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Archäologische Denkmalpflege Sonderband 2 Juli 2019 Raimund Karl Rechtswidrige Denkmalpflege? Eine (nicht nur österreichische) Realsatire über archäologische NFG-Pflichten; deren gesetzliche Grenzen; und die staatliche Denkmalpflege https://archdenk.blogspot.co.uk Herausgegeben von Raimund Karl ISSN 2516-4309 Impressum Herausgeber: Prof. PD Mag.Dr. Raimund Karl FSA FSAScot MCIfA Prifysgol Bangor University School of History, Philosophy and Social Sciences College Road Bangor, Gwynedd LL57 2DG United Kingdom r.karl@bangor.ac.uk Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin Lizenzen Die Texte dieser Blogschrift stehen unter einer Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0 International Lizenz. Kommerzielle Nutzungen sind erlaubt, ich bitte aber um vorherige Absprache. Fremdinhalte (insbesondere Bilder) sind ggf. davon ausgenommen. Hier sind die jeweils angegebenen urheberrechtlichen Regelungen / Lizenzen ausschlaggebend. Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Inhalt VORWORT ZU EINER REALSATIRE .................................................................................................................... 1 EINLEITUNG ................................................................................................................................................ 2 DREI JÜNGERE ERKENNTNISSE AUS ÖSTERREICH ZUR NFG-PFLICHT...................................................................... 8 BVwG vom 11.9.2017 zu Zahl W183 2168814-1/2E ...........................................................................................8 VwGH vom 23.2.2017 zu Zahl Ro 2016/09/0008..............................................................................................10 Gut ist es gegangen, nichts ist geschehen!?!....................................................................................................13 BVwG vom 19.9.2018, W 195 2197506-1/11E .................................................................................................15 Lektionen zur Anwendbarkeit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG .............................................................17 Die Grabungsgenehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ..........................................................................18 Die Vorab-Grabungsgenehmigungsmöglichkeit des § 11 Abs. 1 DMSG .......................................................19 Konsequenzen für die Anwendungspraxis ................................................................................................22 Fehlen einer Grabungsgenehmigungspflicht und -möglichkeit gem. § 11 Abs. 1 DMSG .............................24 Realitätsverweigerung ......................................................................................................................................26 IN DEUTSCHLAND KÖNNTE SO ETWAS NIE VORKOMMEN… ................................................................................ 28 Honi soit qui mal y pense .................................................................................................................................28 ZIELE UND MOTIVE .................................................................................................................................... 33 Das RP Stuttgart und die Raubgräber ...............................................................................................................33 Wann wird eine Handlung strafbar fahrlässig? ...........................................................................................35 Wann besteht überhaupt eine NFG-Pflicht? .................................................................................................36 Öffentliche Vermittlung und die Motive der Denkmalpflege .......................................................................38 Unbestimmte Rechtsbegriffe............................................................................................................................41 Schödingers Bürger in Baden-Württemberg ................................................................................................41 Schrödingers Bodendenkmale in Hessen ......................................................................................................42 Im Landeanflug auf den Flughafen Frankfurt am Main ...............................................................................45 Das Schuldverständnis des Durchschnittsbürgers ............................................................................................49 Kavaliersdelikt Metallsuche? ........................................................................................................................50 In die Landschaft schauen ............................................................................................................................54 Damned if you do, damned if you don’t? .....................................................................................................56 Konstitutives vs. deklaratorisches Prinzip ........................................................................................................58 „Besonderheiten“ des Denkmalschutzrechtes .................................................................................................59 Das unlösbare Problem des Ziels der Denkmalpflege ...................................................................................60 Die schwere Wahl zwischen unterschiedlichen Schutzzugängen .................................................................62 Die denkmalpflegerischen Vor- und Nachteile der Lösungsmöglichkeiten...................................................65 Die Entscheidungsunwilligkeit der (staatlichen) Denkmalpflege .................................................................68 Lost in translation .........................................................................................................................................70 Schrödingers Katze in der Anwendungspraxis ..............................................................................................73 Die Reichweite von NFG-Pflichten (und anderen Schutzbestimmungen) .....................................................75 Erfolge der Auslegung der Denkmalbehörden vor Gericht ...........................................................................79 Denkmalpflegerische Willkürherrschaft ...........................................................................................................82 WAS DER GESETZGEBER WIRKLICH VORGESEHEN HAT ...................................................................................... 85 Die Beurteilung des archäologischen Denkmalwerts um 1925 ........................................................................85 Die Struktur der Denkmalschutzgesetze ..........................................................................................................87 Die „archäologischen“ Schutzbestimmungen ..............................................................................................88 Die seltsame Regelung von Funden zuvor gänzlich unbekannter Denkmale ...............................................89 §§ 9-11 DMSG in der Fassung BGBl. 533/1923 ............................................................................................90 Reaktive vs. präventive Gesetzgebung .............................................................................................................93 Präventiver Denkmalschutz ..........................................................................................................................94 Sachliche, präventive Legaldefinitionen .......................................................................................................96 Die Nachteile von präventiven Denkmalverträglichkeitsprüfungsgesetzen .................................................97 i Inhalt Die Vorteile von reaktiven Denkmalschutzgesetzen .................................................................................... 99 Was der Gesetzgeber – und was die Denkmalpflege – wirklich wollte und will ............................................ 101 Schon wieder: die Wünsche der Denkmalpflege........................................................................................ 102 Die DMSG-Novelle 1990 ............................................................................................................................ 104 Die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG als archäologisches Denkmalschutzinstrument............................ 106 Selbstwidersprüche und schädliche Wirkungen ........................................................................................ 108 Ein Gesetz, die man gar nicht mehr rechtmäßig anwenden kann ................................................................. 111 Der lange Ast des Gesetzgebers..................................................................................................................... 114 DER DENKMALWERT MATERIELLER HINTERLASSENSCHAFTEN DER VERGANGENHEIT ............................................ 118 Wann wird etwas zu Archäologie?................................................................................................................. 119 Das Problem der Erforderlichkeit absoluter Zeitgrenzen ........................................................................... 121 Die zur Gegenwart offene Neuzeitarchäologie.......................................................................................... 122 Was macht eine archäologische Sache bedeutend? ..................................................................................... 125 Kleine Anfänge, große Fortschritte ............................................................................................................ 125 Gegenwartsvergessene Besessenheit mit der (unbestimmten) Zukunft.................................................... 127 Das positivistische Bedeutungsbeurteilungsproblem .................................................................................... 129 Das erkenntnislogisch-methodische Programm von Moriz Hoernes ......................................................... 130 Die Folgen von Hoernes‘ Programm für die Denkmalwertbeurteilung...................................................... 131 Die Folgen für eine positivistisch geprägte archäologische Denkmalpflege.............................................. 133 Ein Alternativvorschlag: generalisierende Denkmalwertbestimmung .......................................................... 135 Archäologische vs. andere Denkmalpflege ................................................................................................ 136 Wissenschaftliche Bedeutung .................................................................................................................... 138 Eine kleine denkmalpflegerische Typologie archäologischer Sachen ........................................................ 141 Typ 1: der bewegliche Kleinfund und seine Fragmente ......................................................................... 141 Typ 2: unbewegliche Einzelbefunde samt (allenfalls) in ihnen enthaltene bewegliche Kleinfunde ....... 144 Typ 3: zusammenhängende Befundkomplexe (samt allen ihrer Bestandteile) bzw. Stratifikationen ... 147 Typ 4: zusammengehörende Befundkomplexe (vulgo: Fundstellen bzw. Fundplätze) .......................... 150 Typ 5: zusammengehörende Befundlandschaften ................................................................................ 153 Generalisierte Bedeutungsbestimmungskriterien für die archäologische Denkmalpflege ........................ 156 Die Entwicklung einer Forschungs- bzw. Unterschutzstellungsstrategie....................................................... 158 BELASSUNG IN SITU UND ZUKUNFTSORIENTIERTE DENKMALPFLEGE .................................................................. 161 Für die Erforschung durch künftige Generationen ........................................................................................ 161 Kompartmentalisiertes denkmalpflegerisches Denken ................................................................................. 162 Synchrones denkmalpflegerisches Denken ................................................................................................... 164 Zukunftsorientiertes denkmalpflegerisches Denken ..................................................................................... 166 Verfallsgeschwindigkeit der Denkmalsubstanz von archäologischen Denkmalen .................................... 168 Spezifische Verfallsgeschwindigkeit ...................................................................................................... 168 Durchschnittliche Verfallsgeschwindigkeit ............................................................................................ 168 Erhaltungswahrscheinlichkeit von archäologischen Denkmalen ............................................................... 170 Wahrscheinlichkeit der unveränderten Erhaltung in situ ...................................................................... 171 Erhaltungswahrscheinlichkeit durch fachgerechte Dokumentation ..................................................... 172 Erhaltungswahrscheinlichkeit durch unsachgemäße Bergung.............................................................. 173 Durchschnittliche Erhaltungswahrscheinlichkeit durch alle diese Erhaltungsmöglichkeiten ................ 175 Eine Zukunftsprognose für die archäologische Denkmalpflege ................................................................. 175 Vergangene und zukünftige Methodenentwicklung ............................................................................. 177 Ein anderer Umgang mit archäologischen Denkmalen und seine Konsequenzen................................. 179 Was Du heute kannst besorgen… .................................................................................................................. 182 Zukunftsorientierte archäologische Denkmalpflegepraxis ........................................................................ 185 WAS IST EIGENTLICH EINE RAUBGRABUNG? ................................................................................................. 188 Raubgrabungen: eine Begriffsdefinition ........................................................................................................ 188 Der fachliche Raubgrabungsbegriff im 19. Jahrhundert und heute........................................................... 188 Der Raubgrabungsbegriff in der Begründung von Denkmalschutzgesetzen ............................................. 190 ii Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Rechtswidrige Grabungen von Fachwissenschaftern? ...............................................................................190 Wie genau nehmen wir die Gesetze? .........................................................................................................191 Begriffliche Unterscheidung: rechtswidrige und unsachgemäße Grabungen ............................................192 Der derzeitige Lösungsversuch für das „Raubgrabungsproblem“ ..................................................................194 Probleme mit Genehmigungspflichten .......................................................................................................194 Die Vertrauenswürdigkeit des Antragstellers als relevantestes Kriterium .................................................195 Notwendige Genehmigungsverfahren: Schutz für die Zukunft ..................................................................197 Ein alternativer Lösungsvorschlag für das „Raubgrabungsproblem“ .............................................................199 Gesetzliche Mindeststandards für archäologisch sachgemäße Bodeneingriffe .........................................200 Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von gestaffelten Mindeststandards ..........................................201 Gleichberechtigten Bürgern Verantwortung übertragen ...........................................................................202 Gestaffelte Sanktionen für Mindeststandardunterschreitung ...................................................................203 Verhaltenssteuerung durch gestaffelte Mindeststandards und Sanktionen ..............................................204 Keine perfekte, aber eine bessere Lösung ..................................................................................................207 Schlussfolgerungen .........................................................................................................................................207 FÜHRERSCHEIN ODER EINZELFAHRTERLAUBNIS?............................................................................................ 209 Die behördliche Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuglenker .................................................................................209 Archäologische Nachforschungsgenehmigungen ...........................................................................................211 Führerschein und Nachforschungsgenehmigung im Vergleich ......................................................................214 Ein Gedankenspiel: Fahrerlaubniserteilung entsprechend der NFG-Vergabepraxis ...................................216 Die Begründung von NFG-Pflichten ................................................................................................................217 L’état, c’est moi ..............................................................................................................................................219 Welcher Schutz vor welchem Schaden? .........................................................................................................221 Schlussfolgerungen .........................................................................................................................................223 Archäologische Nachforschungslizenz........................................................................................................224 ARCHÄOLOGISCHE NFG-PFLICHT UND WISSENSCHAFTSFREIHEIT IN ÖSTERREICH................................................ 226 Die intentionale Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit durch die NFG-Pflicht .........................................227 Zur (Un-)Verhältnismäßigkeit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG............................................................231 Zur Frage der Legitimität des vom Staat mit der NFG-Pflicht verfolgten Zweckes .....................................232 Zur Frage der Eignung des vom Staat eingesetzten Mittels der NFG-Pflicht ..............................................236 Nicht invasive Feldforschungsmethoden................................................................................................237 Invasive Feldforschungsmethoden .........................................................................................................240 Zur Frage der Erforderlichkeit des vom Staat eingesetzten Mittels der NFG-Pflicht ..................................241 Nicht invasive Feldforschungsmethoden................................................................................................242 Invasive Feldforschungsmethoden .........................................................................................................243 Zur Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen NFG-Pflicht im engeren Sinn ....................................................250 Allgemeine Erwägungen zur Gewichtung von Denkmalschutz und Wissenschaftsfreiheit ....................251 Nicht invasive Feldforschungsmethoden................................................................................................253 Invasive Feldforschungsmethoden .........................................................................................................257 Verletzung des Übermaßverbotes durch die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG .......................................274 Die NFG-Pflicht als Mittel zur Verhinderung unwissenschaftlicher Nachforschungen...................................278 Wissenschaftsfreiheit, Denkmalschutz und die Verwaltungspraxis ...............................................................282 Zur Verhältnismäßigkeit von NFG-Bescheidauflagen .................................................................................287 Die gravierende Fehlinterpretation des DMSG durch das BDA ..................................................................296 Schlussfolgerungen .........................................................................................................................................303 RECHTSWIDRIGE DENKMALPFLEGE IN (ÖFFENTLICHEN) MUSEUMSSAMMLUNGEN .............................................. 307 Denkmalschutzvergehen in österreichischen öffentlichen Museen ..............................................................307 Wege zur Lösung der rechtswidrigen musealen Denkmalpflege ...................................................................313 Spezifische Ausnahmeregelungen ..............................................................................................................314 Änderungen in den Legaldefinitionen und Anwendbarkeitsbestimmungen ..............................................314 Ein eigenes Archäologieschutzgesetz? .......................................................................................................316 iii Inhalt … ET RESPICE FINEM ................................................................................................................................. 319 Wem gehören denn eigentlich bewegliche Kleinfunde? ............................................................................... 319 Die Fundeigentumsregelung des ABGB ..................................................................................................... 321 Die Fundeigentumsregelung im DMSG ...................................................................................................... 324 Die archäologisch-denkmalpflegerischen und administrativen Nachteile der Neuregelung ..................... 328 Schon wieder derselbe denkmalrechtliche Denkfehler .............................................................................. 332 Wie motiviert man Bürger, sich denkmalgerecht zu verhalten? ................................................................... 334 Personen mit tatsächlicher („archäologischer“) Entdeckungsabsicht ....................................................... 335 Zur Umsetzung im DMSG........................................................................................................................... 342 Das Problem der Altsammlungen .......................................................................................................... 345 Voraussichtliche Auswirkungen: ein kleiner Vergleich mit dem PAS ..................................................... 347 Personen mit anderen Motiven für die Durchführung von Erdarbeiten .................................................... 353 ÄNDERUNGSVORSCHLÄGE FÜR ARCHÄOLOGISCHE BESTIMMUNGEN DES DMSG ................................................. 358 Archäologischer Denkmalschutz gemäß dem deklaratorischen Prinzip ........................................................ 359 Abgrenzung des archäologischen Denkmalbegriffs................................................................................... 359 Kriterium Unbrauchbarkeit ................................................................................................................... 361 Kriterium Herrenlosigkeit ...................................................................................................................... 364 Nachgeordnetes Kriterium Alter............................................................................................................ 365 Begriffs- und Anwendungsbereichsbestimmung: archäologisches Denkmal ........................................ 366 Ausnahmeregelung für archäologische Denkmale in Museumssammlungen ............................................... 369 Bewilligungspflichten bei archäologische Denkmale gefährdenden Maßnahmen ........................................ 370 § 8 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut ........................................................................ 371 Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 8 DMSG ............................................. 373 Abs. 1 ..................................................................................................................................................... 374 Abs. 2 ..................................................................................................................................................... 378 Abs. 3 ..................................................................................................................................................... 383 Abs. 4 ..................................................................................................................................................... 386 Dokumentations- und Meldepflichten bei der Entdeckung archäologischer Denkmale ............................... 387 § 9 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut ........................................................................ 387 Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 9 DMSG ............................................. 390 Abs. 1 ..................................................................................................................................................... 390 Abs. 1a (Übergangsbestimmung) .......................................................................................................... 391 Abs. 2 ..................................................................................................................................................... 392 Abs. 3 ..................................................................................................................................................... 398 Abs. 4 ..................................................................................................................................................... 399 Abs. 5 ..................................................................................................................................................... 400 Eigentumserwerb, Ankaufsrechte von Gebietskörperschaften ..................................................................... 400 § 10 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut ...................................................................... 400 Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 10 DMSG ........................................... 401 Abs. 1 ..................................................................................................................................................... 403 Abs. 2 ..................................................................................................................................................... 407 Abs. 2a (Übergangsbestimmung) .......................................................................................................... 412 Abs. 3 ..................................................................................................................................................... 412 Abs. 4 ..................................................................................................................................................... 413 Maßnahmen zur Sicherung von Fundstellen und archäologischen Denkmalen ............................................ 414 § 11 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut ...................................................................... 415 Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 11 DMSG ........................................... 416 Abs. 1 ..................................................................................................................................................... 416 Abs. 2 ..................................................................................................................................................... 417 Abs. 3 ..................................................................................................................................................... 418 Abs. 4 ..................................................................................................................................................... 418 Strafbestimmungen ....................................................................................................................................... 418 iv Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? § 37 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut .......................................................................418 Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 37 DMSG ............................................420 Ersetzungen von Begriffen im Wortlaut anderer Bestimmungen des DMSG .................................................422 ABSCHLIEßENDE BEMERKUNGEN ................................................................................................................ 423 NACHWORT ZU EINER (NICHT NUR ÖSTERREICHISCHEN) REALSATIRE................................................................. 426 BIBLIOGRAFIE.......................................................................................................................................... 429 v Inhalt Über den Autor: Raimund Karl hat an der Universität Wien Ur- und Frühgeschichte studiert und ist ebendort auch für „keltische Altertumskunde“ habilitiert. Er ist derzeit als Professor of Archaeology and Heritage an der Prifysgol Bangor University in Wales im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland beschäftigt. Zu seinen primären Forschungsinteressen zählen neben der Archäologie der späteren Urgeschichte und Frühgeschichte Mittel- und Westeuropas, der Sozialarchäologie, der archäologischen (Erkenntnis-) Theorie und der Rolle der Archäologie in der gegenwärtigen Gesellschaft insbesondere auch die mittel- und westeuropäische Rechtsgeschichte sowie die archäologische Denkmalpflege, ihre Rechtsgrundlagen, und die öffentliche und private Denkmalverwaltung. Er ist Berater des walisischen Ministers für Kulturdenkmale, berät mehrere Denkmalämter und Denkmalpflege-Fachgesellschaften ebenso wie Denkmalpflege-NGOs. Zu seinen wichtigeren monografischen Publikationen gehören seine Bücher Altkeltische Sozialstrukturen (2006), Macht und Ohnmacht des positivistischen Denkens (2010) und Archäologischer Denkmalschutz in Österreich – Praxis, Probleme, Lösungsvorschläge (2011). Der archäologischen Denkmalpflege widmet er sich auch regelmäßig in seiner gleichnamigen Blogschrift (https://archdenk.blogspot.com/). ORCID: 0000-0001-5832-8656 vi Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Vorwort zu einer Realsatire Also wirklich, der Herr Karl schon wieder. Jetzt bezeichnet er Denkmalpflege sogar schon als rechtswidrig! Dabei weiß er doch so gut wie wir alle, dass der Schutz und die Erhaltung der Denkmale die erhabensten Aufgaben der staatlichen Verwaltung sind und daher dabei gar nichts rechtswidrig sein kann; und dass die staatlichen Denkmalpfleger, wie sie es immer mit Bestimmtheit feststellen, ja nur die Gesetze anwenden; dienstbeflissen, objektiv und strikt wie es ihnen der demokratisch legitimierte Gesetzgeber aufgetragen hat. Und schon wieder Nachforschungsgenehmigungen [NFG]! Hat er denn nichts Besseres, über das er schreiben kann; oder könnte er nicht besser gleich ganz die Feder niederlegen und das Schreiben sein lassen? Er weiß doch schließlich genauso gut wie wir alle, dass man für Nachforschungen – und insbesondere Grabungen, mit dem Zweck Bodendenkmale zu entdecken – einer denkmalbehördlichen Bewilligung bedarf. Er weiß auch genauso wie wir alle, dass das in Österreich und ganz Deutschland so gut wie gleich geregelt ist; mit Variationen höchstens im Detail, wie dass man z.B. in Bayern gem. Art. 7 Abs. 1 DSchG-BY nur für Grabungen (Eberl et al. 2016, 246-8), in Hessen hingegen gem. § 22 HDSchG auch schon für bloße Geländebegehungen (Viebrock 2007, 238) und in Österreich sogar schon für die bloße „topografische und morphologische Beurteilung“ von Geländemerkmalen (BDA 2016a, 11) eine NFG von der gesetzlich zuständigen Denkmalbehörde braucht. Wenn es trotzdem noch irgendwelche Unklarheiten geben sollte, hat diese zuständige Behörde die gesetzlichen Bestimmungen notfalls in pflichtgemäßem Ermessen (wie das auf Amtsdeutsch so schön heißt) auszulegen; und tut das auch; punktum! Was soll also das ganze Theater? Und jetzt kommt er sicher gleich wieder mit den Metallsuchern und dass diese behaupten, dass diese NFG-Pflicht für sie überhaupt nicht gilt, wenn sie nicht nach Bodendenkmalen, sondern nur nach alten Metallfunden, suchen. Als ob nicht schon längst jeder wüsste, dass überall Bodendenkmale vorkommen könnten und daher die NFG-Pflichten der DSchG und des DMSG schon allein deshalb auf alle Metallsuchen angewendet werden können, weil der Eventualvorsatz in jedem Fall vorausgesetzt werden kann. Das sind alles alte Hüte, warum lässt er (und die Metallsucher) es nicht endlich? Die sollen sich gefälligst wie jeder andere auch an die geltenden Gesetze halten; und Schluss! Deutschland und Österreich wollen ihre Bodendenkmale erhalten und daher gilt in allen flächendeckend die NFG-Pflicht. Ende der Debatte! Aber ist es denn wirklich so? 1 Einleitung Einleitung Anlass für die Verfassung dieses Buchs zum archäologischen Denkmalschutz und insbesondere dem in Österreich, aber nicht nur da, besonders wichtigen Mittel der Nachforschungsgenehmigungs- bzw. Grabungsgenehmigungspflicht (wobei in Österreich unter dem Begriff „Forschungsgrabung“ gemäß dem relevanten Paragrafen 11 Abs. 1 DMSG sowohl die „Nachforschung durch Veränderung der Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser (Grabung)“ als auch „sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ zu verstehen sind, die angeblich allesamt der als Grabungsgenehmigungspflicht bezeichneten NFG-Pflicht unterliegen) war für mich ein ganz grundlegendes ethisches Problem. Anfang April 2017 sollte ich auf Wunsch des Vorstandes des österreichischen Vereins ArchaeoPublica, dem ich auch selbst angehöre, bei einem von diesem Verein veranstalteten Workshop zur Ausbildung archäologieinteressierter Bürger für Feldbegehungen zur Aufsammlung von Oberflächenfunden einen Vortrag zur geltenden Rechtslage halten. Gerade zur ganz besonders relevanten Frage, ob man für Feldbegehungen zur Aufsammlung von Oberflächenfunden einer NFG gem. § 11 Abs. 1 bedarf, bestand aber zwischen dem Wortlaut des Gesetzes samt einschlägiger höchstgerichtlicher Judikatur einerseits und den Richtlinien für archäologische Maßnahmen des BDA (2016a, 11-2) andererseits ein diametraler Widerspruch: Gesetzeswortlaut und Judikatur schließen eine Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG auf Aufsammlungen von Oberflächenfunden explizit aus, während die Richtlinien des BDA (2016, 11) sie explizit der Bewilligungspflicht dieses Paragrafen unterwarfen. Das führte zu einem ethischen Dilemma: ich wusste, dass die vom BDA in dieser Frage vertretene Rechtsansicht falsch sein musste, aber wusste ebenso, dass das BDA seine falsche Rechtsmeinung in der Praxis zur Anwendung brachte. Als Wissenschafter bin ich ethisch dazu verpflichtet, in meinem Forschungsgebiet schonungslos die Wahrheit zu sagen; als Lehrender aber dazu, meinen Schülern nichts beizubringen, was diesen zum Schaden gereicht. Dieses Problem war natürlich einigermaßen einfach lösbar: ich machte mein Publikum einfach auf die Diskrepanz zwischen tatsächlicher Rechtslage und Anwendungspraxis des BDA aufmerksam und empfahl ihm, sich an die zweifellos falsche Rechtsansicht des BDA zu halten, um unnötige Schwierigkeiten zu vermeiden. Dennoch: eine solche Situation – dass die zuständige Bundesbehörde das von ihr zu vollziehende Gesetz einfach offensichtlich grob rechtswidrig anwendet – ist sowohl aus wissenschaftlicher, als auch aus pädagogischer, als auch aus gesellschaftspolitischer Sicht höchst unbefriedigend. Das ist umso mehr der Fall, als das Fehlverhalten der Behörde sowohl meinen FachkollegInnen, den interessierten Mitgliedern der Öffentlichkeit, als auch der Archäologie als Disziplin und den archäologischen Denkmalen selbst zum Schaden gereicht. Daher entschloss ich mich – nicht zuletzt, weil ich das BDA schon vielfach darauf aufmerksam gemacht hatte, dass es das von ihm zu vollziehende Gesetz rechtswidrig anwandte – die Frage, ob nun die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auch auf Aufsammlungen von Oberflächenfunden anwendbar sei, rechtlich zu klären, indem ich (zwei Mal nacheinander) eine Bewilligung für solche Grabungen und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle beantragte und nach Erhalt der Bewilligungen dagegen Beschwerden bei der zuständigen gerichtlichen Kontrollinstanz erhob. Das Ergebnis dieser Beschwerden bildete den unmittelbaren Anlass dafür, das vorliegende Buch zu verfassen. Das vorliegende Werk ist, inspiriert durch die Anlassfälle für seine Verfassung, teilweise bewusst als Satire verfasst, hauptsächlich aus dem Grund, dass die in Österreich für den archäologischen Denkmalschutz zuständige Behörde zwar stets behauptet hat, nur im besten Interesse von Archäologie und Allgemeinwohl geltendes Recht streng dem Buchstaben des Gesetzes entsprechend 2 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? zu vollziehen, aber in ihrer Verwaltungspraxis seit langem Vieles falsch gemacht hat (siehe dazu auch den einschlägigen Rechnungshofbericht; RH 2017); bzw. einfach gemacht hat, was sie will, ohne dabei Rücksicht auf geltendes Recht zu nehmen. Nur deshalb musste ich überhaupt den Testfall vor Gericht bringen, der letztendlich zu diesem Buch geführt hat. Die von der Behörde ausgeübte Willkürherrschaft hat aber, wie in diesem Buch gezeigt wird, in Österreich letztendlich dazu geführt, dass nicht nur ein bedeutender Teil der archäologischen Denkmalpflege gänzlich rechtswidrig betrieben wird, sondern die staatliche archäologische Denkmalpflege auch maximal ineffizient funktioniert (falls man überhaupt davon sprechen kann, dass sie funktioniert). Statt den eigentlichen Zweck, den sie erfüllen sollte zu fördern – im konkreten Fall archäologische Denkmale als Quellen wissenschaftlicher Forschung nutzbar zu machen und, wo möglich, auch langfristig nutzbar zu erhalten – behindert oder verhindert das behördliche Verwaltungshandeln das Erreichen dieses Ziels. Das Stilmittel der Satire erlaubt, bestehende Probleme deutlicher aufzuzeigen. Um jedoch LeserInnen, die dieses Stilmittel nicht mögen, die Lektüre dieses Werks nicht zu sehr zu vergällen, sind bewusst satirische Textteile in anderer Schriftart als der Rest des Textes gesetzt. Derart gesetzte Textteile tragen zwar zum Inhalt des Buches bei, sind aber für sein Verständnis nicht erforderlich, und können daher bei der Lektüre ausgespart werden. Die realsatirischen Aspekte, d.h. die absurden Folgen der Versuche der staatlichen archäologischen DenkmalpflegerInnen und ihrer juristischen KollegInnen, mit einer dafür ungeeigneten gesetzlichen Grundlage einen modernen archäologischen Denkmalschutz zu erreichen, sind hingegen Thema dieses Werkes und durchziehen daher den ganzen Text. Die konkreten Anlassfälle, die mich dazu bewogen haben, dieses Werk zu verfassen, sind auch ein Grund dafür, dass ich mich in diesem Buch überwiegend mit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG (und ähnlichen NFG-Pflichten in deutschen Denkmalschutzgesetzen) befasse. Der hauptsächliche Grund dafür ist jedoch der, dass das BDA dieses Rechtsinstrument inzwischen als hauptsächliches, wenn nicht sogar als einziges Mittel dafür benutzt, jenen modernen archäologischen Denkmalschutz in der Praxis zu erreichen zu versuchen, den die gesetzlichen Bestimmungen des DMSG eigentlich gänzlich unmöglich machen. Dass ich in den konkreten Anlassfällen die eigentlich bereits vom Gesetzgeber durch den Gesetzeswortlaut und die höchstgerichtliche Judikatur absolut eindeutig geklärte Frage der Nichtanwendbarkeit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auf die Suche nach und Aufsammlung von Oberflächenfunden und auf Nachforschungen auf Grundstücken, bezüglich derer nicht einmal ein Verdacht besteht, dass dort Denkmale vorkommen, neuerlich klären musste, ist unmittelbar der Tatsache geschuldet, dass das BDA die NFG-Pflicht als archäologischdenkmalpflegerisches Allheilmittel zu verwenden versucht. Das vorliegende Buch ist daher sehr kritisch, insbesondere was die Verwaltungspraxis des BDA (und der Denkmalämter in einigen zu Vergleichszwecken betrachteten deutschen Ländern) betrifft. Meine Kritik ist dabei aber nicht auf das vom BDA verfolgte, archäologisch-denkmalpflegerische Ziel gerichtet. Ganz im Gegenteil stimme ich mit dem BDA völlig überein, dass der archäologische Denkmalschutz in Österreich (und auch sonst überall) präventiv statt reaktiv gestaltet werden muss. Ich stimme ebenso mit dem BDA überein, dass es in der archäologischen Denkmalpflege nicht (nur) um die körperliche Erhaltung der historisch gewachsenen Erscheinung und Substanz besonders bedeutender archäologischer Denkmale (d.h. deren Erhaltung in situ), sondern vielmehr primär um die Erhaltung möglichst aller – d.h. auch scheinbar oder tatsächlich völlig unbedeutenden – archäologischen Denkmale durch sachgerechte (wissenschaftliche) Dokumentation bei ihrer letztendlich unvermeidbaren körperlichen Zerstörung gehen muss. Ein archäologischer Denkmalschutz, der nicht auf diesen beiden Grundprinzipien – die präventive Erhaltung der in archäologischen Denkmalen gespeicherten historischen Information durch deren sachgerechte 3 Einleitung Dokumentation – aufbaut, kann heutzutage aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht nicht mehr als adäquat betrachtet werden, sondern muss als hochgradig veraltet und für gegenwärtige Verhältnisse völlig ungeeignet betrachtet werden. Ich stimme daher mit dem BDA völlig überein, dass ein solcher präventiver, dokumentationsfokussierter archäologischer Denkmalschutz in Österreich unbedingt eingeführt werden muss. Meine Kritik richtet sich also nicht gegen das Ziel, das vom BDA in seiner beratenden Funktion für Ministerium und Gesetzgeber und seiner Verwaltungspraxis verfolgt wird, sondern gegen den Weg, auf dem, und die Methoden, mit denen es dieses Ziel zu erreichen versucht. Der Weg ist dabei bisher in erster Linie der gewesen, die geltenden gesetzlichen Bestimmungen zunehmend intransparenter zu gestalten, sozusagen die rechtlichen Wässer im Bereich der archäologischen Denkmalpflege so weit zu trüben, bis niemand mehr sagen kann, was eigentlich mit den gesetzlichen Bestimmungen genau gemeint ist, und daher der Auslegungsspielraum für die Behörde so weit wird, dass sie scheinbar rechtmäßig vollkommen willkürlich entscheiden kann, was ein archäologisches Denkmal und wie dieses zu behandeln ist, wobei die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen retrospektiv wirksam werden (sollen). Das Mittel hingegen war und ist in erster Linie die Ausdehnung des Anwendbarkeitsbereichs von NFG-Pflichten auf praktisch alle Handlungen, durch die archäologische Denkmale gefährdet werden könnten, bei gleichzeitiger zunehmender Einschränkung der Möglichkeit, eine NFG erteilt zu bekommen, auf immer engere Personenkreise. Daraus folgt in letzter Konsequenz dann auch das Postulat eines zwar offiziell als „staatlich“ bezeichneten, aber in der Praxis personalisierten, Forschungsvorrechts für bei der Behörde beschäftigte archäologische Fachkräfte im Bereich der archäologischen Feldforschung. Dieser Weg und dieses Mittel führen aber letztendlich zwingend zu massiven Kollisionen mit Grundprinzipien unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung und insbesondere auch mit bedeutenden Grundrechten aller Bürger; d.h. führen notwendigerweise zu einer rechtswidrigen archäologischen Denkmalpflege, die auch ethisch nicht vertretbar ist. Der einzige korrekte Weg, der uns zur Verfügung steht, jenen archäologischen Denkmalschutz auch tatsächlich zu bekommen, den wir uns als professionelle ArchäologInnen wünschen würden – eben einen archäologischen Denkmalschutz, der präventiv in Denkmalen gespeicherte archäologische Informationen vor dem Verlust durch die undokumentierte Zerstörung oder Veränderung dieser Denkmale schützt und somit die Primärquellen der archäologischen wissenschaftlichen Forschung erhält – ist, unsere Denkmalschutzgesetze – d.h. in Österreich das DMSG – entsprechend fundamental abzuändern; nicht den Gesetzgeber durch scheinbar harmlose Mikroänderungen, die eine rechtlich nicht tragfähige behördliche Willkürherrschaft in der Verwaltungspraxis ermöglichen, zu täuschen zu versuchen. Daher zielt dieses Buch letztendlich darauf ab, einen auch rechtlich tragfähigen Änderungsvorschlag für das DMSG zu entwickeln, der es – sofern die vorgeschlagenen Änderungen tatsächlich als Novelle des DMSG verabschiedet werden – ermöglichen sollte, sich diesem Ziel, einen modernen, präventiven, dokumentationsfokussierten archäologischen Denkmalschutz zu erreichen, so sehr als möglich anzunähern. Dieser Änderungsvorschlag findet sich am Ende dieses Buches als sein abschließendes Kapitel (Seiten 358-422). Am Weg zu diesem Änderungsvorschlag ist es aber notwendig, die Handhabungspraxis der derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen, diese Bestimmungen selbst und die aus diesen Bestimmungen und ihrer behördlichen Anwendungspraxis resultierenden Probleme zu betrachten und daraus Lehren dafür zu ziehen, wie man die gesetzlichen Bestimmungen reformieren könnte und müsste, um das, was die Denkmalbehörden derzeit auf rechtswidrigem Weg zu erreichen versuchen, auch tatsächlich auf rechtmäßigem Weg zu erreichen. Ich beginne daher das Buch mit einem kurzen Blick auf die Anlassfälle, der mich zu seiner Verfassung animiert haben, und einen damit in unmittelbarem Sinnzusammenhang stehenden, noch weitaus bedeutenderen anderen Fall, der 2017 von der 4 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? österreichischen Gerichtsbarkeit entschieden wurde (Seiten 8-28). Hauptsächliches Ziel dieses und des unmittelbar folgenden Kapitels über einen Fall von eindeutig rechtswidriger Denkmalpflege durch ein deutsches Landesamt für Denkmalpflege (Seiten 28-33) ist es, zu zeigen, dass es keineswegs so ist, dass Denkmalämter immer nur in „pflichtgemäßem Ermessen“ die von ihnen zu vollziehenden Gesetze vollziehen, sondern es vielmehr durchaus möglich und auch schon tatsächlich dazu gekommen ist, dass Denkmalämter in ihrer Verwaltungspraxis geltendes Recht gravierend fehlinterpretiert oder missachtet haben. Das nächste Kapitel (Seiten 33-85) widmet sich – zu guten Teilen auf Basis deutscher Vergleichsbeispiele – dem Thema, wie es dazu kommt, dass Denkmalämter und deren Juristen im Wege der Einflussnahme auf die Gesetzgebung eine denkmalbehördliche Willkürherrschaft zu errichten versuchen; und welche Probleme das im Bereich der Anwendbarkeit der dadurch geschaffenen gesetzlichen Bestimmungen in der Praxis erzeugt. Dem folgt eine genauere Besprechung der historischen Entwicklung der relevanten Bestimmungen des österreichischen DMSG (Seiten 85118), in der insbesondere gezeigt wird, wie durch sehr kleine und scheinbar unbedeutende Veränderungen des Gesetzestextes – die primär mit dem Zweck vorgenommen wurden, den Gesetzgeber darüber zu täuschen, dass das Ziel dieser Änderungen war, die Hobby-Metallsuche möglichst verbieten und das Recht „archäologische Nachforschungen“ durchführen zu dürfen auf einen möglichst engen Kreis graduierter ArchäologInnen zu beschränken – ein an sich rechtlich durchaus funktionsfähiges, wenn auch nur den Verhältnissen um 1923 entsprechendes und daher zum Zeitpunkt seiner ersten auch für die Archäologie signifikanten Änderung durch die Novelle BGBl. 473/1990 bereits hochgradig veraltetes, Gesetz in ein nicht mehr rechtmäßig anwendbares Gesetz verwandelt wurde. In den folgenden drei Kapiteln wird auf drei grundsätzliche Probleme der archäologischen Denkmalpflege eingegangen, die ganz wesentlich dazu beitragen, dass die archäologische Denkmalpflege in Österreich (und auch jenseits davon) sowohl beratungs- als auch veränderungsresistent ist. Das erste davon ist das Problem der Bestimmung des (Denkmal-) Wertes archäologischer Denkmale (Seiten 118-161), die unter dem derzeit in der österreichischen Archäologie dominanten epistemologischen Paradigma notwendigerweise immer nur retrospektiv beantwortet werden kann, was eine Unterscheidung zwischen „besonders“ bedeutenden und „weniger wichtigen“ archäologischen Denkmalen derzeit unmöglich macht. Im zweiten geht es um die Frage der langfristigen Erhaltung archäologischer Denkmale (Seiten 161-188), wobei insbesondere gezeigt wird, dass noch im Boden verborgene archäologische Denkmale und vor allem noch völlig unbekannte archäologische Denkmale durch ihre derzeit in der archäologisch-denkmalpflegerischen Fachwelt dogmatisch bevorzugte Belassung in situ überhaupt nicht langfristig erhalten werden, sondern ihre dauerhafte Erhaltung ausschließlich durch ihre möglichst wissenschaftlich sachgerechte Dokumentation erreicht werden kann. Im dritten Kapitel in diesem Block geht es schließlich um die Frage, was – insbesondere aus archäologisch-fachlicher Sicht – eigentlich überhaupt eine „Raubgrabung“ ist und wie das Problem mit diesen aus archäologischer Sicht unerwünschten Grabungen effektiver als bisher gelöst werden könnte (Seiten 188-209). Die beiden folgenden Kapitel betrachten die Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen NFG-Pflichten genauer aus rechtspolitischer und verfassungsrechtlicher Sicht. Im ersten Kapitel dieses Blocks wird ein breiterer Vergleich mit der Führerscheinpflicht zur Inbetriebnahme von Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Verkehrsflächen angestellt (Seiten 209-226), der verdeutlicht, wie viel restriktiver als diese die gesetzliche Regelung der archäologischen NFG-Pflichten ist, obgleich die von Nachforschungen für das im Gemeinwohlinteresse geschützte Rechtsgut Denkmale ausgehenden Gefahren Großteils hypothetisch und jedenfalls viel geringer als die vom privaten Kraftfahrzeugführen 5 Einleitung ausgehenden Gefahren für die viel hochrangigeren Schutzgüter von Leben, Gesundheit und Eigentum sind. Im zweiten Kapitel in diesem Block wird hingegen die Verhältnismäßigkeit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG mit der dadurch verursachten Beschränkung der verfassungsgesetzlich durch Art. 17 Abs. 1 StGG garantierten Wissenschaftsfreiheit geprüft (Seiten 226-307); mit dem Ergebnis, dass schon die gesetzliche Bestimmung selbst, aber noch viel mehr ihre exzessive Auslegung durch das BDA, das Übermaßverbot der österreichischen Bundesverfassung gravierend verletzt und daher sowohl die Bestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG als auch ihre Anwendungspraxis durch das BDA jedenfalls verfassungswidrig sind. Dem folgen schließlich noch zwei Kapitel, die sich zwei anderen wichtigen Problemen zuwenden, die dadurch verursacht wurden, dass man im DMSG und insbesondere bei dessen jüngeren Novellierungen nicht systematisch archäologische Denkmale mit bedacht und auch nicht über die Konsequenzen nachgedacht hat, die diese Veränderungen nach sich ziehen könnten. Das erste dieser Kapitel widmet sich dem Problem der automatisch gem. § 2 DMSG geschützten beweglichen Kleinfunde in archäologischen Sammlungen bestimmter öffentlich-rechtlicher Körperschaften oder deren Einrichtungen, das dazu führt, dass SammlungskuratorInnen und RestauratorInnen ihre alltägliche Arbeit eigentlich gar nicht rechtmäßig durchführen können, ohne ununterbrochen Genehmigungsanträge an das BDA stellen zu müssen (Seiten 307-319), weil man bei der automatischen Unterschutzstellung Kraft gesetzlicher Vermutung einfach darauf vergessen hat, dass praktisch alle archäologischen Funde in öffentlichen Sammlungen mehr als 100 Jahre alt und nicht industriell gefertigt sind und daher automatisch unter Denkmalschutz stehen. Das letzte Kapitel vor dem Änderungsvorschlag für das DMSG schließlich widmet sich der Frage, wie man durch die rechtliche Gestaltung des Erwerbs der rechtlichen Verfügungsgewalt über bewegliche und unbewegliche archäologische Denkmale auf Basis ihrer Behandlung zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung sowohl Finder als auch Grundeigentümer maximal zu denkmalschutzförderlichen und denkmalpflegerisch erwünschten Verhalten motivieren und somit einen möglichst effizienten archäologischen Denkmalschutz erreichen kann (Seiten 319-358). Die aus der Betrachtung dieser verschiedenen Einzelaspekte gewonnenen Erkenntnisse werden schließlich in einen Vorschlag zur Abänderung der archäologischen Bestimmungen des DMSG zusammengefasst (Seiten 358-423). Dieser Vorschlag – der auch in Form eines möglichen Gesetzeswortlauts ausformuliert und jeweils auch noch einmal konkreter erläutert wird – soll dabei selbstverständlich nur eine Diskussionsgrundlage bieten: ob man ihn, so wie er ist, auch tatsächlich als Novelle zum DMSG verabschieden könnte oder nicht ist sowohl von der archäologischen Fachwelt, als auch von Juristen, als auch von allfällig am archäologischen Denkmalschutz interessierten oder von ihm betroffenen Bürgern und zivilgesellschaftlichen Interessensvertretungen zu diskutieren; erforderlichenfalls ist er natürlich auch abzuändern. Ich denke allerdings, dass dieser Vorschlag für alle betroffenen Interessensgruppen weit vorteilhafter wäre als die derzeitige gesetzliche Regelung des archäologischen Denkmalschutzes und gleichzeitig einen weitaus besseren archäologischen Denkmalschutz ermöglichen würde als bisher, der durch die vorgeschlagenen neuen Bestimmungen auch rechtlich tragfähig geregelt wäre. Zumindest ein guter Teil der Vorarbeiten ist hiermit also gemacht. Dafür, dass ich diese Ideen entwickeln und dieses Buch auch schreiben konnte, bin ich vielen Kolleginnen und Kollegen zu bedeutendem Dank verpflichtet; an erster Stelle meiner Frau, mit der ich, wie üblich, meine Ideen ausgiebig diskutiert habe und die auch, wie üblich, das Manuskript korrekturgelesen hat. Gleiches gilt für meine Kollegin Katharina Möller, die ebenfalls durch Diskussionen und als Lektorin meines Manuskripts maßgeblich zu diesem Werk beigetragen hat. Selbstverständlich sind alle verbleibenden Fehler im Manuskript trotzdem ausschließlich meine 6 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Schuld. Ebenfalls bedanken möchte ich mich gleichermaßen bei den graduierten und den nicht graduierten ArchäologInnen des Vereins ArchaeoPublica, die ebenfalls maßgeblich zu den in dieser Arbeit niedergeschriebenen Gedanken beigetragen haben, insbesondere Gerald Grabherr, Jutta Leskovar, Stefan Traxler, Helmut Ardelt, Christian Steingruber, Christoph Baumgartner, Barbara Kainrath, Sigrid Peter, Joris Coolen, Michael Bader und Fabian Benedikt. Besonderer Dank gilt auch den MitarbeiterInnen des Bundesdenkmalamtes, allen voran dem Leiter der archäologischen Abteilung Bernhard Hebert, die trotz meiner häufigen Kritiken an ihrer Arbeit dennoch immer gesprächsbereit geblieben sind und mir auch wenigstens jene Informationen zukommen lassen, die sie mit Dritten teilen dürfen; und die vor allem – wenigstens soweit ich das zu beurteilen können glaube – ernsthaft und ehrlich bemüht sind, für einen einigermaßen effektiven archäologischen Denkmalschutz in Österreich zu sorgen, auch wenn sie das meiner Meinung nach mit ungeeigneten Mitteln auf dem falschen Weg versuchen. Den zahllosen weiteren Kolleginnen und Kollegen, die durch Kommentare bei Tagungen oder in anderen Kontexten ebenfalls dazu beigetragen haben, meine Gedanken in der Weise zu formen, die hier nun dargelegt wurde, kann ich nur kollektiv danken, den die Nennung aller ihrer Namen würde den Rahmen dieser Einleitung sprengen. Dass viele davon eventuell auch deutlich anderer Meinung sind als ich, versteht sich von selbst: wissenschaftlicher Fortschritt entsteht schließlich zum Großteil aus dem Widerspruch gegen die und der Widerlegung der Gedanken und Ergebnisse anderer ForscherInnen. Mein besonderer Dank gilt daher nicht zuletzt all jenen, an deren Ansichten und Meinungen ich mich reiben und denen ich mit diesem Werk widersprechen kann. Raimund Karl Bangor/Gwynedd, 18.6.2019 7 Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht Das österreichische Bundesdenkmalamt [BDA] besteht, wie ich tatsächlich ebenso gut weiß wie jeder andere, tatsächlich seit Jahrzehnten darauf, dass die NFG-Pflicht (streng rechtlich gesehen heißt sie dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 DMSG folgend eigentlich Grabungsgenehmigungspflicht, aber das können wir hier vorerst beiseitelassen) für alle Grabungen und sonstigen Nachforschungen an Ort und Stelle gilt, egal wo in Österreich sie durchgeführt werden sollen. In seinen amtlichen Richtlinien für archäologische Maßnahmen drückte es das bis zur Fassung von 2016 mit aller wünschenswerten Bestimmtheit und Eindeutigkeit wie folgt aus: „Voraussetzung für die Aufnahme jeglicher Grabungstätigkeiten »und sonstiger Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale« (§ 11 Abs. 1 DMSG) ist das Vorliegen eines bewilligenden Bescheides des Bundesdenkmalamtes gemäß § 11 Abs. 1 DMSG.“ (BDA 2016a, 6). Wirklich, was sollte es da noch weiter zu diskutieren geben? Im konkreten Fall drei Erkenntnisse (wie im österreichischen Juristendeutsch Entscheidungen im Instanzenzug der Gerichte des öffentlichen Rechts, d.h. in deutsches Juristendeutsch übersetzt Urteile der Verwaltungsgerichtsbarkeit, genannt werden) der österreichischen Verwaltungsgerichte aus dem Jahr 2017; und zwar zwei des Bundesverwaltungsgerichts ([BVwG]; 1. Instanz, d.h. für Beschwerden gegen Verwaltungsentscheidungen zuständig, z.B. Bescheide einer Behörde) und eines des Verwaltungsgerichtshofes ([VwGH]; 2. Instanz, d.h. für die Revision von z.B. Erkenntnissen der 1. Instanz zuständig). Beide haben sich nämlich jüngst mit der Frage der NFG-Pflicht auseinandergesetzt. BVwG vom 11.9.2017 zu Zahl W183 2168814-1/2E In seinem Erkenntnis vom 11.9.2017 zu Zahl W183 2168814-1/2E hat das BVwG bezüglich einer von mir selbst eingebrachten Beschwerde gegen den Bescheid gem. § 11 Abs. 1 DMSG des BDA vom 13.6.2017, GZ: BDA-61408.obj/0001-ARCHÄO/2017, mittels dessen mir das BDA die Bewilligung zur Durchführung des von mir beantragten Rastersurveys (BDA 2016a, 12) zur Entdeckung von Oberflächenfunden im Garten meiner Eltern in Wien unter zahlreichen Auflagen (darunter die Einhaltung der Richtlinien) erteilt hatte, zu Recht erkannt, dass der von mir bekämpfte Bescheid des BDA wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war. Zur Verfahrensbeschleunigung angesichts völlig eindeutiger Rechtslage hat das BVwG in der Sache entschieden und meinen Antrag auf Erteilung einer NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG zurückgewiesen. Ebenfalls aufgrund völlig eindeutiger Rechtslage wurde die ordentliche Revision gem. § 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz [B-VG] nicht zugelassen. Als entscheidungswesentlich nannte das BVwG die folgenden Gründe: 1. spräche der Gesetzeswortlaut ausdrücklich von Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung von „… Denkmalen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche …“ (§ 11 Abs. 1 DMSG 1999; Hervorhebung: RK), was auf Oberflächenfunde schon allein deshalb nicht zutreffen könne, weil sich diese, wie schon ihr Name (und auch § 8 Abs. 1 DMSG) zweifelsfrei verrät, ganz oder wenigstens teilweise auf der Erdoberfläche befinden. 2. habe bereits der VwGH in seinem Erkenntnis vom 24.6.1985 zu Zl. 84/12/0213 abschließend zu Recht erkannt, dass das Aufsammeln von Oberflächenfunden der Bewilligungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG nicht unterliegen könne. Zwar sei dieses unter der noch etwas anderen Rechtslage des § 11 Abs. 1 DMSG 1978 ergangen; da diese damals aber noch nicht einmal den Beisatz „… unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ der derzeitigen Fassung enthalten habe, 8 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? habe sich die Rechtslage nicht in einer Weise geändert, die den Schluss zulassen würde, dass das Erkenntnis des VwGH aus 1985 inzwischen überholt sei. 3. habe der VwGH auch in seinem Erkenntnis vom 23.2.2017 zu Zl. Ro2016/09/0008 ebenfalls zu Recht erkannt, dass die NFG-Pflicht an die Voraussetzung geknüpft sei, dass am Ort der Untersuchung zumindest Bodenfunde vermutet werden würden, was im gegenständlichen Fall, wie aus meinem ursprünglichen Antrag eindeutig zu entnehmen gewesen sei, ebenfalls nicht gegeben war. Für den konkreten Fall zog das BVwG aus diesen Gründen den Schluss, „… dass der gegenständliche Antrag keiner Bewilligungspflicht nach § 11 Abs. 1 DMSG unterliegt“ (BVwG 11.9.2017, W183 2168814-1/2E, 4; Hervorhebung: RK). Es führte weiter aus, dass, obwohl meinem Antrag stattgegeben worden sei, ich dadurch insofern beschwert worden wäre, als mir „die beabsichtigte Maßnahme unter zahlreichen Auflagen erteilt wurde. Auflagen können aber nur dann erteilt werden, wenn die beabsichtigte archäologische Maßnahme grundsätzlich einer Bewilligungspflicht i.S.d. § 11 Abs. 1 DMSG unterliegt“ (ibid., 5). Seine Spruchbegründung zur Frage der Anwendbarkeit der NFG-Pflicht auf den konkreten Fall schloss das BVwG wie folgt: „Das Bundesverwaltungsgericht gelangt somit abschließend zu dem Ergebnis, dass dem angefochtenen Bescheid Rechtswidrigkeit i.S.d. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anzulasten ist …“ (ibid.; Hervorhebung: RK). Es schaut also so aus, als ob es mit der vom BDA in seinen amtlichen Richtlinien postulierten NFGPflicht für Begehungen (BDA 2016a, 11-2) nicht allzu weit her sein würde; wie ich es der Behörde übrigens jetzt schon seit geraumer Zeit zu erklären versuche, nicht zuletzt aus den beiden zuerst vom BVwG genannten entscheidungswesentlichen Gründen. Zugegebenermaßen ist die korrekte Auslegung gesetzlicher Bestimmungen nicht die einfachste aller Übungen, deren korrekte Erledigung daher einem bloßen Hobbyjuristen und Hobbyarchäologen (Karl 2017a) wie mir nicht unbedingt zugetraut werden kann; bloß, weil ich Universitätsprofessor für Archäologie und Denkmalwissenschaft (oder wie auch immer man Professor of Archaeology and Heritage gerne übersetzen möchte) bin und für meinen Brotberuf neben dem Doktoratsstudium eine juristische Ausbildung erhalten habe, weil ich als Rechtsfürsorger unter anderem mit kleiner Vertretungsbefugnis Mandanten vor Gericht zu vertreten hatte. Solche Dilettanten glauben dann doch glatt, dass bloß, weil sie lesen können, dass der Gesetzeswortlaut explizit die NFG-Pflicht auf Nachforschungen nach unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche gelegenen Gegenständen beschränkt und die abschließende höchstgerichtliche Judikatur zu genau dieser Rechtsfrage die Anwendbarkeit der gesetzlichen NFG-Pflicht auf Aufsammlungen von Oberflächenfunden explizit ausschließt, auch tatsächlich die NFG-Pflicht für Aufsammlungen von Oberflächenfunden nicht gilt. Dabei ist das doch völlig absurd, weil wir schließlich alle besser wissen, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG, wie es uns das BDA schließlich in seinen amtlichen Richtlinien gesagt hat, für jegliche „Grabungstätigkeiten“ und sonstige „Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale« (§ 11 Abs. 1 DMSG)“ (BDA 2016a, 6) gilt. Weil im Gegensatz zu Dilettanten wie mir weiß man im BDA, wo man den Gesetzestext zu lesen aufhören muss, damit er das sagt, was uns auch aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht recht ist. Dummerweise ist aber, was uns recht ist, scheinbar trotzdem nicht Recht, sondern vielmehr, wenigstens in diesem Fall, leider rechtswidrig. Wirklich, so ein dummes Gesetz! Und erst all das dumme juristische Geschwätz! Schwamm drüber, machen wir einfach weiter, als ob nichts geschehen wäre, weil wir wissen schließlich alle, was richtig ist, auch wenn es nicht Recht sein sollte. Weil wir schon beim einfach Weitermachen, als ob nichts geschehen wäre, sind, da war ja auch noch Punkt 3 der Entscheidungsbegründung des BVwG. Was hat es eigentlich damit auf sich? 9 Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht VwGH vom 23.2.2017 zu Zahl Ro 2016/09/0008 In seinem Erkenntnis vom 23.2.2017 zu Zahl Ro 2016/09/0008 (den vollständigen Text siehe hier: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Vwgh/JWT_2016090008_20170223J00/JWT_2016090008_20 170223J00.pdf) hat der VwGH in einem – durch eine Anzeige des BDA gegen einen unbewilligte Ausgrabungen in einer prähistorischen Kupferbergbauhalde durchgeführt habenden citizen scientist ausgelösten – Fall zu Recht erkannt, dass „[u]nabdingbare Voraussetzung für die Anwendung des DMSG ist, dass ein Denkmal vorliegt (§ 1 Abs. 1 DMSG) bzw. im Falle des § 11 Abs. 1 DMSG, dass zumindest Bodenfunde vermutet werden“ (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4). Spezifischer erfordert die Annahme der Zweckgerichtetheit der Nachforschung dem VwGH zufolge „bei einer bezweckten Entdeckung“ sogar wenigstens, dass „eine konkrete Vermutung oder Wahrscheinlichkeit für ein Vorhandensein bzw. Auffinden denkmalschutzrelevanter Gegenstände gegeben“ (ibid.) ist. Er nennt auch beispielhaft Anhaltspunkte, die eine derartige konkrete Vermutung begründen können, nämlich „z.B. wissenschaftliche Befunde und Gutachten geeigneter Sachverständiger oder andere allgemein zugängliche Quellen bzw. auch ein laufendes Unterschutzstellungsverfahren“ (ibid.). Zu diesem Erkenntnis gelangt der VwGH letztendlich, weil er seiner abschließenden Auslegung der Bestimmungen des DMSG ganz allgemein und des § 11 Abs. 1 DMSG speziell eine teleologische, d.h. an der Zielsetzung des Denkmalschutzes orientierte, Interpretation (ibid., 3) der gesetzlichen Bestimmungen zugrunde legt. Glücklicherweise ist das Ziel des Denkmalschutzes wieder etwas, was wir alle wissen, nämlich iSd § 1 Abs. 1 DMSG die Bewahrung der Denkmale „vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland“ (§ 1 Abs. 1 DMSG). Nicht wahr? Dummerweise ist dem nicht ganz so. Es stimmt natürlich schon, dass das Ziel des Denkmalschutzes die Bewahrung der Denkmale ist. Aber der Denkmalschutz ist keine Person, die irgendwelche Ziele haben kann. Die Frage nach dem Ziel des Denkmalschutzes ist also unbeantwortbar, solange man nicht weiß, wer dieses Ziel denn definiert hat und wie er es definiert hat. Man könnte jetzt natürlich argumentieren, dass das eine Frage ist, deren Beantwortung man am besten den ExpertInnen, also uns überlassen sollte, weil schließlich wissen wir am besten, was gut und richtig für die Erhaltung der Denkmale ist. Das ist auch das, was wir gerne hätten; und von dem wenigstens manche von uns auch glauben, dass es sich so verhält. In diesem Zusammenhang unpraktischerweise für uns leben wir jedoch nicht in einer Meritokratie, in der die, die am besten wissen, was gut und richtig ist, autokratisch entscheiden können, was z.B. das Ziel des Denkmalschutzes ist. Vielmehr leben wir in repräsentativen Demokratien, in denen solche Entscheidungen nicht von uns, sondern vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber in Form seiner Gesetzgebung, festgelegt werden. Die Frage nach dem Ziel des Denkmalschutzes ist also letztendlich die Frage nach dem Ziel, das der Gesetzgeber durch die Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes zu erreichen versucht. Das hat er glücklicherweise auch definiert, indem er gleich im ersten Satz des ersten Paragrafen des DMSG sowohl den Begriff Denkmale definiert als auch den Geltungsbereich des DMSG bestimmt hat. Dieser erste Satz lautet, vollständig zitiert: „Die in diesem Bundesgesetz enthaltenen Bestimmungen finden auf von Menschen geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände (einschließlich Überresten und Spuren gestaltender menschlicher Bearbeitung sowie künstlich errichteter oder gestalteter Bodenformationen) von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung („Denkmale“) Anwendung, wenn ihre Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist.“ (§ 1 Abs. 1 DMSG; Hervorhebung: RK) 10 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Das Ziel, das der demokratisch legitimierte österreichische Gesetzgeber mit dem DMSG zu erreichen versucht, ist also nicht etwa, alle Denkmale iSd Begriffsdefinition des § 1 Abs. 1 zu erhalten. Vielmehr ist das Ziel, das er zu erreichen versucht, die Denkmale zu erhalten, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist. Der Gesetzgeber hat auch bestimmt, welche Kriterien dafür ausschlaggebend sind, ob ein öffentliches Interesse an der Erhaltung von Denkmalen besteht, nämlich in § 1 Abs. 2 DMSG; und auch wodurch dieses öffentliche Interesse rechtswirksam wird, nämlich durch Unterschutzstellung eines Denkmals in einem in § 1 Abs. 4 DMSG genannten Verfahren. Er hat auch in der Regierungsvorlage zum DMSG 1999 vernünftig erklärt, was das Grundprinzip ist, das dem DMSG zugrunde liegt: „Das Denkmalschutzgesetz ging von vornherein von einer klaren Beschränkung durch wissenschaftlich überlegte Auswahl aus. Nur in dieser Beschränkung kann der Denkmalschutz auch jene Effizienz entfalten, deren er bei einer zu großen Anzahl von Unterschutzstellungen verlustig gehen würde. Aus diesem Grund ist es eine der schwierigsten Aufgaben des Bundesdenkmalamtes, jene Auswahl in jenem Umfang für die Unterschutzstellungen zu treffen, die vom Fachlichen her erforderlich ist und vom Administrativen her bewältigt werden kann.“ (RV 1999, 39). Das spricht nicht gerade dafür, dass der Gesetzgeber mit dem DMSG das Ziel verfolgt hat, ganz Österreich zu einem archäologischen Nachforschungsschutzgebiet zu erklären, in dem man nicht ohne Bewilligung des BDA nach Gegenständen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche suchen darf, die zwar vielleicht so bedeutend sein könnten, dass Ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen wäre, aber es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht sind und noch dazu so gut wie nirgendwo tatsächlich vorkommen. Das trifft umso mehr zu, als er diese Erklärung in seinen Erläuterungen zu § 1 Abs. 5 DMSG abgibt, in dem er bestimmt, wie zu entscheiden ist, ob überhaupt ein öffentliches Interesse an der Erhaltung eines Denkmals besteht. Dieser Paragraf ist noch dazu auch die Stelle, an welcher der Gesetzgeber bestimmt, wie mit Denkmalen zu verfahren ist, die noch nicht ausreichend erforscht sind, wie das „insbesondere bei nicht ausgegrabenen Bodendenkmalen“ (§ 1 Abs. 5 DMSG) der Fall ist. Bei solchen noch unzureichend erforschten Denkmalen gestattet er für die Unterschutzstellung ein geringeres als das normalerweise anzulegende Beweismaß der Sicherheit; nämlich die bloße Wahrscheinlichkeit aufgrund des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes, dass die für die Unterschutzstellung erforderlichen Fakten gegeben sind; macht ihre Unterschutzstellung also leichter, als sie es normalerweise wäre. Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber in der Novelle des DMSG 1990 (damals als § 1 Abs. 2 DMSG) eingeführt; und zwar aus einem ganz bestimmten Grund: als österreichische Lösung, um die sich aus der von Österreich bereits 1974 ratifizierten Londoner Konvention (Europarat 1969) ergebende Verpflichtung zur Einführung von Grabungsschutzgebieten bzw., wie das in der Diktion der Regierungsvorlage zum DMSG 1990 ausgedrückt wurde, von „Fundhoffnungsgebieten“ (RV 1990, 102) zu erfüllen. Natürlich können Denkmale, ob nun schon ausreichend oder noch unzureichend für eine normale Unterschutzstellung erforscht, nicht einfach durch Zuruf unter Denkmalschutz gestellt werden. Vielmehr bedarf es für die Unterschutzstellung eines Denkmals, wenn man es so ausdrücken möchte, konkreter Hinweise, dass sie von derart beschaffener Bedeutung sind, dass ihre Erhaltung tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist. Selbst bei noch unzureichend erforschten Denkmalen wíe noch nicht ausgegrabenen Bodendenkmalen reicht trotz des geringeren Beweismaßes die bloße Tatsache, dass irgendwo irgendwelche alten Scherben am Boden herumliegen, dafür nicht aus. Es reicht auch z.B. keineswegs dafür aus, dass diese schon dem BDA gemeldet und von diesem z.B. in den 11 Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht Fundberichten aus Österreich [FÖ] veröffentlicht wurden. Vielmehr bedarf es zur Feststellung der wenigstens erforderlichen Wahrscheinlichkeit, dass aufgrund des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes die für eine Unterschutzstellung eines Fundhoffnungsgebiets notwendigen Fakten gegeben sein dürften, wenigstens eines hinreichenden Beweises. Die Form für einen solchen ist die der einen wissenschaftlichen Befund und ein Gutachten enthaltende Bewertung der in der Fachwelt vorherrschenden Bedeutung des Denkmals durch einen geeigneten Sachverständigen, vorzugsweise einen Amtsgutachter (Bazil et al. 2015, 22-3). Sie sehen hier vielleicht ebenso wie ich ein gewisses Muster. Konkrete Erwartung – Fundhoffnung. Wahrscheinlichkeit – geringeres Beweismaß als sonst erforderlich. Nicht ausgegrabene archäologische Fundstellen bzw. Bodendenkmale – konkrete Hinweise, Gutachten, Sachverständige. Laufende Unterschutzstellungsverfahren – Unterschutzstellung. Unterschutzstellung. Man kann natürlich mit etwas juristischer Brachialgewalt und etwas Mühsal jetzt versuchen, dieses Muster aufzusprengen. Das sind ja alles nur irgendwelche Spitzfindigkeiten! Beschränken wir uns lieber auf konkrete Fakten: in § 11 Abs. 1 DMSG steht, dass die Suche zur Entdeckung von Bodendenkmalen vom BDA bewilligt werden muss; Bodendenkmale sind gem. § 8 Abs. 1 DMSG Sachen, die den Beschränkungen des DMSG unterliegen könnten. Bevor man sie nicht ordentlich untersucht hat, weiß man ja von keiner Sache, ob sie nicht doch ein von Menschen geschaffener Gegenstand von geschichtlicher oder sonst irgendeiner Bedeutung ist. Es könnte daher also jede Sache den Beschränkungen des DMSG unterliegen. Und vermuten, dass irgendwelche Sachen am oder im Boden gefunden werden könnten, muss man schließlich überall. Damit kann man dieses Erkenntnis des VwGh doch irgendwie so auslegen, dass ganz Österreich ein Fundhoffnungsgebiet ist, das zwar nicht unter Denkmalschutz steht, aber trotzdem ein Nachforschungsschutzgebiet ist. Ha! Nein, kann man leider nicht. Eventuell, mit viel Fantasie und noch viel mehr Bauchweh, kann man das hier besprochene Erkenntnis des VwGH extrem großzügig so auslegen, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG schon dadurch ausgelöst wird, dass über an einem bestimmten Ort vorkommende Funde bereits eine Fundmeldung in den FÖ erschienen ist. Schließlich bestimmt ja § 11 Abs. 7 DMSG, dass das BDA alle bei ihm eingegangenen, wissenschaftlich relevanten, Fundmeldungen in den FÖ veröffentlichen muss. Eine Sache, die archäologisch wissenschaftlich relevant ist, hat schließlich jedenfalls eine geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung und ist damit wohl wenigstens tatsächlich ein Denkmal iSd § 1 Abs. 1 DMSG; wenn auch noch lange keines, das von derart beschaffener Bedeutung ist, dass seine Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist. Es ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich, dass diese extrem großzügige Interpretation des Erkenntnis des VwGH zutrifft. Weitaus wahrscheinlicher ist in Anbetracht des durch die Bestimmungen des § 1 Abs. 1, 2, 4 und 5 und den zugehörigen Erläuterungen in den Regierungsvorlagen (RV 1990, 10-2; 1999, 39) doch recht eindeutig erkennbaren Willens des Gesetzgebers, dass die Bestimmungen des DMSG nur auf solche Denkmale anzuwenden sein sollen, deren Erhaltung im durch Unterschutzstellung rechtswirksam werdenden öffentlichen Interesse gelegen ist, wobei bei noch nicht ausgegrabenen archäologischen Denkmalen das für die Unterschutzstellung erforderliche Beweismaß geringer als sonst angesetzt ist, dass auch das Erkenntnis des VwGH weit enger interpretiert werden muss. Eine solche strengere Interpretation würde bedeuten, dass alle Bestimmungen des DMSG, auch jene des § 11 Abs. 1, überhaupt nur auf geschützte oder sich in einem laufenden Unterschutzstellungsverfahren befindliche Denkmale anwendbar sind. Das würde jedoch bedeuten, dass die Rechtslage in Österreich in Bezug auf NFG-Pflichten keineswegs auch nur annähernd der in Deutschland entspricht, wo, wie wir ja alle wissen, alle Nachforschungen 12 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? zur Entdeckung von Bodendenkmälern einer Bewilligung durch die zuständige Denkmalbehörde bedürfen. Vielmehr entspräche die österreichische Rechtslage nahezu exakt jener in England und Wales, wo bekanntermaßen eine Bewilligung für archäologische Nachforschungen nur dann erforderlich ist, wenn sie ein durch einen separaten Verwaltungsakt geschütztes Denkmal betreffen (siehe Cookson 2000, 63-205; Schofield et al. 2011, 84-8). Was aber jedenfalls klar ist, ist, dass, selbst wenn man dieses Erkenntnis des VwGH so großzügig wie nur irgend möglich auslegt, es immer noch jedenfalls ausschließt, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auf das ganze österreichische Bundesgebiet anwendbar ist, wie es das BDA jetzt seit Jahrzehnten steif und fest behauptet und in seinen amtlichen Richtlinien auch schriftlich festgestellt hat (BDA 2016a, 6). Selbst bei der großzügigsten Lesung gestattet dieses Erkenntnis nicht mehr, als die NFG-Pflicht auf jene archäologischen Fundstellen anzuwenden, über die bereits Fundberichte in den FÖ publiziert wurden. Das dürften, nachdem dem BDA derzeit ca. 52.000 (Farka 2008, 10; bzw. sogar nur 19.550, Picker et al. 2016, 285) archäologische Fundstellen bekannt sind, jedenfalls nicht mehr als das sein. Nimmt man für jede davon eine durchschnittliche Fläche von einem Hektar an, bedeutet das, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG gerade einmal auf ca. 0,5% der österreichischen Gesamtbodenfläche anwendbar ist. Wenn die strengere Lesung zutreffen sollte, sind es sogar nur ca. 0,01%. Auf die restlichen Bodenflächen Österreichs ist die NFG-Pflicht des § 11 DMSG hingegen nicht anwendbar. Und damit meine ich: gar nicht anwendbar. Man darf auf diesen restlichen Bodenflächen also nicht nur sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle durchführen, sondern auch graben, um unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche bzw. dem Grund unter Wasser liegende Gegenstände zu entdecken, ganz ohne irgendeine Genehmigung durch das BDA dafür zu benötigen. Und zu diesen restlichen Bodenflächen in Österreich, wo jeder, der es will, frei nach Herzenslust Grabungen und sonstige Nachforschungen durchführen darf, ob es jetzt nur ca. 99,5 oder gar 99,99% sind, gehört auch der Garten meiner Eltern in Wien. Gut ist es gegangen, nichts ist geschehen!?! Aber ist nicht das Erkenntnis des VwGH schon am 23.2.2017 ergangen? Wurde mein Antrag auf Bewilligung eines Surveys zur Aufsammlung von Oberflächenfunden im Garten meiner Eltern in Wien nicht erst am 10.4.2017 gestellt? Man muss sich tatsächlich die Frage stellen, wie das zusammengeht. Immerhin gab es gleich drei völlig offensichtliche Gründe, weshalb mein Antrag vom 10.4.2017 vom BDA in Ermangelung einer bestehenden gesetzlichen NFG-Pflicht für die von mir beantragten archäologischen Maßnahmen wegen Unzuständigkeit der Behörde zurückgewiesen hätte werden müssen: den Wortlaut des Gesetzes selbst, das Erkenntnis des VwGH vom 24.6.1985 zu Zl. 84/12/0213, das die Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG auf Oberflächenfundaufsammlungen ausdrücklich ausgeschlossen hatte und das Erkenntnis des VwGH vom 23.2.2017 zu Zl. Ro 2016/09/0008, das die Anwendbarkeit der gesetzlichen NFG-Pflicht auf Maßnahmen auf Bodenflächen, auf denen keine durch Evidenz begründete Vermutung für das Vorkommen bedeutender Bodendenkmale besteht, ebenfalls ausdrücklich ausgeschlossen hatte. Insbesondere das letztgenannte Erkenntnis war zum Zeitpunkt des Eintreffens meines Antrags beim BDA am 10.4.2017 gerade einmal 46 Kalendertage alt; und es muss – ob seiner Implikationen für die Handhabungspraxis der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG durch das BDA – zu diesem Zeitpunkt bereits sowohl allen FachbeamtInnen der Abteilung für Archäologie des BDA als auch der Rechtsabteilung des BDA bekannt gewesen sein. Denn seine Implikationen für die Spruchpraxis der Abteilung für 13 Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht Archäologie sind wenigstens bedeutend, wenn nicht sogar massiv: nicht nur folgt, wie oben ausgeführt, aus diesem Erkenntnis zwingend, dass die NFG-Pflicht für archäologische Maßnahmen auf Bodenflächen, von denen noch keine Hinweise auf das Vorkommen von Bodenfunden bekannt sind, nicht anwendbar ist. Es folgt daraus vielmehr ebenso zwingend, dass das BDA diese NFG-Pflicht auf Maßnahmen auf derartigen Bodenflächen nicht anwenden darf. Denn als Verwaltungsbehörde des Bundes ist es, wie alle anderen Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung in Österreich auch, an das Legalitätsprinzip der österreichischen Bundesverfassung gebunden: „Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden.“ (Art. 18 Abs. 1 B-VG). Gerade weil dies bedeutet, dass die zuständigen BeamtInnen im BDA, die über NFG-Anträge zu entscheiden haben, ihre Entscheidungspraxis im Vergleich zur vorher vom BDA geübten radikal umstellen müssen, kann es nicht sein, dass sie dieses Urteil nicht kannten. Nämlich sogar, wenn sie es tatsächlich nicht gekannt haben sollten: als FachbeamtInnen mit der Befugnis zu hoheitlichem Verwaltungshandeln haben sie selbstverständlich für jene Aufgaben, in denen sie zur Ausübung der staatlichen Exekutivgewalt befugt sind, über besonderen Sachverstand zu verfügen. Nachdem sie die Staatsgewalt ausüben, müssen sie auch wissen, wie sie diese rechtlich korrekt auszuüben haben. Denn tun sie das nicht, sondern gehen so grob fehlerhaft vor, dass ihr Vorgehen auf eine Stufe mit Gesetzeslosigkeit zu stellen ist; z.B. indem sie die Rechtslage „in besonderem Maß“, „gehäuft“, „krass“ oder „völlig“ verkennen oder ein Gesetz in denkunmöglicher Weise anwenden; stellen ihre Handlungen wenigstens objektive Willkür, wenn nicht sogar – wenn sie das Gesetz vorsätzlich falsch angewendet haben sollten – subjektive Willkür dar (Berka 1999, 546-7). Nun hatte ich jedoch in meinem Antrag vom 10.4.2017 und dem damit verbundenen, deutlichen und mit ausführlichen Erklärungen versehenen Begleitschreiben an den Leiter der Abteilung für Archäologie des BDA (alle Fallunterlagen finden Sie bei Interesse hier: https://www.academia.edu/34666435/BVwG_11.9.2017_W_183_2168814-1_2E) nicht nur alle offensichtlich eine Anwendbarkeit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auf meinen Antrag ausschließenden Gründe explizit ausgeführt, sondern auch ganz explizit und unter Anführung konkreter Hinweise festgestellt, dass auf der geplanten Untersuchungsfläche nicht nur kein Vorkommen irgendwelcher bedeutenden Bodenfunde, sondern nicht einmal ein Vorkommen irgendwelcher Bodenfunde zu vermuten sei. Immerhin handelte es sich bei der beantragten Untersuchungsfläche um den Garten meiner Eltern in Wien, d.h. ein teilweise mit verschiedenen wohl gepflegten Gartenpflanzen und teilweise ebensolchem Rasen bewachsenes Grundstück. Wenn also nicht zufällig meine Cousins und Cousinen, die dort gelegentlich spielen, irgendwelches Spielzeug verloren haben sollten, liegen dort nicht einmal verlorene oder vergessene, von Menschen geschaffene oder gestaltend veränderte, Gegenstände herum, geschweige denn irgendwelche Bodendenkmale, die „lediglich durch Ereignisse wie Regen, Pflügen oder dergleichen zufällig teilweise oder vollständig an die Oberfläche gelangten“ (§ 8 Abs. 1 DMSG). Es muss also den zuständigen FachbeamtInnen des BDA in Anbetracht des völlig eindeutigen Gesetzeswortlauts, der ebenso eindeutigen höchstgerichtlichen Judikatur zu den in diesem Fall relevanten Rechtsfragen und den in meinem Antrag und Begleitschreiben explizit dargelegten Eigenheiten des konkreten Einzelfalls vollkommen klar und für diese offensichtlich erkennbar gewesen sein, wie dieser Fall rechtlich korrekt zu entscheiden war. Nicht nur das, ich hatte sie sogar in meinem Begleitschreiben explizit dazu aufgefordert, meinen Antrag wegen Unzuständigkeit der Behörde infolge des Nichtbestehens einer NFG-Pflicht für die von mir beantragte archäologische Maßnahme zurückzuweisen; genau wie es abschließend das BVwG dann auch tatsächlich getan hat. Einfacher kann man es für Denkmalfachbeamte nicht mehr machen, eine Entscheidung in einer Rechtsfrage, in 14 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? der sowohl die Rechtslage als auch der entscheidungswesentliche Sachverhalt vollkommen klar sind, richtig zu treffen. Selbst ein normal entwickelter Dreijähriger hätte es unter diesen Voraussetzungen problemlos schaffen müssen, zu erkennen, dass ein rechteckiger Klotz nicht in ein rundes Loch passen kann, sondern er, wenn er ihn einsortieren muss, auch tatsächlich in das rechteckige Loch stecken muss, in das er auch passt. Das BDA hat also im konkret betroffenen Einzelfall jedenfalls wenigstens objektive Amtswillkür geübt. Es hat die Rechtslage so völlig verkannt, dass sein Vorgehen in diesem Fall tatsächlich auf einer Stufe mit Gesetzeslosigkeit stand. Statt dass man einfach das getan hat, was in diesem Fall angebracht gewesen wäre, nämlich einfach das eindeutige Gesetz so anzuwenden, wie es offensichtlich vom Gesetzgeber vorgesehen war, hat man im BDA – trotzdem maximal ein paar Wochen, eventuell sogar erst ein paar Tage zuvor ein neues Erkenntnis des VwGH bei dieser Behörde eingegangen war, das es noch mehr als je zuvor erforderlich machte, den eckigen Klotz in ein eckiges Loch zu stecken – ob nun bewusst oder unterbewusst beschlossen, das Erkenntnis des VwGH vom 23.2.2017 einfach ebenso zu ignorieren wie schon zuvor den Wortlaut des Gesetzes und das Erkenntnis des VwGH vom 24.6.1985; und einfach so zu tun als ob nichts geschehen wäre, was irgendeine Veränderung des Verwaltungshandelns der Behörde erforderlich machen würde. All das noch dazu in einem Fall, in dem es für das BDA und die archäologische Denkmalpflege absolut überhaupt nichts zu gewinnen gab: der Fall war ein Testfall und dem BDA in meinem Begleitschreiben auch ganz explizit als solcher angekündigt. Es ging darin auch nie um die tatsächliche Durchführung der beantragten archäologischen Maßnahmen, die noch dazu völlig ungefährlich für irgendwelche tatsächlich existierenden archäologischen Denkmale gewesen wären, sondern überhaupt nur um eine Überprüfung des Verwaltungshandelns des BDA in dieser Angelegenheit. Es war noch dazu ein Testfall, in dem ob der eindeutigen Rechtslage und Judikatur nie auch nur die geringste Aussicht bestand, dass ihn das BDA tatsächlich gewinnen könnte. BVwG vom 19.9.2018, W 195 2197506-1/11E Aber selbst damit war es noch nicht getan. Denn das BDA änderte zwar infolge der Niederlage vor dem BVwG den Anwendungsbereich seiner Richtlinien, allerdings so unmaßgeblich und vor allem so intransparent formuliert, dass dadurch der Eindruck erweckt wird, als ob sich in Wirklichkeit überhaupt nichts geändert hätte. Der relevante Satz, mit dem das BDA nunmehr den Normunterworfenen erklärt, unter welchen Voraussetzungen sie eine Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG beantragen müssen, lautet nun: „Voraussetzung für die Aufnahme bewilligungspflichtiger archäologischer Tätigkeiten ist das Vorliegen eines bewilligenden Bescheides des Bundesdenkmalamtes gemäß § 11 Abs. 1 DMSG.