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Luděk Galuška, Hledání puvodu. Od avarských bronzu ke zlatu Velké Moravy. (Search for the origin. From Avar bronze items to Gret Moravian gold (Brno 2013)

2015, Zeitschrift fuer Archäologie

Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters Herausgegeben von S. Brather, U. Müller und H. Steuer Jahrgang 43 – 2015 DR. RUDOLF HABELT GMBH · BONN Editorial Board: Anders Andrén, Stockholm Armand Baeriswyl, Bern Mindaugas Berta™ius, Kaunas Jan van Doesburg, Amersfoort Jan Kláp™tì, Prag Anne Nissen-Jaubert, Paris Jerzy Piekalski, Breslau Jussi-Pekka Taavitsainen, Turku Miklós Takács, Budapest Claudia Theune-Vogt, Wien Die wissenschaftlichen Beiträge in der Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters unterliegen dem Peer-Review-Verfahren durch Gutachter aus dem Kreis des Editorial Boards und darüber hinaus. The articles presented in the Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters are subject to the peer review practice by members of the Editorial Board and beyond. ISSN 0340-0824 ISBN 978-3-7749-4038-3 © 2016 by Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn Inhaltsverzeichnis Madeleine C h â t e l e t , Juliette B a u d o u x , Le « Mur païen » du Mont Sainte-Odile en Alsace : un ouvrage du haut Moyen Âge ? L’apport des fouilles archéologiques . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Willi Te g e l , Bernhard M u i g g , Dendrochronologische Datierung der Holzklammern aus der „Heidenmauer“ auf dem Odilienberg (Ottrott, Elsass) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Andreas K r o n z , Volker H i l b e r g , Klaus S i m o n , Karl Hans We d e p o h l †, Glas aus Haithabu . . . . . 39 Birte A h r e n s , Gončigsüren N o m g u u n s ü r e n , Henny P i e z o n k a , Das mittelalterliche Höhlengrab von Cagaan Chad, Mongolei. Eine Kriegerbestattung am nördlichen Rand der Wüste Gobi . . . . . . . . 59 Daniel L a u , Nicole G r u n e r t , Jens S c h u b e r t , Julia P y g o c h , Dennis B r a d k e , Die Sachkultur des Osnabrücker ländlichen Adels im 11. Jahrhundert am Beispiel der Funde aus Bissendorf, Lkr. Osnabrück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 *** Besprechungen und Anzeigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Eveline Saal, Das merowingerzeitliche Gräberfeld von Rhens, Landkreis Mayen-Koblenz. Beiträge zur frühmittelalterlichen Chronologie und Siedlungsgeschichte an Mittelrhein und Mosel (Trier 2014) (H. K e n n e c k e ) Luděk Galuška, Hledání původu. Od avarských bronzů ke zlatu Velké Moravy [Search for the origin. From Avar bronze items to Great Moravian gold] (Brno 2013) (H. C h o r v á t o v á ) Das lange 10. Jahrhundert. Struktureller Wandel zwischen Zentralisierung und Fragmentierung, äußerem Druck und innerer Krise, hrsg. Christine Alexandra Kleinjung/Stefan Albrecht (Mainz 2014) (M. C. Blaich) Werla 1. Die Königspfalz. Ihre Geschichte und die Ausgrabungen 1875–1964, hrsg. Markus C. Blaich/ Michael Geschwinde (Mainz 2015) (S. R i s t o w ) Eike Henning Michl, Castellum, Curia, Palatium?! Die mittelalterliche Besiedlungsgeschichte eines mainfränkischen Zentralortes auf dem Kapellberg bei Gerolzhofen (Bonn 2015) (S. B r a t h e r ) Martin Straßburger, Montanarchäologie und Wirtschaftsgeschichte des Bergbaus im Schauinsland vom 13. Jahrhundert bis um 1800 (Bonn 2015) (A. H a a s i s - B e r n e r ) Ta g u n g s b e r i c h t e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Bericht über die Tagung „Warlords oder Amtsträger. Herausragende Bestattungen der späten Merowingerzeit“, Nürnberg 2013 (S. C o d r e a n u -W i n d a u e r ) Bericht über die Tagung „Archäologie, Geschichte und Biowissenschaften. Interdisziplinäre Perspektiven“, Freiburg 2015 (M. S u m m e r ) Anschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 V VI schrittenen 8. Jahrhundert mit Objektformen der Stufe JM II zu rechnen ist. Das Frauengrab 46 kann aufgrund seiner Beigaben – dünnwandig, oxidierend und ziemlich hart gebrannter Knickwandtopf, gleicharmige Bügelfibel, ein Paar sehr große Ohrringe, acht Perlen einer Halskette, fünf weitere Perlen, Silber- und Bronzedrahtfragment – von vornherein in die frühe zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts (Phase 11/K Ia) datiert werden. Eine kleine linsenförmig gewickelte Perle sowie Perlen in den kalten Farben blau, schwarz und grün gehören in die Gruppen J (725–750) oder K (750–775) nach U. Koch/E. Stauch. Die silberne gleicharmige Bügelfibel vom Typ Kottenheim, eine Form, die erstmals im Horizont JM III auftritt, steht, so Verf., mit ihren runden Armen und verkümmertem Bügel gestalterisch in der Nähe der Fibeln des Typs Mellnau, der auch in der Stufe K Ia vorkommt. Und schließlich gehören, ausgehend von der für das Rhenser Gräberfeld herausgestellten Ohrringtypologie, auch die Ohrringe von 9 cm Durchmesser mit Drahtumwicklung, doppelkonischen Goldblechperlen und S-Schleifenverschluss in die Stufe K Ia. Das Grab 17 schließlich weicht mit seiner strikten Ost-West-Ausrichtung von den übrigen von Nordost nach Südwest ausgerichteten Gräbern ab und wird auf Grund dessen von Verf. zum wahrscheinlich jüngsten Grab der Nekropole erklärt. Es enthielt einen beutelförmigen dünnwandigen Keramikbecher mit linsenförmigem Boden der Phase 11/K Ia und überlagert ein Grab, das wegen einer eisernen Gürtelschnalle mit zungenförmigem Laschenbeschlag der Phase 8/JM IIa zuzuweisen ist. Nach ihren Überlegungen untersucht E. Saal am Schluss ihrer Dissertation noch die Lebensgrundlagen sowie die kulturelle und religiöse Zugehörigkeit der bestatteten Menschen. Ihrer Ansicht nach lebten sie in erster Linie von der Landwirtschaft, für die das im Engtal des oberen Mittelrheins herrschende milde Klima sowie die dortigen guten Böden optimale Bedingungen boten. Die Verwitterungsböden von Schiefer- und Grauwacke in den siedlungsfreien Hanglagen begünstigten zudem den Weinbau. Auch Fischfang würde wegen der Rheinnähe als Wirtschaftsfaktor in Frage kommen. Hinter den Personen in den reich ausgestatteten Gräbern könnten sich, in Anlehnung an die Thesen Volker Grünewalds, Mitglieder eines angesehenen Verwandtschaftsverbandes verbergen. Als Bauern oder Handwerker, die Überschüsse produzierten, hätten sie sich Dinge von Wert leisten können. Der Mann, der in seinem Beutel zwei Sceattas bei sich trug, könnte darüber hinaus im friesisch dominierten Rheinhandel involviert gewesen sein, wobei als wahrscheinlichstes Handelsgut der in der Mittelrheinregion erzeugte Wein in Frage kommt. Einen Warenumschlagplatz vermutet Saal im nahegelegenen Koblenz oder Boppard. Auf jeden Fall sollte von einem