und der
Nutzung öffentlichen Raums ins Heckert.
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recover – which, as a response, various forms of neighborhood
management, citizens’ platforms and community coordination
have emerged. All try to solve social problems with communicative resources and participation opportunities, which are locally
unresponsive and hardly operative. Experiences of collective action are barely possible within this framework. Rare examples
of a resistant Heckert can be found in the youth (sub)cultures of
the early 1990s, the protests against chaotic demolition excesses
in Hutholz (2001) and Markersdorf (2009) and the imitation
of the banlieue riots (2005). Unfortunately, elements of spontaneous mobilization were also found in the siege of a church
asylum in Markersdorf (2015), where refugees were threatened
and even the church was attacked.
Only in exceptional cases do the local elites, such as the decision-makers of the housing cooperatives or the very active social
representatives, live in the Heckert itself. Committed self-help
structures in the context of the former PDS (now die Linke),
which had been for years there the party of concern, had to reduce their activities in the neighborhood due to declining electoral success. They have cleared a path for the AFD, which of
course is hardly present or responsive, but is nevertheless elected. Only Jörg Vieweg from the SPD has been able to assume
the role of caretaker in recent years with considerable appeal.
While he also doesn’t live in a prefabricated building, it comes
across quite believably when he spreads the message: “Heckert
tears it up”.
With the end of the exodus and demolition period, the Heckert
area’s idea wheelhouse was initially worn out. Small debates on
demolition continued to arise in the years that followed; a “stabilization scenario” seemed to be the most positive outlook, yet it
remained unclear which consultants could bring the desired stability. Since 2015, the ghostly limbo and continual aging of the
population has been temporarily halted. The Plattenbau areas
are being given a new function as housing policy reserves.The
timid growth (especially in the Morgenleite district) is mostly
due to young migrants who, because of their status as (refugee)
transfer recipients and the racist exclusions of the housing market, are dependent on the easily rented apartments of the municipal and cooperative sectors in the Plattenbau estates. Unlike
in parts of Leipzig-Grünau or Halle-Neustadt, the Heckert area
cannot be described as an arrival district - there are still enough
alternative possibilities in the inner-city quarters such as the
Sonnenberg. With these people, new ideas of communal living
and the utilization of public space are coming to the Heckert.
Während sich damit eine neue Zukunft abzeichnet, vergemeinschaften sich in der facebook-Gruppe „The Heckert Kids“
die ehemaligen Teenager der 1980er und 90er-Jahre. Sie bezeugen damit, dass das Wohngebiet ein symbolisch aufgeladener
Raum von Heterotopien und versunkener Sehnsüchte ist. Die
verlorene Jugend, sie liegt verborgen unterm Beton. Das stille
Trauma dieses Ortes – der Zusammenbruch einer ganzen Gesellschaftsform und die massenhafte Flucht vor den verbliebenen Zeichen davon – stellt auch hier einen blinden Fleck dar.
In den Kommentaren wird lapidar resümiert: „Irgendwann
hatten die Leute keinen Bock mehr auf Platte“.
While a new future is thus beginning to appear on the horizon,
the former teenagers of the 1980s and 1990s are communing in
the Facebook group “The Heckert Kids”. They testify that the residential area is a symbolically charged space of heterotopias and
lost aspirations. The lost youth lie hidden under the concrete.
The silent trauma of this place – the collapse of an entire form of
society and the mass flight from its remaining signs – also represents here a blindspot. As the comments succinctly summarize:
“At some point, people no longer wanted Platte.”
It won’t stay the same. But for this change to occur, the world
around the Platten must once again radically transform.
So, wie es ist, bleibt es nicht. Aber dazu muss sich wohl auch
die Welt rund um die Platten einmal mehr radikal wandeln.
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