“ (BDA 2018, 6). Na echt jetzt? Damit man bewilligungspflichtige Handlungen durchführen darf, braucht man eine Bewilligung der zuständigen Behörde? Auf die Idee wäre ich nie gekommen, und sicher auch kein anderer österreichischer Archäologe! Aber, wenn wir schon dabei sind, unter welchen Voraussetzungen besteht denn jetzt diese Bewilligungspflicht überhaupt? Diese Geltungsbereichsbestimmung ist so intransparent und so unverständlich, wie es nur irgendwie geht: dass man für bewilligungspflichtige Handlungen eine Bewilligung braucht ist selbstverständlich und, inhaltlich gesehen, eine Nullaussage, die den Eindruck erweckt, dass die Adressaten der Richtlinien rechtlich korrekt informiert würden, ohne ihnen auch nur ansatzweise zu erklären, unter welchen (anderen) Voraussetzungen (als bisher) ihre geplante Handlungen der gesetzlichen Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG unterliegen. Blättert man hingegen in der jüngsten 15 Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht Fassung der Richtlinien weiter (BDA 2018, 8-20), stellt man fest, dass das BDA im Vergleich zur vorherigen Fassung (BDA 2016a, 9-21) als einzige maßgeblichere Änderung die früher als Teil der „archäologisch-topografischen Vermessung“ unter den bewilligungspflichtigen Maßnahmen geführte „archäologisch-topografische Geländedarstellung“ nun als nicht bewilligungspflichtig führt. Alles andere schien gleichgeblieben zu sein und das BDA scheinbar weiterhin davon auszugehen, dass alle archäologischen Grabungen und sonstigen Nachforschungen der Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG unterworfen wären. Um zu überprüfen, ob das BDA nun rechtlich korrekt Anträge auf die Erteilung von Grabungsgenehmigungen zurückweisen würde, wo aus den bereits genannten Gründen keine Genehmigungspflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG bestehen kann, stellte ich daher im Jänner 2018 einen weiteren Antrag auf die Bewilligung archäologischer Maßnahmen im Garten meiner Eltern in Wien. Dieser bezog sich nun auf eine Prospektion- und Grabungskampagne, beginnend mit einer systematischen Begehung des Grundstücks mit einem Metallsuchgerät samt Ausflaggung und Einmessung von Signalen, gefolgt von einer magnetometrischen und Bodenradarmessung und schließlich der Ausgrabung eines maximal 10 mal 10 Meter messenden Schnittes in stratigrafischer Grabungsmethode. Dem Antrag beigefügt war neuerlich eine ausführliche, unter anderem auf die zuvor besprochenen Erkenntnisse und die unverändert bestehende Tatsache, dass vom betroffenen Grundstück immer noch keinerlei konkrete Hinweise auf das Vorkommen irgendwelcher denkmalschutzrelevanter Gegenstände vorliegen würden, verweisende Begründung, weshalb für die beantragten Maßnahmen keine Genehmigungspflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG bestehen könne und das BDA den Antrag daher aufgrund seiner Unzuständigkeit zurückzuweisen hätte. Ebenfalls deutlich festgehalten wurde, dass es sich bei dem Antrag um einen Testfall handle, um zu überprüfen, ob das BDA nunmehr entsprechende Anträge gesetzeskonform behandeln würde. Trotzdem erteilte mir das BDA mit Bescheid von 25.4.2018, BDA-61408.obj/0003-ARCH/2018 die beantragte Genehmigung, mit dem es wie üblich – gänzlich ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen – die Einhaltung der Richtlinien (BDA 2018) sowie zahlreiche konservatorische Pflichten als verbindlich einzuhaltende Auflagen verband. Besonders beachtenswert ist dabei, dass diese Auflagen dem Inhaber des Bescheides Verpflichtungen zu aktiven Erhaltungsmaßnahmen für „alle entdeckten Funde“ aufbürden, die nicht einmal dem vollständigen Eigentümer von gemäß §§ 2, 2a bzw. 3 DMSG aufgrund des tatsächlich rechtskräftig festgestellten Bestehens eines öffentlichen Erhaltungsinteresses unter Schutz gestellten Denkmalen aufgetragen werden können oder auch nur zumutbar wären, also weit über die „rein passive Erhaltungspflicht“ hinausgehen, die das DMSG vorsieht und die überhaupt nur deshalb, weil sie nicht „über den an sich schon gegebenen Erhaltungsaufwand“ hinausgehen, vom VfGH als verfassungsrechtlich unbedenklich betrachtet wurden (Bazil et al. 2015, 7). Das BDA hat mir also durch die Verbindung seines Bescheides Belastungen auferlegt, die es mir nicht einmal dann auferlegen hätte dürfen, wenn für meine geplanten Maßnahmen eine Genehmigungspflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG bestanden und sich auf dem betroffenen Grundstück tatsächlich bereits rechtskräftig denkmalgeschützte Gegenstände befunden hätten. Selbstverständlich erhob ich gegen diesen Bescheid neuerlich Beschwerde beim BVwG, das neuerlich vollinhaltlich in meinem Sinne erkannte, dass auch in diesem Fall keine Genehmigungspflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG für die von mir geplanten Handlungen bestand (alle Fallunterlagen finden Sie bei Interesse hier: https://www.academia.edu/38007978/BVwG_19.9.2018_W195_2197506-1_11E). Im Erkenntnis verwies das BVwG neuerlich in aller Deutlichkeit auf das entscheidende Erkenntnis des VwGH vom 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, sowie auf die Tatsache, dass vom betroffenen Grundstück weder bei objektiver Betrachtung konkrete Hinweise auf das Vorkommen denkmalschutzrelevanter 16 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Gegenstände bekannt waren noch ich die subjektive Erwartung gehabt hätte, dass ich trotz Fehlens derartiger Hinweise solche entdecken würde. Es folgte daher auch seiner eigenen Entscheidung bezüglich des gleichen Grundstückes aus dem Vorjahr und hat meinen Antrag auf Erteilung einer NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG aufgrund offensichtlicher Unzuständigkeit der Behörde ebenfalls zurückgewiesen. Dass das BVwG in diesem Fall nur so und nicht anders entscheiden konnte, muss dabei von Vornherein jedem vernünftigen Menschen vollkommen klar gewesen sein: schließlich hatte es bereits in BVwG 11.9.2017, W183 2168814-1/2E, unter Verweis auf VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, festgestellt, dass das Bestehen einer NFG-Pflicht an die Voraussetzung geknüpft sei, dass am Ort der Untersuchung zumindest Bodenfunde vermutet werden würden. Genau diese „unabdingbare Voraussetzung“ (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4) war jedoch im gegenständlichen Fall, wie aus meinem Antrag neuerlich eindeutig zu entnehmen war, wieder völlig eindeutig nicht gegeben. Es war also von Anfang an völlig klar dass, vollkommen egal welche Handlungen ich durchzuführen plante, dafür keine Genehmigungspflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG bestehen konnte. Das BDA hatte mir also neuerlich rechtswidriger Weise einen mich schwer mit Verpflichtungen, die es nicht einmal dem vollständigen Eigentümer eines rechtskräftig unter Schutz stehenden Denkmals auferlegen kann, als verpflichtend einzuhaltenden Auflagen verbundenen Genehmigungsbescheid für überhaupt nicht genehmigungspflichtige Handlungen erteilt, obwohl es wusste oder wenigstens wissen hätte müssen, dass es das überhaupt nicht darf, weil es grob verfassungswidrig ist. Diese Vorgehensweise liegt daher nicht mehr nur im Bereich der objektiven Willkür, sondern man muss davon ausgehen, dass mir die Behörde absichtlich Unrecht angedeihen hat lassen, also tatsächlich subjektive Willkür vorliegt (Berka 1999, 546-7). Hier fällt dem BDA übrigens potentiell etwas auf den Kopf, auf das sich Denkmalämter gerade im Kontext der Anwendbarkeit von denkmalrechtlichen NFG-Pflichten ausnehmend gern berufen: der Eventualvorsatz. Weil es musste in Anbetracht der beiden zuvor besprochenen Erkenntnisse – von denen sich eines sogar auf das gleiche Grundstück wie der zuletzt besprochene Antrag bezog – wissen, dass die Gefahr hoch war, dass sie das Gesetz falsch anwenden und mich daher – insbesondere durch die Erteilung von weit über die von Gesetz für geschützte Denkmale vorgesehenen passiven Erhaltungspflichten hinausgehende Auflagen – in meinen Rechten schädigen könnte. Das hat sie billigend in Kauf genommen und somit eventualvorsätzlich gehandelt. Und da im österreichischen Recht der Eventualvorsatz bei Vorsatzdelikten stets inkludiert ist (§ 5 Abs. 1 StGB), ist das BDA in diesem Fall gefährlich nahe an die Verwirklichung relevanter Straftatbestände herangekommen. Das BDA könnte also echt Glück gehabt haben, dass ich nur den archäologischen Denkmalschutz verbessern will und daher nur Testfälle vor Gericht gebracht habe, in denen es in Wirklichkeit außer um die Klärung der Rechtslage um nichts geht; und vor allem, dass ich meinen KollegInnen im BDA helfen und keinesfalls schaden will. Weil wäre das anders, wer weiß ob der Fall nicht dem für den Bescheid verantwortlichen Organ des BDA einen unfreiwilligen Wechsel auf ein nicht von IKEA vertriebenes Gardinenmodell beschert hätte. Lektionen zur Anwendbarkeit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG Tatsächlich war im zuletzt besprochenen Fall die Rechtslage so eindeutig, dass mich das BVwG in seinem Erkenntnis sogar gewissermaßen dafür gerügt hat, den zu ihm führenden Genehmigungsantrag überhaupt gestellt und somit letztendlich sowohl die Zeit der Behörde als auch des Gerichts verschwendet zu haben: „Da der Beschwerdeführer keinerlei Hinweise darauf hat, dass es im gegenständlichen Gartengrundstück Bodendenkmäler gäbe und auch selbst keine diesbezügliche Erwartungshaltung hat, fehlte dem Antrag auch jeder inhaltliche Substanzwert“ (BVwG 19.9.2018, W 195 2197506-1/11E, 10). Dennoch war es enorm wichtig, dieses Erkenntnis zu erstreiten, denn es 17 Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht lassen sich aus ihm in Verbindung mit den beiden zuvor besprochenen wesentliche Lektionen dazu lernen, unter welchen Voraussetzungen der Anknüpfungstatbestand des § 11 Abs. 1 DMSG erfüllt wird. Daraus lässt sich wiederum genauer ableiten, unter welchen konkreten Umständen in jedem beliebigen Einzelfall für geplante „archäologische Maßnahmen“ die darin geregelte behördliche Genehmigungspflicht besteht; unter welchen eine Genehmigung beantragt werden darf, aber nicht unbedingt beantragt werden muss; und unter welchen überhaupt kein Genehmigungsantrag gestellt werden sollte (bzw. darf), weil dieser so offensichtlich unnötig ist, dass dadurch nur die – nur in sehr beschränktem Maß verfügbare – Zeit des BDA (und, wenn dieses dann auch noch falsch entscheidet und gegen seine Entscheidung Beschwerde erhoben wird, auch des BVwG) nicht verschwendet wird (siehe dazu schon im Detail Karl 2018a). Dass es diese drei Möglichkeiten gibt, liegt daran, dass der Anknüpfungstatbestand des § 11 Abs. 1 auf zwei verschiedene Arten bzw. unter zwei unterschiedlichen Umständen erfüllt werden kann, und natürlich unter gewissen Umständen überhaupt nicht erfüllt wird, was unterschiedliche Folgen hat. Diese drei Möglichkeiten sind: 1) der Anknüpfungstatbestand wird objektiv erfüllt, d.h. es liegen dem Nachforschungen Planenden (im Sinne von VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4) konkrete Hinweise auf das Vorkommen denkmalgeschützter oder wahrscheinlich denkmalschutzwürdiger Gegenstände unter der Erd- bzw. Wasserüberfläche des von geplanten Grabungen oder sonstigen Nachforschungen betroffenen Areals vor und er will diese denkmalschutzrelevanten Gegenstände auch tatsächlich entdecken bzw. untersuchen. Ist dies der Fall, besteht eine behördliche Genehmigungspflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG. 2) der Anknüpfungstatbestand wird nicht objektiv, sondern nur subjektiv erfüllt; d.h. es fehlen konkrete Hinweise auf das Vorkommen denkmalschutzrelevanter Gegenstände vom betroffenen Areal, aber der Nachforschungen Planende hat die subjektive Erwartung, dort dennoch welche zu entdecken und will diese auch entdecken bzw. untersuchen. In diesem Fall hat er (wenn er die weiteren Vorsausetzungen für die Erteilung einer solchen erfüllt, d.h. er eine natürliche Person ist, die einschlägiges Universitätsstudium abgeschlossen hat) das Recht, („präventiv“) eine Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG zu beantragen, ist dazu aber nicht gesetzlich verpflichtet. 3) der Anknüpfungstatbestand wird weder objektiv noch subjektiv erfüllt; d.h. es liegen weder objektive Hinweise auf das Vorkommen denkmalgeschützter oder wahrscheinlich denkmalschutzwürdiger unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche vom von seinen geplanten Grabungen oder sonstigen Nachforschungen betroffenen Areal noch die subjektive Erwartung und/oder der Wille des Nachforschenden vor, bei seinen geplanten Handlungen solche zu entdecken. In diesem Fall hat er weder die Pflicht dazu, eine Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG zu beantragen, noch sollte er eine solche Genehmigung beantragen, um nicht die Zeit der zuständigen Behörde zu verschwenden. Wird in seinem derart gelagerten Fall dennoch ein Antrag gestellt, muss nämlich das BDA jedwede inhaltliche Entscheidung über den Antrag ob der Unzuständigkeit der Behörde verweigern und diesen daher zurückweisen. Die Grabungsgenehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG Wird wie im Fall 1) der Anknüpfungstatbestand des § 11 Abs. 1 objektiv erfüllt, besteht klarerweise eine gesetzliche Genehmigungspflicht für die geplanten archäologischen Maßnahmen: der sie Planende weiß schließlich, dass er, wenn er sie durchführt, aller Voraussicht nach bewegliche und unbewegliche Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche entdecken wird, handelt also im Sinne des Gesetzes und der einschlägigen höchstgerichtlichen Judikatur zweckgerichtet. Derartiges, die Entdeckung und Untersuchung von derartigen Denkmalen bezweckendes Handeln ist aber ohne 18 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Genehmigung des BDA gem. § 11 Abs. 1 DMSG gesetzlich verboten und er muss daher, eher er seine geplanten Handlungen rechtmäßig durchführen kann, die erforderliche Genehmigung beantragen und erteilt bekommen. Eine Genehmigungspflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG besteht jedenfalls, wenn der Grabungen zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung von solchen Planende tatsächlich weiß, dass auf dem von ihm ins Auge gefassten Areal unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche rechtskräftig denkmalgeschützte bzw. wenigstens wahrscheinlich denkmalschutzwürdige, bewegliche und/oder unbewegliche Gegenstände vorkommen (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4). Denn wenn er das tatsächlich weiß, kann er voraussehen, dass er bei seinen geplanten Handlungen den (ohne Vorliegen einer denkmalbehördlichen Genehmigung verbotenen) Taterfolg herbeiführen wird und will diesen daher entweder vorsätzlich herbeiführen oder nimmt sein Eintreten wenigstens eventualvorsätzlich in Kauf. Eine Genehmigungspflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG kann darüber hinaus auch dann bestehen, wenn der auf einem bestimmten Areal Grabungen oder sonstige Nachforschungen Planende zwar nicht tatsächlich weiß, dass dort unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche rechtskräftig denkmalgeschützte bzw. wenigstens wahrscheinlich denkmalschutzwürdige, bewegliche und/oder unbewegliche Gegenstände vorkommen (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4), aber dennoch subjektiv mit der Entdeckung solcher Gegenstände rechnet. Denn auch in diesem Fall beabsichtigt er die Herbeiführung des (ohne Vorliegen einer denkmalbehördlichen Genehmigung verbotenen) Taterfolgs oder nimmt diese zumindest billigend in Kauf und handelt somit eventualvorsätzlich. Leugnet im zuletzt genannten Fall der (mutmaßliche) Täter, bei seinen Handlungen den (verbotenen) Taterfolg herbeizuführen beabsichtigt zu haben, kann seine diesbezügliche Behauptung dann dadurch objektiv überprüft werden, indem ermittelt wird, ob die für das Vorkommen denkmalschutzrelevanter Gegenstände sprechenden, konkreten (objektiven) Hinweise ausreichend öffentlich bekannt bzw. hinreichend leicht zugänglich sind, um davon ausgehen zu können, dass der (mutmaßliche) Täter bei Wahrung der gewöhnlichen Sorgfaltspflicht sie kennen hätte müssen. Hätte er das aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls wissen müssen, kann davon ausgegangen werden, dass er es auch tatsächlich gewusst, eventualvorsätzlich und – wenn er keine Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG beantragt und erteilt bekommen hat – daher auch gem. § 37 Abs. 2 Z 2 strafbar gehandelt hat. In der Praxis bedeutet das, dass eine Grabungsgenehmigungspflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG in Österreich nur besteht, wenn die vom Grabungen oder sonstige Nachforschungen Planenden ins Auge gefasste archäologische Fundstelle entweder bereits rechtskräftig gem. §§ 2a, 3 oder 9 Abs. 3 DMSG unter Denkmalschutz gestellt wurde, ein Unterschutzstellungsverfahren bereits (bekanntermaßen) am Laufen ist bzw. z.B. von der UNESCO als Welterbestätte oder bereits (bekanntermaßen) durch veröffentlichte wissenschaftliche Gutachten als ein mutmaßlich schützenswertes Denkmal ausgewiesen wurde (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4). Das dürften in Österreich derzeit zwischen ca. 1.100 und – wenn es hochkommt – ca. 2.000 archäologischen Fundstellen sein, die insgesamt wohl kaum mehr als 0,1% der österreichischen Landesfläche einnehmen. Die Vorab-Grabungsgenehmigungsmöglichkeit des § 11 Abs. 1 DMSG Fehlen hingegen wie im Fall 2) objektiv konkrete Hinweise auf das Vorkommen rechtskräftig denkmalgeschützter bzw. wenigstens wahrscheinlich denkmalschutzwürdiger, beweglicher und/oder unbeweglicher Gegenstände unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche von einem bestimmten Areal, muss das bei Wahrnehmung seiner behördlichen Aufgaben an das allgemeine Sachlichkeitsgebot (Berka 1999, 504-5, 546-8; Karl 2018b) gebundene BDA (und gegebenenfalls auch die Strafverfolgungsbehörden) zum Schluss gelangen, dass am betroffenen Areal tatsächlich keine denkmalschutzrelevanten Gegenstände vorkommen, weil ihm jedweder sachliche Grund zur 19 Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht Annahme des Gegenteils fehlt. Damit müsste normalerweise aber die – bei Einlangen eines solchen jedenfalls immer erforderliche – Antragsprüfuing schon in ihrem ersten Schritt, nämlich bei der formalen Prüfung, aufgrund der offensichtlich nicht gegebenen Zuständigkeit der Behörde scheitern. Schließlich muss die Behörde unter diesen Umständen zum Schluss kommen, dass eine „[u]nabdingbare Voraussetzung für die Anwendung des DMSG […], dass ein Denkmal vorliegt (§ 1 Abs. 1 DMSG) bzw. im Falle des § 11 Abs. 1 DMSG, dass zumindest Bodenfunde vermutet werden“ (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4) objektiv nicht gegeben ist und daher keine einzige Bestimmung des DMSG zur Anwendung gebracht werden kann, selbstverständlich auch nicht die des § 11 Abs. 1. Kann aber keine Bestimmung des DMSG zur Anwendung gebracht werden, kommt dem BDA keinerlei Entscheidungskompetenz über Antrag zu und es muss sich daher jedweder Entscheidung in der Sache enthalten und den Antrag somit notwendigerweise zurückweisen. Unter den unter 2) genannten Umständen kann dem BDA allerdings dennoch eine Entscheidungskompetenz in der Sache erwachsen. Dies ist dann der Fall, wenn der Grabungen und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle Planende trotz Fehlens objektiver Hinweise auf das Vorkommen von denkmalschutzrelevanten Gegenständen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche des betroffenen Areals diese mit der Absicht und der subjektiven Erwartungshaltung (BVwG 19.9.2018, W 195 2197506-1/11E, 10), dennoch welche zu entdecken, durchführen will. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn die planende Person ein professioneller Archäologe ist, der aufgrund von ihm selbst oder KollegInnen erstellten wissenschaftlichen Prognosen oder durchgeführten Untersuchungen zum Schluss gelangt ist, dass trotz bisherigen Fehlens objektiver Hinweise auf deren Vorkommen an dem konkret betroffenen Ort dennoch unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche denkmalschutzrelevante Gegenstände vorkommen dürften und diese wissenschaftliche Hypothese nun durch Grabungen oder sonstige Nachforschungen überprüfen möchte. Die Gründe dafür, dass der Betreffende diese Hypothese aufgestellt hat, können dabei mannigfaltig sein: So z.B. kann er in historischen Quellen Hinweise darauf gefunden haben, die es seiner Ansicht nach wahrscheinlich erscheinen lassen, dass am betroffenen Ort ein besonders bedeutendes geschichtliches Ereignis stattgefunden hat, das aufgrund seiner Natur mutmaßlich archäologische Spuren im Boden hinterlassen hat. Das könnte z.B. eine Richtstätte sein, auf der im Boden Überreste von Galgen oder anderen Hinrichtungseinrichtungen und die Überreste verscharrter Hingerichteter zu erwarten sind; oder ein bislang nicht genau lokalisiertes historisches Schlachtfeld, auf dem im Boden sowohl im Schlachtgeschehen verlorengegangene bewegliche Gegenstände als auch Stellungen und natürlich eventuell auch die Überreste von in der Schlacht Gefallenen zu erwarten sind. Oder er kann durch Anwendung prognostischer archäologischer Methoden, wie z.B. Computersimulationen, GIS-Analysen etc. zum Schluss gekommen sein, dass an einem bestimmten Ort mit bedeutenden archäologischen Überresten zu rechnen ist. So z.B. kann sich auf diese Art die genaue Lage noch „fehlender“ römischer Straßenstationen, der Verlauf von (wichtigeren) Altstraßen etc. vorhersagen lassen, auch wenn von dem prognostizierten Ort noch keinerlei konkrete Hinweise auf das dortige tatsächliche Vorkommen von denkmalschutzrelevanten Gegenständen im Boden vorliegen. Will nun der betreffende Wissenschafter seine Hypothese einer wissenschaftlichen Überprüfung unterwerfen, d.h. durch Durchführung von Grabungen bzw. sonstigen Nachforschungen an Ort und Stelle einen Falisfikationsversuch (Popper 1994, 3-22) unternehmen, hat er selbstverständlich die subjektive Erwartung, dass er denkmalschutzrelevante Gegenstände finden wird, auch wenn von dort 20 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? noch gar keine objektiven Hinweise auf deren tatsächliches Vorkommen bekannt sind. Ob seine Hypothese allerdings tatsächlich zutrifft oder nicht, lässt sich in Ermangelung konkreter Hinweise, die für ihr Zutreffen sprechen, bis zu ihrer Überprüfung durch Grabungen bzw. sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke ihrer Entdeckung nicht beurteilen. Daher lässt sich bis dahin auch nicht beurteilen, ob die für eine Unterschutzstellung erforderlichen Fakten auf Grund des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes wenigstens wahrscheinlich sind, und somit auch kein öffentliches Interesse an der Erhaltung irgendwelcher (dort schließlich bloß hypothetisch vorkommen könnender, potentiell denkmalschutzrelevanter) Gegenstände feststellen. Der seine Hypothese überprüfen wollende Wissenschafter bedarf daher für seine geplanten Grabungen bzw. sonstigen Nachforschungen auch keinerlei Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG durch das BDA. Schließlich kann seine Hypothese völlig falsch sein und an der betreffenden Stelle überhaupt keine archäologischen Überreste, geschweige denn irgendwelche denkmalschutzwürdigen Gegenstände, im Boden vorkommen; sei es, weil es dort nie welche gab oder, wenn doch, sie dort inzwischen völlig zerstört wurden; oder sei es, wenn dort tatsächlich irgendwelche archäologischen Überreste im Boden vorkommen, dass diese nicht von derart beschaffener Bedeutung sind, dass ihre Erhaltung iSd § 1 Abs. 1-2 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen wäre. Und nachdem das BDA normalerweise davon ausgehen müsste, dass seine Hypothese falsch ist, weil schließlich jedweder objektive Grund für die Annahme des Gegenteils fehlt, müsste es seinen Antrag zurückweisen. Das würde nun allerdings ein bedeutendes praktisches Problem verursachen, wenn sich, trotzdem zuvor keine konkreten Hinweise auf ihr Zutreffen vorlagen, die Hypothese des Wissenschafters bei ihrer Überprüfung durch Grabungen bzw. sonstige Nachforschungen am prognostizierten Ort bestätigt, d.h. dort tatsächlich bewegliche und unbewegliche Gegenstände von derart beschaffener Bedeutung entdeckt werden, dass deren Erhaltung iSd § 1 Abs. 1-2 im öffentlichen Interesse gelegen ist oder wenigstens offensichtlich im öffentlichen Interesse gelegen sein könnte. Denn die derartigen an Ort und Stelle entdeckten, beweglichen und unbeweglichen Gegenstände sind dann rechtlich als Zufallsfunde von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG zu betrachten und zu behandeln, samt aller sich daraus ergebenden Rechtsfolgen. Das würde aber bedeuten, dass der Wissenschafter, der seine Hypothese durch seine Grabungen bzw. sonstigen Nachforschungen an Ort und Stelle zu überprüfen versucht, gem. § 8 Abs. 1 DMSG die entdeckten Bodendenkmale unmittelbar, spätestens jedoch am dem Tag der Auffindung folgenden Werktag, dem BDA anzuzeigen hätte. Er würde dadurch des Weiteren gem. § 9 Abs. 1 DMSG dazu verpflichtet, die Fundstelle und alle dort aufgefundenen (möglicherweise denkmalschutzrelevanten) Gegenstände bis zum Ablauf von 5 Werktagen ab erfolgter Meldung unverändert zu belassen, falls nicht zuvor ein Organ des oder ein vom BDA Beauftragter diese Beschränkung aufhebt; und alle aufgefundenen Bodendenkmale stünden vom Zeitpunkt der Auffindung bis längstens 6 Wochen nach Abgabe der Fundmeldung gem. § 9 Abs. 3 DMSG automatisch Kraft gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz (mit allen sich aus der Unterschutzstellung durch Bescheid gem. § 3 Abs. 1 DMSG ergebenden Rechtsfolgen), wenn das BDA diese Unterschutzstellung nicht zuvor per Bescheid aufhebt. Der betreffende Wissenschafter müsste also die Überprüfung seiner Hypothese durch Grabungen bzw. sonstige Nachforschungen unmittelbar ab- und eventuell für bedeutende Zeit unterbrechen, sobald er die ersten konkreten Hinweise darauf entdeckt, dass sie sich tatsächlich bewahrheiten könnte. Dies ist einer sinnvollen archäologischen Feldforschung jedenfalls nicht gerade zuträglich. Schlimmer noch, sollte das BDA binnen der zuletzt genannten 6 Wochen Frist per Bescheid feststellen, dass an der Erhaltung der entdeckten Gegenstände kein öffentliches Interesse besteht oder diese Frist einfach ungenutzt verstreichen lassen, könnte der betroffene Wissenschafter seine Nachforschungen 21 Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht an Ort und Stelle wieder (gänzlich ohne Genehmigung durch das BDA) wiederaufnehmen, weil das, was er bis dahin gefunden hatte, als nicht denkmalschutzwürdig beurteilt wurde. Diese wiederaufgenommenen Nachforschungen müsste er aber wieder unmittelbar einstellen, wenn er die nächsten Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG entdeckt, wieder mit allen Rechtsfolgen und Fristenläufen, usw. Das würde die Feldforschungen des betroffenen Wissenschafters aber so sehr behindern, dass ihre Durchführung de facto in der Praxis vereitelt würde. Genau dieses Problem hatte offensichtlich auch schon der ursprüngliche Gesetzgeber von 1923 gesehen und daher eine Lösung dafür gefunden, nämlich die Möglichkeit einer Vorabgenehmigung von wissenschaftlichen Ausgrabungen durch das BDA (siehe dazu noch genauer 88-93). Denn die Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG gestattet ihrem Inhaber – inzwischen auch explizit so geregelt durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 5 igF – „die Veränderungen und Zerstörungen an Bodendenkmalen […] in jenem Ausmaß […], als dies durch eine wissenschaftliche Grabungsarbeit unvermeidlich und daher notwendig ist“ (§ 11 Abs. 5 DMSG igF). Damit können sich Grabungsgenehmigungsinhaber und BDA das Grabungseinstellungs-DenkmalschutzaufhebungsPingpong ersparen, das bei der Überprüfung wissenschaftlicher Hypothesen über das Vorkommen mutmaßlich denkmalschutzrelevanter Gegenstände an einem bestimmten Ort, von dem noch keine konkreten Hinweise darauf bekannt sind, die seine dauerhafte Unterschutzstellung gem. §§ 2a bzw. 3 DMSG erforderlich erscheinen haben lassen, ansonsten unweigerlich erforderlich würde. Es folgt daher, dass in § 11 Abs. 1 (iVm Abs. 5) DMSG für Fälle der Kategorie 2) (auch) eine VorabGrabungsgenehmigungsmöglichkeit angelegt ist (die, wie wir noch genauer sehen werden, die ursprüngliche Funktion des § 11 insgesamt war). Liegen zum Zeitpunkt der Planung von wissenschaftlichen archäologischen Ausgrabungen bzw. sonstigen Nachforschungen an Ort und Stelle dem sie Planenden noch keine hinreichenden, konkreten Hinweise darauf vor, dass am Ort der geplanten Maßnahmen tatsächlich denkmalgeschützte oder wenigstens wahrscheinlich denkmalschutzwürdige (archäologischen) Gegenstände vorkommen dürften, besteht für ihn keine gesetzliche Verpflichtung, eine Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG zu beantragen, ehe er mit deren Durchführung beginnt. Hat er jedoch den (wissenschaftlich begründeten) Verdacht, dass er bei ihrer Durchführung – sozusagen wider objektives, aber nicht wider sein subjektives, Erwarten – denkmalschutzrelevante Gegenstände entdecken wird, kann er vorausschauend eine Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG beantragen, um im Fall, dass sich seine Erwartung bestätigt, seine Grabungen bzw. sonstigen Nachforschungen nicht unmittelbar einstellen und bürokratisches Pingpong mit dem BDA spielen muss, sondern diese im vorab bewilligten Rahmen soweit wissenschaftlich erforderlich weiterführen und fertigstellen kann. Hat er hingegen keine derartige Vorabgenehmigung seiner geplanten wissenschaftlichen Grabungen beantragt, darf er sie auch ohne Genehmigung durchführen, muss sich jedoch, wenn er wider objektives Erwarten (d.h. „zufällig“ im Sinne des Gesetzes) doch Gegenstände entdeckt, die iSd § 8 Abs. 1 DMSG „infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit offenkundig den Beschränkungen dieses Bundesgesetzes unterliegen könnten“, die Zufallsfundbestimmungen der §§ 8-9 DMSG befolgen, d.h. gegebenenfalls alle seine Arbeiten an Ort und Stelle auf bis zu 6 Wochen einstellen. Konsequenzen für die Anwendungspraxis Für die Anwendungspraxis bedeutet das, dass, wenn der solche Planende die subjektive Erwartung hat, dass er bei der Durchführung von Grabungen bzw. sonstigen Nachforschungen an einem bestimmten Ort denkmalschutzrelevante Gegenstände entdecken wird, er einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG an das BDA stellen darf. In diesem muss er jedoch – damit dem BDA überhaupt Entscheidungskompetenz erwächst und es daher in der Sache entscheiden darf 22 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? – seine subjektive Erwartungshaltung wenigstens deutlich zum Ausdruck bringen und idealerweise auch nachvollziehbar begründen. Zumindest muss er in seinem Antrag angeben, was er (warum) zu finden erwartet und warum er vermutet, dass die von ihm erwarteten Funde – trotz Fehlens hinreichender Hinweise darauf – von derart beschaffener Bedeutung sein dürften, dass an ihrer Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht oder wenigstens wahrscheinlich bestehen dürfte. Fehlt eine derartige Begründung nämlich, muss das BDA aufgrund der bekannten Faktenlage – eben dem objektiven Fehlen von konkreten Hinweisen auf das Vorkommen irgendwelcher denkmalschutzrelevanter Gegenstände am betroffenen Areal – entscheiden und muss daher den eigegangenen Antrag wegen sachlicher Unzuständigkeit der Behörde zurückweisen. Für das BDA hingegen bedeutet es, dass es, wenn ihm ein nachvollziehbar subjektiv begründeter Antrag vorliegt, zwar in der Sache entscheiden darf. Es muss allerdings bei dieser Sachentscheidung dennoch in erster Linie auf die tatsächliche Faktenlage – d.h. das objektive Fehlen von konkreten Hinweise auf das Vorkommen irgendwelcher denkmalschutzrelevanter Gegenstände am betroffenen Areal – abstellen und kann die vom Antragsteller vorgebrachten Gründe für seine subjektive Erwartungshaltung nur insoweit berücksichtigen, als dies unter der Voraussetzung der (immerhin möglichen) Richtigkeit seiner – dennoch vorerst noch hypothetisch bleibenden – Vermutungen zulässig ist. Das bedeutet insbesondere, dass es die beantragte Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG erteilen muss, wenn der Antragsteller die formellen Voraussetzungen (die ihrerseits allerdings wohl wenigstens teilweise verfassungswidrig sein dürften, dazu noch später mehr, siehe Seiten 226-307) für die Erteilung einer derartigen Genehmigung erfüllt. Dies ist trotz der expliziten Feststellung im letzten Satz des § 11 Abs. 1 der Fall, dass ein „Rechtsanspruch auf Erteilung einer Grabungsgenehmigung auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes“ nicht besteht. Denn es können aufgrund des objektiven Fehlens konkreter Hinweise darauf, dass am betroffenen Areal überhaupt irgendwelche denkmalschutzrelevanten Gegenstände vorkommen, keine sachlich begründeten denkmalfachlichen Bedenken gegen die Erteilung der beantragten Genehmigung sprechen. Damit scheidet die Möglichkeit zur Erteilung eines abweisenden Bescheides notwendigerweise aus, was nur die Möglichkeit eines bewilligenden Bescheides übriglässt. Einzig was mit dem Bescheid verbundene Auflagen betrifft, kann das BDA die Begründung der subjektiven Erwartungshaltung des Antragsstellers berücksichtigen. Auch dabei muss es sich allerdings auf Auflagen beschränken, die dem Gebot der Verhältnismäßigkeit staatlicher Reaktion entsprechen (Berka 1999, 156-67) und darf daher nur das jeweils gelindeste Mittel wählen, das zur Erreichung des im konkreten Fall legitimen Eingriffsziels – der Erhaltung von Denkmalen, deren Erhaltung tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist – geeignet ist. Das bedeutet z.B., dass es für den Fall der – objektiv unerwarteten – Entdeckung von Bodendenkmalen bei der Grabung bzw. sonstigen Nachforschungen die Anwendung wissenschaftlich anerkannter Grabungsmethoden und die Anfertigung einer wissenschaftlichen Dokumentation und die unmittelbare Meldung und – allerdings nur passive – Erhaltung geborgener beweglicher Bodendenkmale vorschreiben kann. Es bedeutet auch, dass es z.B. bei der – dann tatsächlich rein zufälligen – Entdeckung auch subjektiv vom Antragsteller unerwarteter Bodendenkmale, z.B. solcher deutlich anderer als der vom Antragsteller subjektiv erwarteten Zeitstellung, Art (z.B. Gräbern statt Siedlungsbefunden) etc., als Auflagen eine unmittelbare Meldeund Einstellungspflicht (entsprechend der des § 9 Abs. 1 DMSG) erteilen kann. Was das BDA hingegen sicherlich nicht darf, ist detaillierte Vorgaben wie in den Richtlinien (BDA 2018) als verbindlich generell einzuhaltende Auflagen mit einem solchen Bescheid zu verbinden. Denn es 23 Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht muss schließlich eigentlich davon ausgehen, dass der Genehmigungsinhaber gar keine Bodendenkmale entdecken wird, geschweige denn Denkmale, deren Erhaltung tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist, und darf ihm daher bezüglich aller seiner Handlungen, bei denen er bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise voraussichtlich keine Denkmale iSd § 1 Abs. 1-2 DMSG entdecken wird, eigentlich gar keine Auflagen erteilen. Konkret gesagt bedeutet das, dass auf allen bekannten und vermuteten archäologischen Fundstellen in Österreich, die nicht unter Denkmalschutz stehen, als Welterbestätte ausgewiesen sind oder zu denen schon veröffentlichte Fachgutachten vorliegen, die ihre zeitnahe Unterschutzstellung durch das BDA wenigstens wahrscheinlich erscheinen lassen keine Genehmigungspflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG für dort geplante Grabungen und sonstige Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung von Denkmalen besteht, aber auf solchen Fundstellen Nachforschungen planende ArchäologInnen vorausschauend für den Fall der Entdeckung von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG bei ihren dort durchgeführten Arbeiten eine Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG beim BDA beantragen können, die das BDA dann – gegebenenfalls auch nur unter gewissen, milden, den Umständen des Einzelfalls spezifisch angepassten Auflagen – bewilligen muss. Diese Genehmigungsmöglichkeit besteht jedenfalls auf den – wohl so um die 20.000 – dem BDA bereits bekannten archäologischen Fundstellen in Österreich, die es nicht unter Denkmalschutz gestellt hat, weil noch keine ausreichend konkreten Hinweise zur Feststellung ihrer Denkmalschutzwürdigkeit vorliegen, sowie alle anderen Areale in Österreich, bezüglich derer aus wissenschaftlich nachvollziehbaren Gründen glaubhaft gemacht werden kann (siehe dazu z.B. die Merkmale, die vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege zur prognostischen Ausweisung von Bodendenkmalverdachtsflächen verwendet werden, BayLfD 2016), dass auf ihnen mit der Entdeckung von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG zu rechnen ist. Die Genehmigungsmöglichkeit dürfte also – bei einigermaßen großzügiger Beurteilung der Nachvollziehbarkeit von Gründen für die subjektive Bodendenkmalsentdeckungserwartung – auf etwa 5-10% der österreichischen Landesfläche bestehen. Fehlen einer Grabungsgenehmigungspflicht und -möglichkeit gem. § 11 Abs. 1 DMSG Liegen hingegen wie in Fall 3) weder objektiv konkrete Hinweise auf das Vorkommen von denkmalschutzrelevanten Gegenständen im betroffenen Areal noch eine subjektive Erwartungshaltung der dort Grabungen und sonstige Nachforschungen durchführen wollenden Person vor, dass sie dabei denkmalschutzrelevante Gegenstände entdecken wird, scheidet eine Genehmigungspflicht ebenso wie eine Genehmigungsmöglichkeit gem. § 11 Abs. 1 DMSG hingegen notwendigerweise aus; und zwar selbst dann, wenn diese Person tatsächlich beabsichtigt, Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche zu entdecken bzw. untersuchen. Voraussetzung für die Erfüllung des Anknüpfungstatbestandes der Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ist nämlich eben, dass die Entdeckung von Denkmalen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche vorsätzlich erfolgt; und für die Ausbildung des Vorsatzes im rechtlichen Sinn ist es wenigstens erforderlich, dass der Täter nicht nur den verbotenen Taterfolg verwirklichen will, sondern das Erreichen des Taterfolges mittels der gesetzten Handlung ernsthaft für möglich hält. Damit kann aber notwendigerweise immer dann, wenn bezüglich eines bestimmten Ortes objektiv keine konkreten Hinweise für das dortige Vorkommen von Denkmalen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche sprechen und der dort Grabungen bzw. sonstige Nachforschungen Planende keine vernünftigen Gründe nennen kann, warum er dennoch dort mit deren Entdeckung rechnet, der Entdeckungsvorsatz nicht angenommen und somit die Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG nicht ausgelöst werden. 24 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Denn leugnet ein Tatverdächtiger unter diesen Umständen den Entdeckungsvorsatz, ist es in einem allfällig gegen ihn angestrengten Strafverfahren erforderlich – nachdem man nicht wissen kann, was er bei der umstrittenen Handlung ernsthaft für möglich gehalten hat – zu bestimmen, ob ein beliebiger, vernünftiger Dritter unter den gleichen Umständen die zur Ausbildung des Vorsatzes wenigstens erforderliche, subjektive Erwartungshaltung ausgebildet hätte, dass er am Tatort Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche entdecken würde. Das kann jedoch nur dann der Fall sein, wenn dem diese Frage ex ante bestimmen zu Habenden konkrete Hinweise darauf bekannt waren, dass am Tatort tatsächlich Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche vorkommen (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4) dürften, denn nur dort hat ein unvoreingenommener Dritter Grund, ernsthaft mit deren Entdeckung zu rechnen. Das gleiche gilt aber auch unter den umgekehrten Voraussetzungen: behauptet eine Person gegenüber dem BDA in einem Antrag auf Erteilung einer Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG den subjektiven Entdeckungsvorsatz, darf sich das BDA bei der Beurteilung der Frage, ob der Anknüpfungstatbestand des § 11 Abs. 1 DMSG erfüllt wird und der Behörde daher Entscheidungskompetenz in der Sache zukommt, nicht einfach auf das Wort des Antragsstellers verlassen. Es kann schließlich durchaus sein, dass zwar der Antragsteller subjektiv ehrlich glaubt, dass er bei seinen geplanten Nachforschungen an einem bestimmten Ort Denkmale entdecken wird, das BDA aber positiv weiß, dass die Verwirklichung des verbotenen Taterfolgs an genau dieser Stelle – z.B. weil dort gerade erst eine vollständige archäologische Ausgrabung abgeschlossen wurde – objektiv unmöglich ist. Es kann sogar so sein, dass der Antragsteller geisteskrank ist und eine Genehmigung für archäologische Maßnahmen an einem imaginären Ort beantragt, an dem er zwar durchaus subjektiv ernsthaft mit der Entdeckung von Denkmalen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche rechnet, diese aber objektiv vollkommen unmöglich ist, weil es den betreffenden Ort eben real gar nicht gibt. Vielmehr hat das BDA jeden Genehmigungsantrag objektiv zu prüfen und ihn, wenn sich aus den objektiv bekannten und den vom Antragsteller geltend gemachten (subjektiven) Gründen nicht nachvollziehbar ergibt, dass am geplanten Ort wenigstens wahrscheinlich mit der Entdeckung von Bodendenkmalen zu rechnen ist, aufgrund Unzuständigkeit der Behörde zurückzuweisen. Denn es ist nicht die Aufgabe des BDA, aller Voraussicht nach Denkmale nicht betreffende archäologische Nachforschungen zu genehmigen oder zu versagen, geschweige denn deren wissenschaftliche Qualität zu kontrollieren – die wissenschaftliche Selbstkontrolle ist eine autonome Aufgabe der Wissenschaft selbst und nicht eine des Staates oder irgendeiner seiner Verwaltungsbehörden – sondern seine Aufgabe ist es, Denkmale zu schützen, deren Erhaltung ihrer besonderen Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist. Wo also nicht damit zu rechnen ist, dass solche Denkmale sind oder voraussichtlich entdeckt werden dürften, hat sich das BDA nicht in die verfassungsgesetzlich durch Art. 17 StGG vorbehaltlos gewährte Wissenschaftsfreiheit irgendwelcher StaatsbürgerInnen einzumischen, sondern sich jedwedes Amtshandelns zu enthalten, bis nicht tatsächlich wenigstens ein Bodendenkmal zu Tage gekommen ist oder auch vernünftigen Dritten nachvollziehbare Gründe das Vorhandensein eines schutzwürdigen Denkmals am Untersuchungsort nahelegen (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4). In der Praxis bedeutet das, dass die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG auf etwa 90-95% der österreichischen Landesfläche nicht anwendbar sind, weil von dort weder konkrete Hinweise auf das Vorkommen von Bodendenkmalen gem. § 8 Abs. 1 DMSG bekannt sind noch aller Wahrscheinlichkeit nach nachvollziehbare Gründe für die Annahme einer subjektiven Denkmalentdeckungserwartung angeführt werden könnten. Bei vielen davon ist das offensichtlich der Fall, so z.B. auf erst jüngst maßgeblich veränderten Bodenflächen wie neuen Straßen, Autobahnen oder anderen vergleichbaren linearen Bauprojekten, oder jüngeren Tagbauten wie z.B. Schottergruben etc., wo die Entdeckung von 25 Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht Denkmalen unter der Erdoberfläche mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist. Bei den meisten anderen Bodenflächen ist es hingegen weniger offensichtlich, aber die Wahrscheinlichkeit eines Vorkommens auch nur von Bodendenkmalen gem. § 8 Abs. 1 DMSG, geschweige denn Denkmalen iSd § 1 Abs. 1-2 DMSG, so verschwindend gering, dass dem BDA bezüglich dieser Bodenflächen einfach keine Genehmigungskompetenz gem. § 11 Abs. 1 DMSG zukommt. Realitätsverweigerung Warum das BDA überhaupt riskiert hat, so offensichtlich aussichtslose Fälle überhaupt vor Gericht kommen zu lassen, ist zwar nur schwer vernünftig, aber trotzdem erklärbar; nämlich dadurch, dass es sich, ebenso wie viele andere Denkmalämter im deutschen Sprachraum, einbildet alle archäologischen Quellen schützen zu müssen und alle archäologischen Feldforschungen einer strengen wissenschaftlichen Qualitätskontrolle unterwerfen zu dürfen, weil es vom Staat insbesondere zum Letzteren befugt worden ist. Das ist zwar Unsinn, weil der Staat das wie gesagt aufgrund der verfassungsgesetzlich vorbehaltlosen Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit gar nicht darf und auch kein Wissenschafter, auch nicht wenn er vom Staat zum Verwaltungsbeamten in einem der Forschung nahestehenden Bereich ernannt wurde, einem anderen Wissenschafter die von diesem zu stellenden Forschungsfragen, die von ihm zu verwendenden Methoden und von ihm zu vertretenden Fachmeinungen vorschreiben darf. Aber das bedeutet ja noch lange nicht, dass das der einzelne, als Verwaltungsbeamter bestellte, Wissenschafter nicht trotzdem tun will und daher die ihm vom Staat für ganz bestimmte Aufgaben übertragenen Machtbefugnisse anders als vom Staat vorgesehen gebraucht. Gerade weil man in der Abteilung Archäologie im BDA zu glauben scheint, vom Staat dazu befugt worden zu sein, anderen ArchäologInnen Vorschriften darüber zu machen, wie diese ihre wissenschaftliche Forschung gestalten, hatte ich das BDA mit meinen Anträgen in eine unmögliche, nämlich eine lose-lose-Situation gebracht. Weil es gab, nicht zuletzt, weil ich explizit angekündigt hatte, dass diese Fälle dem Zweck der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Gesetzesanwendungspraxis durch das BDA dienen sollten, für das BDA nur noch zwei Optionen: Entweder meine Anträge, wie von mir gefordert, wegen Unzuständigkeit der Behörde für die Bewilligung der von mir beantragten Maßnahmen zurückzuweisen und damit offiziell und vor allem sich selbst einzugestehen, dass § 11 Abs. 1 DMSG auf den meisten Bodenflächen in Österreich gar nicht anwendbar sei. Damit hätte das BDA jedoch sein archäologisch-denkmalpflegerisches Gesicht verloren, weil man sich ausrechnen konnte, dass ich diesen Ausgang des Falles wissenschaftlich ausgeschlachtet hätte. Vielleicht noch schlimmer, das BDA hätte damit von sich aus zugegeben, dass nicht es, sondern ich recht gehabt hatte und damit seinen fachlichen Autoritätsanspruch aufgeben müssen. Nicht wir alle, sondern der, der schon seit langem gesagt hatte, dass es anders ist, als wir alle glaubten, hätte recht gehabt. Das hätte aber bedeutet, dass man sich die Frage stellen hätte müssen, ob er nicht vielleicht auch mit anderen seiner schon zuvor geäußerten Kritiken nicht nur recht, sondern vielleicht auch tatsächlich Recht hat. Das ging also gar nicht. Oder über meine Anträge in der Sache zu entscheiden, egal ob positiv oder negativ, obwohl offensichtlich erkennbar war, dass man das rechtlich gar nicht durfte; wie es das BDA dann ja auch tatsächlich getan hat. Idealerweise natürlich positiv, weil das schwächte meine Position im Beschwerdeverfahren wenigstens insofern, als ich ja nicht durch eine rechtswidrige Abweisung meines gar nicht bewilligungspflichtigen Antrags beschwert war und daher eine – wenn auch nur winzige – Chance bestand, dass ich die Fälle aufgrund einer Formsache verlieren würde, selbst wenn ich in der Sache offensichtlich Recht habe. 26 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Damit nahm man zwar das durchaus gewaltige Risiko in Kauf, diese in der Sache offensichtlich nicht gewinnbaren Fälle vor Gericht erst recht zu verlieren. Aber selbst wenn, wie es dann ja auch tatsächlich geschehen ist, man die Fälle vor Gericht verliert; man muss wenigstens nicht, vor allem nicht vor sich selbst, zugeben, dass man, wenigstens aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht, tatsächlich unrecht, und nicht nur aus rechtlicher Sicht Unrecht hatte. Man kann damit die Schuld an der vielleicht rechtlich richtigen, aber archäologisch-denkmalpflegerisch falschen, Entscheidung des Gerichts anderen in die Schuhe schieben. Dem bösen Herrn Karl zum Beispiel, der nicht einsehen will, dass es für die Archäologie weit wichtiger ist, dass er nicht mit freiem Auge im Garten seiner Eltern in Wien auf den Boden schauen oder Löcher graben darf, ohne davor eine NFG beim BDA beantragt und von diesem erteilt bekommen zu haben, als dass er das darf; dem unverständigen Gericht, das nicht verstanden hat, dass man sich in der archäologischen Denkmalpflege nicht mit so unnötigen Details wie der Beachtung irgendwelcher gesetzlicher Details aufhalten kann, wie ob eine NFG-Pflichtbestimmung auf eine bestimmte Handlung, die man aus Sicht der FachbeamtInnen einer denkmalpflegerischen Kontrolle unterwerfen sollte, überhaupt anwendbar ist; oder wenigstens dem unwissenden und unfähigen Gesetzgeber, der, statt ein ordentliches DMSG zu verfassen, das es uns ermöglicht, Denkmale so effektiv zu schützen, wie wir das wollen und ihm zufolge auch sollen, ein absolut unbrauchbares Gesetz erlassen hat. Man kann sein archäologisch-denkmalpflegerisches Gesicht wahren und seine fachliche Autorität erhalten, weil man hat zwar vielleicht juristisch Unrecht gehabt, aber trotzdem wenigstens fachlich recht. Daher hat man diese geringfügig bessere von zwei grottenschlechten Optionen dann auch tatsächlich gewählt. Weil wir wissen ja alle, dass die NFG-Pflicht im österreichischen DMSG im Wesentlichen genauso geregelt ist wie in allen deutschen DSchG – oder wenigstens so geregelt sein sollte, weil das für die archäologischen Denkmale viel besser wäre als das schlechte Gesetz, das wir tatsächlich haben – und wissen es vor allem besser als so ewige Querulanten wie der Herr Karl, die dauernd nur darüber meckern, dass (wenigstens) die (österreichischen) (archäologischen) Denkmalpfleger nicht wissen, was sie tun und noch viel weniger was sie eigentlich tun sollten und von Gesetzes wegen tun müssen oder so unverständige Verwaltungskontrollorgane wie der österreichische Rechnungshof, der nahezu zur exakt gleichen Zeit das BDA in seinem einschlägigen Kontrollbericht für ähnliche Inkompetenz in nahezu allen anderen seiner Aufgabenbereiche vernichtend kritisiert hat (RH 2017). Weil, sind wir uns ehrlich: was wissen diese archäologisch unverständigen Toren schon? Auch wenn man, wie man das auf gut Altwienerisch ausdrücken würde, im BDA jetzt „den Scher’m auf hod“ (d.h. auf Deutsch: den Nachttopf wie einen Hut aufgesetzt hat), Hauptsache ist, dass man nicht vor sich selbst zugeben muss, das man etwas falsch gemacht hat. 27 In Deutschland könnte so etwas nie vorkommen… In Deutschland könnte so etwas nie vorkommen… Aber genug mit den viel zu langen und nicht besonders lustigen Österreicher-Witzen. Glücklicherweise ist das ja in Deutschland alles nicht so. Da herrschen noch Zucht und Ordnung und die rechtschaffenen Denkmalschutzbeamten würden nie auch nur auf die Idee kommen, die ihnen vom Gesetzgeber übertragenen Kompetenzen soweit zu überschreiten, dass das Gesetzeslosigkeit gleichkommt. Die machen nur ordentlich ihre Arbeit und, wie sie gelegentlich im Brustton der Überzeugung feststellen, wenden nur das an, was Gesetz ist; das sie, weil sie das müssen, stets nur in pflichtgemäßen Ermessen auslegen. Darüber braucht man auch gar nicht weiterreden, weil wir wissen ja schließlich alle, was das Gesetz sagt. Was archäologische Grabungen und andere Nachforschungen betrifft, haben auch die deutschen Landesdenkmalämter Richtlinien, die denen des österreichischen BDA (2016) grundsätzlich nicht unähnlich sind und sich letztendlich meist an den vom Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland herausgegebenen orientieren (VLA 2006). Je nach Bedarf für das jeweilige Bundesland und der in diesem bestehenden, spezifischen Rechtslage und administrativen Erfordernisse angepasst, werden auch diese, nicht anders als das die Praxis des BDA in Österreich war und ist, normalerweise als Auflagen an NFG-Bescheide angeschlossen und somit zu für Genehmigungsinhaber rechtlich verbindlich einzuhaltenden Vorgaben. Als offizielle Emanationen und – qua Erteilung als Auflagen in Bescheiden – Teil des hoheitlichen Verwaltungshandelns der Behörden sind sie, wie wir selbstverständlich auch alle wissen – übrigens auch nicht anders als die Richtlinien des BDA (2016) – von den Rechtsabteilungen der jeweiligen Behörden – die sicher nicht so tief und fest geschlafen oder auf gut österreichische Manier geschlampt haben wie die des BDA – auf Herz und Nieren geprüft und enthalten daher mit absoluter Sicherheit garantiert nichts, was auch nur entfernt eine Rechtswidrigkeit darstellen könnte. Vielmehr kleben sie so eng am Buchstaben des jeweiligen Gesetzes, dass man selbst beim besten Willen und mit Gewaltanwendung nicht einmal ein Graphen-Blatt dazwischen bringen könnte. In Deutschland ist die Welt halt noch in Ordnung! Jo eh… Honi soit qui mal y pense Wie wir alle ebenfalls sehr gut wissen, ist Archäologie ein Allgemeingut, das sich niemand privat aneignen darf, auf keinem Weg. Glücklicherweise ist es in allen deutschen Bundesländern so, dass daher staatliche Schatzregale bestehen, die dafür sorgen, dass die Archäologie auch tatsächlich im Eigentum der Allgemeinheit bleibt. Ok, außer bei den Bayern, aber die sind ja eh halbe Österreicher und daher nicht ganz für voll zu nehmen; einmal abgesehen davon, dass sich die bayerischen Archäologen ja brav bemühen, dass auch in ihrem schönen Land endlich das Schatzregal für Bodendenkmale eingeführt wird, damit es endlich in ganz Deutschland nicht mehr möglich ist, dass sich einfach irgendwelche Privatpersonen Archäologie eigennützig aneignen. Es war bisher einfach nur der dumme bayerische Landtag, der, wie wir seit dem Bullen von Tölz auch alle wissen, ohnehin nur aus korrupten konservativen Kadern besteht, der noch nicht davon überzeugt werden konnte, das Allgemeinwohl vor private Aneignungsinteressen zu stellen und endlich das Gesetz richtig zu formulieren/konstruieren. Aber abgesehen von Bayern ist es so, dass man sich nirgendwo in Deutschland als Privatperson mir nix, dir nix Archäologie einfach aneignen kann; und das ist auch gut so! Wie es Friedrich Lüth so schön ausgedrückt hat, ist es schließlich die Aufgabe des Staates, die Archäologie „…qua Gesetz im Interesse aller … vor dem Zugriff aller…“ (Lüth 2006, 102) zu schützen; und recht hat er, der gute Mann! Wir wissen schließlich alle, dass das so ist. Scheinbar wusste das auch das Landesamt für Denkmalpflege für Hessen [LfDH], das diese archäologische Grundwahrheit bis zu ihrem logischen Ende weitergedacht und auch gleich umgesetzt 28 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? hat. Die NFG-Pflicht ist in Hessen durch § 22 HDSchG (bis zur Novelle des HDSchG Ende 2016 als § 21 nummeriert) geregelt, dessen Wortlaut dem des § 11 Abs. 1 DMSG gar nicht so unähnlich ist. Er lautet: „Nachforschungen, insbesondere Grabungen, mit dem Ziel, Bodendenkmäler zu entdecken, bedürfen der Genehmigung der Denkmalfachbehörde.“ (§ 22 HDSchG 2016). Die Denkmalfachbehörde ist die Abteilung A des LfDH, auch hessenARCHÄOLOGIE genannt. Auch diese hatte und hat, nicht anders als das BDA (2016), Richtlinien, die sie auch brav auf ihrer Webseite veröffentlicht (LfDH 2015; 2017a; 2017b). Die damals noch auf der Webseite der hessenARCHÄOLOGIE stehende Fassung dieser Richtlinien vom 1.8.2015 habe ich mir Anfang Januar 2017 etwas genauer angeschaut, weil sich ein paar hessische Querulanten bei mir über, nun, nennen wir es „Besonderheiten“, in diesen und erteilten NFG-Bescheiden ausgeweint hatten. Dabei stieß ich auf die folgende interessante Passage im Kapitel „I. Geltungsbereich der Richtlinien“ (LfDH 2015, 4): „Bei Grabungen im Land Hessen, die auf einer Nachforschungsgenehmigung nach § 21 HDSchG bzw. einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis nach § 16 HDSchG beruhen, liegen die Fundbearbeitungs- und Publikationsrechte beim Landesamt für Denkmalpflege Hessen.“ (LfDH 2015, 4). Eine im Wesentlichen inhaltsgleiche, separat von der Verpflichtung zur Einhaltung der Richtlinien (LfDH 2015) aufgelistete, Auflage fand sich auch in allen NFG-Bescheiden für professionelle archäologische Untersuchungen, die mir in Form von Scans von den hessischen Querulanten übermittelt worden waren. Das LfDH hat also sicherheitshalber gleich doppelt dafür gesorgt, dass Genehmigungsinhaber auch wirklich rechtlich dazu verpflichtet waren, für eventuell von ihnen geplante Publikationen ihrer archäologischen Forschungsergebnisse eine Publikationserlaubnis vom LfDH einzuholen. Mir mutete diese „Besonderheit“, gelinde gesagt, doch einigermaßen seltsam an. Schließlich sind Publikationsrechte meines Wissens auch in Deutschland gemäß Urheberrechtsgesetz [UrHG] Teil der Nutzungs- und Verwertungsrechte urheberrechtlich geschützter Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Zu diesen gehören jedenfalls auch Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen, etc. (§ 2 Abs. 1 Z 7), d.h. auch alle Dokumentationsunterlagen, die bei einer Feldforschungsmaßnahme erzeugt werden. Gem. § 11 schützt das Urheberrecht den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes und dient zugleich der Sicherung seiner angemessenen Vergütung für dessen Nutzung durch Dritte; es handelt sich dabei also um vermögenswerte Rechte. Zu entscheiden, ob und wie sein Werk veröffentlicht wird, d.h. das Veröffentlichungs- bzw. Publikationsrecht, steht gem. § 12 Abs. 1 dem Urheber zu. Gem. § 15 Abs. 1 und 2 hat dieser das ausschließliche Recht, sein Werk zu verwerten und öffentlich wiederzugeben, wobei §§ 16-22 Vervielfältigungsrecht, Verbreitungsrecht, Ausstellungsrecht, etc. genauer regeln. Gem. § 31 können Dritten durch Vertrag einfache oder ausschließliche Nutzungsrechte gegen angemessene Vergütung eingeräumt werden, auf die der Urheber gem. § 32 selbst dann Anspruch hat, wenn vertraglich eine geringere Summe als angemessen vereinbart wurde und auf die er auch gem. § 63 nicht im Voraus verzichten kann. Damit werden alle bei archäologischen Maßnahmen angefertigten Dokumentationsunterlagen zweifelsfrei zum geistigen Eigentum ihres Urhebers. Zwar kann dieser – z.B. durch einen Dienstvertrag mit seinem Arbeitgeber, z.B. einer privaten Grabungsfirma – durchaus seine Nutzungsrechte an seinen während der Arbeitszeit erzeugten geistigen Leistungen diesem – eben gegen seinen Lohn als angemessene Vergütung iSd § 32 UrHG – implizit oder explizit vertraglich bereits in Voraus übertragen. Aber sie entstehen grundsätzlich vorerst einmal jedenfalls nur ihm als sein geistiges Eigentum und genießen daher als vermögenswerte Rechte auch den Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. 29 In Deutschland könnte so etwas nie vorkommen… Es scheint daher unmöglich, irgendjemandes Publikationsrechte – noch dazu möglicherweise die einer dritten Person, die im Bewilligungsverfahren nicht einmal Parteienstellung hatte – im Wege einer Bescheidauflage, ob nun als Teil von Richtlinien wie jener des LfDH (2015) oder eigens separat aufgelistet, auf die entscheidende Behörde selbst (oder einen beliebigen anderen Dritten) zu übertragen. Dies wäre nämlich eine Enteignung des geistigen Eigentümers durch den Staat, was diesem, wenigstens grundsätzlich, durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG verboten ist. Zwar ist eine Enteignung gem. Art. 14 Abs. 3 GG zum Wohle der Allgemeinheit durchaus zulässig. Sie darf jedoch der gleichen Verfassungsbestimmung zufolge ausschließlich nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Das HDSchG enthält aber keine Bestimmungen, die als eine Enteignung von Publikationsrechten ermöglichende gesetzliche Grundlage betrachtet werden können. Die Bestimmungen von § 25 Abs. 1 Z 2 (bzw. nunmehr § 26 Abs. 1 Z 2) in Verbindung mit § 26 (§ 27) HDSchG, dass eine Enteignung zugunsten des Landes, eines Landkreises, einer Gemeinde oder einer rechtsfähigen Stiftung, soweit erforderlich, zulässig ist, damit ein Bodendenkmal wissenschaftlich ausgewertet (oder der Allgemeinheit zugänglich gemacht) werden kann, die man womöglich als solche interpretieren könnte, bezieht sich offenkundig nur auf die Enteignung von Grundeigentum. Aber auch wenn man diese Bestimmungen als auch für eine Publikationsrechtsenteignung geeignete gesetzliche Grundlage auslegen möchte, ist nicht erkennbar, warum damit – sie ist ja nur für den Fall der tatsächlichen Erforderlichkeit vorgesehen – in den Richtlinien und NFG-Bescheiden standardmäßig die Publikationsrechte dem LfDH (2015, 4) übertragen werden. Dies wäre eventuell möglich, wenn der Urheber der Werke deren Publikation langfristig unterlässt bzw. seine Absicht erklärt, diese gar nicht publizieren zu wollen. Damit ließe sich die Erforderlichkeit der Enteignung eventuell nach Ablauf einer gewissen Frist sachlich begründen, in der der Urheber seinem Publikationsrecht nicht nachgekommen ist. Eine automatische Enteignung vorab ist aber jedenfalls unverhältnismäßig. Darüber hinaus wird die durch Art. 14 Abs. 3 GG, § 26 (§ 27) HDSchG und die einschlägigen Bestimmungen des UrhG vorgesehene finanzielle Entschädigung des geistigen Eigentümers für die Übertragung seiner Publikationsrechte weder in den genannten Dokumenten erwähnt oder erläutert, noch scheint sie – wenigstens soweit das für mich nachvollziehbar ist – tatsächlich erfolgt zu sein. Damit scheint für die durch das LfDH vorgenommene Enteignung der Urheber an ihren Publikationsrechten jedwede Rechtsgrundlage gefehlt zu haben; oder aber die bestehenden Rechtsgrundlagen der §§ 25 und 26 (bzw. §§ 26 und 27) HDSchG durch Unterlassung der Entschädigung des geistigen Eigentümers durch das LfDH nicht korrekt zur Anwendung gebracht worden zu sein. Beides wäre jedoch rechtswidrig. Ich habe daher dem hessischen Landesarchäologen am 12.1.2017 einen ebenso deutlichen Brief geschrieben wie etwa drei Monate später dann auch dem „österreichischen Bundesarchäologen“ – wenn man den Leiter der Abteilung für Archäologie des BDA so nennen möchte – und ihn dazu aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass diese mutmaßlich grob rechtswidrige Praxis des LfDH abgestellt werde. Tatsächlich hat mir dieser schon in seiner Antwort vom 18.1.2017 mitgeteilt, dass man meine Argumentation am LfDH nicht nachvollziehen könne und selbstverständlich niemals irgendwelches rechtswidrige Verwaltungshandeln vorgenommen hätte. Indes habe das LfDH ohnehin aufgrund der kürzlich erfolgten Novellierung des HDSchG ganz von sich aus eine Neufassung seiner Richtlinien (LfDH 2017a) vorgenommen, die seit 1.1.2017 Gültigkeit habe und die die von mir monierte Formulierung zu den Publikationsrechten ohnehin nicht mehr enthalte. Also wirklich, es gibt schon glückliche Zufälle, man glaubt es kaum! 30 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Betrachtet und vergleicht man diese – allerdings tatsächlich erst am 17.1.2017 auf den Webseiten des LfDH veröffentlichten – neuen Richtlinien (LfDH 2017a) mittels der Versionsvergleichsfunktion von Adobe Acrobat mit jenen, die ich, natürlich nur rein sicherheitshalber, um dem LfDH auch nichts Falsches zu unterstellen, am 12.1.2017 noch einmal von dort heruntergeladen hatte (LfDH 2015), findet man tatsächlich insgesamt 45 Änderungen. Die überwältigende Mehrheit davon – nämlich 31 – sind Ersetzungen, durch die Nennungen von Paragrafennummern des HDSchG 2012 auf die diesen im HDSchG 2016 entsprechenden, der „hessenARCHÄOLOGIE“ auf „LfDH – hessenARCHÄOLOGIE“, und des für die Gültigkeit der Richtlinien relevanten Datums auf 1.1.2017 abgeändert wurden. Weitere 12 sind kleine redaktionelle Anpassungen wie z.B. die Ersetzung von „o.ä.“ durch „…“ (LfDH 2015, 10; 2017a, 10) oder der Funktionsbezeichnung „Stellvertretender Landesarchäologe“ auf „Landesarchäologe“ (LfDH 2015, 20; 2017a, 20). An einer Stelle wurde die erforderliche Mindestqualifikation von wissenschaftlichen GrabungsleiterInnen durch Einfügung von „(Promotion, M.A., Master, Dipl. Arch.)“ (LfDF 2017a, 3) genauer spezifiziert. Ach ja, und der von mir monierte Passus war gestrichen und mit dem (teilweise mit dem Folgesatz der oben zitierten Passage in LfDH 2015, 4 verbundenen) Satz „Bei Ausgrabungen im Land Hessen, die auf einer Nachforschungsgenehmigung nach § 22 HDSchG beruhen, ist die Fundbearbeitung einschließlich der Publikation mit dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen – hessenARCHÄOLOGIE – abzustimmen.“ (LfDH 2017a, 4) ersetzt worden. Zusätzlich scheint an dieser Stelle vielleicht auch erwähnenswert, dass diese, sicherlich lange und sorgfältig vorbereiteten, Änderungen zwar vorgenommen wurden, aber die Person, die sie vorgenommen hatte, scheinbar trotzdem vergessen hatte, den Filenamen des am 17.1.2017 auf den Webseiten der hessenARCHÄOLOGIE online veröffentlichten Dokuments, „hA_Grabungs-Dokurichtlinien_2015.pdf“, abzuändern, d.h. die darin enthaltene Jahresangabe auf 2017 anzupassen. Nun mag es natürlich neben der tatsächlich durch die Novellierung des HDSchG am 28.11.2016 erforderlich gewordenen Anpassung der Richtlinien (LfDH 2017a) zahlreiche Gründe geben, warum das LfDH mit Stand vom 1.1.2017 den von mir am 12.1.2017 monierten, ohnehin schon nicht mehr gültigen, Passus bezüglich der Publikationsrechte (LfDH 2015, 4) aus diesen herausgenommen hat (LfDH 2017a, 4; b, 4) und die Neufassung zufällig erst – wohl aufgrund der Weihnachtsfeiertage und der Überlastung der IT-Abteilung des LfDH – online gestellt worden ist. Solche glücklichunglücklichen Verkettungen von Umständen, dass sich ein notorischer Querulant 12 Tage nachdem man etwas ganz von sich aus geändert hat über etwas, das gar nicht mehr zutrifft, beschwert, nur, weil die IT-Abteilung, noch dazu zur Weihnachtszeit, etwas über 2 Wochen gebraucht hat, um diese Änderungen auch online zu stellen, kommen ja, wie wir alle wissen, ununterbrochen vor. So gesehen: ein Schuft wer Übles dabei denkt! Man muss sich aber dennoch die Frage stellen, warum das LfDH, ob jetzt ganz von sich aus oder doch auch wenigstens ein wenig durch irgendwelche Anstöße von außen dazu veranlasst, nun die zuvor wenigstens eineinhalb Jahre lang, potentiell sogar viel länger, qua Richtlinien (LfDH 2015) und separat aufgelisteten Auflagen in NFG-Bescheiden an das LfDH gezogenen Publikationsrechte an den wissenschaftlichen Werken Dritter nicht mehr haben will. Man muss sich durchaus fragen, was sich in der hessischen archäologischen Denkmalpflege geändert hat, dass es dem LfDH zuvor erforderlich erschienen ist, nun aber nicht mehr erforderlich erscheint, sich diese vermögenswerten Rechte Dritter anzueignen. Die denkmalschutzrechtlichen Grundlagen scheinen es jedenfalls nicht gewesen zu sein, weil im HDSchG hat sich, wenigstens in dieser Beziehung, durch dessen Novellierung vom 28.11.2016 überhaupt nichts geändert. Dass die Verwaltungspraxis des LfDH eventuell doch rechtswidrig gewesen sein könnte und die Änderung der Richtlinien vielleicht doch etwas dringlicher als geplant notwendig geworden ist, weil man im LfDH die von mir vorgebrachten Argumente eventuell doch etwas besser nachvollziehen 31 In Deutschland könnte so etwas nie vorkommen… konnte, als man nach außen hin zugeben konnte und wollte, kann es ja wohl nicht gewesen sein. Weil wir wissen ja alle, dass in der deutschen archäologischen Denkmalpflege Rechtswidrigkeiten, wie es sie vielleicht bei den weniger genau arbeitenden österreichischen KollegInnen geben mag, nicht vorkommen. Wobei sich mir allerdings weiterhin die Frage stellt, auf welche Rechtsgrundlage sich die nunmehr in den Richtlinien des LfDH (2017a, 4; b, 4) zu findende Verpflichtung von NFG-InhaberInnen stützt, dass bei Ausgrabungen im Land Hessen auf Basis von NFG-Bescheiden nicht etwa nur die Fundbearbeitung, sondern auch die Publikation, mit dem LfDH abzustimmen ist. Ich meine, ich kenne mich ja zugegebenermaßen nicht so genau aus; aber wenigstens mir scheint das Recht von WissenschafterInnen, frei von staatlichen Eingriffen in „den Prozess der Gewinnung und Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse“ (Pieroth et al. 2015, 176) ebendiese Erkenntnisse so wie es ihnen richtig erscheint zu publizieren, ein integraler Bestandteil des Kernbereichs der verfassungsgesetzlich durch Art. 5 Abs. 3 GG garantierten Wissenschaftsfreiheit zu sein. Es scheint mir also immer noch einigermaßen ungewöhnlich, diesen im Wege von Bescheidauflagen auch nur verbindlich vorzuschreiben, ihre geplanten Publikationen mit irgendeiner Behörde in irgendeiner Weise „abstimmen“ zu müssen; was auch immer das konkret bedeutet. Vielleicht ist es ja doch so, dass das LfDH bei Publikationen mitreden will, ohne dafür irgendeine Rechtsgrundlage zu haben, und daher zwar die offenkundig rechtswidrige alte Formulierung aus seinen Richtlinien (LfDH 2015, 4; 2017a; 4; b, 4) herausgenommen hat, aber dafür halt etwas anderes hineingeschrieben hat, was nahezu die gleichen Folgen hat, oder wenigstens so ausgelegt werden kann, wenn man es grade zu brauchen scheint. Aber nein, das kann sicher nicht sein; so etwas würde ein deutsches Denkmalamt, wie wir alle wissen, sicher nie tun. Also Schwamm drüber! 32 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Ziele und Motive Wie dem auch sei, wenigstens wissen wir, dass die NFG-Pflicht in ganz Deutschland gilt; wenn es denn in Österreich nicht so sein sollte; oder wenigstens eine Grabungsgenehmigungspflicht, wo es schon keine volle NFG-Pflicht ist. In Deutschland sind ja Bodendenkmale in der Regel nach dem deklaratorischen Prinzip (DGUF 2013, 1-2) geschützt, nicht – wie bei den unfähigen Österreichern – nach dem konstitutiven (DGUF 2013, 2). OK, außer in Bayern, wo Bodendenkmale zwar auch nach dem deklaratorischen Prinzip geschützt sind, aber die Bewilligungspflicht des Art. 7 Abs. 1 DSchGBY nur auf Grundstücken gilt, auf denen mit dem Vorkommen von Bodendenkmalen zu rechnen ist. Aber die Bayern sind ja, wie schon gesagt, halbe Österreicher und daher vernachlässigbar; außerdem liegt dort das Problem bekanntermaßen an der ungeschickten Formulierung des Gesetzeswortlauts, der bloß dringend geändert gehört und nur bisher aus den schon oben genannten Gründen vom bayerischen Landtag noch nicht geändert wurde. Sonst überall gilt die NFG-Pflicht aber flächendeckend, weil, wie wir wissen, gemäß dem deklaratorischen Prinzip ein Denkmal ja nur die im Gesetz genannten Bedingungen für die Schutzwürdigkeit erfüllen muss und eine Aufnahme in eine Denkmalliste daher gar nicht notwendig ist, damit es den gesetzlichen Schutzbestimmungen unterliegt. Damit gelten die jeweiligen gesetzlichen NFG-Pflichten glücklicherweise nicht nur dann, wenn der, der Nachforschungen zum Zweck der Entdeckung von Bodendenkmalen anstellen will, schon tatsächlich weiß, dass sich dort, wo er nach diesen suchen will, auch wirklich geschützte Bodendenkmale befinden, oder? Vielmehr ist allein der Zweck der Nachforschung relevant, d.h. ob dabei Bodendenkmale entdeckt werden sollen (so z.B. in Baden-Württemberg; siehe explizit Strobl und Sieche 2010, 264; wenngleich das Regierungspräsidium [RP] Stuttgart z.B. in seiner Pressemitteilung vom 30.9.2016, Nr. 341/2016, etwas anderes zu behaupten scheint, nämlich, dass die unbewilligte Metallsuche in Baden-Württemberg generell eine Ordnungswidrigkeit gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 DSchG-BW darstellen würde). In archäologischdenkmalpflegerisch noch fortschrittlicheren deutschen Bundesländern wie z.B. Hamburg ist es sogar so, dass – nachdem gem. § 14 Abs. 3 DSchG-HH auch Eventualvorsatz und Fährlässigkeit eingeschlossen sind – die NFG-Pflicht auch dann gilt, wenn gar nicht nach Bodendenkmalen gesucht, sondern bei der Suche nach beliebigen Gegenständen die Entdeckung von Bodendenkmalen billigend oder sogar nur fahrlässig in Kauf genommen wird. Nachdem wir aber alle wissen, dass Bodendenkmale überall vorkommen können, bedeutet das doch wohl, dass demzufolge auch die NFG-Pflicht überall im Land gilt; und daher z.B., wie das das RP Stuttgart unter Berufung auf die Strafbestimmung des § 27 Abs. 1 Nr. 1 DSchG-BW, welche die Fahrlässigkeit im Ordnungswidrigkeitstatbestand inkludiert, behauptet hat, alle unbewilligten Metallsuchen generell verboten sind. Wenigstens in der Beziehung ist also alles gut! Aber ist es das wirklich? Weil, ich meine ja nur, genau das hat das österreichische BDA auch jahrzehntelang geglaubt und behauptet, bis es der VwGH und das BVwG auf den bitteren Boden der rechtlichen Realität zurückgeholt haben. Das RP Stuttgart und die Raubgräber Schauen wir uns das also z.B. für Baden-Württemberg an, weil ich ja den vorletzten Absatz in diesem Bundesland enden gelassen habe. Die NFG-Pflicht in Baden-Württemberg ist nahezu exakt identisch zur schon oben zitierten hessischen gestaltet: „Nachforschungen, insbesondere Grabungen, mit dem Ziel, Kulturdenkmale zu entdecken, bedürfen der Genehmigung“ (§ 21 DSchG-BW). Das DSchG-BW basiert dabei auf dem deklaratorischen Prinzip: der Begriff Kulturdenkmale wird in § 2 Abs. 1 als unbestimmter Rechtsbegriff definiert und unterwirft somit alle (aber dafür auch nur die) Objekte, die dieser Definition tatsächlich entsprechen, den sonstigen Schutzbestimmungen dieses 33 Ziele und Motive Gesetzes (Strobl & Sieche 2010, 55-6), somit auch Nachforschungen iSd § 21, mit denen das Ziel der Entdeckung von Kulturdenkmalen verfolgt wird. Das Gesetz bestimmt auch, was eine Ordnungswidrigkeit ist: „Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. ohne Genehmigung der Denkmalschutzbehörde die in § 8, § 15 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Sätze 1 und 2, § 21, § 22 Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Handlungen vornimmt oder den in Genehmigungen enthaltenen vollziehbaren Auflagen zuwiderhandelt, …“ (§ 27 Abs. 1 DSchG-BW). Wir haben also genau die schon oben geschilderte Situation: wer nicht gem. § 21 DSchG-BW bewilligte Nachforschungen anstellt, um Kulturdenkmale zu entdecken, oder auch nur bei Nachforschungen zu anderen Zwecken so fahrlässig handelt, dass es bei diesen zur Entdeckung von Kulturdenkmalen kommen könnte, handelt ordnungswidrig. Und nachdem, wie wir alle wissen, Kulturdenkmale überall vorkommen können, kann ebendiese Fahrlässigkeit bei allen Nachforschungen angenommen werden, bei denen Kulturdenkmale entdeckt werden könnten; also z.B. bei allen Metallsuchen. Nicht wahr? Naja, bestenfalls: jein. Bzw. eigentlich: nein. Klar ist zuerst einmal, dass die Bestimmungen des § 21 DSchG-BW jedenfalls nur Nachforschungen mit dem Ziel bzw. dem Motiv, Kulturdenkmale zu entdecken, einer Bewilligungspflicht unterwerfen. Die Nachforschung nach anderen Sachen als Kulturdenkmalen und Grabungen zu anderen Zwecken als zu deren Entdeckung (inklusive der Untersuchung, Ausgrabung, Freilegung, Bergung, etc. bereits bekannter Kulturdenkmale; siehe dazu Strobl & Sieche 2010, 263; obwohl der Gesetzeswortlaut selbst das nicht explizit feststellt) unterliegt der NFG-Pflicht dieses Paragrafen hingegen sicher nicht. Das sieht nicht nur der einschlägige Gesetzeskommentar so, der explizit ausführt, dass, wenn keine Entdeckung bezweckt wird, eine NFG auch dann nicht erforderlich ist, wenn bei der betreffenden Handlung „die Entdeckung von Kulturdenkmalen möglich oder sogar wahrscheinlich ist“ (Strobl & Sieche 2010, 264), sondern das muss auch zwingend so sein. Letzteres liegt dabei genau daran, dass Kulturdenkmale überall vorkommen könnten. Die Begriffsdefinition des § 2 Abs. 1 DSchG-BW ist nämlich ungünstigerweise so unbestimmt, dass Kulturdenkmale wenigstens hypothetisch bei jeder Nachforschung entdeckt werden könnten, egal welcher Zweck mit ihr verfolgt wird: „Kulturdenkmale im Sinne dieses Gesetzes sind Sachen, Sachgesamtheiten und Teile von Sachen, an deren Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimatgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht.“ (§ 2 Abs. 1 DSchG-BW). Nachdem ein öffentliches Interesse an der Erhaltung einer jeden beliebigen Sache aus den genannten Gründen bestehen kann – man denke nur an die „Müllhaldenarchäologie“ des „Garbage“-Projekts der University of Arizona (Rathje & Murphy 2001), dessen Forschungsgegenstand unter anderem die damals noch aktive „Fresh Kills“ Mülldeponie auf Staten Island, New York, war – kann sogar der soeben weggeworfene Müll interessant sein und somit aus wissenschaftlichen Gründen ein öffentliches Interesse an seiner Erhaltung bestehen. Nachdem das DSchG-BW auch keine weitere Einschränkung auf z.B. nur solche Sachen vornimmt, die sich noch unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche befinden, würde damit, wenn die Bewilligungspflicht des § 21 DSchG-BW auf jede Nachforschung ausgedehnt werden könnte, bei der bloß eine – wie auch immer geringe – Möglichkeit besteht, dass dabei ein Kulturdenkmal entdeckt werden könnte, jede Suche nach jeder beliebigen Sache in BadenWürttemberg der NFG-Pflicht unterliegen. Weil eine Sache, an deren Erhaltung aus den genannten Gründen im öffentlichen Interesse gelegen ist, könnte ja überall vorkommen, selbst im Bücherregal an Ihrer Wand, in dem Sie nach einem Buch zu einer bestimmten archäologischen Fundstelle suchen. 34 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Allen Menschen in Baden-Württemberg zu verbieten, ohne Bewilligung des badenwürttembergischen Landesamts für Denkmalpflege [BWLfD] im eigenen Bücherregal nach einem Buch zu suchen, weil sie dabei hypothetisch ein Kulturdenkmal entdecken könnten, an dessen Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht, geht aber nicht, weil das wäre eklatant unverhältnismäßig. Es folgt also zwingend, dass die Handlung, die einer NFG gem. § 21 DSchG-BW bedarf, eine solche sein muss, die tatsächlich die Entdeckung von Kulturdenkmalen bezweckt; d.h. bei welcher der Handelnde nicht nur irgendeine beliebige, sondern eine ganz bestimmte Art von, Sache(n) entdecken will: eben Kulturdenkmale. Wann wird eine Handlung strafbar fahrlässig? Damit kommen wir zur Ordnungswidrigkeitsbestimmung des § 27 Abs. 1 Z 1 DSchG-BW: laut dieser wird der Ordnungswidrigkeitstatbestand tatsächlich auch bereits durch bloße Fahrlässigkeit erfüllt. Das bedeutet aber in Verbindung mit dem soeben zu § 21 DSchG-BW Gesagten gleich zweierlei: 1. dass nicht die Durchführung einer fahrlässigen Nachforschung die Ordnungswidrigkeit darstellt, sondern die fahrlässige Durchführung einer NFG-pflichtigen Nachforschung ohne die dafür erforderliche Genehmigung. Das ist ein bedeutender Unterschied, denn, wie soeben gezeigt wurde, unterliegt nicht jede Nachforschung der NFG-Pflicht des § 21 DSchG-BW, sondern eben nur solche Nachforschungen, die vorsätzlich mit dem Ziel, Kulturdenkmale zu entdecken, durchgeführt werden. Es ist daher auch völlig belanglos, ob ein Nachforschender fahrlässig vernachlässigt hat, dass er bei seiner Nachforschung zu einem anderen als diesem Zweck dennoch Kulturdenkmale entdecken könnte, weil diese ja überall vorkommen könnten. Relevant ist nur, ob er eine Nachforschung zum Zweck der Entdeckung von Kulturdenkmalen fahrlässig durchgeführt hat, ohne die dafür – und zwar nur dafür – notwendige Genehmigung erteilt bekommen zu haben. Dieser Fall könnte z.B. eintreten, wenn jemand Nachforschungen zum Zweck Kulturdenkmale zu entdecken durchgeführt hat, ohne sich davor kundig zu machen, ob er dafür nicht eventuell einer NFG bedürfen würde; oder, obwohl er wusste, dass er auf die Erteilung der NFG zu warten hatte, in der Erwartung, diese sowieso erteilt zu bekommen, mit deren Durchführung begonnen hat. Damit eine Handlung entsprechend der Strafbestimmungen eines Gesetzes ordnungswidrig und somit strafbar sein kann, ist es eine unabdingbare Voraussetzung, dass sie den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegt. Das gilt auch für Denkmalschutzgesetze. Der Grundsatz nulla poena sine lege ist schließlich nicht nur in Art. 103 Abs. 2 GG (Pieroth et al. 2015, 313-7), sondern auch in Art. 7 Abs. 1 EMRK und Art. 11 Abs. 2 AEMR verankert. Das ist genau das Problem, an dem letztendlich die Auslegung des § 11 Abs. 1 DMSG durch das BDA in den hier diskutierten Fällen und schon im Fall VwGh vom 24.6.1985 zu Zl. 84/12/0213 gescheitert ist: ist eine gesetzliche Genehmigungspflicht auf eine bestimmte Handlung grundsätzlich nicht anwendbar, kann die für deren Vollzug zuständige Behörde weder eine Genehmigung dafür erteilen noch eine beliebige Person für ihre Durchführung ohne NFG bestraft werden. 2. dass, nachdem ein Ordnungswidrigkeitstatbestand nur dann erfüllt ist, wenn der Täter wenigstens fahrlässig gehandelt hat, wenigstens konkrete Hinweise auf das Vorkommen von Kulturdenkmalen am Ort der Durchführung der Nachforschung vorliegen müssen, damit die NFG-Pflicht besteht. 35 Ziele und Motive Selbst wenn man glaubt, dass man das soeben unter Pkt. 1 erläuterte Problem irgendwie umschiffen kann und damit auch Nachforschungen zu anderen Zwecken, bei denen fahrlässig die Möglichkeit der Entdeckung von Kulturdenkmalen missachtet wird, irgendwie unter das Nachforschungsverbot des § 21 DSchG-BW bringen kann, kommt man damit nämlich immer noch nicht weiter. Denn selbst für die Erfüllung des Fahrlässigkeitstatbestandes reicht es nicht aus, dass ein im konkreten Einzelfall völlig unbegründeter Generalverdacht besteht, dass überall Kulturdenkmale vorkommen könnten: Fahrlässigkeit liegt nur vor, wenn der Täter die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Die erforderliche Sorgfalt kann jedoch nicht die grundsätzliche Unterlassung jedweder Nachforschungen zu egal welchen Zwecken überall im ganzen Land sein. Hätte der badenwürttembergische Gesetzgeber das gewollt, hätte er auch tatsächlich alle Nachforschungen, egal zu welchen Zwecken, gesetzlich verbieten müssen, nicht nur Nachforschungen mit dem Ziel, Kulturdenkmale zu entdecken. Das hat er aber nicht getan, also wohl auch nicht gewollt. Die Schwelle, um die Sorgfaltspflicht verletzt haben zu können, muss also höher angesetzt werden. Das aber macht es erforderlich, dass ein Nachforschender, um die erforderliche Sorgfalt tatsächlich walten zu lassen, irgendwelche ihm auch zumutbaren Ermittlungen anstellen kann, die ihm zu erkennen erlauben, dass seine nicht genehmigungspflichtige Nachforschung, obgleich er das nicht beabsichtigt, voraussichtlich zur Entdeckung von Kulturdenkmalen führen wird und daher der NFG-Pflicht unterliegt. Das bedeutet aber wiederum, dass es, damit er überhaupt fahrlässig handeln kann, irgendwelche konkreten Hinweise darauf geben muss, wo er mit der Entdeckung von Kulturdenkmalen rechnen und wo er nicht mit dieser rechnen muss. Denn nur wenn es solche konkreten Hinweise gibt, kann er es schuldhaft unterlassen haben, die erforderliche Sorgfalt walten zu lassen. Was solche konkreten Hinweise genau sind, kann natürlich diskutiert werden; d.h. ob es erforderlich ist, dass Bodenflächen, auf denen mit der Entdeckung von Kulturdenkmalen zu rechnen ist in einem öffentlich zugänglichen geografischen Informationssystem – wie z.B. dem bayerischen Denkmalatlas – oder auch durch an Ort und Stelle gut sichtbar Schilder als Verdachtsfläche ausgewiesen werden; oder es bereits genügt, dass veröffentlichte Fundberichte über eine bestimmte Bodenfläche vorliegen. Aber gibt es gar keine konkreten Hinweise, anhand deren der Nachforschende wenigstens bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt wissen hätte können, dass er einer NFG bedarf, kann auch Fahrlässigkeit nicht vorliegen. Wann besteht überhaupt eine NFG-Pflicht? Das ist letztendlich genau das Problem, an dem die Auslegung des § 11 Abs. 1 DMSG durch das BDA als allgemeine NFG-Pflicht, egal ob irgendwelche Hinweise auf das Vorkommen von Bodendenkmalen am Untersuchungsort bekannt sind, in den im ersten Kapitel diskutierten Fällen vor dem BVwG und VwGH gescheitert ist. Konnte ein Tatverdächtiger, selbst wenn er die erforderliche Sorgfalt hat walten lassen, nicht wissen, dass er am von ihm gewählten Untersuchungsort mit dem Vorkommen von Bodendenkmalen zu rechnen hat, kann diese NFG-Pflicht für seine Nachforschungshandlungen auch nicht bestanden haben. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn man die Schuldhaftigkeit der Handlung letztendlich allein an ihrem Zweck festmacht: es bedarf dann eines wenigstens objektivierbaren Maßstabes, um beurteilen zu können, ob ein Tatverdächtiger über das Motiv seiner Nachforschungen die Unwahrheit sagt. Das kann man jedoch weder rein auf Basis seiner eigenen Aussage noch auf Basis einer Durchschnittsbetrachtung. Letzteres ist schon allein deshalb so, weil man sonst auf Basis eines sich selbst bestätigenden Vorurteils urteilt: der Einzelne wird aufgrund der Annahme verurteilt, dass Verdächtige „normalerweise“ nach Kulturdenkmalen suchen, womit der Einzelfall zu einer weiteren Bestätigung für die Annahme wird, dass Verdächtige das „normalerweise“ tun. So darf das aber nicht geschehen. 36 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Damit bedarf es eines objektiven oder wenigstens objektivierbaren Kriteriums, anhand dessen das Motiv eines Tatverdächtigen wenigstens abschätzbar ist; und dafür bietet sich natürlich an, zu überprüfen, ob es konkrete Hinweise darauf gibt, dass dort, wo er nachgeforscht hat, auch tatsächlich bekanntermaßen Kulturdenkmale vorkommen. Denn das Ziel des Denkmalschutzgesetzes ist es ja schließlich nicht, Nachforschungen zu verhindern, sondern Kulturdenkmale zu schützen. Gibt es solche an einem bestimmten Ort mutmaßlich nicht, ist man beim gleichen Problem wie mit der Fahrlässigkeit angelangt: es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Schutzbestimmungen eines Denkmalschutzgesetzes an dem Ort gelten, an dem Nachforschungen durchgeführt werden sollen, weil ja – wie gerade bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt offenkundig ist – der gesetzliche Schutzgegenstand dort überhaupt nicht vorzukommen scheint. Hinzu kommt, dass man dem das Motiv der Entdeckung von Kulturdenkmalen leugnenden Tatverdächtigen, nachdem er keinen Grund hatte, dort die Entdeckung von Kulturdenkmalen zu erwarten, keinen Widerspruch zwischen seinen Behauptungen und seinem Handeln nachweisen kann und daher von der Wahrheit seiner Behauptung ausgehen muss. Damit bleibt, unter dem Strich, nur sehr wenig übrig: Nachforschungen unterliegen, wie dies auch der österreichische VwGH gesehen hat, nur dann den denkmalschutzrechtlichen NFG-Pflichten, wenn sie auf Bodenflächen durchgeführt werden, bezüglich derer bereits allgemein zugängliche, konkrete Hinweise darauf vorliegen, dass auf ihnen wenigstens wahrscheinlich (Kultur-) Denkmale vorkommen, die den Bestimmungen des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes unterworfen sind; und zwar nicht nur in Österreich, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach auch in Baden-Württemberg. Dabei bleibt es völlig unerheblich, ob man die Verletzung der Genehmigungspflicht nun als reinen Vorsatz- oder auch als Fahrlässigkeitstatbestand betrachtet: damit der Tatverdächtige auch nur fahrlässig gehandelt haben kann, hätte er wenigstens bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt ex ante wissen müssen, dass er voraussichtlich (Kultur-) Denkmale entdecken wird, damit die von ihm geplante Handlung der denkmalschutzrechtlichen NFG-Pflicht unterliegt. Liegen aber keine konkreten Hinweise auf das Vorkommen von relevanten Denkmalen von der betroffenen Bodenfläche vor, kann der Tatverdächtige nicht gewusst haben, dass er für eine ansonsten genehmigungslos gestattete Nachforschung einer denkmalschutzrechtlichen NFG bedarf. Damit hat er nicht fahrlässig gehandelt. Für die Vorsatzbildung hingegen ist es erforderlich, dass der Täter Voraussicht vom künftigen Verlauf von Tathandlung und Taterfolg hatte, d.h. das Eintreten des Taterfolgs wenigstens im Sinne des dolus eventualis für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Selbst letzteres setzt jedoch sicherlich ebenfalls wenigstens das Vorliegen konkreter Hinweise darauf voraus, dass dort, wo eine Nachforschung durchgeführt werden soll, Kulturdenkmale tatsächlich auch vorkommen dürften; nicht nur, dass diese, rein hypothetisch gesprochen, überall vorkommen könnten. Wäre dem nämlich nicht so und könnte der Eventualvorsatz auf alle Handlungen ausgedehnt werden, durch die, und sei es auch nur rein hypothetisch vorhersehbar, irgendeine gesetzliche Bestimmung übertreten werden könnte, wäre nämlich auch das Autofahren vollständig verboten. Schließlich kann auch hypothetisch überall ein temporäres Fahrverbot erlassen worden sein, auf dessen erkenntliche Ausweisung jedoch vergessen wurde; weswegen sich alle, weil sie ja bei jeder Inbetriebnahme ihres Fahrzeugs billigend in Kauf nehmen würden, solche hypothetisch bestehen könnenden, nicht gekennzeichneten Fahrverbote zu missachten, des Autofahrens im Zweifel komplett enthalten müssten. Auch für die Ausbildung des Eventualvorsatzes muss es daher wenigstens allgemein erkennbare, konkrete Hinweise darauf geben, dass das Eintreten des Taterfolges nicht nur rein hypothetisch möglich, sondern auch tatsächlich wenigstens wahrscheinlich ist. 37 Ziele und Motive Öffentliche Vermittlung und die Motive der Denkmalpflege Damit ist aber nicht nur davon auszugehen, dass auch in Baden-Württemberg keineswegs z.B. die ungenehmigte Metallsuche generell eine Ordnungswidrigkeit gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 DSchG-BW darstellt, wie das das RP Stuttgart in seiner Pressemitteilung (vom 30.9.2016, Nr. 341/2016, 3) behauptet hat; sondern auch, dass man auch in Baden-Württemberg Personen, die bei der Metallsuche ohne Genehmigung des BWLfD ertappt wurden, sofern sie nicht den Vorsatz der Kulturdenkmalsentdeckung gestehen, praktisch nur dann gem. § 27 Abs. 1 Z 1 DSchG-BW bestrafen kann, wenn sie auf Bodenflächen angetroffen wurden, auf denen allgemein bekanntermaßen bzw. offensichtlich erkennbar mit dem Vorkommen von Kulturdenkmalen zu rechnen ist; und selbst das vermutlich nur dann, wenn man ihnen den Vorsatz, Kulturdenkmale zu entdecken, nachweisen kann. Denn strafbar scheint in Baden-Württemberg gem. § 27 Abs. 1 Z 1 DSchG-BW nur die fahrlässige Durchführung einer NFG-pflichtigen Nachforschung ohne die dafür erforderliche Genehmigung zu sein, nicht die fahrlässige Durchführung einer Nachforschung zu anderen Zwecken als den der Entdeckung von Kulturdenkmalen. Schließlich unterwirft das DSchG-BW nur die vorsätzliche Nachforschung zum Zweck der Entdeckung von Kulturdenkmalen der NFG-Pflicht (siehe sinngemäß auch Strobl & Sieche 2010, 264) und der Nachweis des Entdeckungsvorsatzes iSd § 21 ist daher für eine Bestrafung erforderlich, wie schwer auch immer sein Erbringen sein mag (ibid., 311). Schlimmer noch, es scheint sogar so zu sein, als ob die Nachforschung, inklusive der Grabung, zum Zwecke der Entdeckung anderer Sachen als von Kulturdenkmalen selbst auf Bodenflächen gestattet ist, auf denen solche zwar tatsächlich bekanntermaßen, aber eben nicht allgemein bekanntermaßen vorkommen. Denn gem. § 27 Abs. 1 ist nur die vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung jedweder Bestimmungen des DSchG-BW, also auch der allgemeinen Schutzbestimmungen für Kulturdenkmale gem. § 8 – d.h. das Verbot, diese ohne Genehmigung zu zerstören, beseitigen, in ihrem Erscheinungsbild zu verändern oder auch nur aus ihrer Umgebung zu entfernen – eine Ordnungswidrigkeit. Ist also an Ort und Stelle nicht durch offensichtlich augenfällige Merkmale zu erkennen, dass sich auf einer Bodenfläche archäologische Kulturdenkmale befinden – wie das wohl bei den meisten archäologischen Fundstellen der Fall sein dürfte – darf dort jeder zu anderen Zwecken als der Entdeckung von Kulturdenkmalen beliebig – und zwar auch zu Nachforschungszwecken – Löcher in den Boden graben, so lange er dafür die Zustimmung des Grundeigentümers hat. Man sollte also annehmen, dass es das BWLfD als essentiell betrachten würde, die Bevölkerung möglichst umfassend darüber zu informieren, auf welchen Bodenflächen sich solche, mit dem freien Auge durch den Laien zumeist nicht erkennbare, archäologische Kulturdenkmale befinden. Dem scheint aber nicht der Fall zu sein, wie gerade der Fall zeigt, zu dem das RP Stuttgart in seiner Pressemitteilung als Reaktion auf eine irreführende Pressemitteilung der Deutschen SondengängerUnion [DSU] öffentlich Stellung genommen hat. In ihrer tatsächlich in manchen Belangen irreführenden Pressemitteilung vom 20.8.2016 hatte die DSU einen Fall geschildert, in dem ein DSU-Mitglied vor dem Verwaltungsgericht [VG] Stuttgart gegen das BWLfD auf Einsichtnahme in das Denkmalbuch und die Denkmallisten geklagt hatte. Der Kläger hatte behauptet (ob nun wahrheitsgemäß oder nicht sei dahingestellt, weil mir das nicht zu beurteilen obliegt), als Hobby mit dem Metalldetektor nach DM- und Euromünzen zu suchen. Die Einsichtnahme in die amtlichen Denkmalverzeichnisse hatte er beantragt, weil er nach eigenen Angaben (s.o.) denkmalschutzrechtlich geschützte Gebiete von seiner Suche aussparen wolle, um nicht unbeabsichtigt eine Ordnungswidrigkeit iSd § 27 Abs. 1 Z 1 begehen zu können. Nachdem ihm das BWLfD diese Einsichtnahme verweigert hatte, klagte er. Das Gericht betrachtete die Klage als aussichtslos und empfahl dem Kläger sie zurückzuziehen, was dieser auch tatsächlich tat; woraufhin das Gericht das Verfahren einstellte (VG Stuttgart vom 5.8.2016, Az. 13 K 935/15). 