Kontakt zwischen den weinerzeugenden Bauern und den durchfahrenden Händlern ausgegangen werden. Eveline Saal überlegt zudem, ob die Rhenser nicht den Treidelpfad kontrolliert, instandgehalten und den Reisenden Hand- und Spanndienste angeboten haben könnten. Dass den Männern in der Regel ihre Waffen beigegeben wurden, lässt außerdem darauf schließen, dass sie in einem Gefolgschaftssystem organisiert waren. Insgesamt wäre der Lebensstandard der Rhenser Siedlungsgemeinschaft als bäuerlich-wohlhabend zu beschreiben. Das auf vielen Gräberfeldern zu verzeichnende Verschwinden der Beigaben im 8. Jahrhundert wird im Allgemeinen auf den zunehmenden kirchlichen Einfluss zurückgeführt. In Rhens hingegen blieb man jedoch bei Grabausstattungen, woraus die Autorin auf traditionelle Rituale und Jenseitsvorstellungen schließt. Die kirchliche Organisation scheint weniger straff gewesen zu sein, was die ‚synkretistische‘ Welt der Mitglieder der Bestattungsgemeinschaft befördert haben soll. Dieser Argumentation muss man nicht unbedingt folgen. Nicht auszuschließen ist, dass die Rhenser Christen waren und in ihrem Tun nichts Unchristliches erblickten. Eine von einer Frau getragene Kreuzfibel könnte ein Zeugnis des praktizierten Glaubens sein. Auch darf an die verstärkte Rückbelegung am Ausgangspunkt der Nekropole erinnert werden. Vielleicht stand dort schon in merowingischer Zeit eine Kirche, die archäologisch allerdings nicht nachgewiesen ist. Letztendlich lässt sich an archäologischen Quellen allein nicht ablesen, welchen Jenseitsvorstellungen die Menschen anhingen. In ihnen können sich vorchristliche Vorstellungen von einer Existenz nach dem Tod ebenso wie alte Verhaltensmuster im Rahmen christlicher Bestattungen widerspiegeln. Unentschieden musste Saal in der Frage bleiben, welchem Ethnos die Mitglieder der Bestattungsgemeinschaft angehörten. E. Saal hat mit ihrer Dissertation einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis der Merowinger- und beginnenden Karolingerzeit im Moselmündungsgebiet geleistet. Berlin Heike Kennecke Luděk Galuška, Hledání původu. Od avarských bronzů ke zlatu Velké Moravy [Search for the origin. From Avar bronze items to Great Moravian gold] (Brno 2013). ISBN 978-80-7028386-8. 280 Seiten, 230 Abbildungen. Vom Gebiet Südmährens und seiner Nachbarregionen (Böhmen, Südwestslowakei und Westungarn) stammt ein bemerkenswertes Schmuckensemble, das sich aus wertvollen goldenen und silbernen Ohrringen sowie Kugelanhängern (sog. „Gombíky“) zusammensetzt. Dieser Schmuck wird in der archäologischen Literatur als „Veligrader Schmuck“ bezeichnet. Der Name „Veligrad“ wurde zwar in schriftlichen Quellen erwähnt, aber die Historiker konnten ihn bisher nicht genauer lokalisieren. Die spätere Tradition schrieb diesen Namen dem Dorf Velehrad zu, welches ungefähr 5 km von Staré Město entfernt liegt, das heute einen Teil der Stadt Uherské Hradiště bildet. Zum „Veligrader Schmuck“ sind bis heute keine Analogien aus anderen Gebieten Europas (außer von einigen Fundorten im Gebiet von Zalavar in Westungarn1) bekannt geworden, sodass die Frage seines Ursprunges stets offen blieb. Seit dem Erscheinen der Publikation von Vilém Hrubý „Staré Město. Na valách“2, in der die bis heute umfangreichste Kollektion dieses Schmuckes veröffentlicht wurde, zieht dieser das ungebrochene Interesse der Fachwelt auf sich. Die relativchronologische Abfolge des Schmuckes beschäftigt – ebenso wie die Frage nach seiner absoluten Datierung und diejenige nach seinem Ursprung – die Fachleute nun schon einige Jahrzehnte. Die ursprüngliche Datierung dieser Fundgruppe von Hrubý in das letzte Drittel des 9. und die erste Hälfte des 10. Jahrhunderts wurde unter dem Einfluss neuer archäologischer Erkenntnisse aus den Nachbarländern3 zu Beginn der 1990er Jahre von 1 Béla Miklós Szőke, Mosaburg/Zalavár und Pannonien in der Karolingerzeit. Antaeus 31–32, 2010, 9–52. 2 Vilém Hrubý, Staré Město. Velkomoravské pohřebiště „Na valách“ (Praha 1955). 3 Erik Szameit, Anmerkungen zur Chronologie des 8.–9. Jahrhunderts im Ostalpenraum. Zalai Múzeum 3, 1991, 73–79; ders., Zur chronologischen Stellung des frühmittelalterlichen Gräberfeldes von Sieghartskirchen, Niederösterreich, und die 161 Bořivoj Dostál in die zweite Hälfte des 9. und den Beginn des 10. Jahrhunderts verschoben.4 Neue Impulse für eine breite Diskussion zur absoluten Datierung des Schmucks gingen von drei grundlegenden Studien zur Datierung des „Veligrader Schmucks“ aus. In einer ersten Arbeit stellte Tatiana Štefanovičová einige Schmuckformen bereits in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts.5 Die zweite Studie stammt von der Verfasserin dieser Zeilen. Sie wies darin auf die Widersprüche in der relativen Chronologie des Gräberfeldes „Na valách“ in Staré Město hin.6 Die dritte wichtige Untersuchung zur laufenden Debatte um die Datierung des Veligrader Schmucks ist ein Text Šimon Ungermans, der sich, ausgehend von neuen Erkenntnissen zur relativen Chronologie des Gräberfelds in Staré Město, um die Herausarbeitung eines Horizontes mit älterem Frauenschmuck bemühte, den er als „großmährisch“ bezeichnet. Ähnlich wie Štefanovičová datierte er einen bedeutenden Teil des wertvollen Frauenschmucks („Veligrader Schmuck“) schon an den Beginn des 9. Jahrhunderts.7 Die aufgeführten neuen Fragestellungen bildeten ebenso wie interessante Neufunde des letzten Jahrzehnts den wesentlichen Anstoß für Luděk Galuška, das nachfolgend rezensierte Buch zu verfassen. In der Publikation bemühte er sich, die Ergebnisse seiner Forschungen zusammenzufassen und seine Ansicht zu den chronologischen Fragen der materiellen Kultur Großmährens – und namentlich zur Datierung des „Veligrader Schmucks“ und seines Ursprungs – vorzustellen. Die Erkenntnisse zur relativen Chronologie auf dem Gräberfeld „Na valách“ in Staré Město und die aus ihnen resultierenden Veränderungen in der Datierung des Schmucks und weiterer Fundgegenstände sind so wesentlich, dass Verf. es für wichtig erachtet, Datierungsprobleme für das erwähnte Gräberfeld in der Publikation von Hrubý und deren Auswirkung auf die relative Chronologie des Friedhofes näher zu erläutern. Die nachfolgende Rezension ist in zwei Teile gegliedert. Zunächst werden Galuškas Ansichten zur Datierung einiger Artefakte vorgestellt, wie er sie in seinem Buch formuliert hat. Im zweiten Teil geht es detailliert um die hauptsächlichen Widersprüche in der Datierung des Gräberfeldes Na valách“ in Staré Město und einen Vergleich mit den Schlussfolgerungen Galuškas. * Galuška unterteilte sein Buch in zwei relativ selbständige Teile, denen er eine eindeutige zeitliche Aufeinanderfolge zugrunde legte. Der erste Teil heißt „Über Gussbronzen in Mähren in der Zeit vor dem Aufstieg des Großmährischen Staates“, und Grabfunde aus Proleb, Steiermark. In: Awarenforschungen 2, hrsg. Falko Daim (Wien 1992) 803–839; Robert Müller, Neue Ausgrabungen in der Nähe von Zalavár. In: Interaktionen der mitteleuropäischen Slawen und anderen Ethnika im 6.