38 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Diesen Fall verkaufte die DSU in ihrer Pressemitteilung irreführenderweise als hervorragenden Erfolg (http://dsu-online.de/20-08-2016-pressemitteilung-dsu-erzielt-hervorragenden-erfolg-vor-gericht [29.9.2017]); allerdings natürlich nicht aus dem Grund, dass dem Kläger die Einsichtnahme in die amtlichen Denkmalverzeichnisse verweigert worden war. Vielmehr behauptete die DSU in ihrer Pressemitteilung, dass der zuständige Richter im Fall klargestellt habe, dass das Suchen mit dem Metalldetektor grundsätzlich erlaubt sei. Der Vorsatz entfalle bei solchen Tathandlungen, wenn der Metallsucher nicht wisse, dass es sich bei dem, was er sucht, um ein Kulturdenkmal handle. Die Fahrlässigkeit entfalle ebenfalls, wenn bei verständiger Betrachtung ein Kulturdenkmal nicht erkannt werden konnte. Könne kein Kulturdenkmal erkannt werden, begehe der Metallsucher daher auch keine Ordnungswidrigkeit. Die Einsichtnahme in die amtlichen Denkmalverzeichnisse sei daher für den Kläger nicht erforderlich. Sie erkennen das Argument vielleicht: es ist im Wesentlichen genau das, das der österreichische VwGH in Bezug auf die Anwendbarkeit des § 11 Abs. 1 DMSG geführt hat, und das ich soeben in Bezug auf die geltende Rechtslage in Baden-Württemberg ausgeführt habe. Natürlich hat das RP Stuttgart in seiner Pressemitteilung vom 30.9.2016 recht, wenn es feststellt, dass die DSU den Fall völlig verzerrt darstellt, denn, wie auch das Gericht in einer Reaktion auf die Pressemitteilung der DSU ganz richtig festgestellt hat: der Kläger hatte vor Gericht selbstverständlich keinen Erfolg erzielt und die Frage, wann eine Ordnungswidrigkeit gem. § 27 Abs. 1 Z 1 DSchG-BW vorliege, sei gar nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen (RP Stuttgart vom 30.9.2016, Nr. 341/2016, 2). Seine Klage hatte schließlich keinen Erfolg: er hatte nicht die ihm vom BWLfD verweigerte Einsichtnahme in die amtlichen Denkmalverzeichnisse gewährt bekommen. Na also, was will der Herr Karl jetzt damit? Die Klage wurde also abgewiesen! Recht geschieht es dem Raubgräber! Wir haben gewonnen! Haben wir gewonnen? Nun, den Fall in der Streitsache, die Gegenstand des Verfahrens war: ja. In der Sache, die aber eigentlich die wirklich relevante ist: nun, tja, wie soll ich das jetzt diplomatisch sagen? Nein. Tatsächlich konnte das BWLfD durch diesen Sieg verhindern, dass ein Metallsucher – also einer der bösen Menschen, von denen wir wissen, dass sie normalerweise nach Kulturdenkmalen suchen – Recht auf Einsichtnahme in die amtlichen Denkmalverzeichnisse bekam; auch wenn der in diesem konkreten Einzelfall betroffene Metallsucher behauptet hatte, dass er die Einsicht in diese gerade deshalb wollte, um nicht unabsichtlich bei seinen genehmigungslos zu anderen Zwecken als der Entdeckung von Kulturdenkmalen durchgeführten Nachforschungen auf Bodenflächen Löcher in den Boden zu graben, auf denen sich wahrscheinlich bedeutende Kulturdenkmale befinden. Das BWLfD scheint angenommen zu haben, dass der Kläger trotzdem ein böser Metallsucher ist, der sicher gelogen hat und nur wissen wollte, wo sich Fundstellen befinden, auf denen sich die Suche nach Kulturdenkmalen auch so richtig auszahlt! Ich nehme an, man hat sich im BWLfD über diesen gloriosen Sieg sehr gefreut. Nur, dass es dummerweise ein Pyrrhussieg war. Weil die DSU hat scheinbar recht gehabt, was die von ihr dem Richter im genannten Verfahren zugeschriebene Rechtsmeinung zur eigentlich weit wichtigeren Frage betrifft, wann eine Nachforschung den Ordnungswidrigkeitstatbestand des § 27 Abs. 1 Z 1 DSchG-BW erfüllt, egal ob dieser sie jetzt tatsächlich in diesem Verfahren geäußert hat und egal ob ihre Beantwortung Gegenstand dieses konkreten Verfahrens war oder nicht. Darauf scheinen wenigstens mehrere weitere Pressemitteilungen auf ihrer Webseite hinzudeuten (http://dsuonline.de/pressemitteilung-vom-07-01-2017-unwissenheit-schuetzt-vor-strafe; http://dsu-online.de/2sondengaenger-kommen-vor-gericht-frei-dsu-gewinnt-naechsten-prozess [29.9.2017]) – auch wenn diese natürlich genauso irreführend wie die oben Besprochene sein können –, die zu zeigen scheinen, dass die DSU inzwischen genau dieses Argument bereits wenigstens zweimal erfolgreich zur Anwendung gebracht hat, sowohl in Baden-Württemberg, als auch in Rheinland-Pfalz. Au weh! 39 Ziele und Motive Vielleicht noch verwunderlicher ist, dass das RP Stuttgart in seiner Pressemitteilung (vom 30.9.2016, Nr. 341/2016, 3) mit derartiger Bestimmtheit darauf bestanden hat, dass die Durchführung von Nachforschungen mit Metallsonden ohne NFG in Baden-Württemberg eine Ordnungswidrigkeit gem. § 27 Abs. 1 Z 1 DSchG-BW darstellt; denn das ist, wie hier gezeigt wurde, zweifelsfrei rechtlich falsch. Das muss man auch im RP Stuttgart gewusst haben, weil die Rechtslage ist eigentlich – nicht anders als in Österreich – vollkommen eindeutig. Nachforschungen, auch solche mittels eines Metallsuchgerätes, sind in Baden-Württemberg nur dann NFG-pflichtig, wenn sie vorsätzlich mit dem Ziel, Kulturdenkmale zu entdecken, durchgeführt werden. Besteht dieser Vorsatz nicht, oder kann er nicht nachgewiesen werden, dann besteht entweder keine NFG-Pflicht oder kann wenigstens keine Ordnungswidrigkeitsstrafe verhängt werden; wie auch der einschlägige Kommentar zum DSchG-BW feststellt (Strobl & Sieche 2010, 264, 311). Paul Watzlawick hat in seinem sehr empfehlenswerten Buch Vom Schlechten des Guten darüber geschrieben, dass zu viel des Guten zu wollen normalerweise nicht zu guten, sondern wenigstens zu schlechten, wenn nicht sogar schrecklichen Lösungen führt. Solche Patendlösungen – der Begriff ist intentional aus den Begriffen Patent- und Endlösung zusammengesetzt (Watzlawick 2001, 7-8) – sind Lösungen, die ein Problem so total lösen, dass sie „nicht nur das Problem, sondern auch alles damit Zusammenhängende aus der Welt schaffen“ (ibid., 8). Eine solche Lösung scheint das BWLfD für das Problem der unbewilligt verbotenen Metallsuche durch Laien gesucht und gefunden geglaubt zu haben; exakt übrigens wie das österreichische BDA. Die klassischste Patendlösung, so schreibt Watzlawick (ibid, 102-3) auch, ist die, die schon Plato für die Lösung aller Probleme des Allgemeinwohls vorgeschlagen hat, die autokratische Herrschaft des Besten, des „PhilosophenKönigs“ (ibid.). Für Plato ist der Philosoph laut Watzlawick nicht mehr der sokratische Sucher nach Wahrheit, sondern vielmehr der, der die Wahrheit schon weiß. Diese gilt es, um das Allgemeinwohl auch tatsächlich über die abträglichen Einwände Unwissender hinweg durchzusetzen, nicht nur zu vermitteln, sondern sie den Unwissenden notfalls auch aufzuzwingen, „wenn nötig auch gegen deren Willen. Das berechtigt den Philosophen-König, auch Unwahrheiten in den Dienst der Wahrheit zu stellen.“ (ibid.). Der Philosophen-König im BWLfD; der, wie wir ja alle, schon um die ewige Wahrheit weiß, dass alle ungenehmigten Nachforschungen von Metallsuchern durchgeführt werden (weil NFG nur an professionelle Archäologen ausgestellt werden, wenn überhaupt), alle Metallsucher notorische Raubgräber sind, alle Raubgräber notorische Lügner, Betrüger und Rechtsbrecher, und daher zum Schutz des Allgemeinwohlgutes der Erhaltung der Kulturdenkmale alle Nachforschungen zu egal welchen Zwecken verboten werden müssen; muss sich mit so Kleinigkeiten wie dem Willen des unverständigen Gesetzgebers oder der tatsächlich geltenden Rechtslage nicht abgeben. Vielmehr muss er der ewigen Wahrheit zum Wohle der Allgemeinheit zum Durchbruch verhelfen, im Notfall auch mit dem Mittel der Unwahrheit, wenn es denn sein muss, auch gegen den durch den demokratischen Gesetzgeber in Form der geltenden Gesetze festgeschriebenen Willen der Allgemeinheit. Weil es wäre ja noch schöner, wenn uns um die Wahrheit schon Wissenden irgendwelche ungebildeten und unverständigen Dummköpfe einfach anschaffen könnten, das zu tun, was sie wollen und als für das Allgemeinwohl erforderlich halten! Dass das im Endeffekt dazu führt, dass Kulturdenkmale nicht etwa besser, sondern vielmehr schlechter als eigentlich möglich wäre geschützt werden, weil die Philosophen-Könige in den Denkmalämtern nicht – wie es übrigens ihre gesetzliche Pflicht wäre – die geltenden Gesetze möglichst effektiv zur Anwendung bringen, sondern stattdessen lieber die Gesetze in einer Weise anzuwenden versuchen, in der das nicht geht, ist ja egal. Statt den Metallsuchern, die wirklich mit dem Zweck, Kulturdenkmale zu entdecken, ihr tatsächlich illegales Tun dadurch zu erschweren, dass wir bekanntgeben, wo sie mit der Entdeckung von Kulturdenkmalen zu rechnen haben und sie somit, wenn wir sie auf solchen erwischen, 40 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? wenigstens qua Eventualvorsatz, wenn schon nicht anders, ihrer gerechten Bestrafung zuführen können, halten wir lieber geheim, wo mit Funden von Kulturdenkmalen zu rechnen ist. Auch wenn das bedeutet, dass sie als Folge dieser, unserer eigenen, unendlichen Dummheit ganz ungeniert auf diesen nach Kulturdenkmalen graben können, weil sie ja, weil wir ihnen verschweigen, wo mit solchen zu rechnen ist, nicht wissen können, wo sie mit deren Entdeckung rechnen hätten müssen und deshalb nicht einmal wegen Fahrlässigkeit bestraft werden können. Indem wir zu viel des Guten zu erreichen versuchen – nämlich das, was sich mit den bestehenden Gesetzen nicht erreichen lässt, nämlich ein Totalverbot der zielgerichteten Nachforschung durch andere Personen als professionelle ArchäologInnen –, erreichen wir nicht den bestmöglichen Schutz der archäologischen Kulturdenkmale, sondern ganz im Gegenteil – indem wir die gesetzlichen Schutzmechanismen, die uns zur Verfügung stehen, aber uns zu schwach sind, durch ihre nicht tragfähige Interpretation völlig wirkungslos machen – dass die Archäologie de facto und de jure jedweden gesetzlichen Schutzes beraubt wird. Denn es ist besser, wenigstens für unser Selbstverständnis und unser Selbstwertgefühl, dass wir, die wir schon um die Wahrheit wissen, den totalen Schutz der Archäologie zu erreichen versucht haben – sei es auch indem wir gelogen und rechtswidrig gehandelt haben – und damit wenigstens moralisch recht behalten, auch wenn wir Unrecht tun und dadurch die Archäologie mehr Schaden erleidet als notwendig. Bravo! Unbestimmte Rechtsbegriffe Weil wir schon beim zu viel des Guten Wollen sind: reden wir gleich auch noch über die völlig unbestimmten Rechtsbegriffe, die so breit ausgelegt werden können, dass niemand mehr auch nur annähernd verlässlich bestimmen kann, was denn nun tatsächlich ihr Inhalt sein soll; nicht einmal wir selbst. Die sind nämlich Teil unseres Problems, insbesondere des Problems mit dem deklaratorischen Prinzip des Kulturgüterschutzes. Schödingers Bürger in Baden-Württemberg Baden-Württemberg ist an sich auch dafür ein gutes Beispiel, auch wenn ich dort nun eigentlich nicht länger verweilen möchte und daher nur ganz kurz darauf eingehe. Der Kulturdenkmalbegriff wird im DSchG-BW als unbestimmter Rechtsbegriff wie folgt „definiert“: „Kulturdenkmale im Sinne dieses Gesetzes sind Sachen, Sachgesamtheiten und Teile von Sachen, an deren Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimatgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht.“ (§ 2 Abs. 1 DSchG-BW) Zwar sagt der einschlägige Kommentar (Strobl & Sieche 2010, 55), dass aus den Besonderheiten des Denkmalschutzrechtes folgt, dass das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit der Gesetze dadurch nicht verletzt werde; man muss sich aber doch ein wenig darüber wundern. Schließlich kann aus wissenschaftlichen Gründen an der Erhaltung einer jeden Sache ein öffentliches Interesse bestehen, insbesondere wenn es dafür schon ausreicht, dass „die Sache als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung in Betracht kommt“ (Strobl & Sieche 2010, 68; cf. Rathje & Murphy 2001); und diese Forschung auch nicht etwa nur solche kulturhistorischer bzw. altertumswissenschaftlicher Disziplinen sein muss, sondern die Forschung einer jeden beliebigen wissenschaftlichen Disziplin sein kann (Strobl & Sieche 2010, 67). Das macht es in Anbetracht der „prinzipiellen Unbegrenztheit wissenschaftlicher Fragestellungen“ (ibid., 68) einigermaßen schwierig, festzustellen, ob eine beliebige Sache nun ein „Kulturdenkmal“ iSd § 2 Abs. 1 DSchG-BW ist; insbesondere, wenn der Beurteilungsmaßstab für die Beantwortung dieser Frage „der Kenntnis- und Wissensstand sachverständiger Fachleute“ (ibid. 73) ist. Weil selbst ein Fachmann für, sagen wir, Archäologie, wie z.B. ich, kann nicht wissen, ob nicht irgendeine beliebige 41 Ziele und Motive Sache für die Wissenschaft der gartenbaulichen Phytotechnologie, die man an der Beuth Hochschule für Technik in Berlin studieren kann (http://www.beuth-hochschule.de/b-gpt/ [29.9.2017]), von solcher Bedeutung für deren Forschungen ist, dass an ihrer Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht. Mit anderen Worten: der Bedeutungsgehalt des Begriffs „Kulturdenkmal“ iSd § 2 DSchG-BW umfasst jede und ist damit gleichwertig mit dem rechtlichen Begriff der „Sache“ an sich. Wenn das also schon ein aufgrund der Besonderheiten des Denkmalschutzrechts hinreichend bestimmter unbestimmter Rechtsbegriff ist, möchte ich nicht wissen, was im Denkmalschutzrecht ein nicht hinreichend bestimmter unbestimmter Rechtsbegriff wäre. Wie dem auch sei, das wäre soweit ja noch kein Problem, weil ja, damit die Erhaltung einer beliebigen Sache im öffentlichen Interesse gelegen sein kann, Voraussetzung ist, dass „die Denkmaleigenschaft einer Sache und die Notwendigkeit zu ihrer Erhaltung in das Bewusstsein der Bevölkerung“ (Strobl & Sieche 2010, 73) eingegangen ist. Oder wenigstens in das „eines breiteren Kreises von Sachverständigen“ (ibid.). Denn sind wir uns ehrlich, was die Bevölkerung weiß, ist ohnehin egal, weil was wissen die schon? Wir breiter Kreis von Fachleuten wissen z.B., dass auch schon irgendwelche alten Scherben auf dem nächsten Acker wichtig sind; auch wenn das wenigstens die österreichische Bevölkerung noch nicht wirklich verstanden hat (Karl et al. 2014, 8-13). Aber das ist ja soweit noch kein Problem, als das ohnehin alles im Notfall der Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt (Strobl & Sieche 2010, 59), die das ja dann auf Basis von Sachverständigengutachten beurteilen können. Haben Sie sich übrigens solche Sachverständigengutachten schon einmal durchgelesen? Deren Argumentation ist auch nicht immer gerade das Gelbe vom Ei; gerade wenn es um solche Fragen geht, wie ob Wissen tatsächlich schon in das Bewusstsein der Bevölkerung eingegangen ist; mit dem wir uns ja immer schon extrem intensiv wissenschaftlich auseinandergesetzt haben… Es wird allerdings zum Problem, wenn man, wie oben gezeigt die Denkmalämter, vom Durchschnittsbürger einerseits verlangt, dass er von sich aus erkennt, ob eine Sache einen derartigen wissenschaftlichen Bedeutungsgrad erreicht hat, dass ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt und daher weiß, dass er nach Sachen, die Kulturdenkmale sind, nicht suchen darf; was offensichtlich besonderen Sachverstand voraussetzt, der dem Durchschnittsbürger per Definition fehlt; aber ihm gleichzeitig eben diesen Sachverstand, der für die selbstständige Beantwortung der Frage erforderlich ist, ob er an einem Ort Nachforschungen durchführen darf, weil dort keine als Kulturdenkmale erkennbaren Sachen vorkommen, abspricht. Wenigstens die archäologische Denkmalpflege, wenigstens in Baden-Württemberg, scheint also anzunehmen, dass die Denkmalschutzgesetzgebung von einem schrödingerischen Durchschnittsbürger ausgeht, der gleichzeitig über einen immensen Sachverstand in allen vorstellbaren Wissenschaften verfügt und auch nicht; und zwar, günstigsterweise für die archäologische Denkmalpflege, im Gegensatz zur bekannten Katze des entsprechenden Herrn, immer dann, wenn man in die juristische Black Box hineinschaut, in der er sich befindet, über diesen Sachverstand verfügt, wenn er gerade gemäß dem ipsa lege-Prinzip über ihn verfügen sollte, und immer dann nicht, wenn man ihm den Sachverstand gerade nicht zuerkennen will. Schrödingers Bodendenkmale in Hessen In Hessen, um endlich aus Baden-Württemberg herauszukommen, ist das scheinbar auch nicht wesentlich anders. Das HDSchG definiert zwar den Begriff Bodendenkmale, auf deren Entdeckung die 42 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? schon oben im Wortlaut zitierte Bestimmung seines § 22 abstellt, deutlich enger, aber immer noch enorm weit: „Bodendenkmäler sind Kulturdenkmäler, die Zeugnisse menschlichen, tierischen oder pflanzlichen Lebens von wissenschaftlichem Wert darstellen und die im Boden verborgen sind oder waren oder aus urgeschichtlicher Zeit stammen.“ (§ 2 Abs. 2 HDSchG). Das beschränkt den Begriff wenigstens nur auf Sachen, die Zeugnisse irgendwelches Lebens von irgendeinem wissenschaftlichem Wert sind. Aber eine großartige Einschränkung ist das auch wieder nicht, denn diese können ja wiederum überall vorkommen, da sie gerade nicht im Boden verborgen sein müssen, sondern nur irgendwann einmal in diesem verborgen gewesen sein müssen. Wie soll man, vor allem als Durchschnittsbürger, bei einer weitgehend beliebigen Sache (ok, außer unbearbeitete Geologie und Meteoriten), die man nicht selbst geschaffen hat, wissen, ob sie sich nicht doch irgendwann einmal in ihrer Objektbiografie im Boden befunden hat? Nehmen wir als Beispiel einen beliebigen mittelalterlichen Goldring her, der derzeit an einem beliebigen Ort über der Erdoberfläche herumliegt: hat sich dieser seit seiner Erzeugung vor, sagen wir, 800 Jahren, irgendwann einmal im Boden befunden? Oder ist er seit seiner Erzeugung von Generation zu Erbengeneration wenigstens zuerst oder sogar in ungebrochener Stammlinie in der Familie, für die er erzeugt wurde, weitergegeben worden, ohne dabei jemals unter die Erdoberfläche gelangt zu sein? Selbst ein archäologischer Sachverständiger wird sich ziemlich schwer dabei tun, diese Frage mit einiger Sicherheit zu beantworten; wenigstens, wenn er nicht noch nahezu vollständig in einen bodenfrischen Erdklumpen eingeschlossen ist. Selbst die Nennung der urgeschichtlichen Zeit als wenigstens eine nähere Spezifikation des Begriffs sagt dem Durchschnittsbürger nicht viel. Ok, eine römische Münze vermag vielleicht auch der Durchschnittsbürger als solche zu erkennen, obgleich auch das fraglich ist - vor allem, wenn sie ein frischer Bodenfund und einigermaßen abgenutzt ist. Aber urgeschichtliches Fundmaterial, wie z.B. ein korrodiertes Fragment einer früheisenzeitlichen Fibel? Wenn die ein jeder erkennen kann, wofür haben wir dann eigentlich jahrelang studiert? Erschwerend kommt in Hessen noch dazu, dass nicht unbedingt jeder Fundgegenstand überhaupt ein Bodendenkmal sein muss. Die Bodendenkmalsbegriffsdefinition des § 2 Abs. 2 leitet sich ja ihrerseits aus der Definition des Kulturdenkmalsbegriffs des § 2 Abs. 1 HDSchG ab, der nicht anders als § 2 Abs. 1 DSchG-BW verlangt, dass an der Erhaltung der betreffenden Sache aus wissenschaftlichen oder anderen dort genannten Gründen ein öffentliches Interesse besteht. D.h. es ist auch in Hessen nicht jeder Bodenfund automatisch ein Bodendenkmal, das den Schutzbestimmungen des HDSchG unterliegt, sondern nur manche Bodenfunde, nämlich die, die wissenschaftlich so bedeutend sind, dass ihre Erhaltung auch tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist. Ob eine Sache dieses Kriterium erfüllt, ist aber nun wiederum im Zweifelsfall durch Sachverständigenbeweis zu ermitteln, nicht anders als in Baden-Württemberg oder auch in Österreich. Nun gibt aber selbst das LfDH offen zu, dass es wenigstens manche Funde – nämlich die, die nicht von ausreichendem wissenschaftlichen Wert sind, um der Bestimmung des hessischen Schatzregals für Bodendenkmäler des § 25 Abs. 1 Z 1 HDSchG zu unterliegen – ihren Findern zurückgibt, die damit zu deren Eigentümern werden und dann wohl damit auch machen können, was auch immer sie wollen. Ich kann zwar in Ermangelung ausreichender Kenntnis der Handhabungspraxis des LfDH in dieser Beziehung nicht mit Sicherheit sagen, dass sich darunter auch urgeschichtliche Funde finden; aber wenigstens irgendwelche Sachen, die der Begriffsdefinition des § 2 Abs. 2 HDSchG genügen, werden wohl schon dabei sein, weil sonst wären diese Funde ja gar nicht der Melde- und Überlassungspflicht 43 Ziele und Motive des § 21 Abs. 1 und 4 unterlegen. Denn auch die letztgenannte Bestimmung gilt natürlich nur für solche Sachen, die ipsa lege Schutzgegenstände des HDSchG sind. Offenkundig besteht in Hessen also nach Ansicht des LfDH kein öffentliches Interesse an der Erhaltung mancher Sachen, deren Erhaltung ihres wissenschaftlichen Wertes wegen so sehr im öffentlichen Interesse gelegen ist, dass man nicht einmal dort nach beliebigen anderen Sachen suchen darf, wo man nicht einmal Grund zu Annahme hat, dass dort überhaupt erhaltenswerte Sachen vorkommen. Damit beißt sich Schrödingers Katze in ihrer denkmalschutzrechtlichen Black Box in Hessen wohl auch noch in den Schwanz. Arme Katze, wirklich! Das wiederum führt aber nun auch in Hessen mit seinem schon etwas genauer als in BadenWürttemberg eingegrenzten Bodendenkmalbegriff dazu, dass es nicht etwa schon genügt, dass irgendwer, ob nun mit oder ohne Metallsuchgerät, irgendwelche Nachforschungen mit dem Zweck der Entdeckung irgendwelcher (alten) Sachen anstellt, damit er dafür einer NFG durch das LfDH bedarf. Es genügt nicht einmal, dass er nach irgendwelchen nicht näher bestimmten archäologischen Funden sucht; weil § 22 HDSchG ja nicht die Nachforschung zum Zweck der Entdeckung irgendwelcher Sachen, die möglicherweise Bodendenkmale sein könnten, der NFG-Pflicht unterwirft, sondern nur die Nachforschungen mit dem Vorsatz, Bodendenkmale zu entdecken; d.h. ganz konkret solche Sachen zu entdecken, deren wissenschaftlicher Wert so beschaffen ist, dass an ihrer Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht. Kann der Durchschnittsbürger aber nicht beurteilen, ob eine Sache ein Bodendenkmal ist oder nicht, helfen auch Eventualvorsatz oder auch nur bloße Fahrlässigkeit nichts, denn beide erfordern immer noch als Voraussetzung für die Strafbarkeit einer ungenehmigten Nachforschung, dass für den Täter ex ante absehbar war oder wenigstens bei Wahrung der erforderlichen Sorgfalt absehbar gewesen sein müsste, dass er dabei vermutlich eine Sache finden wird, die der Schutzbestimmung des § 22 HDSchG unterliegt. Wenn aber deren wissenschaftliche Bedeutung und damit Erhaltungswürdigkeit überhaupt erst ex post von wissenschaftlichen Fachgutachtern festgestellt werden kann, die über besonderen Sachverstand verfügen, kann der Durchschnittsbürger von sich aus gar nicht ex ante wissen, ob das, wonach er sucht, ein Bodendenkmal sein wird oder nicht. Um das wissen zu können, müsste er ja ex ante eine zukünftige ex post-Beurteilung durch einen Fachwissenschafter korrekt vorhersagen können, dessen Kenntnis- und Wissensstand er per Definition nicht hat und dessen sachverständige Beurteilung er daher auch gar nicht abschätzen können kann. Man muss also voraussetzen, dass der Durchschnittsbürger der Hellseherei mächtig ist, damit man irgendwelche seiner Handlungen auf Bodenflächen, von denen noch gar keine Hinweise auf das Vorkommen von Bodendenkmalen bekannt sind, der NFG-Pflicht unterwerfen zu können. Damit kann aber in Hessen eine beliebige Person, selbst wenn sie ganz konkret nach einer Kategorie von Sachen sucht, deren Denkmaleigenschaft und Erhaltungswürdigkeit tatsächlich ins Bewusstsein der Bevölkerung eingegangen ist, wie z.B. römischen Münzen (Karl et al. 2014, 9), für eine Nachforschung nach diesen nicht bestraft werden: nachdem gemäß der Legaldefinition des Bodendenkmalbegriffs im HDSchG nicht jede, sondern nur manche, römische Münzen Bodendenkmale sind, kann er auch nicht wissen, ob seine Nachforschung nach römischen Münzen die NFG-Pflicht des § 22 auslöst. Es folgt schließlich keineswegs allein aus der Tatsache, dass er römische Münzen finden will, dass er auch ex ante vorhersehen kann, dass er mit seiner Nachforschung an einem bestimmten Ort eine tatsächlich so bedeutende römische Münze entdecken kann, dass diese ein Bodendenkmal im Sinne der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 1 ist und somit den Taterfolg herbeiführt. Vielmehr muss er wenigstens auch wissen, dass dort, wo er sucht, auch tatsächlich solche – und nicht nur irgendwelche – römische Münzen vorkommen dürften, oder dies, wenn man auch die Fahrlässigkeit mit einschließen will, wenigstens wahrscheinlich ist. 44 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Das ist genauso wie die Tatsache, dass ich mir irgendeine Wurstsemmel kaufen will und dafür mit dem nötigen Kleingeld in den nächsten beliebigen Laden gehe, für sich allein noch lange nicht bedeutet, dass ich voraussehen kann, dass ich dort eine Wurstsemmel bekommen kann, geschweige denn eine, die vergiftet ist und die ich daher nicht essen darf. Schließlich kann das beliebige Geschäft, das ich betrete, auch ein Schuhgeschäft sein; und in solchen werden normalerweise keine Wurstsemmeln verkauft. Schon gar nicht kann ich vorhersehen, dass ich, selbst wenn ich ein Lebensmittelgeschäft betreten habe, um mir dort meine Wurstsemmel zu kaufen, eine kaufen werde, die vergiftet ist; eine Tatsache, die dummerweise erst nachdem ich die Wurstsemmel gegessen habe, von einem sachverständigen Gutachter festgestellt werden kann. Gut, zugegebenermaßen ist es im Fall, dass ich mir eine Wurstsemmel kaufen will, aber weiß, dass Wurstsemmeln oft vergiftet sind, gescheiter, mir erst gar keine Wurstsemmel kaufen zu wollen bzw. wenn ich trotzdem ungeheure Lust dazu habe, diese zu unterdrücken und darauf zu verzichten, mir eine zu kaufen. Ich kann ja auch ein Käsebrot essen, d.h. meinen Hunger kann ich auch auf anderem Weg stillen. Allerdings erwarte ich schon, dass der Staat, wenn er weiß, dass bestimmte Wurstsemmeln vergiftet sind, aber trotzdem grundsätzlich den Kauf von Wurstsemmeln erlaubt, mir auch sagt, welche Wurstsemmeln jetzt tatsächlich vergiftet sind, oder wenigstens, wie ich selbstständig erkennen kann, welche Wurstsemmeln vergiftet sind. Eine Legaldefinition des unbestimmten Rechtsbegriffs „vergiftete Wurstsemmel“, die mir nur sagt, dass ich von allen existierenden Wurstsemmeln die nicht essen darf, die ex post von irgendeinem Wissenschafter als vergiftet identifiziert werden, reicht sicher nicht dafür aus, dass ich vorhersehen kann, welche konkrete Wurstsemmel ich essen darf und welche nicht. Die Gestaltung der Legaldefinition des relevanten Denkmalbegriffs im HDSchG und DSchG-BW ist daher vollkommen nutzlos: sie sagt nämlich dem Bürger nur, dass von allen existierenden Sachen jene durch das jeweilige DSchG geschützt sind, die irgendein Wissenschafter im jeweils konkreten Einzelfall ex post sachverständig als so bedeutend identifiziert, dass an ihrer Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht. Das kann aber unmöglich mit NFG-Pflichten zusammengehen, die vom Durchschnittsbürger verlangen, ohne den dafür erforderlichen Sachverstand ex ante aus diesem inhaltlich völlig unbestimmten Rechtsbegriff das Wissen abzuleiten, welche Sachen er nicht ohne vorab eingeholte Genehmigung des jeweils zuständigen LfD zu entdecken versuchen darf. Wir haben hier also einen unauflösbaren Widerspruch: die NFG-Pflichten der §§ 22 HDSchG und 21 DSchG-BW können überhaupt erst dann anwendbar werden, wenn der, der eine Nachforschung unternehmen will, schon vorab weiß (oder wenigstens gewusst haben müsste), dass er etwas finden würde, das den gesetzlichen Schutzbestimmungen unterliegt. Um aber wissen zu können, ob eine Sache derart beschaffen ist, dass sie den gesetzlichen Schutzbestimmungen unterliegt, muss sie ex post sachverständig als schutzwürdig beurteilt worden sein, also schon gefunden worden sein. Damit eine ungenehmigte Nachforschung verboten sein kann, muss sie also schon durchgeführt worden sein; und das ist unmöglich. Im Landeanflug auf den Flughafen Frankfurt am Main Die unendlich weit auslegbaren unbestimmten Rechtsbegriffe beschränken sich aber nicht nur auf die Denkmalsbegriffsdefinitionen selbst; sondern finden sich auch an anderen Orten in den Gesetzen. Ein weiteres gutes Beispiel dafür sind die beiden anderen wesentlichen Begriffe in den NFG-Pflichten, nämlich „Nachforschung“ und „Entdeckung“. Weil was ist eigentlich eine „Nachforschung“? Ist das jede Suche, bei der man irgendeine beliebige Sache auf irgendeine beliebige Weise zu finden versucht? Und was ist eigentlich eine „Entdeckung“? Schon das bloße Auffinden einer jeden beliebigen Sache oder gar nur Idee, die man subjektiv noch nicht gekannt hat? Oder bedarf es dafür (jeweils) mehr? 45 Ziele und Motive Ja, ich bin mir sicher, Sie glauben schon zu wissen, wie ja wir alle, was eine „Nachforschung“ und was eine „Entdeckung“ in archäologisch-denkmalpflegerischen Kontexten ist. Nachdem Sie das sicher schon wissen, weil das ja auch jeder halbwegs kompetente Archäologe weiß, vielleicht können Sie mir ja beantworten, ob die im folgenden Beispiel geschilderte Situation eine „Nachforschung“ zum Zweck der „Entdeckung“ von „Bodendenkmalen“ war oder nicht. Die Situation ist real vorgekommen, d.h. wir spielen hier nicht nur ein bloßes Gedankenexperiment durch. Am 3.7.2015 befand ich mich um ca. 13 Uhr Ortszeit auf dem Weg aus Bangor zum 9. deutschen Archäologenkongress in Mainz vom Zwischenstopp aus Hamburg kommend im Anflug auf den Flughafen Frankfurt am Main in einem Flugzeug der Lufthansa, also im hessischen Luftraum auf einem deutschen Binnenflug. Während das Flugzeug gerade eine majestätische Kurve zog, um die Landebahn anzusteuern, machte ich mit der Kamera meines Mobiltelefons aus dem Fester neben meinem Sitz mit dem expliziten Motiv Bodendenkmale zu entdecken Fotos des hessischen Bodens. Selbstverständlich hatte ich für diese Nachforschungen keine Genehmigung durch das LfDH. Es stellt sich also nun die Frage: habe ich mit dieser vorsätzlichen Handlung eine Nachforschung mit dem Ziel, Bodendenkmäler zu entdecken, unternommen, für die ich gem. § 22 HDSchG einer Genehmigung durch das LfDH bedurft hätte, und somit die Bußgeldbestimmungen des § 28 Abs. 1 Z 1 HDSchG verletzt; oder habe ich das nicht? Was noch viel wichtiger ist, kann ich dafür vom LfDH, wenn Sie mich jetzt deswegen anzeigen oder dort jemand diesen Text liest, gem. § 28 Abs. 2 HDSchG mit einer Geldbuße von bis zu € 25.000 belegt werden; und noch schlimmer, gem. § 28 Abs. 4 vom LfDH die zur Vorbereitung und Begehung dieser Ordnungswidrigkeit gebrauchten Gegenstände, d.h. jedenfalls mein Mobiltelefon, aber wohl auch das Flugzeug der Lufthansa, ohne das ich diese Tat überhaupt nicht begehen hätte können, einziehen? Ich meine: so ein Flugzeug, das ist einen Haufen Geld wert. Nachdem ich hiermit eingestandenerweise absichtlich Bodendenkmale zu finden versucht habe, ist der subjektive Vorsatz, den § 22 HDSchG voraussetzt, jedenfalls gegeben. Die Frage, ob ich damit eine Ordnungswidrigkeit begangen habe, hängt daher primär von der Beurteilung der Fragen ab, ob ich dadurch, dass ich aus dem Flugzeugfenster mit der Kamera meines Handys ein Foto gemacht habe Nachforschungen iSd § 22 durchgeführt habe, die zu einer Entdeckung iSd § 22 von Bodendenkmalen führen hätte können. Nachdem die Kamera meines Mobiltelefons 12 Megapixel Auflösung hat und die Luftbildarchäologie bekanntermaßen eine anerkannte archäologische Prospektionsmethode ist, d.h. eine Methode, mittels derer sich Bodendenkmale tatsächlich entdecken lassen sollten, besteht auch jedenfalls rein fachlich betrachtet die Möglichkeit – wenigstens vorausgesetzt, ich habe das Bild nicht verwackelt, die Scheibe des Flugzeugfensters war nicht zu sehr verschmutzt oder beschlagen, etc. –, dass ich auf dem von mir angefertigten Luftbild tatsächlich irgendwelche Bodendenkmale erkennen könnte. Laut dem einschlägigen Kommentar zum HDSchG unterliegen der NFG-Pflicht dieses Paragrafen auch „archäologische und paläontologische Geländebegehungen, z.B. auf Ackerflächen und in Steinbrüchen mit oder ohne Zuhilfenahme von technischen Geräten (z.B. Metallsonden)“ (Davydov 2018, 287). Nachforschungen iSd § 22 sind also keineswegs nur in den Boden eingreifende Maßnahmen oder gar auch nur am Boden stattfindende Maßnahmen, sondern können wohl fraglos auch die Verwendung luftfahrzeuggestützter Prospektionsmethoden beinhalten. Dass das auch tatsächlich der Fall zu sein scheint, zeigt sich an der NFG 183/2012 des LfDH vom 24.4.2012, mit der die Durchführung einer „Luftbildprospektion … via Multikopter“ genehmigt wurde. Man muss also wohl davon ausgehen, dass meine oben geschilderte Handlung eine Nachforschung iSd § 22 HDSchG war. 46 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Aus dem Kommentar lässt sich auch ableiten, dass mit dem Begriff „Entdeckung“ nicht der Akt der objektiv ersten (Wieder-) Entdeckung eines Bodendenkmals gemeint sein kann, d.h. der Akt, bei dem eine zuvor noch allgemein unbekannte (bzw. seit Menschengedenken in Vergessenheit geratene) Sache entdeckt wird, sondern jedenfalls auch die in anderen Denkmalschutzgesetzen manchmal separat genannte „Untersuchung“ bereits (wenigstens dem Nachforschenden selbst) bekannter Denkmale miteingeschlossen ist (Viebrock 2007, 238; Davydov 2018, 287). Das muss natürlich auch so sein, weil sonst hätte die Bestimmung des § 22 HDSchG überhaupt keinen Sinn: es wären sonst dadurch ja nur Nachforschungen zur Entdeckung bislang unbekannter Bodendenkmale verboten; nicht hingegen die Erforschung bereits zuvor (wieder-) entdeckter, z.B. durch archäologische Ausgrabungen. Die Bestimmung des § 22 stellt also jedenfalls wenigstens auf den subjektiven Entdeckungsakt ab; d.h. wenigstens das erstmalige Auffinden eines Bodendenkmals durch eine Person, der dieses zuvor noch nicht bekannt war. Man muss aber wohl sogar davon ausgehen, dass der Begriff der „Entdeckung“ noch weiter gefasst ist als das, weil selbst die Beschränkung auf den subjektiven Erstentdeckungsakt es Nachforschenden immer noch gestatten würde, ein bereits zuvor von ihnen selbst rechtmäßig (d.h. zufällig oder mit NFG) entdecktes Denkmal, z.B. eine noch obertägig erkennbare prähistorische Wallanlage, ein zweites etc. Mal gänzlich ohne weitere Genehmigung durch das LfDH durch Nachforschungen (inklusive Grabungen) zu untersuchen oder von seinem Fundort zu bergen. „Entdeckung“ iSd § 22 muss also zwingend sowohl die subjektive (Erst-) Entdeckung als auch alle dieser folgenden Untersuchungen und Bergungen von Bodendenkmalen miteinschließen, damit die Bestimmung dieses Paragrafen ihren offensichtlichen Primärzweck – die Verhinderung der Zerstörung (oder Veränderung) von Bodendenkmalen durch beliebige Nachforschungshandlungen – überhaupt auch nur einigermaßen sinnvoll erfüllen kann. Das bedeutet, dass man den Begriff „Entdeckung“ im HDSchG offensichtlich so extrem weit auslegen muss, dass er jedes „Finden“ im umgangssprachlichen Sinn umfasst. Dass ich durch meine oben geschilderte Handlung tatsächlich Bodendenkmale zu finden versucht habe, steht schon durch mein obiges Eingeständnis dieser Tatsache völlig außer Frage, es hat sich dabei also wohl auch um den Versuch einer Entdeckung iSd § 22 gehandelt. Damit wäre also meine oben geschilderte Handlung tatsächlich eine Nachforschung mit dem Ziel, Bodendenkmäler iSd § 22 HDSchG zu entdecken gewesen, für deren Durchführung ich wohl eine Genehmigung durch das LfDH bedurft hätte. Nachdem ich diese Genehmigung weder beantragt noch erteilt bekommen hatte, habe ich also – noch dazu tatsächlich vorsätzlich – die Bußgeldbestimmung des § 28 Abs. 1 Z 1 HDSchG verletzt. Wenn Sie mich also jetzt beim LfDH für diesen unglaublich frechen Verstoß gegen das HDSchG anzeigen zu müssen glauben, sollten Sie das umgehend tun. Wie Sie sich wohl in Anbetracht des schon weiter oben Ausgeführten und der Tatsache, dass ich meine Tat hier so offen zugebe, denken können, blicke ich einem allfällig möglichen Bußgeldbescheid des LfDH äußerst gelassen entgegen. Ganz im Gegenteil, ich würde mich wirklich freuen, wenn das LfDH dumm genug wäre, mir ein Bußgeld aufzubrummen (und noch besser: das Flugzeug der Lufthansa, in dem ich dabei gesessen bin, gem. § 28 Abs. 4 HDSchG einzuziehen) zu versuchen: wie Sie wohl aus meinem Verfahren gegen das BDA im ersten hier geschilderten Fall schließen können, machen mir Gerichtsverfahren, die ich nicht verlieren kann, durchaus einigen Spaß; und ich schätze sie vor allem auch deshalb, weil sie es gestatten, offensichtlich rechtswidrige Auslegungen von Denkmalschutzgesetzen durch die mit ihrer Exekution betrauten Denkmalbehörden wenigstens zeitweilig abzustellen. Aus diesem Grund können wir uns auch alle sicher sein, dass das LfDH sich hier nicht auf ein Verfahren einlassen wird; und ich mich damit auch darauf, dass ich völlig ungeschoren davonkomme. 47 Ziele und Motive Denn was wären die Konsequenzen, wenn tatsächlich – wie man den § 22 HDSchG auf Nichtjuristendeutsch übersetzen müsste – in Hessen jedwede Suche (= „Nachforschung“) mit dem Ziel, irgendeine beliebige Sache, die irgendeiner Wissenschaft so wichtig sein könnte, dass deren Erhaltung deshalb im öffentlichen Interesse gelegen ist (= „Bodendenkmal“), zu finden (= „entdecken“), ohne jeweils separat zu beantragende Genehmigung durch das LfDH verboten wäre? Die Folgen wären gar noch extremer, wenn zutrifft, wie der Kommentar es einen glauben ließe, wenn er, um auch Eventualvorsatz und Fahrlässigkeit unter die Bestimmungen dieses Paragrafen zu bekommen, behauptet, dass es auch „Unerheblich ist, aus welchen Motiven die Suche erfolgt…“ (Viebrock 2007, 238): also jede Handlung, egal zu welchem Zweck sie erfolgt, bei der man sucht bzw. Ausschau hält (= „Nachforschung“), um irgendeine beliebige Sache, die irgendeiner Wissenschaft so wichtig sein könnte, dass ihre Erhaltung deshalb im öffentlichen Interesse gelegen ist (= „Bodendenkmal“), zu finden (= „entdecken“), ohne jeweils separat zu beantragende Genehmigung durch das LfDH verboten wäre. Wäre dies der Fall, müsste ja auch der Pilot des Flugzeugs, der die Landebahn des Flughafens Frankfurt/Main ansteuert und deshalb zwingend auch nach ihr Ausschau hält, d.h. sie sucht (= „Nachforschungen“ anstellt), um irgendeine Sache, z.B. die Landebahn (= „Bodendenkmal“), zu finden (= „entdecken“), zuvor eine NFG gem. § 22 HDSchG beim LfDH beantragt haben, die er, nachdem er aller Wahrscheinlichkeit nach kein Archäologiestudium absolviert haben wird, wohl eher nicht erteilt bekommen wird. Landungen am Flughafen Frankfurt/Main wären also, wenn überhaupt, nur noch im Blindflug per Autopilot möglich, wenn nicht alle Fluglinien der Welt, die diesen Flughafen anfliegen, wenigstens alle ihrer Piloten, die sie dorthin fliegen lassen könnten, ein Archäologiestudium absolvieren lassen und für jede Landung in Frankfurt eine NFG beantragen. Weil natürlich kann man nicht ausschließen, dass der Pilot bei seiner Suche nach der Landebahn nicht unabsichtlich nicht nur diese, sondern auch irgendein Bodendenkmal findet. Viel Spaß, kann ich da nur sagen; der Flughafen München wird sich freuen. Ebenso dürfte in Hessen niemand auf eine Landkarte schauen, um irgendeinen Ort zu finden, ohne vorher eine NFG beim LfDH beantragt zu haben. Schließlich könnten auf dieser Landkarte ja Bodendenkmale eingezeichnet sein, von deren Existenz der Kartenleser noch nicht weiß und die er daher unbeabsichtigt durch das Kartenlesen subjektiv entdecken könnte. Ach ja, und ich hoffe auch, in Hessen liest niemand irgendwelche archäologische Fachliteratur über Hessen ohne NFG. Weil die Lektüre archäologischer Fachliteratur ist wohl auch eine „Nachforschung“, bei der die Wahrscheinlichkeit, dass man subjektiv irgendetwas, was man vorher über irgendein „Bodendenkmal“ noch nicht gewusst hat, herausfinden und somit „entdecken“ wird, wohl extrem nahe an 100% liegt. Davon abgesehen: welche Gefahr geht durch irgendwelche solche „Nachforschungen“ eigentlich für die „Bodendenkmale“ aus, die tatsächlich irgendwo in Hessen zu „entdecken“ sind? Selbst wenn man bei meinem vorsätzlichen Foto davon ausgehen will, dass die Bestimmung des § 22 iVm § 28 Abs. 1 Z 1 HDSchG verletzt wurde, bestand jemals eine auch nur halbwegs realistische Gefahr, dass dadurch irgendeines der sicherlich unzählig vielen Bodendenkmäler, die auf meinem Foto sind, durch meine Handlung selbst (und ihre wahrscheinlichen Folgehandlungen) auch nur irgendeinen bemess- oder bemerkbaren Schaden erleiden? Selbstverständlich nicht! Das ist also natürlich alles Schwachsinn, weil es fällt spätestens vor dem Bundesverfassungsgericht; weil es so absolut unverhältnismäßig ist, schon nur mit dem dadurch erzeugten Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit, dass es verfassungsrechtlich völlig unhaltbar ist. Daraus ergibt sich jedoch bei der umgekehrten Betrachtung ein ernsthaftes Problem. Denn was ist der Unterschied zwischen einer gewöhnlichen „Suche“ mit dem Ziel der „Entdeckung“ irgendeiner 48 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? gewöhnlichen „Sache“, die man ganz ohne NFG durchführen darf, und einer „Nachforschung“ mit dem Ziel der „Entdeckung“ von „Bodendenkmalen“, wenn man ex ante gar nicht zwischen normalen Suchen und „Nachforschungen“, normalen „Sachen“ und „Bodendenkmalen“ sowie normalem „Finden“ und „Entdeckungen“ unterscheiden kann, weil alle spezifisch unbestimmten denkmalschutzrechtlichen Begriffe in ihrem Bedeutungsgehalt soweit ausgedehnt wurden und werden, dass sie de facto mit den allgemeinen Begriffen bedeutungsgleich sind? Und wie soll insbesondere der zum schuldhaft handelnden Täter werden könnende Durchschnittsbürger bei der von ihm selbstständig durchzuführenden Beurteilung der Frage, ob er eine bestimmte Handlung setzen darf oder nicht, bevor er sie setzt, auf einer solchen Basis zu einer Entscheidung kommen können, ob er aller Wahrscheinlichkeit nach rechtmäßig oder rechtswidrig handelt, wenn er eine bestimmte Handlung setzt? Es ist für die Strafbarkeit einer verbotenen Handlung schließlich nicht nur notwendig, dass die Justiz bei der Fallbetrachtung ex post zum Urteil kommt, dass der Tatverdächtige tatsächlich durch die von ihm vorgenommene Handlung alle Tatbestandsmerkmale objektiv erfüllt und den strafbaren Taterfolg auch herbeigeführt hat oder ihn auch, wenn schon der Versuch strafbar ist, nur herbeiführen hätte können. Es ist vielmehr dafür, dass ein Beschuldigter überhaupt strafbar gehandelt haben kann, auch erforderlich, dass der Tatverdächtige schon ex ante die Rechtswidrigkeit seiner geplanten Tat erkannt hat oder wenigstens erkennen hätte müssen, wenn er die erforderliche Sorgfalt walten hätte lassen, und er daher die verbotene Handlung unterlassen hätte können. Kann aber der Tatverdächtige selbst beim besten Willen und der größtmöglichen Sorgfalt nicht herausfinden, wodurch sich nun eine verbotene von offensichtlich erlaubten Handlungen unterscheidet, befindet er sich notwendigerweise wenigstens in einem unvermeidbaren und damit jedenfalls schuldbefreienden Verbotsirrtum. Die Möglichkeit für den Durchschnittsbürger, zwischen einer verbotenen und einer erlaubten Handlung unterscheiden zu können, wird umso geringer, desto weiter eine Verbotsbestimmung, die nur manche, aber nicht alle Handlungen einer bestimmten Art umfasst, ausgelegt werden kann und vor allem auch ausgelegt wird. Denn je weiter eine solche Verbotsbestimmung ausgelegt wird, desto geringer wird der auch allgemein erkenntliche Bezug des Verbots zum gesetzlichen Schutzziel. Das Schuldverständnis des Durchschnittsbürgers Der Durchschnittsbürger vermag durchaus zu erkennen, dass der Sinn eines denkmalschutzrechtlichen Grabungsverbotes auf in geeigneter Weise öffentlich ausgewiesenen Bodendenkmalen der ist, dass diese nicht durch in die Substanz dieser Denkmale eingreifende Handlungen gefährdet bzw. zerstört werden. Dass wenigstens eine unsachgemäß durchgeführte, wenn nicht sogar jede, Grabung auf einem solchen bekanntermaßen „wichtigen“ Bodendenkmal jedenfalls vermieden werden sollte, ist daher auch dem Durchschnittsbürger unmittelbar einsichtig. Nachdem auch allgemein bekannt ist (egal ob das jetzt stimmt), das professionelle Ausgrabungen mit besonderer Vorsicht mit Zahnarztbesteck und Pinseln durchgeführt werden und dabei niemals Geräte wie Spaten, Schaufeln etc. zum Einsatz kommen würden (siehe dazu z.B. auch VwGH 24.6.1985 zu Zl. 84/12/0213, 4), versteht der Durchschnittsbürger auch vollständig, dass eine Grabung, die er selbst mit dem Spaten durchführt, aller Wahrscheinlichkeit nach keine sachgemäße Grabung werden wird. Damit weiß er auch, dass er Grabungen auf „besonders wichtigen“ und daher „geschützten“ Bodendenkmalen tatsächlich unterlassen sollte (außer vielleicht als freiwilliger Mitarbeiter auf einer von professionellen ArchäologInnen geleiteten und durchgeführten Grabung, die aufpassen, dass er nichts kaputt macht). Das notwendige Schuldverständnis des Durchschnittsbürgers bei Zuwiderhandlungen kann also nicht nur vorausgesetzt werden, wenn man Grabungen auf geschützten Bodendenkmalen einem gesetzlichen Verbot mit Genehmigungsvorbehalt unterwirft (wie das z.B. die Bayern tun), sondern es 49 Ziele und Motive besteht auch erfahrungsgemäß tatsächlich. Hat man dann noch eine Liste mit geschützten Bodendenkmalen einfach öffentlich zugänglich gemacht (wie das z.B. die Bayern tun), kann sich auch niemand mehr darauf ausreden, dass er nicht wissen konnte, dass dort, wo er trotz Schuldverständnis ein Loch gegraben hat, keines graben hätte dürfen; denn selbst wenn er es tatsächlich nicht weiß, hätte er es bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt wissen müssen (wie z.B. in Bayern). Natürlich gibt es dann immer noch Leute, die sich auch dadurch nicht abhalten lassen (auch z.B. in Bayern). Aber die, die man dann dort erwischt, kann man auch wirklich bestrafen und zwar nicht nur völlig verdient, sondern – was wenigstens ebenso wichtig ist – auch rechtlich korrekt. Soll heißen: Entscheidungen der Denkmalbehörden halten rechtlich auch dann, wenn gegen sie geklagt wird. Wobei Strafen letztendlich ohnehin weitgehend egal sind: nicht nur ist das Strafrecht, wie Udo Löhr das ausgedrückt hat, „immer nur eine Krücke“, mit der „gesellschaftliche Probleme […] kaum gelöst werden können“ (Löhr 2006, 134), sondern es nutzt der Erhaltung der Bodendenkmale auch herzlich wenig, wenn die, die sie kaputt machen, bestraft werden (können); wenigstens so lange diese Bestrafung keine nennenswerte Präventionswirkung entfaltet, worauf derzeit alles hinweist (Karl & Möller 2016). Diese lässt sich noch dazu auch durch zusätzlich verschärfte Strafen kaum vergrößern, weil erstens selbst die drakonischste Strafe nichts nutzt, wenn ein Täter damit rechnen kann ohnehin nie erwischt zu werden und, selbst wenn, wahrscheinlich ungestraft davonzukommen, weil das Gesetz gar nicht so anwendbar ist, wie wir das glauben, und zweitens Strafen für „Raubgrabungen“ in einem allgemein als angemessen betrachteten Verhältnis mit denen für gesellschaftlich weit schädlicher betrachteten Straftaten stehen müssen, weil sonst die Leute, die Täter in flagranti erwischen, noch weniger geneigt sind, diese anzuzeigen. Es stößt also die Staatsgewalt, wie mächtig sie auch immer in anderen Fällen sein mag, recht rasch an ihre Grenzen, wenn sie übertrieben wird, sowohl an ihre rechtlichen als auch ihre gesellschaftlichen. Will man Schaden an der Archäologie präventiv abwehren, müssen sich die Leute weitgehend freiwillig von sich aus, nicht nur aus Angst vor Strafe für Zuwiderhandlung, an die archäologischen Schutzbestimmungen der Denkmalschutzgesetze halten. Dazu ist aber das Schuldverständnis essentiell. Kavaliersdelikt Metallsuche? Je breiter aber die Schere zwischen tatsächlich auch für Durchschnittsbürger erkennbarem Gefährdungspotential und Restriktivität der denkmalschutzrechtlichen Regelung (bzw. deren Auslegung) auseinandergeht, desto geringer wird das Schuldverständnis des Durchschnittsbürgers. Das sieht man schon an der ambivalenten gesellschaftlichen Bewertung der Metallsuche. Bei der Metallsuche lässt sich tatsächlich noch – wenigstens, wenn sie auf wirklich bekanntermaßen bedeutenden und daher spezifisch geschützten Bodendenkmalen stattfindet – ein einigermaßen enger Bezug zwischen der davon ausgehenden Gefährdung und der rechtlichen Regelung herstellen. Wo es als Folge der Metallsuche tatsächlich zu Eingriffen in die eigentliche Substanz von allgemein als „Bodendenkmal“ verstandenen Fundstellen kommt – wobei man aber bedenken muss, dass die über dem eigentlichen Bodendenkmal selbst entstandene Humusschicht streng genommen nicht zu dessen Substanz gehört (siehe auch VwGH vom 23.2.2017 zu Zl. Ro2016/09/0008, 4) –, richtet diese wenigstens mittelbar durch die dem Signal des Metalldetektors folgende Grabung tatsächlich Schaden am betroffenen Bodendenkmal an. Aber selbst hier stellt sich schon für den Durchschnittsbürger, der diesen mittelbaren Zusammenhang durchaus versteht, die Frage, weshalb zur Verhinderung der die tatsächliche Gefährdung des Denkmals darstellenden Grabung schon die bloße Suchhandlung, die ja per se keinen Schaden anrichtet, mit einem Verbot belegt ist bzw. sein soll? Selbst wenn man, dem üblichen archäologischen 50 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Argument dazu folgend, einen Kausalzusammenhang zwischen erfolgreichem Ortungsversuch und darauffolgender Ausgrabung des georteten Objektes akzeptiert, tut sich der Durchschnittsbürger schon schwer zu akzeptieren, dass die zweite Handlung eine zwingende Folge der ersten ist. Denn die Annahme, dass eine solche Kausalität zwingend gegeben ist, setzt das (Vor-) Urteil voraus, dass Metallsucher suchtkrank sind (Prokisch 2011, 149) und daher ihre Impulskontrolle so eingeschränkt ist, dass sie sich, wenn der Detektor piept, des Grabens einfach nicht enthalten können (sinngemäß so etwa Brunecker 2008, 19). Das mag aus dem Blickwinkel des archäologischen Sachverständigen sogar tatsächlich im Sinne einer Durchschnittsfallbetrachtung zutreffen; wenigstens in dem Sinn, dass tatsächlich statistisch signifikant gehäuft, wenn auch keineswegs zwingend, der Ortung eines Gegenstandes durch einen Metallsucher dessen Ausgrabung durch ebendiesen folgt. Aus dem Blickwinkel des Durchschnittsbürgers widerspricht jedoch die Annahme einer zwingenden Kausalität der allgemeinen Lebenserfahrung: selbst den meisten tatsächlich Drogensüchtigen, die sie kennen – und jeder kennt Drogensüchtige, und seien es nur Raucher und Alkoholiker – fehlt es nicht derart vollständig an jedweder Impulskontrolle, wenn sie ihre Droge sehen. Das Rauchen ist hier übrigens eine besonders gute Analogie: Raucher brauchen tatsächlich ihr Nikotin und haben daher eine deutlich reduzierte Impulskontrolle, was den Genuss ihres Suchtmittels betrifft. Sie halten sich aber dennoch in der Regel an Rauchverbote, auch wenn sie ihre Zigaretten einstecken haben, sie gerade unbeobachtet sind und daher das Rauchverbot sicher straffrei missachten könnten. Der Durchschnittsbürger tut sich nun aber – und zwar durchaus berechtigt – sehr schwer dabei, sich vorzustellen, dass auch nur ein signifikanter Anteil der Metallsucher eine psychische Suchtkrankheit hat, die ihre Impulskontrolle weit stärker reduziert als die – tatsächlich zumeist wenigstens auch teilweise körperliche – Abhängigkeit von Nikotin die von Rauchern. Das senkt die Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz von Such- statt Grabungsverboten unter Durchschnittsbürgern bedeutend; egal was Gesetzgeber, Denkmalämter oder die Fachwelt behaupten mögen: kommen solche Behauptungen mit der gewöhnlichen Lebenserfahrung des Durchschnittsbürgers in Konflikt, neigen heutzutage Durchschnittsbürger dazu, eher ihrer eigenen Lebenserfahrung als Dritten zu glauben. Dehnt man den Anwendungsbereich gesetzlicher Verbote der Metallsuche über bekanntermaßen bedeutende Denkmale hinaus aus, senkt das ihre gesellschaftliche Akzeptanz nur noch weiter. Gerade weil der Durchschnittsbürger durchaus intuitiv versteht, dass denkmalschutzrechtliche Bestimmungen dem Schutz von Denkmalen dienen, aber gleichzeitig als Denkmal nur tatsächlich in wenigstens irgendeiner Weise besonders bedeutende Sachen versteht (Karl et al. 2014, 8-13), kann er schon gar nicht mehr nachvollziehen, warum denkmalschutzrechtliche Verbote auch dort gelten (sollten), wo man noch gar keine Denkmale kennt, geschweige denn besonders bedeutende. Daran ändern auch wiederholte Behauptungen der Denkmalämter und/oder Fachwelt nichts, dass die Metallsuche maßgeblichen Schaden an noch unbekannten Befunden (die der Durchschnittsbürger gar nicht als eigenständiges Denkmal betrachtet) anrichtet; selbst wenn diese Behauptungen aus fachlicher Sicht korrekt sein sollten, vor allem, wenn sie, wie das die Regel ist, nicht mit harten Fakten untermauert sind, die wir auch gar nicht erheben (siehe dazu noch weiter unten); weil wir den Durchschnittsbürger auch gar nicht zu überzeugen versuchen, sondern stattdessen erwarten, dass er unserer Expertise einfach blind vertraut. Welcher Prozentsatz aller im vergangenen Jahr professionell ausgegrabenen archäologischen Befunde wurde durch beobachtbare und auch dokumentierte, moderne „Raubgrabungslöcher“ beschädigt? 10%? Oder doch weniger? Und wie groß war der dadurch an betroffenen Denkmalen (nicht an einzelnen Befunden) angerichtete Schaden quantitativ? Waren es durchschnittlich 1% der Denkmalsubstanz? Oder weniger? Und wie war der Schaden an den betroffenen Denkmalen qualitativ zu werten? Wurde der Denkmalwert des Denkmals, oder 51 Ziele und Motive wenigstens sein Quellenwert, tatsächlich (und nicht etwa nur hypothetisch) maßgeblich gesenkt? Und falls ja, wie maßgeblich? Um die Hälfte? Um ein Viertel? Ein Zehntel? Die Antworten auf diese Fragen sind für uns unerfreulich, wenn sie tatsächlich erhoben werden; Karl 2018c). Selbst einigermaßen eindrucksvolle anekdotische Beispiele wie der Fall der Himmelsscheibe von Nebra (z.B. Otten 2012, 21-4) nutzen wenig, um zu zeigen, dass durch ungenehmigte Metallsuchen abseits geschützter Denkmale wirklich ernsthafter Schaden am Allgemeinwohl entsteht: im Endeffekt kam die Scheibe ja nicht nur in ein öffentliches Museum, sondern es konnten auch professionelle Nachgrabungen am ursprünglichen Fundort durchgeführt werden, durch die der Befund (inklusive des deutlich erkennbaren „Raubgrabungsloches“; Abb. 1) wenigstens teilweise – eben abzüglich des von der unsachgemäßen Grabung der Finder gestörten Volumenanteils – sachgerecht dokumentiert und somit wissenschaftlich gesichert wurde. Mehr noch: dem allgemeinen Tenor der breit öffentlich zugänglichen Informationen über das „Bodendenkmal“, dessen Bestandteil die Himmelsscheibe ist, scheint es ohnehin die Scheibe selbst zu sein, die wichtig ist; denn der Grabungsbefund und aus diesem gewinnbare Informationen scheinen in populären Medien – z.B. im Internet – praktisch überhaupt keine Rolle zu spielen. Was also – aus Sicht des Durchschnittsbürgers gesehen – genau der, noch dazu erhebliche, Schaden gewesen sein soll, der dadurch entstanden ist, dass die Scheibe nicht sachgerecht bei einer genehmigten professionellen Grabung geborgen wurde, ist nicht wirklich klar. Abb. 1: Nachgrabungen am Fundort der Himmelsscheibe von Nebra mit deutlich im Profil erkennbarem „Raubgrabungsloch“ (Otten 2012, 22 Abb. 14). Ebenso wenig nutzen rein hypothetische „was wäre wenn“-Beispiele wie das sowohl von Otten (2012, 10-6) als auch davor schon von Kriesch et al. (1997, 8-15) angeführte, unter einem 6 Meter hohen Hügel und 50 Tonnen Steinen (sic!) verborgene und daher von „Raubgräbern“ verschont gebliebene (ibid. 8-9) Grab des „Keltenfürsten von Hochdorf“. Das ist umso mehr der Fall wenn, wie in den genannten Texten, neuerlich praktisch keine Rede davon ist, welche bedeutenden neuen Erkenntnisse seit seiner Ausgrabung Ende 1978 aus dem – ja gerade nicht von „Raubgräbern“ unsachgemäß ausgebuddelten – Befund gewonnen werden konnten, sondern der unique selling point, auf dem 52 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? herumgeritten wird, erst recht wieder spektakuläre Fundgegenstände sind (Kriesch et al. 1997, 8-15; Otten 2012, 10-6). Dass auch sonst normalerweise nicht erhaltene Textilreste und andere organische Materialien gefunden wurden (z.B. Kriesch et al. 1997, 13-5; Otten 2012, 14-6), ist natürlich für uns ArchäologInnen extrem spannend, aber wird vom Durchschnittsbürger sicher nicht als bedeutende Erkenntnis aus dem ungestörten Befund wahrgenommen, sondern bestenfalls als mehr oder minder interessantes „Beiwerk“ zu Kline, Löwenkessel und sonstigen hochwertigen „Schätzen“ aus Metall. So interessant solche „Fundgeschichten“ auch sein mögen – auch für den Durchschnittsbürger –, bleiben alle Erkenntnisse, die durch diese anekdotischen Beispiele vermittelt werden, nicht nur streng fundobjektbezogen, sondern vor allem auch letztendlich trivial. Der Durchschnittsbürger – und solche sind ja auch wir Archäologen in Bezug auf die Erkenntnisse der meisten anderen Wissenschaften als unserer eigenen – findet Wissen zwar durchaus auch um seiner selbst Willen interessant und hält es damit auch bis zu einem gewissen Grad für wertvoll; aber für besonders bedeutend erachtet er in der Regel nur solches Wissen, das auch irgendeinen Nutzwert hat, und zwar idealerweise für ihn selbst, wenigstens mittelbar. Aber welchen Nutzwert haben die Erkenntnisse, die wir aus „ungestörten“ archäologischen Befunden ziehen können, und sei es nur mittelbar, für ihn? Brutal in Form einer wenigstens in Österreich gängigen Redewendung ausgedrückt; was kann sich Otto Normalverbraucher um die Information, dass der „Keltenfürst von Hochdorf“ haufenweise Schätze ins Grab mitbekommen hat, die noch dazu in Textilien eingewickelt waren, jetzt kaufen? Wenn es hoch kommt, 3 Minuten Unterhaltung; sonst nichts. Und die 3 Minuten Unterhaltung sind, weil er sich auch auf Milliarden andere Weisen unterhalten kann, praktisch nichts wert. Geht also solche Information dadurch verloren, dass sich tatsächlich irgendwer irgendwo, wo noch niemand weiß, dass dort etwas ist, durch einen 6 Meter hohen Hügel und 50 Tonnen Steine gräbt, um an die Metallfunde in der darunterliegenden Grabkammer zu kommen – eine Verkettung von Umständen, die dem Durchschnittsbürger ohnehin völlig berechtigterweise enorm unwahrscheinlich erscheint, weil wie oft kommt eine solche Verkettung von Umständen wirklich vor – ist der aus Sicht des Durchschnittsbürgers dabei entstehende Schaden tatsächlich so groß, dass das für ihn ein generelles Metallsuchverbot überall im Land zu rechtfertigen erscheint? Wenigstens für den Durchschnitt aller DurchschnittsbürgerInnen natürlich nicht. Ganz im Gegenteil, das ist kaum mehr als der Schaden, der möglicherweise entstehen könnte, wenn ein Sack Reis in China umfällt, und das ist ja bekanntermaßen nicht nur ein typisches Beispiel für ein Ereignis, das eigentlich vollkommen egal ist, sondern sogar für eines, aus dem sich im populären Diskurs sogar die Frage ableitet ob es, wenn es niemand bemerkt, überhaupt passiert ist. Es ist daher gar nicht überraschend, dass, wenn die Schere zwischen der auch allgemein, nicht nur von einer Handvoll Fachleuten, wahrgenommenen Gefährdung tatsächlich als besonders hochwertig betrachteter Allgemeinwohlgüter und den gesetzlichen Regelungen zu deren Schutz auch nur so weit aufgeht wie im Fall eines generellen, landesweiten Verbots einer bestimmten, als normalerweise weitgehend harmlos betrachteten Handlung, eben der Metallsuche – selbst wenn, wie bei dieser, noch wenigstens ein mittelbarer Bezug zwischen der von ihrer Durchführung ausgehenden Gefahr und den gesetzlichen Schutzmechanismen zur Reduzierung ebendieser auch vom Durchschnittsbürger hergestellt werden kann – das Übertreten der gesetzlichen Verbote dieser Handlung von den meisten Durchschnittsbürgern als Kavaliersdelikt betrachtet wird. Das ist etwa so, wie selbstverständlich ein jeder den Sinn des Verbots, als Fußgänger eine geregelte Kreuzung bei Rot zu überqueren, durchaus versteht; aber dennoch niemand jemand anderen auch nur anzeigt, geschweige denn direkt einschreitet, wenn er diesen, zu nachtschlafender Zeit, an eine solche kommen und sie trotzdem bei Rot überqueren sieht, wenn weit und breit kein sich bewegendes Fahrzeug zu bemerken ist. Wird ein geltendes Verbot, auch eines, dessen Sinn durchaus jedem einsichtig ist, als in einer bestimmten 53 Ziele und Motive Situation unnötig empfunden, dann kümmert es die Bevölkerung auch nicht, wenn es jemand in einer solchen Situation übertritt. Ja eh, es ist verboten, aber das ist den meisten Menschen egal. In die Landschaft schauen Geht die Schere zwischen der von einer bestimmten Handlung ausgehenden Gefährdung für ein Allgemeinwohlgut und der Restriktivität ihrer gesetzlichen Regelung noch weiter auseinander als das, schwindet jedwedes Schuldverständnis des Durchschnittsbürgers bei und für ihre Übertretung praktisch vollständig. Das ist z.B. bei einem Verbot der Aufsammlung von Oberflächenfunden der Fall; selbst dann, wenn es tatsächlich nur die vorsätzliche, gezielte Suche mit dem Zweck solche zu entdecken ist und nicht etwa gar jede Suchhandlung zu beliebigen Zwecken, bei der man unbeabsichtigt auch obertägig erkennbare Bodendenkmale finden könnte, die einem gesetzlichen Verbot unterworfen ist. Neuerlich spielt es dabei – sogar noch weniger als bei den obigen Beispielen – überhaupt keine Rolle, was irgendwelche Experten wie wir diesbezüglich denken, weil hier jedwede gegenteilige Behauptung von Experten unmittelbar und direkt im Widerspruch mit der eigenen Lebenserfahrung der meisten Durchschnittsbürger steht. Jeder Durchschnittsbürger weiß nämlich aus seiner eigenen Lebenserfahrung, dass einfach irgendwo frei und offen herumliegende Sachen – egal ob das jetzt Denkmale oder beliebige andere Sachen sind – jedenfalls massiv durch eine nahezu unendliche Anzahl möglicher Ursachen durch Zerstörung oder wenigstens Abhandenkommen gefährdet sind. Sind die Sachen noch dazu klein und fragil, wie das bei den meisten archäologischen Oberflächenfunden der Fall ist, reichen zu ihrer Zerstörung, wie jeder weiß, schon rein natürliche Einflüsse wie die von Wind und Wetter, die man einfach nicht verhindern kann; einmal abgesehen davon, dass – und sei es nur völlig unbeabsichtigt – ein zufällig vorbeikommendes, größeres Lebewesen auf sie treten und sie zertrampeln oder ein unehrlicher Mensch sie stehlen könnte. Jeder weiß daher, dass man, wenn man etwas findet, was offensichtlich von seinem Eigentümer verloren oder vergessen wurde, oder auch nur etwas, das immer noch für andere wertvoll sein könnte – ob es nun irrtümlich fallengelassen oder absichtlich weggeworfen wurde –, es an sich und somit in sicheren Gewahrsam nimmt. Hier kann man zwar durchaus mit dem Verständnis der Allgemeinheit für Fundmeldepflichten an irgendeine Fundbehörde rechnen, wie sie ja auch z.B. in § 8 DMSG, § 21 HDSchG oder § 20 DSchG-BW vorgesehen sind. Schließlich weiß nicht nur jeder, dass man Funde von nicht völlig geringwertigen Gegenständen bei irgendeiner Behörde anzeigen muss, weil es ja sein könnte, dass sie ihr Eigentümer nur unabsichtlich vergessen, verloren oder weggeworfen hat; sondern jeder will auch, dass wenn er etwas, was in seinem Eigentum steht, unabsichtlich vergessen, verloren oder weggeworfen hat, eine andere gute Seele, die diese Sache gefunden hat, sie der Fundbehörde vorbeibringt, damit er sich ihrer wieder bemächtigen kann. Damit ist allerdings dann auch gleichzeitig – sowohl als Finder als auch als seines Eigentums unbeabsichtigt verlustig Gegangener – die Vorstellung verbunden, dass der ehrliche Finder Anspruch auf einen gerechten Finderlohn hat bzw. wenn sich herausstellt, dass die Fundsache herrenlos geworden ist, der Finder Anspruch auf den vollständigen oder wenigstens hälftigen Eigentumserwerb an dieser Sache hat. Das ist schon allein so, weil das in Deutschland durch die Bestimmungen der §§ 971, 973 und 984 BGB und in Österreich der §§ 393, 395, 397 und 399 ABGB so geregelt ist und daher so auch in das natürliche Rechtsempfinden der Bevölkerung eingegangen ist. Nicht das geringste Verständnis findet man hingegen dafür, dass die gezielte Suche nach Oberflächenfunden von archäologischen Gegenständen, die eben allgemein bekanntermaßen (und in Österreich auch explizit laut § 8 Abs. 1 DMSG) aufgrund ihres schon erwähnten schlechten Erhaltungszustands besonders zerstörungs- und verlustgefährdet sind, wenn sie einfach offen herumliegen, einem generellen denkmalschutzrechtlichen Verbot unterliegt bzw. unterliegen sollte. 54 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Dies gilt umso mehr, wenn man annimmt, dass sich tatsächlich bedeutende „Bodendenkmale“ unter diesen bereits an die Erdoberfläche gelangten Sachen befinden; denn diese sind dadurch ja nicht weniger gefährdet als gewöhnliche Fundsachen, sondern jedenfalls genauso; und die Wahrscheinlichkeit, dass sie – ob nun zufällig oder absichtlich – von irgendwelchen ArchäologInnen bei deren professionellen Nachforschungen entdeckt werden, für jedermann offensichtlich so verschwindend gering, dass man sie de facto als inexistent betrachten muss. Das bedeutet aber wiederum, dass, wenn Ziel und auch offensichtlicher Sinn von Denkmalschutzgesetzen der Schutz bedeutender Denkmale vor deren Zerstörung ist, ein Verbot der gezielten Suche nach Oberflächenfunden ebenso offensichtlich kontraproduktiv ist: die Wahrscheinlichkeit, dass bereits auf die Erdoberfläche gelangte „Bodendenkmale“ zerstört werden, ehe sie von irgendjemandem entdeckt, in sicheren Gewahrsam genommen und somit wenigstens potentiell längerfristig erhalten werden können, wird ja vollkommen offensichtlich durch ein Verbot, gezielt nach ihnen zu suchen, maßgeblich verringert, nicht etwa vergrößert. Der Durchschnittsbürger muss also, wenn er auch nur ein paar Sekunden über ein solches Verbot nachdenkt, zum Schluss kommen, dass es sinnlos und sogar schädlich für das Erreichen des gesetzlichen Schutzzieles ist. Nichts, was wir (selbsternannten) ExpertInnen dazu sagen, kann irgendetwas daran ändern, weil es eben nicht nur in der eigenen Lebenserfahrung, sondern auch dem natürlichen Rechtsempfinden jedes Durchschnittsbürgers tief verankert ist. Ganz im Gegenteil: sagen wir irgendetwas anderes, muss sich der Durchschnittsbürger sogar, nachdem das, was wir sagen, seiner eigenen Lebenserfahrung und seinem natürlichen Rechtsempfinden diametral widerspricht, darüber wundern, warum wir etwas so offensichtlich Falsches behaupten. Daraus folgt aber dann, dass er auch wenigstens entweder unsere Expertise oder unsere Ehrlichkeit anzweifeln muss – oder sogar beides –, und von dort ist es dann bis zur (ob nun berechtigten oder unberechtigten) Unterstellung unlauterer Motive nicht mehr weit. Geht die Schere noch weiter auf und werden sogar (Such-) Handlungen, bei denen die Entdeckung von „Bodendenkmalen“ gar nicht beabsichtigt wird, mit einem denkmalschutzgesetzlichen Verbot belegt, nur weil bei diesen – rein hypothetisch – auch unbeabsichtigt irgendwelche entdeckt und dann extrem mittelbar dadurch gefährdet werden könnten, bleibt dem Durchschnittsbürger eigentlich gar nichts mehr anderes übrig, als nicht nur unsere Expertise zu bezweifeln, sondern uns ExpertInnen auch unlautere Motive zu unterstellen. Denn es fehlt bei so weitreichenden Verboten – und zwar nicht nur aus der Sicht des Durchschnittsbürgers – jedweder Bezug zwischen der von den verbotenen Handlungen ausgehenden Gefahren für das gesetzliche Schutzgut und den gesetzlichen Bestimmungen zu seinem Schutz. Ein solcher Bezug kann nämlich – und zwar auch aus fachlicher Sicht – nur noch höchst hypothetisch unter Voraussetzung so vieler jeweils für sich und noch mehr in Kombination enorm unwahrscheinlicher Annahmen bzw. Vorurteilen erzeugt werden, dass das nicht einmal mehr bei freundlichster Interpretation als realistische Betrachtung der Wirklichkeit betrachtet werden kann. Natürlich kann es theoretisch sein, dass jemand, wenn er etwas ganz anderes an einem Ort sucht oder auch nur macht, an dem es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass dort überhaupt irgendwelche „Bodendenkmale“ vorkommen, dennoch ein solches findet, weil ja, wie wir alle wissen, „Bodendenkmale“ überall vorkommen könnten. Aber wenigstens dafür (wenn nicht sogar für noch viel mehr, siehe dazu noch weiter unten) gibt es ohnehin andere denkmalschutzrechtliche Bestimmungen, nämlich die für Zufallsfunde (eben z.B. in § 8 DMSG, § 21 HDSchG oder § 20 DSchGBW). Natürlich geht, nachdem, wie wir alle wissen, „Bodendenkmale“ überall vorkommen können, von jeder beliebigen Handlung, die ein Mensch setzen kann, stets eine gewisse Gefahr für die Erhaltung von „Bodendenkmalen“ aus, weil natürlich als ungewollte und unvorhersehbare 55 Ziele und Motive Handlungsfolge auch ein noch völlig unbekanntes „Bodendenkmal“ durch sie betroffen und damit auch möglicherweise zerstört werden kann. So etwas nennt man aber ein unvermeidbares Restrisiko; und unvermeidbare Restrisiken kann man auch nicht gesetzlich verbieten, weil sie eben unvermeidbar sind. Eine tatsächlich von der Handlung ausgehende Vergrößerung der bei jeder Handlung stets bestehenden unvermeidbaren Gefahr lässt sich nämlich nur dann postulieren, wenn man davon ausgeht, dass selbst jemand, der etwas ganz anderes tut, als „Bodendenkmale“ zu suchen, und dabei zufälligerweise auf ein solches stößt, weil er ja ein unbändiges, absolut unkontrollierbares Suchtbefriedigungsbedürfnis oder eine ebensolche kriminelle Energie hat, sich dieses zum Schaden der Allgemeinheit privat anzueignen oder gar zu zerstören, das jeweils gerade gefundene auch unter Vernachlässigung jedweder Vernunft und Ausschaltung jeder Selbstkontrollfähigkeit tatsächlich unmittelbar an sich reißen muss. Man muss also davon ausgehen, dass alle anderen Menschen (außer – vielleicht – andere professionelle ArchäologInnen) suchtkranke kriminelle Irre sind, deren einziges Lebensziel es ist die Archäologie allen anderen (und vor allem einem selbst) wegzunehmen. Diese Annahme ist, freundlich gesagt, verrückt. Dass sich der Durchschnittsbürger nicht selbst als einen solchen suchtkranken kriminellen Irren betrachtet und auch gar nicht betrachten kann, versteht sich von selbst. Damit kann er aber auch keinen wie auch immer gearteten Bezug zwischen von seiner Handlung ausgehendem Gefährdungspotential und gesetzlichem Schutzobjekt herstellen. Ganz im Gegenteil, er muss davon ausgehen, dass nicht sein Handeln, sondern vielmehr das Gesetz falsch ist bzw. wenigstens vollkommen falsch ausgelegt worden sein muss. Das ist umso mehr der Fall, als ein solches „generelles (Such-) Handlungsverbot“ nicht nur offensichtlich der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG diametral widerspricht, sondern auch jeden ganz unmittelbar persönlich betrifft, aber gleichzeitig auch offensichtlich völlig sinnlos und nicht umsetzbar ist. Es kann schließlich niemand vermeiden, eine Handlung zu setzen, von der er zwar weder weiß, noch will, noch bei deren Planung und Durchführung vorhersehen kann, dass sie zum „Taterfolg“ der „Entdeckung“ eines Bodendenkmales führen wird, noch sein Handeln entsprechend so anders gestalten, dass er dadurch das Eintreten dieses „Taterfolgs“ verhindern kann. Denn um das zu können, müsste der Handelnde ja mit paranormalen Mitteln die Zukunft vorhersagen können müssen; und das kann bekanntermaßen niemand. Wenn aber nun jemand – ob Experte oder Behörde – dem Durschnittsbürger gegenüber behauptet, dass er nicht einmal aus anderen Gründen als der Entdeckung von „Bodendenkmalen“ mit freiem Auge in die Landschaft schauen darf (oder aus dem Fenster des landenden Flugzeugs die Landschaft fotografieren darf), ohne dafür vorab eine Genehmigung von einer Denkmalbehörde erteilt bekommen zu haben, weil er dabei ja theoretisch ein „Bodendenkmal“ entdecken könnte, dann muss der Durchschnittsbürger, wenn er sonst keinen Grund zur Annahme hat, dass der, der ihm das grade sagt, vollkommen verrückt ist, zwangsweise annehmen, dass ihn der, der das ihm gegenüber behauptet, anlügt. Damit bleibt ihm auch gar nichts anderes übrig als anzunehmen, dass der, der ihm das sagt, ihn aus irgendwelchen unlauteren Motiven anlügt, weil ein lauterer Grund für diese Lüge wird für ihn nicht erkennbar sein. Damned if you do, damned if you don’t? Je weiter sich also die Schere zwischen der von einer bestimmten Handlung ausgehenden Gefährdung der Erhaltung von Denkmalen und der Restriktivität der denkmalschutzrechtlichen Regelung dieser Handlung öffnet, desto mehr nimmt das Schuldverständnis des Durchschnittsbürgers ab und desto weniger wird er strafbar, wenn er ein diese Handlung betreffendes Verbot übertritt. Gleichermaßen 56 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? kann er sich auch umso weniger freiwillig an dieses Verbot halten, desto weitreichender es wird, weil er rasch an dem Punkt ankommt, an dem er den Eindruck gewinnt, dass er ohnehin nichts tun kann, was nicht verboten wäre; womit das Verbot in seiner Gesamtheit gleichgültig wird: wenn egal was er tut, verboten ist, kann er gleich tun, was er will. Er kann der Strafe entweder ohnehin nicht entgehen, wenn er „erwischt“ wird, egal was er tut, oder diese wird einfach zu einem immer gegebenen Restrisiko, um das er sich nicht weiter kümmern muss, weil es immer eintreten kann. Der Grundsatz „damned if you do, damned if you don’t“ kann aber in einem Rechtsstaat nicht gelten; und tut es in Deutschland auch nicht. Legt man nämlich all die oben genannten, unbestimmten Rechtsbegriffe so weit aus, dass jede Suche (oder gar jede Handlung) zu egal welchen Zwecken, bei denen egal welche Sachen entdeckt werden könnten, der gesetzlichen NFG-Pflicht unterliegen, kann man zwar jeden, den man will, für jede beliebige seiner Handlungen wegen einer möglichen Verletzung dieser NFG-Pflichten anzeigen und vielleicht auch in der administrativen Praxis mit einer Geldbuße belegen; aber dass diese Strafe vor den Verwaltungsgerichten hält, ist höchst unwahrscheinlich. Denn in der Überprüfung des jeweiligen Einzelfalls kann das Gericht, wenn es zu einem Urteil kommen will, selbst wenn es alle diese unbestimmten Rechtsbegriffe so weit auslegt wie oben in meinem Beispiel meiner „Nachforschung“ im Landeanflug auf den Flughafen Frankfurt/Main angenommen, nur auf Basis zweier Kriterien entscheiden: einerseits dem rein subjektiven Kriterium des Zwecks der Suche und andererseits dem objektiven Kriterium der davon tatsächlich ausgehenden Gefahr für davon betroffene Bodendenkmale. Es braucht schließlich seinerseits irgendwelche Kriterien, um zwischen gesetzlich erlaubten und gesetzlich verbotenen Handlungen zu unterscheiden, weil nicht alle Handlungen gleichermaßen verboten sein können. Diese Unterscheidung muss in irgendeiner Weise sachlich begründbar sein, weil sonst das sich aus dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung abgeleitete Sachlichkeitsgebot verletzt würde (Karl 2018b). Wäre alles verboten, müsste schließlich jedermann gleichermaßen für jede Handlung bestraft werden, und das ist undurchführbar. Es muss daher zwingend eine sachliche Begründung der Unterscheidung her. Nachdem – außer in den seltenen Fällen, in denen ein Täter gesteht oder man ihm aufgrund anderer Hinweise nachweisen kann, dass er tatsächlich mit der Absicht „Bodendenkmale“ zu entdecken gesucht hat – der Nachweis des Vorsatzes des Täters nur sehr schwer zu erbringen ist, bleibt damit meist nur das objektive (und daher, wenn man die Tat nicht als Vorsatzdelikt betrachtet, ohnehin zu bevorzugende) Kriterium der tatsächlichen Gefährdung des gesetzlichen Schutzzieles durch die vom Tatverdächtigen vorgenommene Handlung. Hätte seine Handlung bei vernünftiger Betrachtung durch einen unabhängigen Dritten tatsächlich ernsthaften Schaden an einem tatsächlich bedeutenden Denkmal anrichten können, auch wenn dieser Schaden nicht tatsächlich eingetreten ist, oder hätte sie das nicht können? Ist durch eine gesetzliche Bestimmung jede Handlung – wenigstens theoretisch – möglicherweise verboten, ist eine teleologische Auslegung der Bestimmungen des anzuwendenden Gesetzes zur sachlichen Unterscheidung zwischen von diesem Gesetz verbotenen und durch es erlaubten Handlungen zwingend erforderlich, weil das Gesetz ja nicht tatsächlich jede Handlung verbieten kann. Lässt sich die Anwendbarkeit einer konkreten gesetzlichen Bestimmung auf eine bestimmte Handlung nicht aus ihr selbst und die in ihr verwendeten Begriffe erschließen, muss die sachliche Unterscheidung zwischen erlaubtem und verbotenen Handeln aus dem Zweck erschlossen werden, den der Gesetzgeber mit seiner Erlassung verfolgt hat. Und dieser Zweck ist und bleibt bei Denkmalschutzgesetzen letztendlich der Schutz bedeutender Denkmale vor Zerstörung (inklusive maßgeblicher Veränderung). Damit ist im Zweifel, um zu beurteilen, ob eine Handlung, die möglicherweise verboten sein könnte, auch tatsächlich verboten ist, zu ermitteln, ob dieses gesetzliche Schutzziel durch die vorgenommene Handlung ernsthaft gefährdet 57 Ziele und Motive werden konnte oder nicht. Denn wenn er sich im Zweifel befindet, muss auch der Tatverdächtige, der ein Durchschnittsbürger ist, wenn es nicht anders geht, letztendlich fragen: was wollte der Gesetzgeber mit diesem Gesetz eigentlich erreichen, in dem die konkrete Bestimmung drinnen steht, die mir – wenigstens scheinbar – jede beliebige Handlung verbietet? Damit kommt man aber letztendlich genau an denselben Punkt zurück, von dem man ganz zu Beginn ausgegangen ist: verboten können nur jene Handlungen sein, von denen tatsächlich bereits bei vorausschauender Betrachtung eine ernstzunehmende Gefahr für tatsächlich bedeutende Denkmale ausgeht. Das können aber letztendlich nur solche Nachforschungen sein, die mittels Eingriffen in die Substanz des Denkmals durchgeführt werden oder die als zwingende Folgehandlung zu solchen Eingriffen führen. Denn eine Handlung, die nicht in die Substanz des Denkmals eingreift und deren erfolgreichem Abschluss auch nicht zwingend ein solcher Eingriff folgen muss, kann das betroffene Denkmal auch gar nicht gefährden. Denn um eine Sache zerstören oder auch nur verändern zu können, ist wenigstens irgendeine physische Interaktion mit ihrer Substanz erforderlich. Gerade bei noch unbekannten, noch im Boden verborgenen „Bodendenkmalen“ führt das aber bei der gebotenen sachlichen Betrachtung zwingend zum Schluss, dass eine Handlung nur dann vorhersehbarerweise zu deren Zerstörung führen und daher durch Unterlassung oder Abänderung der (ansonsten erlaubten) Handlung verhindert werden kann, wenn dabei auch tatsächlich irgendwie der Erdboden (oder Grund unter Wasser) verändert wird und auch vom Tatverdächtigen damit zu rechnen war, dass dort, wo er die Handlung gesetzt hat, auch tatsächlich „Bodendenkmale“ vorkommen. Oder anders gesagt: der Tatverdächtige muss gewollt und gewusst haben (oder hätte wenigstens gewusst haben müssen), dass er dort, wo er die Handlung durchführt, mutmaßlich „Bodendenkmale“ entdecken wird. Er musste also wenigstens einen begründeten Verdacht haben, d.h. muss Hinweise gekannt haben (oder hätte sich kundig machen können müssen, ob es solche gibt, die einen solchen Verdacht begründen), dass dort, wo er sucht, tatsächlich Bodendenkmale vorkommen. Konstitutives vs. deklaratorisches Prinzip Damit bleibt es sich jedoch, egal wie man die Sache dreht oder wendet, weitgehend gleich, ob in einem Land die „Bodendenkmale“ (oder sogar alle „Denkmale“) nach konstitutiven oder deklaratorischen Prinzip (DGUF 2013) geschützt werden, wenn es um die Anwendbarkeit von gesetzlichen NFGPflichtbestimmungen geht. Das ipsa lege-Prinzip mag zwar de jure bedeuten, dass es keines eigenen Rechtsaktes (wie einer „Unterschutzstellung“ wie in Österreich oder einer Eintragung in eine öffentlich zugängliche Denkmalliste) bedarf, um ein bestimmtes Objekt den denkmalschutzgesetzlichen Schutzbestimmungen zu unterwerfen, sondern jeder selbst aus der Definition des gesetzlichen Schutzbegriffs ableiten muss, welche Sachen nun den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegen und welche nicht. De facto ist das jedoch praktisch vollkommen egal, wenn der gesetzliche Schutzbegriff in einem dem deklaratorischen Prinzip folgenden Denkmalschutzgesetz so definiert ist, dass die Entscheidung, ob eine Sache den gesetzlichen Schutzbestimmungen unterliegt, jeweils im konkreten Einzelfall erst ex post auf Basis von Sachverständigengutachten getroffen werden kann. Denn damit eine denkmalschutzgesetzliche NFG-Pflicht überhaupt auf eine (geplante) Nachforschungshandlung anwendbar ist, bei welcher der Nachforschende die Entdeckung einer wenigstens ihm subjektiv noch unbekannten Sache bezweckt, muss dieser bereits ex ante vorhersehen können, dass er mit seiner Handlung diesen Zweck auch tatsächlich erreichen wird bzw. zumindest vermutlich erreichen dürfte. Daraus folgt aber nun wiederum zwingend, dass auch unter einem nach deklaratorischen Prinzip funktionierenden Denkmalschutzgesetz die denkmalschutzrechtlichen NFG-Pflichten de facto nur auf Nachforschungen an solchen Orten angewendet werden können, bezüglich derer schon behördlich 58 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? (selbstverständlich ex post auf Basis dort bereits entdeckter Hinweise auf das Vorkommen tatsächlich der Legaldefinition des gesetzlichen Schutzobjektes entsprechender Sachen) festgestellt wurde, dass dort der Legaldefinition des gesetzlichen Schutzobjektes entsprechende Sachen tatsächlich vorkommen oder deren Vorkommen wenigstens wahrscheinlich ist. Mehr noch, es folgt ebenfalls zwingend daraus, dass diese behördliche Feststellung – z.B. durch Eintragung in ein amtliches Verzeichnis bekannter und vermuteter (Boden-) Denkmale – auch allgemein öffentlich zugänglich sein muss, damit die NFG-Pflicht an solchen Orten greifen kann, an denen solche bekanntermaßen der Legaldefinition des gesetzlichen Schutzbegriffs entsprechenden Sachen vorkommen (könnten). Denn der Planende kann selbstverständlich bei der ex ante-Planung seiner Nachforschungen nur solche konkreten Hinweise berücksichtigen (müssen), zu denen er auch Zugang hat bzw. sich, ohne unverhältnismäßigen Aufwand treiben zu müssen, Zugang verschaffen hätte können. Hat er also bei Wahrung der erforderlichen Sorgfalt subjektiv ex ante keine solchen Hinweise gefunden – z.B. weil diese nur in einem von der Denkmalbehörde unter Verschluss gehaltenen Denkmalverzeichnis zu finden sind – spielt es auch keine Rolle, ob sich objektiv tatsächlich Dritten (z.B. der Denkmalbehörde) bekanntermaßen am Ort der Untersuchung Sachen befinden, die der Legaldefinition des gesetzlichen Schutzgegenstandes entsprechen oder deren Vorkommen wenigstens wahrscheinlich erscheinen lassen. Damit Nachforschungen der NFG-Pflicht eines Denkmalschutzgesetzes unterliegen können, ist es also erforderlich, dass der Ort, an dem sie durchgeführt werden sollen, schon durch Eintragung in ein öffentlich einsehbares Denkmalverzeichnis als ein solcher ausgewiesen wird, an dem mit dem Vorkommen bedeutender Denkmale zu rechnen ist; egal ob dieses Verzeichnis nun nach konstitutivem oder deklaratorischen Prinzip erstellt worden ist. Das, wovon man nicht wissen kann, dass es denkmalgeschützt ist, ist auch nicht durch die Schutzbestimmungen der Denkmalschutzgesetze geschützt, gleichgültig nach welchem Prinzip das Gesetz nun funktioniert. Das DSchG-HH gibt das in seinem § 6 Abs. 1 sogar explizit zu, wenn es feststellt, dass der Schutz durch das Gesetz nicht von der Eintragung in die Denkmalliste abhängig ist, aber dennoch die Einhaltung der gesetzlichen Schutzpflichten von Verfügungsberechtigten erst ab der Eintragung in diese verlangt werden kann. Die Schutzpflichten des DSchG-HH sind also scheinbar schrödingerische Schutzpflichten, die gleichzeitig gelten und nicht gelten, solange man die gesetzliche Black Box nicht öffnet. Das soll nun keineswegs bedeuten, dass es keine Unterschiede zwischen konstitutiven und deklaratorischen Prinzip gibt, nicht einmal im Kontext von NFG-Pflichten: so mag es z.B. erheblich einfacher sein, gemäß dem deklaratorischen Prinzip Denkmale, die der Legaldefinition dieses Begriffes entsprechen, in ein öffentliches Denkmalverzeichnis aufzunehmen und somit der NFG-Pflicht des betreffenden Denkmalschutzgesetzes zu unterwerfen, als sie konstitutiv in einem jeweils separaten Rechtsakt unter Denkmalschutz stellen zu müssen, um das gleiche Ergebnis zu erreichen. Wie viel leichter ist allerdings diskutierbar (Karl 2019a). So gesehen, ehe hier jetzt jemand den armen Österreichern nahelegen will, doch auf das deklaratorische Prinzip umzusatteln, ich weiß nicht, ob das viel bringen wird, wenigstens nicht, so lange die Legaldefinition der relevanten Begriffe so unverständlich ist, dass zu ihrer richtigen Beurteilung ein sachverständiges Gutachten ex post erforderlich ist. „Besonderheiten“ des Denkmalschutzrechtes Es scheint also so zu sein als ob, deklaratorisches oder konstitutives Prinzip hin oder her, in Bezug auf NFG-Pflichten wenigstens auch in den hier besprochenen deutschen Bundesländern im Wesentlichen das Gleiche gilt, das auch der VwGH für Österreich zu Recht erkannt hat: dass Nachforschungen zum Zweck oder mit dem Ziel, Kultur- oder auch nur Bodendenkmale zu entdecken, nur dann der jeweiligen gesetzlichen NFG-Pflicht unterliegen, wenn sie vorsätzlich an Orten durchgeführt werden, von denen 59 Ziele und Motive der sie Planende schon weiß oder wenigstens – weil die Tatsache, dass an diesen Orten (ob nun deklaratorisch oder konstitutiv) geschützte Denkmale vorkommen dürften, schon wenigstens in öffentlich zugänglichen Verzeichnissen ohne unverhältnismäßigen Aufwand ermittelt werden kann – wissen hätte müssen, dass er dort mit der Entdeckung gesetzlich geschützter Denkmale rechnen muss. All die ausufernden Auslegungen durch Denkmalämter, die rechtlich vielleicht für eine ex postAnwendung des deklaratorischen Prinzips hinreichend bestimmten, aber um eine Schuldeinsicht des Durchschnittsbürgers bei der Betrachtung ex ante zu erzeugen viel zu unendlich unbestimmten, Rechtsbegriffe und die versuchte Ausdehnung der Strafbarkeit von NFG-Pflichtverletzungen bis hin zur bloßen Fahrlässigkeit bei jeder beliebigen Suche oder gar Handlung nutzen also im Endeffekt gar nichts: letztendlich kommt man am Kernproblem nicht vorbei, das Denkmalschutzgesetze nicht nur dem Zweck dienen, schützenswerte Denkmale vor vermeidbarem Schaden zu bewahren, sondern auch nur Handlungen einer gesetzlichen Bewilligungspflicht unterwerfen können, von denen der Durchschnittsbürger auch bei Wahrung der erforderlichen Sorgfalt absehen hätte können, dass sie tatsächlich schützenswerte Denkmale gefährden. Was all diese ausufernden Auslegungen, hinreichend bestimmt unbestimmten Rechtsbegriffe und Versuche, die Anwendbarkeit der gesetzlichen NFG-Pflichten so unendlich weit auszudehnen, dass man ihnen letztendlich wenigstens hypothetisch nahezu jede beliebige Handlung unterwerfen könnte, hingegen bewirken, ist, dass es für die Denkmalämter, die sie anwenden sollen, nahezu unmöglich wird, sie konsistent gleichheitsgrundsatzgemäß anzuwenden; wenigstens nicht, wenn sich diese nicht auf die Minimalauslegung (das Gesetz gilt in seiner Gesamtheit nur für bekanntermaßen geschützte Denkmale) beschränken wollen, sondern annehmen, dass ihnen der Gesetzgeber den breiten Auslegungsspielraum, den er ihnen mit den unendlich weit gefassten unbestimmten Rechtsbegriffen „Denkmale“ (und deren ebenfalls vorgegebenen Unterbegriffen, wo er, wie z.B. in Hessen, welche definiert hat), „Nachforschungen“ und „Entdeckung“ eingeräumt hat, dafür gegeben hat, dass sie ihn auch irgendwie ausnutzen können, wo das erforderlich ist. Tatsächlich äußern sich die einschlägigen Kommentare dazu auch gern rechtfertigend dahingehend, dass diese Unbestimmtheit aus den „Besonderheiten des Denkmalschutzrechtes“ (Strobl § Sieche 2010, 55) folgen würde; womit natürlich implizit gemeint ist, dass es für das Denkmalschutzrecht notwendig wäre, dass diese Begriffe so unbestimmt sind, weil die Eigenheiten der Materie des Denkmalschutzes das erforderlich machen; oder, anders gesagt: dass letztendlich aus denkmalschützerischer Sicht jede beliebige Sache ein schützenswertes Denkmal sein könnte und man daher vorab nicht genauer generalisierend definieren kann, was tatsächlich eines ist; sondern sich das immer erst bei der sachverständigen Betrachtung der konkreten Sache im Einzelfall bestimmen lässt. Das unlösbare Problem des Ziels der Denkmalpflege Aus denkmalschützerischer Sicht betrachtet ist das auch tatsächlich vollkommen richtig: ob eine Sache so bedeutend ist, dass es (wenigstens vorerst für beliebige, nicht näher bestimmte, Individuen und damit wenigstens in diesem Sinn) „für die Allgemeinheit“ wichtig ist, dass sie nicht der Handlungsfreiheit eines beliebigen Einzelnen – und damit möglicherweise dessen individueller (lies: privater) Entscheidung, sie zu beschädigen oder gar zu zerstören – überlassen bleiben kann, hängt ausschließlich davon ab, ob dieser Sache von irgendwem (d.h. normalerweise irgendwelchen Dritten, die sich vom Handelnden unterscheiden) ein hoher Wert zugemessen wird (siehe z.B. Krischok 2016, 63-94; Carman 1996, 21-44; cf. die Definition in Art. 2b der Konvention von Faro, Europarat 2005). Der „Wert“, der das „Denkmal“ von einer „gewöhnlichen“ Sache unterscheidet, wohnt ihm also nicht – wie das früher auf Basis romantischer Vorstellungen gerne angenommen wurde – inhärent inne, sondern wird ihm sozial zugeschrieben. Nachdem nun aber ungünstigerweise jeder Sache oder Kategorie von Sachen von irgendwem sozial besonderer Wert zugeschrieben werden kann und es so unendlich viele Möglichkeiten gibt, wie welche Individuen oder Personengruppen welchen Sachen 60 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? oder Kategorien von Sachen einen für sie subjektiv besonders bedeutenden Wert zuschreiben können, lässt sich tatsächlich nicht in Form einer präziseren Definition vorausschauend abgrenzen, welche Sachen oder Kategorien von Sachen nun einen solchen „besonderen“ Wert haben können und welche nicht. Tatsächlich ist diese Möglichkeit zur sozialen Wertzuschreibung, wie sich die Denkmalpflege inzwischen weitgehend einig ist (siehe https://ich.unesco.org/ [2.10.2017]), nicht einmal auf Sachen im materialrechtlichen Sinn beschränkt, also auf Dinge, die man (wenigstens theoretisch) körperlich angreifen kann, sondern umfasst auch immaterielle Kulturgüter, d.h. z.B. überhaupt keinen materiellen Niederschlag hinterlassende Verhaltensweisen und reine Ideen. Letzteres ist zwar für die staatliche Denkmalpflege im herkömmlichen Sinn irrelevant, was aber nichts daran ändert, dass auch „immaterielle Sachen“ aus denkmalpflegerischer Sicht erhaltenswert sein können. Ziel der Denkmalpflege – hier verstanden als kulturelle Praxis, nicht (nur) als staatliche Verwaltungsaufgabe – aus ihrer Eigensicht ist es nun, alle diese wertvollen Kulturgüter bzw. Denkmale (§ 1 Abs. 11 bestimmt, dass diese Begriffe in Österreich im rechtlichen Sinn ihrer Verwendung im DMSG gleichbedeutend sind) vor dem Verlorengehen (ob nun bei materiellen Sachen durch Zerstörung oder auch nur signifikante Veränderung oder bei immateriellen durch Vergessen oder Unterlassen) zu bewahren, d.h. sie für gegenwärtige und zukünftige Generationen von Menschen, die ihnen Wert zuweisen und sie daher im weitesten Sinn „haben“ wollen, zu erhalten. Das führt aber zwingend zu dem unlösbaren Problem, dass man, nachdem man ja nicht a priori wissen kann, ob nicht irgendwelche Menschen jedweder beliebigen materiellen und immateriellen Sache derzeit einen besonderen Wert zuweisen oder irgendwann einmal in der Zukunft zuweisen werden, eigentlich jede Sache dauerhaft erhalten muss. Aber das ist natürlich nicht möglich; nicht einmal theoretisch; weil wir ja aufgrund von biologischen Notwendigkeiten wenigstens irgendwelche Sachen konsumieren, d.h. essen müssen, wodurch diese Sachen unweigerlich wenigstens signifikant verändert, wenn nicht sogar vollständig zerstört werden; und wir natürlich überleben müssen, damit den Kulturgütern von irgendjemandem überhaupt irgendein Wert zugemessen werden kann, der ihre Erhaltung erforderlich machen würde. Schon gar nicht ist es rechtlich möglich, wenigstens soweit materielle Sachen betroffen sind, die ja in unserer Rechtsordnung in der Regel irgendjemandes Eigentum sind. Ihr Eigentümer muss nämlich, damit das Konzept des „Eigentums“ überhaupt den Sinn haben kann, den es hat, mit den konkreten Sachen, die sein Eigentum sind, eigentlich (wenn auch potentiell mit gewissen Einschränkungen) machen können, was er will; d.h. sie gegebenenfalls auch willkürlich signifikant verändern oder gar zerstören dürfen; weil die rechtlich verbindliche Verfügungsgewalt über das Schicksal einer Sache ist ja genau das, was das Eigentumsrecht überhaupt erst ausmacht. Genau das – die willkürliche Ausübung des Eigentumsrechts durch den Einzelnen zur signifikanten Veränderung oder gar Zerstörung von Denkmalen, also von Sachen, die jetzt oder in der Zukunft irgendjemand anderem so wichtig sind oder werden könnten, dass sie erhalten werden müssen – gilt es jedoch aus denkmalpflegerischer Sicht zu verhindern. Diese beiden Prinzipien bzw. Ziele schließen einander aber gegenseitig aus. Hinzu kommt noch das Problem, dass, damit ein Rechtssystem überhaupt als solches funktionieren kann (und nicht eine Willkürherrschaft ist), Rechtssicherheit bestehen muss; d.h. der einzelne Normunterworfene wissen (können) muss, was nun rechtmäßig und was rechtswidrig ist, damit er überhaupt sein Verhalten entsprechend vernünftig gestalten, also rechtmäßige (erlaubte und gebotene) Handlungen setzen und rechtswidrige (verbotene) Handlungen unterlassen kann. Das muss er natürlich, wie schon mehrfach erwähnt, ex ante wissen; d.h. der rechtmäßige Eigentümer muss vorab wissen, was er mit Sachen, die in seinem Eigentum stehen, sowohl – sozusagen aktiv von sich 61 Ziele und Motive aus – tun darf oder sogar tun muss, als auch – sozusagen passiv – nicht tun darf, weil er sein Verhalten sonst unmöglich so gestalten kann, dass er das geltende Recht nicht, und sei es nur unbeabsichtigt, verletzt. Genau das kann ihm aber nun die Denkmalpflege eigentlich nicht vorab generell sagen, weil sie eigentlich überhaupt nur ex post beurteilen kann, ob durch eine schon gesetzte Handlung nun eine Sache, die, weil sie irgendjemand anderer für wertvoll betrachtet, nicht der uneingeschränkten Eigentümerwillkür überlassen bleiben darf, so zerstört oder so maßgeblich verändert worden ist, dass der Eigentürmer die Handlung nicht so setzen hätte dürfen, wie er es gewollt und gemacht hat. Man kann aber nicht von jemandem verlangen, dass er ex ante etwas weiß, was erst ex post bestimmt werden kann, weil sich das – wie gesagt – ebenfalls gegenseitig ausschließt. Wenn es also zur Situation kommt, dass der Staat den Konflikt zwischen dem berechtigten Eigentumsinteresse des Einzelnen, mit seinen Sachen machen zu dürfen, was er will – inklusive sie gegebenenfalls zu zerstören oder signifikant zu verändern – und dem ebenfalls berechtigten Denkmalschutzinteresse der „Allgemeinheit“, dass er genau das nicht tun darf, damit diese Sachen eben nicht zerstört oder signifikant verändert werden, entscheiden muss, muss er sich entweder dafür entscheiden, das Eigentumsinteresse des Einzelnen oder das Denkmalschutzinteresse der „Allgemeinheit“ vor dem jeweils anderen zu schützen. Einen Mittelweg, der beide Interessen zu wahren erlaubt, gibt es nicht, weil sich diese gegenseitig ausschließen. Genau diese Entscheidung zu treffen, ist schon im Einzelfall jedenfalls unangenehm für die Seite, gegen deren Interessen der Staat entscheidet. Sie generell treffen zu müssen wäre jedoch noch viel unangenehmer, nicht nur für den Staat, der dadurch ja gezwungen wäre, entweder die Eigentumsgarantie oder aber den Denkmalschutz ganz aufzugeben, was beides bis zu einem gewissen Grad unpopulär wäre; sondern mehr noch für die Seite, deren Interessen der Staat durch seine Entscheidung zu rechtlich irrelevanten Interessen erklären würde. Die Frage, welche Seite das wäre, brauchen wir hier erst gar nicht weiter zu diskutieren. Schließlich ist das Konzept des Privateigentums eines, das derart zentral und fundamental nicht nur für unsere Rechts-, sondern für unsere Gesellschaftsordnung insgesamt ist, dass wir uns eine funktionierende Gesellschaft ohne Privateigentum fast gar nicht vorstellen können; geschweige denn dass irgendjemand, nicht einmal wir selbst, sein eigenes Privateigentum aufgeben wollen würde. Nicht nur ist der Denkmalschutz weit weniger wichtig für unser Gesellschaftssystem, man braucht sogar nicht einmal allzu weit in die Vergangenheit zurückschauen, um zu sehen, dass es eine rechtliche Regelung des Denkmalschutzes überhaupt nur dann braucht, wenn der Staat eine solche will: schließlich hat es vor 100 Jahren in den meisten unserer Länder noch gar keine Denkmalschutzgesetze im heutigen Sinn gegeben, sondern der Denkmalschutz war weitgehend eine Privatinitiative, die den Eigentümern von Sachen selbst überlassen geblieben ist. Hier ist es bis zum Schluss, dass das damals ja auch irgendwie funktioniert hat – schließlich sind ja noch viele Denkmale da – nicht gerade weit. So gesehen fiele eine generelle Entscheidung des Staates sicherlich gegen uns und unsere denkmalpflegerischen Interessen aus, nicht gegen die der Eigentümer. Die schwere Wahl zwischen unterschiedlichen Schutzzugängen Es ist also ein Abwägungsprozess notwendig, wenn man den Denkmalschutz auch nur in irgendeiner Weise im Rechtssystem verankern will, bei dem Denkmalschutz- gegen Eigentümerinteressen abgewogen werden, um in jedem Einzelfall zu einem Schluss zu kommen, welches Interesse jetzt in diesem konkreten Fall überwiegt und daher das andere aufgegeben werden muss. Diesen Prozess muss der Staat gesetzlich regeln und auch dafür Sorge tragen, dass die jeweils im Einzelfall zu treffenden Entscheidungen auch tatsächlich getroffen werden. Dafür, wie er diesen Prozess im Detail regelt, gibt es nahezu unzählige verschiedene Möglichkeiten. 62 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Wie er diesen Prozess aber – stets bedenkend, dass er dadurch Rechtssicherheit für die Normunterworfenen, also den Durchschnittsbürger, der eben vorab wissen (können) muss, was er mit seinem Eigentum machen darf und muss, und was er mit ihm keinesfalls machen darf, herstellen muss – grundsätzlich regelt, dafür hat er nur zwei Möglichkeiten, zwischen denen er, wenn er das Problem sauber lösen will (und das muss er eigentlich), wählen muss. Diese beiden grundsätzlichen Lösungsmöglichkeiten sind: 1. Der Gesetzgeber bestimmt vorab – eben durch Legaldefinitionen – hinreichend genau, welche Sachen solche sind, bei denen die Allgemeinwohlinteressen des Denkmalschutzes die privaten Interessen des Einzelnen überwiegen und ersteren daher vor letzteren der Vorrang einzuräumen ist. 2. Der Gesetzgeber bestimmt, dass jeweils im Einzelfall auf Basis der sachverständigen Beurteilung gesetzlich als relevant ausgewiesener (z.B. wissenschaftlicher, künstlerischer, etc.) Werte bezüglich der konkreten Sache zu bestimmen ist, ob diese konkrete Sache eine solche ist, bei der die Allgemeinwohlinteressen des Denkmalschutzes die privaten Interessen des Einzelnen überwiegen und ersteren daher vor letzteren der Vorrang einzuräumen ist. Entscheidet sich der Gesetzgeber für die erste Variante, muss er, weil ja der Durchschnittsbürger in diesem Fall ex ante, also bevor er irgendetwas mit ihnen macht, von sich aus schon allein anhand der Legaldefinition erkennen (können) muss, welche der Sachen, die seinem Eigentum angehören, jetzt derart beschaffen sind, dass er mit ihnen machen darf, was er will (inklusive sie zerstören oder maßgeblich verändern) und welche so beschaffen sind, dass er mit ihnen nur das machen darf, was sie nicht zerstören oder so maßgeblich verändern kann, dass sie nicht erhalten bleiben, eine Legaldefinition erlassen, die eindeutig und allgemeinverständlich ist. Denn der Gesetzgeber muss ja für einen solchen Schutz von Denkmalinteressen auf Basis des deklaratorischen Prinzips dafür sorgen, dass auch der durchschnittlich gebildete und vernünftige Bürger, wenn er eine in seinem Eigentum stehende Sache mit dieser Legaldefinition vergleicht, wenigstens in der überwältigenden Mehrheit aller Fälle (besonders komplexe Grenzfälle, die nicht eindeutig entscheidbar sind, kann man natürlich durch keine noch so genaue Definition ausschließen) selbstständig korrekt entscheiden kann, ob sie der Legaldefinition entspricht. Natürlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie eine derartige Legaldefinition gestaltet werden kann; so z.B. durch Festsetzung eines absoluten Mindestalters, das so weit in der Vergangenheit liegt, dass auch dem Durchschnittsbürger nahezu immer unmittelbar klar sein muss, dass eine konkrete Sache dieser Legaldefinition entspricht. Sagt man z.B. „wenigstens ungefähr 500 (+/- 100) Jahre alt“, kann man wenigstens in der Regel davon ausgehen, dass alle Sachen, die tatsächlich so alt sind, sich von (deutlich) jüngeren Gegenständen so maßgeblich in Form, Material, Erhaltungszustand und anderen offensichtlichen Eigenschaften unterscheiden, dass das auch der Durchschnittsbürger wenigstens in nahezu allen Fällen korrekt erkennen und danach dann auch sein Handeln ausrichten kann. Eine andere Möglichkeit wäre es z.B. zu bestimmen, dass eine Sache offensichtlich so lange aus dem Gebrauch gekommen sein muss, dass ihre ursprüngliche Funktion nicht ohne unverhältnismäßig großen Aufwand wiederhergestellt werden kann. Ob etwas so kaputt ist, dass man es nicht mehr wie gedacht benutzen und auch nicht mehr recht billig reparieren kann, kann auch jeder Durchschnittsbürger in nahezu allen Fällen einigermaßen korrekt selbstständig erkennen. Sind die gewählten Legaldefinitionen hingegen nicht genau genug, dass der Bürger die Entscheidung, ob eine Sache der Legaldefinition entspricht, selbst treffen kann, bricht der Denkmalschutz nach diesem Modell in sich zusammen, weil der Bürger dann ja gerade nicht wissen kann, bei welchen konkreten Sachen er die denkmalschutzgesetzlichen Rechtsvorschriften zu beachten und bei welchen er diese ignorieren kann. Kann er das aber nicht wissen, braucht er sich an gar keine der geltenden 63 Ziele und Motive denkmalschutzgesetzlichen Rechtsvorschriften halten, weil ihm notwendigerweise die für Strafbarkeit jedenfalls notwendige Einsicht fehlt, damit Unrecht zu tun, wenn er sie missachtet: er befindet sich zwingend im für ihn unvermeidbaren und somit schuldbefreienden Verbotsirrtum. Entscheidet er sich für die zweite Lösungsmöglichkeit, kann sich der Gesetzgeber hingegen ersparen, eine genaue und allgemeinverständliche Legaldefinition für den bzw. die zentralen gesetzlichen Begriffe wie Denkmal, Bodendenkmal etc. zu erlassen, sondern stattdessen einen mehr oder minder unbestimmten Rechtsbegriff definieren, wie z.B. „von Menschen geschaffene Sachen von wissenschaftlichem Wert (= „Denkmal“)“, der dann erst in der Vollziehung von der damit betrauten Behörde mit genauerem Inhalt gefüllt wird. Nachdem in diesem Fall ja die Entscheidung, ob eine ganz bestimmte Sache ein Denkmal ist, im jeweils konkreten Einzelfall der Behörde überlassen bleibt, ist es vollkommen gleichgültig, ob der Durchschnittsbürger den unbestimmten Rechtsbegriff kennt, versteht, oder auch nur in irgendeinem beliebigen konkreten Einzelfall korrekt auslegen kann. Er muss das nicht wissen, weil ja eben gerade nicht er selbst, sondern die Behörde zu entscheiden hat, ob eine konkrete Sache, die ihm gehört, nun derart beschaffen ist, dass sie der Legaldefinition entspricht und daher seine Eigentümerwillkür in Bezug auf diese Sache eingeschränkt ist oder ob sie dieser nicht entspricht und er daher mit der Sache (wenigstens aus denkmalrechtlicher Sicht) tun und lassen kann, was er will. Wie Gesetzgeber und/oder Behörde diesen Entscheidungsprozess nun genau gestalten, bleibt ihnen selbst überlassen und kann neuerlich im Detail variieren. So z.B. kann die Behörde sachverständiges Personal beschäftigen, das diese Entscheidung trifft; d.h. wenn es um Bodendenkmale geht, graduierte ArchäologInnen als Amtssachverständige beschäftigen, die sowohl im konkreten Einzelfall die sachverständige Beurteilung vornehmen als auch entscheiden, ob irgendeine konkrete Sache, die ihnen vorgelegt wird, ein Denkmal im Sinne der Legaldefinition des Begriffs ist. Oder sie kann z.B. nur Juristen beschäftigen, die vom archäologisch-wissenschaftlichen Wert der Sachen, die der Behörde vorgelegt werden, nicht die geringste Ahnung haben und die z.B. auf Basis von extern zugekauften Sachverständigengutachten entscheiden. Aber wie auch immer dieser Prozess zum Schutz der Denkmalinteressen nach dem konstitutiven Prinzip genau gestaltet ist, es ist unter diesem Zugang unabdingbar, dass zuerst einmal die Behörde im konkreten Einzelfall entschieden hat, ob eine Sache ein schützenswertes Denkmal ist, bevor die denkmalschutzgesetzlichen Rechtsvorschriften auf sie angewendet werden können. Denn bis die Behörde diese Entscheidung getroffen hat, kann der Durchschnittsbürger nicht wissen, ob die konkrete Sache, um die es geht, nun ein Denkmal ist, das er als solches zu behandeln hat, oder nicht. Nachdem er ex ante, d.h. bevor er mit der konkreten Sache irgendetwas macht, wissen (können) muss, was er mit ihr nun überhaupt machen darf; aber die Behörde entscheidet, welche Art von Sache – Denkmal oder kein Denkmal – eine konkrete Sache nun ist; können die Bestimmungen des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes bezüglich jeder konkreten Sache immer erst dann greifen, wenn die Behörde auch tatsächlich schon entschieden und ihre Entscheidung dem Bürger auch mitgeteilt hat. Der Gesetzgeber kann sich nun, nachdem beide diese grundsätzlichen Lösungsmöglichkeiten für das Problem der Abwägung zwischen privaten Eigentums- und öffentlichen Denkmalschutzinteressen rechtlich zulässig sind, wie er es für richtig hält frei zwischen diesen beiden Zugängen entscheiden. Er kann sie sogar bis zu einem gewissen Grad kombinieren, z.B. indem er für eine bestimmte Art von Denkmalen – z.B. Bodendenkmale – einen Schutz nach dem deklaratorischen, für alle andere Arten von Denkmalen – z.B. Bau- und Kunstdenkmale – einen Schutz nach dem konstitutiven Prinzip vorsieht. Solche Kombinationen verkomplizieren die Sache zwar zumeist maßgeblich (schon allein aus Gründen der Zuordnung von Sachen in die eine oder andere Kategorie), aber wenigstens theoretisch ist das möglich. 64 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Was der Gesetzgeber aber nicht machen kann, ist diese beiden verschiedenen Zugänge mischen, weil sie nicht nur nicht miteinander vereinbar sind, sondern sich sogar ganz direkt gegenseitig ausschließen. Muss bei der ersten Variante der Staatsbürger selbst wissen (können), welche Sachen Denkmale im Sinne des Gesetzes sind und dies daher auch ohne besonderen Sachverstand bestimmen können, setzt die zweite Variante eine Beurteilung auf Basis besonderen Sachverstands voraus, den man vom Durchschnittsbürger per Definition nicht erwarten kann, und es muss ihm daher die zuständige Behörde erst einmal sagen, welche konkreten Sachen überhaupt Denkmal im Sinne des Gesetzes sind. Mischt man die beiden Zugänge also, kommt man entweder unweigerlich bei der Annahme des schrödingerischen Bürgers an, der gleichzeitig über besonderen Sachverstand verfügen muss aber diesen nicht haben kann; oder bei einem schrödingerischen Gesetz wie dem DSchG-HH, dessen Schutzvorschriften automatisch auch für alle die Denkmale gelten, die die Denkmalbehörde noch nicht zu solchen erklärt hat, aber beim Umgang mit einer konkreten Sache nicht beachtet werden müssen, bevor die Denkmalbehörde diese Sache zu einem Denkmal erklärt hat. Die denkmalpflegerischen Vor- und Nachteile der Lösungsmöglichkeiten Aus denkmalpflegerischen Sicht haben diese beiden unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten ungünstigerweise jeweils unterschiedliche und einander sogar diametral entgegengesetzte Vor- und Nachteile. Die erste Variante hat den bedeutenden Vorteil, dass ein gesetzlicher Schutzautomatismus greift und daher der Staat bzw. dessen zuständige Behörde (wenn es denn überhaupt eine gibt; unbedingt notwendig ist eine solche nämlich unter diesem Zugang nicht) von der Existenz einer schützenswerten Sache überhaupt nicht wissen (und theoretisch sogar nie erfahren) muss, damit diese (wenigstens theoretisch) geschützt ist: der Bürger kann (wiederum wenigstens theoretisch, wenn die Legaldefinition präzise genug dafür ist) und muss sogar selbst erkennen, ob eine konkrete Sache ein schützenswertes Denkmal ist, und diese daher – natürlich vorausgesetzt er hat sie richtig erkannt und hält sich an das Denkmalschutzgesetz – dann auch unmittelbar entsprechend der denkmalrechtlichen Schutzvorschriften behandeln. Der Staat bzw. seine Organe haben daher unter diesem Zugang nur im Bedarfsfall – z.B. wenn sie einen begründeten Verdacht haben, dass ein Einzelner die denkmalrechtlichen Schutzbestimmungen, ob nun irrtümlich, fahrlässig oder vorsätzlich, bezüglich eines konkreten, schützenswerten Denkmals nicht beachtet – nachzuprüfen, ob der Einzelne in einem konkreten Einzelfall, in dem er die relevanten Schutzvorschriften mutmaßlich zu beachten gehabt hätte, sie auch tatsächlich einzuhalten gehabt hätte und, falls ja, auch wirklich (nun in der Praxis) eingehalten hat. Für diese Nachprüfung bedarf es sogar eventuell gar keiner eigenen Denkmalbehörde, sondern sie kann auch z.B. der normalen Gerichtsbarkeit auf Basis extern zugekaufter Sachverständigengutachten überlassen werden. Das ist von großem Vorteil für die Erhaltung von Denkmalen, die zwar so beschaffen sind, dass ihre Erhaltung aufgrund ihres Werts tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist, aber die – aus welchen Gründen auch immer – dem Staat bzw. seinen zuständigen Organen noch nicht bekannt geworden sind. Nachdem damit auch (einer allfällig bestehenden Denkmalbehörde) noch unbekannte Sachen geschützt werden können, kann man bei oberflächlicher Betrachtung sogar, wenngleich auch nur irrtümlich, zum Schluss kommen, dass auf diesem Weg sogar noch gänzlich (d.h. jedermann) unbekannte Denkmale geschützt werden können. Tatsächlich geht das natürlich auch unter dieser Variante nicht, weil ja auch der Einzelne, der die Entscheidung im konkreten Einzelfall treffen muss, sie erst treffen kann, wenn er die konkrete Sache kennt, um die es geht: das wirklich (noch jedermann) unbekannte Denkmal lässt sich also auch damit nicht schützen. 65 Ziele und Motive Der wirkliche Vorteil dieser Lösungsmöglichkeit ist also der, dass der Zeitpunkt, ab dem die gesetzlichen Schutzbestimmungen greifen, wenigstens direkt an den Punkt vorverlegt wird, an dem auch dem Durchschnittsbürger erkennbar wird, dass die betreffende Sache der Legaldefinition des Denkmalbegriffs entspricht und sie daher von diesem Moment an so behandelt werden muss, wie es die gesetzlichen Schutzbestimmungen vorsehen. Das bedeutet übrigens nicht nur bei zuvor noch jedermann gänzlich unbekannten Sachen eine Vorverlegung des Wirksamwerdens des Schutzes an den Zeitpunkt ihrer (erstmaligen) Entdeckung, sondern auch, wenn sich die Bewertung einer konkreten, gegebenenfalls auch schon seit langem, bekannten Sache verändert, eine Vorverlegung des Wirksamwerdens des Schutzes an den Zeitpunkt dieser Bewertungsänderung. Das hilft, wenigstens soweit es praktisch möglich ist, enorm dabei, das Wunschziel der Denkmalpflege zu erreichen, alle Denkmale zu schützen, die es gibt: man kann zwar natürlich trotzdem Sachen, denen erst durch zukünftige Generationen Denkmalwert zugeschrieben werden wird, nicht den gesetzlichen Schutzbestimmungen unterwerfen, weil man das ja nicht wissen kann. Aber man kann wenigstens jede Sache den gesetzlichen Schutzbestimmungen unterwerfen, sobald ihr Denkmalwert zugeschrieben oder dieser erstmalig (z.B. durch ihre Entdeckung) erkennbar wird. Der große Nachteil dieses Zugangs ist aber, dass er keinen fein nuancierten Denkmalschutz ermöglicht. Schließlich obliegt die Entscheidung der Frage, ob eine Sache nun ein Denkmal ist, in jedem Einzelfall dem einzelnen Durchschnittsbürger, dem besonderer Sachverstand per Definition fehlt. Es ist also unter diesem Zugang eine einfache, allgemeinverständliche Legaldefinition der zentralen Begriffe des Denkmalschutzgesetzes unumgänglich notwendig, die auch der Durchschnittsbürger wenigstens normalerweise richtig in der Praxis anwenden kann. Damit erhält man aber entweder zwingend ein sehr grobes Denkmalbestimmungsnetz, durch dessen große Maschen viele Sachen fallen, die bei sachverständiger Betrachtung als wertvolle Denkmale erkannt werden würden, oder aber einen Denkmalbestimmungsvorschlaghammer, der zahllose Sachen trifft, die bei sachverständiger Betrachtung niemals als wertvolle Denkmale betrachtet werden würden, oder, am wahrscheinlichsten, sogar beides zugleich, d.h. einen Denkmalfilter, durch den viele Sachen mit Denkmalwert fallen, der aber gleichzeitig viele Sachen ohne erfasst. Um das kurz an den oben genannten Beispielen für auch für Durchschnittsbürger brauchbare Definitionen zu zeigen: der Legaldefinition „so kaputt, dass die Reparatur zur Wiederherstellung der Verwendbarkeit unrentabel ist“ entsprechen zwar die meisten „Bodendenkmale“. Aber z.B. gut erhaltener prähistorischer Goldschmuck – der bei sachverständiger Betrachtung mutmaßlich als Denkmal betrachtet werden würde – entspricht ihr nicht, weil man ihn meist überhaupt nicht reparieren muss, um ihn wieder als Schmuckstück tragen zu können. Der normale Hausmüll, den wir alle tagtäglich produzieren, entspricht ihr hingegen nahezu vollständig. Wendet der Durchschnittsbürger diese Legaldefinition also rechtlich korrekt an, muss er seinen Hausmüll als Denkmal behandeln, aber darf mit prähistorischem Goldschmuck alles machen, was er will. Ein ähnliches Resultat würde auch durch jede andere vorstellbare Legaldefinition des Denkmalbegriffs erreicht, auch wenn die Selektion der Sachen, die einem anders definierten Denkmalbegriff entsprechen, natürlich bis zu einem gewissen Grad anders ausfallen würde. Die oben genannte absolute Altersgrenze würde z.B. den prähistorischen Goldschmuck jedenfalls, aber nicht den modernen Hausmüll, zu einem Denkmal machen; aber dafür auch alle neuzeitlichen, inklusive z.B. Sachen aus der NS-Zeit, aus dem Denkmalbegriff ausschließen, die man aus denkmalpflegerischen Gründen durchaus erhalten wollen würde. Letztendlich greift der Denkmalschutz unter diesem Zugang immer nur extrem grob; und mag zwar in der Theorie „automatisch“ agil bei Änderungen in der Beurteilung des Denkmalwerts von bestimmten Sachen „sofort“ greifen, tut das aber in der Praxis aufgrund ebendieser Grobheit erst recht nicht. Denn 66 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? es reicht ja unter diesem Zugang eben gerade nicht, dass sich die sachverständige Beurteilung des Denkmalwertes einer bestimmten (Art von) Sache ändert, die der Durchschnittsbürger eben gar nicht wissen kann, sondern man muss bei einer solchen Änderung erst einmal die allgemeinverständliche Legaldefinition des Denkmalbegriffes so abändern, dass auch jeder Durchschnittsbürger erkennen kann, dass manche Sachen, die zuvor nicht der Legaldefinition des Begriffs entsprachen, es nun doch tun. Man kann also auf diesem Weg zwar auch solche Sachen „sofort“ den denkmalrechtlichen Schutzvorschriften unterwerfen, von deren Existenz eine allfällig existierende Denkmalbehörde nicht das mindeste weiß, und somit viele Denkmale, die andernfalls nicht geschützt wären, auf gesetzlichem Weg (zu) erhalten (versuchen). Dafür muss man aber einen groben Klotz auf einen ebenso groben Keil setzen und verliert damit zwingend immer auch eine ganze Menge von Sachen, denen Sachverständige durchaus einen Denkmalwert zuweisen würden. Die denkmalpflegerischen Vor- und Nachteile der zweiten Lösungsvariante sind diesen exakt entgegengesetzt. Der große Vorteil der zweiten Variante ist, dass diese einen sehr nuancierten Denkmalschutz zulässt, weil ja eben die Beurteilung der Frage, ob eine Sache ein Denkmal ist, über besonderen Sachverstand verfügenden Experten überlassen ist. Das ermöglicht es – bei ausreichend breiter Legaldefinition des Denkmalbegriffs, wie z.B. „alle heimatgeschichtlich besonders wichtigen Sachen“ – auch solche Sachen den denkmalschutzrechtlichen Schutzbestimmungen zu unterwerfen, bei denen der Durchschnittsbürger niemals auch nur im Entferntesten auf die Idee kommen könnte, dass es sich dabei um ein Denkmal handeln könnte. Denn der alte, abgenutzte, stark korrodierte und nach nichts besonderem ausschauende Metallknopf, den er auf seinem Acker gefunden hat und den er für bloßen Mist hält, kann ja – z.B., weil man das bei einer Untersuchung aufgrund von auf ihm noch erhaltenen DNA-Spuren und deren Vergleich mit erhaltenen DNA-Proben ermitteln kann – der Jackenknopf sein, der von Napoleons Jacke abgerissen ist, als er gerade am Weg zu einer bedeutenden Schlacht war. Auch das Umgekehrte gilt: weil eben die Beurteilung, welche Sachen im Allgemeinwohl erhaltenswert sind, Experten überlassen ist, wird nicht völlig unnötig auch haufenweise „alter Mist“ den Schutzvorschriften des Denkmalschutzgesetzes unterworfen. Man spart sich somit – was rechtlich enorm wichtig ist – unnötige Eingriffe in die Eigentumsrechte privater Eigentümer und kann noch dazu die dem Denkmalschutz zur Verfügung stehenden Ressourcen effektiver – weil gezielt – für die Erhaltung wirklich wichtiger Denkmale verwenden. Man kann auf diesem Weg auch viel eher auf feine Veränderungen in der Beurteilung des Denkmalwertes von bestimmten (Arten von) Sachen reagieren. Es genügt unter diesem Zugang schließlich vollständig, dass von sachverständigen Kreisen erkannt wird, dass etwas, was zuvor als nicht so wichtig beurteilt wurde, nun plötzlich doch als wichtig zu betrachten ist, um von diesem Moment an auch solche Sachen zu Denkmalen erklären zu können, die dann auch den gesetzlichen Schutzbestimmungen unterworfen sind. Im Notfall – kommt man z.B. drauf, dass es Sachen gibt, die für die gartenbauliche Phytotechnologie so bedeutend sind, dass ihre Erhaltung deswegen im öffentlichen Interesse gelegen ist – kann man entsprechende Sachverständige bei der Denkmalbehörde anstellen und somit auch die für diese Wissenschaft wichtigen Sachen unter Denkmalschutz zu stellen beginnen. Das alles hilft dabei, das Wunschziel der Denkmalpflege zu erreichen, alle Sachen unter Denkmalschutz zu stellen, die so bedeutend sind, dass sie erhaltenswert sind. 67 Ziele und Motive Der große Nachteil dieses Zugangs ist es allerdings, dass der gesetzliche Schutz erst zu greifen beginnt, sobald wenigstens ein Sachverständiger eine konkrete, möglicherweise ein Denkmal sein könnende, Sache begutachtet und dabei festgestellt hat, dass sie tatsächlich ein Denkmal ist. Nachdem eine solche Begutachtung durch einen Sachverständigen aber ein sowohl zeitaufwändiger als auch (schon allein aufgrund des dafür nötigen Zeitaufwandes) kostenintensiver Prozess ist und der Denkmalbehörde stets nur (und das zumeist noch sehr strikt) beschränkte Zeit- und Geldressourcen zur Verfügung stehen; und man sich daher die meisten Sachen, die es gibt, nicht anschauen kann; kann man nur einen verschwindend geringen Teil aller Sachen, die es gibt, derartig begutachten. Schlimmer noch, die Begutachtung kann in der Regel überhaupt erst dann erfolgen, wenn die konkrete Sache, die der Denkmalwürdigkeit verdächtig ist, der zuständigen Behörde bekannt und zugänglich wird. Das ist aber bei der überwältigenden Mehrheit aller Sachen, die es gibt, niemals der Fall; schon allein weil deren Eigentümer (oder Entdecker) überhaupt nicht auf die Idee kommt, dass es sich bei dem „alten Mist“ (oder auch „jungen Mist“), den er aufgrund seines fehlenden besonderen Sachverstandes für absolut wertlos hält, um ein Denkmal handeln könnte. Wenn er aber gar nicht auf die Idee kommt, dass etwas ein Denkmal sein könnte, kommt er natürlich auch nicht auf die Idee, dass er diese Sache vielleicht erst einmal, bevor er irgendetwas mit ihr tut, der Denkmalbehörde vorlegen sollte, damit die entscheiden kann, ob das, was er für absolut wertlos hält, nicht doch vielleicht so wertvoll ist, dass es als Denkmal geschützt sein sollte. Man kann auf diesem Weg also eine Menge von Sachen, die zwar der Sachverständige, aber niemals der Durchschnittsbürger, als bedeutende Denkmale erkennen kann, den denkmalrechtlichen Schutzvorschriften unterwerfen und somit viele Denkmale auf gesetzlichem Weg (zu) erhalten (versuchen). Man verliert dabei aber viele mehr, zu deren Beurteilung die Denkmalbehörde nicht rechtzeitig kommt oder von deren Existenz sie niemals erfährt, weil der gesetzliche Schutz eben nicht „automatisch sofort“ greift, sondern erst nachdem die Denkmalbehörde den Denkmalwert einer konkreten Sache beurteilt hat. Damit verliert man aber auf jeden Fall, egal für welche der beiden Optionen man sich entscheidet, wenigstens manche Denkmale, die man aus denkmalpflegerischer Sicht erhalten sollte. Die Frage ist nur, auf welche man lieber verzichtet: auf alle Denkmale, zu deren Beurteilung eine dafür zuständige Behörde wenigstens noch nicht gekommen ist oder sogar nie kommen wird, oder auf alle Denkmale, die nicht auch für den Durchschnittsbürger leicht erkennbar einer allgemeinverständlichen Legaldefinition des Denkmalbegriffes entsprechen. Man muss sich also entscheiden. Die Entscheidungsunwilligkeit der (staatlichen) Denkmalpflege Das Problem ist: genau diese Entscheidung will die Denkmalpflege (und ich meine hier jetzt ganz bewusst nicht primär die staatliche, sondern die Gesamtheit der Denkmalpfleger und Denkmalpflegeinteressierten) nicht treffen (Rüsch 2004, insbesondere 4). Wenigstens bis zu einem gewissen Grad ist das sogar verständlich: es gibt schließlich keine Möglichkeit, zu unterscheiden, durch welche der beiden Lösungsmöglichkeiten mehr bedeutende Denkmale verloren gehen (würden), weil das ja – vor allem aus denkmalpflegerischer Sicht mit dem Blick (zumindest auch) auf die Denkmalinteressen zukünftiger Generationen, die sich überhaupt nicht bestimmen lassen – die Quantifizierbarkeit des Unbekannten erfordern würde. Die Denkmalpflege in ihrer Gesamtheit muss und kann diese Entscheidung zu ihrem Glück auch gar nicht treffen, denn sie ist dazu von niemandem (außer vielleicht sich selbst) befugt. Der Gesetzgeber hingegen hat diesen Luxus nicht, weil er ja schließlich – weil er zwischen den privaten Eigentumsinteressen und den, angeblich einem mehr oder minder diffus im Raum schwebenden Allgemeinwohl dienenden, Denkmalinteressen irgendwie abwägen muss – den Prozess, wie diese 68 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Abwägung vorzunehmen ist, irgendwie regeln muss. Nur hat er leider von der Materie nicht allzu viel Ahnung und fragt daher Experten. Solche beschäftigt er wenigstens heutzutage auch, und zwar – nachdem es ja um die rechtliche Regelung einer Materie geht, die fachlichen Sachverstand zu erfordern scheint – sowohl Denkmalschutzjuristen als auch professionelle Denkmalpfleger, d.h. Fachwissenschafter, die Studien abgeschlossen haben, die traditionell als besonders denkmalpflegerelevant betrachtet werden. Erstere haben normalerweise in erster Linie juristische Fachkompetenz, selbst wenn sie sich, schon ehe sie in der staatlichen Denkmalpflege zu arbeiten begonnen haben, auch für Denkmalpflege interessiert haben sollten, und sind daher ihrerseits, was die inhaltliche Ausgestaltung der von ihnen zu entwerfenden Denkmalschutzgesetze betrifft, auf die fachliche Beratung durch die professionellen Denkmalpfleger angewiesen. Die Zweitgenannten haben hingegen gewöhnlich hauptsächlich fachliche Expertise in den wissenschaftlichen Fächern, die sie studiert haben und sind daher, selbst wenn sie sich schon bevor sie im Denkmalamt zu arbeiten begonnen haben für juristische Fragen interessiert haben (was meiner Wahrnehmung nach eher selten der Fall zu sein scheint), was die juristische Umsetzung der von ihnen vorzugebenden, fachlich notwendig erscheinenden, Erfordernisse des Denkmalschutzes (siehe dazu schon Karl 2016a) betrifft, auf die Expertise ihrer Juristenkollegen angewiesen. Das führt schon ganz automatisch – wie stets in solchen interdisziplinären Kollaborationsprojekten – zu Übersetzungsschwierigkeiten, die leicht dazu führen können, dass das Endprodukt auf die eine oder andere Weise problembehaftet ist. Das bringt nun die staatlichen Denkmalpfleger in eine äußerst unangenehme Position: de facto müssten sie für den Gesetzgeber die fachliche Entscheidung treffen, die an dieser Stelle erforderlich ist; d.h. entscheiden, ob es aus denkmalpflegerischer Sicht besser ist, auf die Denkmale zu verzichten, zu deren Beurteilung die dafür zuständige Behörde noch nicht gekommen ist oder nie kommen wird, oder auf jene, die nicht auch für den Durchschnittsbürger leicht erkennbar einer – im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses nun auch konkret in einfache Worte zu fassenden – allgemeinverständlichen Legaldefinition des Denkmalbegriffes entsprechen. Nachdem sie aber primär Denkmalpfleger sind, wollen sie das nicht. Schlimmer noch, weder ihre fachliche Ausbildung noch ihre FachkollegInnen helfen ihnen bei dieser Entscheidung, sondern machen sie ganz im Gegenteil nur noch schwieriger. Schließlich haben die staatlichen Denkmalpfleger in der Regel während ihres Studiums den Fachkonsens eingetrichtert bekommen, der die Denkmalpflege seit etwa 200 Jahren dominiert (Pollak 2011, 227; cf. Smith 2006, 29-34), dass das Ziel der Denkmalpflege der Schutz aller Denkmale ist, und glauben das daher in der Regel auch selbst. Ihre außerbehördlichen FachkollegInnen glauben das nicht nur aus denselben Gründen auch, sondern verstehen normalerweise nicht einmal – weil sie sich ja in der Regel überhaupt nicht mit der nicht unmittelbar den Denkmalschutz betreffenden Gesetzgebung und den generellen Schranken, die dieser auferlegt sind, auskennen, weil sie darüber nie wirklich etwas gelernt haben, schon gar nicht in ihrem Studium – warum überhaupt irgendjemand diese Entscheidung treffen sollen müsste. Die Chance ist sogar recht gut, dass die außerbehördlichen FachkollegInnen der staatlichen Denkmalpfleger nicht einmal wissen, dass es in dieser Frage überhaupt verschiedene, sich gegenseitig ausschließende Möglichkeiten gibt, zwischen denen man sich entscheiden kann; bzw. dass sich die Frage nach dieser Entscheidung überhaupt stellen kann: wir wissen schließlich alle, dass man auf kein einziges Denkmal verzichten kann. Die staatlichen Denkmalpfleger stehen also vor dieser unangenehmen Entscheidung, die sie eigentlich treffen müssten, während sie praktisch alles, sowohl ihre eigenen denkmalpflegerischen Ziel-, Wunsch- und Wertvorstellungen, als auch ihre Ausbildung, und erst recht ihre FachkollegInnen, dazu drängen, genau diese Entscheidung nicht zu treffen. Es ist daher äußerst verständlich, dass in dieser 69 Ziele und Motive wohl sehr einsamen und äußerst unbequemen Situation, in der die, die in sie geraten, nicht einmal einer externen Kontrolle unterliegen, weil ja außer ihnen selbst überhaupt niemand das Problem versteht, das sie haben (falls sie es überhaupt selbst verstehen), viele derer, die diese Entscheidung zwar theoretisch treffen müssten, aber weder treffen wollen noch auf Basis irgendeiner verlässlichen Entscheidungsgrundlage, die ihnen sagen könnte, welche die bessere Entscheidung ist, treffen können, ob nun bewusst oder unbewusst nach irgendeinen Ausweg suchen, der es ihnen gestattet, dieser Zwickmühle zu entkommen, ohne die Entscheidung wirklich treffen zu müssen (siehe in ähnlichem Sinn, wenn auch anderem Kontext, auch schon Rüsch 2004, 4). Lost in translation An dieser Stelle kommen nun wieder die Denkmaljuristen ins Spiel (ob im Denkmalamt oder dem ihm vorgesetzten Ministerium, oder beides), denn diese sind ja die anderen Personen, die auch in der Situation sind, gezwungen zu sein, jetzt irgendetwas auf Papier zu bringen, das der Gesetzgeber wenigstens als Entwurf eines Denkmalschutzgesetzes in das dafür zuständige Gremium, d.h. normalerweise das für den Beschluss des Gesetzesvorschlags zuständige Parlament oder den Landtag, bringen kann, damit es von dem (wie das normalerweise der Fall ist) mehr oder minder so wie es vorgeschlagen wird (aber eventuell mit ein paar kleinen Änderungen auf Grund von Lobbying von interessierten Dritten oder politischen Präferenzen, vor allem wenn das Gesetz irgendjemanden etwas kosten soll) durchgewunken wird. Die Denkmaljuristen – einmal abgesehen davon, dass sie durch ihre Arbeit, selbst wenn sie sich davor nicht dafür interessiert haben, wohl ein gewisses Interesse am Denkmalschutz entwickelt haben und damit auch vom autorisierten Denkmalpflegediskurs (Smith 2006, 29-34) beeinflusst wurden – kommt nun die Aufgabe zu, juristische Lösungen für denkmalfachliche Erfordernisse zu finden. Diese finden sie in der Regel dann auch. Nachdem die Denkmalpfleger sich zumeist nicht wirklich zwischen den beiden oben dargestellten Lösungsmöglichkeiten entscheiden können und wollen, erklären sie den Juristen daher wohl am ehesten – wie es ja auch in gewissem Sinn ihre Aufgabe ist – das, was aus fachlicher Sicht erforderlich erscheint, um das Ziel der Denkmalpflege zu erreichen. Das ist aber nun, in der Regel, dass möglichst alle Denkmale geschützt werden sollen, so sehr das und auf welchem Weg auch immer das möglich ist. Das bedeutet im Endeffekt aus denkmalpflegerischer Sicht, aufgebrochen in zwei Schritte, dass 1. jedes Denkmal, das so bedeutend ist, dass seine Erhaltung deswegen im öffentlichen Interesse gelegen ist, auch tatsächlich durch das Gesetz geschützt werden muss, und zwar – weil ja die Denkmalbehörde von der Existenz vieler möglicher Denkmale gar nichts weiß und eventuell nicht einmal wissen kann (weil sie noch gänzlich unentdeckt sind) – ganz automatisch kraft Gesetzes, damit der Schutz nicht erst dann einsetzt, wenn die Denkmalbehörde im konkreten Einzelfall den Denkmalwert einer Sache beurteilt hat; und... an dieser Stelle unterbrechen die Denkmaljuristen die professionellen Denkmalpfleger. Immer schön eins nach dem anderen, bitte. Aus dieser Erläuterung der fachlichen Notwendigkeiten der Denkmalpflege folgt nämlich schon zwingend, dass man das Gesetz – wenigstens in den Teilen, die jene denkmalpflegerisch relevanten Bereiche regeln sollen, in denen man mit einer großen Menge von Sachen zu tun hat, die zwar möglicherweise Denkmale, aber oft nicht öffentlich sichtbar oder sogar noch völlig unbekannt (weil z.B. noch unter der Erdoberfläche verborgen) sind – nach dem deklaratorischen Prinzip aufbauen muss. Schließlich kann man nur dadurch sicherstellen, dass die Schutzbestimmungen des geplanten Gesetzes nicht erst dann zu greifen beginnen, wenn die Denkmalbehörde eine Sache vorgelegt bekommen und beurteilt hat, sondern unmittelbar wirken, ohne dass die Behörde dazu von sich aus irgendetwas tun oder sogar entscheiden muss. Es bedarf 70 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? daher einer Legaldefinition des Denkmalbegriffes, mit der man alle jene Sachen, die so bedeutend sind, dass sie erhalten werden sollten, automatisch miterfasst. Es gilt nun also zuerst einmal den Denkmalsbegriff in einer Weise zu definieren, die rechtlich möglich ist und gleichzeitig dem Bürger erlaubt, auch zu erkennen, dass eine konkrete Sache nicht nur eine gewöhnliche, sondern so bedeutend ist, dass sie ein Denkmal ist. Die Juristen, die ja in der Regel selbst nicht genau wissen, was jetzt so bedeutend ist, dass es ein Denkmal ist, fragen also nun die professionellen Denkmalpfleger, wie man so einen Begriff definieren kann. Die sagen darauf, dass das natürlich sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich ist, weil, was ohnehin ihr zweiter Punkt gewesen wäre, was aus denkmalpflegerischer Sicht ebenfalls erforderlich ist, ist, dass 2. jede Sache, so unbedeutend sie auch auf den ersten Blick erscheinen mag, aufgrund irgendwelcher besonderer Eigenschaften so bedeutend sein kann, dass sie ein Denkmal ist, dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist. Um zu beurteilen, ob eine Sache ein Denkmal ist, braucht es daher besonderen Sachverstand, weil man nur damit sagen kann, ob die Sache so bedeutend ist, dass man sie im öffentlichen Interesse erhalten muss. Verallgemeinern könne man das nicht, sondern das müsste man jeweils im Einzelfall entscheiden. Aufmerksame Juristen sehen an dieser Stelle zwar ein gewisses Problem, weil das macht nun eigentlich einen Zugang gemäß dem konstitutiven Prinzip notwendig. Sie drängen daher an dieser Stelle eventuell darauf, dass man das Gesetz dann also wohl doch eher nach dem konstitutiven Prinzip gestalten sollte, auch wenn das bedeuten würde, dass damit dann nur solche Sachen durch das Gesetz geschützt werden würden, deren Denkmalcharakter von der Behörde schon festgestellt worden sei. Aber das wollen die professionellen Denkmalpfleger nicht und drängen daher ihrerseits darauf, dass die Juristen, die dieses Problem bemerkt haben, eine rechtliche Lösung finden, mit der man es wenigstens umgehen, oder noch besser, lösen kann. Die suchen und finden diese Juristen gewöhnlich dann auch. Einigermaßen gefinkelte, aufmerksame Juristen sehen eine mögliche Lösung für dieses Problem sofort, ohne dass man sie dazu drängen muss, eine zu finden. Unaufmerksame Juristen, die das Problem gar nicht bemerkt haben, weil sie für das geplante Gesetz nur die fachlichen Erfordernisse Punkt für Punkt abarbeiten (die soll es ja auch geben), kommen allein aufgrund der Nennung der Einzelfallentscheidung und der Feststellung der fachlichen Unmöglichkeit, vorab allgemein zu bestimmen, was nun ein Denkmal ist, letztendlich zur gleichen Lösung: die des möglichst breit gefassten, unbestimmten Rechtsbegriffs als Legaldefinition des Denkmalbegriffs. Das ist umso mehr der Fall, wenn schon in anderen Ländern der Gesetzgeber auf die gleiche Art vorgegangen ist und damit Erfolg gehabt zu haben scheint, weil dann kann man sich zur Rechtfertigung dieser Lösung auf den Parallelfall berufen, in dem das ja auch funktioniert hat. Der möglichst breit gefasste, unbestimmte Rechtsbegriff ist hier sehr praktisch: er erlaubt es nämlich, einerseits so zu tun, als ob man gesetzlich hinreichend genau definiert hätte, was mit diesem Begriff jetzt eigentlich gemeint ist, ohne ihn aber wirklich auch so definieren zu müssen, dass irgendjemand seinen Bedeutungsgehalt versteht. Schließlich ist der Begriff ja erst später, durch Auslegung durch die Vollzugsbehörde in ihrer Handhabungspraxis, mit Inhalt zu füllen; d.h. man kann damit, um Fußballund Golfmetaphern zu mischen, den Ball am Gesetzgeber vorbei ins lange Gras spielen bzw. wie das Eckart Rüsch (2004, 4) als generell beliebte Taktik der Denkmalpflege beschreibt, die Entscheidung darüber, was der Begriff denn wirklich bedeutet, in eine unbestimmte Zukunft vertagen. 71 Ziele und Motive Selbst wenn das bei vorausschauender Betrachtung potentiell Schwierigkeiten für die Anwendbarkeit des Gesetzes verursachen kann – wie eben, dass ein nach deklaratorischem Prinzip funktionieren sollendes Gesetz das nicht wirklich tut, wenn der Durchschnittsbürger aufgrund der Unbestimmtheit der Definition des zentralen Schutzbegriffs dieses Gesetzes nicht wissen kann, wann er sich an das Gesetz halten muss und wann nicht – ist das zu diesem Zeitpunkt im Gesetzesentwicklungsprozess noch einigermaßen gleichgültig: schließlich gilt es zuerst, das, was man in der Sache erreichen möchte, irgendwie ins Gesetz hinein und gegebenenfalls auch an Entwurfsprüfungsinstanzen vorbei zu bringen, damit es überhaupt erst einmal Gesetz wird. Wie man das dann in der Praxis konkret anwenden kann, darum kann man sich dann Sorgen machen, wenn das Gesetz beschlossen und in Kraft getreten ist. Wenn sich die Frage überhaupt stellt, wie man einen ipsa lege-Denkmalschutz umsetzen kann, wenn man eine Legaldefinition hat, die so vollkommen unbestimmt ist wie (vereinfacht gesagt) „alle Sachen, die irgendeiner Wissenschaft wichtig sind“, wie das ja z.B. im DSchG-BW der Fall ist (Strobl & Sieche 2010, 54-82) – und das ist nicht garantiert, weil sowohl die Juristen als auch die Denkmalpfleger zwar jeweils eine konkrete Vorstellung (die sich nicht unbedingt mit der der jeweils anderen Gruppe deckt) davon haben, was (für sie offensichtlich) ein „Denkmal“ ist, aber nicht unbedingt miteinander darüber reden – beruhigt man sich hier dann wohl sowohl selbst als auch gegenseitig. Die Juristen beruhigen die Denkmalpfleger, indem sie feststellen, dass man das dann tatsächlich so weit auslegen kann, dass damit alle wirklich wichtigen Denkmale automatisch geschützt sind, und sich selbst, indem sie die Warnung hinzufügen, dass die Regelung auch konsistent angewendet werden und (wenigstens dadurch) auch dem Durchschnittsbürger erkenntlich sein muss, was jetzt solche wichtigen Denkmale sind. Die Denkmalpfleger wiederum beruhigen die Juristen und sich selbst damit, dass sie feststellen, dass sie ja eh hauptsächlich so Sachen meinen wie z.B. römische Münzen oder mittelalterliche Burgen oder prähistorische Grabhügel, von denen (angeblich) selbstverständlich auch der Durchschnittsbürger weiß, dass es sich dabei um wichtige Denkmale handelt. Damit scheint das Problem tatsächlich gelöst zu sein. Aus der Sicht des Durchschnittsbürgers betrachtet das Problem an dieser Stelle natürlich niemand; solche sind ja bei solchen Gesprächen gar nicht anwesend; es ist der Durchschnittsbürger an diesem Punkt auch sowohl Juristen als auch Denkmalpflegern völlig egal. Schließlich haben die Juristen vorerst das Problem zu lösen, wie sie das, was die Denkmalpfleger wollen, in Form eines Gesetzesvorschlags in Worte fassen können, den man tatsächlich durch die üblichen Prüfungen und das entscheidungsbefugte politische Gremium bringen kann; die Denkmalpfleger hingegen konzentrieren sich zuerst einmal auf das Problem, das, was ihnen fachlich betrachtet für die Erhaltung der Denkmale notwendig erscheint, in diesen Gesetzesvorschlag hineinzubringen. Daher denkt an diesem Punkt niemand daran, dass der Durchschnittsbürger zwar durchaus wirklich weiß, dass z.B. eine schöne römische Münze, die in einer Museumsvitrine liegt, eine gut erhaltene mittelalterliche Burg, die man sich nur gegen Entrichtung eines Eintrittspreises anschauen darf, oder auch ein als solcher durch entsprechende Beschilderung ausgewiesener prähistorischer Grabhügel in der Landschaft, ein Denkmal ist, das so wichtig ist, dass seine Erhaltung im Interesse der Allgemeinheit ist; aber eine stark abgenutzte und korrodierte Münze im Feld, eine nahezu oder tatsächlich vollständig eingeebnete Burg auf irgendwelchen Äckern oder Weiden und irgendwelche prähistorische Grabhügel seiende, annähernd runde, kaum merkliche Bodenerhebungen in irgendeinem Wald keineswegs von selbst als Sachen erkennen kann, die der Legaldefinition „wissenschaftlich so wichtig, dass man sie erhalten sollte“, auch tatsächlich genügen. Die Bürger, und vor allem deren Sichtweise, gehen im Übersetzungsprozess von denkmalpflegerischen Wünschen in denkmalschutzgesetzliche Bestimmungen vollkommen verloren, weil sie an dem 72 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Übersetzungsprozess auch gar nicht beteiligt sind und ihre Probleme in diesem Prozess auch niemanden wirklich interessieren, weil die, die an dem Prozess beteiligt sind, d.h. die Denkmaljuristen und Denkmalpfleger, schon mehr als genug andere Sorgen haben, als sich auch noch den Kopf des Durchschnittsbürgers zu zerbrechen. Das Ergebnis dieses Übersetzungsprozesses segelt dann selbstverständlich auch einigermaßen problemlos durch alle Prüfungen und das zuständige politische Entscheidungsgremium; wenngleich es vielleicht durch Lobbying durch einflussreichere Interessensgruppen noch geringfügig in Details geändert wird. Selbst wenn sich an irgendeinem Punkt im weiteren Gesetzgebungsprozess die Frage stellt, ob die gewählte Legaldefinition des Denkmalbegriffs jetzt hinreichend genau bestimmt ist, dass der Durchschnittsbürger damit auch etwas anfangen kann (und es ist eher unwahrscheinlich, dass sich diese Frage stellt, weil ja jeder, der den Gesetzesvorschlag liest, selbst eine vage Vorstellung davon hat, was jetzt ein „Denkmal“ ist, und daher in der Regel die im Gesetzesvorschlag niedergelegte, noch viel vagere Legaldefinition so auslegt, dass sie seiner eigenen vagen Vorstellung davon, was nun ein „Denkmal“ ist, entspricht), werden im Fall des Falles die professionellen Denkmalpfleger gefragt, was damit jetzt genau gemeint ist. Diese bringen dann natürlich wieder dieselben Beispiele, mit denen sie schon ihre Juristenkollegen beruhigt haben, eben die römischen Münzen, mittelalterlichen Burgen und prähistorischen Grabhügel, unter denen sich jeder etwas vorstellen kann. Damit sind alle möglichen Fragen beantwortet, weil dass es rechtlich möglich ist, ein Gesetz direkt anwendbar zu machen, so lange jeder Durchschnittsbürger versteht, wann er die gesetzlichen Schutzbestimmungen zu beachten hat und wann nicht, steht ja nicht in Frage, weil es unzählige Gesetze gibt, die nach dem ipsa lege-Prinzip funktionieren; und das Gesetz wird erlassen. Damit hat man nun aber den Salat: man hat damit ein Gesetz generiert (ohne dass das irgendjemand im Gesetzgebungsprozess tatsächlich vorsätzlich gewollt hat), das nach dem deklaratorischen Prinzip zu funktionieren scheint bzw. funktionieren soll, aber bei dem es de facto erforderlich ist, dass der durchschnittliche Normunterworfene über den speziellen Sachverstand von graduierten Experten verfügt, um korrekt erkennen zu können, wann er das Gesetz nun anzuwenden hat und wann er es ignorieren kann, d.h. es nicht nach dem deklaratorischen Prinzip funktionieren kann. Es hat einfach niemand die Entscheidung getroffen, die notwendig gewesen wäre, weil die, die sie treffen hätten können und müssen, die professionellen Denkmalpfleger, sie nicht treffen wollten oder konnten; und das in der Folge allen anderen Beteiligten im weiteren Gesetzgebungsprozess nicht aufgefallen ist, weil sie alle davon ausgegangen sind, dass ohnehin ein jeder weiß, was wichtige Denkmale sind, und das auch problemlos erkennen kann. Schrödingers Katze in der Anwendungspraxis Tatsächlich braucht man aber nun für die Anwendung dieses Gesetzes entweder Schrödingers Durchschnittsbürger, der gleichzeitig keinerlei und besonderen Sachverstand in allen existierenden Wissenschaften hat; oder man hat stattdessen – wie das in Hamburg irgendwelche Juristen doch zustandegebracht zu haben scheinen – Schrödingers Denkmalschutzgesetz erzeugt, das gleichzeitig automatisch für alle Denkmale gilt, egal ob sie amtlich als solche ausgewiesen wurden, und an das man sich bei solchen, die noch nicht amtlich als Denkmale ausgewiesen wurden, nicht halten muss. Man hat eben dadurch, dass man die notwendige Entscheidung, auf welche Denkmale man nun verzichten will – die, die durch den groben Rechen einer allgemeinverständlichen Legaldefinition fallen, oder die, die der Behörde noch nicht bekannt geworden sind – nicht getroffen hat, eine juristische Black Box generiert (Abb. 2), in der sich jeder konkrete Einzelfall so lange befindet, bis irgendjemand diese Black Box öffnet und hineinschaut. Bis das nicht passiert ist, hängt der Einzelfall in der Schwebe, d.h. es könnte gleichermaßen sein, dass das Gesetz auf den konkreten Einzelfall anwendbar ist oder nicht. 73 Ziele und Motive Abb. 2: Erinnerungsplakette, die English Heritage am Ort angebracht und nicht angebracht hat, an dem Erwin Schrödinger zwischen 1940 und 1956 lebte und nicht lebte (via https://www.facebook.com/thomas.f.king.9/posts/10156049670386162 [4.10.2017]). Das macht gravierende Fehlinterpretationen des Gesetzes durch die Vollzugsbehörden nun aber nicht nur möglich, sondern lädt nachgerade zur Fehlinterpretation ein – ja, erzwingt diese sogar beinahe. Zwar müsste – bei sauberer rechtlicher Betrachtung der Strafbarkeit von Verstößen gegen die Schutzbestimmungen eines derartigen Gesetzes – eigentlich klar sein, dass die in jedem sich noch in der Black Box befindlichen, konkreten Einzelfall theoretisch gleichermaßen bestehenden Möglichkeiten, dass das Gesetz auf diesen Einzelfall anwendbar oder nicht anwendbar ist, in der Praxis bei der Öffnung der Black Box immer zur Feststellung kollabieren müssen, dass in diesem konkreten Einzelfall keine Strafbarkeit besteht, egal ob die denkmalschutzgesetzlichen Bestimmungen im Einzelfall nun anzuwenden oder nicht anzuwenden gewesen wären. Schließlich hätte, damit seine allfällig mögliche Missachtung denkmalrechtlicher Schutzbestimmungen strafbar sein kann, der Durchschnittsbürger ja bereits ex ante, also bevor die Black Box des konkreten Einzelfalls geöffnet wurde, wissen müssen, dass bei der Öffnung dieser konkreten Black Box festgestellt werden wird, dass die Schutzbestimmungen des Denkmalschutzgesetzes in diesem konkreten Einzelfall anzuwenden waren. Das kann aber gar nicht sein, weil das ja überhaupt erst ex post beurteilt werden kann, d.h. nachdem die Black Box geöffnet wurde. Nachdem man aber vom Durchschnittsbürger die paranormale Fähigkeit zur Vorhersage eines noch gar nicht eingetretenen Ereignisses, das mit gleicher Wahrscheinlichkeit zu exakt gegenteiligen Ergebnissen führen kann, rechtlich nicht erwarten kann, scheidet jede mögliche Straffähigkeit seiner Handlung notwendigerweise aus. Aber das sagt nur etwas über die (Un-) Möglichkeit aus, Verstöße gegen das derart gestaltete Denkmalschutzgesetz zu ahnden. Zwar ergibt sich in Bezug auf die Strafbarkeit von Verstößen gegen das derart gestaltete Gesetz bei korrekter Anwendung im Endeffekt de facto das Gleiche, als wenn die Schutzbestimmungen des Gesetzes nur nach dem konstitutiven Prinzip anwendbar wären: d.h. 74 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Verstöße gegen das Gesetz können erst geahndet werden, nachdem die zuständige Behörde – ob das nun die Eintragung eines konkreten Denkmals in ein öffentlich zugängliches Denkmalverzeichnis ohne Durchführung eines separaten Unterschutzstellungsverfahrens oder seine Unterschutzstellung in einem eigenen Verfahren zu diesem Zweck ist, in dem z.B. der Eigentümer der betroffenen Sache Parteienstellung hat – eine ihr bereits bekannt gewordene Sache zu einem Denkmal im Sinne des Gesetzes erklärt und damit dessen Schutzbestimmungen unterworfen hat. Aber de jure ist es eben nicht das Gleiche, weil das nach dem deklaratorischen Prinzip funktionierende Gesetz keinen separaten Verwaltungsakt verlangt. D.h. rechtlich gesehen gilt ein nach deklaratorischem Prinzip funktionierendes Gesetz zwar völlig unabhängig davon, ob eine Eintragung des Denkmals in eine öffentlich zugängliche Liste vorgenommen wurde; aber es kann von Verfügungsberechtigten die Einhaltung der gesetzlichen Schutzbestimmungen erst „verlangt“ werden (d.h. die Zuwiderhandlung gegen sie erst geahndet werden), nachdem eine solche Eintragung vorgenommen wurde – genau wie das eben in § 6 Abs. 1 DSchG-HH dann auch ausgedrückt wird. Dass das nicht nur den Durchschnittsbürger, sondern auch die professionellen Denkmalpfleger und sogar die Denkmaljuristen massiv verwirrt, die dieses Kuddelmuddel dann in der Praxis anwenden bzw. Rechtsauskünfte darüber erteilen sollen, unter welchen Umständen das Gesetz nun gilt und anzuwenden ist und unter welchen Umständen nicht, kann daher auch nicht im mindesten verwundern. Denn das Gesetz scheint ja (oder, im österreichischen Fall, schien wenigstens dann, wenn man in die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 hineinlas, dass diese für Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 und nicht etwa nur für Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG gelten würden, bzw. im letzteren Fall die Bestimmungen dieses Paragrafen unvollständig las) zu sagen, dass die Schutzbestimmungen immer gelten und anzuwenden sind, wenn die betroffene Sache tatsächlich ein Denkmal ist (oder sogar nur „sein könnte“, wie das bei Fehllesung des Wortlauts des § 11 Abs. 1 bei Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG der Fall wäre), nicht erst dann, wenn bereits durch einen eigenen Verwaltungsakt festgestellt wurde, dass die Sache, die von einer (geplanten) Handlung betroffen wird (bzw. werden würde), ein Denkmal im Sinne des jeweiligen Gesetzes ist. Ob und dass es eventuell nicht strafbar ist, sich nicht an die Schutzbestimmungen des Gesetzes zu halten, bis nicht durch eine Eintragung der Sache in eine Denkmalliste festgestellt wurde, dass sie ein Denkmal ist, spielt dafür ja keinerlei Rolle. Sowohl die professionellen Denkmalpfleger als auch die Juristen der Behörde müssen sogar unter diesen Voraussetzungen sowohl zum Schluss kommen als auch, wenn sie gefragt werden, wann das Gesetz jetzt gelte und anzuwenden sei, die Rechtsauskunft erteilen, dass es automatisch gelte und daher immer dann anzuwenden sei, wenn eine Handlung gesetzt oder geplant würde, bei der davon auszugehen sei, dass sie Sachen betreffen werde, die im Sinne des Gesetzes als Denkmale zu betrachten seien. Denn das ist nicht nur, was das Gesetz zu sagen scheint, sondern auch das, was sie wollen, sowie die Aufgabe, für die sie – wenigstens in dem Sinn, dass sie das Gesetz zu vollziehen haben – tatsächlich vom Staat angestellt und beauftragt wurden. Aus ihrer Sicht kann man daher nicht nur, sondern muss sogar das Gesetz so weit auslegen, als das irgendwie möglich zu sein scheint. Dann scheint es auch durchaus möglich zu sein, es so auszulegen, dass tatsächlich davon auszugehen ist, dass das Gesetz nicht nur für durch eigenen Verwaltungsakt spezifisch geschützte Denkmale betreffende, sondern für alle möglichen Denkmale möglicherweise betreffende Handlungen gilt. Welchen Sinn hätte es sonst gehabt, dass der Gesetzgeber das Gesetz nach dem deklarativen statt dem konstitutiven Prinzip gestaltet hat? Die Reichweite von NFG-Pflichten (und anderen Schutzbestimmungen) Hat man nun ein Gesetz, das tatsächlich für alle Denkmale gilt bzw. wenigstens zu gelten scheint, unabhängig davon, ob sie der zuständigen Behörde schon bekannt sind – und die Behörde kann, ja muss eventuell sogar das Gesetz so interpretieren, vor allem wenn das Gesetz tatsächlich irgendwo in 75 Ziele und Motive seinen Bestimmungen explizit sagt, dass seine Schutzbestimmungen ipsa lege anzuwenden sind (wie z.B. das HDSchG und das DSchG-BW tun; im Gegensatz zum z.B. DMSG, bei dem die Situation etwas komplizierter ist, weil ein ipsa lege-Schutz nur bei Zufallsfunden von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 besteht, dazu noch später mehr) – dann kann die Behörde zur Ansicht kommen, dass sie die einschlägigen gesetzlichen Schutzbestimmungen auch so auch auszulegen hat, dass sie auch vorausschauend auf alle – d.h. auch auf noch unbekannte – Denkmale angewendet werden können. Im archäologischen Denkmalschutz wirkt sich das insbesondere bei der gesetzlichen NFG-Pflicht aus, die nicht nur als Rechtsinstrument erscheint, das aktiv vorausschauend zum Schutz von Denkmalen verwendet werden kann, die die Behörde noch gar nicht kennt, sondern auch tatsächlich – wenigstens in gewissem Sinn – für einen solchen vorausschauenden Einsatz gedacht ist: es geht dabei schließlich um Genehmigungen, die man vor der Durchführung bestimmter, geplanter Handlungen erteilt bekommen haben muss, damit man diese überhaupt durchführen darf. Gilt das Gesetz und damit auch die NFG-Pflicht ipsa lege für alle Denkmale, d.h. muss der die Handlung Planende (wenigstens anscheinend) von selbst wissen, dass seine geplante Handlung dieser Genehmigung bedarf, scheint die Denkmalbehörde nichts über allfällig davon betroffene Denkmale wissen zu müssen, um sie mittels dieses Rechtsinstruments dennoch schützen zu können. Damit unterscheiden sich NFG-Pflichten maßgeblich von (fast) allen anderen, (speziell) der archäologischen Denkmalpflege zur Verfügung stehenden Rechtsinstrumenten, wie der Ausweisung von Grabungsschutzgebieten (bzw. in Österreich der Unterschutzstellung als „Fundhoffnungsgebiet“ iSd § 1 Abs. 5 DMSG) und den Schutzbestimmungen für Zufallsfunde. Denn für die Ausweisung von Grabungsschutzgebieten bedarf es offensichtlich eines separaten Verwaltungsaktes, d.h. dieses Instrument wird erst anwendbar, wenn die zu schützende Fundstelle der Behörde bekannt wurde; und Zufallsfunde treten eben – wie ihr Name schon sagt – zufällig zu Tage, was notwendigerweise jede aktive behördliche Gestaltung der Umstände, unter denen ein Zufallsfund auftritt, absolut unmöglich macht. Will also eine Denkmalbehörde (auch) möglichst alle ihr noch unbekannten archäologischen Denkmale schützen, bieten ihr nur die NFG-Pflichten einen Spielraum zur aktiven Gestaltung dieses Schutzes. Das macht es enorm verlockend, die Reichweite der gesetzlichen NFG-Pflichten so weit auszudehnen zu versuchen, als es irgendwie geht, weil natürlich die Behörde umso mehr denkmalschützerischen Gestaltungsspielraum gewinnt, desto weiter solche Genehmigungspflichten greifen. Dabei begünstigen die historisch gewachsenen Formulierungen der NFG-Pflichten – diese finden sich ja bereits seit etwa einem Jahrhundert in den meisten Denkmalschutzgesetzen –, die ebenso historisch gewachsene Vorstellung vom Zweck, den sie erfüllen sollen, und die Legaldefinition des (Boden-) Denkmalbegriffs Missverständnisse. NFG-Pflichten werden in der archäologischen Denkmalpflege traditionell als Mechanismus zur behördlichen Kontrolle von Nachforschungshandlungen verstanden, weil das schon immer so war. Ursprünglich dienten sie – wenigstens in Österreich in einer von zwei gleichermaßen wichtigen Funktionen, zur zweiten komme ich weiter unten noch – dem Zweck, archäologische Ausgrabungen, d.h. (mehr oder minder entsprechend einer wissenschaftlichen Methodik durchgeführte) Erdarbeiten zur Dokumentation archäologischer Befunde und zur Bergung beweglicher Kleinfunde, die zu dieser Zeit noch in erster Linie von archäologischen Autodidakten und Dilettanten durchgeführt wurden, einer gewissen fachlichen Aufsicht durch die ersten universitär ausgebildeten Fachleute zu unterwerfen. Daher heißt die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG in Österreich bis heute auch tatsächlich Grabungsgenehmigungspflicht. Mittelbar mag es mit den NFGPflichten der Fachwelt auch um die Verhinderung sogenannter „Raubgrabungen“ gegangen sein, aber das war, wie ich später noch zeigen werde, wenn überhaupt, nur eine erwünschte Nebenwirkung, nicht der primäre Zweck. 76 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Weil es bei NFG-Pflichten (wenigstens der Denkmalpflege) immer schon wenigstens teilweise um die Kontrolle wissenschaftlicher Ausgrabungen gegangen ist, ist z.B. in Österreich das BDA niemals ernsthaft auf die Idee verfallen, dass man die Grabungsgenehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auch auf Handlungen ausdehnen könnte, bei denen es nicht um das „Finden“ irgendwelcher Sachen geht. Dabei hätte eigentlich, wenn man wie das BDA (wie oben Seiten 8-26 gezeigt fälschlich) davon ausgegangen ist, dass diese Genehmigungspflicht auf alle Suchhandlungen angewendet werden könnte, bei denen Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG – auch nur unabsichtlich – entdeckt werden könnten, auch nicht das mindeste dagegengesprochen, dass z.B. auch die Erdarbeit bei Bauarbeiten der Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 unterworfen werden könnte. Denn diese ist natürlich auch eine Grabung (iSd Legaldefinition des § 11 Abs. 1 „Veränderung der Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser“), bei der es zwar nicht um die Entdeckung von Denkmalen geht, aber bei der dennoch Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 entdeckt werden könnten. Kann man also Nachforschungen zu anderen Zwecken als der Entdeckung von Denkmalen der Grabungsgenehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 unterwerfen, warum dann nicht auch Grabungen zu anderen Zwecken? Das BDA hätte in diesem Fall wohl also die gesetzliche Grabungsgenehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG insofern missverstanden und gleichheitswidrig angewendet, weil es sachlich unbegründet zwischen Nachforschungen und Grabungen zu anderen Zwecken unterschieden hätte, bei denen gleichermaßen die Entdeckung von Denkmalen billigend in Kauf genommen wurde. Besonders begünstigt jedoch die Kombination von spezifischer Zweckbindung der NFG-pflichtigen Handlungen – das Entdecken von Denkmalen – und (scheinbarer) ipsa lege-Anwendbarkeit der gesetzlichen Schutzbestimmungen Missverständnisse im Hinblick auf den möglichen Wirkungsbereich solcher NFG-Pflichten. Schließlich bedeutet Letzteres ja, aus Sicht der Behörde gesehen, dass das Gesetz auch auf solche Denkmale anwendbar ist, die der Behörde noch unbekannt sind. Angesichts dieser Tatsache kann die Behörde sehr leicht irrtümlich zur Ansicht gelangen, dass es für die Anwendbarkeit der gesetzlichen NFG-Pflicht auf eine bestimmte (Nachforschungs-) Handlung nicht nur gleichgültig ist, ob der Behörde das betroffene Denkmal noch unbekannt ist, sondern auch gleichgültig ist, ob das betroffene Denkmal noch gänzlich unbekannt ist. Die Anwendbarkeit der NFG-Pflicht scheint ihrem eigenen Wortlaut zufolge ja bereits dadurch ausgelöst zu werden, dass die geplante Handlung den dort genannten Zweck verfolgt: lässt man in den Bestimmungen von z.B. § 22 HDSchG das Wort Bodendenkmäler weg, ergibt sich der immer noch gänzlich sinnvolle Satz „Nachforschungen, insbesondere Grabungen, mit dem Ziel, […] zu entdecken, bedürfen der Genehmigung der Denkmalfachbehörde“. Das scheint zu implizieren, dass es Nachforschungshandlungen an sich sind, die einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unterworfen werden – wohl, weil durch sie Bodendenkmale, die ja überall vorkommen können, gefährdet werden könnten – nicht beliebige Handlungen, die (Boden-) Denkmale in irgendeiner Weise gefährden könnten. Ginge es bei den Genehmigungspflichten der jeweiligen NFG-Bestimmungen um die Vermeidung jedweder Gefährdung von Denkmalen, hätten diese ja nicht als NFG-Pflichten, sondern als allgemeinere Genehmigungspflichten gestaltet werden müssen; wie z.B. jene des Art. 7 Abs. 1 DSchG-BY, die alle Bodeneingriffe auf Grundstücken, auf denen (bekanntermaßen) Bodendenkmale vorkommen, genehmigungspflichtig machen. Damit scheint es also aus Sicht der Bodendenkmalpflege egal zu sein, ob dort, wo die Nachforschung durchgeführt werden soll, auch tatsächlich irgendwelche Denkmale vorkommen. Relevant ist bei dieser Betrachtungsweise der NFG-Pflichten vielmehr nur, ob die geplante Nachforschung die Entdeckung von Denkmalen bezweckt; selbst wenn noch gar nicht absehbar ist, ob dort, wo die Nachforschung durchgeführt werden soll, überhaupt eine Chance darauf besteht, dass ein Denkmal entdeckt werden kann. 77 Ziele und Motive Man scheint daher an dieser Stelle aus Sicht der Behörde den Einzelfall nicht betrachten zu müssen: den kann man schließlich in dieser Situation gar nicht beurteilen, weil es ist ja noch gänzlich unbekannt, ob an dem geplanten Ort der Nachforschung überhaupt irgendetwas gefunden werden kann, geschweige denn ob Sachen gefunden werden (können), die Denkmale im Sinn der Legaldefinition des Gesetzes sind. Der die Nachforschungen Planende hat ja schließlich noch gar nicht gesucht, sondern muss, bevor er überhaupt zu suchen beginnt, eine Genehmigung bei der dafür zuständigen Behörde beantragen und von dieser erteilt bekommen haben, wenn er etwas finden möchte, was im Sinn der Legaldefinition des Denkmalbegriffs ein Denkmal ist. Es scheint daher möglich, ja eventuell sogar notwendig, zu sein, die Frage ob eine Nachforschung der NFG-Pflicht des jeweiligen Paragrafen unterliegt auf Basis einer Auslegung der Legaldefinition des jeweils relevanten Denkmalsbegriffs zu beantworten. Das stellt aber nun ein gewisses Problem dar, weil was tatsächlich ein Denkmal ist kann ja nur im Einzelfall entschieden werden, was wiederum die Kenntnis des konkret betroffenen Objekts voraussetzt. Die kann man aber nicht haben, bevor man die betreffende Sache gesucht und gefunden hat. Das scheint nun, wieder aus Sicht der Behörde, zu implizieren, dass nicht darauf abzustellen ist, ob die Sache (oder Sachen), die der die Nachforschungen Planende zu entdecken versucht, tatsächlich ein Denkmal im Sinne der Legaldefinition des entsprechenden Begriffs ist, sondern nur darauf abzustellen ist, ob diese Sache ein Denkmal in Sinne dieser Legaldefinition sein könnte, bzw. sogar nur – wenn man Eventualvorsatz oder gar Fahrlässigkeit ebenfalls inkludieren will oder sogar muss –, dass der Planende bei seinem geplanten Entdeckungsversuch billigend in Kauf nimmt oder sogar nur wissen hätte müssen, dass er Sachen finden könnte, die im Sinne der Legaldefinition des relevanten Begriffs im jeweiligen Gesetz Denkmale sein könnten. Damit kommt man dann nahezu zwingend bei einer extrem weiten Auslegung der Reichweite der NFGPflichten an: nachdem ja die Legaldefinitionen der relevanten Denkmalbegriffe in den hier diskutierten Gesetzen gerade so gestaltet ist, dass – wenigstens hypothetisch – jede Sache ein Denkmal sein könnte, scheint es, als ob jedwede Nachforschung zum Zweck der Entdeckung jeder beliebigen Sache eine Nachforschung wäre, die der NFG-Pflicht des NFG-Pflichtparagrafen des jeweiligen Gesetzes unterliegen würde. Es kommt unter dieser Betrachtungsweise also nicht darauf an, ob man „eine bedeutende römische Münze“ oder auch nur „römische Münzen“ oder gar nur „Münzen“ sucht: nachdem jede Münze, wenigstens theoretisch, ein seiner Bedeutung wegen schützenswertes Denkmal sein könnte, auch wenn natürlich so gut wie keine Münze tatsächlich eines ist, reicht schon die Tatsache, dass eine Nachforschungen planende Person irgendwelche Münzen finden will, dass sie dafür einer NFG bedarf. Wie weit dann der Nachforschungsbegriff ausgelegt wird, d.h. ob nur Grabungen und andere Bodeneingriffe oder auch Prospektionen mit „technischen Suchgeräten“ an Ort und Stelle oder auch die Anfertigung von Luftbildaufnahmen oder sogar die bloße Inaugenscheinnahme der Landschaft zur Entdeckung obertägig erkennbarer Hinweise auf die mögliche Präsenz von Denkmalen im Sinne der Legaldefinition des jeweils relevanten Begriffs der NFG-Pflicht unterworfen werden, hängt dann bis zu einem gewissen Grad vom Gesetzeswortlaut ab (wenn dieser, wie z.B. in § 11 Abs. 1 DMSG verlangt, dass die Nachforschung an Ort und Stelle durchgeführt werden muss, um genehmigungspflichtig zu sein), aber mehr als das von den jeweiligen subjektiven individuellen und fachlichen Vorlieben und dem sowohl subjektiv als auch teilweise objektivierbar wahrnehmbaren Gefährdungspotential, das von einer bestimmten Art von Nachforschungen für archäologische Denkmale auszugehen scheint. Die Verwendung eines Metallsuchgeräts durch Laien – seit Jahrzehnten fachlich als völlig oder wenigstens nahezu gänzlich inakzeptabel angesehen – wird daher regelhaft als Nachforschungshandlung betrachtet, die der jeweiligen gesetzlichen NFG-Pflicht unterliegt. Damit 78 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? muss man natürlich dann auch, um nicht allzu offensichtlich gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung zu verstoßen, auch die Anwendung wenigstens aller an Ort und Stelle durchzuführenden archäologischen Prospektionsmethoden der NFG-Pflicht unterwerfen. Und damit kommt man dann bei der derzeitigen Handhabungspraxis der Behörden an. Wenn also das RP Stuttgart in einer Pressemitteilung wie der vom 30.9.2016, Nr. 341/2016, behauptet, dass die unbewilligte Metallsuche in Baden-Württemberg generell eine Ordnungswidrigkeit gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 DSchG-BW darstellen würde und auch das BWLfD auf seiner Webseite (https://www.denkmalpflege-bw.de/denkmale/projekte/archaeologische-denkmalpflege/ metallsondenprospektion/ [5.10.2017]) im Wesentlichen dasselbe behauptet und Zeugen, die Metallsucher bei der Ausübung ihres Hobby antreffen, dazu auffordert, diese anzuzeigen; oder sich auch das LfDH auf seinen Webseiten (https://lfd.hessen.de/hessenarch%C3%A4ologie/gefahrf%C3%BCr-das-kulturelle-erbe-hessens [5.10.2017]) im gleichen Sinne äußert; dann glauben die behördlichen Denkmalpfleger oder ihre juristisch gebildeten Kollegen, auf deren Kappe solche Behauptungen gehen, dass sie die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen tatsächlich richtig interpretieren. Es kann sogar argumentiert werden, dass sie in gewissem Sinn mit diesen Behauptungen auch tatsächlich Recht haben; weil das Gesetz ja potentiell tatsächlich so gilt, nur eben – außer in besonderen Einzelfällen, in denen der Täter tatsächlich seine Nachforschungen mit dem Zweck angestellt hat, Denkmale im Sinne der jeweils relevanten Legaldefinition zu entdecken und auch weiß oder wissen hätte müssen, dass er solche mutmaßlich entdecken wird – keine Strafbarkeit für Verstöße gegen die NFG-Pflichtbestimmungen des Gesetzes besteht, weil der Verdächtige gar keine Schuldeinsicht entwickeln konnte. Das ist dann eben eine Folge davon, dass man Schrödingers Denkmalschutzgesetz hat, das gleichzeitig gilt und nicht gilt. Erfolge der Auslegung der Denkmalbehörden vor Gericht Tatsächlich kommen die Denkmalbehörden mit ihrer – wenigstens in Bezug auf die Strafbarkeit von ohne Genehmigung durchgeführten Nachforschungen unrichtigen und unrechten – Auslegung ihrer jeweiligen gesetzlichen NFG-Pflichten, und das sogar gar nicht allzu selten, zum „Erfolg“ – auch in höheren Instanzen –, obwohl eine Strafbarkeit in vielen dieser Fälle gar nicht bestehen kann. Das zeigt aber nicht etwa, dass ihre Auslegung doch rechtmäßig wäre, sondern nur, dass Gerichte auch sehr leicht irren können, vor allem, wenn das Gesetz, das sie anwenden sollen, letztendlich selbstwidersprüchlich ist. Der erste dieser Gründe ist der, dass Gerichte normalerweise zu viele Fälle entscheiden müssen, um wirklich in jedem einzelnen Fall das Gesetz, auf dessen Basis sie entscheiden sollen, von vorne bis hinten genau zu durchdenken. Muss es schnell gehen und interessiert sich der (oder auch die) Richter nicht wirklich für den Fall, wird, wenigstens so lange die Verteidigung kein sauberes Argument führt, weshalb der Beschuldigte überhaupt nicht strafbar gehandelt haben kann, gewöhnlich der Rechtsmeinung der zuständigen Behörde gefolgt. Denn das Gericht muss nachgerade davon ausgehen, dass die Behörde das von ihr zu vollziehenden Gesetz richtig auslegt: schließlich ist die Behörde vom Gesetzgeber damit beauftragt worden, das Gesetz zu vollziehen und hat auch eigene Juristen, die in der betreffenden Gesetzesmaterie besonders kompetent zu sein haben. Zeigt also die Gegenseite nicht in aller Eindeutigkeit, dass die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen durch die Behörde nicht Recht sein kann, neigt das Gericht, wenn es nicht selbst das Gesetz genau analysieren will, in der Regel dazu, der Rechtsmeinung der Behörde zu folgen. Mehr noch, Gerichte nehmen regelhaft an, dass Behörden objektiv und distanziert an die Materie herangehen, mit der sie sich befassen, also in der Sache desinteressiert und unparteiisch sind, und müssen das auch, weil das Behörden sein müssen: es ist schließlich nicht Aufgabe der Behörde, 79 Ziele und Motive jemanden, der unschuldig ist, zu Abschreckungszwecken für etwas zu bestrafen, das gar nicht verboten ist; das zu tun ist Behörden auch strengstens verboten. Was den Beschuldigten und gegebenenfalls auch dessen Anwalt betrifft, geht das Gericht hingegen vom genauen Gegenteil aus, und muss das auch: der Beschuldigte will schließlich nicht bestraft werden, auch wenn er schuldig ist, und sein Anwalt hat die Aufgabe, ihn vor Strafe zu bewahren, selbst wenn er schuldig ist. Auch das führt Gerichte dazu, im Zweifelsfall eher der Behörde als dem Beschuldigten bzw. dessen Anwalt glauben. Der zweite Grund ist, dass das Gericht praktisch immer nur den Einzelfall betrachtet: grundlegende Rechtsfragen zu beantworten ist, wenn überhaupt, nur Aufgabe der Gerichte im Rahmen ihrer Normenkontrollkompetenz; und diese nehmen sie gewöhnlich nur dann wahr, wenn sie von irgendjemandem, der das Recht dazu hat, dazu aufgefordert wurden. Ob das Gesetz überhaupt in der gelebten Praxis und nicht nur der juristischen Theorie funktioniert oder überhaupt funktionieren kann, beschäftigt die Gerichte daher normalerweise nicht, sondern sie gehen, wenn es keine unmittelbar offensichtlichen Widersprüche zwischen juristischer Theorie und der Wirklichkeit gibt, davon aus, dass das Gesetz auch tatsächlich so anwendbar ist, wie es am Papier steht. Bei der Einzelfallbetrachtung gibt es nun aber jedenfalls immer wieder einmal auch Fälle, in denen der Täter tatsächlich den hier relevanten strafbaren Tatbestand erfüllt hat: die Suche nach Bodenfunden unter der Erdoberfläche auf besonders geschützten Bodenflächen (wie z.B. in Grabungsschutzgebieten oder in zugänglichen Denkmalverzeichnissen eingetragenen Fundstellen) ist ja tatsächlich nur mit NFG erlaubt, weil der Nachforschende dabei jedenfalls damit rechnen muss, Teile der denkmalgeschützten Sache zu entdecken (siehe dazu für Österreich auch schon Seiten 1819). Wer tatsächlich gegen das Verbot, ohne Genehmigung des zuständigen Denkmalamtes auf geschützten Bodenflächen nach noch im Boden verborgenen Bodenfunden zu suchen, verstoßen hat, wird natürlich auch vor Gericht in der Regel seiner verdienten Strafe nicht entgehen. Wer auf einer denkmalgeschützten römischen Villa mit dem Metallsuchgerät nach römischen Münzen sucht, ist selbst schuld, wenn er tatsächlich eine empfindliche Strafe aufgebrummt bekommt; auch wenn er es nicht einsehen will und daher den Instanzenzug durchläuft. Die Tatsache, dass in solchen Fällen Strafen auch durch den Instanzenzug halten, liegt aber nicht daran, dass die Auslegung der NFGPflichtbestimmungen durch die Denkmalämter generell richtig ist, sondern nur daran, dass NFGPflichten für invasive (und potentiell sogar nicht invasive) Nachforschungen auf geschützten Bodenflächen tatsächlich gelten, auch wenn die Denkmalbehörden das als Erfolg ihrer Auslegung betrachten würden. Es gibt allerdings bei der Einzelfallbetrachtung immer wieder einmal auch Fälle, in denen tatsächlich die Auslegung der Denkmalbehörde obsiegt, obwohl bei genauerer Analyse eigentlich Strafbarkeit gar nicht gegeben gewesen sein sollte. Häufig sind das solche Fälle, bei denen z.B. ein Tatverdächtiger, der nachweislich zumeist gezielt nach „archäologischen“ Bodenfunden sucht, bei Nachforschungen auf nicht denkmalgeschützten Bodenflächen mit bodenfrischen Funden angetroffen wurde, die bei allgemeiner Betrachtung unter den Denkmalbegriff des jeweiligen Gesetzes zu fallen scheinen, wie beispielsweise römische Münzen. Nachdem es in solchen Fällen unmittelbar einsichtig erscheint, dass das Gesetz die gezielte Suche nach allgemein als bedeutend angesehenen Sachen wie römischen Münzen verbieten würde, irrt sich in solchen Fällen auch gerne einmal das Gericht; vor allem wenn der Beschuldigte selbst bzw. sein Anwalt nicht deutlich vermitteln, dass der Beschuldigte ex ante gar nicht wissen konnte, dass er bei einer Suche nach beliebigen Bodenfunden abseits von Flächen, auf denen bekanntermaßen Denkmale vorkommen, Funde machen würde, die eventuell von solcher Bedeutung sind, dass er bei seiner Suche nach anderen Sachen ihre Entdeckung nicht in Kauf nehmen hätte dürfen. Hier lässt sich dann auch das Gericht gern und leicht durch im Brustton der Überzeugung 80 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? vorgebrachte Argumente der Denkmalbehörde täuschen, dass jeder wisse, dass römische Münzen wichtige Denkmale sein könnten und daher nicht ohne Genehmigung der Behörde gesucht werden dürften, und vergisst darob, dass der Beschuldigte gar nicht nach römischen Münzen gesucht hat, oder glaubt seinem Vorbringen, dass er das gar nicht getan habe, wenigstens nicht. Die Rechtsansicht der Denkmalbehörden obsiegt in solchen Fällen also, was sie zu bestätigen scheint. Oft liegen solche Erfolge der Auslegung der Denkmalbehörden im Instanzenzug auch keineswegs daran, dass ihre Auslegung tatsächlich rechtmäßig ist, sondern weit mehr daran, dass aufgrund der Verfahrensregeln durch die Gerichte nur noch auf Basis des Parteienvorbringens strittige Fragen zu klären sind, während alles (scheinbar) Unstrittige nicht weiter beachtet werden muss. Geht es also um eine Ordnungswidrigkeitsstrafe für die Entdeckung einer römischen Münze bei ungenehmigten Nachforschungen abseits denkmalgeschützter Flächen und der Beschuldigte bestreitet im Verfahren nicht die von der Denkmalbehörde vorgebrachte Behauptung, dass sowohl römischen Münzen generell Denkmale sind als auch die von ihm entdeckte, konkrete Münze ein solches ist, dann geht das Gericht davon aus, dass sich Denkmalbehörde und Beschuldigter darüber einig sind, dass sie tatsächlich ein Denkmal ist. Bestreitet der Beschuldigte auch nicht, dass er, wie ihm die Denkmalbehörde wenigstens unterstellt, bereits ex ante gewusst hat, dass er wahrscheinlich bei seiner Nachforschung Denkmale im Sinne der relevanten Legaldefinition entdecken wird, betrachtet das Gericht auch diesen Punkt als unstrittig und beschäftigt sich nicht weiter damit. Kennt sich also der Beschuldigte nicht gut aus, bzw., wenn er sich nicht selbst vertritt, passt sein Anwalt nicht (allzu) genau auf, kann es leicht passieren, dass der Fall rein auf Basis von faktisch falschen, aber im Verfahren unbestritten gebliebenen, Behauptungen der Behörde entschieden wird. Gute Beispiele dafür finden sich im schon mehrfach zitierten, aber hier noch nicht detaillierter besprochenen, Erkenntnis des VwGH vom 24.6.1985, 84/12/0213. Dieses Erkenntnis beruhte auf einem Fall, in dem ein Metallsucher von einem Polizisten in flagranti mit 8 bodenfrischen römischen Münzen erwischt und von erster und zweiter Instanz bestraft worden war. Deswegen hatte er den VwGH angerufen, der die über ihn verhängte Verwaltungsstrafe letztendlich deshalb aufhob, weil der Beschuldigte konsistent durch den gesamten Instanzenzug behauptet hatte, nicht nach diesen Münzen gegraben zu haben, ohne dass die Gegenseite das jemals ernsthaft bestritten hatte. Damit musste der VwGH diese Behauptung als unstrittige Tatsache betrachten und die Strafe aufheben, weil das österreichische Recht, wie schon erwähnt, das Aufsammeln von Oberflächenfunden der NFGPflicht des § 11 Abs. 1 DMSG nicht unterwirft (siehe Seiten 8-10) und nulla poena sine lege gilt. Der Fall ging also für den Denkmalschutz deshalb verloren, weil die Juristen in den Behörden verschlafen hatten, dass sie dem Metallsucher die Grabung und nicht nur das Suchen nachweisen mussten, um ihn bestrafen zu können. Umgekehrt hatte aber der Metallsucher bzw. sein Anwalt in diesem Fall zahlreiche Behauptungen der Behörde unbestritten gelassen, die daher in die höchstgerichtliche Judikatur eingeflossen sind und daher bis heute auch die Interpretation des DMSG stark beeinflussen, obwohl sie den Tatsachen nicht oder höchstens sehr bedingt entsprechen (siehe dazu schon Karl 2016a, 8-10). So z.B. scheint in diesem Erkenntnis der VwGH – der vom Beschuldigten unbestrittenen Argumentation der Behörden folgend – festgestellt zu haben, dass die 8 aufgefundenen römischen Münzen jedenfalls Kulturgüter seien, „die den Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes unterlägen, ungeachtet ihres materiellen Wertes, ihres Erhaltungszustandes und der Häufigkeit ihres Vorkommens.