–10. Jahrhundert, hrsg. Peter Šalkovský (Nitra 1984) 185–188. 4 Bořivoj Dostál, Několik poznámek k objevu prvních velkomoravských kostelů ve Starém Městě. In: Staroměstská výročí (Brno 1990) 35–42; ders., Zur Datierungsfrage des grossmährischen Schmucks. Zalai múzeum 3, 1991, 81–87. 5 Tatiana Štefanovičová, K vývoju šperku adriatickej a stredodunajskej oblasti v prvej polovici 9. storočia. In: Zborník na počesť Dariny Bialekovej, ed. Gabriel Fusek (Nitra 2004) 389–395. 6 Hana Chorvátová, K relatívnej chronológii pohrebiska Staré Město v polohe „Na valách“. Acta historica neosoliensia 7, 2004, 199–235. 7 Šimon Ungerman, Ženský šperk staršího velkomoravského horizontu. Archeologické rozhledy 57, 2005, 707–749, hier 740. 162 der Autor wendet sich darin dem Auftreten awarischer Bronzegusserzeugnisse in Siedlungen und Gräberfeldern zu. Der zweite Teil trägt den Titel „Vom Gold Großmährens“ und konzentriert sich auf die Präsentation des Befundes einer Schmuckwerkstatt in der Flur „Na Dvorku“, die sich unweit des Friedhofes „Na valách“ fand. Außerdem berührt er in diesem Kapitel die Datierung des Gold- und Silberschmucks auf südmährischen Gräberfeldern. Gleichzeitig formulierte Galuška an dieser Stelle eine neue Ansicht zur Datierung des „Veligrader Schmucks“. Galuška erklärt dem Leser im ersten Kapitel, welche Gegenstände sich unter dem Begriff „Gussbronzen“, mit dem er in seinem Buch operiert, verbergen. Danach geht es um „Metallbestandteile von fürstlichen Gürteln sowie von Pferdegeschirr, beide sogenannten awarischen Charakters“, und unter die Gussbronzen reiht Galuška auch die Hakensporen ein. Diese gehören freilich nicht ins awarische Kulturmilieu. Den Sporen, die auf dem Marienplatz in Uherské Hradiště entdeckt wurden, widmet Galuška besondere Aufmerksamkeit. Die drei Hakensporen erregten schon zur Zeit ihrer Entdeckung in den 1980er Jahren das Interesse der Forscher. Sie wurden auf „um 700“ datiert, und nach Ansicht mehrerer Archäologen waren sie Erzeugnisse der lokalen Werkstatt, die die örtliche Bevölkerung mit verschiedenen Bronzeobjekten versorgte (S. 28). Galuška stimmt weder der Datierung noch der Interpretation zu. Ihm zufolge ist die Befundsituation auf dem Marienplatz nicht so überzeugend, als dass man das Ganze als Werkstatt interpretieren könne. Seiner Ansicht nach fehlen gerade Belege für eine Metallverarbeitung (Überreste von Schmelzeinrichtungen, Tiegel). Mit Hinblick auf die Tatsache, dass es sich um beschädigte Sporenexemplare handelt, hätten sie nach Ansicht Galuškas zum Zeitpunkt ihrer Niederlegung bereits ihre primäre Funktion und ihre Eigenschaft als Elitensymbol verloren (S. 24). Für die absolute Datierung ihrer Deponierung in den Boden erwägt Galuška erst das Ende des 8. und den Beginn des 9. Jahrhunderts (S. 25). Seine Überlegungen stützt er auf das vergesellschaftete Keramikinventar. Ähnlich datiert er auch die Metallgürtelerzeugnisse, welche vom gleichen Fundplatz stammen. In weiteren Unterkapiteln stellt der Autor Funde von Gussbronzen, namentlich Gürtel aus Siedlungsobjekten und Gräbern von weiteren südmährischen Fundplätzen, vor. Nach und nach präsentiert er Funde aus den Siedlungen von Mikulčice, Olomouc „Povel“, Brno-Líšeň „Staré Zámky“, dem Burgwall Černov bei Ježkovice und dem Burgwall des Hl. Hypolit in Znojmo. Alle Funde datiert Galuška ähnlich wie diejenigen vom Marienplatz in Uherské Hradiště von der zweiten Hälfte des 8. bis an den Beginn des 9. Jahrhunderts. Den Funden awarischer Gussbronzen aus Gräbern von sechs Fundplätzen – Mikulčice, Mutěnice, Břeclav-Pohansko, Modrá bei Velehrad, Staré Město „Na valách“, Dolní Dunajovice, Hevlín und Hluk – widmet Galuška besondere Aufmerksamkeit. Er stellt die Artefakte, ihren Fundkontext im Grab sowie ihre absolute Datierung vor. Die Funde awarischer Gussbronzen aus Grab 108 bei der zweiten Mikulčicer Kirche und aus Grab 821 bei der sogenannten 11. Kirche datiert Galuška gleichermaßen erst in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts, und er interpretiert sie als „Archaika“. Einen ähnlichen Schluss zieht er auch im Falle des Anhängers aus Grab 17, welches sich im Areal des alten Brandgräberfeldes auf dem Burgwall Břeclav-Pohansko befand. Aus Mutěnice stammt ein Hakensporn, den er vom Übergang des 8./9. bis ins erste Drittel des 9. Jahrhunderts datiert. Die übrigen Funde awarischer Gussbronzen aus Staré Město „Na valách“, Gräber 291/ AZ und 307/AZ, und aus Modra bei Velehrad, Grab 22, datiert er um 800, und im Unterschied zu den bislang erwähnten Funden hält er sie für „Bestandteile funktionstüchtiger Gürtel“ (S. 70). Ihre Träger gehörten nach Galuška zur höchsten Schicht der „altslawischen“ Gesellschaft (S. 97). Er schließt nicht aus, dass sie erst im ersten Drittel des 9. Jahrhunderts bestattet wurden, als nach seiner Auffassung auch die Männer mit Sporen vom Typ Biskupija-Crkvina beerdigt wurden. Galuška macht auf die wichtige Tatsache aufmerksam, dass in diesen Gräbern ausschließlich einzelne Stücke der Gürtel auftreten. Bisher fehlt eine komplette Gürtelgarnitur. Vom Gebiet Südmährens stammt nur eine aus Grab 7 von Dolní Dunajovice. Galuška bemerkt, dass der gesamte Friedhof unter dem direkten Einfluss des Awarischen Khaganats stand, und er datiert ihn ins 8. Jahrhundert. Kurz widmet er sich den Depots, die Gussbronzen enthalten. Bei deren Datierung neigt er wiederum dem Zeitraum um 800 zu; die Depots haben für ihn kultischen Charakter, und er interpretiert die in ihnen enthaltenen Fundobjekte als Votivgaben (S. 77, 84). Am Schluss des Kapitels bewertet Galuška das Auftreten der Gussbronzen und Hakensporen als „wichtigen Teil der frühmittelalterlichen Sachkultur Mährens in der zweiten Hälfte des 8. und zu Beginn des 9. Jahrhunderts“. Seiner Auffassung nach ist es unzweifelhaft, dass diese mit einer bestehenden gesellschaftlichen Oberschicht verbunden sind; sie etablierte sich gerade in dieser Zeit und mündete in den Aufstieg des mährischen Fürstentums, das durch besonderen Gold- und Silberschmuck – eben demjenigen vom Typ Veligrad – repräsentiert wird. * Im zweiten Teil „Über das Gold Großmährens“ konzentriert sich Galuška ausschließlich auf denjenigen Schmuck, der von verschiedenen Autoren als „Veligrader Schmuck“ bezeichnet wird, wobei er sich bemüht, alle Fragen zu berühren, die im Zusammenhang mit ihm auftauchen – namentlich diejenigen zur absoluten Datierung und zu seinem Ursprung. Im ersten Unterkapitel bringt der Verf. dem Leser die Entwicklung der Auffassungen zur Datierung des Veligrader Schmucks näher, was im Fall des erwähnten Schmucks sehr wichtig ist, um die deutlichen Revisionen seiner Datierung in den letzten Jahrzehnten zu verstehen. Diese Änderungen reflektieren eindeutig das schrittweise Anwachsen und die Vertiefung der archäologischen Erkenntnisse im Verlauf des 20. Jahrhunderts. Der Autor widmet sich ausführlich der lange tradierten Ansicht über die chronologische Nähe des „jüngerburgwallzeitlichen“ zum „Veligrader Schmuck“ auf der Grundlage des Gräberfeldes von Předmostí bei Přerov. Er hebt die Ablehnung Dostáls hervor, diese Schmuckgruppen miteinander zu verbinden, und gelangt eindeutig zu dem Schluss, dass es sich um eine Vermischung zweier Gräberfelder (S.105) handelt. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass Jan Eisner diese Ansicht bereits im Jahre 1956 in der Rezension des Buchs von Hrubý vertrat. Er führte dort wörtlich aus: „wenigstens eine Sache sollte man schon aus unserer Diskussion ausscheiden, nämlich die Verbindung von Denkmalen aus zwei zeitlich voneinander entfernten Gräberfeldern“.8 Es ist schade, dass seine grundsätzliche Beobachtung damals unbemerkt blieb. Im zweiten und umfangreichsten Unterkapitel widmet sich der Autor den bemerkenswerten Funden aus der Flur „Na Dvorku“. Die Fläche wurde von Galuška in den Jahren 1988–2002 und erneut 2009 untersucht. Dabei gelang es ihm, 54 Siedlungsbefunde, 107 Gräber und außerdem Teile des Befestigungsgrabens sowie des Walles aufzudecken. Den archäologischen Funden 8 Jan Eisner, Rez. zu Hrubý 1955. Památky archeologické 47/1, 1956, 187–189, hier 188. zufolge war die Fläche im Frühmittelalter (Getreidegruben, Grubenhäuser) und im Hochmittelalter (Gebäudefundamente, Keramiköfen) intensiv besiedelt. Die Ausgrabungen erbrachten auch Dendrodaten. Die mächtigen Pfosten im Wall wurden auf der Grundlage der Dendroanalysen in das letzte Drittel des 10. Jahrhunderts datiert (S. 110). Sein Hauptaugenmerk richtet Galuška auf das Objekt XIII/98–09. Es wurde in zwei Etappen 1998 und 2009 untersucht. Im Bereich des untersuchten Befunds wurden Spuren einer Feuerstelle festgestellt. Sehr wichtig sind die Funde, die sich in seiner Verfüllung befanden. Außer viel Keramik fanden sich mehrere Artefakte, die das Inventar einer Schmuckwerkstatt gebildet haben könnten: z. B. geschnittene Blechstücke, Anhäufungen von Drähten und kleinen Blechen, die aus gegossenem Gold, Silber und Kupfer bestanden, eine Geweihunterlage mit Grübchen zur Herstellung von Kugeln sowie Tiegel. Der Autor unterzog die Tiegel und weitere keramische Reste einer chemischen Analyse, die eindeutig Spuren des Edelmetallgusses zeigte, wobei in einigen Fragmenten bemerkenswert hohe Anteile von Gold und Silber auftraten. Galuška interpretiert das Objekt, ausgehend von den Ergebnissen der Analyse der Keramikfunde und dem Gesamtkontext, als Schmuckwerkstatt (S. 165). Auf der Grundlage der Keramikfunde und der Fundumstände setzt Galuška voraus, dass die Schmuckwerkstatt ihre Tätigkeit bereits um 800 begann, eventuell jedoch erst im 1. Drittel des 9. Jahrhunderts (S. 170), und diese dann im Verlauf der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts (S. 174) voll entfaltete. Er nimmt weiter an, dass in ihr viele der Ohrringe und Kugelanhänger hergestellt wurden, die sich auf dem nahegelegenen Gräberfeld „Na valách“ fanden. Außer dem keramischen Material aus dem eigentlichen Befund stützt sich Galuška auf Grab 3/95. Dieses hat seiner Ansicht nach große Bedeutung für die Chronologie des Objektes XIII/98– 09 (S. 172). Das besagte Grab ist Bestandteil einer kleinen Gruppe von elf Gräbern, die nach Auffassung des Autors den Südrand des Gräberfeldes auf der Flur „Na valách“ bilden. Die Gräber enthielten leider keine datierbaren Funde, allerdings waren drei von ihnen in die Verfüllung mehrerer Siedlungsobjekte eingetieft. Der Autor setzt voraus, dass der Friedhof auf dem erwähnten Platz erst nach der Auflassung der Werkstatt und der übrigen Siedlungsobjekte (S. 173) erweitert wurde. Alle aufgefundenen Siedlungsobjekte datiert er wie auch die übrigen ins 9. Jahrhundert. Es ist angebracht, in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass auf dem nicht weit entfernten Gräberfeld „Na valách“ bei der Untersuchung durch Hrubý eine andere Situation beobachtet wurde. Im südlichsten Sektor 9/H dokumentierte Hrubý eine Störung der Gräber durch einige jüngere Siedlungsobjekte – z. B. überdeckte Objekt IV/50 die Gräber 175/50 und 176/50, die Feuerstelle VI/50 die Gräber 177/50 und 181/50, Objekt V/50 störte Grab 178/50.9 Im dritten Unterkapitel widmet sich Galuška dem Schmuck, seiner Datierung und seinem Ursprung. Zunächst stellt er dem Leser die einzelnen Arten von Ohrringen und Kugelanhängern vor, welche in der tschechischen und slowakischen Literatur als „Gombíky“ bezeichnet werden, obwohl es wenig wahrscheinlich ist, dass diese als „Knöpfe“ dienten (was der Name suggeriert). Galuška konzentriert sich auf die Datierung der reichen Gräber mit Schmuck vom Friedhof „Na valách“. Kurz erörtert er die mögliche Existenz „vorgroßmährischen“ Schmucks auf dem Gräberfeld. Er bewertet einige Ornamente und äußert sich dann sehr skeptisch zum „vorgroßmährischen“ Schmuck (S. 218). Sein Hauptaugenmerk richtet sich auf die Chronologie des „Veligrader Schmucks“, die eng mit der Belegungsabfolge auf dem eigentlichen Friedhof verbunden ist. Seiner Meinung 9 Hrubý (Anm. 2), 44–45. 163 nach können auf dem Gräberfeld zwei Bestattungsphasen unterschieden werden. Die Zäsur zwischen den Phasen bildet die Errichtung eines Sakralbaues auf dem Friedhof. Zur Errichtung der Kirche kam es nach Galuška irgendwann in der Mitte des 9. Jahrhunderts (S. 205). Er erwägt als Unterscheidungskriterium für die älteren und jüngeren Gräber ähnlich wie Hrubý die Anwesenheit von Mörtel vom Kirchenbau in der Aufschüttung der Gräber (S. 209–210). Ausgehend von diesem Kriterium ordnet er folgende Gräber der älteren Belegungsphase zu: 25/48, 12/59, 33/48, 282/49, 193/51, 196/51, 145/51, 151/50, 268/49, 106/AZ und 167/51 (S. 223–241), die er in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts datiert (S. 241). In die jüngere Phase stellt er folgende Gräber: 24/48, 26/48, 317/49, 251/49, 253/49, 14/50, 323/49 (S. 242–249), und er datiert diese in die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts. Den zahlreichen weiteren reichen Gräbern auf dem Friedhof schenkt der Autor keine Beachtung. Er berücksichtigt auch die reichen Gräber mit prachtvollem