“ (VwGH 24.6.1985, 84/12/0213, 3); eine Feststellung, die seither auch folgende Judikatur beeinflusst hat, obwohl sich der VwGH in diesem Fall eigentlich überhaupt nicht zu dieser Frage geäußert, sondern nur die Entscheidungsbegründungen der vorhergehenden Instanzen referiert hat. Das BDA hatte und hat allerdings keine der in diesem Fall zentralen 8 Münzen gem. § 3 Abs. 1 DMSG unter Denkmalschutz 81 Ziele und Motive gestellt, woraus zwingend folgt, dass die Bestimmungen des DMSG gerade nicht auf sie anwendbar sind. Das hat aber das Gericht im Verfahren nicht beachtet, weil der Beschuldigte nicht bestritten hatte, dass die 8 Münzen, die er gefunden hatte, überhaupt den Bestimmungen des DMSG unterlagen. Ebenso wurde durch den Beschuldigten in diesem Verfahren die Behauptung der Behörden nicht bestritten, dass bereits das auch nur ganz geringfügige Eindringen in den Erdboden, und sei es nur mit den Händen, eine „Ausgrabung“ im Sinne des Gesetzes darstelle, weil „… die Verwendung von „Grabinstrumenten (Bagger, Schaufel, etc.)“ erscheine bei vermuteten Kleingegenständen für einen Facharchäologen geradezu atypisch, weil diesfalls die Gefahr einer Zerstörung des Gegenstandes gegeben wäre.“ (VwGH 24.6.1985, 84/12/0213, 4). Daher gilt seither in Österreich auch das mit der bloßen Hand gegrabene Loch als „Forschungsgrabung“ (Bazil et al. 2015, 64), obwohl das weder der fachlichen Definition dieses Begriffs entspricht, noch die Vorstellung des VwGH, wie eine archäologische Ausgrabung abläuft, der tatsächlichen Realität archäologischer Ausgrabungen entspricht (auf denen Bagger und Schaufel selbstverständlich zumeist auch dann zum Einsatz kommen, wenn Kleingegenstände im Boden vermutet werden), noch der Eingriff in den modern gewachsenen Humus einen Eingriff in die Substanz eines archäologischen Denkmals darstellen kann, weil der Humus weder eine von Menschen geschaffene Bodenformation noch deren denkmalschutzfähige Überreste sein kann (vgl. VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4 RN 21). Verabsäumt ein Beschuldigter oder dessen Anwalt es also, im den Einzelfall betreffenden Verfahren vor Gericht alle relevanten Tatsachenbehauptungen der Gegenseite zu bestreiten und auch tatsächlich gute Gründe dafür vorzubringen, weshalb die Rechtsansicht der Behörde falsch ist, kann es sehr leicht dazu kommen, dass die Behörde selbst dann das Gerichtsverfahren gewinnt, wenn sie eigentlich in der Sache falsch liegt und eine unrichtige Rechtsansicht vertritt. Alles, was dafür nötig ist, ist ein Beschuldigter bzw. ein Anwalt eines solchen, die ihre Interessen schlecht verteidigen, und schon gewinnt die Denkmalbehörde selbst dann den einen oder anderen Fall, wenn sie eigentlich gar nicht gewinnen hätte dürfen. Dass das die Denkmalbehörde – nicht so wie ich hier – dann als Bestätigung ihrer Rechtsansicht sieht, verwundert nicht, denn sie glaubt ja, dass sie recht hat; ja muss das sogar glauben, weil sie sonst gar nicht so handeln dürfte, wie sie es tut. Endergebnis ist also ein Gesetz, das keiner wirklich versteht, auch keiner wirklich korrekt anwenden kann und über dessen richtige Anwendung selbst die Gerichte in einer nicht unbedeutenden Zahl von Fällen irren. Das führt letztendlich dazu, dass nicht wenige Täter, die eigentlich tatsächlich bestraft werden sollten, ungeschoren davonkommen; während gleichzeitig Unschuldige, die gar nichts Verbotenes getan haben, bestraft werden, weil sie sich nicht den teuren Anwalt geleistet haben, der sie freibekommen hätte, sondern sich selbst zu verteidigen versucht haben, ohne zu verstehen, wie das geht und welchen falschen Behauptungen der Denkmalbehörden sie im Gerichtsverfahren besonders stark widersprechen müssen. Denkmalpflegerische Willkürherrschaft Im Endeffekt sind es nicht die Ziele und Motive der Nachforschenden, um die es bei gesetzlichen NFGPflichten geht und die an all dem Kuddelmuddel, das in diesem Rechtsbereich nicht nur in Österreich, sondern eben auch z.B. in Hessen und Baden-Württemberg besteht, schuld sind; sondern die Ziele und Wünsche der Denkmalpfleger. Letztendlich wollen diese nämlich – selbst wenn sie sich dessen nicht bewusst sind – nichts weniger als eine totale rechtliche Willkürherrschaft der Denkmalpfleger über das, was sie ebenso willkürlich als „ihre Sachen“, d.h. als Denkmale, betrachten. Sie wollen nicht, dass Eigentümer oder sonstige Verfügungsberechtigte mit Sachen, die den Denkmalpflegern bzw. Wissenschaftern aus ihrem Fachgebiet („für die [mögliche zukünftige Belehrung der] Allgemeinheit“) wichtig sind, einfach tun und lassen können, was diese Verfügungsberechtigten damit tun wollen; 82 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? sondern wollen, dass die Eigentümer bzw. sonstigen Verfügungsberechtigten dafür zahlen und darauf aufpassen müssen, dass diese Sachen für die Erforschung durch die Denkmalpfleger bzw. wenigstens Wissenschafter aus ihrem jeweiligen Fachbereich erhalten bleiben. Dies gilt nicht etwa nur für eine nach wissenschaftlichen Kriterien vorgenommene Auswahl der Denkmale (i.e. Sachen), die aus heutiger Sicht besonders bedeutend erscheinen, sondern für absolut alle Sachen. Sie wollen daher, dass niemand irgendwo ohne ihre Genehmigung Nachforschungen anstellen darf, weil man ja bei jeder geplanten Nachforschung nach Sachen, von denen man noch gar nicht weiß, ob es sie gibt, immer auch solche Sachen finden kann, die den Denkmalpflegern wichtig sind (ob diese jetzt die vom Nachforschenden gesuchten oder ganz andere Sachen sind). Sie wollen daher auch, dass Eigentümer und sonstige Verfügungsberechtigte ohne ihre Genehmigung keinerlei Handlungen bezüglich jedweder beliebigen Sache setzen dürfen sollen, die den Denkmalpflegern wichtig sein könnte, egal ob die Denkmalpfleger schon von der Existenz dieser Sache wissen oder nicht. Sie wollen, ganz vereinfacht gesagt, die sein, die über das Schicksal aller Sachen, an denen sie interessiert sein könnten, entscheiden dürfen, und sich auch jederzeit, auch rückwirkend, willkürlich anders entscheiden dürfen, als sie es zuvor getan haben, weil sich ihre Wünsche und ihr Wille geändert haben. Die, die die Rechnung dafür zahlen sollen – d.h. die rechtmäßigen Eigentümer der Sachen, um die es geht – sollen gefälligst von selbst auf magischem Weg richtig erkennen, welche das sind, die irgendeiner von uns irgendwann einmal wollen könnte, damit sie die für uns auch brav erhalten. Das ist einfach eine Besonderheit des Denkmalschutzes, dass das so sein muss, und das ist auch kein unverhältnismäßiger Eingriff in irgendwelche staatsbürgerlichen Grundrechte, weil der Bürger ja eh mit allem, was keine Denkmale sind, tun und lassen darf, was er will. Das geht aber auf rechtlichem Weg nicht, weil man dafür eben Staatbürger brauchen würde, die magische Fähigkeiten haben, die es nicht gibt; oder man einfach das Eigentumsrecht aufheben müsste und die Denkmalpfleger zu den Alleineigentümern aller Sachen machen müsste; bzw. zumindest die Denkmalpfleger zu den Verwaltern aller Sachen machen müsste, die dafür alle im Allgemeineigentum stehen müssen; weil mit dem Konzept des Privateigentums ist das nicht vereinbar. Nachdem das aber auf rechtlichem Weg nicht geht, werfen wir rechtliche Nebelkerzen. Wir tun das mit dem ZIel, dass der Bürger möglichst nicht erkennen kann, was jetzt eigentlich Sachen sind, auf die er die Bestimmungen des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes anzuwenden hat, in der verfehlten Hoffnung, dass er, weil er sich immer im Zweifel befinden muss, um Rechtssicherheit zu erhalten bei jeder Sache und Handlung die Rechtsvorschriften des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes so lange einhalten muss, bis wir ihm im konkreten Einzelfall erlaubt haben, dass er das nicht muss. Wir hoffen darauf, dass er, wenn er nicht riskieren will, von uns willkürlich bestraft zu werden, weil er etwas getan hat, von dem sich erst im Nachhinein herausstellen kann, dass er es nicht tun hätte dürfen, wenn er schon vorher gewusst hätte, dass er es nicht tun darf, rein sicherheitshalber von Anfang an gar nichts tut. Das geht zwar rechtlich auch nicht, aber man kann wenigstens so lange damit davonkommen, so lange man die Gerichte halbwegs erfolgreich durch so verwirrende Rechtsinstrumente so sehr täuschen kann, dass ihnen nicht auffällt, dass das alles eigentlich höchstgradig rechtswidrig ist. Darum haben wir so unbestimmte Rechtsbegriffe in die Gesetze schreiben lassen und drehen und wenden das Gesetz in jedem Einzelfall so, wie wir es gerade dafür brauchen, dass wir das Ergebnis erzielen können, das wir erzielen wollen: man kann sich hier als Denkmalpfleger schließlich wunderbar hinter dem Gesetz verstecken. Das österreichische BDA hat genau das seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, getan: jedesmal, wenn ein Bürger versucht, vom Amt zu erfahren, welche Sachen er jetzt wo suchen darf, verweist das Amt darauf, dass es das nicht genauer spezifizieren kann und sich der Bürger ohnehin dadurch Rechtssicherheit verschaffen kann, dass er – im Zweifel – einfach 83 Ziele und Motive sicherheitshalber davon ausgeht, dass er sich an die gesetzlichen Bestimmungen halten muss. Als Beispiel dafür sei hier die Antwort des BDA vom 13.3.2012 auf eine Anfrage um Rechtsauskunft durch einen interessierten Bürger zitiert: „Ziel des Denkmalschutzes ist, alle von Menschen geschaffenen beweglichen und unbeweglichen Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer und kultureller Bedeutung für die Zukunft zu erhalten. … Der im Denkmalschutzgesetz normierte Denkmalbegriff setzt allerdings kein bestimmtes Alter des Gegenstandes voraus, sodass eine Spezifizierung von Fund- und Befundarten, welche eine Einschränkung des gesetzlichen Denkmalbegriffes bedeuten würde, vom Bundesdenkmalamt nicht vorgenommen werden kann. Eine Rechtssicherheit für BürgerInnen ist bei einer – an sich einfachen – Anzeige ohnedies gegeben“ (BDA 13.3.2012, GZ 841/12/2012). Dem armen Amt wurde ja vom Gesetzgeber gar nicht die Kompetenz dafür gegeben, den relevanten Rechtsbegriff genauer zu bestimmen, weil damit würde man ja eine gesetzliche Bestimmung in pflichtwidriger Weise enger fassen, als vom Gesetzgeber vorgesehen. Der Bürger, der sich an die Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG halten will, braucht einfach nur alles, das er findet, dem BDA anzuzeigen; auch wenn sich dann im Endeffekt herausstellt, dass das, was er gefunden hat, gar kein anzeigepflichtiger Fund war. Wobei das BDA natürlich dann bei Informationsveranstaltungen für interessierte Laien sagt, dass sie natürlich keinesfalls alles, was sie finden, der Behörde melden sollen, sondern einfach auf Basis ihres gesunden Menschenverstandes entscheiden sollen, was anzeigepflichtig ist und was nicht; also so tut, als ob der Bürger ohnehin Rechtssicherheit dadurch erreichen könnte, dass er einfach alles anzeigt, was er findet, aber gleichzeitig bitte nicht alles anzeigen soll, was er findet, weil sonst viel zu viele vollkommen unnötige Meldungen beim BDA eingehen, die niemand bearbeiten will. Er soll also auch hier Schrödingers Bürger sein, der gleichzeitig weiß aber nicht wissen kann, was jetzt das BDA von ihm vorgelegt haben will. Und wenn er daraufhin falsch entscheidet, dann versucht es, ihn dafür zu bestrafen, dass er falsch entschieden hat. Und dann wundern wir uns, wenn sich niemand darum kümmert, was wir sagen, weil man sich ohnehin nicht so verhalten kann, dass man nicht doch bestraft werden kann. If you’re damned if you do, damned if you don’t, you may as well do as you please, because it doesn’t matter anyway. 84 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat Der Gesetzgeber wollte das alles natürlich nicht, weil er das so gar nicht wollen darf. Am allerwenigsten wollte er ein Gesetz, das nur anwendbar ist, wenn man es so verbiegt und wendet, dass es auf Situationen passt, für die es eigentlich überhaupt nicht vorgesehen war; und für dessen Übertretung man Bürger auch dann bestrafen kann, wenn sie es gar nicht übertreten konnten, weil sich selbst die Richter nicht auskennen, wo das Gesetz nun überhaupt anwendbar ist. Denn ein solches Gesetz bewirkt nicht, dass wirklich wichtige Denkmale geschützt werden, sondern nur, dass die Behördenwillkür zum rechtlichen Regelungsprinzip erhoben wird und jedwede Rechtssicherheit verloren geht. Vielmehr wollte er, wie das der österreichische Gesetzgeber auch ganz explizit in seiner RV zur DMSGNovelle von 1999 festgestellt hat, dass die Denkmalpfleger die schwierige Aufgabe übernehmen, zu entscheiden, was aus wissenschaftlichen Gründen so bedeutend ist, dass es im öffentlichen Interesse zu erhalten aber auch aus administrativer Sicht bewältigbar ist (RV 1999, 39); natürlich nicht nur in Bezug auf Unterschutzstellungen, sondern in Bezug auf alle denkmalschutzrechtlichen Eingriffe in verfassungsgesetzlich garantierte Bürgerrechte – ob das nun die Eigentumsgarantie, die Wissenschaftsfreiheit, oder ein beliebiges anderes Grundrecht ist –; und natürlich auch nicht nur in Österreich, sondern auch den verschiedenen deutschen Ländern. Dabei hat er natürlich durchaus erkannt – und sei es nur, weil unsere disziplinären Ahnen ihn ausreichend darüber informiert haben – dass das, gerade in der archäologischen Denkmalpflege, bis zu einem gewissen Grad problematisch ist: schließlich sind die meisten archäologischen Funde und Befunde noch im Boden verborgen und daher nicht nur den Denkmalbehörden, sondern jedermann, noch gänzlich unbekannt; auch wenn sie tatsächlich so bedeutend sein sollten, dass ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen wäre, wenn man sie denn nur schon kennen würde. Aber das sich daraus ergebende denkmalpflegerische Problem – dass es Sachen gibt, die man gern vor Zerstörung geschützt hätte, wenn man sie gekannt hätte, bevor sie zerstört wurden – ist weder auf rechtlichem Weg noch praktisch lösbar, weil man etwas, von dessen Existenz man noch nichts weiß, nun einmal auch nicht schützen kann. Das geht nicht einmal, wenn man allen Menschen gleichzeitig jede Handlung sowie deren Unterlassung verbietet, die sich zurückblickend betrachtet als falsch erwiesen hat; weil man die Vergangenheit auch dadurch nicht ändern und vorab nicht wissen kann, was sich nachher als falsche Handlung erweist, wenn die Handlung eine noch völlig unbekannte Sache betrifft, die überall vorhanden sein könnte aber es fast überall nicht ist. Daher hat der jeweilige Gesetzgeber, als er in seinem Wirkungsbereich ein Denkmalschutzgesetz erstmals erlassen hat – d.h. in unserem Raum in der Regel im frühen 20. Jahrhundert – dieses Problem auch nicht zu lösen versucht, sondern einen anderen Weg gewählt. Die Beurteilung des archäologischen Denkmalwerts um 1925 Die Archäologie als Fach sah im frühen 20. Jahrhundert ihre Materie noch deutlich anders als heute, auch und insbesondere im Bereich der Bewertung archäologischer Funde und Befunde. Auch und gerade graduierte Archäologen unterschieden damals noch sehr deutlich zwischen 1) archäologischen Sachen und 2) anderen Sachen und bewerteten unterschiedliche archäologische Sachen auch relativ zueinander stark unterschiedlich. Dabei wurden als für unsere Wissenschaft relevante archäologische Sachen in der Regel nur solche verstanden, die tatsächlich von erheblichem Alter waren. Neuzeitliche, mittelalterliche, ja teilweise sogar auch noch frühmittelalterliche, Sachen wurden nicht als Archäologie, sondern entweder als „Volkskunde“ oder sogar als unwichtiger alter Mist betrachtet. Die Begriffsdefinitionen in deutschen Denkmalschutzgesetzen bestimmten daher und bestimmen sogar teilweise bis heute den Begriff 85 Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat „Bodendenkmal“ als solche Gegenstände, die aus Zeiten stammen, „für die Ausgrabungen und Funde eine der Hauptquellen wissenschaftlicher Erkenntnis sind“ (§ 4 Abs. 5 DSchG-HH), wenn sie sich nicht sogar noch expliziter auf urgeschichtliche Zeiten beschränkten. Materielle Hinterlassenschaften aus Zeiten, die bereits durch ausgiebige historische Quellen beleuchtet wurden, wurden als archäologisch weitgehend bis völlig uninteressant betrachtet: schließlich wurde die Archäologie im Geiste der Zeit Großteils noch als historische Hilfswissenschaft verstanden, die man dazu benutzen konnte, Zeiten historisch zu erforschen, über die nicht ausreichend historische Informationen vorlagen; oder eventuell auch minder bedeutende Aspekte des Lebens in einer geschichtlichen Epoche, die in den historischen Quellen aus dieser nicht Zeit nicht ausreichend beleuchtet wurden (wie z.B. die Lebensumstände von Leibeigenen im Mittelalter) näher zu beleuchten, wobei Letztere generell als wenig wertvoll betrachtet wurden, weil sie ja wenig Einfluss auf die wirklich bedeutenden historischen Persönlichkeiten und politischen Ereignisse hatten, die als wirklich wichtige Teile der Geschichte betrachtet wurden. Auf die Idee, eine Industrieanlage als Denkmal zu betrachten, geschweige denn deren Reste als „Bodendenkmal“, wäre damals kein professioneller Archäologe und schon gar nicht der Durchschnittsbürger verfallen. Auch galten keineswegs alle „Bodendenkmale“ als erhaltenswürdig und gleichwertig. Gerade zu Beginn des 20. Jh. waren es z.B. in Österreich noch sehr stark gut erhaltene, auch künstlerisch wertvolle, für die museale Präsentation geeignete bewegliche Kleinfunde, die als archäologisch wirklich bedeutend eingestuft wurden; ganz in der Tradition von Riegl (1901) und Hoernes (1898). Nicht besonders präsentable Kleinfunde und noch mehr stark fragmentierte oder beschädigte Sachen betrachtete man hingegen als wissenschaftlich weitgehend wertlos; bis hin zu dem Punkt, dass selbst in den 1930ern noch von Museen wie dem NHM in Wien von (mehr oder minder) in ihrem Auftrag durchgeführten Grabungen nur die schönen und chronologisch sensitiven Metallfunde angekauft wurden, während man den Ausgräber als Nebenverdienst weniger bedeutende Funde, darunter auch gut erhaltene Tongefäße, am Kunstmarkt verkaufen ließ (siehe z.B. Nebehay 1993, 28-30). Den unbeweglichen „Befunden“ wurde hingegen in der Regel noch praktisch überhaupt kein Wert als erhaltungswürdiges Bodendenkmal beigemessen; einzig bauliche Strukturen wie noch obertägig erkennbare Ruinen, Wallanlagen und Grabhügel betrachtete man als potentiell erhaltenswert, am ehesten entsprechend der Erhaltung von Baudenkmalen, als welche solche Bauwerke auch tatsächlich wenigstens teilweise verstanden wurden. Die in der Fachwelt vorherrschende Wertschätzung archäologischer Sachen entsprach somit, wenigstens grosso modo, der Wertschätzung, die man auch Bau- und Kunstdenkmalen anderer Art entgegenbrachte: allgemein wurden archäologische Sachen als wertvoll betrachtet, die man auch der Öffentlichkeit so präsentieren konnte, dass sich die „Besonderheit“ der präsentierten Sachen auch dem über keinen besonderen Sachverstand verfügenden Betrachter mehr oder minder unmittelbar erschloss, wenigstens wenn man die kurze und prägnante Erklärung hinzufügte, dass die betreffende Sache sehr alt, für ihre Epoche charakteristisch und sowohl außergewöhnlich selten als auch besonders gut erhalten sei. Diese Art der Bewertung entsprach auch weitgehend der subjektiven und objektiven Bewertung von Denkmalen durch die meisten Bürger und entspricht dieser bis heute (siehe dazu Karl et al. 2014, 8-13): spätestens nach einer kurzen Erklärung, dass eine Sache über ca. 500-1000 Jahre alt ist, sind etwa die Hälfte aller Bürger der Ansicht, dass es sich bei dieser um ein (vermutlich schützenswertes) Denkmal handelt, vor allem, wenn es eine einigermaßen eindrucksvolle oder ansprechende Erscheinung hat und allgemein nachvollziehbarerweise wichtig für die Erforschung der Vergangenheit sein dürfte. Fachliche und öffentliche Denkmalwertbestimmung deckten sich also einigermaßen; auch wenn die fachliche Denkmalwertbestimmung selbstverständlich bereits weit nuancierter war als die öffentliche. 86 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Die Struktur der Denkmalschutzgesetze Nachdem noch gänzlich unbekannte Sachen nicht effektiv geschützt werden können, ohne das moderne Leben vollständig zum Erliegen zu bringen, gaben daher die frühen Denkmalschutzgesetzgeber im deutschen Sprachraum, Empfehlungen aus der damaligen Fachwelt folgend, ihren Denkmalschutzgesetzen alle eine im Wesentlichen gleiche Struktur. In den notwendigen, einleitenden allgemeinen Bestimmungen beschränkten sie zuerst den Anwendungsbereich des jeweiligen Gesetzes auf Sachen, die – primär von der die Materie nuancierter betrachtenden Fachwelt, aber zur Zeit ihrer ersten Erlassung auch vom Durchschnittsbürger – in der Regel als so bedeutend betrachtet wurden, dass ihre Erhaltung aufgrund dieser Bedeutungszuweisung durch die wissenschaftliche Fachwelt tatsächlich im öffentlichen Interesse zu liegen schien. Dann setzten sie fest, wie und durch wen wann festzustellen ist, was ein Denkmal im Sinne des Gesetzes ist, das daher seinen Schutzbestimmungen unterliegt; und in der Regel in ihren Erstfassungen auch, dass Sachen, die als Denkmale im Sinne des jeweiligen Gesetzes identifiziert wurden, gemäß dem konstitutiven Prinzip (DGUF 2013, 2) in einem Denkmalverzeichnis (und gegebenenfalls auch in anderen öffentlichen Verzeichnissen wie dem Grundbuch) zu verzeichnen sind; zumeist wird entweder explizit bestimmt oder wenigstens stillschweigend vorausgesetzt, dass dieses Verzeichnis auch öffentlich einsehbar ist. In den darauffolgenden eigentlichen Schutzbestimmungen befassten sie sich dann zuerst mit Schutzvorschriften, die für alle Denkmale gleichermaßen gelten, d.h. insbesondere dem Verbot der ungenehmigten Veränderung und Zerstörung von Denkmalen. Diese allgemeinen Schutzvorschriften setzen selbstverständlich jedenfalls voraus, dass die Sache, um die es geht, schon bekannt und korrekt als Denkmal im Sinne der Anwendungsbereichsbestimmungen des jeweiligen Gesetzes identifiziert worden ist. Diesen allgemeinen Schutzvorschriften folgten dann spezielle Schutzvorschriften für zuvor noch unbekannte Sachen, die man – ob nun zufällig oder absichtlich – entdecken kann und die Denkmale im Sinne der Legaldefinition des jeweiligen Gesetzes sind oder wenigstens sein könnten. Damit sind natürlich regelhaft ausschließlich oder wenigstens vorwiegend „archäologische“ Funde (und Befunde) gemeint, weil diese eben jene Kategorie von Sachen sind, die sich insbesondere dadurch von anderen Sachen abgrenzen lässt, dass die meisten der ihr angehörenden Objekte noch im Erdboden verborgen und damit unbekannt sind. Auch diese „speziell archäologischen“ Schutzvorschriften sind dabei nach dem allgemeinen Muster des jeweiligen Gesetzes organisiert, wobei von allgemeineren zu spezielleren Schutzvorschriften vorgegangen wird (dazu noch gleich mehr). Ganz deutlich ist dabei gerade den frühen Fassungen der Denkmalschutzgesetze anzumerken, dass es ihnen jeweils primär um den wissenschaftlichen Quellenschutz und höchstens sekundär um den Schutz anderer, wie z.B. identitätsstiftender und touristischer, Funktionen der Denkmale geht: es geht primär darum, Sachen zu erhalten, aus denen die „historischen“ Wissenschaften Erkenntnisse über die Vergangenheit gewinnen können; wobei selbst die Vermittlung dieses Wissens an die Öffentlichkeit bereits als weitgehend belanglos betrachtet wird. Dem folgten dann entweder noch andere spezielle Schutzvorschriften für Materien, die sich von anderen Aspekten des Denkmalschutzes maßgeblich unterscheiden (wie z.B. im österreichischen DMSG solche zu Archivalien) oder es wurde gleich zu den Strafbestimmungen für Verletzungen der Schutzvorschriften und abschließenden Durchführungsbestimmungen übergegangen, mit denen das Gesetz in der Regel abschließt. 87 Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat Dieser grundlegenden Struktur folgen die meisten deutschsprachigen Denkmalschutzgesetze bis heute, wie man auch an den in dieser Arbeit genauer besprochenen Gesetzen, also dem österreichischen DMSG, dem DSchG-BW und dem HDSchG deutlich erkennen kann. Die „archäologischen“ Schutzbestimmungen Wie bereits angedeutet, folgen auch die speziell „archäologischen“ Schutzbestimmungen dem allgemeinen Muster des jeweiligen Gesetzes, vom Allgemeineren zum Spezielleren voranschreitend. Daher beginnen sowohl das österreichische DMSG mit den heute als §§ 8 und 9 DMSG als auch das DSchG-BW mit den heute als § 20 und das HDSchG mit den heute als § 21 nummerierten allgemeinen Vorschriften, die bei der („zufälligen“) Entdeckung von zuvor noch unbekannten Fundgegenständen zu beachten sind. Diese sehen zuerst einmal regelhaft eine Fundmeldepflicht vor (§ 8 DMSG; § 20 Abs. 1 DSchG-BW; § 21 Abs. 1 HDSchG); wobei Funde von Gegenständen, die der Legaldefinition des relevanten Begriffs im jeweiligen Denkmalschutzgesetz entsprechen oder wenigstens entsprechen könnten, normalerweise unmittelbar (z.B. binnen eines Werktages) vorzugsweise direkt der örtlich zuständigen Denkmalbehörde, potentiell aber auch anderen zulässigen Meldestellen, anzuzeigen sind. Dieser Meldepflichtbestimmung folgend schreiben diese Schutzbestimmungen für Zufallsfunde aber dann auch regelhaft vor, dass die Fundstelle für einige Tage ab Abgabe der Fundmeldung unverändert zu belassen und nötigenfalls auch zu sichern ist, um der örtlich zuständigen Denkmalbehörde Gelegenheit zur Feststellung der Fundumstände und erforderlichenfalls genaueren archäologischen Untersuchung der Fundstelle zu geben (§ 9 Abs. 1 DMSG; § 20 Abs. 1 DSchG-BW; § 21 Abs. 3 HDSchG). Dem schließlich folgen Bestimmungen, die es dem jeweils örtlich zuständigen Denkmalamt gestatten, die Fundstelle zu untersuchen, Funde zu bergen und letztere auch zeitlich befristet zur wissenschaftlichen Bearbeitung einzuziehen, selbst wenn die entdeckten Funde aufgrund denkmalschutz- oder anderer gesetzlicher Gründe Privatpersonen als Eigentum erwachsen (§ 9 Abs. 4 DMSG; § 20 Abs. 2 DSchG-BW; § 21 Abs. 4 HDSchG). In heutigen Gesetzen, die wie das österreichische DMSG wenigstens grundsätzlich noch nach dem konstitutiven Prinzip funktionieren sollen, finden sich zusätzlich noch Bestimmungen, die solche Neufunde von „Bodendenkmalen“ kraft Gesetzes zeitweilig unter Denkmalschutz stellen, um der Denkmalbehörde zu gestatten, die Fundstelle nötigenfalls in einem beschleunigten Verfahren unter (dauernden) Denkmalschutz zu stellen (§ 9 Abs. 3 DMSG). In heute generell nach dem ipsa lege -Prinzip funktionierenden Gesetzen wie dem DSchG-BW und dem HDSchG ist dies hingegen nicht nötig, da ohnehin alle Sachen, die der Legaldefinition des relevanten Denkmalbegriffs im jeweiligen Gesetz entsprechen, automatisch unbefristet unter Denkmalschutz stehen. Diesen allgemeinen Bestimmungen für Funde zuvor noch gänzlich unbekannter Denkmale folgen dann die spezielleren Schutzvorschriften, die bei gezielten Nachforschungen nach Denkmalen im Sinne der jeweils relevanten Legaldefinition dieses Begriffs beachtet werden müssen (§ 11 DMSG; § 21 DSchGBW; § 22 HDSchG). Dies sind normalerweise die hier schon genauer diskutierten NFG-Pflichten (§ 11 Abs. 1 [und 8] DMSG; § 21 DSchG-BW; § 22 HDSchG) und gegebenenfalls erforderlich erscheinende Nebenbestimmungen, was bei Nachforschungen ebenfalls zu beachten ist (wie z.B. die explizite Ausnahme von Nachforschungen der Behörde in § 11 Abs. 2 und die Anzeige-, Fundmelde- und Berichtspflichten von Genehmigungsinhabern an die samt der daraus folgenden Fundberichtsveröffentlichungspflicht der Behörde in § 11 Abs. 3-4 und 6-7 DMSG). Teilweise dazwischen eingeschoben (wie in Österreich durch § 10 DMSG) oder den NFGPflichtbestimmungen folgend (§ 23 DSchG-BW; § 25 HDSchG), finden sich dann heutzutage auch noch Bestimmungen zur von den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen des ABGB bzw. BGB zum Fundeigentumserwerb abweichenden Regelungen der Eigentumsfrage an entdeckten 88 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Fundgegenständen. Diese kann in Form der von den Bestimmungen der §§ 388-397 ABGB abweichenden Regelung des § 10 DMSG, dass alle Funde von Bodendenkmalen als Schatzfunde iSd §§ 398-401 ABGB zu behandeln sind, oder aber auch in Form eines von den Bestimmungen der §§ 965984 BGB abweichenden (kleinen oder großen) staatlichen Schatzregals (§ 23 DSchG-BW; § 25 HDSchG) erfolgen. Zusätzlich finden sich in Ländern, deren Denkmalschutzgesetz nach dem ipsa lege-Prinzip funktioniert, an dieser Stelle heutzutage auch noch Bestimmungen zum Schutz von „Fundhoffnungs-“ bzw. „Grabungsschutzgebieten“ (§ 22 DSchG-BW; §§ 23-24 HDSchG), die sich z.B. im österreichischen DMSG schon im Kontext der Definition von Unterschutzstellungen im einleitenden, allgemeinen Teil des DMSG in § 1 Abs. 5 finden. Die seltsame Regelung von Funden zuvor gänzlich unbekannter Denkmale Diese Struktur und insbesondere die Progression von Bestimmungen zu Funden von zuvor noch unbekannten, aber möglicherweise denkmalschutzrelevanten, Gegenständen zu Bestimmungen zur Genehmigungspflicht von gezielten Nachforschungen zur Entdeckung solcher Funde ist besonders interessant, wenn man kurz darüber nachdenkt und sie nicht einfach als (gott- oder) naturgegebene Unterscheidung zwischen zufälligen und absichtlichen Entdeckungen betrachtet, von denen man die ersten selbstverständlich nicht, die zweiten hingegen schon, einer vorab-Genehmigungspflicht unterwerfen kann. Betrachtet man die gesetzliche Regelung der Entdeckung von Fundgegenständen nämlich ausschließlich aus dem Blickwinkel des Schutzes von Denkmalen vor Zerstörung und Veränderung (und Verbringung an einen anderen Ort), ist eine Aufteilung von Entdeckungen in „zufällige“ und „absichtliche“ und deren unterschiedliche Regelung überhaupt nicht erforderlich. Um zu erreichen, dass Funde von möglichen Denkmalen nicht vor ihrer sachgerechten Untersuchung durch die Wissenschaft und insbesondere die staatliche Denkmalbehörde zerstört werden, genügen die allgemeinen Fundbestimmungen der §§ 8 und 9 DMSG, 20 DSchG-BW und 21 HDSchG nämlich bereits vollständig. Denn diese sehen ja jeweils vor, dass, wenn ein zuvor noch gänzlich unbekannter Gegenstand entdeckt wird, welcher der jeweils relevanten Legaldefinition des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes entspricht bzw. sogar nur entsprechen könnte, dieser und seine Fundstelle unverändert zu belassen sind, bis die im konkreten Einzelfall zuständige Denkmalbehörde, die auch sofort vom Fund zu informieren ist, Gelegenheit zur Untersuchung von Fundstelle und Fundumständen hatte und dass die Behörde diese Funde – auch wenn sie im Privateigentum von Dritten stehen – auch wenigstens zeitweilig zur wissenschaftlichen Untersuchung einziehen darf. Die in darauf folgenden Abschnitten behandelten NFG-Pflichten der §§ 11 Abs. 1 [und 8] DMSG, 21 DSchG-BW und 22 HDSchG erscheinen also eigentlich komplett redundant: man muss schließlich entsprechend der allgemeinen Fundbestimmungen ohnehin alle Arbeiten – und damit natürlich auch Nachforschungen – an der Fundstelle einstellen, an der man eine Sache entdeckt hat, die möglicherweise ein Denkmal im Sinne der relevanten Legaldefinition des Begriffes sein kann und darauf warten, dass die Denkmalbehörde sich das, was man gefunden hat, anschaut und eventuell selbst sachgerecht bergen und dokumentieren und dann zur wissenschaftlichen Bearbeitung gleich auch noch einziehen kann. Wozu also eine NFG-Pflicht? Welche besondere Gefährdung für Denkmale geht von Nachforschungen aus, bei denen gezielt Denkmale entdeckt werden sollen, die dem Denkmal nicht sonst auch durch eine unzählige Menge anderer Ursachen droht – wie z.B. durch natürliche Erosion und Pflügen oder beliebige andere, nicht genehmigungspflichtige Erdarbeiten – und die man durch die speziellen NFG-Pflichten abwehren kann? Will man nicht in völlig absurder Weise davon ausgehen, dass durch die NFG-Pflichten Schaden verhindert werden soll, der durch die Nichtbeachtung der Rechtsfolgen der Entdeckung von Fundgegenständen – d.h. des Veränderungsverbots der Fundstelle gem. § 9 Abs. 1 DMSG, § 20 Abs. 1 89 Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat DSchG-BW, bzw. § 21 Abs. 3 HDSchG – entstehen kann – d.h. im Sinne von „doppelt hält besser“ ein gesetzliches Verbot die Verletzung eines anderen gesetzlichen Verbots verhindern soll –, haben die NFG-Pflichten der hier besprochenen Denkmalschutzgesetze also überhaupt keinen denkmalschützerischen Sinn. Warum also hat der Gesetzgeber solche NFG-Pflichten überhaupt für erforderlich gehalten und sie daher ins Gesetz aufgenommen, statt sie sich und seinen Bürgern einfach ganz zu ersparen und damit das Gesetz wenigstens ein klein wenig weniger kompliziert zu machen? §§ 9-11 DMSG in der Fassung BGBl. 533/1923 Eine Antwort auf die Frage, warum der Gesetzgeber dennoch eine „NFG-Bestimmung“ ins Denkmalschutzgesetz aufgenommen hat, ist glücklicherweise sehr einfach zu finden, wenn man die archäologischen Schutzbestimmungen des Gesetzes in der Erstfassung des österreichischen DMSG in BGBl. 533/1923 etwas genauer betrachtet. Dort finden sich die den heutigen §§ 8-9 und 11 DMSG strukturell exakt entsprechenden Bestimmungen in den §§ 9-11, die sich allerdings inhaltlich – wenn auch nur geringfügig, so doch essentiell – von den heute geltenden Bestimmungen unterscheiden. Unterscheiden heute §§ 8 und 11 DMSG zwischen „zufälligen“ und „vorsätzlichen“ Entdeckungen 1 von Bodendenkmalen, die unterschiedlich gesetzlich geregelt sind („Zufallsfunde“ in §§ 8-9, „vorsätzliche Funde“ in § 11), kennt § 9 DMSG idF BGBl. 533/1923 genau diese Unterscheidung nicht. Vielmehr ist in § 9 Abs. 1 idF BGBl. 533/1923 von Funden von Gegenständen die Rede, „die Infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit offenkundig den Beschränkungen dieses Gesetzes unterliegen“. Wurden solche Gegenstände gefunden, wurde die Meldepflicht an die zuständige Behörde und alle sich daraus ergebenden Rechtsfolgen des § 10 idF BGBl. 533/1923 ausgelöst; d.h. die Fundstelle musste unverändert belassen werden, bis das BDA sie untersuchen konnte und gegebenenfalls in einem beschleunigten Verfahren unter Denkmalschutz stellen konnte. Das galt grundsätzlich einmal für alle Entdeckungen, egal aus welchem Grund es zu diesen gekommen ist. Ob „Bodendenkmale“ (der Begriff wird im DMSG idF BGBl. 533/1923 überhaupt nicht verwendet) entdeckt wurden, weil man zufällig 1 An dieser Stelle ist besonders zu beachten, dass § 11 DMSG igF eben nicht das Vorgehen bei „absichtlichen“, sondern nur das bei „vorsätzlichen“ Entdeckungsversuchen regelt. Vorsatz im rechtlichen (im Unterschied zum umgangssprachlichen) Sinn des Wortes kennzeichnet sich im österreichischen (und auch im deutschen Recht) stets dadurch, dass der Täter bei der Planung seines Handelns „Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung“ vereint; d.h. einen bestimmten Tatbestand absichtlich herbeiführen will und auch weiß (oder es wenigstens im Sinne des Eventualvorsatzes ernsthaft für möglich hält; § 5 Abs. 1 österreichisches StGB), dass die von ihm geplanten Handlungen diesen Tatbestand voraussichtlich herbeiführen werden. Daher ist die objektive oder wenigstens subjektive Vorhersehbarkeit der Entdeckung von Denkmalen auch Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4; siehe auch schon Seiten 8-26). Die unvorhergesehene und auch tatsächlich bei vernünftiger Betrachtung durch einen unvoreingenommenen Dritten unvorhersehbare Entdeckung von Denkmalen bei einer beliebigen Handlung – selbst wenn es sich dabei um eine Nachforschung handelt, mit deren Durchführung der Handelnde die Entdeckung von Denkmalen beabsichtigt hat – ist also im rechtlichen Sinn keine vorsätzliche Entdeckung bzw. Untersuchung eines Denkmals, sondern ein „Zufallsfund“, weil der Handelnde den Erfolg seiner Nachforschung gerade nicht vorhersehen konnte und hat. Das ist exakt so, wie man zwar durchaus „absichtlich“, aber eben gerade nicht „vorsätzlich“ (auch nicht einmal eventualvorsätzlich), in der Lotterie gewinnen kann, indem man eine bestimmte Zahlenkombination spielt, auch nicht, wenn man subjektiv ehrlich davon überzeugt ist, dass diese Zahlenkombination gewinnen wird: es ist nämlich für einen vernünftigen, unvoreingenommenen Dritten nicht vorhersehbar, dass man dadurch, dass man gerade diese bestimmte Zahlenkombination spielt, den (in diesem Fall erwünschten) Tatbestand (des Lottogewinns) verwirklichen kann. Im rechtlichen Sinn vorsätzlich kann man in der Lotterie nur gewinnen, indem man die Ziehung so manipuliert, dass man vorhersehen kann, welche Zahlenkombination man spielen muss, damit man (voraussichtlich) gewinnen wird. Hat man die Ziehung nicht manipuliert, sondern nur ein Los mit einer bestimmten Zahlenkombination gekauft, hat man auch dann nicht vorsätzlich gewonnen, wenn dieses Los dann tatsächlich gewinnt, sondern nur absichtlich. 90 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? beim Spazierengehen über sie gestolpert ist oder weil man sie absichtlich zu finden versucht hat, blieb unerheblich: fand man etwas, was offenkundig ein Denkmal war, musste man das melden und durfte das Gefundene und seine Fundstelle vorerst nicht mehr verändern. Dennoch folgte auf diese Bestimmungen, die ja zum Schutz der bis zu ihrer Entdeckung unbekannten Denkmale völlig genügen würden, auch schon im DMSG idF BGBl. 533/1923 die Bestimmung des damaligen § 11 Abs. 1: „Ausgrabungen behufs der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale dürfen nur mit Zustimmung des Bundesdenkmalamtes vorgenommen werden“, das gem. § 11 Abs. 2 idF BGBl. 533/1923 auch berechtigt war, „Ausgrabungen fachmännisch zu überwachen“. Das erscheint auf den ersten Blick wenig Sinn zu ergeben: § 9 idF BGBl. 533/1923 behandelt eben gerade nicht nur zufällige Funde von zuvor noch unbekannten Denkmalen, sondern alle Entdeckungen von solchen; daher sind alle Arbeiten an Ort und Stelle selbstverständlich gem. § 10 Abs. 1 idF BGBl. 533/1923 unmittelbar einzustellen, wenn eine solche Sache angetroffen wird. Die Bestimmung des § 11 Abs. 1 idF BGBl. 533/1923 ergibt hingegen sehr viel Sinn, wenn man sie unter Kenntnis der Realitäten der österreichischen Denkmalpflege um 1920 und der zwischen 1918 und 1929 einigermaßen intensiv geführten Debatte um die Gestaltung der Bundesverfassung der 1. Republik betrachtet. Als das DMSG beschlossen wurde, beschäftigte die junge 1. Republik gerade einmal einen graduierten Archäologen, Georg Kyrle, im BDA in Wien (Brückler & Nimeth 2001, 149). Dieser hätte nun also in ganz Österreich, wenn etwas gefunden wurde, binnen 4 Tagen ab Abgabe der Fundmeldung gem. § 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923 – die aller Wahrscheinlichkeit vom örtlichen Bürgermeister postalisch dem BDA übermittelt wurde und daher mit guter Wahrscheinlichkeit überhaupt erst frühestens am 2., wenn nicht sogar erst am 3. Tag nach der Abgabe der Fundmeldung bei diesem einlangte – die noch unveränderte Fundstelle in Augenschein nehmen und allfällig erforderliche Grabungen vor Ort durchführen müssen, um die dort entdeckten archäologischen Überreste sachgerecht zu dokumentieren und zu bergen. Das war natürlich praktisch unmöglich, schon gar nicht, wenn zufälligerweise am gleichen Tag Funde irgendwo im Südburgenland, im oberösterreichischen Mühlviertel und in Vorarlberg gemacht worden wären. Aber glücklicherweise konnte damals ja das BDA noch auf das einigermaßen dicht gewebte Netz von Korrespondenten der k.k. Zentralkommission zurückgreifen (siehe dazu Brückler & Nimeth 2001), das diese Vorläuferorganisation des BDA über die vorherigen ca. 70 Jahre erfolgreich aufgebaut hatte. Kyrle konnte also ein Telegramm an einen halbwegs nahe des Fundorts wohnhaften Korrespondenten schicken oder diesen anrufen (falls der schon ein Telefon hatte) und diesen als Organ des BDA mit der Begutachtung und nötigenfalls auch Bergung des Fundes, der Dokumentation der Fundumstände und nötigenfalls auch erforderlich werdenden Grabungen betrauen. Damit konnte also das BDA seine Aufgaben einigermaßen erfolgreich erledigen, ohne dass Kyrle dauernd um teures Geld im ganzen Land umherfahren hätte müssen und dennoch nicht an 3 Orten gleichzeitig sein hätte können, um Funde bergen und Fundumstände dokumentieren zu können, die bloß 4 Werktage unverändert belassen werden mussten, ehe sie zerstört werden durften. Nun war es aber so, dass die Korrespondenten des BDA oft auch stark an Archäologie interessiert waren, ja sich darunter sogar Universitätsprofessoren der Archäologie befanden, und daher immer wieder einmal Korrespondenten des BDA von sich aus wissenschaftliche archäologische Ausgrabungen durchführen wollten, um neue archäologische Erkenntnisse gewinnen zu können. Das schien im Sinne der Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Staatsgrundgesetz von 1867, das die junge Republik, weil man sich über die Grundrechte nicht wirklich einigen hatte können, einfach 1920 als Verfassungsgesetz über die Grundrechte der Staatsbürger mit minimalen Veränderungen aus dem Kaiserreich übernommen hatte, auch durchaus sinnvoll und wohl kaum gänzlich zu verbieten; schon gar nicht, weil das BDA gar nicht die Kapazität gehabt hätte selbst größere Mengen an archäologischen 91 Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat Ausgrabungen durchzuführen. Gerade diese erschienen aber in den 1920ern, in denen die Archäologie noch eher mit Materialmangel als mit einem Überschuss an Fundmassen zu kämpfen hatte, auch dringend notwendig, um wissenschaftlichen Fortschritt erzielen zu können. Das hätte nun aber in der Praxis um 1925 herum aufgrund der Bestimmungen der §§ 9-10 DMSG idF BGBl. 533/1923 zu der absurden Situation geführt, dass ein Universitätsprofessor der Archäologie an der Universität Innsbruck, der z.B. eine archäologische Ausgrabung im römischen Bregenz durchführen wollte, mit dieser zwar beginnen hätte dürfen, aber sobald er den ersten Fund gemacht hätte diese Grabung unmittelbar einstellen und zur örtlich zuständigen Fundmeldestelle gehen hätte müssen, um seinen Fund anzuzeigen. Diese Fundmeldestelle hätte dann einen Brief an das BDA in Wien – also an das andere Ende von Österreich – zu schicken gehabt, der dort vermutlich frühestens am 3. Tag nach Abgabe der Fundmeldung angekommen wäre, wo ihn Kyrle geöffnet und festgestellt hätte, dass Handlungsbedarf bestünde. Kyrle hätte daraufhin einen (wenigstens aktuell) nahe der Fundstelle wohnhaften Korrespondenten, z.B. den Universitätsprofessor für Archäologie an der Universität Innsbruck, der gerade zu Forschungszwecken in Bregenz weilen würde, per Telegramm ersuchen müssen, die Fundstelle und den Fund in Augenschein zu nehmen und gegebenenfalls alle aus archäologischer Sicht notwendigen Grabungs-, Dokumentations- und Bergemaßnahmen zu setzen. Daraufhin hätte dieser Universitätsprofessor seine Grabung, nun aber als Organ des BDA, wiederaufnehmen und wie geplant durchführen können, ohne weiter durch das Gesetz behindert zu werden. Das wäre ein selbst für das kafkaeskeste Österreich hochgradig sinnloser bürokratischer Umweg gewesen, der allen nur unnötige Arbeit gemacht und niemandem etwas genutzt hätte. Es erschien daher zwingend notwendig, eine Regelung in das DMSG einzubauen, die es den archäologischen Wissenschaftern und anderen denkmalschützerisch vertrauenswürdigen Personen (wie eben den Korrespondenten des BDA) ermöglichen würde, ihre archäologische Ausgrabungen auch tatsächlich sinnvoll fachgerecht durchzuführen; statt jedes Mal, wenn sie etwas fanden, die Arbeit für 4 Tage einstellen zu müssen, nur damit sie das BDA in Wien wieder damit beauftragen können würde, nun als Organ des BDA ihre eigene Grabung fortzuführen. Die Regelung, die dafür eingeführt wurde, war die der Grabungsgenehmigung des § 11 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923: das BDA wurde damit ermächtigt, Personen, die wissenschaftliche archäologische Ausgrabungen durchführen wollten, gleich von Anfang an zu erlauben, diese Grabungen auch tatsächlich durchzuführen und nicht wegen jedes Einzelfundes wieder eine Fundmeldung gem. § 9 Abs. 1 idF BGBl. 533/1923 samt allen sich daraus ergebenden Rechtsfolgen nach § 10 idF BGBl. 533/1923 vornehmen zu müssen. Zweck der Einführung einer Grabungsgenehmigungsmöglichkeit war also nicht etwa, unerwünschte Ausgrabungen zu verhindern, sondern ganz im Gegenteil der, erwünschte (nämlich wissenschaftlich sachgerecht durchgeführte) archäologische Ausgrabungen so bürokratisch reibungslos als irgendwie möglich durchführbar zu machen, um den wissenschaftlichen Fortschritt nicht unnötig durch allgemeine Fundvorschriften zu behindern, die der Verhinderung von Schaden an den wissenschaftlichen Quellen der Forschung und nicht der Verhinderung von Forschung dienen sollten. Wenn aber nun das BDA seine Zustimmung zu Grabungen seinen eigenen Korrespondenten bereits vorab erteilen konnte, musste man – im Sinne des für die junge Republik durchaus nicht unwichtigen Gleichheitsgrundsatzes der Bundesverfassung – die gleiche Möglichkeit auch jedem anderen Staatsbürger einräumen: schließlich konnte der ja auch wissenschaftliche Forschungsinteressen im Bereich der Archäologie verfolgen (schließlich waren auch viele Korrespondenten fachliche Laien, es war also nicht anrüchig, als Laie archäologische Feldforschung betreiben zu wollen), womit ihm auch die Forschungsfreiheit zustehen musste. Nachdem es aber durchaus auch um 1920 bekanntermaßen 92 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? bereits ein „Raubgräberproblem“ gab, wollte und konnte die Fachwelt die Kontrolle über Ausgrabungen auch nicht ganz aufgeben; was die Bestimmung des § 11 Abs. 2 idF BGBl. 533/1923 erforderlich machte, die dem BDA das Recht und die Pflicht zur fachmännischen Überwachung solcher vorab genehmigten Ausgrabungen einräumte und auferlegte. Somit hatte man eine „doppelte“ Lösung: die Fundmeldepflichten des § 9 samt den daraus resultierenden Rechtsfolgen gem. § 10 galten für alle Entdeckungen von Funden; es sei denn, die Person, die gezielt und absichtlich Ausgrabungen zur Entdeckung und Untersuchung von bedeutenden archäologischen Denkmalen machen wollte, hatte sich schon vorab gem. § 11 DMSG idF BGBl. 533/1923 vom BDA eine Erlaubnis dazu geholt. Damit hatte man die weitgehend freie wissenschaftliche Forschung ermöglicht, aber gleichzeitig die noch gänzlich unbekannten Denkmale, die man jederzeit überall finden konnte, so gut es geht – nämlich eben ab dem Zeitpunkt ihrer erstmaligen Entdeckung – geschützt, bis das BDA oder ein von diesem beauftragter Sachverständiger (wie der Inhaber einer Grabungsgenehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG) festgestellt hatte, ob dieser Schutz dauerhaft notwendig wäre oder wieder gänzlich aufgehoben werden könne. Reaktive vs. präventive Gesetzgebung Die Struktur, die der österreichische Gesetzgeber seinem DMSG 1923 gegeben hat, ist also durchgehend reaktiv: er wollte, dass bedeutende Denkmale geschützt werden. Das setzt zwingend voraus, dass erst einmal einigermaßen eindeutig bestimmt worden ist, dass eine bestimmte Sache auch tatsächlich ein solches, bedeutendes Denkmal ist (oder wenigstens höchstwahrscheinlich eines sein dürfte), ehe die Schutzbestimmungen des Gesetzes auf diese konkrete Sache überhaupt angewendet werden können. Der baden-württembergische und der hessische Gesetzgeber haben übrigens exakt dasselbe getan, d.h. das gilt auch für das DSchG-BW und das HDSchG. Es bleibt sich nämlich bei einer reaktiven Gestaltung des Gesetzes völlig gleich, ob das jeweilige Gesetz, ob nun generell oder im für uns besonders relevanten Bereich der archäologischen Denkmalpflege, nach dem konstitutiven oder dem deklaratorischen Prinzip funktioniert: der Unterschied zwischen den beiden Prinzipien ist nämlich nur, ob eine staatliche Behörde in einem eigenen Verwaltungsakt (konstitutiv) bestimmen oder der Bürger auf Basis der (deklaratorischen) Legaldefinition des Denkmalbegriffs selbst erkennen muss, ob eine konkrete Sache nun (wenigstens aller Wahrscheinlichkeit nach) ein Denkmal ist. Wer aber nun auf welche Art und Weise bestimmen muss, welche Sache ein Denkmal ist (oder wahrscheinlich sein dürfte), ändert nicht das Geringste daran, dass immer noch zuerst bestimmt werden muss, dass eine konkrete Sache ein Denkmal ist (oder sein dürfte), bevor man irgendeine der Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes auf sie (und sie betreffende Handlungen) anwenden kann. Abb. 3 zeigt in Form eines Flussdiagramms, welche Handlungen bzw. Ereignisse bei einer reaktiven Gesetzgebung in welcher Abfolge gesetzt werden bzw. eintreten müssen, ehe die Bestimmungen des betreffenden Gesetzes anwendbar werden. Bei einer derartigen Art der reaktiven Gesetzgebung ist es also zwingend unmöglich, die Bestimmungen des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes auf alle jene Handlungen bzw. Ereignisse anzuwenden, die stattfinden bzw. eintreten, bevor bestimmt wurde, dass eine bereits bekannt gewordene, konkrete Sache tatsächlich ein Denkmal ist (bzw. wenigstens wahrscheinlich ein solches sein dürfte). Nachdem sich die Anwendbarkeit der Schutzbestimmungen eines derart gestalteten Gesetzes immer erst daraus ergibt, dass eine konkrete Sache (korrekt) als (wahrscheinliches) Denkmal bestimmt wurde (wen auch immer die rechtliche Verantwortung zur korrekten Bestimmung dieser Wahrscheinlichkeit trifft) müsste man den Zeitpfeil umkehren, um bereits davor stattgefunden habende Ereignisse bzw. Handlungen den Schutzbestimmungen dieses Gesetzes unterwerfen zu können. Nachdem eine Umkehr des Zeitpfeiles aber weder praktisch möglich noch mit dem 93 Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat Erfordernis der Rechtssicherheit vereinbar ist, kann das derart gestaltete Gesetz nicht auf Handlungen bzw. Ereignisse angewendet werden, die der Bestimmung einer Sache als Denkmal vorhergehen. Abb. 3: Flussdiagramm der Ereignisse, die eintreten bzw. Handlungen die gesetzt werden müssen, ehe Bestimmungen eines reaktiven Denkmalschutzgesetzes auf beliebige Sachen zur Anwendung gebracht werden können. Präventiver Denkmalschutz Man könnte natürlich die Gesetzgebung anders gestalten, nämlich präventiv, damit man die Bestimmungen eines solchen Gesetzes tatsächlich schon auf Handlungen anwenden könnte, die zur Zerstörung oder Veränderung noch gänzlich unbekannter Denkmale führen könnten. Ein solches Denkmalverträglichkeitsprüfungsgesetz müsste man jedoch ganz anders aufbauen, weil man zwar damit letztendlich dasselbe Ziel zu erreichen versucht, aber auf einem ganz anderen Weg. Bei einer derartigen Form der gesetzlichen Regelung des Denkmalschutzes ist es nämlich rechtlich sekundär, was genau jetzt ein Denkmal ist und wie man das in Anbetracht einer konkreten Sache bestimmt. Primär ist hingegen von Bedeutung, welche Handlungen ein Denkmal gefährden könnten, d.h. welche konkreten Handlungen Denkmale zerstören oder verändern könnten. Der präventive Prozess setzt bei der Planung beliebiger Handlungen ein und an. Geplante Handlungen sind dabei in Bezug auf die von ihnen potentiell ausgehende Gefährdung (bekannter und noch unbekannter) Denkmale zu prüfen und jene konkreten, geplanten Handlungen zu identifizieren, von denen eine signifikante Gefahr für potentiell überall vorkommen könnende Denkmale ausgehen dürfte. Auf alle konkreten Handlungen, die in die letztgenannte Kategorie fallen, sind dann die Schutzbestimmungen des jeweiligen Denkmalverträglichkeitsprüfungsgesetzes unmittelbar anwendbar, egal welche Sachen von diesen Handlungen tatsächlich betroffen werden dürften. Bevor die konkreten, geplanten Handlungen umgesetzt werden können, ist in einem nächsten Schritt zu ermitteln, welche (noch unbekannten und bekannten) konkreten Sachen tatsächlich von den geplanten, potentiell denkmalgefährdenden Handlungen betroffen sein werden. Soweit noch unbekannte, am Ort, an dem die geplanten Handlungen stattfinden sollen, möglicherweise vorkommende Sachen betroffen sind, sind an diesem Ort mit geeigneten Mitteln durchzuführende Versuche zu unternehmen, alle dort tatsächlich noch vorkommenden, bislang unbekannten Sachen zu entdecken und somit in konkrete, bekannte Sachen zu verwandeln. Alle am betreffenden Ort vorkommenden, konkreten Sachen sind dann in einem weiteren Schritt im Hinblick auf die Frage zu beurteilen, ob es sich bei ihnen mutmaßlich um Denkmale handelt, die tatsächlich vor Schaden bewahrt werden sollen, oder um ganz gewöhnliche Sachen, bei denen das nicht der Fall ist. Der letztgenannte Schritt kann gegebenenfalls ausfallen, wenn das Denkmalverträglichkeitsprüfungsgesetz nicht die unveränderte Erhaltung besonders bedeutender Denkmale in situ vorsieht, sondern stattdessen eine Erhaltung durch Dokumentation (aller an Ort und 94 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Stelle vorkommender Sachen) als präferierte Schadenspräventionsmethode festgesetzt hat. In diesem Fall braucht im Gesetz nicht einmal der Denkmalsbegriff definiert werden, weil man ihn aus legistischer Sicht gar nicht braucht; das Gesetz ist ja einfach auf alle Sachen anzuwenden, die von potentiell denkmalgefährdenden Handlungen betroffen werden. Sinnvollerweise wird allerdings ein solcher Beurteilungsschritt sehr wohl durchgeführt (und auch der Denkmalbegriff im Gesetz definiert) werden, weil dadurch aller Wahrscheinlichkeit nach unnötiger Aufwand sowohl für den Handelnden als auch die Denkmalbehörden vermieden wird. Nun erst können die geplanten, denkmalgefährdenden Handlungen umgesetzt werden, wenn und wie dies die denkmalverträglichkeitsprüfungsgesetzlichen Schutzvorschriften gestatten. Dies kann bedeuten, dass die Umsetzung ipsa lege entsprechend bestimmter, gesetzlicher Vorgaben zu erfolgen hat, z.B. eine Untersuchung und Dokumentation der betroffenen Denkmale entsprechend dem Stand wissenschaftlicher Technik zum Zweck ihrer Erhaltung durch Dokumentation und eine sachgerechte Bergung beweglicher Denkmale vorzunehmen ist; aber auch, dass diese Umsetzung der geplanten Handlungen entsprechend im Einzelfall durch mit Auflagen verbundenem Bescheid einer zuständigen Behörde festgelegten Vorgaben zu erfolgen hat. Abb. 4 zeigt den Denkmalverträglichkeitsprüfungsprozess ebenfalls in Form eines Flussdiagramms. Abb. 4: Flussdiagramm der Ereignisse und Handlungen, die eintreten bzw. gesetzt werden müssen, dass ein präventiver archäologischer Denkmalschutz anwendbar und umgesetzt wird. Eine präventive Gesetzgebung ermöglicht es also problemlos, Schutzvorschriften des Gesetzes auf geplante Handlungen anzuwenden, auch wenn noch gar nicht bekannt ist, ob durch ihre Umsetzung tatsächlich irgendwelche bedeutenden Denkmale betroffen sein werden. Dies inkludiert selbstverständlich auch geplante Handlungen, die auf die Entdeckung beliebiger bislang noch unbekannter Sachen abzielen, sofern durch deren Umsetzung Denkmale gefährdet werden könnten. Wie bereits gesagt, ist es sogar – wenn man ein solches Gesetz so gestaltet, das es (wenigstens normalerweise) nicht die Erhaltung von Denkmalen in situ bezweckt – möglich, dass man für ein solches Gesetz nicht einmal den Denkmalbegriff gesetzlich bestimmen muss. Was man bei einem solchen Gesetz jedoch sehr genau definieren muss, sind die Arten von Handlungen, durch die 95 Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat Denkmale signifikant gefährdet werden, weil ja die Anwendbarkeit der Schutzvorschriften eines solchen Gesetzes dadurch ausgelöst wird, dass eine geplante Handlung solcherart ist, dass sie Denkmale signifikant gefährdet. Tatsächlich kennen wir bereits solche präventiven Gesetzgebungen auch im Bereich des (archäologischen) Denkmalschutzes: dies ist, dem Sinn der Valletta-Konvention (Europarat 1992, Art. 5.i-iii) folgend, einerseits im Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren [UVP] der Fall, andererseits aber auch, wenn die archäologische Denkmalpflege präventiv in Bau- und Raumplanungsverfahren einbezogen wird, wie es in Deutschland bereits regelhaft, in Österreich allerdings nur sehr bedingt (durch Eintragung geschützter Denkmale ins Grundbuch und Stellungnahmen des BDA in Raumplanungsverfahren) der Fall ist. Bei der Regelung dieser Rechtsbereiche wird davon ausgegangen, dass Baumaßnahmen jeder Art archäologische Denkmale signifikant gefährden können und daher bereits in der Planungsphase zu berücksichtigen ist, dass bei der Umsetzung der Pläne archäologische Denkmale gefährdet werden könnten. Inwieweit allerdings die Ermittlungspflichten von Bauwerbern ausreichend weit gefasst sind, um eine wirklich effektive präventive Denkmalpflege zu ermöglichen, ist diskutierbar, da die reaktiven Grundlagen der jeweiligen Denkmalschutzgesetze und deren Handhabung durch die Behörden hier blockierend wirken, weil sie die eigentlich notwendigen Versuche, Denkmale schon in der Planungsphase zu entdecken, eher behindern denn fördern. Dennoch: es handelt sich dabei um Ansätze einer präventiven Lösung, bei der es primär darum geht, Handlungen zu identifizieren, die Denkmale gefährden könnten, nicht primär darum, Denkmale zu identifizieren, die durch bestimmte Handlungen gefährdet werden könnten. Sachliche, präventive Legaldefinitionen Um eine wirklich effektive präventive Lösung zu ermöglichen, muss natürlich dennoch die Legaldefinition der Art von Handlungen, die den Bestimmungen des Denkmalverträglichkeitsprüfungsgesetzes unterliegen, auch sachlich gerechtfertigt sein; d.h. nur solche Handlungen umfassen, durch die Denkmale tatsächlich signifikant gefährdet werden (könnten). Einfach alle Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung von irgendetwas als solche Handlungen zu definieren, reicht nicht aus, weil es viele Nachforschungsmethoden gibt, von deren Durchführung nicht die mindeste Gefahr für Denkmale ausgeht, ja von denen gar keine Gefahr ausgehen kann, selbst, wenn die tatsächlich zur Untersuchung eines bereits bekannten, besonders bedeutenden Denkmals verwendet werden. Betrachte ich mit freiem Auge eine Bodenformation, um zu beurteilen, ob es sich dabei um einen Grabhügel oder einen Rest einer Wallanlage handeln könnte, gefährdet diese Nachforschungshandlung diese Bodenformation nicht im mindesten. Das bloße Anschauen gefährdet nicht einmal eine Bodenformation, die sicherlich ein besonders bedeutendes Denkmal ist, wie z.B. den Großmugl in Niederösterreich, auch wenn ich ihn mit dieser Nachforschungsmethode beim ersten Besuch subjektiv zu entdecken und danach durch genauere Betrachtung auch zu untersuchen versuche. Davon, dass ich einen späthallstattzeitlichen Riesentumulus anschaue, kann er nicht kaputtgehen. Ebenso wenig können Denkmale in der Regel dadurch signifikant gefährdet werden, dass man sie mit nicht-invasiven Nachforschungsmethoden untersucht: diese Methoden greifen nicht in die Substanz der Sache ein, die mit ihnen untersucht werden soll, und können daher nach derzeitigem Kenntnisstand tatsächlich auch keinen Schaden an Denkmalen anrichten, auch dann nicht, wenn sich unter den untersuchten Sachen tatsächlich bedeutende Denkmale befinden. Erdarbeiten aller Art (inklusive in den Boden eingreifende archäologische Nachforschungsmethoden wie Ausgrabungen) können hingegen sehr wohl den Schutzbestimmungen eines solchen Gesetzes unterworfen werden: unbekannte archäologische Denkmale können schließlich tatsächlich überall im 96 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Boden vorkommen. Auch wenn es an den meisten Orten eher unwahrscheinlich ist, dass dort tatsächlich archäologische Denkmale vorkommen, ist schließlich die Gefahr, die von Erdarbeiten für archäologische Denkmale ausgeht, die sich tatsächlich unbekannterweise zufällig am betroffenen Ort befinden, durchaus hoch signifikant: ein solches wird, wenn es dort ist, durch Erdarbeiten jedenfalls signifikant verändert und mit hoher Wahrscheinlichkeit gänzlich zerstört werden. Selbst wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit relativ gering ist, erreicht man damit immer noch ein bedeutendes Risiko, dessen Verringerung durchaus im öffentlichen Interesse erforderlich sein kann, d.h. eine gesetzliche Beschränkung dieser Handlungen rechtfertigt. Auch dabei ist aber abzuschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Erdarbeit tatsächlich ein bedeutendes Denkmal signifikant gefährdet. So z.B. kann es durchaus als unverhältnismäßig angesehen werden, jede beliebige Erdarbeit, wie geringfügig auch immer diese in den Erdboden eingreifen mag, gesetzlichen Beschränkungen zu unterwerfen: Erdarbeiten, die sich rein auf den modern gestörten Oberboden beschränken, im dem in der Regel nur noch aus ihrer ursprünglichen Lage bereits verbrachte bewegliche Kleinfunde enthalten sind, nicht jedoch die von der archäologischen Fachwelt derzeit als besonders signifikant betrachteten Funde in ihrem (ungestörten) Befund (siehe z.B. Kriesch et al. 1997, 26), werden normalerweise selbst dann keinen signifikanten Schaden an besonders bedeutenden archäologischen Denkmalen anrichten, wenn sich dortselbst welche befinden. Selbst wenn sich tatsächlich irgendwelche beweglichen Kleinfunde am Ort ihrer Durchführung befinden, werden diese derzeit bei professionellen archäologischen Ausgrabungen gemeinsam mit dem gesamten „modern gestörten“ Oberboden regelhaft abgeschoben, d.h. ohne Rücksicht auf ihren Verlust zerstört (Karl 2018c, 396-7). Da kann man nicht sachlich argumentieren, dass alle Oberbodenfunde so bedeutend sind, dass man nicht einmal eine 5 cm tiefe Pflanzgrube für ein paar Blumenzwiebeln graben darf, ohne der vollen Wirkung des Denkmalschadenspräventionsgesetzes unterworfen zu sein. Verhältnismäßig erscheint es in einem solchen Fall eher, erst Erdarbeiten, die ein bestimmtes Bodenvolumen und/oder eine bestimmte Eingriffstiefe überschreiten, als denkmalrelevante Handlung zu definieren; wie es ja z.B. die Holländer inzwischen mit einer 30cm-Tiefenbeschränkung tun (Koninkrijk der Nederlanden 2016). Was ein Denkmal im Sinne eines solchen präventiven Gesetzes ist, wird hingegen nur relevant, wenn man die Anwendbarkeit mancher oder aller gesetzlicher Schutzbestimmungen – nun aber reaktiv – weiter einschränken will; z.B. soweit bereits bekannte Sachen betroffen sind, nur auf die, die als Denkmale zu betrachten sind. So mag es z.B. durchaus sinnvoll erscheinen, bei großflächigen Erdarbeiten, wie z.B. auf Baustellen, nicht eine vollständige Dokumentation aller dabei angetroffenen Sachen vorzuschreiben, sondern eine spezifische archäologische Dokumentationspflicht nur für solche Sachen vorzusehen, die als mutmaßlich archäologische Funde und Befunde erkannt wurden; z.B. durch vorab durchgeführte Entdeckungsversuche mittels nicht invasiver, geophysikalischer Prospektionsmethoden. Selbst bei diesen mag selektiv entschieden werden, welche man wirklich braucht und auf welche man einigermaßen verzichten kann: auf die Siedlungsfundstelle selbst mag man vielleicht nicht verzichten, aber von den Pfostenlöchern der Zäune der die Siedlung umgebenden Felder, die man schon auf den Geomagnetikplänen eindeutig erkennen kann, muss vielleicht nicht jedes einzelne komplett fachgerecht ausgraben und im Detail dokumentiert werden. Das ist derzeit z.B. eben in Planungsverfahren im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfungen ja auch mehr oder minder tatsächlich der Fall. Die Nachteile von präventiven Denkmalverträglichkeitsprüfungsgesetzen Die großen Nachteile solcher präventiver im Vergleich zu reaktiven Lösungen des Schutzes noch unentdeckter (archäologischer) Denkmale sind, dass eine vollständig präventive Lösung einerseits 97 Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat enorm aufwändig und andererseits mit einer Präferenz für die unveränderte Erhaltung von Denkmalen in situ (siehe dazu aber Seiten 161-188) nur sehr schwer vereinbar ist. Selbst wenn man eine Legaldefinition der möglicherweise signifikant denkmalgefährdenden Handlungen sehr eng fasst und nur invasive Nachforschungsmethoden zum Zweck der Entdeckung zuvor noch unbekannter Sachen und bei Baumaßnahmen vorgenommene Erdarbeiten und andere massivere Eingriffe in die Substanz von Sachen (wie z.B. das Abbrechen von Mauerwerk, etc.) den gesetzlichen Schutzbestimmungen unterwirft – also z.B. ebenfalls signifikant invasive Handlungen wie das Pflügen und die Bebauung von Feldern, das Anpflanzen und der Ausriss von Bäumen, etc. entgegen den Tatsachen (siehe dazu z.B. die diversen Beiträge in Trow et al. 2010) und „insignifikante“ Handlungen wie die Gartenarbeit, das Stemmen in Mauern und Abschlagen von Putz etc. gar nicht zu den Denkmale signifikant gefährden könnenden Handlungen rechnet –, erzeugt man bei einer enorm großen Menge von alltäglich stattfindenden Handlungen bedeutenden Zusatzaufwand. Denn das würde immer noch bedeuten, dass vor jeder Bauarbeit, bei der in den Erdboden eingegriffen oder ein Gebäude abgerissen werden soll, eine Voruntersuchung durchgeführt werden muss, ob dort, wo diese Handlung stattfinden soll, nicht etwa doch irgendwelche bislang noch unbekannten Sachen vorkommen könnten, die schutzwürdig sind. Eine reine Archivanalyse, was denn schon bekanntermaßen da ist, genügt schließlich nicht, um noch unbekannte Sachen zu entdecken. Man muss vielmehr wenigstens mit irgendwelchen nicht-invasiven (z.B. geophysikalischen) Nachforschungsmethoden untersuchen, ob nicht irgendetwas an Ort und Stelle verborgen ist, das im Zuge der Handlung, die gesetzt werden soll, zerstört und verändert werden könnte. Und solche Untersuchungen kosten sowohl Zeit als auch Geld. Zwingt man nun aber einen Planenden auf gesetzlichem Weg, dafür Zeit und Geld aufzuwenden, unbekannte Sachen zu suchen, die man dann möglichst in situ zu erhalten versuchen möchte, sind nicht nur Reibungswiderstände vorprogrammiert, sondern es kann auch durchaus argumentiert werden, dass das hochgradig unverhältnismäßig wäre. Schließlich ist sein Interesse ja, die geplanten Maßnahmen auch tatsächlich – nötigenfalls mit gewissen Einschränkungen, aber doch – durchführen zu können. Das gestattet es, ihn im Sinne des Verursacherprinzips innerhalb eines verhältnismäßigen Rahmens dazu zu verpflichten, Kosten zu tragen, die dadurch entstehen, dass er sein Interesse verwirklichen kann. Wählt man nun aber einen wirklich vollständig präventiven Zugang, führen die dann notwendigerweise durchzuführenden Voruntersuchungen immer dann, wenn sie zur Entdeckung zuvor noch unbekannter Denkmale und als Folge davon deren Erhaltung in situ führen, dazu, dass der Planende (und Zahlende) seine Interessen (wenigstens am geplanten Ort) gerade nicht verwirklichen kann, sondern sie aufgeben muss. Ihm auch noch die Kosten dafür aufzubürden, seine Pläne vereiteln zu können, scheint unzulässig. Will man also dem Planenden diese Untersuchungskosten auftragen, muss man ihm dann auch im Gegenzug erlauben, seine Interessen zu verwirklichen. Zwar kann man ihm potentiell dann durchaus weitere Auflagen erteilen, wie dass er entdeckte Denkmale auf denkmalgerechte Weise behandeln muss, wenn er seine Pläne umsetzt; d.h. sie z.B. entsprechend wissenschaftlicher Standards dokumentieren und – sofern es sich um bewegliche Denkmale handelt – sachgerecht bergen lässt. Aber die Erhaltung neu entdeckter Denkmale in situ lässt sich kaum mehr erreichen, wenn sich diese nicht einigermaßen problemlos mit seinen Plänen vereinbaren lässt. Will man also eine durchgehend „verursacherfinanzierte“ präventive Lösung, muss man weitestgehend auf die in situ-Erhaltung von neu entdeckten Denkmalen verzichten. Will man hingegen eine aus öffentlichen Mitteln finanzierte präventive Lösung, durch die auch zuvor noch unbekannte Denkmale geschützt werden sollen, kostet das den Staat enorme Summen. In diesem Fall muss die öffentliche Hand die notwendigen Ressourcen – Personal, Equipment und 98 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Logistik – bereitstellen, die dafür erforderlich sind, die als notwendig erachteten Untersuchungen – d.h. die archäologische Landesaufnahme – ausreichend rasch durchzuführen, dass Planende nicht unverhältnismäßig lange von der Umsetzung ihrer Pläne abgehalten werden. Nachdem aber sowohl der Bedarf für solche öffentlichen Planungsvorleistungen deutlichen Fluktuationen unterworfen sein dürfte, als auch – man sucht schließlich nach unbekannten Sachen – wenigstens anfänglich gar nicht vorhersehbar ist, wieviel Arbeit durch jedes einzelne Projekt verursacht werden wird, muss man einen hohen Grad an Redundanz einplanen, um nicht durch Ressourcenmangel lange Verzögerungen zu generieren. Das wäre zwar für ArchäologInnen sehr fein – hier gibt es dann sehr viele Posten für Fachleute, die vielleicht zeitweilig, wenn gerade viel Bedarf besteht, recht arbeitsaufwändig sein können, aber wo es auch viele Stehzeiten gibt, wenn der Bedarf gerade niedrig ist – aber für die moderne öffentliche Hand unvorstellbar und politisch unerwünscht. Die Vorteile von reaktiven Denkmalschutzgesetzen Aus denkmalpflegerischer Sicht haben reaktive Denkmalschutzgesetze praktisch keine Vorteile im Vergleich zu präventiven Regelungen. Selbst wenn man eine reaktive Regelung weit problemloser so gestalten kann, dass eine Erhaltung von bereits bekannten oder auch zufällig entdeckten Denkmalen möglich wird – schließlich muss hier niemand für irgendetwas zahlen, bis nicht feststeht, dass etwas ein erhaltenswertes Denkmal ist –, ist man stets auf den Zufall angewiesen, dass man von der Existenz eines Denkmales schon weiß oder es wenigstens zufällig bemerkt wird, dass es überhaupt geschützt werden kann. Ob das besser ist als eine systematische präventive Erfassung und Erforschung aller tatsächlich vorhandenen Denkmale (oder wenigstens aller, die man mit modernen Methoden entdecken kann), ist wenigstens stark diskutierbar. Reaktive Denkmalschutzgesetze haben aber gegenüber präventiven eine ganze Reihe von praktischen Vorteilen bzw. haben zahlreiche bedeutende Nachteile nicht, die präventive Regelungen haben. Der größte Nutzen, der sowohl für die Politik als auch für Wirtschaftstreibende von immenser Bedeutung ist, ist, dass sie – wenigstens im Normalfall – weit weniger kosten als echte präventive Regelungen. Man muss eben als Planender nicht Zeit und Geld dafür einsetzen, dass man erst einmal – bevor man irgendetwas tun kann, was man eigentlich tun will – mehr oder minder intensiv danach sucht, ob dort, wo man das machen will, irgendetwas ist, auf das man besonders aufpassen und Rücksicht nehmen muss. Diese Zeit und dieses Geld dafür aufzuwenden kann zwar durchaus bei vorausschauender Planung sinnvoll sein, z.B., wenn man Folgeschäden (wie z.B. durch zeitweilige Einstellungen der Bauarbeiten für die Ausgrabung einer zufällig entdeckten Fundstelle) vermeiden will; aber man kann, wenn man das will, die spätere zufällige Entdeckung von so bedeutenden Denkmalen, dass deren Erhaltung in situ wichtiger ist als das schon begonnene Bauprojekt, auch als – sozusagen unkalkulierbares – Risiko in Kauf nehmen. Mehr noch, nachdem es ja Großteils um noch gänzlich unbekannte Denkmale geht – weil die bekannten kann man ja ohnehin einplanen – deren zufällige Entdeckung durch Dritte ohnehin sehr unwahrscheinlich ist, kann man sich sogar darauf verlassen, dass man diese – wenn sie doch zufällig vorhanden sein sollten – einfach heimlich wegbaggern kann; weil was niemand weiß, macht bekanntermaßen auch niemanden heiß. Aber auch die öffentliche Hand spart sich durch ein reaktives System einen Haufen Geld: nimmt man einen präventiven Denkmalschutz ernst, braucht man schließlich wenigstens – selbst wenn man die Kosten für die Durchführung der präventiven Vorerkundungsmaßnahmen dem Antragsteller aufbürdet, der eine Bau- oder sonstige erforderliche Genehmigung will – eine ganze Menge qualifizierter Sachverständiger, die Anträge auf ihre Denkmalschutzgerechtigkeit überprüfen, und eine große Anzahl Beamte, die wenigstens irgendwelche Auflagen erteilen, wenn nicht sogar noch arbeitsintensivere Aufgaben, wie die Überprüfung der Einhaltung der denkmalschutzrechtlichen 99 Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat Bestimmungen, erfüllen können. Für diese braucht man auch Büroräumlichkeiten, Equipment und Logistik, was auch alles nicht gratis ist; umso mehr, je mehr Handlungen präventiv den denkmalschutzrechtlichen Bestimmungen unterworfen sind. Hinzu kommt, dass im Sinne einer Kosten-Nutzen-Rechnung die Effizienz eines präventiven Denkmalschutzsystems umso geringer wird, je mehr Handlungen als denkmalschutzrelevant betrachtet und daher dem Denkmalverträglichkeitsprüfungsgesetz unterworfen werden. Schließlich gibt es nur eine beschränkte Anzahl von Denkmalen, die so bedeutend sind, dass ihre Erhaltung tatsächlich einen Allgemeinwohlnutzen hat. Diese können zwar überall vorkommen, kommen aber tatsächlich fast nirgends vor. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer konkreten denkmalschutzrechtlich relevanten Handlung zuvor unbekannte, bedeutende Denkmale entdeckt werden, sinkt also umso mehr, je mehr präventive Untersuchungen vorgenommen werden, weil zunehmend mehr der vorgenommenen Untersuchungen zu einem negativen Ergebnis kommen – d.h. keine zuvor unbekannten, allgemeinwohlnützlichen Denkmale durch sie entdeckt werden. Die Kosten pro Untersuchung bleiben jedoch weitgehend gleich, weil ja dennoch weiterhin bei jeder geplanten denkmalschutzrelevanten Handlung überprüft werden muss, ob nicht doch Denkmale, die bis dahin unbekannt waren, von ihr betroffen werden könnten; d.h. die Kosten steigen umso mehr, je mehr solche Untersuchungen durchgeführt werden müssen. Das Kosten zu Nutzen-Verhältnis wird also umso schlechter, je mehr Handlungen als denkmalschutzrelevant betrachtet werden und daher präventive Untersuchungen erforderlich machen. Im Wesentlichen das Gleiche gilt auch für die Einschränkung diverser staatsbürgerlicher Grundrechte, die der Staat bei der Gesetzgebung ebenfalls bedenken muss. Je mehr Handlungsarten generell als denkmalschutzrelevant betrachtet und daher den Schutzvorschriften eines präventiven Gesetzes unterworfen werden, desto größer wird die Gefahr, dass dadurch signifikant in Grund- und Menschenrechte eingegriffen wird. Gleichzeitig sinkt auch hier der wahrscheinliche Nutzen in jedem Einzelfall umso mehr, je mehr Handlungen als denkmalschutzrelevant betrachtet werden. Ein reaktives System hat alle diese Nachteile nicht. Eingriffe in Bürgerrechte sind zwar auch unter einem reaktiven System notwendig, aber immer erst dann, wenn tatsächlich bekanntermaßen ein öffentliches Erhaltungsinteresse an der konkret betroffenen Sache aufgrund deren besonderer Bedeutung vorliegt, das diese Eingriffe auch rechtfertigt. Ebenso ist das wirtschaftliche KostenNutzen-Verhältnis optimiert: es hat schließlich niemand signifikante Kosten, ehe nicht feststeht, dass die konkrete Sache, um die es geht, tatsächlich so bedeutend ist, dass ihr Nutzen für das Allgemeinwohl die für ihre Erhaltung notwendigen Kosten überwiegt; was auch unmittelbar rechtfertigt, dass (wenigstens von irgendjemandem, sei es ein Privater oder die öffentliche Hand) die Kosten für ihre Erhaltung getragen werden müssen. Am unmittelbar bedeutendsten für die öffentliche Hand ist schließlich, dass sie die ihr anfallenden Kosten für die Verwaltung eines reaktiven Systems recht gut planen und steuern kann: sie braucht schließlich nur so viel Personal und Ressourcen, als zur Verwaltung der bereits bekannten und durchschnittlich jährlich durch (mehr oder minder zufällige) Neuentdeckungen hinzukommenden signifikanten Denkmale notwendig ist, und kann dadurch, dass sie nur ein absolutes Minimum an personellen und anderen erforderlichen Ressourcen für die Beurteilung neu entdeckter, möglicherweise bedeutend sein könnender Denkmale bereitstellt, den jährlichen Zuwachs an erhaltenswerten Denkmalen gering halten. Wenn der österreichische Gesetzgeber also feststellt, es sei eine der „schwierigsten Aufgaben des Bundesdenkmalamtes, jene Auswahl in jenem Umfang für die Unterschutzstellungen zu treffen, die vom Fachlichen her erforderlich ist und vom Administrativen her bewältigt werden kann“ (RV 1999, 100 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? 39; Hervorhebung: RK), dann meint er genau das: das BDA hat nur so viele Denkmale unter Schutz zu stellen, als es mit den ihm von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellten Ressourcen auch tatsächlich verwalten kann. Stellt der Staat für die archäologische Denkmalpflege, wie bisher, dann durchschnittlich nur ca. 12-15 FachbeamtInnen ein, denen er auch nur ein sehr beschränktes Budget gibt, dann bringt er damit zum Ausdruck, wie viel archäologische Denkmalpflege seiner Meinung nach dafür ausreicht, um dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung archäologischer Denkmale gerecht zu werden. Diese Personalressourcen scheinen auch durchaus für die Verwaltung der etwa 1.100 bekannten, aufgrund ihrer besonderen Bedeutung schon unter Schutz gestellten und jährlich maximal etwa 500-700 zusätzlich (mehr oder minder zufällig) neu entdeckten und daher iSd § 9 Abs. 3 DMSG auf ihre Denkmalschutzwürdigkeit hin zu prüfenden archäologischen Denkmale ausreichend zu sein. Was der Gesetzgeber – und was die Denkmalpflege – wirklich wollte und will Es steht also außer Frage, dass der (und nicht nur der) österreichische Gesetzgeber keinen wirklich präventiven archäologischen Denkmalschutz will und wollte, sondern einen reaktiven Denkmalschutz. Denn er hat dem BDA ja nicht einmal ausreichende Mittel gegeben, um eine systematische archäologische Landesaufnahme durchzuführen, um wenigstens auf diesem Wege noch unbekannte, aber eventuell besonders bedeutende, archäologische Denkmale entdecken und somit einer Unterschutzstellung zuführen zu können. Mehr noch, er wollte und will bis heute nicht, dass alle archäologischen Funde und Befunde, egal wie bedeutend oder unbedeutend sie sind, um jeden Preis für ihn und die Allgemeinheit erhalten werden; nicht einmal alle bereits bekannten archäologischen Funde und Befunde, geschweige denn alle archäologischen Funde und Befunde die es gibt, inklusive aller noch unbekannten. Er wollte und will, dass sich die staatliche Denkmalpflege auf die Verwaltung und Erhaltung der wirklich besonders bedeutenden archäologischen Denkmale beschränkt; jener Denkmale, die derart bedeutend sind, dass ihre Erhaltung tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist; was nicht dasselbe ist wie das Interesse der (archäologischen) Denkmalpflege, alle archäologischen Funde und Befunde zu erhalten. Der Gesetzgeber hat aber auch nicht darauf vergessen, dass es durchaus auch Denkmale gibt bzw. geben kann, die (derzeit noch) unbekannt, aber dennoch so bedeutend sind, dass es, sobald sie bekannt werden, erforderlich wird, sie ebenfalls im öffentlichen Interesse zu erhalten. Daher hat er ursprünglich im DMSG 1923 Vorkehrung dafür getroffen, dass zuvor (wenigstens ihrem Finder) noch unbekannte Sachen, die – ob nun zufällig oder absichtlich – neu (wieder-) entdeckt werden und offenkundig derart beschaffen sind, dass sie – für jedermann erkennbar – bedeutende Denkmale sein dürften, dem BDA bekanntgemacht werden müssen, damit dieses in einem beschleunigten Verfahren beurteilen kann, ob diese neu entdeckten Sachen tatsächlich Denkmale sind. Daher hat er 1923 (in § 10 idF BGBl. 533/1923) bestimmt, dass die Fundstelle für ein paar Werktage (damals 4, heute 5) unverändert zu belassen ist und alle entdeckten (potentiellen) Denkmale vom Zeitpunkt ihrer Entdeckung an für ein paar Wochen (damals 4, heute 6) automatisch unter Denkmalschutz stehen, damit das BDA diese Beurteilung auch vornehmen kann. Nachdem er damit aber die von ihm durchaus erwünschte wissenschaftliche Erforschung noch unbekannter archäologischer Denkmale gravierend behindert hätte, hat er damals auch gleich zusätzlich (in § 11 BGBl. 533/1923) vorgesehen, dass Personen, die mit wissenschaftlichem Forschungszweck noch unbekannte Denkmale durch Ausgrabung zu entdecken versuchen (und damit dem BDA Arbeit abnehmen), vor Beginn ihrer Feldarbeit eine Erlaubnis vom BDA erhalten können. Eine solche Grabungserlaubnis ermächtigt(e) ihre Inhaber, ihre wissenschaftlichen Grabungen im geplanten Rahmen durchzuführen, ohne diese jedes Mal, wenn sie einen Fund mach(t)en, der ein besonders bedeutendes Denkmal sein könnte, für Tage, wenn nicht sogar Wochen, unterbrechen zu müssen. 101 Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat Diese grundsätzlich reaktive Lösung erschien und erscheint sicherlich bis heute dem Gesetzgeber als ausreichend, um den archäologischen Denkmalschutz zu erreichen, der aus Sicht des Gesetzgebers geeignet ist, um das öffentliche Interesse an der Erhaltung besonders bedeutender Denkmale ausreichend zu schützen. Er wollte und will nicht alle archäologischen Denkmale, inklusive aller noch unbekannten, unverändert in situ erhalten; sondern will, dass archäologische Denkmale entdeckt und erforscht werden; damit dann das BDA auf Basis gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse über diese – dann bereits bekannten – Denkmale beurteilen kann, ob jedes beliebige konkrete davon einen derart großen Nutzen für das Allgemeinwohl bringt, dass man es erhalten sollte, oder ob es das nicht tut und man es daher willkürlich zerstören darf. Dass das bedeutet, dass noch gänzlich unbekannte Denkmale erst dann geschützt werden können (und sollen), wenn sie entdeckt worden sind, folgt ebenso zwingend wie, dass jede solche Entdeckung, sofern sie nicht bei einer systematischen, präventiven archäologischen Landesaufnahme durch das BDA erfolgt, eine – aus Sicht des Staates – zufällige Entdeckung ist. Denn selbst der Wissenschafter, der eine geplante archäologische Ausgrabung durchführt, zu deren Durchführung er nicht vom BDA beauftragt wurde, folgt (wenigstens in der Regel) nicht einem staatlichen Plan zur präventiven Entdeckung bedeutender Denkmale zum Zweck ihrer Unterschutzstellung, sondern hat sich aus Sicht der staatlichen Planung zufällig dafür entschieden, seinen Forschungen dort nachgehen zu wollen, wo er ihnen eben nachgehen will (selbst wenn er darauf hofft, mit seinen Grabungen besonders bedeutende Denkmale zu entdecken, mittels derer er ihn besonders interessierende Forschungsfragen beantworten kann). Die grundsätzlich seit 1923 unverändert reaktive Struktur des DMSG erzwingt diesen Willen auch (ebenso wie die gleichartige Struktur des DSchG-BW und des HDSchG); wenigstens solange man das Rechtsstaatlichkeitsprinzip nicht außer Acht lässt und so tut, als ob Schrödingers Bürger Schrödingerische Gesetze in jedem konkreten Einzelfall richtig anwenden kann, weil er auf paranormalem Weg eine noch gar nicht feststehende zukünftige Einzelfallentscheidung korrekt vorhersagen kann. Dass das – Rechtsstaatlichkeit vorausgesetzt – auch zwingend bedeutet, dass nicht nur manche, sondern viele archäologische Funde und Befunde nicht nur durch das Gesetz nicht geschützt werden, sondern der Gesetzgeber ihren Verlust – auch wenn sie tatsächlich so bedeutend (gewesen) sein sollten, dass, hätte man sie rechtzeitig entdeckt und beurteilt, ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen wäre – sozusagen als niemals ausschließbares Restrisiko in Kauf nimmt, versteht sich von selbst. Schon wieder: die Wünsche der Denkmalpflege 1923 hatte die österreichische archäologische und allgemeinere denkmalpflegerische Fachwelt mit ihrer selektiven Sichtweise, was überhaupt ein besonders bedeutendes (archäologisches) Denkmal ist, das tatsächlich schutzwürdig ist, damit auch überhaupt kein Problem. Ganz im Gegenteil, unter den Umständen von 1923, mit einem Fachbeamten im BDA und der Angewiesenheit dieser damals noch jungen Behörde auf das Korrespondentennetz, das die k.k. Zentralkommission aufgebaut hatte, erschien dies der denkmalpflegerischen Fachwelt sicherlich als sehr geeignete Lösung (nicht zuletzt, weil das Gesetz ja auch tatsächlich auf Vorschlägen der Kommission aus dem späten 19. Jahrhundert beruhte; Pollak 2010, 84-5). Erst nach dem zweiten Weltkrieg kam es zu maßgeblichen Veränderungen, sowohl was die Umstände betraf, unter denen die archäologische Denkmalpflege operierte, als auch, was ihre Wünsche, Ziele und die Selektivität ihrer Bestimmung des Denkmalwertes archäologischer Denkmale betraf. Es änderte sich also (wenigstens zuerst selbst in Details) nicht das Gesetz (und schon gar nicht, bis heute nicht, seine grundsätzliche Struktur), es änderte sich, was wir wollten. 102 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Zum einen begann das BDA nach dem zweiten Weltkrieg das Korrespondentennetz nicht mehr aktiv zu pflegen bzw. langsam auslaufen zu lassen bzw. mehr oder minder gezielt abzubauen. Zwar blieben Reste davon erstaunlich lange erhalten: durch Korrespondenten des BDA – ob man sie jetzt noch so nannte oder nicht – durchgeführte Ausgrabungen, auch große, gab es durchaus noch bis in die 1970er Jahre. So z.B. stammt der mit Abstand längste Fundbericht in den Fundberichten aus Österreich 10, der über die Ausgrabung von 249 Bestattungen im Gräberfeld Mödling „goldene Stiege“ berichtet, von Hermann und Lotte Schwammenhöfer, zwei solchen kooperationswilligen BürgerInnen ohne einschlägigen Studienabschluss (BDA 1971, 102-27). Wohl nicht auch zuletzt aus diesem Grund sah man scheinbar in der ersten großen DMSG-Novelle von 1978 noch keinen wirklichen Bedarf dafür, von der 1923 gefundenen Regelung auch nur in Details abzugehen. Zum anderen verstand man nun aus Sicht der Archäologie aufgrund der Weiterentwicklung der Wissenschaft nicht mehr nur solche Sachen, die jedermann auch tatsächlich einigermaßen leicht als solche erkennen konnte, wie Burgruinen und anderes noch aufgehend erhaltenes, uraltes Mauerwerk, offensichtlich Jahrhunderte alte Wallburgen, Riesengrabhügel und außergewöhnlich gut erhaltene, museal ausstellungstaugliche Fundgegenstände, sondern alle beweglichen Kleinfunde – selbst wenn es nur völlig unspektakuläre Scherben grober, handgemachter Gebrauchskeramik oder auch absolut gängige römische Münzen waren – und Befunde – also die oftmals nur schwer erkennbare Schichtzusammensetzung des Erdbodens – ebenso wie ohne Sachverstand gar nicht als von Menschen geschaffene Bodenformationen erkennbare, unmerkliche Erhebungen oder Senkungen des Bodens als möglicherweise schützenswerte Denkmale. Es schien nun daher aus fachlicher Sicht erforderlich, auch all diese Sachen und auch die obertägig überhaupt nicht und selbst bei professionellen Ausgrabungen nicht immer einfach erkennbaren Befunde, in denen diese möglicherweise steckten (die man um 1920 noch praktisch überhaupt nicht als in situ erhaltenswerte Denkmale, sondern eben als wissenschaftlich interessante und daher soweit aussagekräftig zu dokumentierende Fundumstände erachtet hatte) zu schützen und zu erhalten; selbst wenn das, was der Durchschnittsbürger oberflächlich wahrnehmen konnte, nichts anderes als ein ganz gewöhnliches Feld war, das sich durch nichts von beliebigen anderen in seiner Umgebung unterscheiden ließ. Hinzu kam, dass (dem moderneren Fachverständnis zufolge) bedeutende archäologische Funde und Befunde überall vorkommen können, auch dort, wo man gar nichts davon bemerken kann. Es schienen nun also aus denkmalpflegerischer Sicht die reaktiven allgemeinen Schutzvorschriften für Funde von zuvor unbekannten Gegenständen nicht mehr ausreichend. Das war umso mehr so, als seit Beginn der 1970er das Hobby der Metallsuche zunehmend populär zu werden begann (Karl 2016b), und daher auch Personen, die über keinerlei fachlichen Sachverstand verfügten, nun einigermaßen leicht Metallfunde nicht nur von der Erdoberfläche aufsammeln, sondern auch unter der Erdoberfläche orten und damit auch aus dem Boden (und den Befunden, in denen sie womöglich noch steckten) bergen konnten. Damit schien es aus fachlicher Sicht nun auch nicht mehr zu genügen, dass der Bürger, der bei beliebigen Arbeiten aus beliebigen Gründen – inklusive Ausgrabungen zur Entdeckung von zuvor verborgenen Denkmalen – ein mögliches Denkmal entdeckte, diese Arbeiten einzustellen und das BDA von seiner Entdeckung zu informieren hatte. Denn eine zunehmende Anzahl von Bürgern führte nun Grabungen zur Entdeckung von Sachen aus, die zwar der Durchschnittsbürger nicht, die denkmalpflegerische Fachwelt jedoch sehr wohl, als mögliche Denkmale betrachtete, bei denen der Bürger auf Sachen – nämlich die Befunde – stoßen konnte, die die Fachwelt ebenfalls als möglicherweise schützenswerte Denkmale betrachtete, die der Durchschnittsbürger aber oft aufgrund seines fehlenden Sachverstandes gar nicht bemerkte und daher auch nicht entdecken und wie ein mögliches Denkmal behandeln konnte. 103 Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat Es schien also aus fachlicher Sicht einer präventiven Lösung der archäologischen Denkmalpflege zu bedürfen. Dafür schien sich das ursprünglich eigentlich zu einem ganz anderen Zweck, nämlich der Ermöglichung möglichst unbehinderter wissenschaftlicher Forschung, geschaffene Rechtsinstrument der vorausschauend erteilten Genehmigung geplanter archäologischer Bodeneingriffe des § 11 Abs. 1 DMSG, als probates Mittel anzubieten. Man musste schließlich nur die vorausschauende Genehmigungsmöglichkeit von wissenschaftlichen Ausgrabungen, bei denen die Entdeckung archäologisch bedeutender Denkmale zu erwarten war, zu einer allgemeinen Genehmigungspflicht aller Entdeckungsversuche umdeuten, bei denen archäologische Denkmale gefunden werden könnten. Damit schien es – wenigstens solange man das Rechtsstaatlichkeitsprinzip außer Acht ließ – möglich zu sein, den Zeitpunkt, an dem der gesetzliche Schutz für noch unbekannt im Verborgenen gelegene archäologische Denkmale zu greifen begann, vom Moment nach ihrer Entdeckung durch den Bürger, der Dinge übersehen kann, vor den Augenblick zu verschieben, an dem die Durchführung eines geplanten Entdeckungsversuchs begann, bei dem es zur – ob nun vorsätzlichen oder auch nur unbeabsichtigten – Zerstörung noch unbekannter archäologischer Denkmale kommen konnte. Um das zu erreichen, musste man nun aber das gesetzliche Pferd von hinten aufzäumen versuchen: präventiv kann man noch unbekannt im Verborgen liegende Denkmale nur vor geplanten Handlungen schützen, indem man eben alle Handlungen verbietet, durch die die Denkmale gefährdet werden könnten; wie ja schon oben gezeigt wurde. Das kann aber mit einem grundsätzlich nach dem reaktiven Prinzip aufgebauten Gesetz niemals funktionieren; wie ebenfalls schon oben gezeigt wurde. Eine grundsätzliche Änderung des Gesetzes zu einer wirklich präventiven Lösung wird man vom Gesetzgeber aus den ebenfalls schon oben genannten Gründen nie erwarten können; weil das den Gesetzgeber (und Private) eine Unmenge an Geld kostet und weder wirtschaftlich noch grundrechtlich ausreichend Kosten-Nutzen-effizient ist. Also musste man versuchen, es am Gesetzgeber so vorbei zu schummeln, dass er das nicht bemerkte. Die DMSG-Novelle 1990 Im österreichischen Recht hat man das in der „archäologischen“ Novelle des DMSG BGBl. 473/1990 zu erreichen versucht; und zwar indem man zwei kleine, kaum bemerkbare und auch auf den ersten Blick unverfängliche Veränderungen im Bereich der gesetzlichen Schutzvorschriften vorgenommen hat. Diese Veränderungen machten scheinbar aus einer allgemeinen Fundschutzbestimmung in Kombination mit einer forschungsermöglichenden Folgebestimmung zwei einander ergänzende „Fundschutzbestimmungen“; nämlich eben eine für „Zufallsfunde“ von Bodendenkmalen und eine für bei „absichtlichen“ Grabungen und sonstigen Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zweck ihrer Entdeckung und Untersuchung aufgefundenen Denkmalen. Die erste dieser beiden Änderungen ist die Einführung des neuen, maximal unbestimmten Rechtsbegriffs „Bodendenkmale“ im Wortlaut des § 9 Abs. 1 idF BGBl. 473/1990. Diese Bestimmung hatte, wie schon weiter oben ausgeführt, bis dahin seit 1923 unverändert von „bisher verborgene[n] Gegenstände[n]“ gesprochen, „die infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit offenkundig den Beschränkungen dieses Gesetzes unterliegen“ (§ 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923, Hervorhebung: RK); hatte also eindeutig auf Sachen abgestellt, die für jedermann erkennbar zweifelsfrei Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG waren. Nun wurde diese Bestimmung dahingehend abgeändert, dass sie den Anschein einer Legaldefinition erweckte, die alle „Gegenstände, die infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit offenkundig den Beschränkungen dieses Gesetzes unterliegen könnten (Bodendenkmale)“ (§ 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 473/1990) umfasste. Ich sage hier Anschein einer Legaldefinition, weil sie, wenn sie tatsächlich eine wäre, systematisch nichts im Bereich der Schutzvorschriften des Gesetzes verloren hat, sondern in 104 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? den Teil der Begriffsbestimmungen und der damit verbundenen Abgrenzung des Geltungsbereichs des DMSG gehört hätte; aber dort dann auch viel eher als massive Erweiterung des Anwendungsbereichs des DMSG aufgefallen wäre. In den Schutzvorschriften wirkt sie hingegen nur wie eine geringfügige sprachliche Neufassung dessen, was ohnehin schon vorher im Gesetz gestanden ist, und wird daher auch in der Regierungsvorlage überhaupt nicht weiter erwähnt (RV 1990, 19). Tatsächlich stellt sie jedoch nicht nur eine kleine, sondern eine massive Änderung dar. Denn diese Bestimmung stellt nun eben nicht mehr nur auf solche Sachen ab, die für jedermann erkennbar zweifelsfrei Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG sind, sondern auf nahezu alle Sachen schlechthin: schließlich könnten alle Sachen Denkmale iSd § 1 Abs. 1 sein; es ist also gerade nicht mehr für jedermann weitgehend zweifelsfrei erkennbar, ob eine beliebige, konkrete Sache tatsächlich ein Denkmal ist, auf das iSd § 1 Abs. 1 die Bestimmungen des DMSG Anwendung finden, weil es zur Bestimmung dieser Tatsache besonderen Sachverstandes bedarf (Karl et al. 2017, 111-2), der vom Durchschnittsbürger nicht erwartet werden kann. Man hat also durch diese kleine, unauffällige und nicht einmal in der Regierungsvorlage näher erläuterte, „sprachliche Anpassung“ des Wortlautes des § 9 Abs. 1 idF BGBl. 473/1990 scheinbar – wenn auch nur unter Aufgabe des Rechtsstaatlichkeitsprinzips – die Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 9 idF BGBl. 473/1990 und seiner Rechtsfolgen von Sachen, die jeder weitgehend zweifelsfrei als Denkmale erkennen konnte, auf welche iSd § 1 Abs. 1 die Bestimmungen des DMSG Anwendung finden, auf nahezu alle Sachen ausgedehnt. Die zweite, scheinbar ebenso kleine und ebenso unauffällige – und daher ebenfalls in der Regierungsvorlage (RV 1990, 19) nicht einmal erläuterte –, Änderung war die Einfügung des Begriffs „Zufallsfunde“ nahezu unmittelbar nach Ende der scheinbaren Legaldefinition des Begriffs Bodendenkmale. Das diente offensichtlich zweierlei Zweck: erstens wurde dadurch scheinbar eine Definition des Anwendungsbereichs der Bestimmungen des § 9 DMSG idF BGBl. 473/1990 und seiner Rechtsfolgen gem. § 10 vorgenommen, der eben auf zufällig entdeckte Funde beschränkt wurde; zweitens wurde damit eine offensichtliche Gesetzeslücke generiert, die aber scheinbar ohnehin durch die ebenfalls schon zuvor im Gesetz enthaltenen Bestimmungen des § 11 Abs. 1 gefüllt wurde, nämlich die Genehmigungspflicht für die absichtliche Entdeckung von Funden bei Grabungen „und sonstige[n] Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung von beweglichen und unbeweglichen Denkmalen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ (§ 11 Abs. 1 idF BGBl. 473/1990). Das wird nun auch in der Regierungsvorlage – wenn auch nur kurz – genauer erläutert, um auch ja keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, warum diese NFG-Pflichtbestimmung auch wirklich parallel zu den Bestimmungen der §§ 9 und 10 erforderlich ist: nachdem §§ 9 und 10 hauptsächlich, wenn auch nicht ausschließlich, für Zufallsfunde gelten würden, würden die Bestimmungen des § 11 das Vorgehen bei wissenschaftlichen Grabungen regeln und daher nun auch – erstmals im Gegensatz zu früheren Fassungen des Gesetzes – Bestimmungen zu Melde-, Berichts- und sonstigen Pflichten bei der Durchführung solcher Grabungen regeln (RV 1990, 20). Dafür bestand natürlich unter früheren Fassungen des Gesetzes überhaupt kein Bedarf, weil diese früheren Fassungen eben gerade nicht zwischen zufälligen und absichtlichen Funden von Denkmalen unterschieden und daher völlig klar war, dass die Meldepflichten des § 9 Abs. 1 idF BGBl. 533/1923 und BGBl. 167/1978 samt deren Rechtsfolgen nach § 10 auch für Funde bei wissenschaftlichen Grabungen wenigstens sinngemäß anzuwenden waren; weil die Grabungserlaubnis bzw. ab 1978 -bewilligung gem. § 11 Abs. 1 nur die im Fall der Entdeckung von Denkmalen erforderliche Erlaubnis zur Fortsetzung der Arbeiten gem. § 10 Abs. 1 vorweg erteilte. Aber nachdem das konkrete Ziel dieser geringfügigen Wortlautanpassungen war, aus einer forschungsermöglichenden Vorabgenehmigungsmöglichkeit eine die archäologische „Forschung“ staatlicher Kontrolle unterwerfende Bewilligungspflicht zu machen (siehe dazu noch 105 Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat genauer weiter unten Seiten 226-307), musste verschleiert werden, dass hier neuerlich eine massive Gesetzesänderung vorgenommen wurde; und das ging wohl am besten dadurch, dass man durch Kontrastierung mit den Schutzbestimmungen für Zufallsfunde der §§ 9 und 10 scheinbar nachvollziehbar erläuterte, warum man die Bestimmungen des § 11 brauchte. Dabei ging es allerdings eigentlich gar nicht um eine staatliche Kontrollmöglichkeit wissenschaftlicher Ausgrabungen, die man schließlich schon gem. § 11 Abs. 2 DMSG idF BGBl. 533/1923 gehabt hatte. Worum es eigentlich ging, verraten vielmehr erst die nächsten beiden Sätze in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Novelle 1990, die sich nun konkret auf die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 idF BGBl. 473/1990 beziehen: „Zu den "Nachforschungen" gehört auch die Verwendung eines Metallsuchgerätes. Die Möglichkeit der Verleihung von Grabungsgenehmigungen wird von einer entsprechenden Vorbildung abhängig gemacht.“ (RV 1990, 20). Es ging nicht um die ohnehin schon zuvor bestanden habende Kontrollmöglichkeit wissenschaftlicher Ausgrabungen. Es ging um bzw. gegen die „Raubgräber“. Der Grund für das alles war, wie schon erwähnt, dass das BDA versucht hatte, einen Metallsucher wegen eines vermuteten Verstoßes gegen die Bestimmungen der Grabungsgenehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 167/1978 bestrafen zu lassen; aber damit in der letzten Instanz gescheitert war, weil der Tatverdächtige konsistent behauptet hatte, gar nicht nach den 8 römischen Münzen gegraben, sondern diese vielmehr von der Erdoberfläche aufgelesen zu haben (VwGH 24.6.1985, 84/12/0213). Sie beginnen zu sehen, wie sich der Kreis schließt. Die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG als archäologisches Denkmalschutzinstrument Man hatte mit diesen Änderungen nun also scheinbar eine Rechtslage konstruiert, bei der die – numerisch vernachlässigbaren – Zufallsfunde auf reaktive Art, die – extrem häufig vorkommenden – gezielten Nachforschungen zur Entdeckung von Bodenfunden hingegen auf präventive Art geregelt worden waren. Nur um dieses Verhältnis zu illustrieren: soweit sich das aus den FÖ 53 (BDA 2014) ableiten lässt, gab es 2014 insgesamt 14 einigermaßen eindeutig als echte Zufallsfundmeldungen identifizierbare Fundmeldungen, von denen aber 6 solche waren, bei denen der Zeitpunkt der Entdeckung teilweise schon mehrere Jahrzehnte zurücklag. Soweit sich das von mir feststellen ließ, wurde kein einziger der dabei entdeckten beweglichen Kleinfunde unter Denkmalschutz gestellt, d.h. keinem davon scheint eine derartige Bedeutung zugekommen sein, dass seine Erhaltung im öffentlichen Interesse gewesen wäre. Von den insgesamt 212 im Jahr 2014 beim BDA eingegangenen Fundmeldungen, die nicht aus gem. § 11 Abs. 1 DMSG genehmigten archäologischen Maßnahmen hervorgingen, stammten wenigstens 68 eindeutig erkennbarerweise, mutmaßlich aber deutlich mehr, aus mehr oder minder systematischen, teilweise durch Mitarbeiter des BDA selbst durchgeführten, Begehungen zur Entdeckung von Oberflächenfunden, bei denen offenbar keine Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 beantragt worden war, die aber das BDA dennoch nicht bei den Strafverfolgungsbehörden zur Anzeige gebracht zu haben scheint. Die überwältigende Mehrheit dieser Begehungen wäre daher vermutlich im Sinne der vom BDA im hier zuerst diskutierten Fall BVwG vom 11.9.2017, W183 2168814-1/2E, vertretenen Rechtsmeinung, dass auch Begehungen zur Aufsammlung von Oberflächenfunden der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG unterworfen sind, zu den genehmigungspflichtigen Maßnahmen zu rechnen gewesen. Für die weiteren Erwägungen wird davon ausgegangen, dass das Verhältnis von 14:68 (= 1:4,86) von Zufallsfundmeldungen zu Fundmeldungen von Begehungen zur Fundaufsammlung für alle 2014 eingegangenen Fundmeldungen gilt, was eine hochgerechnete Anzahl von 36 106 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Zufallsfundmeldungen und 176 Fundmeldungen von nach damaliger Rechtsansicht des BDA NFGpflichtigen Begehungen ergibt. Den Ersteren stehen im Jahr 2014 zusätzlich zu den Letzteren jedenfalls wenigstens 625 professionell geplante archäologische Maßnahmen gegenüber, von denen 86 amtswegige Maßnahmen des BDA gem. § 11 Abs. 2 DMSG idF BGBl. I 170/1999 gewesen zu sein scheinen, also 539 nach Rechtsansicht des BDA genehmigungspflichtig waren (BDA 2014, 163). In Summe ergibt das also 801 geplante Maßnahmen, von denen 539 genehmigt wurden und 715 wenigstens nach damaliger Rechtsansicht des BDA genehmigungspflichtig gewesen sein müssten. Ob irgendwelche dieser Entdeckungen zur Unterschutzstellung von Fundstellen geführt haben, lässt sich für mich nicht nachvollziehen; viele waren es aber sicherlich nicht, eventuell sogar keine einzige. Dazu kommen aber noch alle von Metallsuchern unternommenen Nachforschungen, sowie alle Nachforschungen von ohne Metallsuchgerät nach Oberflächenfunden suchenden Heimatforschern, die keine Fundmeldungen abgegeben haben. Die Zahl der Letztgenannten lässt sich nicht abschätzen und muss daher vernachlässigt werden. Aus Mitgliederzahlen von Internet-Diskussionsforen für Metallsucher lässt sich allerdings ableiten, dass es schon 2014 jedenfalls wenigstens 2.000 aktive Metallsucher in Österreich gegeben haben muss (Karl & Möller 2016, 217-8). Aus einschlägigen Umfragen in der „Szene“ lässt sich ableiten, dass jeder Metallsucher an durchschnittlich ca. 56 Tagen im Jahr für jeweils durchschnittlich ca. 3,9 Stunden im Feld unterwegs ist (Achleitner 2011, 2). Sieht man einmal davon ab, dass für alle diese Metallsuchen durch nicht graduierte Archäologen eine NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG idF BGBl. I 170/1999 gar nicht mehr erteilt werden kann, würde das, wenn man jeden Metallsucher-Suchtag als jeweils eine geplante „archäologische Maßnahme“ betrachtet, eine Summe von wenigstens ca. 112.000 weiteren NFG-pflichtigen Nachforschungshandlungen ergeben. Damit würden in Summe ca. 36 Handlungen, bei denen es im Jahr 2014 zu Zufallsfunden iSd. § 8 Abs. 1 DMSG igF (von denen letztendlich kein einziger denkmalschutzwürdig war) gekommen ist, wenigstens ca. 112.800 geplante Handlungen gegenüberstehen, die der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF unterlegen wären; ein Verhältnis von ca. 1:3.133. Wie viele der dabei getätigten Entdeckungen unter der Rechtslage vor den Änderungen des DMSG durch BGBl. 473/1990 der Meldepflicht des damaligen § 9 Abs. 1 samt deren Rechtsfolgen unterlägen hätten, lässt sich natürlich nicht bestimmen; ebenso wie sich nicht exakt sagen lässt, für wie viele davon eine VorabGrabungsgenehmigung gem. § 11 Abs. 1 idF BGBl. 533/1923 bzw. BGBl. 167/1978 (im Sinne des auf Seiten 15–26 ausgeführten) sinnvoll gewesen wäre. Geht man dennoch im Sinn eines Gedankenexperiments davon aus, dass bei allen diesen Handlungen meldepflichtige Denkmale iSd § 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923 bzw. BGBl. 167/1978 entdeckt wurden, wovon aber nur maximal 539 geplante wissenschaftliche archäologische Maßnahmen waren; wäre unter der alten Rechtslage vor der Novelle von 1990 das Verhältnis von bloß gem. § 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923 bzw. BGBl. 167/1978 meldepflichtigen Funden und geplanten Entdeckungen, bei denen eine VorabEinholung einer Grabungserlaubnis möglicherweise sinnvoll gewesen wäre, etwa 228:1 gewesen. De facto haben also die vom Wortlaut her geringfügigen, von der Bedeutung für die Praxis aber absolut massiven, Veränderungen in der Novelle des DMSG durch BGBl. 473/1990 dazu geführt, dass die Bestimmungen der §§ 9 und 10 idF BGBl. 533/1923 bzw. BGBl. 167/1978, die eigentlich vom Gesetzgeber als primäres denkmalrechtliches Schutzinstrument für zuvor noch unbekannte Gegenstände, die Denkmale iSd § 1 Abs. 1 sind, vorgesehen gewesen waren, praktisch vollkommen irrelevant geworden sind: 2014 dürfte kein einziges Denkmal entdeckt worden sein, das des Schutzes der Bestimmungen der §§ 8 und 9 idF BGBl. I 170/1999 bedurfte; und in den 24 Jahren davor scheint das nicht anders gewesen zu sein. Man könnte sich die Schutzbestimmungen für „Zufallsfunde“ iSd § 107 Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat 9 Abs. 1 idF BGBl. 473/1990 bzw. § 8 Abs. 1 idF BGBl. I 170/1999 samt ihren Rechtsfolgen also eigentlich komplett sparen, weil die Eintrittswahrscheinlichkeit des Ereignisses, für das diese Bestimmungen vorgesehen sind, so niedrig ist, dass es seit 1990 kein einziges Mal eingetreten zu sein scheint. Stattdessen wurde die eigentlich als Sonderregelung für Fälle von geplanten wissenschaftlichen Nachforschungen – bei denen man wenigstens im Normalfall damit rechnen kann, dass hohe fachliche Standards eingehalten werden – gedachte Vorab-NFG-Möglichkeit zum primären, ja in der Praxis einzigen, denkmalrechtlichen Schutzinstrument gemacht. Dieses müsste man jetzt theoretisch auf 99.97% aller möglicherweise beabsichtigten oder tatsächlich vorkommenden Entdeckungen anwenden, wobei in der absolut überwältigenden Mehrheit aller Fälle tatsächlich keine Sachen entdeckt werden, die von derart beschaffener Bedeutung sind, dass ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen wäre. Und – was vielleicht am schlimmsten ist – die, die man damit daran hindern wollte, dass sie überhaupt nach archäologischen Sachen im Boden suchen – die Metallsucher – halten sich sowieso nicht daran und können auch, wenn man einmal doch einen erwischt, in der Regel dennoch für ihr angeblich illegales Tun nicht bestraft werden, weil das Rechtsstaatlichkeitsprinzip das verhindert. D.h. letztendlich war dieses ganze Theater, wie man das auf Österreichisch ausdrücken würde, weitgehend für die Katz. Selbstwidersprüche und schädliche Wirkungen Schlimmer noch, man hat dadurch, dass man versucht hat, den dummen Gesetzgeber auszutricksen, um etwas zu bekommen, was er nicht, aber man selbst sehr wohl will, eine ganze Latte an Problemen erzeugt, die nicht nur der Rechtsstaatlichkeit, sondern insbesondere noch verborgenen Denkmalen zum Schaden gereichen. Denn natürlich konnte man dem Gesetzgeber nicht sagen, dass man eigentlich nur Metallsucher generell von der Ausübung ihres Hobbys abhalten wollte; d.h. auch dort, wo es noch nicht einmal Hinweise darauf gibt, dass bekanntermaßen bedeutende Denkmale vorkommen. Dazu hätte man ihm nämlich, um das sachlich begründen zu können, verraten müssen, dass man entgegen seines Willens nicht nur wirklich bedeutende Denkmale schützen wollte, sondern einfach alle bekannten und unbekannten (archäologischen) Sachen, egal wie gering ihre Bedeutung ist, selbst dort, wo es wahrscheinlich gar keine zu finden gibt; und dazu hätte er nein gesagt. Das ging also nicht. Die Wahrheit sagen konnte man ihm aber auch nicht, weil hätte man das, wäre ein spezifisches Metallsuchverbot unmittelbar als die ungerechtfertigte Diskriminierung einer bestimmten Personengruppe aufgrund denkmalpflegerischer Vorurteile erkennbar gewesen, die sie auch tatsächlich ist; und wäre somit ebenfalls dem Gesetzgeber nicht abzuringen gewesen. Man musste das Verbot, das man wollte, also in einem weitreichenderen Verbot verstecken, das sich wenigstens bei oberflächlicher Betrachtung als sachlich gerechtfertigt verkaufen ließ. Nachdem die Metallsuche nicht wirklich mit Bau- oder anderen größeren Erdarbeiten vergleichbar war, blieb eigentlich nur die archäologische Forschung, deren primäre Forschungsmethode, die Ausgrabung, notwendigerweise in die Substanz von Denkmalen eingreift und daher dem Gesetzgeber gut als „Gefährdung“ der physischen Erhaltung von Denkmalen, auf die das DMSG iSd § 1 Abs. 1 primär abstellt, verkauft werden konnte. Genau das schien man durch die Umdeutung der Grabungsgenehmigungsmöglichkeit des § 11 Abs. 1 DMSG in ein Forschungsverbot mit Befreiungsvorbehalt erreichen zu können; also tat man das auch. 108 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Damit musste man nun aber zwangsweise die gesamte archäologische Feldforschung – inklusive der nicht-invasiven – diesem Forschungsverbot unterwerfen. Denn schließlich lässt sich sachlich nicht zwischen einer geophysikalischen Prospektion, die zur Grabungsvorbereitung, und einer Metallsuche, die zur Fundvorbereitung, durchgeführt wird, unterscheiden: beide Nachforschungsmethoden greifen selbst offensichtlich nicht in den Erdboden ein können daher per se noch im Erdboden verborgene Denkmale nicht gefährden und dienen beide zur Vorbereitung einer invasiven Folgehandlung, durch die dann solche Denkmale tatsächlich verändert und zerstört werden könnten. Aus rechtlicher Sicht bedeutet das, dass beides der gleiche Sachverhalt ist, der daher im Sinne des sich aus dem Gleichheitsgrundsatz der Bundesverfassung ableitenden Sachlichkeitsgebots (Karl 2018b) auch gesetzlich gleichbehandelt werden muss. Will man also die denkmalschutzgesetzliche NFG-Pflicht für alle Metallsuchen anwenden, egal wo diese stattfinden, muss man sie zwingend ebenso für alle sachlich gleichen archäologischen Nachforschungen anwenden, egal wo diese stattfinden. Ergo: alle archäologische Feldforschung muss der NFG-Pflicht unterworfen werden. Das führt aber nun zwingend zu massiven „Wertungswidersprüchen“ im Gesetz. Denn in Bezug auf alle anderen Handlungen außer „Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung“ (§ 11 Abs. 1) war und blieb das DMSG ein nach dem reaktiven Prinzip aufgebautes und funktionierendes Gesetz. Das bedeutet aber, dass jede potentiell noch im Verborgenen gelegene Denkmale gefährden könnende Handlung, die nicht mit Entdeckungszweck geplant wurde – wie eben z.B. Erdarbeiten bei Bauarbeiten – weiterhin nur dann den Schutzbestimmungen des DMSG unterlag und unterliegt, wenn sie tatsächlich gem. §§ 2a oder 3 geschützte Denkmale betrifft; wenigstens so lange nicht „zufällig“ dabei Sachen entdeckt werden, die gem. § 8 Abs. 1 igF meldepflichtig sind und daher die Rechtsfolgen des § 9 igF auslösen. Das führt aber nun zu der absurden Situation, dass ein an sich schon bekanntes, aber nicht gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschütztes, Denkmal jederzeit von jedem, der zur Nutzung des Grundstücks, auf dem es sich befindet, berechtigt ist, wissentlich und willentlich, d.h. vorsätzlich, zerstört werden darf; denn gem. § 4 Abs. 1 ist nur die Zerstörung und Veränderung geschützter Denkmale verboten, nicht die solcher Sachen, die nicht unter Denkmalschutz stehen. Was hingegen – ohne Genehmigung des BDA gem. § 11 Abs. 1 – strengstens verboten ist, ist ebendieses bekannte, aber nicht geschützte Denkmal vorsätzlich wissenschaftlich zu untersuchen. Ebenso ist es Verfügungsberechtigten gesetzlich erlaubt, mit dem Bagger auf einem Grundstück, von dem noch keinerlei Hinweise auf das Vorhandensein irgendwelcher Denkmale vorliegen, herumzufuhrwerken und wilde Löcher zu graben, wie es ihm beliebt. Was er hingegen – vorausgesetzt er hat kein Archäologiestudium abgeschlossen, das ihn zur Beantragung einer NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG igF berechtigt – auf gar keinen Fall darf, ist vorher dieses Grundstück mit ihm genehmen Nachforschungsmethoden zu untersuchen, um festzustellen, ob sich dort nicht vielleicht doch zuvor noch unbekannte Denkmale befinden. Das wirklich Tragische dabei ist, dass das keine hypothetischen Erwägungen sind, sondern bittere Realität. Das beweist nicht zuletzt z.B. der Fall der frühmittelalterlichen Grabhügel im Zirkenauer Wald (Abb. 5), die 1918 von Kyrle (1919) erstmals dokumentiert wurden, von den Professoren Ruprechtsberger (2003) und Urban zwischen 2000 und 2002 mit NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG rechtmäßig teilweise ausgegraben und 2015 ebenso rechtmäßig vom Grundeigentümer zum Zweck der Aufschüttung eines Forstwegs Großteils zerstört wurden (Krieglsteiner 2015). Das ist natürlich offensichtlich eine Patendlösung (Watzlawick 2001, 7-8): um unbekannte Denkmale vor der möglicherweise von ihrer Entdeckung ausgehenden Gefahr der Zerstörung zu schützen, hat man ihre vorsätzliche Entdeckung verboten; ihre vorsätzliche Zerstörung aber weiterhin erlaubt gelassen. „Operation erfolgreich, Patient tot“ (Watzlawick 2001, 8). 109 Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat Abb. 5: Die Grabhügelgruppe im Zirkenauer Wald (Gemeinde Engerwitzdorf, OÖ) vor (links) und nach (rechts) ihrer rechtmäßigen Zerstörung durch den Grundeigentümer im Jahr 2015 (Feldskizzen: © C. Steingruber2015). Aber das ist keineswegs die einzige Folge dieses rechtlichen Kuddelmuddels: es hat sogar der gefinkelte Jurist bemerkt, der sich diesen gesetzlichen Lösungsversuch ausgedacht hat, dass sich vielleicht nicht alle Normunterworfenen an die neue gesetzliche Regelung halten und insbesondere die bösen Metallsucher die gesetzliche NFG-Pflicht zu umgehen versuchen könnten – z.B. indem sie behaupten, dass sie zwar vorsätzlich nach irgendwelchen Sachen, aber nicht konkret nach Denkmalen gesucht hätten – und sich daher weder an die Fundmeldepflicht des § 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 473/1990 bzw. § 8 Abs. 1 igF noch die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 idF BGBl. 473/1990 oder I 170/1999 halten müssten. Unter der vorhergehenden Lösung konnte es zu diesem Problem gar nicht kommen, weil ja bei jeder Entdeckung eines Denkmals automatisch die Bestimmungen des §§ 9 Abs. 1 idF BGBl. 533/1923 bzw. BGBl. 167/1978 samt dessen Rechtsfolgen gem. § 10 gegriffen hätten, weil damit nicht nur auf Zufallsfunde, sondern auf alle Funde gleichermaßen abgestellt worden war. Um die Gesetzeslücke, die sich durch die Novelle möglicherweise aufgetan hätte, gleich von vornherein wieder zu schließen, musste also ans Ende des § 10 idF BGBl. 473/1990 bzw. § 9 igF eine zusätzliche Bestimmung angehängt werden, dass die Schutzbestimmungen dieses Paragrafen eben doch nicht nur für Zufallsfunde, sondern auch bei vorsätzlichen Nachforschungen iSd § 11 Abs. 1 gelten, die entgegen der Bestimmungen des § 11 durchgeführt worden waren. Es bedarf nun aber wahrhaftig keines genialen Psychologen, zu erkennen, dass man jemanden, der gerade bei vorsätzlichen Nachforschungen die gesetzlichen Schutzbestimmungen des § 11 DMSG missachtet hat, nicht durch eine doch nicht nur für Zufallsfunde geltende gesetzliche Schutzbestimmung, die ihn zur sofortigen Einstellung aller Arbeiten im Fall der Entdeckung eines Denkmals verpflichtet, dazu wird motivieren können, das von ihm soeben rechtswidrig entdeckte Denkmal nun doch nicht auszugraben, sondern unverändert an Ort und Stelle zu belassen. Statt zu erreichen, dass sich Metallsucher nun endlich an das Gesetz halten würden, war das einzige, was dadurch erreicht wurde, dass sie nun in einer unausweichlichen rechtlichen Zwickmühle stecken. 110 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Unter der vorhergehenden Regelung war die Situation für Metallsucher ebenso wie für jeden anderen, eindeutig und einfach: wenn du etwas findest, was für jedermann erkennbar ein Denkmal ist, musst du unmittelbar alle Arbeiten am Fundort einstellen und dem BDA eine Fundmeldung erstatten, wenn es dir nicht schon vorab erlaubt hat, im Fall der Entdeckung eines Denkmals trotzdem weiterzuarbeiten. Solange du das tust, handelst du rechtmäßig und brauchst keine Bestrafung zu fürchten; weil der Staat will von solchen Denkmalfunden wissen, damit er sie dann schützen kann. Unter der neuen Regelung war die Situation hingegen viel komplizierter und selbstwidersprüchlich: wenn du vorsätzlich etwas suchst, ohne dass dir das BDA das zuvor erlaubt hat, musst du, wenn du irgendetwas findest, von dem du gar nicht wissen kannst, ob es ein Denkmal ist, unmittelbar alle Arbeiten am Fundort einstellen und dem BDA eine Fundmeldung erstatten. Aber selbst wenn du die Arbeiten einstellst und Fundmeldung erstattest, wirst du aller Wahrscheinlichkeit nach bestraft werden, weil der Staat zwar von solchen Funden wissen will, damit er sie schützen kann, aber du ja nicht suchen hättest dürfen und daher sowieso schon rechtswidrig gehandelt hast, als Du etwas gefunden hast. Damit untergräbt die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF jedoch die Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 igF: die Fundmeldung kommt in diesem Fall schließlich einer Selbstanzeige für eine Verwaltungsübertretung gleich; daher wird kein auch nur halbwegs vernünftiger Mensch, der trotz des gesetzlichen Nachforschungsverbotes sucht, die Fundmelde- und damit verbundenen Arbeitseinstellungspflichten bei der Entdeckung irgendeiner beliebigen Sache befolgen, die ein Denkmal sein könnte. Das wäre, wenn man ein durchgehend nach dem präventiven Prinzip funktionierendes Denkmalschadensvorbeugungsgesetz hätte, bei dem man auf Fundmeldungen wenigstens theoretisch nicht angewiesen ist, eventuell kein besonderes Problem. Bei einem nach dem reaktiven Prinzip aufgebauten Denkmalschutzgesetz hingegen, bei dem man – vor allem, nachdem die Regierung die für seinen Vollzug zuständige Behörde an einer so extrem kurzen finanziellen Leine hält, dass diese gar nicht selbst systematische archäologische Landesaufnahme betreiben kann, um bislang noch unbekannte Denkmale entdecken zu können, bevor sie durch irgendetwas gefährdet werden könnten – auf Zufallsfundmeldungen absolut angewiesen ist, weil man nur durch diese von zuvor unbekannten Denkmalen erfahren kann, die man eventuell schützen sollte, ist es hingegen nachgerade vertrottelt, gerade für jene Bürger, die tatsächlich die meisten möglichen Denkmale entdecken, die Fundmeldung durch eine damit verbundene Strafandrohung so extrem unattraktiv zu machen, dass diese ganz bestimmt überhaupt nichts mehr melden. Ein Gesetz, die man gar nicht mehr rechtmäßig anwenden kann Damit hat sich die staatliche Denkmalpflege also de facto nicht etwa ins Knie, sondern gleich ordentlich in den Kopf, geschossen. Sie hat sich ein Kartenhaus aus Lügenmärchen zusammengestrickt, um am entgegengesetzten Willen des Gesetzgebers vorbei ihre eigenen Wünsche doch irgendwie durchsetzen zu können, und sich dabei – wie es häufig ist, wenn man ein immer komplizierteres Lügengebäude zusammenbauen muss, weil man Konflikte zwischen den ursprünglichen Unwahrheiten und der beobachtbaren Wirklichkeit irgendwie weg zu erklären versuchen muss, wofür man zusätzlicher Lügen bedarf – so gravierend in fundamentale Widersprüche verstrickt, dass dabei letztendlich vorne und hinten gar nichts mehr zusammenpasst. Resultat davon ist nicht ein besser funktionierender Denkmalschutz, sondern nur ein Denkmalschutzgesetz, das man gar nicht mehr rechtmäßig anwenden kann. Damit man ein solches Gesetz überhaupt noch anwenden kann, muss man aufgrund all der ihm innewohnenden Selbstwidersprüchlichkeiten beginnen, es in jeder konkreten Situation so zu drehen, zu wenden und wenigstens zu biegen, wenn nicht sogar zu brechen, dass es doch irgendwie zu passen scheint, auch wenn es das gar nicht tut. Illustrieren wir das wieder am leidigen „Problem“ der 111 Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat Metallsuche durch Laien, das, um das hier auch einmal zu sagen, (inzwischen) allen – d.h. Ihnen, der archäologischen Fachwelt insgesamt, der Denkmalpflege, aber auch den Metallsuchern selbst und auch mir, wenn auch vielleicht in manchen Fällen aus unterschiedlichen Gründen – sowas von zum Hals heraushängt, dass man das schon gar nicht mehr in Worte fassen kann. Es ist aber leider dennoch unvermeidlich noch einmal darauf zurückzukommen, weil es nicht nur das beste Beispiel dafür ist, zu zeigen, dass das Gesetz unmöglich rechtmäßig anzuwenden ist, sondern das Gesetz überhaupt nur aufgrund dieses „Problems“ unanwendbar gemacht worden ist. Nachdem das Gesetz wenigstens aus Sicht der archäologischen Denkmalpflege das „Problem“ der Metallsuche durch Laien lösen soll, muss man es so anwenden können, dass man Metallsucher, die man bei der Ausübung ihres Hobbys erwischt hat, auch tatsächlich möglichst bestrafen kann. Denn kann man Täter nicht bestrafen, entfaltet ein gesetzliches Verbot keine generalpräventive Wirkung; und tut es das nicht, kann man es sich gleich ganz sparen. Nun ist es aber enorm schwierig, Metallsucher auf frischer Tat zu ertappen. Es ist schon die Wahrscheinlichkeit enorm gering, dass Metallsucher überhaupt bei ihrem Hobby von jemandem beobachtet werden, der erkennt, was sie tun, glaubt, dass das, was sie tun, verboten ist, und sie dann auch noch so dafür anzeigt, dass man sie auch nur ausforschen, geschweige denn in flagranti ertappen kann. Die Wahrscheinlichkeit, sie nicht nur in situ zu ertappen, sondern sie in dem Moment zu erwischen, in dem sie gerade ein Loch in den Boden graben und tatsächlich dabei ein auch nur möglicherweise schützenswertes Denkmal entdecken, ist praktisch gleich Null. Muss man ihnen also nachweisen, dass sie nicht nur gegraben haben, sondern dabei auch tatsächlich etwas gefunden haben, von dem sie ex ante wussten oder wenigstens wissen hätten müssen, dass es sich um ein Denkmal handelt, nach dem sie – das Problem mit dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip einmal beiseitelassend – nicht vorsätzlich graben hätten dürfen, kann man sich das gleich sparen, weil das praktisch nie funktioniert. Man muss also, um auch nur irgendeine Aussicht darauf zu haben, Metallsucher auch tatsächlich erwischen und bestrafen zu können, die gesetzliche NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 so extrem weit als irgendwie möglich auszulegen versuchen. Schließlich kann ein ertappter Metallsucher ja immer behaupten, gar nicht vorsätzlich nach Denkmalen gesucht zu haben, sondern nach irgendwelchen anderen Sachen, wie z.B. seinem verlorenen Schlüsselbund; und/oder auch gar nichts gefunden zu haben, was ein Denkmal sein könnte. Um diesen „Ausreden“ vorbeugen zu können, muss man daher letztendlich wenigstens auf den Eventualvorsatz, noch besser aber auf die bloße Fahrlässigkeit ausweichen. Dann genügt es nämlich schon, dass er wissen hätte müssen, dass er etwas finden hätte können, egal ob er tatsächlich Denkmale finden wollte oder gefunden hat, um ihn bestrafen zu können. Aber selbst dann kann er, wenn man ihn nicht wirklich gerade beim Graben erwischt hat, immer noch behaupten, dass er gar nicht gegraben, sondern nur Oberflächenfunde aufgelesen habe, und käme damit immer noch ungeschoren davon. Also muss man die NFG-Pflicht auch auf rein auf die Entdeckung von Oberflächenfunden ausgerichtete Handlungen ausdehnen, bei deren Durchführung der Täter wusste oder wissen hätte müssen, dass er dabei Sachen entdecken könnte, die Denkmale sein könnten, auch wenn er nicht nach Denkmalen gesucht und auch keine gefunden hat, um auch dieser „Ausrede“ vorbeugen zu können. Damit unterwirft man dann aber bereits wenigstens alle geplanten Suchhandlungen, bei denen irgendetwas gefunden werden könnte, worden hätte können oder ist, was möglicherweise ein Denkmal sein hätte können, der gesetzlichen NFG-Pflicht. Tut man das, müsste man aber, um nicht den Gleichheitsgrundsatz der Bundesverfassung zu verletzen, auch alle nicht mit dem Metallsuchgerät durchgeführten Suchen, bei denen irgendwas gefunden werden könnte, worden hätte können oder ist, was möglicherweise ein Denkmal sein hätte können, der gleichen NFG-Pflicht unterwerfen, weil bei der gebotenen objektiven Betrachtung zwischen allen Suchen nach beliebigen Sachen, bei denen 112 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? irgendetwas gefunden werden könnte, worden hätte können oder ist, was möglicherweise ein Denkmal sein hätte können, kein maßgeblicher Unterschied besteht, egal ob diese Suchen mit einem Metallsuchgerät durchgeführt werden sollen bzw. wurden oder nicht. Es handelt sich also aus rechtlicher Sicht um den exakt gleichen Sachverhalt, der rechtlich daher auch gleich zu behandeln ist. Das bedeutet nun aber, dass man auch rein oberflächliche Suchen zur Entdeckung von beliebigen Sachen oder gar Denkmalen, wie sie z.B. traditionelle Heimatforscher durchführen, der gesetzlichen NFG-Pflicht unterwerfen muss; d.h. diese auch wegen Verletzung der Genehmigungspflicht anzeigen muss, wenn sie Oberflächenfunde melden, die sie bei ihren Begehungen entdeckt haben. Das würde wiederum dazu führen, dass diese keine Fundmeldungen mehr abgeben; die man nicht nur haben will, sondern de facto braucht, weil man sonst ja gar nichts von den zuvor oft noch unbekannten Denkmalen erfährt, von denen man in der Regel in der Behörde noch nichts weiß, aber von denen man erfahren muss, damit man sie schützen kann; einmal abgesehen davon, dass das Gesetz ja eine Fundmeldepflicht enthält, damit Funde gemeldet werden. Man muss also entweder darauf verzichten, dass man die gesetzlich verpflichtend vorgesehenen Fundmeldungen erhält, oder muss die (wahrscheinlich) nicht mit Metallsuchgeräten Nachforschungen durchführenden Bürger anders behandeln als die, die der Metallsuche nachgehen. Schlimmer noch, eine solche weite Auslegung der Anwendbarkeit der NFG-Pflichten führt unweigerlich zu einem gravierenden Abgrenzungsproblem zu Zufallsfunden: macht der Passant, der in eine Baugrube schaut und dabei mögliche bewegliche und/oder unbewegliche Denkmale entdeckt, noch eine „zufällige“ Entdeckung, die nicht der gesetzlichen NFG-Pflicht unterworfen ist; oder führt er schon eine – wenn auch rein optische – „Suche“ durch, bei der er irgendetwas finden hätte können oder gefunden hat, was möglicherweise ein Denkmal sein könnte, für die er einer NFG bedurft hätte? Dehnt man die NFG-Pflicht so extrem aus, wie es notwendig ist, damit man Metallsucher tatsächlich einigermaßen sicher bestrafen kann, wenn man sie in situ erwischt, wird es schwierig, ein Szenario zu konstruieren, in dem eine Entdeckung eines Denkmals noch wirklich „zufällig“ ist. Schließlich muss selbst der Baggerfahrer, der tatsächlich „zufällig“ mit seiner Schaufel etwas ans Licht bringt, was ein Denkmal ist oder wenigstens sein könnte, auch tatsächlich „suchend“ dorthin schauen, wo diese Sache ist, um überhaupt bestimmen zu können, was diese Sache sein könnte. Damit hat aber auch er eine „Nachforschung“ durchgeführt, bei der er irgendetwas finden hätte können oder gefunden hat, was möglicherweise ein Denkmal sein könnte. Will man tatsächlich alle diese Fälle gleich behandeln, muss man entweder jeden, der irgendwo auf den Boden schaut, wegen Verstoßes gegen die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 anzeigen, weil er dabei ja – und sei es nur völlig unbeabsichtigt – etwas finden könnte, was ein Denkmal sein könnte; oder man kann niemanden deswegen anzeigen, auch nicht den Metallsucher. Damit hat man sich selbst schachmatt gesetzt, außer man will die Spielregeln verletzen und einfach willkürlich zwischen „schlechten“ und „guten“ Suchen unterscheiden. Ein gleichartiges Problem ergibt sich auch in einer anderen Richtung. Legt man die NFGPflichtbestimmungen so weit aus, dass man Metallsucher auch dann für ihre Verletzung bestrafen kann, wenn sie ihr Metallsuchgerät auch nur eingeschaltet in die Hand nehmen, stellt sich unmittelbar die Frage der Verhältnismäßigkeit der NFG-Pflicht (siehe dazu noch genauer Seiten 226-307). Weil es werden bei einer derart weiten Auslegung der NFG-Pflicht ja durch die überwältigende Mehrheit der Handlungen, die der NFG-Pflicht unterworfen werden, gar keine tatsächlich bedeutenden Denkmale in irgendeiner Weise gefährdet, an deren Erhaltung überhaupt ein öffentliches Interesse besteht. Die eigentliche Gefahr geht ja erst von der der Entdeckung mittels eines Metallsuchgeräts eines unter der Erdoberfläche verborgenen, magnetisch leitfähigen Gegenstandes nachfolgenden Grabung nach diesem Gegenstand aus. 113 Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat Nun werden zwar denkmalschutzrechtliche NFG-Pflichten traditionell in der archäologischen Denkmalpflege als Mechanismus zur behördlichen Kontrolle tatsächlicher Nachforschungshandlungen verstanden, weil das schon immer so war. Aber wenn die eigentliche Gefahr von der Grabung und nicht der Nachforschung ausgeht, ist doch eigentlich davon auszugehen, dass, wenn nicht nur Grabungen und Nachforschungen zum Zweck der Entdeckung von Denkmalen, sondern auch Nachforschungen zu ganz anderen Zwecken, bei denen Denkmale auch nur hypothetisch entdeckt werden könnten, dieser Genehmigungspflicht unterworfen werden können, es genauso gut möglich sein müsste, auch die Erdarbeiten bei Bauarbeiten denselben Bestimmungen zu unterwerfen. Es geht schließlich in Denkmalschutzgesetzen nicht um den Schutz von Denkmalen vor Nachforschungen, sondern um den Schutz von Denkmalen vor Zerstörung oder Veränderung durch Eingriffe in ihre Substanz. Das macht es praktisch unmöglich, zu argumentieren, dass das über den Boden schwenken eines eingeschalteten Metalldetektors die Denkmalsubstanz so sehr gefährden kann (und sei es nur durch die wahrscheinlich nachfolgende Grabung zur Bergung des georteten Gegenstandes), dass es damit verhältnismäßig ist, sie einer gesetzlichen Genehmigungspflicht zu unterwerfen; aber z.B. Erdarbeiten bei Bauarbeiten nicht. Denn tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei Erdarbeiten bei Bauarbeiten, beim Pflügen, etc. noch gänzlich unbekannte Denkmale im Boden gänzlich zerstört werden, unvergleichlich größer als die, dass solche bei ihrer Entdeckung mittels des Metallsuchgeräts folgenden Ausgrabung gänzlich zerstört werden. Damit ist man auch in diesem Fall zwingend in der Gleichheitswidrigkeit, wenn man nicht entweder auch alle Erdarbeiten, die nicht zu Nachforschungszwecken durchgeführt werden, wenigstens der gleichen denkmalschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unterwirft wie das bloße über den Boden Schwenken eines eingeschalteten Metallsuchgeräts; oder eben den Einsatz des Metallsuchgeräts ebenso wenig wie Denkmale tatsächlich gefährden könnende Erdarbeiten dieser Genehmigungspflicht unterwirft. Auch damit hat man sich eigentlich rechtlich selbst schachmatt gesetzt. Nun muss aber die staatliche Denkmalbehörde das Denkmalschutzgesetz, mit dessen Vollzug sie betraut wurde, irgendwie anwenden; weil dazu ist die Denkmalbehörde nicht nur da, sondern eben auch gesetzlich verpflichtet. Damit ist sie nun aber auch Schrödingers Behörde, denn sie muss das Gesetz gleichzeitig anwenden und darf das nicht. Na gratuliere! Der lange Ast des Gesetzgebers Letztendlich sitzt der Gesetzgeber immer noch am längeren Ast und bekommt eher das, was er will; als dass eine nachgeordnete Dienststelle bekommt, was diese gerne hätte; selbst wenn man ihn für blöd zu verkaufen versucht und ihm etwas vorschwindelt, um der Erfüllung der eigenen Wünsche näherzukommen. Natürlich kann es funktionieren, dass man ihn erfolgreich so anschwindelt, dass man wenigstens für eine Weile – wie das österreichische Beispiel zeigt, sogar für mehrere Jahrzehnte – wenigstens manchmal einen Teil dessen erreichen kann, was man durch die Schwindeleien zu erreichen versucht hat. Man hat es schließlich trotzdem in Österreich in den letzten paar Jahrzehnten in einigen Einzelfällen geschafft, Metallsucher dafür zu bestrafen, dass sie eine dort, wo sie erwischt wurden, gesetzlich frei erlaubte Metallsuche durchgeführt haben. Einen Beispielfall dafür aus dem Jahr 2013 habe ich ja bereits andernorts betrachtet (Karl 2016a, 9-10), in dem genau das der Fall gewesen sein dürfte. Ob es dabei einen generell Unschuldigen getroffen hat, sei dabei dahingestellt, der relevante Punkt ist vielmehr: für die Metallsuche, bei der er erwischt und für die er bestraft wurde, hätte er wohl nicht bestraft werden dürfen; weil von den Grundstücken, auf denen er angetroffen wurde, noch nicht 114 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? einmal Fundmeldungen vorliegen, geschweige denn, dass diese unter Denkmalschutz gestanden wären. Hätte also das BDA in diesem Fall das Gesetz so angewendet, wie es verpflichtet gewesen wäre, hätte es nicht eine Stellungnahme an die Strafverfolgungsbehörde schicken dürfen, in der es mit Nachdruck auf die wahrscheinliche Schuld des Tatverdächtigen hinwies, sondern hätte iSd § 37 Abs. 6 DMSG igF bescheidmäßig feststellen müssen, dass an der Erhaltung der möglicherweise betroffenen, möglicherweise an Ort und Stelle vorkommen, Denkmale schon alleine deshalb zum Zeitpunkt der Tathandlung kein (rechtswirksames!) öffentliches Interesse bestanden haben kann, weil dem BDA von dort, wo die Tathandlung stattgefunden hat, noch überhaupt gar keine Hinweise auf das Vorkommen von solchen Denkmalen bekannt waren und sind. Aber letztendlich hat man durch die paar rechtswidrigen Bestrafungen Unschuldiger, die man dadurch vielleicht erreicht hat, das leidige „Problem“ mit der Metallsuche nicht einmal ansatzweise gelöst. Man hat es wahrscheinlich nicht einmal geschafft, die abschreckende Wirkung der Bestimmungen des DMSG von Null auf marginal höher als Null zu heben. 4500 Weil dass sich viele Bürger dadurch ernsthaft davon abhalten haben lassen, dieses Hobby zu ergreifen, das glaubt hoffentlich niemand wirklich; oder, wenn doch, dann sollte er dringend einen Psychiater aufsuchen, weil dann leidet er an Wahnvorstellungen. Um das auch noch durch trockene Zahlen zu unterstützen: Ende 2014 hatte das größte österreichische Diskussionsforum für Metallsucher (http://www.sondengaenger.at/ [25.6.2019]) – das übrigens öffentlich zugänglich ist, d.h. auch das BDA kann dort mitlesen – etwas über 2.000 Mitglieder. Am 13.10.2017 hatte es 3.324. Das ist ein Zuwachs in ca. 3 Jahren von ca. 66%; was vermuten lässt, dass sich die Anzahl der Metallsucher in Österreich derzeit etwa alle 5 Jahre verdoppelt. Am 25.6.2019 hatte dasselbe Forum übrigens 3.920 Mitglieder. Abb. 6 zeigt, was das – rück-hochgerechnet auf die Zeit seit dem Aufkommen der Metallsuche in Österreich 1970 (Karl 2016b) – in Bezug auf die Entwicklung der Metallsucherszene in Österreich bedeuten würde. 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 Abb. 6: Hochrechnung der Entwicklung der Statt das erwünschte Ziel zu erreichen, dem man alles Mindestanzahl aktiver Metallsucher in Österreich unter andere unterzuordnen versucht hat, hat man sich nur Annahme von konstant gleichbleibenden Zuwachsraten wie im Zeitraum 2014-2019 auf Basis der zahllose Schwierigkeiten geschaffen, die im Endeffekt Mitgliederzahldaten von www.sondengänger.at. dazu führen, dass nicht die „bösen“ Metallsucher in einer rechtlichen Zwickmühle sitzen, sondern vielmehr die staatliche Behörde und ihre Beamten. Die Denkmalpfleger und ihre Amts- und Ministerialjuristen wollten zu viel. Sie wollten ein Gesetz, das es ihnen erlaubt, alle archäologischen Sachen zu schützen, egal ob diese wichtig sind oder nicht, egal ob man sie schon kennt oder nicht, und egal ob sie überhaupt an dem Ort vorkommen, an dem irgendjemand irgendetwas tut, was sie – da sie ja überall vorkommen könnten, auch wenn sie es fast nirgends tatsächlich tun – auch nur in irgendeiner Weise gefährden könnte. Sie wollten ein präventives Gesetz, bei dem sie allein retrospektiv bestimmen können, was ein archäologisches Denkmal ist; allein entscheiden dürfen, was irgendjemand mit dem, was sie für ein archäologisches Denkmal halten, tun oder lassen darf; und jeden anderen außer sich selbst von jedem Gebrauch jedweder Sache, die auch nur so beschaffen sein könnte, dass sie eines ihrer heiligen archäologischen Denkmale sein könnte, 115 Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat vollständig ausschließen können, wie es ihnen beliebt. Oder, allgemeinverständlicher gesagt: sie wollten alle wesentlichen Eigentümerrechte an allen Sachen an sich ziehen, die sie als archäologische Denkmale betrachten. Nur am Rande bemerkt: vielleicht wollen Sie ja versuchen, einmal herauszufinden, welche Schritte das BDA im Zeitraum von ca. Anfang der 1990er bis ca. Ende der 2010er gesetzt hat, um sicherzustellen, dass es mit einer Personaldecke von durchschnittlich um die 12-15 archäologischen FachbeamtInnen und mehr oder minder konstantem Personalaufnahmestopp im Bundesdienst jährlich wohl so um die durchschnittlich 200 Grabungen durchführen kann, darunter stets zahlreiche Großgrabungen, z.B. auf linearen Bauprojekten. Vielleicht wollen Sie dann auch gleich noch herausfinden, wer in diesem Zeitraum im Vorstand der „Vereine“ saß, die diese Grabungen „im Auftrag des BDA“ tatsächlich durchführten (siehe dazu schon Karl 2011a, 105-19). Vielleicht wollen Sie dann auch noch versuchen herauszufinden, wo in diesem Zeitraum die meisten Funde, die bei Großteils von Baubetrieben finanzierten Grabungen zutage kamen, hingekommen sind. Wenn Sie dann schon dabei sind, wollen Sie vielleicht auch noch gleich herausfinden, wie der Erhaltungszustand dieser archäologischen Denkmale ist und wie viele Ressourcen für ihre Konservierung und Restaurierung zur Verfügung stehen (siehe dazu schon Karl 2016c, 46); und wie zugänglich für die Öffentlichkeit oder auch nur die wissenschaftliche Fachwelt sie sind. Vor allem jetzt, nachdem der österreichische Rechnungshof die Umgehung der Planstellenbewirtschaftung durch das BDA scharf kritisiert hat (RH 2017, 71-6) und in der Folge eine Zeit lang keine einzige Person mehr für die Verwaltung der Funddepots des BDA – primär in der Kartause Mauerbach und im Wiener Arsenal – zur Verfügung stand. Aber trotz aller gefinkelten juristischen Manöver, und egal wie man sich windet und sich einerseits hinter unbestimmten Rechtsbegriffen versteckt, um diese andererseits in widersprüchlicher Weise in jedem Einzelfall jeweils willkürlich so interpretieren zu können, wie es einem passt: der Ast, auf dem der Gesetzgeber sitzt und von dem auch er seinen Willen durchsetzen kann, ist immer noch weitaus länger als der Ast, auf dem die Beamten in BDA und Ministerium sitzen. Das Gesetz, das die staatlichen Behörden zu vollziehen haben, ist und bleibt ein reaktives Gesetz; dem noch dazu von noch viel höherrangigen und wichtigeren rechtlichen Grundprinzipien gewisse Grenzen gesetzt werden, über die man sich nur zeitweilig drüberschwindeln kann. Irgendwann einmal fällt das dann irgendwem auf, der – trotz all der Trübung der rechtlichen Wässer und all der Nebelkerzen, die man geworfen hat – erkennt, dass das alles so nicht funktioniert, wie die Behörde vorgibt. Solange das nur ein Querulant ist, der noch dazu vielleicht in einem gegen ihn angestrengten Strafverfahren nicht nur der Tat, sondern damit gleichzeitig auch der Befangenheit in der Sache – schließlich ist es in seinem Interesse, freigesprochen zu werden – verdächtig ist, kommt man vielleicht noch irgendwie damit davon. Aber wenn es des Eigeninteresses weitgehend unverdächtige Personen sind – wie z.B. im zweiten eingangs diskutierten Fall die BH Liezen oder im den beiden anderen Fällen ein Universitätsprofessor wie ich – schauen die Gerichte sich die Sache vielleicht doch einmal etwas genauer an und stellen fest, dass das, was passiert, tatsächlich völlig offensichtlich hochgradig rechtswidrig ist. Damit setzt sich dann der Wille des Gesetzgebers auch gegen den Willen der Behörde, und natürlich noch viel mehr gegen den Willen der denkmalpflegerischen und archäologischen Fachwelt, durch. Dann zählt nicht mehr, was wir wollen, sondern nur, was in den Gesetzen steht; und zwar nicht nur in den uns genehmen Halbsätzen einzelner ausgewählter Paragrafen im DMSG, sondern im Gesetz in seiner Gesamtheit und auch in anderen, oft noch relevanteren, Gesetzen wie z.B. Verfassungsgesetzen wie dem B-VG und StGG. Hat man dann in dieser Situation – darauf vertrauend, dass schon niemand draufkommen wird, dass man eine behördliche Willkürherrschaft ausübt, um zu bekommen, was man wirklich will – seit Jahrzehnten rechtswidrige Denkmalpflege betrieben und nicht wenigstens vorgebaut, dass, für den Fall, dass einem doch wer draufkommt, auch genug Archäologie auf rechtmäßigem Weg geschützt 116 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? worden ist, ist das Resultat zwingend der größte anzunehmende denkmalpflegerische Unfall, ein archäologischer Super-GAU. Genau das ist die Situation, die wir derzeit in Österreich haben. Die archäologische Denkmalpflege hat versucht, den Ast, auf dem sie sitzt, soweit zu verlängern, dass er länger wird als der, auf dem der Gesetzgeber sitzt, und hat, um das zu erreichen, so lange an dem Ast gesägt, auf dem sie selbst sitzt, bis dieser jetzt tatsächlich weitgehend abgebrochen ist. Den dadurch generierten Schaden – nicht nur strukturell und für die Reputation unserer Disziplin, sondern insbesondere auch jene archäologischen Denkmale, die tatsächlich so bedeutend sind, dass ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist – zu reparieren wird eine ebenso unerfreuliche wie aufwändige und langwierige Arbeit werden. 117 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit Um uns an eine Reparatur des Problems (nicht nur, aber auch) der österreichischen archäologischen Denkmalpflege zu machen, scheint es zuerst einmal erforderlich, sich mit der Frage zu befassen, was denn der Denkmalwert (archäologischer) materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit ist; und natürlich auch, wie wir diesen bestimmen können. Denn wir glauben zwar schon immer zu wissen, was denn nun „bedeutende“ archäologische Denkmale sind, aber reden normalerweise nur sehr wenig darüber, weil wir seit Anbeginn der archäologischen Denkmalpflege im deutschen Sprachraum gewohnt sind, dass das letztendlich durch Fachbeamte in der jeweils örtlich zuständigen Denkmalbehörde subjektiv in jedem Einzelfall bestimmt wird; und zwar weitgehend aus dem Bauch heraus unter mehr oder minder starker Berücksichtigung eines breiteren gesamtfachlichen Zeitgeistes. Aber dieser fachliche Zeitgeist ändert sich stetig, wenn auch normalerweise nur so langsam, dass diese Änderung jeweils für den Einzelnen nahezu unbemerkbar bleibt bzw. bestenfalls bei einer Langzeitbetrachtung bemerkbar wird. Das soll nun keineswegs bedeuten, dass es nicht innerfachliche Diskussionen gibt, was denn nun auch noch, oder nicht mehr, archäologische Hinterlassenschaften der Vergangenheit sind; d.h. solche, die als Quellen von – in den wenigstens innerfachlich, idealerweise aber auch außerfachlich, anerkannten Bereich der mit archäologischen Methoden durchgeführten Erforschung der Vergangenheit fallenden – wissenschaftlichen Forschungen dienen. Ein Beispiel dafür sind die Diskussionen, die heute über die zeitliche Abgrenzung der Archäologie zur Gegenwart geführt werden: sollte sich die Archäologie, wie es z.B. Otto H. Urban (2008, 40) zum Ausdruck gebracht hat, nur mit älteren Kulturen beschäftigen oder gibt es – für Urban (ibid.) eine paradoxe Vorstellung bzw. Begriffe – auch eine Mittelalter- und eine Neuzeitarchäologie, d.h. kann man sich überhaupt archäologisch z.B. mit materiellen Hinterlassenschaften des 20. Jahrhunderts beschäftigen (z.B. Theune-Vogt 2014)? Solche Diskussionen bzw. deren Ergebnisse schlagen aber nur dann unmittelbar auf die archäologische Denkmalpflege durch, wenn man einfach alle Sachen, die eine Quelle archäologischer wissenschaftlicher Forschung sein könnten, als Denkmale betrachtet, deren unveränderte Erhaltung in situ aufgrund ihrer wissenschaftlichen Quellenfunktion für die Archäologie im öffentlichen Interesse gelegen ist. Das ist aber, gerade in Anbetracht der Ausdehnung archäologischer Forschungen bis hin zu noch in Betrieb stehenden Müllhalden (Rathje & Murphy 2001) und auf die forensische Archäologie (z.B. Groen et al. 2015), aus denkmalpflegerischer Sicht (wenigstens inzwischen) unmöglich. Das liegt nicht zuletzt daran, dass diese Diskussionen – soweit sie überhaupt stattfinden – auch gar nicht primär in einem denkmalpflegerisch-rechtlichen Kontext geführt werden und sich mit der Frage des Denkmalwerts der – für sich neu entwickelnde Fachbereiche der archäologischen Wissenschaft erforderlichen – materiellen Quellen in der Regel auch gar nicht beschäftigen. Es sind vielmehr, wenn überhaupt ein derart abstraktes Niveau der Diskussion erreicht wird, Diskussionen darüber, ob man bestimmte Arten der mit Ausgrabungen und anderen archäologischen (Feld-) Forschungsmethoden durchgeführten wissenschaftlichen Forschung auch (schon) als archäologische Forschung im Sinne der innerfachlichen Selbstdefinition des Begriffs Archäologie betrachten kann, soll, will oder muss; oder ob diese Forschungen nicht besser wissenschaftssystematisch einer anderen wissenschaftlichen Disziplin als der Archäologie zugeordnet werden sollten, auch wenn bei diesen Forschungen Methoden zum Einsatz kommen, die (auch oder sogar insbesondere) für archäologische Forschung charakteristisch sind. Zumeist wird sogar diese Metaebene der Diskussion gar nicht betreten, sondern es etabliert sich ein neues archäologisches Fachgebiet einfach dadurch, dass Wissenschafter, die von ihrer Ausbildung und oft auch ihrem Anstellungsverhältnis her als „ArchäologInnen“ betrachtet und bezeichnet werden können, 118 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Ergebnisse ihrer wenigstens teilweise auch mit „typisch“ archäologischen Methoden durchgeführten Forschungen in (den) archäologischen Fachpublikationsorganen vorstellen (in denen sie auch normalerweise ihre unzweifelhaft als archäologisch anerkannten, sonstigen Forschungsergebnisse publizieren) und damit – wenigstens wenn sie wissenschaftliche Nachahmer finden – mehr oder minder unbeabsichtigt ein neues Forschungsgebiet begründen. An den (möglichen) Denkmalwert der Quellen dieser neu entstehenden archäologischen Forschungsbereiche denkt daher normalerweise in diesen Diskussionen kaum jemand; oft nicht einmal der Wissenschafter selbst, der ein bisher archäologisch unbeackertes Gebiet für wichtig befindet und daher durch Forschungsarbeiten zu diesem Gebiet ganz bewusst eine neue archäologische Forschungsrichtung schaffen möchte. Nachdem aber kaum jemand daran denkt, wird die Frage des Denkmalwerts der Quellen solcher, neu entstehender, archäologischer Forschungsbereiche daher auch meist nicht einmal implizit erwähnt, geschweige denn explizit diskutiert; und natürlich noch viel weniger die Frage, wie man diesen denn nun in einer für diese neue Forschungsrichtung ausreichender Weise in der Denkmalpflegepraxis bestimmen kann. Das Fehlen einer solchen expliziten Diskussion über die Frage „Was braucht das archäologische Forschungsgebiet X eigentlich an Quellenerhaltung, um jetzt (und idealerweise auch noch in der Zukunft) jene wissenschaftlichen Fragen beantworten zu können, die es zu beantworten versucht?“ ist damit letztendlich die Ursache dafür, dass die Denkmalpfleger und Amtsjuristen, die Denkmalschutzgesetze inhaltlich und formal gestalten müssen, auf maximal unbestimmte Rechtsbegriffe bei der Legaldefinition des Schutzgegenstandes des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes ausweichen bzw. ausweichen zu müssen glauben. Wir, d.h. die archäologische Wissenschaft bzw. die Gemeinschaft der Wissenschafter, die sich selbst und gegenseitig als Archäologen betrachten, sagen ihnen einfach nicht, was wir wirklich brauchen, sondern bestenfalls was wir wollen; und was wir wollen ist in der Regel am besten alles und das jetzt gleich (was wir für die Forschungen in unserem konkreten Fachgebiet gerne hätten). Damit bleibt den Denkmalpflegern und ihren Amtsjuristen – nachdem wissenschaftliche Fragestellungen prinzipiell unbegrenzt sind (Strobl & Sieche 2010, 68) – letztendlich gar nichts anderes übrig, als eine Legaldefinition des (relevanten archäologischen) Denkmalbegriffs zu verfassen, die – mehr oder minder kompliziert verklausuliert, damit es dem Gesetzgeber möglichst nicht auffällt – alle Sachen, die es gibt und geben könnte, in den Anwendungsbereich des von ihnen zu entwickelnden Denkmalschutzgesetzes bringt. Wann wird etwas zu Archäologie? Das alles war übrigens lange Zeit wenigstens insofern kein besonderes Problem, als das fachliche Verständnis davon, was nun archäologische Quellen sind und was nicht, lange Zeit wenigstens so hinreichend begrenzt war, dass man damit – und sei es nur eher schlecht als recht – auch rechtlich halbwegs erfolgreich davonkommen konnte. Das lag in erster Linie daran, dass der archäologische Zeitgeist bis vor wenigen Jahrzehnten – bei aller prinzipiellen Unbegrenztheit archäologischer wissenschaftlicher Fragestellungen – von der Existenz einer absoluten Grenze ausgegangen ist, die jene kleine Minderheit von Sachen, die man als archäologische Quellen betrachtete, von jener großen Mehrheit aller anderer Sachen, die sicherlich keine archäologischen Quellen waren, eindeutig und scharf trennte. Wenn schon nichts anderes, so mussten archäologische Sachen wenigstens „alt“ sein. Als ich z.B. 1987 in Wien Ur- und Frühgeschichte zu studieren begann – übrigens bei Otto H. Urban als einem meiner hauptsächlichen akademischen Lehrer – wussten noch (wenigstens beinahe) alle Archäologen (an der Universität und darüber hinaus) in Wien, dass zwar vielleicht auch jüngere Sachen Denkmale sein konnten, aber eine Sache wenigstens älter als etwa 500 Jahre sein musste, um Archäologie und damit ein archäologisches Denkmal sein zu können. Urbans bereits oben genannte, 119 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit von ihm noch 2008 vertretene, Ansicht, dass selbst der Begriff Mittelalterarchäologie paradox sei, weil sich Archäologie nur mit wirklich alten Kulturen (d.h. wenigstens etwa 1000 Jahre alten Sachen) beschäftigen würde oder wenigstens sollte (Urban 2008, 40), war wohl bereits damals eine eher traditionelle Sichtweise; die Erforschung des Mittelalters mit archäologischen Methoden wurde bereits weitgehend (aber keineswegs universell) als Teil der archäologischen Wissenschaft anerkannt. Aber selbst die Neuzeitarchäologie in dem Sinn, wie sie damals schon an der Universität Innsbruck betrieben wurde – d.h. die archäologische Erforschung von Sachen, die auch aus dem 17. oder gar dem 18. Jh. n.Chr. stammen konnten – wurde mehrheitlich noch leicht abfällig als „Volkskunde“ belächelt. Sie wissen eh, Herr Karl, die Innsbrucker sind halt ein bisserl seltsam; Tiroler eben. Am besten nimmt man die nicht ganz ernst, so wie uns Wiener die Deutschen als dumme Österreicher belächeln; die blöden Piefkes, die; die haben ja gar keine Ahnung von gar nix! Weil wir wissen ja alle, was Archäologie ist; und wer anderer Meinung ist als wir, der kann von nix keine Ahnung nicht haben. Aber selbst wenn man sich nicht in Wiener Großkotzigkeit ergehen und auf alle anderen herabblicken wollte: auch die Innsbrucker Neuzeitarchäologie war – wenigstens aus denkmalpflegerischer Sicht – immer noch kein besonders gravierendes Problem. Sie subsummierte zwar vielleicht auch schon Sachen aus dem 18. Jahrhundert unter dem Begriff Archäologie; aber selbst Sachen aus dem 18. Jahrhundert waren im späten 20. Jahrhundert immer noch wenigstens 200 Jahre alt. D.h. auch die Innsbrucker Neuzeitarchäologie anerkannte immer noch, dass es eine absolute Zeitgrenze gab, ab der eine Sache zu einer archäologischen Sache wurde oder wenigstens werden konnte; alles, was jünger war, konnte vielleicht aus anderen als archäologischen Gründen ein Denkmal sein, aber als archäologisches Denkmal konnte es nicht bezeichnet werden. Wo auch immer man jetzt genau die absolute Zeitgrenze als Fachgemeinschaft einziehen wollte oder als einzelner Wissenschafter eingezogen hat – sei es vor etwa 1.000 Jahren wie Urban, etwa 500 Jahren wie der Wiener Fachkonsens um etwa 1987 oder wie der Innsbrucker Fachkonsens vor etwa 200 Jahren –, es gab nicht nur eine absolute Zeitgrenze, sondern sie lag auch eine bedeutende Zeit in der Vergangenheit; jedenfalls deutlich vor dem Zeitpunkt, an dem alle in der damaligen Gegenwart noch lebenden Menschen geboren worden waren. Damit waren auch alle Sachen, die archäologische Denkmale sein konnten (oder vom Fach als solche betrachtet wurden, egal ob sie jetzt denkmalschutzgesetzlich geschützte oder nicht geschützte Sachen waren), nicht nur sehr selten, sondern auch einigermaßen leicht von jedermann wenigstens als besonders alt erkennbar. Denn von Gebäuden einmal abgesehen, wie viele Sachen gibt es noch, die vor dem Jahr 1800 erzeugt wurden und noch in Gebrauch stehen und nicht in einem Museum liegen? Und welche Sache, die vor dem Jahr 1800 erzeugt wurde, schaut nicht so eindeutig und offensichtlich anders als gegenwärtig alltägliche Sachen aus, dass sie nicht jeder auch ohne großartige Vorbildung als außergewöhnlich ungewöhnliche und vermutlich tatsächlich alte Sache erkennen könnte? Selbst wenn der Durchschnittsbürger natürlich normalerweise nicht erkennen kann, ob eine alte Sache jetzt nur mehr als 200, mehr als 500 oder sogar schon mehr als 1.000 Jahre alt ist: wenigstens, dass eine alte Sache eine alte Sache ist, ist er durchaus im Stande von sich aus zu erkennen. Damit hat es zwar eigentlich aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht immer noch nicht gereicht, dass eine bestimmte Sache älter als die absolute Zeitgrenze war, an der nach in der Fachwelt vorherrschender Ansicht das Forschungsgebiet der Archäologie endete, damit sie auch automatisch zu einer mit derart hohem Denkmalwert wurde, dass ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung bestand; weil die Tatsache, dass sie eine Quelle archäologischer Forschung sein könnte, ja für sich allein betrachtet (wenigstens iSd der immer schon ausschlaggebenden und seit 1999 nun auch in § 1 Abs. 2 DMSG igF explizit genannten Kriterien von Qualität, ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung in Hinblick 120 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? auf den österreichischen Kulturgutbestand in seiner Gesamtheit) noch nicht ausreicht, um ihre Unterschutzstellung zu begründen. Aber man konnte – wenigstens in Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 8-11 igF in ihren jeweilig zu früheren Zeitpunkten geltenden Fassung – wenigstens einigermaßen so tun, als ob sich durch die bloße Beantwortung der Frage, ob eine Sache nun alt genug sei, um als archäologische Sache gelten zu können, die Beantwortung der Frage nach dem Denkmalwert dieser Sache erübrigen würde: schließlich ließ sich – wenn auch vielleicht eher schlecht als recht – argumentieren, dass jeder wusste oder wenigstens wissen hätte müssen, dass diese Sache so alt war, dass sie offenkundig ein archäologisches Denkmal sein könnte und er sie daher entsprechend der gesetzlichen Schutzbestimmungen für archäologische Denkmale behandeln sollte, wenn nicht sogar behandeln musste. Das Problem der Erforderlichkeit absoluter Zeitgrenzen So zu tun, als ob die Bestimmung einer Sache als archäologische Sache schon per se ausreicht, um sie als Sache betrachten zu können, die schon allein aus diesem Grund einen derart besonders bedeutenden Denkmalwert hat, dass ihre unveränderte Erhaltung in situ im öffentlichen Interesse gelegen ist (oder wenigstens ihre Erhaltung durch Dokumentation im öffentlichen Interesse gelegen ist, obwohl kaum ein deutschsprachiges Denkmalschutzgesetz dieses Konzept schon ausreichend in seinen Wortlaut aufgenommen hat, um es tatsächlich auch rechtlich zu einer akzeptablen Form der Erhaltung einer denkmalschutzrelevanten Sache zu machen), kann so lange einigermaßen gut funktionieren, so lange man – wenn schon nicht archäologisch, so doch wenigstens denkmalpflegerisch – eine absolute Zeitgrenze einzieht, bis zu der eine Sache eine archäologische sein kann, die ausreichend weit in der Vergangenheit liegt, um eine einigermaßen eindeutige und scharfe Abgrenzung zwischen jener vergleichsweise sehr kleinen Minderheit von Sachen zu ziehen, die alt genug sind, um ein archäologisches Denkmal sein zu können, und jener verhältnismäßig viel größeren Mehrheit von Sachen, die zu neu sind, um das sein zu können. Denn so lange man diese absolute und auch verhältnismäßig gegenwartsferne Zeitgrenze hat, kann man nicht nur die Illusion aufrechterhalten, dass jedermann ein mögliches archäologisches Denkmal als solches erkennen und wenigstens normalerweise erfolgreich von gegenwärtigen alltäglichen Sachen unterscheiden kann; sondern es geraten sich auch und noch wichtiger die archäologische Vergangenheit und die Gegenwart in der Praxis nicht allzu sehr ins Gehege. Archäologische Schutzbestimmungen eines Denkmalschutzgesetzes, das eine solche absolute Zeitgrenze kennt, ob nun explizit in der relevanten Legaldefinition oder auch nur implizit durch Bezug der Legaldefinition auf einen archäologischen Zeitgeist, der eine solche Grenze einzieht, können schließlich in der Regel nur auf nicht mehr im alltäglichen Gebrauch stehende Sachen angewendet werden. Das vermeidet die Entstehung von Konflikten zwischen den Erfordernissen des Denkmalschutzes und des derzeitigen alltäglichen Lebens, die daher auch weitgehend nebeneinander existieren können. Zwar können die Erfordernisse des Denkmalschutzes trotzdem mit denen des alltäglichen Lebens interferieren – wie z.B. wenn bei Bauarbeiten irgendeine Sache entdeckt wird, die älter als die relevante Zeitgrenze ist und daher eventuell denkmalpflegerische Maßnahmen erforderlich werden – aber die Anzahl der Fälle, in denen das tatsächlich passiert, bleiben auf eine vertretbare Menge beschränkt. Meistens treten solche Konflikte zwischen Vergangenheit und Gegenwart sogar, vor allem wenn diese Zeitgrenze mehrere hundert Jahre zurückliegt, nur in einer nahezu verschwindend geringen Anzahl von Fällen auf, weil eben inzwischen Sachen, die einigermaßen eindeutig erkennbarerweise vor z.B. dem Jahr 1800 erzeugt wurden, tatsächlich (wenigstens im Vergleich zu jüngeren Sachen) enorm selten sind. 121 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit Problematisch wird es jedoch, wenn diese – ob nun explizit oder nur implizit vorhandene – Zeitgrenze zu nahe an oder sogar in die Gegenwart rutscht. Denn je näher sie an die Gegenwart heranrutscht, umso stärker verschiebt sich das Verhältnis von Fällen, in denen es zu keinem und in denen es zu einem Konflikt zwischen den Erfordernissen des Denkmalschutzes und denen des gegenwärtigen alltäglichen Lebens kommt, bis zu einem Punkt, an dem die Menge der entstehenden Konflikte nicht mehr vertretbar ist. Schlimmer noch, je näher sich die Zeitgrenze an die Gegenwart heranschiebt, desto schwieriger wird es, auch nur die Illusion aufrecht zu erhalten, dass die Erhaltung einer Sache schon alleine deshalb im öffentlichen Interesse gelegen ist, weil sie alt genug ist, um als archäologische Sache betrachtet werden zu können. Denn nicht nur fallen dadurch immer mehr Sachen, die möglicherweise sogar noch im (mehr oder minder) alltäglichen Gebrauch stehen – wie Urgroßmutters silbernes Tafelservice – unter den archäologischen Denkmalbegriff, sondern es wird auch immer schwerer für den Durchschnittsbürger, Sachen von sich aus als ausreichend alt zu erkennen, dass sie ein archäologisches Denkmal sein könnten. 200 Jahre sind da noch einigermaßen möglich, und vielleicht sogar etwas weniger als das. Aber spätestens, wenn man an der 100 Jahre-Grenze zu kratzen beginnt – also einer Grenze, die schon innerhalb der Lebenszeit wenigstens mancher derzeit noch lebender Menschen liegt, wird es problematisch. Erklären sie einmal einer 100-jährigen Ururgroßmutter, dass sie die schöne Perlenkette, die sie zu ihrer Erstkommunion vor über 90 Jahren von ihrer damals ihrerseits 100jährigen Ururgroßmutter geschenkt bekommen hat, nicht mehr uneingeschränkt benutzen darf, weil diese Perlenkette, weil sie 1890 erzeugt wurde, inzwischen ein archäologisches Denkmal sein könnte. Gut, die 100 Jahre kann man vielleicht auch noch irgendwie argumentieren, weil wie viele so alte Ururgroßmütter gibt es schon noch, die tatsächlich noch Sachen von vor 100 Jahren tagtäglich gebrauchen und wer benutzt wirklich noch Urgroßmutters silbernes Tafelgeschirr? Aber spätestens sobald man unter die 100 Jahre kommt, wird jede Verkürzung um ein weiteres Jahr zunehmend kritischer. Weil mit jedem weiteren Jahr steigt die Wahrscheinlichkeit exponentiell, dass lebende Menschen noch Sachen haben, die aufgrund ihres absoluten Alters bereits unter den Denkmalbegriff fallen würden, die sie aber noch mehr oder minder alltäglich benutzen. Legt man als Grenze 50 Jahre fest, hat bereits beinahe jeder lebende Mensch viele Sachen in seinem Eigentum, die vor dieser Zeitgrenze erzeugt wurden, und aller Wahrscheinlichkeit sogar noch wenigstens einige davon in tagtäglichem Gebrauch. Spätestens an diesem Punkt (tatsächlich aber schon einiges davor) kollabiert die Illusion, dass eine Sache „nur“ archäologisch sein muss, um ihre Erhaltung schon allein deshalb im öffentlichen Interesse gelegen zu sein scheinen zu lassen, weil sie ja archäologisch ist. Spätestens an diesem Punkt steigt auch die Zahl der Konflikte zwischen den Bedürfnissen der Denkmalpflege und des alltäglichen Lebens der Gegenwart auf ein Maß, das gesellschaftlich sicher nicht mehr toleriert werden kann, weil es bei nahezu jeder Handlung zu einem solchen Konflikt kommt. Die zur Gegenwart offene Neuzeitarchäologie Nun hat sich aber der archäologische Zeitgeist in Bezug auf die Frage, wie alt Sachen mindestens sein müssen, ehe man sie als archäologische Sachen betrachten kann, massiv geändert. Es gibt heute an der Universität Wien das Studium, das ich dort abgeschlossen habe, das der Ur- und Frühgeschichte, nicht mehr und auch das Institut, an dem ich studiert habe, heißt heute – ebenso wie das Studium, das das, das ich absolviert hatte, ersetzt hat – Urgeschichte und historische Archäologie. Unter historischer Archäologie wird dabei auch nicht mehr nur die Neuzeitarchäologie bis zum Ende des 18. Jh. v.Chr. verstanden, sondern tatsächlich auch die Archäologie des 20. (Theune-Vogt 2014), ja 122 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? potentiell sogar auch schon die des frühen 21. Jahrhunderts. An der Universität Wien endet das Forschungsgebiet der archäologischen Wissenschaft inzwischen praktisch gestern bzw. jetzt. D.h.: jetzt. Also jetzt! Sie verstehen schon, was ich meine. Die absolute Zeitgrenze, wie alt eine Sache sein muss, um eine archäologische Quelle sein zu können, hat sich also der Gegenwart inzwischen wenigstens soweit angenähert, dass sie deutlich unter die soeben genannten 50 Jahre gerutscht ist; wenn sie nicht sogar schon direkt am sich mit dem Ticken der Uhr im Sekundentakt voran bewegenden Ende der Gegenwart liegt (wie z.B. im Fall der Müllhaldenarchäologie von Rathje & Murphy 2001, die sich einer tatsächlich zum Zeitpunkt der Untersuchungen noch aktiven Müllhalde gewidmet hat). Wenn aber auch der Mist von gestern (bzw. gerade eben) bereits archäologische Quelle sein kann, kann man nicht mehr ernsthaft behaupten, dass schon allein die Tatsache, dass eine beliebige Sache Forschungsgegenstand der Archäologie sein kann, für sich allein dafür genügt, dass eine Sache, bloß, weil sie Forschungsgegenstand der Archäologie sein kann, ein schützenswertes Denkmal ist. Dieses Problem kann man nun auch nicht dadurch lösen, dass man so tut, als ob man die Neuzeitarchäologie anders behandeln könnte als andere Teilgebiete der Archäologie; wenigstens nicht, wenn man die Neuzeitarchäologie nicht zu einer Archäologie 2. Klasse degradieren, sondern sie als gleichberechtigtes Teilgebiet der archäologischen Wissenschaft betrachten will. Tatsächlich muss man das sogar, wenigstens meiner Meinung nach, auch wenn mich persönlich die Neuzeitarchäologie gar nicht besonders interessiert; nicht nur, weil die Forschung jener KollegInnen, die sich für die Neuzeitarchäologie interessieren, ebenso wertvolle wissenschaftliche Forschung ist wie die der KollegInnen, die sich so wie ich besonders für die Archäologie der späten Urgeschichte und frühesten Frühgeschichte interessieren, sondern vor allem deshalb, weil, wenn man akzeptiert, dass ein Teilbereich der Archäologie weniger wichtig ist als alle anderen, man eine Bedeutungshierarchie verschiedener Teilbereiche der Archäologie prinzipiell als berechtigt anerkennt. Erkennt man aber eine Bedeutungshierarchie verschiedener Teilbereiche der Archäologie prinzipiell als berechtigt an, stellt sich die Frage, warum gerade die Neuzeitarchäologie als einziges Teilgebiet der Archäologie denkmalpflegerisch weniger wichtig sein soll als beliebige andere ihrer Teilbereiche. Damit öffnet man die Tür dafür, dass eine stärkere oder auch andere hierarchische Gliederung der denkmalpflegerischen Bedeutung unterschiedlicher Teilgebiete der Archäologie argumentiert und gegebenenfalls auch eingeführt wird; auch auf Basis anderer Gründe als nur des absoluten Alters. Wie wäre es z.B. mit politisch erwünschter und unerwünschter archäologischer Denkmalpflege? Damit kämpfen wir schon genug, ohne dass wir der Politik noch extra Munition für eine solche Unterscheidung unaufgefordert liefern, weil wir ja ohnehin selbst anerkennen, dass nicht jede Art archäologischer Forschung gleich und daher auch die Erhaltung der Quellen mancher Arten archäologischer Forschung weniger wichtig ist als die anderer, wichtigerer, Arten von Archäologie. Überhaupt stellt ja die Neuzeitarchäologie, vor allem die zur Gegenwart hin offene Neuzeitarchäologie, die archäologische Denkmalpflege vor eine ganze Latte von Problemen, die unter herkömmlichen Zugängen zur archäologischen Denkmalpflege – zu denen die Gleichsetzung von archäologische Sache und denkmalwerter Sache gehört – absolut unlösbar sind. Ein wenigstens ebenso großes Problem ist die schiere Masse von neuzeitlichen Gegenständen, die noch erhalten sind; ein noch größeres, dass eine zur Gegenwart hin offene Neuzeitarchäologie eben keine beschränkte, sich nicht regenerierende, Ressource ist, sondern eine, die stetig mit jeweils der Geschwindigkeit anwächst, mit der neue Sachen produziert, gebraucht und deponiert werden. Das größte Problem für die herkömmlich, d.h. mit unbestimmten rechtlichen Denkmalsbegriffen operierende, Denkmalpflege ist aber, dass eine zur Gegenwart hin offene Neuzeitarchäologie in jedem 123 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit Fall die Menge von Sachen, die Quellen archäologischer Forschung sein könnten, zu einer mit der Menge aller Sachen identen Menge macht; und es damit für Durchschnittsbürger zwingend unmöglich macht, zwischen solchen Sachen, die aller Wahrscheinlichkeit nach ein Denkmal sind, und solchen, die das aller Wahrscheinlichkeit nicht sind, auch nur annähernd verlässlich selbstständig unterscheiden zu können. Damit fällt aber zwingend jedes Denkmalschutzgesetz in sich zusammen, das nach dem deklaratorischen Prinzip funktionieren soll, wenn nicht wenigstens irgendein anderes Kriterium hinzugenommen wird als nur das, dass eine Sache eine Quelle für die archäologische Wissenschaft sein muss, damit deshalb ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung besteht. Will man also nicht doch wieder eine absolute Zeitgrenze einziehen, mit der man die Neuzeitarchäologie von der Gegenwart scharf abgrenzt – z.B. im Jahr 1900, weil sich das als absolute Zeitgrenze über der schon oben genannten relativen Grenze von mehr als hundert Jahren gerade ausgeht – und die Gegenwart (oder Moderne, oder wie auch immer man das dann nennen will) als zwingend „nacharchäologische“ Epoche bestimmt und damit festlegt, dass Sachen, die aus ihr stammen, keinesfalls archäologische Denkmale sein können; dann muss man irgendwelche anderen Kriterien für die Bestimmung des Denkmalwertes von archäologischen Sachen heranziehen. Das macht aber wiederum erforderlich, die Bestimmung des Denkmalwertes archäologischer Sachen ebenfalls auf anderen Kriterien basieren zu lassen, als bloß darauf, dass sie ausreichend alt sind, damit sie archäologisch wichtig sind; weil sonst schafft man nämlich erst Recht die archäologische Zweiklassengesellschaft auf Basis von absolutem Alter, die es ja gerade aus denkmalpflegerischen Gründen unabdingbar zu vermeiden gilt. Das bedeutet zwar nicht unbedingt, dass absolutes Alter nicht dennoch eines der Kriterien sein kann, das man bei der Bestimmung des Denkmalwertes archäologischer Sachen heranzieht; sei es als erste Näherung für die mutmaßliche Seltenheit archäologischer Objekte, deren Denkmalwert bestimmt werden soll – ältere Sachen sind nun einmal fast regelhaft seltener erhalten als jüngere –; oder sei es aus anderen nachvollziehbaren Gründen, wie dass die Bedeutung materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit umso mehr steigt, je weniger andere, z.B. schriftliche, bildliche, etc. Quellen vorhanden sind, und das absolute Alter einer Sache einen maßgeblichen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit haben kann, ob es über diese konkrete Sache oder wenigstens die Kategorie von Sachen, der diese angehört, ausreichend viele Quellen anderer Art als sie selbst gibt. Aber eine als gleichwertiges Teilgebiet der Archäologie betrachtete, zur Gegenwart offene, Neuzeitarchäologie macht es jedenfalls unmöglich, sich für die Bestimmung des Denkmalwertes einer archäologischen Sache rein auf ein bestimmtes Alter zu stützen. Nachdem die heutige Neuzeitarchäologie aber nun einmal zur Gegenwart hin offen ist, bedeutet das, dass man an die Bestimmung des Denkmalwerts bzw. der Denkmalschutzwürdigkeit archäologischer Sachen anders herangehen muss, als wir das jetzt seit Anbeginn der archäologischen Denkmalpflege gewohnt sind. Man muss also innerfachlich – und zwar nicht nur in der Denkmalpflege, die ja schon immer auch andere Kriterien als nur das absolute Alter einer Sache bei der Bestimmung ihrer Denkmalschutzwürdigkeit herangezogen hat und auch heranziehen musste, sondern auch in der archäologischen Denkmalpflege und der Archäologie als Wissenschaft selbst – darüber zu reden beginnen, was denn nun eine archäologische Sache so bedeutend macht, dass ihr Verlust so großen Schaden erzeugen würde, dass dies dem öffentlichen Interesse tatsächlich so abträglich wäre, dass das den Aufwand, der für die unveränderte Erhaltung dieser Sache in situ (oder wenigstens ihre Erhaltung durch Dokumentation) aufgebracht werden muss, auch tatsächlich rechtfertigt. 124 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Was macht eine archäologische Sache bedeutend? Die Archäologie ist in den letzten Jahrzehnten an die Frage, was eine archäologische Sache bedeutend macht und, noch wichtiger, bedeutender macht als andere archäologische Sachen, praktisch überhaupt nicht und wenn doch dann nur höchst indirekt herangegangen. Am liebsten war und ist es uns seit langem, einfach so zu tun, als ob alle archäologischen Sachen gleichermaßen bedeutend wären. Das war zwar nicht immer so – früher hatte man auch innerhalb der Archäologie wenig Hemmungen, zwischen wichtigeren und unwichtigeren archäologischen Sachen zu unterscheiden, z.B. eben auf Basis von solchen Kriterien wie Erhaltungszustand, aber auch künstlerischem Wert und Ausstellungstauglichkeit einer Sache, etc. (siehe z.B. Nebehay 1993, 28-30) – aber ist auch nicht gänzlich grundlos so. Der Grund, warum wir uns heute viel schwerer tun als unsere disziplinären Vorfahren, zwischen bedeutenden und weniger bedeutenden archäologischen Sachen zu unterscheiden, liegt nicht (nur, wenn auch teilweise sehr wohl) daran, dass wir insgesamt entscheidungsunwilliger geworden sind als diese. Zwar lässt sich durchaus argumentieren, dass wir tatsächlich entscheidungsunwilliger geworden sind. Aber das ist auch überhaupt kein Wunder: schließlich trichtern wir uns seit über einem Jahrhundert ständig gegenseitig ein, dass alle Archäologie stets durch Zerstörung gefährdet, aber gleichzeitig eine begrenzte, sich nicht regenerierende Ressource ist; eine Ressource also, von der also zwingend immer weniger da ist, je mehr Jahre und Jahrzehnte vergehen. Dass dadurch jede einzelne Sache, die als Archäologie betrachtet wird, in der innerfachlichen Wahrnehmung stetig zunehmend kostbarer erscheinen muss – selbst wenn de facto die Zahl der Sachen, die als Archäologie betrachtet werden, durch die zunehmende Ausweitung der Forschungsinteressen der Archäologie immer größer geworden ist; d.h. es zunehmend mehr als archäologische Sachen betrachtete Dinge gibt, nicht weniger – ist selbstverständlich. Das muss langfristig gesehen eine Auswirkung darauf haben, wie schwer dem Einzelnen die Entscheidung fällt, einer archäologischen Sache geringeren Wert zuzuweisen als einer anderen. Erhöhte Entscheidungsunwilligkeit folgt also zwingend aus unserer fachlichen Selbstdisziplinierung. Kleine Anfänge, große Fortschritte Noch wichtiger ist es aber, dass die Archäologie im Vergleich zu ihrer Anfangszeit (siehe dazu z.B. Trigger 1996) eine vielfältigere Wissenschaft mit ebenso vielfältigeren Forschungsinteressen, Methoden, Zielen und auch selbstzugewiesen Aufgaben geworden ist. Anfänglich ging es der Archäologie als Wissenschaft in erster Linie um klassifikatorisch-ordnende Fragen, im Prinzip den Fragen nach den 3 großen W, die bis heute eine der wesentlichsten Grundfragen jeder archäologischen Forschung sind: die Fragen „Was ist die Sache?“, „Wann wurde sie hergestellt?