Frauenschmuck von den übrigen Gräberfeldern nicht. Mit Blick auf die aktuelle Schmuckchronologie und auf vorhergehende Arbeiten Galuškas10, in denen er eine Datierung in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts ausschloss (mit Ausnahme von Grab 299/4911), können wir seine Schlussfolgerungen als deutliche Meinungsänderung hinsichtlich der Datierung einiger Gräber auffassen. * Oben wurde angedeutet, dass Motiv des Autors, dieses Buch zu schreiben, ein Aufsatz war, in dem auf die Widersprüche bei der Datierung des Gräberfeldes in Staré Město hingewiesen wurde. In seinem Buch reagiert Galuška darauf und äußert sich vor allem zum Problem des Mörtels in den Grabverfüllungen. Deshalb ist es wichtig, dieses Problem ausführlicher darzustellen und zu seiner Klärung beizutragen. Die besagten Widersprüche wurden bereits ausführlich analysiert.12 Funde aus Staré Město „Na valách“ waren bereits lange Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg bekannt, aber erst seit 1948 wurden systematische Ausgrabungen durchgeführt. Schon die erste Kampagne erbrachte bedeutsame Funde, vor allem eine Gruppe von Gräbern (22/48 bis 26/48) mit ungeheuer reichem Goldschmuckinventar. Im folgendem Jahr wurden Fundamentreste einer Kirche entdeckt – damals der erste Befund eines gemauerten Kirchengebäudes auf dem Gebiet der Tschechoslowakei, dazu weitere Gräber mit einem sehr reichen Inventar an Ohrringen und Kugelanhängern. Die prachtvolleren Ohrringe und Kugelanhänger wurden seinerzeit an das Ende des 9. Jahrhunderts13 bis zum 11. Jahrhundert14 datiert. Hrubý stand vor der kompli- Luděk Galuška, Uherské Hradiště-Sady. Křesťanské centrum říše velkomoravské (Brno 1996). 11 Ludek Galuška, To the possibility of moving the dating of the material culture on the basis of the study of the graves from Staré Město and Uherské Hradiště-Sady, In: Ethnische und kulturelle Verhältnisse an der mittleren Donau vom 6. bis zum 11. Jahrhundert, hrsg. Darina Bialeková/Jozef Zábojník (Bratislava 1996) 267–279. 12 Chorvátová, K relatívnej chronológii (Anm. 6). 13 Lubor Niederle, Příspěvky k vývoji byzantských šperků ze IV–X století (Praha 1930). 14 Josef Schránil, Několik příspěvků k poznání kulturních proudů v zemích českých v X. a XI. věku, Obzor prehistorický, Niederlův sborník 4, 1925, 160–193. 10 164 zierten Aufgabe, nicht nur diese neue Schmuckgruppe, sondern auch die Fundamentreste der Kirche zu datieren. Auf Grund der damaligen Kenntnisse nahm er an, dass die Kirche um die Mitte des 9. Jahrhunderts, kurz vor der Ankunft Konstantins und Metods (863), erbaut worden waren. Der Bau der Kirche teilte nach Hrubýs Meinung das Gräberfeld in zwei Etappen, und zwar in eine ältere heidnische – diese Gräber wurden vor der Errichtung der Kirche angelegt – und in eine jüngere christliche, zu der die reichsten Gräber gehören. In der Verfüllung mehrerer Gräber entdeckte man Stücke von Mörtel und Reste von Baumaterial, die Hrubý der aufgefundenen Kirche zuwies. Zugleich setzte er voraus, dass die Baufragmente erst nach der Zerstörung der Kirche nach 906 in die Gräber gelangten.15 Hrubý dachte nicht weiter darüber nach, dass der Mörtel auch zu anderen Zeiten in die Gräber gekommen sein könnte, z. B. bei Errichtung oder Umbau der Kirche, was er immerhin kurz einräumte, aber nicht weiter beachtete.16 Mörtelreste befanden sich in mehreren Gräbern mit prachtvollem Schmuck, was Hrubý veranlasste, diesen Schmuck wie auch das ganze Gräberfeld in die erste Hälfte des 10. Jahrhunderts zu datieren. Die Chronologie des Gräberfeldes war Ausgangspunkt für weitere Arbeiten. Leider bemerkte Hrubý die wichtige stratigraphische Situation auf dem Gräberfeld nicht, welche ihn hätte darauf hinweisen müssen, dass der Mörtel kein geeignetes chronologisches Mittel ist. Fast fünfzig Jahre später machten einige stratigraphische Konstellationen auf Widersprüche in der relativen Chronologie des Schmucks aufmerksam.17 So geschah es, dass nach Hrubýs Chronologie einige Gräber, die stratigraphisch tiefer angelegt waren, in die ältere Phase datiert wurden, obwohl sie in die jüngere Phase gehören. Ganz eindeutig stellt sich diese Situation bei den Gräbern 279/49 und 282/49 dar. Bei Grab 279/49 reicht Hrubýs Beschreibung zufolge die untere Extremität in Grab 282/49.18 Grab 279/49 datiert Hrubý in das letzte Drittel des 9. Jahrhunderts19 und Grab 282/49 in die erste Hälfte des 10. Jahrhunderts.20 Der Mörtel hatte nicht nur einen negativen Einfluss auf die Datierung des Schmucks, sondern ebenso auf die Chronologie der Sporen und damit auch auf die Entstehung des Konzepts des sog. Blatnica-Mikulčice-Horizonts21, für den bereits der Nachweis eines widersprüchlichen Ausgangspunktes gelang.22 Die unrichtige relative Chronologie beeinflusst die Datierung der gesamten materiellen Kultur nicht nur in der tschechischen und slowakischen, sondern auch in der österreichischen23, ungarischen24 und deut- Hrubý (Anm. 2), 287. Hrubý (Anm. 2), 287. 17 Chorvátová, K relatívnej chronológii (Anm. 6), 216–221. 18 Hrubý (Anm. 2), 455, Taf. 14,1. 19 Hrubý (Anm. 2), 276. 20 Hrubý (Anm. 2), 213, 241, 243. 21 Josef Poulík, Výsledky výzkumu na velkomoravském hradišti „Valy“ u Mikulčic. Památky archeologické 48, 1957, 241–388; ders., Dvě velkomoravské rotundy v Mikulčicích (Praha 1963). 22 Chorvátová, K relatívnej chronológii (Anm. 6), 228; Šimon Ungerman, Tzv. blatnicko-mikulčický horizont a jeho vliv na chronológii raného středověku. In: Karolínska kultúra a Slovensko, ed. Vladimír Turčan. Zborník slovenského národného múzea Archeológia, Supplementum 4 (Bratislava 2011) 135–151. 23 Herwig Friesinger, Studien zur Archäologie der Slawen in Niederösterreich. Mitteilungen der Prähistorischen Kommission XV–XVI (Wien 1971–1974). 24 Agnes Cs. Sós, Die slawische Bevölkerung Westungarns im 9. Jahrhundert. Münchner Beiträge zu Vor- und Frühgeschichte 22 (München 1973). 