“ und „Wo kommt sie her (bzw. gehäuft vor)?“. Zusätzlich gesellten sich dazu recht rasch kulturgeschichtliche Fragen, die mehr oder minder explizit dem Zweck dienten, die Geschichtsschreibung in Zeiträume (zurück) fortsetzen zu können, aus denen wenige oder gar keine historischen Quellen im engeren Sinn (also schriftliche Nachrichten) erhalten sind, und – damit mehr oder minder direkt verbunden – entwicklungsgeschichtliche Fragen; d.h. letztendlich eine Kombination dieser drei Fragen nach dem was hat sich wann in der Zeit zu etwas anderem geändert und/oder wo im Raum verbreitet (oder ist seine räumliche Verbreitung geschrumpft). Anfänglich stand, als praktisch einzige Forschungsmethode zur Beantwortung dieser Fragen, nur die optische (bzw. vielleicht auch noch haptische) Inspektion der Sache zur Verfügung, d.h. man war auch in Bezug auf die verfügbaren Untersuchungsmethoden recht eng beschränkt. Ziel des ganzen Unterfangens war es schließlich in der Anfangszeit unserer Disziplin, nicht nur das wissenschaftliche Wissen zu vergrößern (ein wertvolles Ziel an sich), sondern dieses neu geschaffene 125 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit Wissen dann auch der breiteren Öffentlichkeit anschaulich zu vermitteln. Dafür standen im Prinzip aber auch nur die Möglichkeiten der druckschriftlichen Veröffentlichung der Forschungsergebnisse und die Präsentation im Kontext einer musealen Ausstellung zur Verfügung; die Möglichkeiten waren also auch in dieser Beziehung eng beschränkt, vor allem, da es nur eine relativ überschaubare Anzahl von Museen mit dafür geeigneten Sammlungen gab und die druckschriftliche Verbreitung vergleichsweise viel Geld kostete. Das machte es einigermaßen leicht, zwischen archäologischen Sachen zu unterscheiden, die bedeutend und die weniger bedeutend erschienen: bedeutend war, was sich entweder zur Beantwortung einer der drei W-Fragen (ob nun für sich allein oder in Kombination) oder als Ausstellungsstück besonders zu eignen schien. Das waren in erster Linie schöne, aussagekräftige und gut erhaltene Funde, denen daher der mit Abstand größte Wert beigemessen wurde; sowie noch obertägig als von Menschen geschaffene Strukturen erkennbare Überreste, die sich wenigstens der gebildete Spaziergänger in situ anschauen konnte. Schlecht erhaltene Fragmente von durch und durch gewöhnlichen Sachen, sofern sie nicht zur weiteren Verfeinerung von Ordnungsschemata geeignet erschienen; ebenso wie unbewegliche Sachen im Boden (wie Bodenverfärbungen, Schichtablagerungen, aber sogar auch Mauerfundamente und dergleichen, also praktisch all das, was wir heute als archäologische Befunde betrachten), die man bestenfalls im Feld irgendwie dokumentieren konnte, aber ohnehin Dritten kaum zugänglich machen konnte (wenn diese nicht zufälligerweise, während man sie ausgrub, auf der Grabung vorbeikamen); und oft auch unbearbeitete (Tier- und Menschen-) Knochenfunde, verkohlte Überreste von organischem Material und andere aus der Perspektive der Zeit wissenschaftlich nicht aussagekräftige Objekte; erschienen vergleichsweise unbedeutend. Daher bewertete man sie entsprechend, und konnte somit einigermaßen leicht unterschiedlichen Objekten unterschiedliche Denkmalschutzwürdigkeit zuweisen. In den letzten Jahrzehnten sind nun aber zahllose neue Forschungsinteressensbereiche erschlossen und wenigstens zahlreiche, wenn nicht noch viel zahllosere, neue Forschungsmethoden verfügbar geworden, durch die es zu einer nahezu unendlichen Verbreiterung der wissenschaftlichen archäologischen Forschungsmöglichkeiten gekommen ist. So zum Beispiel gibt es inzwischen eine archäologische Sozialforschung, es wird archäologisch Mentalitätsgeschichte zu schreiben versucht, und vieles andere mehr; und man kann heute – und sei es nur dank gut entwickelter und sich stetig neu entwickelnder, ausgefeilter naturwissenschaftlicher Methoden – auch aus Sachen, die noch vor 100 Jahren als vollkommen unwichtig erschienen sind, eventuell relevante, wenn nicht sogar maßgebliche wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen. Ein kleines Stück Holzkohle oder gar ein Knochenfragment erlaubt heute dank Radiokarbondatierung oft eine genauere zeitliche Einordnung einer bestimmten Ablagerung (und damit auch der in ihr enthaltenen Kleinfunde) als das eine noch so ausgefeilte typo-chronologische Auswertung der in ihr enthaltenen Kleinfunde kann. Ein völlig unscheinbarer Scherben kann nach molekularen Markern untersucht werden, um festzustellen, welche organischen Substanzen sich irgendwann einmal in dem Gefäß, von dem er stammt, befunden haben. Jedes Jahr kommen neue Methoden dazu, mit denen man potentiell Fragen beantworten kann, die man sich, bis man von einer neuen Methode erfuhr, nicht einmal vorstellen konnte. Ähnlich ist es mit den Zielen und Aufgaben. Zwar ist die Verfassung von Druckschriften und die museale Vermittlung immer noch enorm wichtig; aber wir haben nun auch Aufgaben in der Denkmalpflege; wollen zum politischen und weiteren gesellschaftlichen Diskurs zu allen möglichen Fragen beitragen (wenigstens manchmal, selbst wenn es uns meistens nur eher schlecht als recht gelingt); sollen Bürger an unserer Forschung beteiligen oder diesen sogar bei deren eigener Forschung helfen; und so weiter und so fort. Wir können und müssen sogar viele unterschiedliche Medien verwenden, die sehr unterschiedliche Möglichkeiten zur Informationsweitergabe bieten; eine 126 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Informationsweitergabe, die nicht nur an einen bestimmten Abnehmerkreis – das „Bildungsbürgertum“ – gerichtet ist, sondern an viele verschiedene Abnehmerkreise, die die von uns gelieferten Informationen zu vielen verschiedenen Zwecken verwenden wollen und können; seien es Baufirmen, die von uns gelieferte Informationen gut dafür brauchen können, um sich Baukosten und vor allem -verzögerungen zu ersparen; oder seien es Bevölkerungsgruppen mit spezifischen Interessen, wie z.B. neuheidnische Gruppen, die aus den von uns gelieferten Informationen Nutzen für ihr spirituelles Wohlbefinden ziehen (wollen). Selbst wenn man viele dieser Aspekte außer Acht lässt, schlicht und einfach, weil jeder Einzelne gar nicht alle berücksichtigen kann – und sich z.B. überhaupt nicht darum kümmert, was irgendwelche Neuheiden von einem wollen könnten – führt diese Explosion von verfügbaren Möglichkeiten dennoch zwingend dazu, dass es unendlich viel schwieriger wird (bzw. geworden ist), unterschiedliche archäologische Sachen in Bezug auf ihre Bedeutung auch nur relativ zueinander zu bewerten; geschweige denn mehr oder minder absolut zu sagen, ob eine ganz bestimmte archäologische Sache, deren Bedeutung man beurteilen soll, nun derart bedeutend ist, dass ihre Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist oder nicht. Woher soll das denn bitte ein Mensch mit beschränktem Wissen und beschränkten Fähigkeiten zur Vorhersage der Zukunft, selbst wenn er ein wissenschaftlicher Fachmann für Archäologie ist, wissen und daher einigermaßen verlässlich entscheiden können? Es ist also tatsächlich weit schwieriger geworden, die Entscheidung zu treffen, was nun eine besonders bedeutende archäologische Sache ist, die man möglichst unverändert in situ (oder auch nur durch Dokumentation) für die Zukunft erhalten sollte; wenigstens so lange man auf traditionelle Weise an die Archäologie und die Beurteilung der Bedeutung archäologischer Sachen und Sachgesamtheiten herangeht (dazu noch gleich mehr). Gegenwartsvergessene Besessenheit mit der (unbestimmten) Zukunft Schließlich kommt noch das schon von Eckart Rüsch (2004) kritisierte Problem der Gegenwartsvergessenheit und der damit verbundenen Besessenheit der Denkmalpflege insgesamt, und besonders der archäologischen Denkmalpflege, mit der Erhaltung von Denkmalen für „zukünftige Generationen“ (Europarat 1992) bzw. genereller einer ebenso wie unsere zentralen Rechtsbegriffe völlig unbestimmten Zukunft (auch dazu später noch mehr, Seiten 161-182) hinzu. Die Vorstellung, dass wir „die Vergangenheit“ für „die Zukunft“ erhalten, ist sowohl in der Denkmalpflege als zentrales Element des sogenannten autorisierten Denkmaldiskurses (Smith 2006, 29-34) als auch, daraus direkt abgeleitet, in der Archäologie ein ganz zentrales Konzept. Smith hat dazu ja bereits ganz richtig angemerkt, dass – wie auch die Beispiele der in dieser Studie schon diskutierten unbestimmten Rechtsbegriffe und der sich aus der Materie des Denkmalschutzes angeblich ergebenden „Besonderheiten“, durch die Fachexperten eine essentielle Rolle im Prozess der Bestimmung der Frage, was bedeutende Denkmale sind, zugewiesen wird – diese Begrifflichkeiten zwar bewusst vage gehalten sind, aber gleichzeitig durch die Voranstellung des bestimmten Artikels ebenso bewusst den Eindruck vermitteln, als würde es sich bei ihnen jeweils um ganz konkrete, im Kontext der Vergangenheit auch materielle, real existierende Sache und nicht nur ein abstraktes Konzept handeln (Smith 2006, 29). Dadurch, dass man in der Denkmalpflege und Archäologie die eigene Rolle als der Erhaltung „der“ bestimmt unbestimmten „Vergangenheit“ für „die“ ebenso bestimmt unbestimmte „Zukunft“ gewidmet konzeptualisiert, schließt man aber, wie Rüsch (2004, 2-3) und Smith (2006, 29) übereinstimmend und ganz richtig bemerkt haben, gerade die Gegenwart völlig aus dem Denkmalschutzprozess aus; überspringt sie sozusagen. Rüsch spricht sogar ganz explizit davon, dass 127 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit die „Gegenwarts-Skepsis des Denkmalpflegers […] zu den Grund-Mentalitäten unserer Zunft in den letzten Jahrzehnten“ (Rüsch 2004, 2) gehören würde. Diese von Rüsch attestierte Gegenwarts-Skepsis scheint mir tatsächlich so tief in die fachlichen Mentalitäten von moderner Denkmalpflege und Archäologie eingedrungen zu sein, dass wir – ob nun Denkmalpfleger oder Archäologen – tatsächlich auch ganz massiv unserem eigenen Urteil bzw. unserer Urteilsfähigkeit misstrauen; wenigstens als Fachgemeinschaft, wenn nicht sogar auch ganz konkret als Individuum. Kombiniert mit dem grundlegend positivistischen Zugang, der ebenfalls sowohl für Archäologie (z.B. Karl 2010) als auch, daraus abgeleitet, für wenigstens die archäologische Denkmalpflege (z.B. Karl 2016c) charakteristisch ist, und der sich daraus zwingend ergebenden Angst davor, Fehler zu machen (Karl 2010, 74-85), führt das nahezu zwingend dazu, dass Entscheidungen möglichst nicht jetzt getroffen, sondern in eine unbestimmte Zukunft vertagt werden, in der sie jemand anderer als der, der sie in der Gegenwart treffen müsste, treffen soll. Im Bereich der musealen Sammlungstätigkeit führt genau diese Angst – ich könnte ja etwas falsch als unwichtig einordnen und der Vernichtung anheimfallen lassen, was in der Zukunft von jemand anderem für Untersuchungen mit Methoden, die wir heute noch gar nicht kennen, gebraucht werden wird – zum archäologischen Messie-Syndrom (Karl 2016c), d.h. den überquellenden Sammlungsdepots, die wir inzwischen nahezu überall im deutschen Sprachraum haben. In der archäologischen Denkmalpflege ganz allgemein zeigt sich dasselbe Problem hingegen daran, dass wir unterschiedlichen archäologischen Dingen ebenso keine relativ zueinander und absolut unterschiedlichen Bedeutung zumessen können bzw. wollen – ich könnte ja etwas falsch als unwichtig beurteilen und der Vernichtung anheimfallen lassen, was in der Zukunft noch jemand in situ mit den besseren Methoden der Zukunft erforschen möchte – und stattdessen durch die „totale Erhaltung“ aller als archäologisch identifizierten Sachen in unserer jeweiligen Gegenwart die Entscheidung, was aufgegeben werden kann und auch muss, um die verfügbaren Ressourcen auf die Erhaltung dessen konzentrieren zu können, was tatsächlich für eine bestimmte Zukunft aus konkreten Gründen erhalten werden soll, auf eine unbestimmte Zukunft vertagt wird. Rüsch hat genau dieses Problem mit aller Deutlichkeit ausgedrückt, wenn er schreibt: „Es gibt noch eine andere Seite der von mir konstatierten Gegenwartsvergessenheit der Denkmalpfleger. Ich nenne das die Zukunfts-Entsorgung. Man kann sich des schwierigen Umgangs mit den Denkmalen auch dadurch entledigen, dass man verantwortliche Entscheidungen in eine unbestimmte Zukunft vertagt. Das geschieht, wenn die Einsicht aus dem Auge verloren wird, dass Denkmalpflege von Anfang bis Ende mit interessierter Wertung, Umwertung und Verwertung zu tun hat. Immer dann, wenn Denkmalpfleger so tun, als gäbe es diese Wertungen nicht, dann vertagen sie ihre Antworten, oder eigentlich genauer: ihre VerAntwortung. Immer in der (übrigens höchst spekulativen) Hoffnung, dass die künftigen Generationen erfreut und dankbar sein würden, dass wir ihnen diese Art von Denkmalen vorgehalten haben. Wem der Mut zu abschließenden Denkmal-Bewertungen und zu Eingriffsentscheidungen fehlt, der zieht sich auf die einfachste Position zurück, nämlich Bewertungsfragen offen zu lassen, nicht einzugreifen und am liebsten gar nichts anzurühren. Mit einer solchen Haltung ist, so glaubt mancher Denkmalpfleger blauäugig, wenigstens nichts falsch zu machen. Auch brauche man so als Denkmalpfleger keine Kollegen-Schelte zu fürchten, warum man denn diese oder jene Denkmalbedeutung drangegeben habe. Untätigkeit als ethischer Auftrag des Denkmalpflegers? Sie sehen: In der Zukunfts-Entsorgung von Denkmalen ähneln sich Konservierung und Entscheidungsschwäche zum Verwechseln...“ (Rüsch 2004, 4). 128 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Aus genau diesem Grund mag insbesondere die archäologische Denkmalpflege die juristischen Black Boxes so sehr, die man, ob nun bewusst oder unterbewusst damit generiert hat, dass man die Legaldefinitionen der relevanten Denkmalbegriffe maximal unbestimmt gestaltet hat, aber gleichzeitig die Gesetze so gestaltet hat, dass sie nach dem deklaratorischen Prinzip zu funktionieren scheinen: so lange etwas in der Black Box ist, braucht nämlich die staatliche Denkmalpflege keine Entscheidung zu treffen, ob die konkret betroffene Sache eine solche ist, die so bedeutend ist, dass ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist oder nicht; sondern kann eben diese Entscheidung in eine unbestimmte Zukunft vertagen. Dadurch, dass das Gesetz vorgeblich nach dem deklaratorischen Prinzip funktioniert, hat man diese Entscheidung, wenn sie denn doch getroffen werden muss, weil irgendjemand irgendeine Handlung setzen will, die ein sich noch in dieser rechtlichen Black Box befindliches, mögliches Denkmal betreffen dürfte oder sogar nur könnte, zusätzlich noch dazu auf den Handlungen Planenden selbst abgeschoben, der – weil er ja das Gesetz selbst korrekt anwenden muss – für sich zu entscheiden hat, ob er seine geplante Handlung setzen darf oder nicht. Die staatlichen Denkmalpfleger hingegen können abwarten, welche Entscheidung er trifft, um danach retrospektiv bestimmen zu können, ob die Entscheidung des Handelnden eine war, die ihnen recht war (weil sie nichts betroffen hat, was der zuständige Denkmalpfleger als bedeutendes Denkmal betrachtet) oder nicht (weil sie etwas betroffen hat, dass er als bedeutendes Denkmal betrachtet); und dann jene Handelnden, die sich aus retrospektiver Sicht des Denkmalpflegers falsch entschieden haben, zur Abschreckung Anderer bestrafen. Damit kann der zuständige Denkmalpfleger selbst nie „schuld“ daran sein, dass er irgendeine „falsche“ Entscheidung getroffen hat, weil er ja nie irgendeine Vorab-Entscheidung getroffen hat; sondern sich vielmehr des Applauses seiner Kollegen sicher sein, wenn er wieder einmal erfolgreich einen bösen Rechtsbrecher zur Strecke gebracht hat, der schuldhaft ein bedeutendes Denkmal angetastet hat. Das ist für die Denkmalpfleger sehr bequem, aber dummerweise eine tatsächlich krankhafte Störung des funktionalen Sozialverhaltens der archäologischen Denkmalpflege: schließlich hat der Gesetzgeber, wenigstens der österreichische, der das ja auch ganz explizit in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur letzten großen DMSG-Novelle von 1999 festgehalten hat (RV 1999, 39), durch das Denkmalschutzgesetz das BDA (schon immer) damit beauftragt (gehabt), genau diese Entscheidungen zu treffen. Die gesellschaftliche – d.h. soziale – Funktion der archäologischen Denkmalpflege ist es also, genau die Entscheidungen zu treffen, die sie gerade nicht treffen will und gegen die sie sich auch mit Händen und Füßen wehrt. Sie ist entscheidungsschwach, entscheidungsunfähig und vor allem entscheidungsunwillig; und beschäftigt sich daher auch erst gar nicht mit der Entwicklung nachvollziehbarer Kriterien, anhand derer sie bestimmen könnte, welche archäologischen Sachen von solcher Bedeutung sind, dass man sie im öffentlichen Interesse erhalten muss; und welche das nicht sind. Und tatsächlich hat ja auch der Rechnungshof das BDA zuletzt unter anderem insbesondere dafür kritisiert, dass es keinen nachvollziehbaren Kriterienkatalog hat, anhand dessen die Bedeutung einer möglicherweise denkmalschutzwürdigen Sache bestimmt werden kann (RH 2017, 41-7, insbesondere 46-7). Das positivistische Bedeutungsbeurteilungsproblem Am Weg zu einer Lösung des Problems, wie man die relative Bedeutung archäologischer Sachen zueinander bestimmen kann, steht uns derzeit in der archäologischen Denkmalpflege meiner Meinung nach aber insbesondere als Hindernis im Weg, wie wir an die Archäologie ganz allgemein und an archäologische Sachen traditionell herangehen: nämlich letztendlich auf positivistischem Weg. 129 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit Unsere Disziplin ist traditionell generell stark positivistisch geprägt (siehe z.B. Atzbach 1998); insbesondere in Österreich, wo sie ganz direkt und unmittelbar durch den im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert – der Zeit der Entstehung insbesondere der Ur- und Frühgeschichte, der in Hinblick auf die österreichische archäologische Denkmalpflege mit Abstand relevantesten archäologischen Disziplin – dominanten Neo- bzw. logischen Positivismus, der insbesondere mit dem sogenannten „Wiener Kreis“ verbunden wird, geprägt wurde (Karl 2010; Karl 2016d). Wie schon andere (z.B. Rączkowski 2011) und auch ich selbst (Karl 2016d) ausgeführt haben, neigt der Positivismus sehr stark zur Selbstreproduktion über Forschergenerationen hinweg, weil die ihm eigene Art der Autoritätszuweisung an Individuen und die sich aus ihm logisch zwingend ergebende Lehr- und Lernmethode inklusive der Überprüfung bzw. Anerkennung des Lernerfolges diese extrem stark begünstigen. Wie jeder grundlegende epistemologische Zugang zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn prägt auch der Positivismus ganz stark die Sicht der Wissenschaft (und der in ihr tätigen Wissenschafter, wenigstens derer im disziplinären mainstream) auf ihre Quellen und darauf, wie ihre Bedeutung relativ zueinander bewertet wird bzw. zu bewerten ist. Es ist also gar kein Wunder, dass wir unsere Quellen auf ganz bestimmte Art bewerten und betrachten, ebenso wenig wie es (wie schon oben erwähnt) ein Wunder ist, dass wir unerträgliche Angst davor haben, Fehler zu machen, weil das alles zwingend aus dem erkenntnislogischen Zugang folgt, mit dem wir an die Erforschung unseres Fachgebiets herangehen. Das erkenntnislogisch-methodische Programm von Moriz Hoernes Wie wir an archäologische wissenschaftliche Erkenntnis herangehen sollen, hat bereits Moriz Hoernes, der Gründungsvater und erster Ordinarius der Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien, der auch Mitglied der k.k. Zentralkommission (der Vorgängerorganisation des BDA), langjährig als Beamter in der prähistorischen Abteilung des NHM tätig (Brückler & Niemeth 2001, 112) und generell eine Zentralfigur in der frühen österreichischen professionellen Archäologie war, in seiner 1892 an der Universität Wien angenommenen Habilitationsschrift (Hoernes 1892), mit der er effektiv die Ur- und Frühgeschichtswissenschaft in der k.k. Monarchie begründete, programmatisch festgesetzt. Hoernes schreibt darin im einleitenden, wenn man das so nennen will methodisch-theoretischen, Teil, dass der „...Anfang und Fortschritt...“ in der Ur- und Frühgeschichte in „...der Beobachtung nackter Tatsachen, im Aneinanderreihen der einzelnen an sich geringfügigen Wahrnehmungen zu unerschütterlichen Erkenntnissen liegt...“ (Hoernes 1892, 43). Er beruft sich dafür auch auf andere, insbesondere den führenden – aber eigentlich noch als Dilettant agierenden – deutschen Urgeschichtswissenschafter seiner Zeit, Rudolf Virchow, und den allgemeineren weiteren Fachkonsens seiner Zeit (der in Hoernes Augen seit etwa 1860 bestand), den er in Hinblick auf den theoretisch-methodischen Zugang zu archäologischem Erkenntnisgewinn wie folgt zusammenfasst: „Man proklamierte mit Entschiedenheit die Geltung der induktiven – d.h. bei emsiger Detailarbeit zuwartenden, aller subjektiven, von oben herab generalisierenden Einflüsse entkleideten – naturwissenschaftlichen Methode für dieses neue Wissensgebiet.“ (Hoernes 1892, 36; Hervorhebungen: RK). Dieses programmatisch als absolut grundlegend vorgeschriebene Gebot-Verbot-Paar erzwingt nun eine ganz bestimmte Sichtweise darauf, wie archäologische Erkenntnis gewonnen wird bzw. werden muss; und erzwingt dadurch ebenfalls eine ganz bestimmte Sichtweise darauf, wie der archäologische (Quellen- und damit auch Denkmal-) Wert konkreter archäologischer Sachen zu beurteilen ist. Bei einem Versuch der Erkenntnisgewinnung ist nämlich unter diesem Programm auf ganz konkrete Weise vorzugehen (Abb. 7, Abb. 8): 130 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Der Erkenntnisprozess ist nach Hoernes (1892, 36) ein gerichteter Prozess, der zwingend auf der Ebene der konkreten, einzelnen Sachen beginnt. Diese einzelnen, konkreten Sachen sind vorerst einmal, jeweils für sich betrachtet, ganz unwichtig (Abb. 7). Jede davon muss ganz genau – d.h. detailliert – betrachtet bzw. beobachtet werden, um ihre essentiellen Eigenschaften erkennen und diese so exakt als möglich beschreiben zu können (Karl 2016d, 95-101). So z.B. kann sich der auf dieser Basis arbeitende hypothetische Forscher einen Schwan anschauen, um zu sehen, was für eine Farbe dieser hat, dann den nächsten, usw. Hat man die essentiellen Eigenschaften der untersuchten Sache korrekt erkannt und beschrieben, kann man mittels eines induktiven Schlusses – der, wie schon David Hume (2000, 61-5, 89-97) gezeigt hat, zwingend der Vollständigkeit der Beobachtung aller relevanten Sachen bedarf, um auch wirklich logisch schlüssig zu sein – eine allgemeingültige Erkenntnis gewinnen, die man auch in Form eines wahren Satzes ausdrücken kann. Z.B. kann man, wenn man alle europäischen Schwäne betrachtet und korrekt beobachtet hat, dass diese alle weiß sind, den wahren Satz „europäische Schwäne sind weiß“ daraus ableiten. Dies ist allerdings noch eine nur wenig wichtige Detailerkenntnis, weil sie sagt ja nur etwas über europäische Schwäne, aber noch nicht über alle Schwäne, aus. Daher muss man den oben genannten Prozess – im Fall der hier als Beispiel herangezogenen Schwäne – für alle Kontinente wiederholen, um für jeden Kontinent bestimmen zu können, was dort für Schwäne zutrifft. Tut man das, stellt man unweigerlich fest, dass es in Australien auch schwarze Schwäne gibt. Daraus kann man – jetzt grob für das Beispiel vereinfacht – induktiv den wahren Satz „australische Schwäne sind schwarz“ ableiten und hat somit eine weitere, immer noch für sich betrachtet, nur wenig wichtige Detailerkenntnis gewonnen. Hat man schließlich alle relevanten Detailerkenntnisse auf diesem Weg gewonnen, kann man schlussendlich – und bis dahin muss man auch abwarten, sonst kann man ja auf induktivem Weg keine wahre Erkenntnis gewinnen – die Wahrheitserkenntnis „Alle Schwäne sind entweder weiß oder schwarz“ gewinnen. Dies ist nun eine sehr bedeutende Erkenntnis, weil man kennt ja nun die allgemeine Wahrheit über die Farbe aller Schwäne. Abb. 7: Gerichteter ur- und frühgeschichtswissenschaftlicher Erkenntnisprozess nach Hoernes (1892, 26). Grün: für sich gesehen besonders bedeutend; Gelb: für sich gesehen bedeutend; Rot: für sich gesehen unbedeutend. Die Folgen von Hoernes‘ Programm für die Denkmalwertbeurteilung Nun ist es aber natürlich so, dass sich der Wissenschafter, der diese Wahrheitserkenntnis über die Farbe von Schwänen gewinnen wollte, selbstverständlich nicht nur alle Schwäne anschauen musste, 131 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit sondern tatsächlich (wenigstens) alle Sachen, die möglicherweise Schwäne sein könnten, also wenigstens alle Vögel, wenn nicht sogar alle Tiere. Schließlich kann er, wenn er sich nicht alle Sachen angeschaut hat, die möglicherweise Schwäne sein könnten, irgendwelche Sachen übersehen haben, die tatsächlich Schwäne sind, aber von irgendjemandem fälschlich als Nicht-Schwäne bezeichnet wurden; z.B. weil sie eine andere Farbe haben als andere Schwäne. Wenn er aber z.B. aufgrund ihrer anderen Farbe von einem Dritten falsch als Nicht-Schwäne bezeichneten Schwäne übersehen hat, wäre seine Aussage über die Farbe aller Schwäne – wenn auch nur irrtümlich – falsch und daher nicht wahr; und somit keine Erkenntnis. Also muss er, um diese Fehlermöglichkeit ausschließen zu können, zwingend auch alle Sachen angeschaut haben, die nur Schwäne sein könnten; auch wenn sich im Endeffekt herausstellt, dass keine davon tatsächlich ein Schwan war. Damit ist die Bestimmung des Quellenwertes jeder konkreten, einzelnen Sache – und damit, wenn man statt Schwänen archäologische Sachen in das obige Beispiel einsetzt, auch des Denkmalwerts jeder konkreten, einzelnen archäologischen Sache – aber immer erst dann möglich, wenn man alle wissenschaftlichen Fragen, die man mit dieser konkreten Sache tatsächlich beantworten kann (und sei es auch nur hypothetischerweise), auch schon tatsächlich beantwortet hat. Denn ob eine konkrete Sache, jetzt nicht mehr für sich allein, sondern in Verbindung mit zahllosen anderen untersuchten Sachen betrachtet, bedeutend war oder nicht, hängt ja letztendlich (nur) davon ab, ob man aus ihrer korrekten Beobachtung und Beschreibung in Verbindung mit zahllosen anderen ebenso korrekten Beobachtungen und Beschreibungen anderer, gleichartiger Sachen, wirklich bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen konnte oder nicht; und das kann man erst wissen, wenn man diese Erkenntnisse tatsächlich schon gewonnen hat. Abb. 8: Retrospektiver Prozess der Quellen- und Denkmalwertbestimmung archäologischer Sachen nach Hoernes (1892, 36). Grün: in Hinblick auf die angestrebte Erkenntnis in Verbindung mit anderen Sachen gesehen besonders bedeutend; Rot: in Hinblick auf die angestrebte Erkenntnis unbedeutend. Der wissenschaftliche Quellen- und somit auch der Denkmalwert einer archäologischen Sache lässt sich somit unter dieser programmatischen Betrachtungsweise letztendlich immer nur retrospektiv bestimmen (Abb. 8). So lange man nicht weiß, ob eine bestimmte, konkrete Sache für die Beantwortung einer bedeutenden archäologischen Forschungsfrage wichtig ist, kann man auch nicht wissen, ob sie – zwar nicht für sich, aber in ihrer essentiellen Verbindung mit anderen gleichartigen Sachen – einen besonders bedeutenden Wert als Quelle und Denkmal hat. Nachdem man aber nicht vorab wissen kann, ob eine konkrete Sache nicht – wenn man sie mit einer derzeit noch nicht einmal angedachten, aber in der Zukunft möglicherweise entwickelt werdenden, neuen und besseren wissenschaftlichen Forschungsmethode untersucht, mit der man Sachen herausfinden kann, die man 132 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? sich jetzt noch nicht einmal vorstellen kann – doch noch irgendwann einmal für die Beantwortung irgendeiner derzeit noch nicht einmal angedachten wissenschaftlichen Forschungsfrage bedeutend werden könnte, kann man die Frage, ob eine Sache tatsächlich so bedeutend ist, dass man sie „für die Erforschung durch künftige Generationen“ (Europarat 1992) erhalten muss, logisch zwingend immer erst dann und dann immer nur positiv beantworten, wenn sich schon herausgestellt hat, dass sie tatsächlich für die Beantwortung wenigstens einer ganz konkreten wissenschaftlichen Forschungsfrage bedeutend gewesen ist. Die umgekehrte, d.h. negative Antwort, dass eine archäologische Sache sicherlich keinen Quellen- und damit auch Denkmalwert hat, ist erst und nur dann möglich, wenn alle theoretisch möglichen archäologischen Forschungsfragen gestellt und erfolgreich beantwortet wurden; d.h. erst, wenn man die ganze archäologische Wahrheit kennt. Kennt man die ganze archäologische Wahrheit, dann kann man auch sagen, welche archäologischen Sachen nicht dafür gebraucht worden sind, um diese ganze Wahrheit zu gewinnen; und diese nicht gebrauchten archäologischen Sachen sind dann logischerweise die, die man nicht erhalten hätte müssen. Die Folgen für eine positivistisch geprägte archäologische Denkmalpflege Für eine positivistisch geprägte archäologische Denkmalpflege im Sinne Hoernes‘ folgt damit zuerst einmal zwingend, dass sie den wissenschaftlichen Quellen- und somit den Denkmalwert einer beliebigen konkreten Sache unmöglich bestimmen kann, ehe die archäologische Forschung nicht an ihrem Endziel, der vollständigen Erkenntnis aller wahren Antworten auf alle möglichen archäologischen Forschungsfragen, angelangt ist. Bis dieses Ziel nicht erreicht ist, muss sie der Forderung Hoernes‘ (1892, 36) folgen, sich zwar jede archäologische Sache bei emsiger Detailarbeit so genau anzuschauen, wie es zum jeweils gegenwärtigen Zeitpunkt gerade geht; aber mit jeder Entscheidung über den Quellen- und somit auch den Denkmalwert einer jeden konkreten Sache ganz ohne jede Generalisierung vorzunehmen zuzuwarten, bis dieses Ziel auch tatsächlich erreicht ist. Die von Rüsch (2004) und Smith (2006, 29) attestierte Gegenwartsvergessenheit der (archäologischen) Denkmalpflege folgt daraus also zwingend, ebenso wie ihre Entscheidungsschwäche, Entscheidungsunwilligkeit, ja erkenntnislogisch-methodisch gesehen sogar zwingend folgende Entscheidungsunfähigkeit: eine positivistisch geprägte archäologische Denkmalpflege kann, so wie sie an den archäologischen Erkenntnisprozess methodisch herangeht, gar nicht in der Gegenwart erkennen können, was ein so bedeutendes archäologisches Denkmal ist, dass seine Erhaltung im öffentlichen Interesse erforderlich ist. Diese Frage kann man aus ihrem Blickwinkel ausschließlich nur in einer unbestimmten aber jedenfalls sehr fernen Zukunft, wenn wir einmal alles wahre Wissen über die Vergangenheit haben werden, mit der dafür erforderlichen Sicherheit beantworten. Um überhaupt an diesen Punkt kommen zu können, an dem diese Entscheidung dereinst einmal getroffen werden wird können, muss man jetzt zwingend einen totalen archäologischen Denkmalschutz umsetzen; d.h. man muss sich jede konkrete Sache genau anschauen und auch jede Sache dauerhaft erhalten, die auch nur eine archäologische Quelle sein könnte, weil man könnte sich ja – nachdem man jetzt in der Gegenwart nicht alles weiß und auch gar nicht alles wissen kann, was man wissen müsste, um sich sicher sein zu können, dass man das nicht tut – doch irgendwie irren und etwas der Zerstörung überlassen, was irgendwann in der Zukunft irgendwer unbedingt gebraucht hätte, um das letzte Puzzleteil in das große archäologische Puzzlespiel einzusetzen, das man braucht, um endlich das wahre Bild der Vergangenheit erkennen zu können. Das gilt natürlich für alle Sachen, die archäologische Sachen sein könnten, egal ob man sie schon kennt oder noch nicht kennt. Darum muss man auch den Anwendungsbereich der Denkmalschutzgesetze auf alle Sachen ausdehnen, die irgendwie archäologische Sachen sein könnten, weil das der einzige Weg ist sicherzustellen, dass das 133 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit Puzzleteil, dass man zwar als Fachmann, aber der Durchschnittsbürger unmöglich als an sich, für sich betrachtet, völlig unbedeutendes, aber in Zusammenhang mit anderen ebenso an sich unbedeutenden Sachen unendlich bedeutendes archäologisches Denkmal erkennen kann, nicht unbemerkt und unbeabsichtigt zerstört wird. Die totale Denkmalpflege folgt also zwingend. Nachdem aber die positivistische Zugangsweise im Stil von Hoernes (1892, 36) erzwingt, dass man immer nur auf das konkrete Einzelobjekt schaut und jedwede verfrühte Generalisierung, die sich nicht zwingend aus dem Einzelobjekt in Verbindung mit zahllosen anderen solcher Einzelobjekte ergibt, um jeden Preis unterlässt; bleibt der Blick des positivistisch geprägten Denkmalpflegers auch immer zwingend am konkreten Einzelobjekt haften. Er kann und darf nicht generalisieren, weil er ja schon mit der akademischen Muttermilch ein absolutes Generalisierungsverbot eingetrichtert bekommen hat; und kann damit auch keine generellen Beurteilungskriterien aufstellen, auf deren Basis sich nachvollziehbar bestimmen lässt, ob eine archäologische Sache von derart beschaffener Bedeutung ist, dass ihre Erhaltung deswegen im öffentlichen Interesse gelegen ist. Versucht man den positivistisch geprägten Denkmalpfleger dennoch dazu zu zwingen, dann weicht er unweigerlich auf die Notwendigkeit der Einzelfallbetrachtung und die Unzulässigkeit jedweder Generalisierung aus; und findet (und erfindet im Notfall) eine Unzahl an Gründen, warum das, wozu man ihn zwingen will, unmöglich umsetzbar ist. Das zeigt sich auch in der Reaktion des BDA auf die Kritik des Rechnungshofs in seinem Rohbericht am Fehlen nachvollziehbarer Kriterien für die Unterschutzstellung von Denkmalen: das BDA argumentierte in seiner Stellungnahme, dass sich die Kriterien für Unterschutzstellungen aus dem DMSG und der Judikatur ergäben und die vom RH monierten Vorgaben für die Anwendung der Kriterien zur Unterschutzstellung der ständigen Rechtsprechung widersprechen würden, in der darauf hingewiesen würde, dass die Erstellung von Amtssachverständigengutachten unbeeinflusst zu erfolgen habe und keine Vorgaben zu machen seien (RH 2017, 47). Generalisieren geht nicht, das darf man nicht, sagt sogar das Gesetz und die Judikatur. Der Amtssachverständige muss das im Einzelfall auslegen und man darf ihm keine Vorgaben machen. Der Einzelfall. Einzelfall. Die konkrete Sache selbst. Als ob der Rechnungshof das DMSG nicht gelesen hätte, die einschlägige Judikatur nicht kennen würde und man ihm daher wie einem Kleinkind erklären muss, dass das nicht geht, was er von einem will. Natürlich ist das gesamte epistemologisch-methodische Rahmenwerk Hoernes‘ (1892) in der Archäologie und damit auch der archäologischen Denkmalpflege logisch unmöglich (siehe dazu ausführlich Karl 2010). Man kann das Endziel des vollständigen und gänzlich wahren archäologischen Wissens natürlich schon allein deshalb nie erreichen, weil die Archäologie sich wie jede historische Wissenschaft durch eine essentielle Unvollständigkeit ihrer Quellen kennzeichnet: das meiste, das man bräuchte, um tatsächlich erfolgreich eine Vollinduktion durchführen zu können, ist schon längst zerstört worden. Man kann also auf den Sankt Nimmerleinstag warten und wird dennoch niemals das angestrebte Endziel der Hoernes’schen archäologischen Forschung erreichen können. Totaler Denkmalschutz ist also sowieso total sinnlos. Aber die Tatsache, dass das, was Hoernes erreichen wollte, unmöglich erreicht werden kann, ändert nichts daran, das positivistisch geprägte Denkmalpfleger, die in der Regel die epistemologische Unmöglichkeit der Grundlagen ihrer Denkmalpflegepraxis überhaupt nicht durchdacht, ja meist noch nicht einmal angedacht haben, in ihrer Betrachtung der Frage der Denkmalwertbestimmung archäologischer Sachen immer auf die Weise herangehen werden, die Hoernes (und andere Väter der deutschsprachigen Archäologie) vorgegeben haben. 134 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Weil, wie schon das eine oder andere Mal in diesem Buch gesagt: wir wissen ja alle, dass dieser Zugang nicht nur richtig, sondern sogar der einzig mögliche Zugang ist, um nicht der Archäologie unermesslichen Schaden zuzufügen. Ohne ganz grundlegend zu ändern, wie wir als (archäologische) Denkmalpfleger über unsere (jeweilige) Wissenschaft denken; und ohne ganz grundlegend zu ändern, wie wir an unsere Quellen und die Bestimmung ihres Quellen- und damit unteilbar verbunden auch ihres Denkmalwertes herangehen; lässt sich das alles nicht ändern. So lange man positivistisch über wissenschaftliche Erkenntnis denkt, verstellt einem die damit verbundene Sichtweise immer den Blick auf das Große, das Allgemeine, weil man immer nur auf das Kleine, immer nur auf den konkreten Einzelfall schaut; ja über archäologische Denkmalpflege überhaupt nur anhand des zwar vielleicht durchaus als beliebig verstandenen, aber immer noch als konkreten Einzelfall imaginierten, Beispiels nachdenken kann. Dass man an die Frage auch aus ganz anderer Richtung, nämlich mittels einer generalisierendtheoretischen Betrachtung herangehen könnte, kann man sich, so lange man in diesem Denkschema feststeckt, nicht einmal vorstellen: es ist im wahrsten Sinne des Wortes undenkbar. Ein Alternativvorschlag: generalisierende Denkmalwertbestimmung Tatsächlich ist es, um eine Denkmalwertbestimmung von archäologischen Sachen vorab vornehmen zu können – d.h. eventuell sogar bevor sie überhaupt erstmals (wieder-) entdeckt wurden – unumgänglich notwendig, ganz anders an diese Frage heranzugehen. Das liegt schon allein daran, dass man, wenn man tatsächlich vorab sagen können wollen will oder gar können muss, ob etwas, was – eben bis zum Zeitpunkt seiner erstmaligen (Wieder-) Entdeckung – zuvor noch völlig unbekannt war, schon vor dem Zeitpunkt seiner Entdeckung so bedeutend ist, dass seine Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist, die Frage, was eine archäologische Sache so bedeutend macht, dass ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist, logisch zwingend unabhängig von der Betrachtung des Einzelfalls bestimmen können muss. Das muss so sein, weil man einen Einzelfall, den man noch gar nicht kennt, ja überhaupt nicht anhand seiner spezifischen Eigenheiten beurteilen kann. Vielmehr muss man – eben generalisierend – Kriterien festlegen, die jede archäologische Sache, die so bedeutend ist, dass ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist, erfüllen muss, mit denen man dann die spezifischen Eigenschaften einer konkreten Sache im Einzelfall vergleichen und somit bestimmen kann, ob diese konkrete Sache auch tatsächlich die Eigenschaften aufweist, die sie haben muss, damit ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist. Weist eine neu entdeckte Sache eben diese Eigenschaften auf, dann ist sie – und war selbstverständlich auch schon vor ihrer Entdeckung – ein archäologisches Denkmal, das (ab dem Zeitpunkt, an dem der soeben genannte Vergleich ergeben hat, dass es besonders bedeutend ist) auch tatsächlich zu erhalten ist. Tut sie das hingegen nicht, ist sie kein archäologisches Denkmal, das man im öffentlichen Interesse erhalten müsste. Um solche generalisierten Kriterien zu bestimmen, muss man zuerst einmal betrachten, welche – ebenso generalisierten – Typen von archäologischen Sachen es gibt, die denkmalpflegerisch relevant sein bzw. werden könnten. Dies muss man natürlich in Hinblick auf ein bestimmtes Ziel bzw. eine bestimmte Fragestellung machen, weil jede Klassifizierung beliebiger Arten von Sachen in unterschiedliche Typen von Sachen, wie gerade wir als Archäologen wissen sollten, immer direkt von der Fragestellung abhängt, für die man diese Klassifizierung vornimmt (für Leser, die das bisher übersehen haben, grundlegend dazu Eggert 2001, 139-45). Um diese Frage zu beantworten, muss man sich aber zuerst anschauen, wodurch sich die archäologische Denkmalpflege von anderen Arten der materiellen Denkmalpflege, insbesondere den drei anderen Hauptarten im Sinne der Systematik der Denkmalpflege in Österreich, nämlich der Bau- und Kunstdenkmalpflege und dem Schutz von 135 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit Archivalien unterscheidet. Die Paläontologie, die in Deutschland oft auch noch hinzukommt, wird an dieser Stelle nicht weiter beachtet, sie gehört systematisch aber in die Gruppe, in der sich auch die archäologische Denkmalpflege befindet. Archäologische vs. andere Denkmalpflege Die österreichische Denkmalpflege in ihrer Gesamtheit lässt sich im Prinzip in zwei verschiedene Klassen unterteilen und zwar auf Basis zentraler, typischer Eigenschaften der Denkmale, um die sich diese verschiedenen Klassen von Denkmalpflege jeweils kümmern (sollen). Die erste – und in Österreich traditionell viel bedeutendere – dieser Klassen ist die, zu der sich die Bau- und Kunstdenkmalpflege und die Archivalienpflege zusammenfassen lassen; die zweite hingegen ist die – in Österreich traditionell stiefmütterlich behandelte – Klasse, die in Österreich nur die archäologische Denkmalpflege umfasst, zu der aber auch die paläontologische Denkmalpflege gehören würde, wenn diese in Österreich nicht dem Natur- sondern – wie das in Deutschland üblich ist – dem (Kultur-) Denkmalschutz zugeordnet werden würde. Denkmale der ersten Klasse, also Bau- und Kunstdenkmale sowie Archivalien, sind hauptsächlich Gegenstände, die – wenigstens grundsätzlich – wenigstens irgendwelchen derzeit lebenden Menschen (noch) bekannt sind und von diesen in der Regel auch noch genutzt werden oder für eine zukünftig mögliche Nutzung aufbewahrt bzw. erhalten werden. Sie sind also – wenigstens im Prinzip – bekannt, wenn auch natürlich nicht unbedingt vielen, geschweige denn allen derzeit noch lebenden Menschen. Nicht nur das, sie sind auch – wenigstens in vielen ihrer maßgeblichen Eigenschaften – ohne größeren Aufwand sinnlich wahrnehmbar, d.h. man kann sie (sofern man Zugang zu ihnen hat) anschauen, angreifen, an ihnen riechen, etc. (wobei man sie in der Regel nicht Abschlecken oder Einnehmen sollte, um sie schmecken zu können, weil das entweder für sie oder einen selbst schädlich wäre, oder sogar beides, und es oft auch eher sinnlos ist, sie zu hören zu versuchen). Ausnahmen davon sind nur eine kleine Minderheit aller Denkmale, die in diese Kategorie fallen. Sie sind – weil man eben wenigstens viele ihrer maßgeblichen Eigenschaften sinnlich wahrnehmen kann – meist auch (von theoretisch-methodischen Einschränkungen wie den soeben diskutierten einmal abgesehen) einigermaßen leicht in Hinblick auf ihren Denkmalcharakter und -wert beurteilbar: oft muss man sie – wenngleich vielleicht auch sehr genau und mit dem erforderlichen Fachwissen – nur anschauen, um bereits mit einigermaßen hoher Sicherheit beurteilen zu können, ob es sich bei ihnen wenigstens hypothetisch mutmaßlich im ein besonders bedeutendes Denkmal handeln könnte oder nicht. Das bedeutet natürlich nicht, dass deshalb auch schon die Beurteilung ihres Denkmalwertes im Hinblick auf eine Unterschutzstellung leicht ist; aber wenigstens die Frage, ob eine solche Sache ein schützenswertes Denkmal sein könnte – z.B. ein bedeutendes Kunstwerk – oder nicht (wie z.B. das Gekritzel, dass man beim Telefonieren auf seinen Notizblock macht), ist normalerweise recht einfach zu beantworten. Denkmale der zweiten Klasse, also in Österreich archäologische Denkmale (und in Deutschland auch paläontologische), sind hingegen hauptsächlich solche Gegenstände, die – wenigstens grundsätzlich – keinem derzeit lebenden Menschen mehr bekannt sind und von diesen ebenso in der Regel nicht mehr genutzt werden und meist auch gar nicht mehr in einem Zustand sind, dass man sie wieder einer Nutzung (außer als Forschungsgegenstände und zu musealen Zwecken) zuführen könnte. Sie sind also – wenigstens im Prinzip und mehrheitlich – unbekannt. Nicht nur das, sie sind, weil sie – zumeist im Boden, seltener auch an anderen Orten – im Verborgenen liegen, in der Regel auch sinnlich vor ihrer Auffindung überhaupt nicht erlebbar (oder, wenn doch, dann nur mittels technischer Hilfsmittel wie geophysikalischer Messgeräte; oder unter besonderen Bedingungen, wie bei der Betrachtung aus bedeutender Höhe aufgrund sich dann abzeichnender, aus der Distanz bei steilerem 136 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Betrachtungswinkel auch sinnvoll interpretierbarer Bewuchs- oder Schattenmerkmale). Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen, vor allem was bewegliche Kleinfunde betrifft, die bereits entdeckt worden sind; aber diese sind auch nur eine kleine Minderheit der Gesamtmenge in diese Kategorie fallenden Denkmale. Archäologische Denkmale sind daher – weil man normalerweise keine ihrer maßgeblichen Eigenschaften sinnlich wahrnehmen kann, weil man ja noch nicht einmal weiß, dass es sie gibt – meist (nicht nur aus den oben diskutierten theoretisch-methodischen Gründen, sondern tatsächlich) überhaupt nicht auf ihren Denkmalcharakter und -wert hin beurteilbar; wenigstens so lange sie noch unentdeckt im Verborgenen liegen (siehe dazu auch Hebert 2018, 84). Aber selbst wenn sie (teilweise) entdeckt und sinnlich wahrnehmbar werden, ist ihr Denkmalwert oft immer noch nur sehr schwer bestimmbar, weil meist nur einzelne Teile eines tatsächlich weiterhin Großteils im Verborgenen liegenden größeren Denkmals – wie z.B. zu einer größeren archäologischen Fundstelle mit wenigstens noch teilweise intakter Stratifikation gehörende bewegliche Kleinfunde – entdeckt und wahrnehmbar werden. Das ist zumeist etwa so, als ob man von einem möglicherweise denkmalschutzwürdigen Haus maximal eine Fassade (und die nur durch einen stark verdreckten Schleier) und ein paar Stücke seines beweglichen Zubehörs sehen würde und auf dieser Basis dann entscheiden sollte, ob das Haus nun tatsächlich so bedeutend ist, dass seine Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist oder ob es ohne weitere Einschränkungen abgerissen werden darf. Damit man archäologische (und auch paläontologische) Denkmale überhaupt unmittelbar sinnlich wahrnehmen kann, ist es zumeist erforderlich, sie wenigstens aus dem Verborgenen zu bergen oder sogar systematisch auszugraben. Dazu ist es jedoch zumeist zwingend erforderlich, einen mehr oder minder signifikanten Eingriff in die Substanz des Denkmals, wenigstens des größeren Denkmals, das – wenigstens bis die Fundstelle komplett ausgegraben ist – immer noch wenigstens teilweise im Verborgenen gelegen ist, dessen Teil das konkret geborgene oder ausgegrabene Denkmal ist, vorzunehmen; d.h. wenigstens das größere Denkmal in mehr oder minder signifikantem Ausmaß zu verändern oder gar zu zerstören. Selbst wenn ein archäologisches Denkmal teilweise oder ganz ausgegraben wird, ist es – man gräbt schließlich in der Regel im Erdboden, in dem man das, was man noch nicht freigelegt hat, auch nicht sinnlich wahrnehmen kann – oftmals so, dass man relevante Eigenschaften bzw. relevante Änderungen in den Eigenschaften der Substanz nur schwer wahrnehmen kann, bevor man sie schon teilweise oder sogar vollständig verändert oder gar zerstört hat. D.h. bei archäologischen Denkmalen widersprechen nahezu regelhaft die Erfordernisse für seine (wissenschaftliche) Erforschung und seine Nutzbarmachung für die Öffentlichkeit den Erfordernissen seiner unveränderten Erhaltung (siehe auch Hebert 2018). Letzteres bedeutet auch, dass archäologische Denkmale in der Regel die meisten im öffentlichen Interesse gelegenen Funktionen, die Denkmale erfüllen können, wie z.B. die identitätsstiftende Funktion, die Funktion als Erinnerungsort bzw. Ankerpunkt für das kulturelle Gedächtnis etc., nicht erfüllen können, die primär dem unmittelbar sinnlich wahrnehmbaren äußeren Erscheinungsbild von Denkmalen anhaften; sofern sie sich nicht noch obertägig erkennbar deutlich vom umgebenden Boden abheben. Wenn sie sich aber vom umgebenden Boden abheben, sind sie systematisch eigentlich eher den Baudenkmalen (im Fall von unbeweglichen, noch obertägig erkennbaren archäologischen Strukturen wie Wällen, Gräben, Ruinen, etc.) oder den Kunstdenkmalen (im Fall von beweglichen Kleinfunden) zuzuordnen. Zwar kann man solche obertägig unmittelbar sinnlich wahrnehmbaren archäologischen Überreste, wenn man das möchte, auch weiterhin als archäologische Denkmale betrachten; aber sie unterscheiden sich eben durch ihre unmittelbare sinnliche Wahrnehmbarkeit maßgeblich von der Mehrheit der archäologischen Denkmale, die eben (noch, meist im Boden) verborgen sind. 137 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit Die meisten archäologischen Denkmale liegen hingegen an Orten (gewöhnlich unter der Erdoberfläche) verborgen, die sich in ihrer Erscheinung von ihrer Umgebung durch keinerlei sinnlich wahrnehmbare Merkmale unterscheiden. Wirklich denkmalpflegerisch (und noch viel mehr archäologisch) relevant ist daher nur ihre Substanz, d.h. ihre innere Zusammensetzung. Diese ist zumeist – sofern es sich bei der in Frage stehenden archäologischen Sache nicht um ein bereits völlig dekontextualisiertes Einzelobjekt handelt – nicht einheitlich, sondern kennzeichnet sich dadurch, dass sie – oft aus sehr vielen – unterschiedlichen Bestandteilen besteht, von denen manche im herkömmlichen Sinn unbeweglich (= Bodenschichten, Mauerfundamente, etc.; das was wir gewöhnlich archäologisch als Befunde bezeichnen), andere hingegen beweglich (= Kleinfunde) sind. Nachdem diese innerlich mehr oder minder komplex strukturierte Substanz normalerweise nicht unmittelbar sinnlich wahrnehmbar ist, sondern erst durch ihre Erforschung – eben gewöhnlich durch Ausgrabung und damit wenigstens teilweiser Substanzveränderung bzw. -zerstörung – sinnlich wahrnehmbar gemacht werden kann, können archäologische Denkmale somit normalerweise nur die Funktion des Schutzes von Quellen der wissenschaftlichen Erforschung der Vergangenheit erfüllen; und zwar weitgehend unabhängig davon, ob das betreffende archäologische Denkmal schon irgendjemandem bekannt oder noch gänzlich unbekannt ist. Zwar können natürlich bereits ganz oder teilweise erforschte archäologische Denkmale – auch durch teilweise Ausgrabung bei Erhaltung noch nicht ausgegrabener oder an Ort und Stelle wiederhergestellter, zuvor bereits ausgegrabener, unbeweglicher archäologischer Strukturen im Boden (wie eben Mauerfundamente, freigelegte Schichtoberflächen, etc.; wenigstens soweit diese mit konservatorischen Methoden auch einigermaßen unverändert in situ erhalten werden können) – durch Ausweisung der Existenz des archäologischen Denkmals an Ort und Stelle, gegebenenfalls unterstützt durch eine geeignete Form der Präsentation der (und sei es auch nur vorläufigen, unvollständigen) Ergebnisse der Erforschung des jeweils konkret in situ vorhanden gewesenen oder sogar noch teilweise vorhandenen Denkmals, für andere im öffentlichen Interesse gelegene Denkmalfunktionen zugänglich gemacht werden; selbst wenn man obertägig nichts vom eigentlichen Denkmal unmittelbar sinnlich wahrnehmen kann. Eine derartige, sozusagen sekundäre, Nachnutzung eines archäologischen Denkmals hängt allerdings dann nicht davon ab, ob an Ort und Stelle noch tatsächlich auch nur die geringsten Überreste seiner Substanz vorhanden sind, sondern nur von der unmittelbar sinnlich wahrnehmbaren Kennzeichnung und Aufbereitung des an sich unsichtbaren Denkmals. D.h. im Normalfall werden archäologische Denkmale, wenn sie erhalten werden sollen, ausschließlich zum Zweck der Erhaltung ihrer wissenschaftlichen Quellenfunktion erhalten, nicht zu anderen Zwecken. Das ist für unsere Fragestellung und die damit verbundene, für einen generalisierenden Zugang zur archäologischen Denkmalpflege unabdingbar notwendige, Klassifizierung unterschiedlicher Typen archäologischer Sachen von fundamentaler Bedeutung. Denn die zentrale Fragestellung, die sich aus dieser Tatsache für die Feststellung des Denkmalwertes von archäologischen Sachen ergibt, ist die folgende: Wie wahrscheinlich ist es, dass aus einer archäologischen Sache bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Vergangenheit gewonnen werden können? Wissenschaftliche Bedeutung Wenngleich Hoernes‘ (1892, 36-43) oben (Seiten 130-133) erläuterte erkenntnislogisch-methodische Vorgangsweise in der Archäologie zwingend zum Scheitern verurteilt und vor allem archäologischdenkmalpflegerisch so denkbar ungeeignet ist, wie es nur möglich ist; ist Hoernes in einem ganz konkreten Aspekt seines Modells des archäologischen Erkenntnisgewinns zuzustimmen: tatsächlich 138 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? ist das, was wissenschaftlich wirklich bedeutend ist, niemals die einzelne Quelle, die, für sich allein betrachtet, immer an sich weitgehend unbedeutend ist. Die wissenschaftlichen Wahrnehmungen, die man aus einer einzelnen Quelle ableiten kann, sind praktisch immer für sich gesehen nur, um das in Hoernes‘ eigenen Worten auszudrücken, „geringfügig“ (Hoernes 1892, 43). Bedeutung kommt einer Quelle nur insofern zu, als sie – in Kombination mit einer mehr oder minder großen Anzahl anderer Quellen – als Mittel zum Zweck dienen kann, irgendwelche wissenschaftlichen Erkenntnisse zu gewinnen. Erst dadurch, dass diese Erkenntnis gefunden wurde, durch die sich z.B. Sinnzusammenhänge zwischen einzelnen Quellen zeigen, entsteht überhaupt eine sinnvolle Deutung; und somit auch archäologisch-wissenschaftliche Bedeutung. Erst die Erkenntnisse sind es also, die wirklich Bedeutung haben; die diese Bedeutung dann nur, sozusagen sekundär, auf die Quellen rückprojizieren, die zu ihrer Gewinnung erforderlich waren. Dabei sind allerdings verschiedene Erkenntnisse nicht alle gleichermaßen bedeutend, sondern können deutlich unterschiedlich bedeutend sein und sind normalerweise auch (siehe das auch angedeutet auf Abb. 7, Abb. 8). Viele der gewonnenen Erkenntnisse, vor allem solche, die unmittelbar aus den Primärquellen selbst abgeleitet werden, sind normalerweise nur verhältnismäßig wenig bedeutend, oft sogar eigentlich trivial. Das oben verwendete Beispiel der wissenschaftlichen Erkenntnis – und es ist, wenn sie tatsächlich auf systematischer, methodischer Beobachtung von Primärquellen beruht, tatsächlich eine wissenschaftliche Erkenntnis – „europäische Schwäne sind weiß“, ist eine solche, eigentlich triviale Erkenntnis. Denn was sagt sie uns, das wir nicht eigentlich schon längst wissen, ganz ohne, dass wir uns systematisch wirklich alle europäischen Schwäne angeschaut und wirklich festgestellt haben, dass die alle weiß sind? Der einzige Unterschied zwischen der aus den eigenen, beschränkten Erfahrungen durch Abduktion (Peirce 1931, 171) gewonnenen (vorwissenschaftlichen) Erkenntnis, dass „die Schwäne, die ich selbst kenne, alle weiß sind und daher wahrscheinlich alle Schwäne weiß sein dürften“, und der im Wege der Vollinduktion gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnis, dass tatsächlich alle (indigenen europäischen) Schwäne weiß sind, ist nur der Grad der Sicherheit, mit der man das weiß: die eigene vorwissenschaftliche Erkenntnis könnte durchaus falsch sein, die auf wissenschaftlichem Wege durch Vollinduktion gewonnene Erkenntnis ist hingegen (aller Wahrscheinlichkeit nach, innerhalb gewisser Rahmenbedingungen) richtig. Was uns diese Erkenntnis hingegen nicht sagt, ist, warum europäische Schwäne jetzt weiß und nicht andersfärbig sind, ob es nicht anderswo doch auch andersfarbige – wie z.B. in Australien schwarze – Schwäne gibt, usw. Die Erkenntnis, dass europäische Schwäne weiß sind, sagt uns also weder etwas wirklich Neues, was wir uns nicht ohnehin schon denken hätten können, und das, was wir aus ihr lernen können (wenn wir überhaupt etwas aus ihr lernen können) beschränkt sich auf eine weitgehend irrelevante Information. Gut, sind europäische Schwäne halt weiß. Würde es irgendeinen signifikanten Unterschied für unser Leben oder auch nur unser Verständnis der Welt, in der wir leben, machen, wenn wir das nicht wüssten? Wohl kaum. Ergo: die wissenschaftliche Erkenntnis, dass europäische Schwäne weiß sind, ist trivial: schön das zu wissen, um des reinen Wissens willen, aber praktische Konsequenzen hat es kaum. Andere Erkenntnisse hingegen, gewöhnlich solche weit höherer Ordnung als die, die unmittelbar aus den Primärquellen abgeleitet werden, d.h. solche, die sich aus vielen geringer bedeutenden Erkenntnissen ableiten lassen, können bahnbrechend und ungeheuer wichtig sein. Erkenntnisse wie z.B. Einsteins allgemeine Relativitätstheorie erlauben uns nicht nur, viel besser zu verstehen, wie das Universum, in dem wir leben, wenigstens in jenem seiner Bereiche, in dem wir leben, zu funktionieren scheint, sondern haben auch unzählige bedeutende praktische Folgen für unser Leben (selbst, wenn uns das normalerweise nicht besonders auffällt). Ob es nun neue Technologien sind, mit denen man irgendetwas besser machen kann als zuvor, oder etwas machen kann, dass man zuvor überhaupt nicht 139 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit machen konnte, die sich daraus unmittelbar oder wenigstens mittelbar entwickeln lassen, oder irgendetwas anderes ist, was sich daraus für unser Leben ergibt; die Erkenntnis, die diese neuen Entwicklungen und Veränderungen überhaupt erst möglich macht, hat – potentiell sogar weitreichende – Konsequenzen in der Wirklichkeit, die der Menschheit (hoffentlich) zum Nutzen gereichen. Sie machen einen gewaltigen Unterschied, was das, was wir wissen und tun können, betrifft; und sind daher auch tatsächlich besonders bedeutend. Ähnliches gilt in der Archäologie: vieles von dem Wissen, das die Archäologie auf wissenschaftlichem Weg schafft, ist nur von vergleichsweise geringer Bedeutung, ja potentiell sogar trivial. Einen neu entdeckten Fundgegenstand richtig zu datieren und herkunftsmäßig zuzuordnen – z.B. eine neu entdeckte Fibel eines bestimmten Typs als solche richtig zu erkennen und zu beschreiben – ist auch wissenschaftliche Erkenntnis: wir wissen danach schließlich mehr, nämlich, dass diese konkrete Sache nicht nur irgendein Klumpen Metall, sondern eben eine bestimmte Art von Fibel ist, die aller Wahrscheinlichkeit nach in einem bestimmten Zeitraum und in einem bestimmten Gebiet erzeugt worden ist, dann wohl auch benutzt wurde und schließlich verloren, vergessen oder weggeworfen wurde; dann im Verborgenen gelegen ist, bis sie wiederentdeckt und als das, was sie ist, erkannt wurde. Dennoch ist diese Erkenntnis trivial, weil wir ja dadurch nur etwas Neues über den Fundgegenstand selbst lernen, aber praktisch nichts, was über ihn hinausgeht. Das bringt uns und die archäologische Wissenschaft nicht viel weiter. Aber die archäologische Forschung kann auch sehr bedeutende Erkenntnisse gewinnen; sei es darüber, wie menschliche Gesellschaften funktioniert haben (könnten), deren Institutionen und Vorstellungen vielleicht sogar noch – wenn auch meist in veränderter Form – in gegenwärtigen Gesellschaften fortleben; wie und warum sich diese Institutionen und Vorstellungen entwickelt und verändert haben; und damit vielleicht sogar, wann, wie und warum sie sich in eine Richtung zu entwickeln begonnen haben, die heute vielleicht schädliche Auswirkungen hat, die man minimieren oder sogar ganz verhindern könnte, wenn man versteht, wie und warum sich das entwickelt hat, was heute solche schädlichen Auswirkungen hat. Sie kann uns auch viel über den Einfluss der Menschheit auf die Erde sagen, z.B. im Hinblick auf den Klimawandel; und uns vielleicht Informationen darüber geben, wie andere Menschen zu früherer Zeit mit ähnlichen Problemen erfolgreich umgegangen oder an ihnen gescheitert sind. Ich weiß schon, dass der wichtigste Unterschied zwischen Menschen und Affen der ist, dass Affen aus ihren Fehlern lernen; aber man darf ja wohl wenigstens noch darauf hoffen dürfen, dass auch wir Menschen im Stande sind, wenigstens hin und wieder doch etwas aus der Geschichte zu lernen. Aber selbst, wenn das nicht der Fall ist, dass wir daraus etwas Wichtiges lernen; alleine die theoretische Möglichkeit, dass wir daraus etwas Wichtiges lernen könnten, macht solche Erkenntnisse bereits besonders bedeutend. Dabei ist es sogar weitgehend gleichgültig, ob das, was wir herausfinden, sich letztendlich als falsch erweist. Wie Karl R. Popper das ausgedrückt hat, lernen wir „immer eine ganze Menge durch eine Falsifikation [RK: eines Erkenntnisversuchs = einer Theorie]. Wir lernen nicht nur, dass eine Theorie falsch ist, sondern wir lernen, warum sie falsch ist“ (Popper 1996, 31; Hervorhebungen wie im Original). Meist gewinnen wir sogar neue Lösungsansätze daraus, dass ein Erkenntnisversuch scheitert, weil sich aus der Erkenntnis, warum etwas falsch ist, oft auch schon Hinweise darauf ableiten lassen können, was richtig oder wenigstens richtiger sein könnte. Selbst (inzwischen) offensichtlich als falsch erkennbare Theorien wie z.B. in der Archäologie die Theorie der ethnischen Interpretation Gustaf Kossinnas (1920) sind daher immer noch – auch nach ihrer Falsifikation – bedeutende Theorien, aus denen viele wichtige Erkenntnisse gewonnen werden konnten und können; und sei es nur, wie 140 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? archäologische Erkenntnisse politisch ge- und missbraucht wurden und werden können, was uns bei unserer Arbeit durchaus weiterhin nützlich sein kann. Wodurch sich bedeutende archäologische Erkenntnisse – wie übrigens alle bedeutenden Erkenntnisse – allgemein kennzeichnen ist, dass sie, wie Popper (1996, 42-3) das genannt hat, über große Erklärungskraft verfügen. Erklärungskraft bedeutet dabei nichts anderes, als wie viel wir durch eine Erkenntnis (bzw. Theorie) lernen und was bzw. wie viel sich durch sie (mutmaßlich richtig) erklären lässt. Die gerade erwähnte Theorie der ethnischen Deutung nach Kossinna (1920) hatte eine sehr hohe Erklärungskraft (weswegen sie auch besonders durch Falsifikationsversuche gefährdet war, denn je höher die Erklärungskraft einer Erkenntnis bzw. Theorie ist, desto mehr Möglichkeiten gibt es auch, sie zu falsifizieren; Popper 1996, 42); weil sie es erforderlich machte, dass tatsächlich jede „scharf abgegrenzte“ archäologische Kulturprovinz im Sinne Kossinnas das Territorium eines bestimmten Volks oder wenigstens Stammes repräsentierte, damit die Erkenntnis Kossinnas auch tatsächlich zutreffen (= richtig sein) konnte. Daran, dass dem tatsächlich nicht so ist, ist Kossinnas Erklärung – letztendlich ein Erklärungsversuch dafür, warum sich mehr oder weniger eindeutig abgrenzbare Materialkulturgruppen archäologisch beobachten bzw. bilden lassen – zwar letztendlich gescheitert, aber daraus haben wir eben wenigstens gelernt, dass man nicht aus einer räumlich begrenzten, sich häufiger wiederholenden Typenkombination auf die räumliche Verbreitung bestimmter Bevölkerungsgruppen schließen kann. Für unsere – letztendlich ja denkmalpflegerische – Frage der archäologischen Bedeutungsbestimmung ergibt sich somit, dass eine archäologische Sache umso wichtiger ist, umso wahrscheinlicher es ist, dass sich aus ihr Erkenntnisse bzw. Theorien höherer Ordnung ableiten lassen, die eine hohe Erklärungskraft besitzen. Damit können wir uns nun der Typologie archäologischer Sachen zuwenden, die in Hinblick auf die Frage nach der Wahrscheinlichkeit, dass sich aus einer archäologischen Sache solche Erkenntnisse bzw. Theorien gewinnen lassen, sinnvoll und geeignet erscheint. Eine kleine denkmalpflegerische Typologie archäologischer Sachen Nachdem es hier letztendlich ja um Generalisierungen geht, werde ich ungeniert für diese Typologie ganz brutal generalisieren und alle meiner Meinung nach irrelevanten Details beiseitelassen. Das Ergebnis davon ist natürlich zwingend eine ungeheuer grobe Typologie, die eine – wenigstens aus herkömmlicher, positivistisch geprägter Sicht – vollkommen unzulässige Vereinfachung einer enorm komplexen Materie darstellt. Aber genau darum geht es ja: Vereinfachung. Denn generalisieren kann man nur, wenn man die immer enorm komplexe Realität vereinfacht; es ist gerade diese Vereinfachung, die überhaupt erst eine einigermaßen vernünftige Diskussion über die Wirklichkeit erlaubt. Genau deshalb benutzen wir ja auch in der Archäologie Objekttypologien: damit wir über Arten von Objekten reden können, die sich hinreichend gleichen, dass man sie als einen Typ zusammenfassen kann; auch wenn natürlich jedes einzelne Exemplar eines Typs immer irgendwelche Eigenheiten aufweist, die es von allen anderen Exemplaren des gleichen Typs unterscheidet und somit zu einem Einzelstück macht – und seien es nur, bei einem industriell in der jüngsten Vergangenheit hergestellten Stück, die individuellen Gebrauchsspuren, die bei seiner Benutzung zufällig und individuell einzigartig entstanden sind. Welche meiner Meinung nach für unsere denkmalpflegerische Frage relevant seienden Typen archäologischer Sachen gibt es also? Typ 1: der bewegliche Kleinfund und seine Fragmente Der erste für unsere Fragestellung meiner Meinung nach relevante Typ archäologischer Sachen ist der des beweglichen Kleinfundes bzw. seiner Fragmente. Bewegliche Kleinfunde und ihre Fragmente 141 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit stellen die mit Abstand häufigste Art archäologischer Sachen dar, die herkömmlich von der archäologischen Denkmalpflege als „Bodendenkmale“ betrachtet und daher als potentiell denkmalschutzrechtlich relevant erachtet werden. Zwar stellen bewegliche Kleinfunde (und ihre Fragmente) – nicht anders als alle anderen archäologischen Sachen – bei der Einzelfallbetrachtung eine extrem begrenzte, sich nicht regenerierende Ressource dar. Jeder Kleinfund stellt schließlich ein Einzelstück dar, das es nur einmal gibt, das nur einmal und das zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt, an einem ganz bestimmten Ort, unter ganz konkreten Umständen hergestellt, dann (normalerweise) für eine gewisse Zeit benutzt und schließlich zu einem anderen ganz bestimmten Zeitpunkt an einem ganz bestimmten Ort deponiert (verloren, vergessen, weggeworfen, etc.) wurde; und ist daher jedenfalls immer ein Unikat. Selbst bei einer teilweise generalisierenden Betrachtung, d.h. wenn man verschiedene einander mehr oder minder ähnliche Einzelstücke zu gleichartigen Typen und Klassen beweglicher Kleinfunde zusammenfasst, wie das die Archäologie regelhaft tut (Eggert 2001, 181-200), bleiben bewegliche Kleinfunde bestimmter Typen immer noch eine – wenn auch nunmehr nicht so extrem begrenzte – sich nicht regenerierende Ressource; denn Sachen eines bestimmten Typs wurden und werden gewöhnlich nur über eine gewisse Zeitspanne hinweg in einem mehr oder minder räumlich begrenzten Herstellungsgebiet erzeugt, dann in einem normalerweise ebenfalls beschränkten Verbreitungsgebiet (und sei es nur „die Erde“ in ihrer Gesamtheit oder sogar „das Sonnensystem und der diesem nahegelegene interstellare Raum“, wenn man auch unbemannte Raumsonden und bemannte Raumfahrt mitrechnen will; siehe z.B. Holtorf & Högberg 2015, 515-6) genutzt und schließlich in einem ebenso begrenzten Deponierungsgebiet abgelagert. Spätestens mit dem Ende der Produktionszeit eines bestimmten Typs entstehen also keine neuen, weiteren Exemplare dieses Typs mehr, von dem es somit nur eine absolut begrenzte Anzahl von Exemplaren gibt. Werden alle davon zerstört, gibt es unabänderlich keine mehr, die man danach noch wissenschaftlich untersuchen könnte; auch wenn natürlich bei einer Betrachtung als Klasse von Sachen immer noch neue Exemplare gegenwärtiger Typen materieller Sachen produziert, benutzt und schließlich deponiert werden, d.h. der Typ „beweglicher Kleinfund“ tatsächlich eine unbegrenzte und stetig neu regenerierende Ressource ist, so lange Menschen weiter Sachen produzieren und nutzen. Bei all dieser mengenmäßigen Begrenztheit einzelner beweglicher Kleinfunde oder auch nur solchen eines bestimmten Typs gibt es aber dennoch – auch wenn es vielleicht von manchen Typen nur noch wenige Exemplare und von allen Unikaten natürlich überhaupt nur eines gibt – unzählbar viele bewegliche Kleinfunde. Schätzt man auf Basis der einigermaßen bekannten Anzahl der beweglichen Kleinfunde, die allein in den letzten ca. 10 Jahren von professionellen archäologischen Ausgrabungen in diverse Depots gekarrt wurden; die möglicherweise noch zu findenden solchen, so reden wir allein in Österreich über viele hunderte Millionen, wenn nicht sogar Milliarden; die neuzeitarchäologischen beweglichen Kleinfunde (ab Beginn des 19. Jahrhunderts n.Chr.) noch gar nicht mitgerechnet. Hier ist dazu anzumerken, dass es sich bei den bekannten Kleinfunden, die hier als Rechnungsbasis herangezogen wurden, um solche aus vermutlich nur 1% des Gesamtbestandes der derzeit bekannten Fundstellen (nicht nur in Österreich) handelt; sowie, dass diese untersuchten Fundstellen meist kaum mehr als 1/5, wenn nicht sogar deutlich weniger, der noch in situ vorhandenen Fundstellenzahl ausmachen (siehe dazu z.B. Stäuble 2012, 18-9; Karl 2019b, 6-7). Dass dabei ein Großteil der bereits eingelagerten archäologischen Funde bisher noch von niemandem zur Gewinnung archäologischer Erkenntnis verwendet wurde, sondern diese vielmehr in mehr oder minder geeigneten Lagern auf Halde liegen, und daher der Vorteil einer maßgeblichen Vergrößerung des Lagerbestandes zumindest diskutierbar ist, sei nur am Rande bemerkt. 142 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Ähnliches ergibt sich, wenn man auf Basis der mutmaßlich von Metallsuchern seit Aufkommen der Metallsuche in Österreich um 1970 ans Licht gebrachten Kleinfunde schätzt. Nimmt man die oben genannten Mindestschätzwerte für die Anzahl an Metallsuchern in Österreich von derzeit [25.6.2019] ca. 3.900 (Abb. 6, Seite 115) und die Zahlen Achleitners (2011,2) von durchschnittlich ca. 56 Suchtagen zu ca. 3,9 Suchstunden im Feld pro Metallsucher und schätzt, dass der durchschnittliche Metallsucher pro Suchstunde auch nur eine archäologische Sache (Neuzeitarchäologie ab Beginn des 19. Jahrhunderts neuerlich ausgenommen) findet, kommt man allein auf ca. 850.000 bewegliche archäologische Kleinfunde, die von Metallsuchern im Jahr 2019 gemacht wurden. Rückgerechnet entsprechend der Annahme eines kontinuierlichen Anwachsens der Szene entsprechend der oben gezeigten Daten (Abb. 6), d.h. einer Verdoppelung der Szene alle ca. 5 Jahre, kommt man damit von 1970 bis Ende 2019 auf wenigstens ca. 8 Millionen extrahierte Kleinfunde; ohne dass das zu einer massiven Reduktion von Kleinfunden bei professionellen Ausgrabungen geführt hat (siehe dazu auch Karl 2018c, 396). Wenngleich also jeder bewegliche Kleinfund, den man vom Boden aufhebt oder aus ihm extrahiert, das letzte (oder immer schon einzige) Stück seiner Art sein kann, so gibt es doch enorm viele bewegliche Kleinfunde; mehr als man jemals guten Gewissens erhalten könnte. Bewegliche Kleinfunde (und ihre Fragmente) werden noch dazu normalerweise auch nicht zerstört oder maßgeblich verändert, wenn sie ex situ extrahiert werden; insbesondere nicht, wenn sie sich schon auf der Erdoberfläche befinden. Zwar kann es bei der Extraktion durchaus zu Beschädigungen von beweglichen Kleinfunden kommen, insbesondere, wenn sie unsachgemäß geborgen werden oder auch bei einer allfälligen unsachgemäßen Reinigung durch ihren Finder; aber solche Beschädigungen sind zumeist unmaßgeblich (die meisten archäologischen Sachen sind schließlich schon kaputt, wenn man sie findet) und – was noch wichtiger ist – lassen sich oft auch bei sachgerecht durchgeführten professionellen archäologischen Ausgrabungen nicht vermeiden. Informationsverluste durch derartige Beschädigungen fallen also in den Bereich des kaum, und schon gar nicht effizient, reduzierbaren Restrisikos, das noch dazu selbst bei komplett unsachgemäßer Bergung durch Laien immer noch deutlich geringer ist als bei ihrer zufälligen Entdeckung mit dem Bagger bei Bauarbeiten oder ihrer unbemerkten Zerstörung im Boden durch den Pflug. Schließlich und am wichtigsten in Bezug auf unsere Frage ist die Wahrscheinlichkeit, dass aus den beweglichen Kleinfunden an sich, d.h. aus dem unkontextualisierten Objekt selbst, bedeutende archäologische Erkenntnisse gewonnen werden können, verschwindend gering. Selbst absolut spektakuläre Einzelfunde wie die Himmelsscheibe von Nebra verraten uns für sich allein in der Regel nur sehr wenig, das als wirklich wissenschaftlich bedeutende Erkenntnis betrachtet werden könnte, einmal von der Möglichkeit wilder Spekulationen abgesehen, die durch einen solchen Einzelfund angeregt werden können. Weil in der Regel kann aus einem einzelnen Objekt, zu dem es nicht einmal echte Vergleichsstücke gibt, auf systematisch methodischem – d.h. wissenschaftlichem – Weg nichts generalisiert werden; und damit ist die Aussicht darauf, aus einem Einzelobjekt tatsächlich Erkenntnisse mit großer Erklärungskraft (Popper 1996, 42-3) ableiten zu können, zwingend gering. Bewegliche Kleinfunde können in der Masse – ähnlich, wie das auch Hoernes (1892, 36-43) sich vorgestellt hat – wenn auch nicht durch Vollinduktion, so doch durch Abduktion, durchaus zu wichtigen Erkenntnissen führen, aber dafür ist es eben auch Voraussetzung, dass Sachen gleicher Art in einigermaßen großer Anzahl vorkommen und bekannt sind. In der Regel braucht man also von beweglichen Kleinfunden, um die Möglichkeit zu wahren, bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse aus größeren Fundmengen abzuleiten, primär nur die Information darüber, dass bewegliche Gegenstände gleicher Art wann und vor allem wo gefunden wurden, d.h. die Information, die man auch durch die Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG bekommt, wenn sich die, die solche Sachen finden, auch tatsächlich (wenigstens einigermaßen häufig) 143 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit an diese halten (siehe dazu auch Karl 2019c). Zusätzlich braucht man eventuell – z.B. für materialkundliche Untersuchungen – ein repräsentatives Sample jedes Typs einigermaßen gleichartiger Sachen, wie sie ja auch schon seit Jahrhunderten und auch derzeit Museumssammlungen entsprechend ihrer jeweiligen Sammlungsstrategie erwerben und sammeln (Karl 2015; 2016c); der Rest hingegen ist weitgehend irrelevant. Inwieweit man sich von Haus aus – wie zur Anfangszeit unseres Faches – auf den Erwerb und die Sammlung auch museal wertvoller, d.h. ausstellungstauglicher, Exemplare konzentriert, kann dabei den Museen und deren KuratorInnen, die dafür ja auch (hoffentlich) qualifiziert sind, überlassen bleiben. Generalisierend kann man also festhalten, dass beweglichen Kleinfunden an sich in der Regel nicht derartige wissenschaftliche Bedeutung zukommen kann, dass an ihrer physischen Erhaltung tatsächlich ein öffentliches Interesse bestehen könnte, das über ihren Erwerb durch einschlägige Sammlungen öffentlicher Museen hinausgeht; notfalls auch durch ein kleines staatliches Schatzregal oder eine Enteignung allfälliger privater Eigentümer gegen entsprechende Entschädigung. Wenn überhaupt kann nur ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung durch (möglichst) sachgerechte Dokumentation bestehen, um möglichst viele möglicherweise relevante Informationen über sie dauerhaft erhalten zu können, die für spätere wissenschaftliche Forschungen nützlich sein können. Das entspricht im Prinzip auch der derzeitigen archäologischen Denkmalpflegepraxis, wenigstens in Österreich: in den 96 Jahren (die teilweise Unterbrechung während des 3. Reichs außer Acht lassend), die das BDA nun die Bestimmungen des DMSG vollzieht, hat es – soweit sich das für mich feststellen lässt – so gut wie niemals einen beweglichen Kleinfund als Einzelobjekt durch einen eigenen Rechtsakt unter Denkmalschutz gestellt; obwohl das gemäß der Bestimmungen der §§ 3 und 9 Abs. 3 igF und der diesen vorhergehenden, ihnen entsprechenden Unterschutzstellungsbestimmungen in früheren Fassungen des DMSG immer möglich gewesen wäre. Daraus lässt sich übrigens auch ableiten, dass das BDA bewegliche Kleinfunde niemals als Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG erachtet hat, sondern sich nur – seit diese 1990 ins Gesetz aufgenommen wurde – der extrem schwammigen Definition des Bodendenkmalsbegriffes in § 8 Abs. 1 DMSG igF bedient hat, um im Bedarfsfall – wenn es gerade z.B. Metallsucher bestrafen wollte – so tun zu können, als ob auch bewegliche Kleinfunde „den Beschränkungen dieses Bundesgesetzes unterliegen könnten“ (§ 8 Abs. 1 igF) und daher schon die Suche zum Zwecke ihrer Entdeckung die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auslösen würde. Typ 2: unbewegliche Einzelbefunde samt (allenfalls) in ihnen enthaltene bewegliche Kleinfunde Der zweite für unsere Fragestellung meiner Meinung nach relevante Typ archäologischer Sachen ist der des unbeweglichen Einzelbefundes samt der in ihm enthaltenen beweglichen Kleinfunde (bzw. deren Fragmente). Solche Einzelbefunde sind immer noch vergleichsweise häufig – schließlich stellt schon jedes Pfostenloch und jede einzelne, nicht gänzlich natürlich entstandene oder abgelagerte Bodenschicht, jeweils für sich betrachtet, einen solchen Einzelbefund dar – aber im Vergleich zu beweglichen Kleinfunden bereits einigermaßen selten. Letzteres ist schon allein deshalb der Fall, weil sie oft mehrere, wenn nicht sogar zahlreiche, Kleinfunde in ihrer Substanz enthalten und diesen somit das geben, was wir gewöhnlich ihren archäologischen Kontext nennen – den Zusammenhang zwischen ihnen und dem unbeweglichen Einzelbefund, in dem sie enthalten sind; und damit auch den Zusammenhang miteinander, weil sie im gleichen Befund enthalten sind. Sie stellen ebenfalls archäologische Sachen dar, die herkömmlich von der archäologischen Denkmalpflege als „Bodendenkmale“ betrachtet und daher als potentiell denkmalrechtlich relevant erachtet werden. Nicht anders als bewegliche Kleinfunde selbst stellen auch Einzelbefunde bei der Einzelfallbetrachtung eine extrem begrenzte, sich nicht regenerierende Ressource dar, normalerweise sogar noch mehr als bewegliche Kleinfunde, auch wenn sich auch Einzelbefunde oft zu bestimmten, einigermaßen gleichartigen Typen zusammenfassen lassen. Denn Einzelbefunde wurden nicht nur weit seltener 144 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? erzeugt als die oft mehr oder minder massen- oder zumindest entsprechend einem mehr oder minder gleichmäßigen Idealstandard produzierten alltäglichen Gebrauchsgegenstände, die als bewegliche Kleinfunde (ob nun ganz oder fragmentiert) auf uns gekommen sind; sondern oft auch weit spezifischer den individuellen Bedürfnissen und Umständen angepasst, die im Kontext ihrer Erzeugung bestanden. Sie sind also meist in der Einzelfallbetrachtung, wenigstens tendenziell, noch einzigartiger als bewegliche Kleinfunde. Bei generalisierender Betrachtung als Typ „unbeweglicher Befund“ sind sie aber ebenso wie Kleinfunde keine begrenzte, sich nicht erneuernde Ressource, sondern es entstehen selbstverständlich auch dauernd neue Einzelbefunde in der Gegenwart. Wie bei Kleinfunden sind stets nur bestimmte „unbewegliche Befunde“, d.h. solche aus einer ganz bestimmten Zeit und einem ganz bestimmten Raum, begrenzte, sich nicht regenerierende Ressourcen. Trotz ihrer mengenmäßigen Begrenztheit – natürlich besonders einzelner Einzelbefunde oder der Exemplare einzelner Typen von Einzelbefunden – gibt es immer noch sehr viele Einzelbefunde, wenn auch bei weitem nicht so viele wie Kleinfunde. In absoluten Zahlen sprechen wir hier wohl über viele zehn Millionen von Einzelbefunden, vielleicht sogar viele hunderte Millionen davon, die noch im österreichischen Erdboden verborgen sind. Das lässt sich schon allein daraus ableiten, dass sich jede archäologische Fundstelle – von denen das BDA in Österreich ja irgendwo zwischen etwa 20.000 und etwas über 50.000 kennt (Farka 2008, 10; Picker et al. 2016, 285); wobei davon auszugehen ist, dass es weit mehr von denen, die es tatsächlich noch gibt, nicht kennt, als es kennt (Karl 2019b, 6) – normalerweise aus wenigstens vielen, wenn nicht sogar sehr vielen Einzelbefunden zusammensetzt. Selbst auf einer recht kleinen Siedlungsfundstelle kann man z.B. allein mit wenigstens ein paar zehn, wenn nicht ein paar hundert, Pfostenlöchern rechnen (die oft ein Einzelbefund sind, aber sich manchmal ihrerseits aus mehreren Einzelbefunden zusammensetzen können, z.B. wenn man den Pfosten mit Packsteinen befestigt hat und sich noch die verrotteten Überreste des Pfostens selbst abzeichnen); selbst ein kleines Gräberfeld besteht meist wenigstens aus ein paar, wenn nicht sogar ein paar zehn Gräbern (die manchmal ein Einzelbefund sein können, sich aber normalerweise aus mehreren Einzelbefunden zusammensetzen; z.B. wenn sich noch Reste eines Sarges oder eine Grabkammer identifizieren lassen, das Grab zur Beraubung angetrichtert wurde, etc.); usw. Einzelbefunde, wie alle Befundarten, werden als im herkömmlichen Sinn unbewegliche Sachen fast immer zerstört oder wenigstens maßgeblich verändert, wenn sie in situ durch Grabungen entdeckt oder gar teilweise oder ganz ex situ extrahiert werden. Zwar ist es heute in vielen Fällen durchaus technisch möglich, auch unbewegliche Befunde (mit einem Teil des sie umgebenden Erdreichs bzw. Bodens) „im Block“ in situ zu bergen und somit ex situ zu verbringen; dies stellt allerdings zumeist einen derart hohen (sowohl technischen als auch finanziellen und konservatorischen) Aufwand dar, dass es normalerweise nicht als effiziente Erhaltungsmaßnahme betrachtet wird. Einzelbefunde werden daher bei ihrer Entdeckung mit invasiven Methoden ebenso wie durch die ebenfalls invasive Bergung (ohne entsprechende Berücksichtigung des Befundes) von in ihnen enthaltenen beweglichen Kleinfunden (z.B. bei unsachgemäßen Grabungen in Folge von Metallsuchen) regelhaft wenigstens stark beschädigt, wenn nicht sogar vollständig zerstört. Ihre physische Erhaltung im herkömmlichen Sinn – d.h. ihre weitgehend unveränderte Erhaltung als Originalobjekt in situ – und ihre Erforschung mit invasiven Methoden, insbesondere der primären archäologischen Feldforschungsmethode, der systematischen, flächenmäßigen, vollständigen Ausgrabung bis zum ungestörten „gewachsenen“ Untergrund, schließen einander also zwingend gegenseitig aus. Will man also Einzelbefunde erforschen, um das in ihnen steckende wissenschaftliche Erkenntnispotential tatsächlich (vollständig) auszuschöpfen, kann man sie nur durch Dokumentation 145 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit der bei ihrer Zerstörung beobachteten, als archäologisch relevant betrachteten Informationen erhalten, nicht hingegen in situ (siehe dazu auch Hebert 2018). Der „ungestörte Befund“ gilt gegenwärtig in der Archäologie und archäologischen Denkmalpflege als wichtigste archäologische Informationsquelle. In einschlägiger Fachliteratur lässt sich regelhaft als Erklärung, weshalb es überhaupt archäologische Denkmalschutzvorschriften und insbesondere gesetzliche NFG-Pflichten geben muss, die Erläuterung finden, dass Bodendenkmäler ihren wissenschaftlichen Aussagewert „nur bei ungestörtem Befund“ (Kriesch et al. 1997, 25) entfalten würden; und daher unsachgemäß aus ihrem ungestörten Befund ex situ extrahierte bewegliche Kleinfunde „allenfalls noch Antiquitäten“ seien, die „für die Forschung kaum noch zu verwenden und nur noch von geringer Bedeutung“ (ibid., 26) sind. Die gleiche Bewertung findet sich auch in Fachliteratur zur Grabungsdokumentation, insbesondere bezüglich der bei unterschiedlichen Subtypen beweglicher Kleinfunde erforderlichen Dokumentationsgenauigkeit. So unterscheidet z.B. Gersbach (1998, 43-6) in seinem einführenden Standardwerk Ausgrabung heute die folgenden 5 Typen von beweglichen Kleinfunden: 1. 2. 3. 4. 5. Kleinfunde von besonderer Qualität Stratigrafisch bedeutsame Kleinfunde Kleinfunde von geringerer stratigrafischer Qualität Kleinfunde aus Pfostengruben und sonstigen Störungen Streufunde Von diesen sind laut Gersbach (1998, 44-6) Funde der ersten beiden Typen dreidimensional einzumessen, auf Planzeichnungen punktgenau zu markieren und mit einer Einzelfundnummer zu versehen; Funde vom Typ 3 nur nach kleinen Flächenabschnitten pro Einzelbefund zu registrieren und – vorausgesetzt mehrere finden sich in einer bestimmten Flächeneinheit in einem Einzelbefund – mit einer Sammelfundnummer zu versehen; Funde des vierten Typs überhaupt nur nach Flächenabschnitt oder Einzelbefundzugehörigkeit zu registrieren und mit einer Sammelfundnummer zu versehen; und Funde des letzten Typs überhaupt nur nach größeren Flächenabschnitten wie z.B. Grabungsflächen und Tiefenabschnitten und gegebenenfalls (falls noch nach der inzwischen hochgradig veralteten Planumsmethode gegraben wird; siehe dazu Wheeler 1954, 51-4) auch nach Plana zu unterscheiden und mit einer Sammelfundnummer zu verzeichnen. Dieser variablen Dokumentationsgenauigkeit liegt dasselbe Prinzip der besonderen wissenschaftlichen Bedeutung des stratifizierten und daher durch dokumentierte Zusammengehörigkeit mit „seinem“ ungestörten Befund kontextualsierten beweglichen Kleinfundes zugrunde. Obgleich somit die „ungestörten“ Einzelbefunde die wissenschaftlich wichtigste archäologische Informationsquelle sind, ist dennoch die Wahrscheinlichkeit, dass aus jedem beliebigen Einzelbefund an sich, d.h. aus ihm selbst alleine, bedeutende archäologische Erkenntnisse gewonnen werden können, nicht anders als bei einzelnen beweglichen Kleinfunden verschwindend gering. Nicht nur gilt beim Einzelbefund gleichermaßen wie bei einzelnen beweglichen Kleinfunden, dass diese nur durch Betrachtung im (ob nun synthetischen oder analytischen) Vergleich mit (idealerweise vielen) anderen vergleichbaren Einzelbefunden zu bedeutenden wissenschaftlichen Erkenntnissen führen können; es kommt beim Einzelbefund noch dazu, dass seine Bedeutung als wissenschaftliche Forschungsquelle überhaupt nicht realisiert und schon gar nicht bestimmt werden kann, ehe der Einzelbefund nicht durch Ausgrabung wissenschaftlich untersucht und somit zerstört worden ist. Letzteres gilt wenigstens so lange, als wir nicht auf zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden zurückgreifen können, die eine dreidimensionale Analyse von noch im Boden befindlichen Sachen im Nanometerbereich samt Bestimmung der physikalischen und chemischen Eigenschaften jedes einzelnen, derart kleinen Bodenpixels gestatten. Von derartigen Untersuchungsmethoden können wir 146 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? derzeit jedoch noch nicht einmal träumen, geschweige denn, dass sie in absehbarer Zeit verfügbar werden dürften. In der Regel braucht man also auch von unbeweglichen Einzelbefunden (samt der in ihnen enthaltenen beweglichen Kleinfunde), um die Möglichkeit zu wahren, bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse aus größeren Befundmengen abzuleiten, primär nur möglichst genaue Information über als archäologisch relevant betrachtete Eigenschaften des Einzelbefundes (wie z.B. die als relevant erachteten archäologischen Informationen über die in ihm enthaltenen beweglichen Kleinfunde); d.h. neuerlich die Information, die man auch durch die Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG bekommt, wenn die, die solche Sachen finden, auch tatsächlich einigermaßen verlässlich im Stande sind die Befunde auch zu bemerken und korrekt zu dokumentieren und sich (wenigstens einigermaßen häufig) an die Fundmeldepflicht halten (siehe dazu aber Karl 2019c). Zusätzlich kann man eventuell – z.B. für materialkundliche Untersuchungen – auch noch ein repräsentatives Sample der primären Substanz des Einzelbefundes (d.h. des Materials, aus dem die Teile von ihm bestehen, die sich nicht als bewegliche Kleinfunde deutlich vom Rest seiner Substanz unterscheiden) brauchen, d.h. eine Bodenprobe, die neuerlich in z.B. einer musealen Sammlung entsprechend deren Sammlungsstrategie archiviert (Karl 2015; 2016c) bzw. mehr oder minder unmittelbar verarbeitet werden kann; d.h. alle ihre derzeit signifikant erscheinenden Eigenschaften durch naturwissenschaftliche Untersuchungen bestimmt werden. Generalisierend kann man also festhalten, dass auch unbeweglichen Einzelbefunden an sich in der Regel nicht derartige wissenschaftliche Bedeutung zukommen kann, dass an ihrer physischen Erhaltung tatsächlich ein öffentliches Interesse bestehen könnte, das über die Archivierung der bei ihrer Untersuchung aufgezeichneten, als archäologisch relevant erachteten Eigenschaften und gegebenenfalls die Sammlung von Bodenproben durch einschlägige Sammlungen öffentlicher Museen hinausgeht. Wenn überhaupt, kann also nur ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung durch (möglichst) sachgerechte Dokumentation bestehen, um möglichst viele möglicherweise relevante Informationen über sie dauerhaft erhalten zu können, die für spätere wissenschaftliche Forschungen nützlich sein können. Auch das entspricht im Prinzip der derzeitigen archäologischen Denkmalpflegepraxis, wenigstens in Österreich, in der für unbewegliche Einzelbefunde das Gleiche wie für bewegliche Kleinfunde Gesagte gilt: soweit ich weiß, hat das BDA in den 96 Jahren, die es nun die Bestimmungen des DMSG vollzieht, kaum einen unbeweglichen Einzelbefund als Einzelobjekt durch einen eigenen Rechtsakt unter Denkmalschutz gestellt, obwohl auch das rechtlich immer möglich gewesen wäre. Daraus lässt sich ebenfalls ableiten, dass das BDA unbewegliche Einzelbefunde niemals als Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG erachtet (hat), sondern sich auch bei Einzelbefunden nur der extrem schwammigen Definition des Bodendenkmalsbegriffes in § 8 Abs. 1 DMSG igF bedient, um im Bedarfsfall so tun zu können, als ob durch die Suche zum Zwecke ihrer Entdeckung die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ausgelöst würde. Typ 3: zusammenhängende Befundkomplexe (samt allen ihrer Bestandteile) bzw. Stratifikationen Der dritte für unsere Fragestellung meiner Meinung nach relevante Typ archäologischer Sachen ist der des zusammenhängenden Befundkomplexes (samt aller seiner Bestandteile, d.h. der ihn ergebenden Einzelbefunde und der in diesen enthaltenen beweglichen Kleinfunde) bzw. der Stratifikation. Zusammenhängende Befundkomplexe stellen ebenfalls archäologische Sachen dar, die herkömmlich von der archäologischen Denkmalpflege als „Bodendenkmale“ betrachtet und daher als potentiell denkmalschutzrechtlich relevant erachtet werden; sind aber logischerweise noch deutlich seltener als Einzelbefunde, aus denen sie sich ja überhaupt erst zusammensetzen. 