15 16 schen Archäologie.25 Bis heute stoßen wir auf daraus resultierende Probleme. Galuška hält in seinen Überlegungen zur Schmuckdatierung am Mörtel als wichtigem chronologischen Anzeiger fest. Im Unterschied zu Hrubýs Meinung erwägt Galuška die Möglichkeit, dass der Mörtel schon während des Kirchenaufbaus in die Gräber gelangt ist. Die Gräber mit Mörtel gehören demnach der jüngeren Phase des Gräberfelds an (S. 243–249). Die Bedeutung des Mörtels als wichtiges Datierungsmittel dokumentiert Galuška an der Gräbergruppe 24/48, 25/48 und 26/48. Der Autor stellt folgende relativ-chronologische Entwicklung auf: Grab 25/48 ist das älteste Grab der Gruppe. Später, während der Existenz der Kirche, wurde eine junge Frau in Grab 26/48 beerdigt und zuletzt eine 60jährige Frau in Grab 24/48 (S. 213). Der Bewertung des Grabes 24/48 als relativ jüngstes kann man zustimmen. Aus der archäologischen Situation wird jedoch die zeitliche Beziehung zwischen den Gräbern 25/48 und 26/48 nicht ersichtlich; wir können nur konstatieren, dass beide älter als Grab 24/48 sind. Galuška äußert sich nicht nur zur relativen, sondern auch zur absoluten Datierung. Nach seiner Meinung wurde Grab 25/48 im Verlauf der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts angelegt, Grab 26/48 zu Beginn der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts und schließlich Grab 24/48 in den 860er und 870er Jahren (S. 215). Die von Galuška angeführte Gräbergruppe ist freilich aus einem größeren Fundkontext herausgerissen. Diese Gräbergruppe befindet sich im Sektor 8/D, an dem man die sehr komplizierte Fundsituation auf dem Gräberfeld aufzeigen kann. Nicht nur im Sektor 8/D, sondern auch in weiteren Sektoren in unmittelbarer Nähe des Fundamentes des Sakralbaues (7/D und 8/E), und sogar weiter von der Kirche entfernt, an der Grenze der Sektoren 2–3/C, kann man zwei Bestattungshorizonte – einen älteren und einen jüngeren beobachten, wobei die jüngeren Gräber sehr oft in die älteren Gräbern eingetieft waren bzw. diese überschneiden.26 Leider existiert bis heute keine bessere Dokumentation als der Teilplan aus der Publikation von J. Poulík27 sowie Hrubýs Plan 3. Bedauerlicherweise enthält auch die hier rezensierte Arbeit keinen neuen ausführlicheren Plan oder eine Dokumentation des Gräberfeldes. Auf der Grundlage der Arbeit von Poulík nebst Plan und dem Verfolgen der Grabtiefen in Sektor 8/D ist es möglich, die Gräber 24/48, 25/48 und 26/48 der jüngeren Etappe des Gräberfeldes zuzuordnen.28 In Zukunft wird es notwendig sein, den Fundbericht des Gräberfeldes herauszugeben, um fragliche Fundsituationen zu klären. So behauptet Galuška, dass das reichste Grab 282/49 sekundär geöffnet wurde (S. 226). Aus der Beschreibung Hrubýs geht das jedoch nicht hervor.29 Wichtig sind auch Hrubýs Informationen30, wonach keines der Gräber Anzeichen für eine sekundäre Öffnung aufweist. Hrubý meint, dass es sich in diesem Fall um eine Bestattung in abweichender (sitzender) Position handelt. Wenn Galuška zusätzliche Klaus Schwarz, Frühmittelalterlicher Landesausbau im östlichen Franken zwischen Steigerwald, Frankenwald und Oberpfälzer Wald (Mainz 1984); Ralph Pöllath, Karolingerzeitliche Gräberfelder in Nordostbayern (München 2002). 26 Hrubý (Anm. 2), Taf. 11,1; 23;1.2. 27 Josef Poulík, Jižní Morava země dávných Slovanů (Brno 1948–1950) Abb. 57. 28 Hana Chorvátová, Horizonty byzantsko-orientálneho šperku na tzv. veľkomoravských pohrebiskách. In: Byzantská kultúra a Slovensko, ed. Vladimír Turčan. Zborník Slovenského národného múzea Archeológia, Supplementum 2 (Bratislava 2007) 83–101, hier 89–91. 29 Hrubý (Anm. 2), 455–456. 30 Hrubý (Anm. 2), 79. 25 Informationen besitzt, wäre es sehr wichtig, diese zu publizieren, um Missverständnissen vorzubeugen. Die Beobachtung mehrerer stratigraphischer Situationen verändert die Ansicht zur relativen Chronologie des Gräberfeldes in Staré Město „Na valách“ und ermöglicht eine andere Auffassung zur historischen Gesamtentwicklung, die Rez. hier nur andeuten kann. Galuška korrigiert zwar einige Widersprüche in der Chronologie von Hrubý, aber in den Schlussfolgerungen bleibt er der ursprünglichen Konzeption, wie sie Hrubý und später B. Dostál31 formuliert haben, verhaftet. Weiterhin beharrt er auf der traditionellen Linie der Schmuckentwicklung. In seiner Auslegung kann man eine starke Abhängigkeit der Interpretation von historischen Ereignissen verfolgen. Die Chronologie der frühmittelalterlichen Archäologie Mitteleuropas wird deutlich durch die Datierung des archäologischen Materials mit Hilfe historischer Ereignisse beeinflusst. Noch vor dem zweiten Weltkrieg bildete sich die Vorstellung über den Untergang der awarischen Gräberfelder am Ende des 8. 32Jahrhunderts heraus. H. Mitscha-Märheim datierte das Gräberfeld in Münchendorf ins 8. Jahrhundert und erwog keine Fortsetzung der Bestattung auf dem Gräberfeld über das Jahr 791 hinaus.33 Die absolute Datierung folgerte man aus den historischen Quellen über die Zerstörung des Awarischen Reichs durch Karl den Großen. Diese Konzeption entstand vor den systematischen Ausgrabungen der meistens Fundplätze, und nach dem zweiten Weltkrieg folgte man weiterhin dieser Konzeption. Das Ende der awarischen Gräberfelder wurde in das späte 8. Jahrhundert datiert, obwohl die Awaren weiterhin in den schriftlichen Quellen erwähnt wurden – zuletzt 822. Das Ende des 8. Jahrhunderts oder der Zeitpunkt um 800 wurde für die tschechischen und slowakischen Archäologen zu einer Zäsur, nach der die Slawen auf dem Gebiet Südmährens, Niederösterreichs und der Südwestslowakei mit der Körperbestattung begannen. Es ist paradox, dass trotz der Erwähnungen über Kontakte und Konflikte zwischen Awaren und Slawen in den schriftlichen Quellen kein gegenseitiger (zumindest zeitweiser) Kontakt oder Kulturbeeinflussung vorausgesetzt wurde. Die Archäologen erwogen nur eine strikte Abfolge – nach dem Ende der awarischen Gräberfelder wurde auf slawischen Gräberfeldern bestattet. In den 1990er Jahren begann man, die Datierung einiger Gräber ins 9. Jahrhundert zu erwägen. J. Zábojník stellte seine letzte Stufe der Gürtelgarnituren SS IV in die Jahre „780–800 (825)“.34 Bořivoj Dostál, Slovanská pohřebiště ze střední doby hradištní na Moravě (Praha 1966). 32 Erik Szameit, Slawische Körpergräber des 8. Jahrhunderts im österreichischen Donauraum und ihre Beziehungen zum spätmerowingischen Kulturkreis. In: Ethnische und kulturelle Verhältnisse an der mittleren Donau vom 6. bis zum 11. Jahrhundert, hrsg. Darina Bialeková/Jozef Zábojník (Bratislava 1996) 215–225; Eric Breuer, Byzanz an der Donau. Eine Einführung in Chronologie und Fundmaterial zur Archäologie im Frühmittelalter im mittleren Donauraum (Tettnang 2005) 108; Jiří Macháček, Raně středověké Pohansko u Břeclavi. Munitio, palatium, nebo emporium moravských panovníků? Archeologické rozhledy 57, 2005, 100–138, hier 100. 33 Herbert Mitscha-Märheim, Die frühmittelalterlichen Gräberfunde von Mistelbach, Katzelsdorf, Münchendorf und Schwechat (Wien, Leipzig 1941) 54–55. 34 Jozef Zábojník, Seriation von Gürtelbeschlaggarnituren aus dem Gebiet der Slowakei und Österreichs (Beitrag zur Chronologie der Zeit des awarischen Kaganats). In: K problematike osídlenia stredodunajskej oblasti vo včasnom stredoveku, ed. Zlata Čilinská (Nitra 1991) 219–321, hier 296. 31 165 Galuška blieb in seinem Buch dem umschriebenem Konzept treu. Eindeutig kennzeichnet dies die Struktur des Buches – zuerst schreibt der Autor über awarische Gussbronzen, die aus Horten oder aus Siedlungen stammen, und datiert sie meist um 800. Nur im Fall der awarischen Gussbronzen von den Gräberfeldern setzt er die Datierung etwas später an – in das erste Drittel des 9. Jahrhunderts. Bei den Gräbern 108 an der zweiten Kirche und 821 an der 11. Kirche in Mikulčice spricht er von „Archaika“ (S. 56, 58) und bemüht sich, diese in jüngere Zeit zu stellen, was aber in den absoluten Daten keinen großen Unterschied macht. Er spricht über den Verlauf der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts bzw. über das Ende des ersten Viertels des 9. Jahrhunderts (S. 56). Im Kapitel zum Schmuck finden wir zwar für die älteren Gräber die Datierung „im Verlauf der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts“, aber in mehreren Abschnitten des Buches verbindet Galuška die archäologische Datierung des Schmucks mit der vorausgesetzten Entstehung des Großmährischen Reiches um 833. Er ignoriert weitgehend, dass einige Gräber mit prachtvollem Schmuck (aus der ältesten Kollektion) bereits vor der Entstehung Grossmährens um 833 angelegt worden sein könnten. Ein ähnliches Konzept präsentiert auch Ungerman. Er erwägt, dass vor dem ältesten Horizont des prachtvollen Schmucks ein „Vorköttlachhorizont“ existiert haben könnte.35 * Der prächtige Frauenschmuck ist eine für die Rekonstruktion der Kulturentwicklung um 800 sehr wichtige Quelle. Galuška widmete ihm besondere Aufmerksamkeit, schöpfte aber das Potenzial der umfassenden Gruppe reicher Gräber nicht aus. Er bleibt bei einer traditionellen Methode, legt die Ohrringe und Kugelanhängertypen vor und analysiert sie, ähnlich wie bei der Auswertung des Gräberfeldes in Uherské Hradiště-Sady.36 Im Unterschied zur Publikation von 1996, in der er jeden Typ der Ohrringe bzw. Kugelanhänger gesondert datierte37, arbeitet er jetzt mit dem gesamten Grabinventar und datierte es insgesamt. Die Datierung anhand einzelner Ohrringe und Kugelanhänger war ein sehr häufiges Verfahren in der tschechischen und slowakischen Archäologie.38 Es erbrachte jedoch keine allgemeine Erkenntnis und ermöglichte nicht, die Entwicklung der Kollektionen zu verfolgen. Obwohl Hrubý mit der Kombinationsmethode arbeitete und sie bei der Analyse des Gräberfelds „Na valách“ hervorhob, steht ihr Galuška skeptisch gegenüber (S. 242) und weist auf den Mörtel in der Grabschüttung als relevantes chronologisches Mittel hin. Diese Unzulänglichkeit von Galuškas Arbeit zeigt sich auch in der beschränkten Auswahl der analysierten Gräber. Er arbeitete nur mit ungefähr 20 Gräbern, aber von den bis heute vorgelegten Gräberfeldern sind mindestens 60 Gräber mit zwei verschiedenen Ohrringpaaren oder Kugelanhänger bekannt. Bei der Nutzung der Kombinationsmethode gelang es, drei verschiedene Kollektionen oder Sets des prachtvollen Schmucks auf dem Gebiet Südmährens zu unterscheiden, die gleichzeitig eine relativchronologische Abfolge bilden.39 Die absolutchro- nologische Abgrenzung ist sehr viel schwieriger. Leider gibt es zu den Gräbern keinerlei Dendrodaten. So bleibt nur die Möglichkeit, sich auf die (Fund-)Münzen zu stützen, welche freilich ebenfalls oft Gegenstand kontroverser Diskussion sind. Große Bedeutung haben zwei Funde, und zwar aus einem Grab aus Trilj (Kroatien) mit einer Münze Konstantin V. und seines Sohnes, die zwischen 751 und 775 in Syrakus auf Sizilien geprägt wurde40, sowie der Schatzfund von Donji Petrovci in der Vojvodina. Aus dem Schatzfund stammen auch neun Münzen, geprägt zwischen 762 und 794/799.41 Die erwähnten Münzen waren mit am oberen Bogen verzierten Ohrringen vergesellschaftet. Die älteste Kollektion, charakterisiert durch ebendiese Ohrringe, können wir am Ende des 8. Jahrhunderts einordnen, wobei sie bis an den Beginn des 9. Jahrhunderts, reicht. Die Datierung der zweiten Kollektion ist problematischer. Bisher sind keine Zusammenfunde mit Münzen bekannt. Bei der chronologischen Bestimmung können wir lediglich von der Horizontalstratigraphie des Gräberfeldes „Na valách“ sowie eines Komplexes von Gräbern aus Břeclav-Pohansko (Gräber 38, 63 und 65) ausgehen, wobei in Grab 65 ein Schwert vom Typ B gefunden wurde. Mit dem Aufkommen des zweiten Typs der Kollektionen können wir irgendwann nach dem Beginn des 9. Jahrhunderts rechnen. Bei der chronologischen Abtrennung des dritten Typs der Kollektionen lässt sich vom gegenseitigen (wenn auch vereinzelten) Ausschluss der gegossenen Kugelanhänger und Sporen ausgehen. Das ermöglicht es uns anzunehmen, dass der dritte Typ der Kollektionen im Verlauf der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts aufkam. Gleichzeitig folgern wir aus der archäologischen Situation auf dem Gräberfeld „Na valách“ in Sektor 8/D und ausnahmsweise auch bei der 2. Mikulčicer Kirche, dass der dritte Kollektionstyp sicher zum relativ jüngeren Bestattungshorizont auf den mährischen Gräberfeldern gehört. Die vorgestellte Datierung ermöglicht einen neuen Blick auf die Gesamtentwicklung, und sie erlaubt es auch, den prächtigen Frauenschmuck bzw. „Veligrader Schmuck“ in einen größeren europäischen Zusammenhang zu stellen. Die ersten Kollektionen entstanden noch unter dem Einfluss der Schmuckhersteller, die mit dem awarischen Kulturkreis zusammenhängen. Am oberen Bogen verzierte Ohrringe waren ein häufiger Schmuck in der Endphase der awarischen Gräberfelder.42 Ohrringe und Kugelanhänger (Gombíky) des zweiten Kollektionstyps verkörpern eine völlig neue Form des Schmucks, die nunmehr im Spektrum der materiellen Kultur erscheint. Galuška erwägt die Möglichkeit, dass die ersten Ohrringtypen von Goldschmieden aus der Umgebung des awarischen Khaganats bzw. aus Dalmatien nach Südmähren gebracht wurden, und bald darauf wurde weiterer Schmuck in Staré Město hergestellt (S. 219). Die neuen bzw. neu aufgenommenen Beobachtungen schließen nicht aus, dass das Ende des 8. Jahrhunderts und der Anfang des 9. Jahrhunderts wohl keine zeitlich aufeinanderfolgende, sondern eher eine parallele Entwicklung des späten Maja Petrinec, Gräberfelder aus dem 8. bis. 11. Jahrhundert im Gebiet des frühmittelalterlichen kroatischen Staates (Split 2009). 41 Attila Kiss, Die Goldfunde des Karpatenbeckens von 5.–10. Jh. (Angaben zu den Vergleichsmöglichkeiten der schriftlichen und archäologischen Quellen). Acta Archaeologica Hungarica 38, 1986, 105–194, hier 120; Breuer, Byzanz an der Donau (Anm. 32), 114. 42 Zlata Čilinská, Frauenschmuck aus dem 7.–8. Jahrhundert im Karpatenbecken. Slovenská archeológia 23, 1975, č. 1, 63–96. 40 Ungerman, Ženský šperk (Anm. 7), 718–727. Galuška, Uherské Hradiště-Sady (Anm. 10). 37 Was zu Widersprüchen in der gesamten Chronologie des Grabes geführt hatte; vgl. Chorvátová, K relatívnej chronológii (Anm. 6), 208 Anm.124. 38 Zuletzt Milan Hanuliak, Veľkomoravské pohrebiská. Pochovávanie v 9.–10. storočí na území Slovenska (Nitra 2004). 39 Chorvátová, Horizonty byzantsko-orientálneho šperku (Anm. 28). 35 36 166 awarischen Kulturkreises und des jüngeren karolingischen – in der Terminologie der tschechischen und slowakischen Literatur „großmährischen“ – Kreises, die auf den südmährischen Gräberfeldern zusammentrafen, kennzeichnet. Es ist unmöglich, sie strikt von der vorausgesetzten Entstehung Großmährens um 833 abzugrenzen. Eher scheint es notwendig, einen gewissen zeitlichen Horizont vorauszusetzen, in dem es zu dynamischen Veränderungen kam. Die Kollektionen des zweiten Typs unterscheiden sich völlig von denen des ersten, die formal noch mit dem awarischen Schmuck (am oberen Bogen verzierte Ohrringe) verbunden waren. Der Horizontalstratigraphie in Staré Město zufolge vollzog sich der Wandel der Frauenmode sehr rasch. Für die Ohrringe und Kugelanhänger (Gombíky) der zweiten Kollektionen kennen wir bisher keine Analogien. Die neuen Untersuchungen bei Zalavar-Varstziget43 erbrachten einen ähnlichen Schmuck, helfen aber nicht, die Frage nach dessen Ursprung zu lösen. Ungerman sprach sich für eine Entstehung des vorliegenden Schmucks in Südmähren aus. Er nimmt an, dass die Werkstätten die Ohrringe unter dem Einfluss des Geschmacks einheimischer Frauen herzustellen begannen.44 * Nach dem zweiten Weltkrieg bis praktisch zum heutigen Tag haben Archäologen im Fall des Frauenschmucks so gut wie nie eine Inspiration aus dem Frankenreich erwogen; immer wandte sich die Aufmerksamkeit in Richtung Byzanz.45 Bei der männlichen Ausstattung jedoch suchte man die Anregungen jedoch im Frankenreich. Allerdings zeigt sich nun eine kleine Ähnlichkeit zu den Säulenohrringen bei Ohrringen, die in der deutschen Literatur als Bommelohrring mit zylindrischem Mittelteil46 oder als Ohrringe mit Blechbommel47 bezeichnet werden. Die Perldrahttechnik bei Körbchenohrringen können wir wiederum an Ohrringen aus dem österreichischen Töplitsch sehen.48 Es ist also wenig wahrscheinlich, dass es in der Mode derart verschiedene Anregungen gab – für Männer aus dem Westen und für Frauen aus dem Osten. Im Übrigen kennen wir aus dieser Zeit so gut wie keine Schmuckfunde aus byzantinischem Gebiet.49 Wahrscheinlich Szőke (Anm. 1). Ungerman, Ženský šperk (Anm. 7), 717. 45 Im Übrigen zog bereits Jaroslav Böhm, Kronika objeveného věku (Praha 1941), Impulse aus dem fränkischen Reich in Erwägung. 46 Frauke Stein, Adelsgräber des achten Jahrhunderts in Deutschland (Berlin 1967) 62, Taf. 89,14.15. 47 Uta von Freeden, Untersuchungen zu merowingerzeitlichen Ohrringen bei den Alamannen. Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 60, 1979, 231–441, hier 360–361. 48 Stefan Eichert, Die frühmittelalterlichen Grabfunde Kärntens. Die materielle Kultur Karantansiens anhand der Grabfunde vom Ende der Spätantike bis ins 11. Jahrhundert (Klagenfurt 2010) 53 Abb. 14. 49 Natalia Poulou-Papadimitiuou/Elli Tzavella/Jeremy Ott, Burial practices in Byzantine Greece. Archaeological evidence and methodological problems for its interpretation. In: Rome, Constantinople and newly-converted Europe. Archaeological and historical evidence 1, ed. Maciej Salamon/Marcin Wołoszyn/Perica Špehar/Matthias Hardt/Mirosław P. Kruk/Aleksandra Sulikowska-Gąska. U źródeł Europy środkowo-wschodniej 1/1 (Kraków, Leipzig, Rzeszów, Warszawa 2012) 377–428; 43 44 wird die Frage nach dem Ursprung des wertvollen südmährischen Schmucks Gegenstand weiterer Forschungen sein. Alle aufgeführten Einzelerkenntnisse lassen sich zu einem umfassenden Gesamtbild zusammenfassen: Die Zeit zwischen dem Ende des 8. und etwa der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts stand im Zeichen nachhaltiger Veränderungen. Der Schmuck und auch die Gussbronzen, die mit dem awarischen Kulturkreis verbunden waren, verschwanden sehr schnell aus der materiellen Kultur Südmährens. Frauen und Mädchen erhielten unvermittelt neue Formen von Ohrringen und Kugelanhängern, die vielleicht unter dem Einflüssen aus dem fränkischen Reich standen. Angesichts der Beharrung von Galuška auf dem traditionellen Zugang zur Bearbeitung des Schmucks gehen viele der angeführten Erkenntnisse verloren. Der Autor führt am Ende des Buches an, dass sein Hauptziel die Präsentation der Schmuckwerkstatt war, was man entschieden als sehr positiven Beitrag erachten kann. Im Buch widmet er sich außerdem weiteren wichtigen Fragen und namentlich der Chronologie des Schmucks. Abgesehen von kleinen Verschiebungen in der Schmuckchronologie ist nicht festzustellen, dass das Buch die archäologische Forschung voranbringen oder zu wesentlichen Neuerkenntnissen führen wird. Es konserviert eher die bisherige Wahrnehmung der Entwicklung. Eine der Schwächen stellt das Festhalten an historischen Begebenheiten als Ausgangspunkt der Datierung in der frühmittelalterlichen Archäologie dar. Im Falle Galuškas betrifft das namentlich die Entstehung Großmährens um 833. Dieses Datum stellt im Prinzip das Gerüst seiner Chronologie dar. Den angeführten Einfluss können wir nicht nur am gesamten Inhalt des Buches, sondern auch in mehreren Einzelpassagen verfolgen. Bis auf wenige Ausnahmen spricht er von vorgroßmährischen awarischen Gussbronzen. Das bedeutet, dass er sie in die Zeit vor der Entstehung des großmährischen Reiches datiert. Zum Beispiel erwähnt er einige vorgroßmährische Schmuckgegenstände. Die kostbarsten Ohrringe und Kugelanhänger verbindet er mit der Existenz Großmährens, und das benutzt er als Abgrenzungskriterium bei der Datierung. Den zweiten Schwachpunkt der vorliegenden Publikation stellt das wiederholte Hervorheben des Mörtels als wichtiges Datierungsmittel dar. Der Mörtel hat sicher eine gewisse Bedeutung, aber diese können wir erst nach einer gründlichen neuen Analyse des Gräberfeldes erkennen. Der Friedhof in Stare Město „Na valách“, von dem auch Galuška beim Verfassen seines Buches ausging, erfordert eine Neubearbeitung mit detaillierten Plänen und gleichzeitig eine neue Analyse. Das Potential, welches in ihm steckt, hat Galuška in seiner Publikation nicht ausgenutzt – und schon gar nicht kann Rez. dies im Rahmen dieser Zeilen tun. Erst nach neuen Untersuchungen werden wir in der Erforschung des 8. und beginnenden 9. Jahrhundert einen wichtigen Schritt weiterkommen. Prag Hana Chorvátová Anastasios C. Antonaras, Middle and Late Byzantine Jewellery from Thessaloniki and its Region. In: Byzantine Small Finds in Archaeological Contexts, ed. Beate Böhlendorf-Arslan/Alessandra Ricci. BYZAS 15 (Istanbul 2012) 117–126. 167