147 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit Ein solcher zusammenhängender Befundkomplex kann z.B. ein einzelnes Grab sein (bestehend aus der Bestattung und ihren Beigaben selbst, allfälligen Überresten organischer, inzwischen verwester Bestandteile der Grabausstattung bzw. Grabarchitektur wie Holzmobiliar im Grab, Auskleidung mit Textilien oder Fellen bzw. Leder, Reste von Sarg oder Grabkammer, verschiedener Verfüllschichten eines allfälligen Grabschachtes und einem möglicherweise weiter stratifizierten Überbau des Grabes wie z.B. ein aufgeschütteter Grabhügel sowie allfällig vorkommenden späteren, sich als eigene Schichten fassen lassender Störungen wie z.B. durch Beraubungsversuche) oder auch ein Siedlungsobjekt wie z.B. eine abseits anderer Bauten errichtete Grubenhütte (bestehend z.B. aus getrampeltem Lehmestrich, Bodensediment von unter einem ehemaligem Holzboden, den verwesten Überresten dieses Bodens und eventuell auch von Wandverschalungen, Resten von organischen Einrichtungsgegenständen und während der Benutzung und im Verfall eingebrachtem Verfüllmaterial, eventuell verwesten Resten eingestürzter Bausubstanz der Decke und/oder eines allfälligen Daches sowie verschiedenen Verfüllschichten und allfälligen spätere Störungen) oder auch die komplexe horizontale und vertikale Stratifikation aus unzähligen Bau- und Planierungsphasen in einem lange besiedelten Stadtkern. Kennzeichnend für einen solchen zusammenhängenden Befundkomplex ist es, dass tatsächlich jeweils archäologisch relevante Einzelbefunde unmittelbar aneinandergrenzen und somit eben eine zusammenhängende archäologische Stratifikation des Bodens darstellen. Kennzeichnend für zusammenhängende Befundkomplexe ist jedenfalls, dass sich in ihnen sowohl die verschiedenen Einzelbefunde, aus denen sich der zusammenhängende Befundkomplex zusammensetzt, untereinander als auch deren Zusammenhang in einem größeren Befundkomplex jeweils gegenseitig weitere Kontexte geben. Auch bezüglich der zusammenhängenden Befundkomplexe gilt, dass sie bei der Einzelfallbetrachtung eine begrenzte, sich nicht regenerierende, bei der generalisierenden Gesamtbetrachtung hingegen eine unbegrenzte, sich stetig regenerierende Ressource sind; es gelten hier die gleichen Einschränkungen wie schon bei den beiden zuvor diskutierten Typen. Zusammenhängende Befundkomplexe sind nun ihrerseits mengenmäßig deutlich seltener als Einzelbefunde. Zwar bestehen die meisten Fundstellen aus mehreren, wenn nicht sogar vielen, separaten zusammenhängenden Befundkomplexen (wie z.B. ein Gräberfeld normalerweise aus räumlich voneinander getrennten Gräbern), es gibt aber auch – wenn auch vergleichsweise selten – zusammenhängende Befundkomplexe, die für sich eine einzelne Fundstelle (dazu gleich Typ 4) ausmachen. Es ist also davon auszugehen, dass es in Österreich – wo das BDA wie bereits mehrfach erwähnt bis zu ca. 50.000 Fundstellen kennt (Farka 2008, 10; Picker et al. 2016, 285), was vermutlich nur einen recht kleinen Anteil von sicherlich nicht mehr als ca. 20% (Stäuble 2012, 19-9), wahrscheinlich sogar nur ca. 2% (Karl 2019b, 6), aller tatsächlich existierenden Fundstellen darstellt – wenigstens viele hunderttausende, wenn nicht sogar ein paar Millionen oder vielleicht sogar ein paar zehn Millionen zusammenhängende Befundkomplexe gibt. Im Gegensatz zu Einzelbefunden kann man die wissenschaftliche Bedeutung insbesondere größerer, zusammenhängender Befundkomplexe eventuell auch schon dann beurteilen, wenn diese nicht komplett ausgegraben worden sind. Man kann sie also potentiell auch schon auf Basis ihrer teilweisen Ausgrabung bzw. eventuell sogar genauen Untersuchung mit zerstörungsfreien Methoden in Hinblick auf ihre wissenschaftliche Bedeutung beurteilen und, sofern es wenigstens wahrscheinlich ist, dass ihre Bedeutung derart beschaffen sein könnte, dass durch sie bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden könnten, auch tatsächlich unter Denkmalschutz stellen. Gerade größere, zusammenhängende Befundkomplexe können auch tatsächlich im Einzelfall dazu geeignet sein, aus ihnen bedeutendere wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, auch wenn die generelle Wahrscheinlichkeit dafür noch nicht besonders hoch ist. Dies liegt daran, dass sie zwar 148 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? regelhaft aus wenigstens mehreren, miteinander zusammenhängenden Einzelbefunden bestehen und daher oft eine bedeutend höhere Menge an kontextueller Information enthalten als diese jeweils allein für sich, meist aber noch nicht aus besonders vielen. Nachdem die Wahrscheinlichkeit, dass man aus archäologischen Sachen bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen kann, aber in erster Linie davon abhängt, wie sehr man einzelne Sachen in Zusammenhang mit anderen, vergleichbaren Sachen stellen kann, ist eine archäologische Sache (oder Sachgesamtheit, wenn man einen zusammenhängenden Befundkomplex bereits als eine solche betrachten will), die aus (mehr oder minder vielen) voneinander unterschiedlichen Teilen besteht, jedenfalls wahrscheinlicher zur Gewinnung bedeutender archäologischer Erkenntnisse geeignet als eine, die aus wenigen solchen unterschiedlichen Teilen besteht oder sogar eine einzelne Sache ist. Nachdem aber viele, wenn nicht sogar die überwältigende Mehrheit aller zusammenhängenden Befundkomplexe zwar aus mehreren, aber nicht unbedingt sehr vielen, solchen unterschiedlichen Teilen bestehen, ist die generelle Wahrscheinlichkeit, dass sich aus ihnen bedeutende Erkenntnisse gewinnen lassen, immer noch relativ gering. Es ist daher davon auszugehen, dass man zusammenhängende Befundkomplexe nur unter besonderen Umständen unter Denkmalschutz stellen kann; d.h. wenn besonders starke Hinweise darauf vorliegen, dass der konkret betroffene Befundkomplex wirklich besonders komplex stratifiziert ist und daher die Wahrscheinlichkeit, dass aus ihm besonders bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden können, außergewöhnlich hoch ist. Um das überhaupt zu ermöglichen, bedarf es vermutlich einer explizierten Forschungs- bzw. Unterschutzstellungsstrategie, aus der sich ableiten lässt, welche Arten von zusammenhängenden Befundkomplexen (z.B. Befundkomplexe welcher Zeitstellung, materialkulturellen Gruppenzugehörigkeit, welches mutmaßlichen Funktionstyps etc.) deshalb besondere Bedeutung zukommen könnte, weil in dem Bereich, über den sie Informationen liefern könnten, derzeit aus wissenschaftlicher Sicht bedeutendere Wissenslücken bestehen, die durch die derzeitige oder zukünftige Erforschung von zusammenhängenden Befundkomplexen der betreffenden Art wahrscheinlich gefüllt werden können bzw. diese dafür notwendig sind, diese Wissenslücken überhaupt füllen zu können. Wie eine solche Forschungsstrategie aussehen kann, kann man sich z.B. an britischen Beispielen ansehen, so z.B. der aktuellen walisischen Forschungsstrategie (http://www.archaeoleg.org.uk/intro.html [17.10.2017]). Generalisierend kann man also festhalten, dass zusammenhängenden Befundkomplexen nur in Ausnahmefällen und nur wo das durch eine etablierte Forschungs- bzw. Unterschutzstellungsstrategie unterstützt wird derartige wissenschaftliche Bedeutung zukommen kann, dass an ihrer physischen Erhaltung tatsächlich ein öffentliches Interesse bestehen könnte. Soweit ihre Erforschung betroffen ist, sind natürlich dennoch alle bei ihrer Untersuchung aufgezeichneten, als archäologisch relevant erachteten, Informationen zu archivieren und gegebenenfalls relevante Kleinfunde und Bodenproben in einschlägigen Sammlungen, z.B. öffentlicher Museen, so dauerhaft als möglich zu erhalten. Ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung in situ kann also zwar in Ausnahmefällen bestehen; insbesondere, wenn ein zusammenhängender Befundkomplex gleichzeitig auch eine einzelne Fundstelle ist; in der überwiegenden Mehrheit aller Fälle besteht ein öffentliches Interesse nur an ihrer Erhaltung durch (möglichst) sachgerechte Dokumentation, um möglichst viele möglicherweise relevante Informationen über sie dauerhaft erhalten zu können, die für spätere wissenschaftliche Forschungen nützlich sein können. Auch das entspricht im Prinzip der derzeitigen archäologischen Denkmalpflegepraxis, wenigstens in Österreich: einzelne zusammenhängende Befundkomplexe wurden wohl auch schon in der Vergangenheit in seltenen Einzelfällen unter Denkmalschutz gestellt; aber zumeist nur dann, wenn sie gleichzeitig auch eine einzelne Fundstelle darstellen bzw. als solche betrachtet werden können. 149 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit Daraus lässt sich ableiten, dass das BDA zusammenhängende Befundkomplexe in der Regel nicht als Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG erachtet (hat) und daher auch für den Durchschnittsbürger nicht offenkundig ist, dass sie den Beschränkungen des DMSG unterliegen könnten; d.h. sie eigentlich auch nicht als Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG igF samt dessen Rechtsfolgen betrachtet und behandelt werden können. Dass es sich bei einem konkreten, zusammenhängenden Befundkomplex um ein Denkmal handelt, das den Bestimmungen des DMSG unterworfen wird, wird also frühestens dadurch offenkundig, dass es tatsächlich durch einen eigenen Rechtsakt unter Denkmalschutz gestellt wurde und dies auch öffentlich in geeigneter Weise bekannt gemacht worden ist. Typ 4: zusammengehörende Befundkomplexe (vulgo: Fundstellen bzw. Fundplätze) Der vierte für unsere Fragestellung meiner Meinung nach relevante Typ archäologischer Sachen ist der des zusammengehörenden Befundkomplexes (inklusive aller zugehörigen zusammenhängenden Befundkomplexe, Einzelbefunde und beweglichen Kleinfunde). Zusammengehörende Befundkomplexe, gewöhnlich im Fachjargon als Fundstellen bzw. Fundplätze bezeichnet, stellen eine vergleichsweise seltene Art archäologischer Sachen dar, die herkömmlich von der archäologischen Denkmalpflege als „Bodendenkmale“ betrachtet und daher als potentiell denkmalschutzrechtlich relevant erachtet werden. Zieht man die neuesten Richtlinien für archäologische Maßnahmen des BDA heran, ist sogar davon auszugehen, dass das BDA – wenn es nicht gerade versucht, MetallsucherInnen wegen angeblich gem. § 11 Abs. 1 DMSG bewilligungspflichtigen Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung von Bodendenkmalen strafrechtlich zu belangen – eigentlich nur Fundstellen im Sinne der hier erstellten Typologie möglicherweise denkmalschutzrelevanter archäologischer Sachen als „Bodendenkmale“ betrachtet (BDA 2018, 2). Zusammengehörende Befundkomplexe bzw. Fundstellen (ab sofort wird wieder primär der Begriff Fundstelle dafür verwendet) unterscheiden sich von zusammenhängenden Befundkomplexen maßgeblich dadurch, dass zwischen den an einer Fundstelle vorhandenen Befunden (ob diese nun Einzelbefunde oder zusammenhängende Befundkomplexe sind) ein unmittelbarer archäologischer Sinnzusammenhang besteht, ohne dass unbedingt auch ein physischer Zusammenhang zwischen allen die Fundstelle ausmachenden Einzelbefunden und/oder zusammenhängenden Befundkomplexen bestehen muss. So ist z.B. ein Gräberfeld ein in einem archäologischen Sinnzusammenhang stehender, zusammengehörender Befundkomplex, ohne dass deshalb jedes zu ihm gehörende Grab unmittelbar oder indirekt an alle zu dem Gräberfeld gehörenden Gräber und sonstigen archäologischen Überreste (wie eventuell einer Abgrenzung des Gräberfeldes zum Umland durch eine Friedhofsmauer oder sonstige ehemalige Baustruktur, einer oder mehrerer mit dem Bestattungsritus in Verbindung stehenden archäologischen Strukturen wie z.B. Verbrennungsplätzen oder einer Friedhofskirche oder -kapelle etc.) angrenzt. D.h. es besteht zwar zwischen den einzelnen Bestandteilen des Gräberfeldes keine direkte Verbindung, die Bestandteile sind also nicht zusammenhängend, aber dennoch ein archäologischer Sinnzusammenhang: die Gräber wurden dort, wenn auch getrennt voneinander, angelegt, weil das Gräberfeld eben der Friedhof für eine bestimmte Gemeinschaft von Leuten war, und gehören daher zusammen. Das gleiche gilt auch für die meisten Siedlungsfundstellen, bei denen zwar die einzelnen Gebäude und sonstigen zur Siedlung gehörenden Überreste ehemaliger Baustrukturen durchaus durch „archäologieleere“ Freiräume voneinander getrennt sein können, aber trotzdem in einem archäologischen Sinnzusammenhang stehen, also ebenfalls zusammengehören. Von den Fundorten von beweglichen Kleinfunden und auch von Einzelbefunden unterscheiden sich Fundstellen im hier verwendeten Sinn also normalerweise dadurch, dass diese Kleinfunde und Einzelbefunde nicht mit anderen archäologischen Sachen in ihrer näheren Umgebung in einem signifikanten Sinnzusammenhang stehen; auch wenn man natürlich umgangssprachlich auch den Ort, an dem ein beweglicher Kleinfund, Einzelbefund oder auch zusammenhängender Befundkomplex 150 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? gefunden wurde, als Fundstelle bezeichnen kann. Tatsächlich mögen auch einige wenige Fundstellen, die dem BDA bekannt sind, nicht mehr als der Fundort eines einzelnen beweglichen Kleinfundes oder eines Einzelbefundes sein; aber die überwältigende Mehrheit ist es sicher nicht, sondern wenigstens ein zusammenhängender Befundkomplex, wenn nicht – und zwar vermutlich immer noch in der überwiegenden Mehrheit aller Fälle – ein zusammengehörender Befundkomplex. Davon sind also dem BDA in Österreich derzeit wohl etwa 20.000 bis 50.000 bekannt (Farka 2008, 10; Picker et al. 2016, 285). Tatsächlich geben dürfte es aber deutlich mehr. Aus Schäubles (2012, 18-9) Arbeit über die Situation in Sachsen lässt sich ableiten, dass selbst in einigermaßen gut durch die archäologische Landesaufnahme vorerfassten Regionen die Anzahl der zuvor bekannten Fundstellen durchschnittlich nur 20% der bei Großbauprojekten tatsächlich entdeckten Fundstellen ausmacht. Österreich kennzeichnet sich in der archäologischen Denkmalpflege, wie schon weiter oben erwähnt wurde, gerade dadurch, dass eine systematische archäologische Landesaufnahme niemals auch nur wirklich in Angriff genommen, geschweige denn abgeschlossen, wurde. Es ist also zu vermuten, dass in Österreich das prozentuelle Verhältnis zwischen bereits bekannten und noch unbekannten Fundstellen noch deutlich schlechter ist. Das lässt sich auch durch einen Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeigen. Vergleicht man die Anzahl der in Österreich (bei einer Landesfläche von 83.879 km2) dem BDA bekannten 52.000 Fundplätze (Farka nennt für 2008 für die Digitalisierung der Fundstellendatenbank 48.493 Fundplätze, was einen Erfassungsgrad von 96% dargestellt hat; Farka 2008, 10; Picker et al. 2016, 285 nennen nun aber nur noch 19.550 datenbankmäßig erfasste Fundstellen; wie dieser massive Rückgang erklärbar ist, bleibt unklar) mit denen, die Denkmalämtern in anderen Ländern bekannt sind, z.B. in Brandenburg ca. 48.000 (http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1547791 [8.2.2017], bei einer Landesfläche von 29.479 km2), Niedersachsen mit etwa 124.000 (pers. Mitt. Dr. Markus C. Blaich, Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, 31.8.2017; bei einer Landesfläche von 47.614 km2), oder in Wales ca. 100.000 (http://www.cofiadurcahcymru.org.uk/arch [8.2.2017] bei einer Landesfläche von 20,779 km2), zeigt sich, dass in Österreich deutlich weniger Bodendenkmale pro Quadratkilometer bekannt sind als in diesen anderen Ländern (Österreich: 0,62 [bzw. sogar nur 0,23]; Brandenburg: 1,63; Niedersachsen: 2,60; Wales: 4,81). Andere konkrete Gründe als das Fehlen einer systematischen archäologischen Landesaufnahme sind aber nicht erkennbar, die diese Unterschiede erklären könnten. So z.B. lässt sich nicht argumentieren, Österreich sei ja Großteils hochalpines und daher immer schon siedlungs- und nutzungsunfreundliches Gelände und daher gäbe es deutlich weniger archäologische Fundstellen als anderswo; denn in Bezug auf die Siedlungs- und Nutzungsunfreundlichkeit der Landschaft gleichen sich Österreich und Wales wie ein Ei dem anderen, mit betroffenen jeweils ca. 60% der Landesfläche. Auch in Bezug auf die jeweilige Besiedlungsgeschichte ist Österreich Wales voraus: die menschliche Besiedlung beginnt früher, die Sesshaftwerdung des Menschen beginnt früher, etc. Aber einen wesentlichen Unterschied gibt es: in Wales ist seit 1907 die Royal Commission on the Ancient and Historic Monuments of Wales (RCAHMW) mit der archäologischen Landesaufnahme befasst, die stets für ein Land von etwa einem Viertel der Fläche Österreichs durchschnittlich mehr akademische Mitarbeiter für ausschließlich diese Aufgabe beschäftigt hat als das BDA insgesamt für alle archäologischen Denkmalpflegeaufgaben. Selbst in Wales findet man aber bei Großbauvorhaben normalerweise immer noch mehr als doppelt so viele Fundstellen, als davor bekannt waren (Karl 2019b, 6). Man kann also auf Basis dieser Vergleichswerte schätzen, dass in Österreich dem BDA gerade einmal höchstens ein Zehntel, wenn nicht sogar nur etwas über 2%, aller tatsächlich vorhandenen Fundstellen bekannt sind. Man muss also davon ausgehen, dass es in Österreich zwischen etwa einer halben 151 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit Million und knapp unter einer Million archäologischer Fundstellen im oben erläuterten Sinn, d.h. zusammengehörende Befundkomplexe, geben dürfte (Karl 2019b, 6). Die meisten dieser Fundstellen dürften wenigstens aus zahlreichen, wenn nicht sogar sehr vielen, Einzelbefunden und zusammenhängenden Befundkomplexen bestehen. In Einzelfällen können sich Fundstellen auf Flächen von über einem Quadratkilometer ausdehnen, wie z.B. bei großen römischen Städten wie Carnuntum; viele davon sind aber vermutlich nicht besonders groß. Es ist schwierig, eine durchschnittliche Fläche anzugeben, weil tatsächlich ja bereits zwei zusammengehörende Gräber eines nur sehr kurzfristig belegten Gräberfeldes oder auch die Pfosten oder Fundamente eines einzeln stehenden Hauses eine Fundstelle in diesem Sinn sein können. Um dennoch einigermaßen schätzen zu können, auf welchem Anteil der österreichischen Landesfläche mit archäologischen Fundstellen zu rechnen ist, wird hier eine durchschnittliche Fläche von etwa 0.25 ha (ca. 50x50m) angenommen. Geht man von durchschnittlich ca. 700.000 existierenden Fundstellen in Österreich aus, wären also ca. 175.000 ha oder ca. 1,750 km2 bzw. ca. 2% (± 1%) der österreichischen Bodenfläche archäologische Fundstellen. Fundstellen in diesem Sinn sind häufiger gut dafür geeignet, bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen. Denn der archäologische Sinnzusammenhang, in dem sie stehen, fügt eine weitere Ebene der gegenseitigen Kontextualisierung zu den schon zwischen beweglichen Kleinfunden in und zu ihrem Einzelbefundkontext und Einzelbefunden in und zu ihrem zusammenhängenden Befundkomplexkontext hinzu. Nachdem in der durchschnittlichen Fundstelle bereits sehr viele archäologische Informationen, insbesondere über die Beziehungen zwischen den verschiedenen Bestandteilen der Fundstelle gespeichert sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass aus der Fundstelle wenigstens irgendwelche nicht-trivialen Erkenntnisse gewonnen werden können – und sei es nur zur Geschichte der betreffenden Fundstelle selbst – bereits einigermaßen, wenn auch noch nicht unbedingt besonders hoch. Es ist daher davon auszugehen, dass man zwar keinesfalls jede Fundstelle unter Denkmalschutz stellen kann, aber zumindest einen gewissen, als repräsentativ betrachteten, Anteil davon; insbesondere z.B. wenn bezüglich einer Fundstelle konkrete Hinweise (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/008, 4) darauf vorliegen, dass sie überdurchschnittlich komplex stratifiziert und daher die Wahrscheinlichkeit, dass aus ihr besonders bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden können, auch überdurchschnittlich hoch ist. Solche Hinweise können zweifelsfrei bereits die Ergebnisse zerstörungsfreier (z.B. geophysikalischer) Untersuchungen sein, die zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit tatsächlich hoch ist, dass die betreffende Fundstelle überdurchschnittlich komplex stratifiziert ist. Neuerlich bedarf es dabei aber vermutlich einer explizierten Forschungs- bzw. Unterschutzstellungsstrategie, aus der sich ableiten lässt, welche Arten von Fundstellen (z.B. welcher Zeitstellung, materialkulturellen Gruppenzugehörigkeit, welches mutmaßlichen Funktionstyps etc.) deshalb besondere Bedeutung zukommen könnte, weil in dem Bereich, über den sie Informationen liefern könnten, derzeit aus wissenschaftlicher Sicht bedeutendere Wissenslücken bestehen, die durch die derzeitige oder zukünftige Erforschung der betreffenden Fundstelle wahrscheinlich wenigstens teilweise gefüllt werden können; bzw. diese Fundstelle dafür notwendig sein dürfte, diese Wissenslücken überhaupt füllen zu können. Generalisierend kann man also festhalten, dass überdurchschnittlich komplexen Fundstellen wahrscheinlich eine derart beschaffene wissenschaftliche Bedeutung zukommen dürfte, dass ihre möglichst unveränderte Erhaltung in situ im öffentlichen Interesse gelegen ist; insbesondere, wenn diese Ansicht durch eine etablierte Forschungs- bzw. Unterschutzstellungsstrategie unterstützt wird. Wenn sie hingegen erforscht werden, sind jedenfalls alle bei ihrer Untersuchung aufgezeichneten, als archäologisch relevant erachteten Informationen zu archivieren und gegebenenfalls relevante 152 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Kleinfunde und Bodenproben in einschlägigen Sammlungen, z.B. öffentlicher Museen, so dauerhaft als möglich zu erhalten. Ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung in situ besteht nicht nur in seltenen Ausnahmefällen, sondern schon dann, wenn es konkrete Hinweise darauf gibt, dass sie überdurchschnittlich aussagekräftig sein dürften. Dennoch besteht weiterhin in der Mehrheit aller Fälle ein öffentliches Interesse nur an einer Erhaltung durch (möglichst) sachgerechte Dokumentation, um möglichst viele möglicherweise relevante Informationen dauerhaft erhalten zu können, die für spätere wissenschaftliche Forschungen nützlich sein können. Auch das entspricht im Prinzip der derzeitigen archäologischen Denkmalpflegepraxis, wenigstens in Österreich: einzelne Fundstellen wurden und werden unter Denkmalschutz gestellt, wenn sie aus wissenschaftlichen Gründen überdurchschnittlich bedeutend erscheinen; aber nur ein kleiner Anteil aller bekannten Fundstellen von ca. 2% (errechnet aus ca. 1.100 von ca. 52.000; Farka 2008, 10; bzw. ein etwas größerer von etwa 5,5% bei Berechnung mit 19.550, Picker et al. 2016, 285). Zwar wäre eine höhere Schutzquote für bekannte Fundstellen durchaus wünschenswert – in Wales z.B. stehen ca. 4.000 von etwa 100.000 bekannten archäologischen Denkmalen unter Denkmalschutz (Schofield et al. 2011, 92), also etwa 4% – vor allem, wenn man bedenkt, dass in Österreich nur z.B. etwa ein Achtel so viele archäologische Fundstellen pro Flächeneinheit bekannt sind wie in Wales; aber im Prinzip dürfte nur die Unterschutzstellung eines relativ kleinen Prozentsatzes aller tatsächlich existierenden Denkmale durchaus sinnvoll sein; z.B. (ausgehend von ca. 700.000 tatsächlich in Österreich existierenden Fundstellen) ca. 10.000-15.000. Klar ist aber auch hier, dass das BDA zwar Fundstellen in einem geringen Anteil aller Fälle als Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG betrachtet (hat), aber immer noch nur einen derart kleinen Prozentsatz, und daher für den Durchschnittsbürger immer noch nicht offenkundig sein kann, dass auch ganze Fundstellen den Beschränkungen des DMSG unterliegen könnten. Auch ganze Fundstellen können daher eigentlich nicht als Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG igF samt dessen Rechtsfolgen betrachtet und behandelt werden. Dass es sich bei einer konkreten Fundstelle um ein Denkmal handelt, das den Bestimmungen des DMSG unterworfen wird, wird also auch frühestens dadurch offenkundig, dass es tatsächlich durch einen eigenen Rechtsakt unter Denkmalschutz gestellt wurde und dies auch öffentlich in geeigneter Weise bekannt gemacht worden ist. Typ 5: zusammengehörende Befundlandschaften Damit bleibt als fünfter für unsere Fragestellung meiner Meinung nach relevanter Typ archäologischer Sachen die zusammengehörende Fundlandschaft (inklusive aller dazugehörigen Fundstellen, zusammengehörigen und zusammenhängenden Befundkomplexe, Einzelbefunde und beweglichen Kleinfunde). Zusammengehörende Befundlandschaften stellen eine sehr seltene Art archäologischer Sachgesamtheiten dar und wurden bisher herkömmlicherweise von der archäologischen Denkmalpflege nicht als „Bodendenkmale“ betrachtet, wenigstens nicht im engeren Sinn, sondern ihre jeweiligen Bestandteile einzeln und unabhängig voneinander betrachtet und bestenfalls teilweise als separate Einzeldenkmale unter Denkmalschutz gestellt bzw. im Sinne des aus dem Umweltschutzbereich kommenden Landschaftsschutzes als Elemente der historisch gewachsenen Kulturlandschaft betrachtet, ohne dabei notwendigerweise auf archäologische Sinnzusammenhänge Rücksicht zu nehmen. Einzig UNESCO-Welterbestätten wie z.B. in Österreich die (transnational) als Weltkulturerbe designierten prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen (http://www.pfahlbauten.at/ [17.10.2017]) und das in Vorbereitung befindliche Weltkulturerbe römischer Limes (siehe http://www.limes-oesterreich.at/html/ [17.10.2017]) bauen zu guten Teilen auf der Vorstellung einer archäologischen Befundlandschaft auf. Zusammengehörende archäologische Befundlandschaften entsprechen in gewissem Sinn ebensolchen Befundkomplexen, indem sie sich dadurch kennzeichnen, dass zwischen den als 153 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit zusammengehörig betrachteten Fundstellen ein archäologischer Sinnzusammenhang besteht; wie eben die zum römischen Donaulimes in Österreich gehörenden Fundstellen (und gegebenenfalls auch dazugehörige zusammenhängende Befundkomplexe, Einzelbefunde und bewegliche Kleinfunde) dadurch in einem archäologischen Sinnzusammenhang stehen, dass sie als römische Grenzeinrichtungen entlang der Donaugrenze des römischen Reiches errichtet und genutzt wurden. Im Gegensatz zu Fundstellen besteht aber zwischen den einzelnen, zu zusammengehörenden Befundlandschaften gehörenden Fundstellen (etc.) nicht notwendigerweise ein kleinräumiger Lokalbezug (wie z.B. den zu einem Gräberfeld gehörenden Gräbern und sonstigen Strukturen), sondern die zusammengehörenden Teile können auch durch bedeutendere Distanzen (eventuell sogar viele Kilometer) voneinander getrennt sein; auch wenn es wenigstens gewisse Hinweise darauf gibt, dass es tatsächlich einigermaßen enge Zusammenhänge und Verbindungen zwischen ihnen gab. Abb. 9: Das Gurgltal zwischen Strad und Dormitz im Luftbild: rot eingetragen sind die Fundstellen römischer Kleinfunde, die den Verlauf der Via Claudia Augusta markieren (Grabherr 2006, 57 Abb. 20). So können z.B. eine prähistorische Siedlung und das aller Wahrscheinlichkeit nach zugehörige, gleichzeitig belegte, aber vielleicht ein, zwei oder sogar mehr Kilometer von ihr entfernte Gräberfeld 154 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? eine zusammengehörende Befundlandschaft darstellen: schließlich sind (wenigstens soweit man das sagen kann) vermutlich (wenigstens einige der) Menschen, die in der betreffenden Siedlung gelebt haben, in dem zugehörigen Gräberfeld bestattet worden. Ebenso können z.B. römische Siedlungen und damit in Verbindung stehende (und diese miteinander verbindende) Straßenverläufe, wie sie z.B. Gerald Grabherr (2006, 55-9) in seiner Arbeit über die Via Claudia Augusta in Tirol gezeigt hat, eine solche zusammengehörende Befundlandschaft darstellen. Dabei können die Zusammenhänge, die die Zusammengehörigkeit verschiedener Teile einer solchen Befundlandschaft darstellen, auch durchaus (vorwiegend oder ausschließlich) durch bewegliche Kleinfunde und deren nichtzufällige Verteilung in der weiteren Landschaft angezeigt werden (Grabherr 2006, 57; Abb. 9). Der weitere Zusammenhang in der Landschaft fügt natürlich eine – und in diesem Fall normalerweise tatsächlich besonders bedeutende – zusätzliche Kontextualisierungsebene zu den bereits oben genannten anderen hinzu und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit, dass aus einer zusammengehörigen Befundlandschaft tatsächlich bedeutende archäologische Erkenntnisse gewonnen werden können weiter. Nachdem solche zusammengehörigen Befundlandschaften auch vergleichsweise selten sind – auch wenn sie in manchen Perioden, wie z.B. der römischen Kaiserzeit, weit häufiger fassbar werden als in anderen Zeitabschnitten – bedarf es zumeist nicht einmal mehr einer explizierten Forschungs- bzw. Unterschutzstellungsstrategie, um davon ausgehen zu können, dass solche Befundlandschaften tatsächlich von derart besonderer wissenschaftlicher Bedeutung sind, dass an ihrer Erhaltung in situ ein öffentliches Interesse besteht. Es ist daher davon auszugehen, dass man wenigstens sehr viele, wenn nicht sogar alle fassbaren zusammengehörigen Befundlandschaften unter Denkmalschutz stellen kann. Eine konkret explizierte Forschungs- bzw. Unterschutzstellungsstrategie kann zwar – insbesondere wenn es um die Frage geht, ob in Zeitabschnitten, aus denen sich noch vergleichsweise viele solche zusammengehörigen Befundlandschaften erhalten haben, tatsächlich nicht eine Selektion bestimmter, überdurchschnittlich gut erhaltener Befundlandschaften für eine Unterschutzstellung heranzuziehen ist, während die weniger gut erhaltenen guten Gewissens zur unbeschränkten Untersuchung freigegeben werden können – zwar durchaus nützlich sein, um hier gut begründete Entscheidungen treffen zu können, ist aber nicht unbedingt erforderlich. Generalisierend kann man also festhalten, dass zusammengehörige Befundlandschaften normalerweise eine derart beschaffene wissenschaftliche Bedeutung zukommen dürfte, dass ihre möglichst unveränderte Erhaltung in situ im öffentlichen Interesse gelegen ist; es sei denn, es gibt von einer bestimmten Art von Befundlandschaft tatsächlich so viele, dass es unnötig erscheint, alle davon auf diese Weise zu erhalten. Das entspricht nun aber der derzeitigen archäologischen Denkmalpflegepraxis nicht, wenigstens nicht in Österreich: zusammengehörige Befundlandschaften wurden und werden in der Regel nicht unter Denkmalschutz gestellt; sondern bestenfalls einzelne zu einer solchen Befundlandschaft gehörende Fundstellen. Damit werden aber gerade jene archäologischen Sachgesamtheiten nicht adäquat geschützt, deren Schutz ihrer aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich besonderen wissenschaftlichen Bedeutung wegen nun wirklich im öffentlichen Interesse wäre. Hier behindert das Beharren der traditionellen Denkmalpflege auf der Einzelfallbetrachtung ganz maßgeblich einen tatsächlich effektiven archäologischen Denkmalschutz: das, was wirklich wichtig zu erhalten wäre, zerreißt man in einzelne Stückchen, von denen viele jeweils für sich betrachtet nicht erhaltenswert erscheinen und daher oft auch nicht erhalten werden, und trägt somit zur Zerstörung gerade jener Zusammenhänge bei, von denen man die meisten und bedeutendsten wissenschaftlichen Erkenntnisse erwarten könnte. Natürlich können auch Befundlandschaften nicht als Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG verstanden werden, um das zum Abschluss auch noch anzumerken: der Durchschnittsbürger kann ja, wenn er 155 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit irgendwo in der Landschaft irgendeine einzelne archäologische Sache entdeckt, ohne den zur Beurteilung archäologischer Sinnzusammenhänge auf Landschaftsebene erforderlichen, besonderen Sachverstand (und umfassende Kenntnis der relevanten Daten) zu haben, gar nicht wissen, dass das, was er entdeckt hat, ein kleiner und für sich unbedeutender Bestandteil einer in ihrer Gesamtheit tatsächlich besonders bedeutenden Befundlandschaft ist. Auch Befundlandschaften müssen daher unter Denkmalschutz gestellt werden, damit es auch für den Durchschnittsbürger offenkundig ist, dass dort, wo er vielleicht etwas finden möchte, Teile einer solchen Befundlandschaft vorliegen und er daher vielleicht doch besser nicht dort, sondern wo anders, nach archäologischen oder anderen Sachen suchen sollte, die ihn besonders interessieren. Gleichzeitig ist aber – gerade bei solchen größeren, zusammenhängenden Befundlandschaften – auch zu bedenken, dass nahezu alle individuellen Eingriffe in den Bestand der Befundlandschaft wenigstens individuell, wenn nicht sogar in Summe, zumeist weitgehend irrelevant für die Erhaltung der in dieser Befundlandschaft gespeicherten archäologischen Informationen sind. Schließlich betreffen selbst Großbauvorhaben – wenn es sich dabei nicht gerade um ein Großbauprojekt wie eine neue Straße oder Leitungstrasse handelt, das aufgrund der lokalen topografischen Verhältnisse mehr oder minder genau der Trasse einer Altstraße folgt und deren Überreste daher weitgehend vernichten würde – nur selten derart große Flächen, dass die archäologischen Sinnzusammenhänge in einer größeren Befundlandschaft maßgeblich zerstört würden. Es ist daher gerade bei größeren, zusammenhängenden Befundlandschaften zwar eine Erhaltung von wesentlicheren Bestandteilen der Befundlandschaft in situ sinnvoll, ihre vollständige Erhaltung in situ aber zumeist weder möglich noch besonders sinnvoll. Stattdessen ist eine Kombination aus der Erhaltung von Teilen dieser Befundlandschaften in situ und die Erhaltung anderer ihrer Teile durch Dokumentation weit sinnvoller; nicht zuletzt auch deshalb, weil ihre teilweise Erforschung durch Ausgrabung besonders gut zur Beantwortung bedeutenderer wissenschaftlicher Forschungsfragen geeignet erscheint. Denn letztendlich ist es gerade diese Erforschung, die es überhaupt erst gestattet, die größere zusammenhängende Fundlandschaft als Denkmal gesellschaftlich in Wert zu setzen und damit das eigentliche Ziel des archäologischen Denkmalschutzes (auch im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Valletta-Konvention, Europarat 1992; und Art. 12-14 der Faro-Konvention, Europarat 2005) zu erreichen. Generalisierte Bedeutungsbestimmungskriterien für die archäologische Denkmalpflege Geht man an die Beurteilung der Bedeutung archäologischer Sachen in generalisierender Weise und nicht in Form einer Einzelfallbetrachtung heran, ist es also nicht nur möglich, Kriterien für die Bedeutungsbestimmung bereits bekannter archäologischer Sachen zu erstellen, sondern sogar Kriterien, die auch noch gänzlich unbekannte archäologische Sachen abdecken und sich praktisch von selbst ergeben. Die tatsächliche wissenschaftliche Bedeutung einer konkreten Sache lässt sich nun einmal im Einzelfall immer nur retrospektiv daraus ableiten, ob sie für die Beantwortung bedeutender wissenschaftlicher Fragestellungen bedeutend war, was sich unmöglich beurteilen lässt, bevor diese Erkenntnis nicht erreicht wurde. Bei generalisierender Betrachtung – ausgehend davon, wie bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse erzielt werden können und wie wahrscheinlich es ist, dass eine beliebige Sache (bzw. Sachgesamtheit) mit bestimmten Eigenschaften zur Gewinnung einer solchen Erkenntnis beitragen kann – kann hingegen problemlos vorausschauend beurteilt werden, welche Eigenschaften eine beliebige Sache haben muss, damit die Wahrscheinlichkeit, dass sie zu bedeutenden wissenschaftlichen Erkenntnissen beitragen kann, so hoch ist, dass man davon ausgehen kann, dass ein öffentliches Interesse an ihrer längerfristigen Erhaltung besteht. 156 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Aus der hier erstellten Typologie archäologischer Sachen, die möglicherweise bedeutend sein könnten, weil sich aus ihnen bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen lassen können, folgt, dass eine archäologische Sache bzw. Sachgesamtheit umso wahrscheinlicher dazu geeignet ist, bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse zu ermöglichen, je stärker sie archäologisch kontextualisiert ist, d.h. je mehr sie in einem bereits erkennbaren archäologischen Sinnzusammenhang steht. Damit lässt sich prognostizieren, dass eine archäologische Sachgesamtheit, die (für Fachleute erkennbarer Weise) in einen größeren archäologischen Sinnzusammenhang eingebettet ist, jedenfalls entweder in situ oder, wenigstens falls das nicht geht, durch Dokumentation erhaltenswert ist; während eine einzelne archäologische Sache, die kaum oder nicht in einem bereits erkennbaren archäologischen Sinnzusammenhang steht, keinesfalls in situ erhalten zu werden braucht sondern es normalerweise völlig ausreicht, wenn jene wenigen essentiellen Informationen über sie dokumentiert und archiviert werden, die aus gegenwärtiger Sicht für die spätere Forschung relevant werden könnten. Dies entspricht der gesetzlich in § 1 Abs. 2 DMSG für das Vorliegen eines öffentlichen Erhaltungsinteresses an Denkmalen als primäres Kriterium genannten Qualität im Hinblick auf den österreichischen Kulturgüterbestand in seiner Gesamtsicht. Betrachtet man eben „alle“ österreichischen archäologischen Kulturgüter in ihrer Gesamtheit, d.h. sowohl die bereits bekannten als auch die noch unbekannt im Verborgenen gelegenen, aber voraussichtlich (noch) tatsächlich erhaltenen, zeigt sich, dass archäologische Denkmale des Typs 5 aller Wahrscheinlichkeit nach zumeist von derart beschaffener wissenschaftlicher (geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller) Bedeutung sein werden, dass ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist. Soweit archäologische Denkmale des Typs 4 betroffen sind, lässt sich in Hinblick auf deren Qualität prognostizieren, dass sie zwar durchaus von solcher Bedeutung sein können, dass ihre Erhaltung in situ im öffentlichen Interesse gelegen sein könnte, allerdings zumeist nicht im öffentlichen Interesse gelegen ist; während ihre Erhaltung durch Dokumentation wenigstens in den meisten Fällen im öffentlichen Interesse gelegen ist. Dabei ist die Unterscheidung, ob ein archäologisches Denkmal des Typs 4 so bedeutend ist, dass seine weitgehend unveränderte Erhaltung in situ im öffentlichen Interesse gelegen ist, unter Heranziehung einer Forschungs- bzw. Unterschutzstellungsstrategie zu bestimmen. Diese (regelmäßig oder sogar dauernd zu evaluierende) Strategie – die im Prinzip dem entspricht, was man in einem Museum im Hinblick auf bewegliche Kleinfunde als dessen Sammlungsstrategie bezeichnen würde – bestimmt in Hinblick auf die in § 1 Abs. 2 DMSG genannten, sekundären Kriterien von ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung, welche Arten von archäologischen Denkmalen des Typs 4 nach derzeitiger Fachmeinung im Hinblick auf den österreichischen Kulturgüterbestand in seiner Gesamtsicht noch nicht ausreichend häufig unter Denkmalschutz stehen, um einigermaßen sicherstellen zu können, dass die Beantwortung mutmaßlich bedeutender wissenschaftlicher Forschungsfragen über die Vergangenheit des Menschen (in bestimmten Zeiten und Räumen) auch zukünftig möglich sein wird. Im Wesentlichen dasselbe gilt für archäologische Denkmale des Typs 3, nur, dass bei diesen eine unveränderte Erhaltung in situ nur in extrem seltenen Ausnahmefällen erforderlich sein dürfte, während in der Regel ihre Erhaltung durch Dokumentation zu bevorzugen sein wird. Archäologische Denkmale der Typen 1 und 2 erreichen hingegen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals eine derartige Qualität (im Hinblick auf ihre wissenschaftliche Bedeutung), dass ihre unveränderte Erhaltung in situ erforderlich ist. Auch ihre Erhaltung durch Dokumentation ist in der Regel nur insofern erforderlich, als sie als Hinweise auf das Vorkommen von archäologischen Denkmalen der Typen 3-5 dienen können; auch wenn natürlich die möglichst vollständige Erhaltung der in ihnen enthaltenen archäologischen Information durch Dokumentation durchaus immer 157 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit archäologisch wünschenswert ist. Das bedeutet, dass bei archäologischen Denkmalen der Typen 1 und 2 normalerweise die ganz normale Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG genügt, um einen völlig ausreichenden archäologischen Denkmalschutz zu gewährleisten. Die Entwicklung einer Forschungs- bzw. Unterschutzstellungsstrategie Eine generalisierende Betrachtungsweise der Frage, wie man denn nun die Bedeutung von einzelnen archäologischen Denkmalen unterschiedlicher Art in Hinblick auf den österreichischen Kulturgüterbestand in seiner Gesamtheit bestimmen kann, führt also – insbesondere, wenn man sie entsprechend einfach hält – direkt zu den gesetzlich festgelegten Kriterien, die schon derzeit gem. § 1 Abs. 2 DMSG in der Beurteilung exakt dieser Frage zu betrachten sind. Das einzige, was von der archäologischen Fachwelt in dieser Beziehung – abgesehen von der hier dargestellten generalisierenden Betrachtung – als Beitrag geleistet werden muss, ist die Bestimmung einer sinnvollen wissenschaftlichen Strategie, welche archäologischen Denkmale man denn vermutlich unter Berücksichtigung des bereits derzeit bestehenden Forschungsund Unterschutzstellungsstandes und derzeit bestehender wissenschaftlicher Wissenslücken bzw. derzeit noch unbeantworteter Forschungsfragen vor ihrer vorsätzlichen oder auch nur unbeabsichtigten, nicht ausreichend sachgerecht dokumentierten, Zerstörung durch gegenwärtiges (und auch zukünftiges) menschliches Handeln (und optimalerweise auch natürliche Gefahren) schützen muss, indem man die Willkür ihrer Eigentümer, mit ihnen so zu verfahren, wie es diesen gefällt, gewissen Beschränkungen unterwirft. Eine solche Strategie, die ja auch zuletzt der Rechnungshof vom BDA vollkommen berechtigt eingefordert hat (RH 2017, 41-7), hätte das BDA schon längst erstellen sollen und muss nun jedenfalls dringend entwickelt werden. Es spricht aber – gerade im Bereich der Archäologie – viel dafür, dass das BDA eine solche Strategie keinesfalls im Alleingang, sondern in intensiver Kommunikation und unter ernsthafter Konsultation mit der archäologischen Fachwelt in Österreich (und eventuell sogar über Österreich hinaus, denn Interessen an der österreichischen Archäologie hat ja nicht unbedingt ausschließlich die österreichische archäologische Fachwelt) entwickeln sollte; wie das ja auch in anderen Ländern, wo dies schon geschehen ist (wie z.B. auf den britischen Inseln) der Fall ist. Gerade in Österreich, wo das BDA weniger als 15 Fachleute beschäftigt, die noch dazu nicht unbedingt bei ihrer Anstellung im Hinblick auf eine möglichst breit gestreute fachliche Expertise angestellt wurden, sondern aus anderen Gründen, ist die in der Behörde vorhandene archäologisch-wissenschaftliche Expertise – die zweifellos vorhanden ist – nicht unbedingt für alle verschiedenen archäologischen Interessensbereiche gleichermaßen repräsentativ; und kann das auch gar nicht sein: 15 Personen können einfach nicht alle Unter- und Teilgebiete „der österreichischen Archäologie“ in ihrer Gesamtheit gleichermaßen gut überblicken, weil es davon viel zu viele gibt und sich das Fach auch viel zu rasch entwickelt. Noch dazu sind die Beamten im BDA – so kompetent und bemüht sie auch sein mögen; und das sind sie in ihren jeweiligen Interessensgebieten in der Regel auch durchaus – weder gewohnt noch eigentlich dafür beschäftigt noch dazu befugt, diese Fragen verbindlich für das Fach in seiner Gesamtheit zu beantworten. Das ist schon allein deshalb so, weil die Wissenschaft – und daher natürlich auch die archäologische Wissenschaft – iSd Art. 17 StGG frei ist und es daher letztendlich allen Menschen, die wissenschaftliche Forschungsinteressen haben, selbst überlassen bleibt, welche solchen Forschungsinteressen sie haben und wie sie diesen nachgehen wollen. Aufgabe der archäologischen Fachbeamten im BDA ist es, im Rahmen der ihnen gesetzlich dafür übertragenen Kompetenzen dafür zu sorgen, dass jene archäologischen Sachen, die für die Beantwortung der Forschungsfragen wichtig sein dürften, die Wissenschafter in den Forschungsinteressensbereichen, 158 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? die sie interessieren, im Interesse der Allgemeinheit frei erforschen wollen, auch tatsächlich so lange erhalten bleiben, dass diese Wissenschafter sie auch tatsächlich erforschen können; d.h. im jeweils konkreten Einzelfall einer bekannt gewordenen oder schon bekannten archäologischen Sache zu ermitteln, ob diese konkrete Sache eine ist, die diese Voraussetzung erfüllt, oder nicht. Dafür müssen aber natürlich diese Wissenschafter den Fachbeamten im BDA auch sagen, was sie denn erforschen wollen, oder was sie glauben, dass zu erforschen wichtig wäre, ob jetzt oder auch erst später, wenn sie (oder künftige Generationen von Forschern) dazu kommen. Die Beamten im BDA sind also in diesem Zusammenhang ganz unmittelbar auf die Hilfe und Unterstützung durch die Fachgemeinschaft angewiesen; eine Hilfe und Unterstützung, die wir als Fachgemeinschaft jenen unserer KollegInnen, die sich als Beamte im BDA letztendlich zuerst einmal für uns und unsere Interessen und damit dann mittelbar verbunden die Interessen der Öffentlichkeit an der Gewinnung bedeutender wissenschaftlicher Erkenntnisse abstrampeln, bisher weitgehend versagt haben. Denn wir sind es – nicht zuletzt ebenfalls dank unserer positivistischen Prägung als Wissenschafter – nicht gewohnt, über den Einzelfall und sich ad hoc – oft erst aus der Betrachtung des Materials selbst – ergebende Forschungsfragen auf das größere Ganze hinauszublicken; und haben daher bisher nicht oder bestenfalls kaum explizit diskutiert und unseren KollegInnen im BDA daher auch nicht mitgeteilt, welche wissenschaftlichen Forschungsfragen uns besonders interessieren, welche offensichtlichen und weniger offensichtlichen Lücken in unserem wissenschaftlichen Wissen derzeit erkennbar sind und welcher Quellen es bedürfen würde, um diese voraussichtlich in der Zukunft füllen zu können. Es obliegt also uns als wissenschaftlicher Fachgemeinschaft, das zu ändern, um dem BDA und den in diesem tätigen Beamten die Hilfestellung und Unterstützung zu geben, die sie brauchen, um ihre Aufgabe auch tatsächlich sach- und fachgerecht erledigen zu können. Eine solche Forschungs- und Unterschutzstellungsstrategie sollte also am besten in intensiver Zusammenarbeit zwischen den Fachbeamten im BDA und der weiteren wissenschaftlichen Fachwelt entwickelt werden. Dabei wäre es die Aufgabe der Beamten des BDA, den denkmalpflegerischen Status quo zu bestimmen und in entsprechend aufbereiteter Form der Fachwelt zu präsentieren, damit diese sehen kann, was nun wirklich schon unter Denkmalschutz steht. Umgekehrt wäre es die Aufgabe der Fachwelt, den wissenschaftlichen Status quo, insbesondere in Hinblick auf noch offene, sowohl dringende als auch langfristige, Forschungsfragen und Forschungsinteressensbereiche zu bestimmen und diesen in entsprechend aufbereiteter Form den Fachbeamten im BDA zu präsentieren. Denn nur so kann der wissenschaftliche Soll-Zustand mit dem denkmalpflegerischen IstZustand entsprechend abgeglichen und Diskrepanzen zwischen beiden bestimmt werden und damit die Quellenlücken entdeckt werden, die das BDA durch denkmalpflegerische Schutzmaßnahmen schließen muss oder wenigstens soll. Der erste Schritt dafür könnte beim nächsten „runden Tisch Archäologie“ des BDA, ob dies nun der nächste regelmäßige im Jänner, oder ein außertourlicher aufgrund des akuten Bedarfs ist, gesetzt werden, indem eine grundlegende Struktur für einen solchen Strukturentwicklungsprozess diskutiert, geschaffen und auch gleich idealerweise „Themenverantwortliche“ identifiziert werden können (vergleiche dazu z.B. http://www.archaeoleg.org.uk/intro.html [17.10.2017]), die entweder selbst Grundlagenpapiere erstellen oder die Erstellung solcher Papiere in einer entsprechenden InteressentInnengruppe koordinieren. Diese Grundlagenpapiere können dann, bereits vom BDA abgeglichen mit dem derzeitigen archäologischen Denkmalbestand in Österreich, bei einem gesamtösterreichischen archäologischen Fachkonvent (idealerweise mit internationaler Beteiligung) in Interessensgruppen bzw. öffentlich zugänglichen Workshops diskutiert und weiter verfeinert, um zusätzliche Forschungsfragen und -interessensgebiete erweitert und dann zu einem kollaborativ erstellten Forschungs- und Unterschutzstellungsstrategiedokument zusammengeführt werden. 159 Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit Damit wäre dann die wesentlichste Grundlage für eine nicht gegenwartsvergessene und wirklich zukunftsorientierte archäologische Denkmalpflege geschaffen, die bisher noch absolut fehlt. Wir würden dann endlich nicht mehr am jeweiligen Einzelfall kleben, den wir immer nur jeweils für sich betrachten und dessen Bedeutung für zukünftige Forschungen wir gar nicht bestimmen können, sondern tatsächlich eine Gesamtbetrachtung des österreichischen Kulturgutbestandes vornehmen, die eine vorausschauende Denkmalpflege überhaupt erst möglich macht. Und eine solche vorausschauende Denkmalpflege wird dringend gebraucht. 160 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege Wie soeben ausgeführt, ist es bei einer generalisierenden Betrachtung der Frage, welchen archäologischen Denkmalen denn nun ein solcher Denkmalwert zukommt, dass ihre möglichst unveränderte Erhaltung in situ oder wenigstens ihre Erhaltung durch wissenschaftliche Dokumentation im öffentlichen Interesse gelegen ist, nicht nur möglich, diese Frage bezüglich bereits bekannter, sondern auch – wenigstens hypothetisch – bezüglich noch unbekannter, noch im Boden verborgen befindlicher archäologischer Denkmale zu beantworten: schließlich sind, aller Wahrscheinlichkeit nach, alle Denkmale, die jene Eigenschaften aufweisen, die ihren Schutz im öffentlichen Interesse gelegen erscheinen lassen, für zukünftige wissenschaftliche Forschungen von solcher Bedeutung, dass man sie tatsächlich möglichst erhalten sollte; völlig unabhängig davon, ob man sie schon tatsächlich kennt (und daher unter Denkmalschutz stellen und sie somit wenigstens innerhalb eines gewissen Rahmens zu erhalten versuchen kann) oder ob man noch nicht einmal weiß, dass es ein konkretes Denkmal überhaupt gibt. Es gilt daher bei einer Gesamtbetrachtung des österreichischen Kulturgutbestandes im Hinblick auf eine tatsächlich zukunftsorientierte Denkmalpflege nicht nur, sich Gedanken über die bereits bekannten (und daher hoffentlich bereits geschützten) derart bedeutenden archäologischen Denkmale zu machen. Es gilt vielmehr auch, sich wenigstens Gedanken darüber zu machen, was mit den aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich existierenden, aber noch gänzlich unbekannten archäologischen Denkmalen geschehen soll, die man schon allein deshalb nicht durch reaktive Schutzbestimmungen schützen kann, die nur für geschützte (und daher schon bekannt sein müssende) archäologische Denkmale gelten. Wir müssen uns nun also der Frage zuwenden, wie man diese noch gänzlich unbekannten archäologischen Denkmale möglichst effektiv schützen und erhalten kann, ohne dass man sie zuerst kennen muss. Auch hier muss man anders denken, als wir das bisher gewohnt sind. Für die Erforschung durch künftige Generationen Ein Leitsatz der derzeitigen archäologischen Denkmalpflege in Österreich und Deutschland (und weit darüber hinaus) ist, dass archäologische Denkmale vorzugsweise in situ erhalten werden sollen, um – ganz im Sinne des Art. 2 ii der Valletta-Konvention – „die von künftigen Generationen zu untersuchenden Zeugnisse der Vergangenheit zu erhalten“ (Europarat 1992). Aus diesem Leitsatz leiten nicht zuletzt die Denkmalamtsjuristen, die Vorschläge für Gesetzestexte verfassen und die Gesetze nach ihrer Erlassung dann auch gleich selbst kommentieren, um die Auslegungshoheit zu behalten, die Schlussfolgerung ab, dass „unnötige“ archäologische Nachforschungen zum Schutz der Denkmalsubstanz möglichst verhindert werden müssen: „Oberster Grundsatz bei der Entscheidung über eine Nachforschungsgenehmigung ist die Schonung des Bodendenkmals. Die Vorschrift hat zum Ziel, im öffentlichen Interesse zu verhindern, dass durch Nachforschungen Denkmalsubstanz vernichtet oder der Erosion preisgegeben wird“ (Viebrock 2007, 239, Hervorhebung wie im Original; sinngemäß gleich z.B. in Hönes 1995, 273; Strobl & Sieche 2009, 265; Martin & Krautzberger 2010, 852, 887-889). Die Gerichte folgen dann gerne auch der damit verbundenen, auf die zitierte Bestimmung der VallettaKonvention abstellenden, Argumentation: „Das OVG Schleswig [RK: Urteil vom 30.11.1994, Verweis bei Strobl & Sieche 2009, 265] hat die Überlegung, archäologische Denkmale zu erhalten, um Forschungsmöglichkeiten für künftige Generationen zu gewährleisten (archäologische Reservate), ausdrücklich für zutreffend erachtet“ (Strobl & Sieche 2009, 266). 161 Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege Die Vorstellung, dass archäologische Denkmale idealerweise unverändert in situ erhalten werden sollten, um sie für die Erforschung durch künftige Generationen mit mutmaßlich besseren zukünftigen Methoden möglichst im Originalzustand zu erhalten (so z.B. auch Brunecker 2008, 16), ist auf den ersten Blick auch tatsächlich sinnvoll und vernünftig. Schließlich verändert die Erforschung mit invasiven archäologischen Forschungsmethoden, d.h. in der Regel Ausgrabungen, zwangsweise die Denkmalsubstanz: derzeit noch im Boden in ihren ursprünglichen Verhältnissen zueinander gelagerte Bodenschichten und die in ihnen enthaltenen beweglichen Kleinfunde werden dabei aus ihrer derzeitigen Lage entfernt und wenigstens teilweise (in Form von Proben und den beweglichen Kleinfunden selbst) auch dauerhaft aus dem Boden entnommen. Die Wiederherstellung des „ursprünglichen“ Zustandes ist, selbst bei der bestmöglichen Ausgrabung, daher nicht mehr möglich: selbst wenn man jede erkannte und entnommene Bodenschicht separat lagert und die Grenzflächen zwischen verschiedenen Schichten und die Lage der Funde in diesen so exakt als möglich dokumentiert, sie genauso, wie man sie vorgefunden hat, wieder einzubringen, ist einfach technisch nicht machbar. Die derzeit noch im Boden vorhandene Quelle wird also selbst durch die beste, fachgerecht durchgeführte, archäologische Ausgrabung unwiderruflich verändert und steht damit künftigen ForscherInnen nicht mehr in der Form zur Verfügung wie dem, der sie (als Erster) ausgegraben hat. Das Gleiche gilt natürlich noch viel mehr für jede nicht fachgerecht durchgeführte, mit Bodeneingriffen verbundene, archäologische Nachforschung: bei solchen unsystematischen und nicht den derzeitigen Standards wissenschaftlicher Dokumentationstechnik entsprechenden Entdeckungsversuchen wird die noch im Boden befindliche Denkmalsubstanz ebenfalls verändert und dadurch in ihrem Originalzustand gespeicherte archäologische Information zerstört. Daher ist die einzige Methode, mit der man tatsächlich absolut sicherstellen kann, dass das betroffene archäologische Denkmal seine maximale Aussagekraft als Quelle zukünftiger archäologischer Erforschung behält, es tatsächlich vollkommen unberührt und unverändert in situ im Boden zu erhalten. Die archäologische Denkmalpflege versteht sich also als auf die Zukunft ausgerichtete Aufgabe. Umso überraschender und bedenklicher ist es, dass die archäologische Denkmalpflege und die in ihr tätigen, entscheidungsbefugten Akteure so gut wie nie über die Zukunft nachzudenken scheinen oder gar ihre Zukunftsvorstellungen explizit artikulieren, wie Cornelius Holtorf und Anders Högberg (2015, 513; sinngemäß auch schon Rüsch 2004, 4) jüngst ganz richtig bemerkt haben. Selbst wenn KollegInnen mögliche Zukunftsszenarien andenken (für einen kleinen Überblick samt weiterführenden Literaturverweisen siehe Holtorf & Högberg 2015, 514), beschäftigen sie sich primär mit der Frage, welche derzeit von der Denkmalpflege weitgehend bis vollständig ‚vernachlässigten‘ Kategorien von Sachen, wie z.B. durch Menschenaffen oder Roboter erzeugte Kulturgüter (Spennemann 2007) oder radioaktiver Atommüll und als Selbstdarstellung gegenüber intelligenten außerirdischen Lebensformen gedachte, ins Weltall verbrachte, Informationen auf oder in Raumsonden (Holtorf & Högberg 2015, 515-517), in Zukunft denkmalpflegerische Bedeutung bekommen könnten. Realistische Zukunftsszenarien, die tatsächlich signifikante Konsequenzen für die gegenwärtige archäologische Denkmalpflege und deren Praktiken haben, fehlen hingegen so gut wie vollständig; obwohl sie und auch ihre Explizierung z.B. von Holtorf und Högberg (2015, 519-521) und schon vor 25 Jahren z.B. von Graham Fairclough (zitiert bei Holtorf & Högberg 2015, 509) eingefordert wurden. Kompartmentalisiertes denkmalpflegerisches Denken Gerade was die von der archäologischen Denkmalpflege dogmatisch eingeforderte, wenn auch nicht völlig unkritisiert gebliebene (siehe z.B. Willems 2012; Karl 2017b), Bevorzugung der „Erhaltung in situ“ betrifft, fehlen derartige realistische Zukunftsszenarien völlig. Stattdessen wird postuliert, dass möglichst alle Nachforschungen nach archäologischen Denkmalen inklusive sogenannter 162 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? „Lustgrabungen“ (Viebrock 2007, 241-242; Hönes 1995, 273; sinngemäß auch Strobl & Sieche 2009, 266; Davydov et al. 2016, 248) – d.h. rein zu Forschungszwecken durchgeführte archäologische Ausgrabungen ohne mehr oder minder akute Gefährdung des betroffenen archäologischen Denkmals durch andere Ursachen – möglichst verhindert werden sollten, damit diese Denkmale „unverändert“ künftigen Generationen erhalten bleiben. Dabei baut jedoch die Annahme, dass die Erhaltung in situ tatsächlich die beste aller möglichen Erhaltungsmethoden ist, auf einer vollkommen unreflektierten – und, wie ich in diesem Kapitel zeigen werde, höchst unrealistischen und in erster Linie durch archäologisches Schubladendenken erklärbaren – undefinierten „Zukunftsvorstellung“ auf: auf der Vorstellung, dass man dadurch, dass man die Veränderung von archäologischen Denkmalen durch mit Bodeneingriffen verbundene (und oft sogar gänzlich ohne Bodeneingriffe durchgeführte) fachgerechte oder unsachgemäße Entdeckungsversuche untersagt und damit ihre unmittelbare Zerstörung verhindert, sie damit tatsächlich – und zwar eben unverändert – für die Zukunft bewahrt. Die Vorstellung, dass man durch die Verhinderung „unnötiger“ archäologischer Entdeckungsversuche Schaden an der Substanz von archäologischen Denkmalen vermeidet ist, wie oben gezeigt wurde, durchaus vernünftig und nachvollziehbar, so lange man nur den durch derartige Nachforschungen tatsächlich angerichteten Schaden isoliert für sich betrachtet und den weiteren Kontext der Zerstörung von archäologischen Denkmalen in der Landschaft durch andere Ursachen völlig ausblendet; also die tatsächliche Sachlage nicht holistisch, sondern kompartmentalisiert betrachtet. Man denkt dabei nur an den Schaden, der bei der Grabung entstehen würde, und blendet - sozusagen in einer geistigen Schublade denkend – alle anderen Gefahren, die archäologischen Denkmalen in situ drohen (können), völlig aus; nimmt also neuerlich eine Einzelfallbetrachtung vor, statt sich generalisierend mit der relevanten Frage auseinanderzusetzen. Dabei ist der archäologischen Denkmalpflege grundsätzlich durchaus bewusst, dass Denkmale in situ auch durch andere Gefahren bedroht werden: sowohl archäologische Denkmalpfleger als auch ihre Juristen wissen sehr wohl, dass archäologische Denkmale in situ dauernd durch sehr viele äußere (land-, forst-, bergbau- und bauwirtschaftliche Tätigkeiten, Grundwasserspiegeländerungen, sauren Regen und andere Schadstoffbelastungen, siehe dazu z.B. Martin & Krautzberger 2010, 851-852) und zu einem geringeren Maß auch innere Ursachen (den unaufhaltsamen „natürlichen Verfall“ der Denkmalsubstanz; z.B. Bazil et al. 2015, 16) der Gefahr der Zerstörung ausgesetzt sind. Mehr oder minder systematische Untersuchungen europäischer Denkmalämter zeigen sogar deutlich, dass die mit Abstand größte kumulative Gefahr für die Erhaltung von archäologischen Denkmalen in situ die ganz normale Land- und Forstwirtschaft ist (siehe z.B. Trow et al. 2010; Trow & Holyoak 2014, 56). Aber diese anderen Gefahren werden, genauso wie von Nachforschungen ausgehenden Gefahren, in separate Denkschubladen gepackt und nur individuell, jeweils isoliert voneinander, betrachtet: Da sind z.B. die von Bergbau- und Baumaßnahmen ausgehenden Gefahren. Diese kann man zwar nicht gänzlich abwenden, aber durch „Rettungsgrabungen“ im Rahmen des Bauprozesses den dadurch an den betroffenen Denkmalen entstehenden Schaden wenigstens verringern, indem man möglichst viele der in den in situ zerstört werdenden Denkmalen gespeicherten archäologischen Informationen und bewegliche Kleinfunde durch systematische archäologische Ausgrabungen birgt. Diese kann man somit durch Dokumentation und Archivierung dauerhaft bewahren und dadurch für die Erforschung durch zukünftige Generationen erhalten. Dann sind da z.B. die von der Land- und Forstwirtschaft ausgehenden Gefahren. Diese kann man noch weniger abwenden als die von Baumaßnahmen ausgehenden Gefahren, aber wenigstens teilweise dadurch verringern, dass man manche Bodenflächen z.B. als „Grabungsschutzgebiete“ ausweist und 163 Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege dann in diesen auch die land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung wenigstens bis zu einem gewissen Grad einschränken kann. Damit kann man zwar nicht alle, aber wenigstens besonders bedeutende archäologische Denkmale in situ erhalten; während der an allen anderen Bodendenkmalen entstehende Schaden einfach als „unvermeidlich“ betrachtet wird, weil man Landund Forstwirtschaft schließlich nicht einfach ganz untersagen kann. Schließlich gibt es auch noch Gefahren, die gänzlich „unvermeidlichen“‘ Schaden an archäologischen Denkmalen anrichten, die wieder in eine eigene Denkschublade einsortiert werden. Dazu gehört der unaufhaltsame „natürliche Verfall“ der Denkmalsubstanz (z.B. Bazil et al. 2015, 16); und auch die Auswirkungen von Umweltverschmutzung, Veränderungen im Grundwasserspiegel (z.B. Martin & Krautzberger 2010, 851-852; aber auch schon Kriesch et al. 1997, 27; Planck 1991, 22; etc.) und natürlich auch die natürliche Bodenerosion, Bioturbation des Bodens, etc. Gegen diese Zerstörungsursachen kann man bei der vorherrschenden kompartmentalisierten Betrachtungsweise ganz und gar nichts machen, sondern archäologische Denkmale fallen diesen vollkommen „unvermeidlich“ zum Opfer. Man hat in seinem Gedankengebäude also verschiedene Arten von Gefahren bzw. Ursachen von Denkmalsubstanzverlusten konstruiert, die man jeweils für sich in ihrer gedanklichen Schublade betrachtet. Für jede davon hat man auch eine gefahrenartspezifische, praktische Gegenmaßnahme vorgesehen. Mittels dieser glaubt man den entstehenden Schaden idealerweise ganz verhindern oder wenigstens möglichst minimieren zu können; sofern er geistig nicht als gänzlich „unvermeidlich“ klassifiziert wird. Dabei ist der Schaden, der an der Denkmalsubstanz durch Nachforschungen entstehen kann, von allen der genannten Schadenskategorien der, den die archäologische Denkmalpflege am ehesten und am leichtesten gänzlich zu verhindern können glaubt: man muss schließlich diese Nachforschungen nur möglichst vollständig untersagen und damit ihre Durchführung möglichst erfolgreich verhindern. Die Untersagung, sofern sie erfolgreich durchgesetzt werden kann, bewirkt schließlich, dass solche Nachforschungen überhaupt nicht stattfinden und somit durch sie gar kein Schaden entsteht; also die Zerstörung von Denkmalsubstanz, wenigstens durch diese Schadensursache, vollständig verhindert wird. Synchrones denkmalpflegerisches Denken Diese Schubladisierung – und die damit verbundene Monokausalität von Erklärungen von Denkmalsubstanzzerstörungen (inklusive der zugehörigen spezifischen Gegenmaßnahme) – ist nur dadurch erklärbar, dass man – obwohl oder gerade weil man nach außen hin die Erhaltung der Bodendenkmale für „die Zukunft“ explizit zu seinem Ziel erklärt – über die Zukunft überhaupt nicht nach-, sondern nur ganz eng gegenwartsbezogen denkt. Hinzu kommt, dass man, wie schon oben ausgeführt (Seiten 135-158), in der archäologischen Denkmalpflege über archäologische Denkmale nicht als Klasse von unbestimmten (sozusagen „theoretischen“) Objekten, also über „die archäologischen Denkmale in ihrer Gesamtheit“, sondern stets nur „praktisch“ als konkret bestimmte Objekte, also den konkreten Einzelfall, nachdenkt. Objekt der Überlegungen ist daher stets ein ganz konkret imaginiertes archäologisches Denkmal, z.B. ein Pfostenloch, und der Zeitrahmen der Überlegung stets ein ganz bestimmter – sozusagen „vergegenwärtigter“ – Zeitpunkt. Dieser kann zwar durchaus in einer unbestimmten Zukunft angesetzt sein, bleibt aber dennoch stets nur ein Punkt. Niemals wird hingegen eine von einem bestimmten („gegenwärtigen“) Zeitpunkt aus gesehene Zeitspanne, d.h. ein Zeitraum, betrachtet. Unter einer solchen, streng gegenwärtigen Einzelfallbetrachtung ist die Schubladisierung sowohl verständlich als auch eine zwingende logische Folge des Denkprozesses. Schließlich kann ein zwar beliebiges, aber dennoch als konkretes Objekt imaginiertes, Bodendenkmal an einem beliebigen, aber 164 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? gleichen, Zeitpunkt nicht durch mehr als eine Schadensursache (signifikant) zerstört werden. Wird es gerade archäologisch ausgegraben, kann es nicht gleichzeitig durch Baumaßnahmen zerstört werden, weil Ausgräber und Bagger nicht gleichzeitig am gleichen Ort arbeiten können. Genauso wenig kann ein bestimmtes Bodendenkmal gleichzeitig durch bau- und landwirtschaftliche Maßnahmen zerstört werden, weil dort, wo gerade der Bagger den Boden abgräbt, kann der Bauer nicht pflügen. Das Gleiche gilt auch bezüglich des „unvermeidlichen“ Verfalls von Denkmalsubstanz: dieser entsteht stets so langsam, dass er, während eine akute Schäden an der Denkmalsubstanz verursachende, menschliche Handlung stattfindet, im Vergleich dazu vollkommen vernachlässigbar ist. Denkt man so – eben streng gegenwarts- und einzelfallbezogen – über die Vermeidung von Schäden an der Substanz von Bodendenkmalen nach, folgt die Schubladisierung und auch die derzeit praktizierte Gegenmaßnahmenhierarchie zwingend: 1. Zuallererst einmal ist es notwendig, jedenfalls vermeidbaren Schaden an der Denkmalsubstanz, der von „unnötigen“ Nachforschungen ausgeht, zu verhindern; denn schließlich kann man den dadurch verursachten Schaden zu jedem beliebigen gegenwärtigen Zeitpunkt ganz verhindern. 2. Ist diese Gefahr abgewendet, kann man sich der am nächstbesten zu verringernden Gefahr zuwenden, die dem archäologischen Denkmal drohen könnte, nämlich seiner Zerstörung durch Baumaßnahmen. Kann man die Baumaßnahme gänzlich verhindern, erleidet das Denkmal auch dadurch keinen Schaden und die Gefahr ist – wenigstens für den Betrachtungszeitpunkt – gänzlich abgewendet. Wenn nicht, muss man die gefahrenartspezifische Gegenmaßnahme setzen, um den drohenden Schaden wenigstens so weit als möglich zu verringern, d.h. eine (idealerweise verursacherfinanzierte) Rettungsgrabung durchführen. 3. Wurde auch die Gefahr durch Baumaßnahmen durch deren Verhinderung abgewendet, kann man sich der dritten Kategorie von Gefahren zuwenden, die dem konkreten archäologischen Denkmal drohen könnte, nämlich der seiner Zerstörung durch land- oder forstwirtschaftliche Maßnahmen. Kann man – z.B. durch die Gegenmaßnahme der Ausweisung der Bodenfläche, auf dem sich das Denkmal befindet, als Grabungsschutz- bzw. Fundhoffnungsgebiet – diese Gefahr abwenden, erleidet das Denkmal – neuerlich wenigstens zum Betrachtungszeitpunkt – auch diesen Schaden nicht und bleibt daher erhalten. Gelingt dies nicht, ist der am Bodendenkmal durch die weiter uneingeschränkte land- und forstwirtschaftliche Nutzung entstehende Schaden hingegen „unvermeidbar“. 4. Um den ohnehin „unvermeidlichen“ Schaden durch andere Schadensursachen braucht man sich schlussendlich keine weiteren Gedanken zu machen. Dadurch, dass man diese Liste jeweils bezüglich jedes beliebigen, konkreten archäologischen Denkmals zu jedem beliebigen Zeitpunkt von oben nach unten abarbeitet, erreicht man bei dieser Art des Denkens den bestmöglichen archäologischen Denkmalschutz. Man verhindert damit schließlich – wenigstens scheinbar – allen „vermeidbaren“ Schaden. Dadurch bleibt das jeweils konkret betroffene Denkmal – idealerweise unverändert in situ oder wenigstens ersatzweise in Form wissenschaftlicher Dokumentation und Archivierung – so gut als möglich für die Erforschung durch zukünftige Generationen erhalten. Damit hat man das angestrebte Ziel – wenigstens scheinbar – erreicht. Die bisher diskutierte Betrachtungsweise ist also rein synchron, die Zukunft spielt in ihr überhaupt keine bzw. nur insofern eine Rolle, als sie eine unbestimmte Zielvorstellung vorgibt, die jeweils im gegenwärtigen Moment des Denkens das in diesem Moment scheinbar relevante Handeln determiniert. Die Antwort auf die Frage, die wir derzeit in solchen Fällen stellen, sagt uns nur etwas dazu, ob das Denkmal derzeit durch irgendwelche derzeit vermeidbaren Schäden gefährdet wird: wird 165 Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege das archäologische Denkmal jetzt gerade mit invasiven Methoden erforscht (bzw. soll es gerade erforscht werden)? Falls ja, muss man jetzt diese Handlung untersagen, damit das Denkmal jetzt nicht verschwindet, also später – d.h. von jetzt aus gesehen „in der Zukunft“ – noch da ist; falls nein, besteht dadurch keine Gefahr für die derzeitige Erhaltung des Denkmals. Darüber, welche Gefahren für das Denkmal auch nur eine Sekunde später bestehen werden, also wie gefährdet die zukünftige Erhaltung des Denkmals ist, sagt uns die Antwort auf diese Frage hingegen nichts. Es fehlt in der Betrachtung also die diachrone, d.h. die Zukunftsperspektive: wenn das Denkmal derzeit nicht durch irgendwelche vermeidbaren Gefahren zerstört wird, wird es in einer Stunde, einem Tag, einem Jahr, etc., also auch in einer bestimmten „Zukunft“, noch da sein? Oder wird es im Moment, nachdem wir die Frage „wird es jetzt gerade zerstört?“ negativ beantwortet haben, nicht erst recht durch irgendeine gerade eben noch nicht relevante Ursache zerstört werden und daher dann in zwei Momenten nicht mehr da sein? Die Antwort auf diese Frage kann jedoch eine ganz andere sein als auf die, ob das Denkmal bei synchroner Betrachtung, also eben in der gedanklichen Gegenwart, jetzt gerade zerstört (oder mittelbar durch jetzt geplante Handlungen gefährdet) wird. Zukunftsorientiertes denkmalpflegerisches Denken Will man eine Zukunftsperspektive in seine denkmalpflegerischen Überlegungen integrieren – und meiner Meinung nach muss man das, um eine sinnvolle, tatsächlich zukunftsorientierte und damit nachhaltige archäologische Denkmalpflege erreichen zu können – muss man an die Sache deutlich anders herangehen. Die erforderliche Änderung unseres Blickwinkels macht es natürlich erforderlich, dass man von etwas anderen Annahmen ausgeht und vor allem über die Zukunftsfrage anders nachdenkt, als bisher der Fall ist, nämlich neuerlich auf generalisierende Weise. Beginnen wir mit den erforderlichen Annahmen: Erstens: das Prinzip der „Erhaltung durch Dokumentation“ ist nicht nur eine subsidiäre, sondern tatsächlich eine alternative Möglichkeit zur „in situ-Erhaltung“, um derzeit noch vorhandene Bodendenkmale für die „Zukunft“ zu erhalten. Das bedeutet nicht, dass nicht weiterhin die Erhaltung in situ bevorzugt werden kann, wo – unter Berücksichtigung einer spezifischen Zukunftsprognose – die längerfristig (wenn auch nicht unbedingt dauerhaft) unveränderte Erhaltung des betroffenen Denkmals in situ tatsächlich gewährleistet werden kann. Wo dies aber nicht gesichert ist, d.h. kurz-, mittel- oder langfristig eine signifikante Veränderung bzw. Zerstörung des betroffenen Denkmals in situ zu erwarten ist, ist seine „Erhaltung durch Dokumentation“, d.h. seine fachgerechte Ausgrabung, als bestmögliche Erhaltungsmethode zu bevorzugen. Diese Annahme ist nicht kontroversiell: es ist schließlich genau die Annahme, die auch der Vorstellung, dass Rettungsgrabungen vor (mehr oder minder unmittelbar) bevorstehenden Baumaßnahmen tatsächlich erforderlich sind, zugrunde liegt. Das gleiche Prinzip – ein archäologisches Denkmal fachgerecht auszugraben ist besser als es ohne vorherige Ausgrabung der unbeobachteten und nicht dokumentierten Zerstörung zu überlassen – wird nur auf alle kurz-, mittel- und langfristig vorhersehbaren Zerstörungen von derzeit noch in situ erhaltenen Bodendenkmalen ausgedehnt. Zweitens: obwohl die Erhaltung von Bodendenkmalen in situ oder durch fachgerechte Dokumentation jedenfalls zu bevorzugen ist, ist jede Art von Bergung, Dokumentation und Archivierung von Bodendenkmalen – auch wenn sie unsachgemäß durchgeführt wird – immer noch eine Erhaltungsmaßnahme, die der gänzlich unbemerkten, gar nicht dokumentierten und zu keiner (Dokumentations- und/oder Fund-) Archivierung führenden und daher vollständigen Zerstörung eines archäologischen Denkmals (= archäologischer Totalschaden) zu bevorzugen ist. Kann ein Denkmal bzw. seine Bestandteile (wie z.B. bewegliche Kleinfunde) wahrscheinlich nicht durch die bevorzugten sachgemäßen Methoden langfristig oder dauerhaft erhalten werden, sind auch 166 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? unsachgemäße Erhaltungsmethoden, durch die wenigstens manche Informationen oder Bestandteile des Denkmals einer wahrscheinlich langfristigen oder dauerhaften Erhaltung zugänglich gemacht werden können, zulässig. Dies ist sowohl im derzeitigen öffentlichen Interesse, die archäologischen Denkmale möglichst dauerhaft zu erhalten, als auch im Interesse der Erforschung der Denkmale durch künftige Generationen; denn was vor dem Zeitpunkt, an dem es erforscht wird, unbemerkt zerstört wird, wird auch mit den besten zukünftigen Methoden nicht mehr erforscht werden können. Diese Vorannahme ist etwas kontroversieller als die erste; aber im Prinzip auch nicht besonders kontrovers. Es unterliegt ihr nämlich der exakt gleiche Gedanke, der der derzeitigen Sichtweise der archäologischen Denkmalpflege zugrunde liegt: was heute nicht erhalten werden wird, weil es zerstört wird, ist morgen nicht mehr da und kann daher auch morgen nicht mehr erforscht werden. Kann ein archäologisches Denkmal daher aller Wahrscheinlichkeit nach nicht sachgerecht in situ oder fachgerecht durch wissenschaftliche Dokumentation erhalten werden, ist es immer noch besser, man reißt es aus dem Boden, bevor es dort zerstört wird, weil dadurch mehr von ihm erhalten wird als von ihm in situ erhalten werden würde, wenn man es dort im Boden belassen würde, wo es gänzlich unbemerkt zerstört wird. Drittens: man kategorisiert Schaden an archäologischen Denkmalen nicht als entweder „unvermeidlich“ oder „vermeidbar“, je nachdem welche Ursache den Schaden an Denkmalen verursacht, sondern über den Grad des dadurch verursachten Informationsverlustes über eine bestimmte Zeiteinheit. Unvermeidlich ist nämlich nur solcher Schaden an einem Denkmal, der sowohl signifikant ist als auch gerade jetzt in diesem Moment, d.h. in der aktuellen Gegenwart, eintritt. Nur der Schaden, den ein archäologisches Denkmal durch die Baggerschaufel erleidet, die es gerade in diesem Moment aus dem Boden reißt, ist unvermeidlich. Bis zu diesem Moment kann der Schaden nämlich entweder – dadurch, dass man verhindert, dass das Denkmal weggebaggert wird – ganz verhindert oder wenigstens – dadurch, dass man es, bevor es weggebaggert wird, birgt, dokumentiert und archiviert – maßgeblich verringert werden. Nahezu das Gleiche gilt übrigens auch für die Zerstörung von archäologischen Denkmalen durch natürlichen Verfall: dieser Verfall ist ein zeitlicher Prozess und der dadurch entstehende Schaden kann daher, obwohl er letztendlich nicht ganz aufgehalten werden kann, durch konservatorische Maßnahmen verlangsamt und somit in Hinblick auf eine bestimmte Zukunft – z.B. in 10 Jahren, 100 Jahren, etc. – verhindert oder durch Untersuchung und Dokumentation vor dem Ende des Verfallsprozesses wenigstens verringert werden. Die zeitliche, diachrone Komponente ist also für die Bestimmung des Schadens essentiell: bevor ein Totalschaden eintritt, kann der erwartungsgemäß eintretende Schaden nahezu immer noch wenigstens verringert werden, wenn man entsprechende Gegenmaßnahmen setzt. Auch diese Annahme ist nicht wirklich kontroversiell, weil sie für alle zeitabhängigen Zerstörungsprozesse gleichermaßen gilt. Damit kommt man zu einer Perspektive, die die Berücksichtigung realistischer Zukunftsprognosen gestattet, weil eine zeitliche Komponente und damit eine diachrone Betrachtung ein notwendiges Element der angestellten Überlegungen ist. Betrachtet man dann auch noch archäologische Denkmale nicht als jeweils konkrete Objekte, sondern als eine Kategorie von (wenigstens vorerst noch unbestimmten) Objekten, folgt aus diesen Vorannahmen, dass zur Beurteilung der Frage, wie man archäologische Denkmale am besten langfristig oder dauerhaft erhält, im Grunde genommen nur zwei Faktoren eine signifikante Rolle spielen: einerseits die Verfallsgeschwindigkeit der archäologischen Denkmalsubstanz und andererseits die Wahrscheinlichkeit, dass archäologische Denkmale durch dafür geeignete Maßnahmen erhalten werden können. 167 Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege Verfallsgeschwindigkeit der Denkmalsubstanz von archäologischen Denkmalen Bei der Verfallsgeschwindigkeit der Denkmalsubstanz von archäologischen Denkmalen kann man zwischen zwei verschiedenen Arten unterscheiden, die beide in unterschiedlichem Maß signifikant für Zukunftsprognosen sind. Das ist einerseits die spezifische Verfallsgeschwindigkeit und andererseits die durchschnittliche Verfallsgeschwindigkeit der Substanz von archäologischen Denkmalen. Spezifische Verfallsgeschwindigkeit Die spezifische Verfallsgeschwindigkeit kann uns für die folgenden Überlegungen einigermaßen gleichgültig sein, denn in der Folge wollen wir uns ja mit einer Zukunftsprognose für archäologische Denkmale als Kategorie von Objekten auseinandersetzen. Dennoch sind einige kurze Bemerkungen dazu erforderlich, denn die spezifische Verfallsgeschwindigkeit ist für jeden konkreten Einzelfall natürlich von weit größerer Signifikanz als die durchschnittliche. Die spezifische Verfallsgeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit, mit der die Substanz eines ganz konkreten archäologischen Denkmals tatsächlich verfällt (bzw. in absehbarer Zeit verfallen wird), und ist daher für spezifische Zukunftsprognosen bezüglich dieses Denkmals die einzig relevante Verfallsgeschwindigkeit. Sie lässt sich allerdings nur bei der tatsächlichen Betrachtung des jeweils betroffenen, konkreten archäologischen Denkmals überhaupt bestimmen und kann noch dazu höchst variabel sein. Ein bestimmtes Denkmal kann für 1.000 Jahre weitgehend unverändert im Boden erhalten bleiben, wenn die Erhaltungsbedingungen nur günstig genug sind, und dann binnen einiger weniger Minuten vollständig zerstört werden, wenn z.B. eine Schubraupe es wegschiebt. Ebenso kann ein bestimmtes Denkmal langsam, aber dafür stetig, verfallen, z.B. weil der Pflug jedes Jahr ein paar Millimeter tiefer in es eindringt und dadurch langsam erodiert oder es sich in übersäuertem Boden durch chemische Reaktionen langsam zersetzt. Man kann die spezifische Verfallsgeschwindigkeit der Substanz eines archäologischen Denkmals in der Regel auch nur dann einigermaßen abschätzen, wenn man dafür konkrete Untersuchungen anstellt und auch das betroffene Denkmal bereits wenigstens einigermaßen kennt: wie schnell sich z.B. ein beweglicher Kleinfund in situ im Boden zersetzt, hängt sowohl von der genauen Beschaffenheit des Bodens (z.B. dessen Säuregehalt) als auch der genauen Beschaffenheit des betroffenen Objekts (z.B. seinen chemischen und physikalischen Eigenschaften) ab. Ob ein archäologisches Denkmal in 5 Minuten vom Bagger weggeschoben werden wird, hängt hingegen davon ab, wo es sich genau im Boden befindet und wo und wie genau der Bagger den Boden abschiebt. Die spezifische Verfallsgeschwindigkeit ist daher nur, aber dafür auch immer dann, von Bedeutung, wenn es die Frage zu beantworten gilt, ob ein ganz bestimmtes, bekanntes archäologisches Denkmal besser in situ im Boden belassen oder besser durch fachgerechte oder gar nur unsachgemäße Bergung aus dem Boden entnommen wird. Durchschnittliche Verfallsgeschwindigkeit Weit bedeutender für unsere folgenden Überlegungen ist die durchschnittliche Verfallsgeschwindigkeit von archäologischen Denkmalen. Eines der größten Probleme der archäologischen Denkmalpflege ist ja, dass archäologische Denkmale überall im Boden (und unter Wasser und eventuell sogar über Boden und Grund über Wasser) vorkommen können (Martin & Krautzberger 2010, 851). Bei den meisten davon wissen wir noch nicht einmal von ihrer bloßen Existenz, selbst wenn sie sich in an sich schon bekannten Fundstellen befinden, geschweige denn von ihrer konkreten Zusammensetzung, weil sie ja – eben noch unentdeckt – im Boden liegen. Es ist daher überhaupt nicht bestimmbar, wie schnell jedes einzelne davon verfällt. 168 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Was hingegen – wenigstens grob – bestimmbar ist, ist, wie rasch alle archäologischen Denkmale (eben als Kategorie von Objekten) durchschnittlich, d.h. bei statistischer Betrachtung, verfallen bzw. zerstört werden. So z.B. wurde bei Untersuchungen in Baden-Württemberg festgestellt, dass 1985 nur noch 5% aller bereits 1830 bekannten (noch obertägig erkennbaren) Bodendenkmale erhalten waren (Brunecker 2008, 16), d.h. die durchschnittliche jährliche Verfallsgeschwindigkeit ca. 2% der jeweils zu Jahresbeginn noch vorhandenen archäologischen Denkmalsubstanz betragen hat. Diese ca. 2% ergeben sich, wenn man davon ausgeht, dass die Zerstörungswahrscheinlichkeit für jedes einzelne archäologische Denkmal ungefähr gleichbleibt und daher die tatsächliche Zerstörungsgeschwindigkeit stetig sinkt (weil einfach weniger Denkmale da sind, die zerstört werden könnten). Bei angenommenen 155 Jahren und einer jährlichen Zerstörung von 1,925% des jeweils zu Jahresbeginn noch vorhandenen archäologischen Denkmalbestandes sind am Ende dieser Zeitspanne nur noch 5,01% der ursprünglich vorhandenen Denkmale vorhanden. Nimmt man hingegen eine konstante Zerstörungsgeschwindigkeit an (was bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein zu Jahresbeginn noch vorhandenes Denkmal in diesem Jahr zerstört wird, konstant ansteigt), beträgt diese jährlich zwar nur 0,6%, aber dafür eben 0,6% des ursprünglichen Gesamtbestandes. Für BadenWürttemberg würde das bedeuten, dass seit 1985 weitere 19.2% des 1830 vorhandenen Gesamtbestandes bekannter archäologischer Denkmale zerstört worden wären, d.h. etwa Ende April 1993 alle 1830 bekannten Bodendenkmale zerstört worden wären. Das ist tatsächlich wohl nicht der Fall, d.h. die erste Hochrechnung erscheint eine verlässlichere Prognose zu erlauben. Daraus lässt sich in Form einer ersten Näherung (also nicht genau, sondern nur ungefähr) ableiten, wie rasch der Gesamtbestand der archäologischen Denkmale insgesamt schrumpft, und daher eine Prognose erstellen, wie wahrscheinlich es ist, dass jedes beliebige konkrete, aber eventuell noch gänzlich unbekannte, archäologische Denkmal in einem bestimmten Zeitraum – eben z.B. von heute aus gerechnet ein Jahr in der Zukunft – zerstört werden wird. Einigermaßen gleichbleibende Verfallsgeschwindigkeit vorausgesetzt dürften daher heute in Baden-Württemberg nur noch ca. 2,7% der 1830 bekannten Bodendenkmale vorhanden, d.h. seit 1985 etwa die Hälfte der damals noch erhaltenen Bodendenkmale zerstört worden sein. Weiterhin gleichbleibende Verfallsgeschwindigkeit vorausgesetzt, lässt sich auch prognostizieren, dass ca. 2068 nur noch 1% und ca. 2184 nur noch 0,1% der 1830 bekannten Bodendenkmale vorhanden sein werden. Die Annahme einer gleichbleibenden Verfallsgeschwindigkeit ist natürlich für sich betrachtet völlig unbegründet und auch sicher nicht korrekt, weil für die Erstellung der Zukunftsprognose davon ausgegangen wird, dass sich im Vergleich mit der Vergangenheit nichts maßgeblich verändert. Das bedeutet, dass man z.B. die Auswirkung seit 1985 gesetzter denkmalpflegerischer Schutzmaßnahmen, wie die Ausweisung mancher der 1985 noch erhaltenen Bodendenkmale als Grabungsschutzgebiet, aber ebenso die zunehmende Intensivierung und Industrialisierung der Land-, Forst- und Bauwirtschaft und die zunehmende Schadstoffbelastung der Umwelt vernachlässigt. Nachdem sich die archäologische Fachwelt weitgehend einig zu sein scheint, dass die Geschwindigkeit, mit der Bodendenkmale durch äußere Schadensursachen verloren gehen, über die letzten paar Jahrzehnte massiv zugenommen hat, während für die archäologische Denkmalpflege über den gleichen Zeitraum kaum effektivere Mittel zur Verhinderung der dadurch entstehenden Schäden verfügbar geworden sind, ist die Annahme einer im Vergleich zur Vergangenheit gleichbleibenden Verfallsgeschwindigkeit eine aus denkmalpflegerischer Sicht optimistische Prognose. Die Annahme einer gleichbleibenden Verfallsgeschwindigkeit ist aber für die Erstellung einer realistischen Zukunftsprognose erforderlich: so lange man keine konkreten Hinweise darauf hat, wie sich die Verfallsgeschwindigkeit von archäologischen Denkmalen im Boden (vor allem jener, die man noch nicht einmal kennt) verändert, kann man vernünftig bei der Erstellung einer Zukunftsprognose 169 Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege nur davon ausgehen, dass sich in der absehbaren (und damit prognostizierbaren) Zukunft nichts Wesentliches ändern wird. Schließlich weiß man ja (wenigstens bislang) weder, welche Faktoren genau diese Verfallsgeschwindigkeit beeinflussen, noch ist erkennbar, dass sich an diesen noch unbekannten Faktoren irgendetwas ändern wird, das die Verfallsgeschwindigkeit entweder beschleunigen oder verlangsamen könnte. Man muss daher für seine Prognose vorerst davon ausgehen, dass sich nichts Maßgebliches verändern wird. Diese Verfallsgeschwindigkeit kann nun als Verfallswahrscheinlichkeit dargestellt und allgemein auf jedes noch unbekannte archäologische Denkmal übertragen werden. Nachdem diese überall im Boden vorkommen und daher auch jederzeit überall durch eine beliebige Schadensursache zerstört werden können, kann man davon ausgehen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass jedes beliebige konkrete archäologische Denkmal im kommenden Jahr zerstört wird, ebenfalls ca. 2% ist: die bekannten Denkmäler sind sicher eine für alle, d.h. auch die unbekannten, Denkmäler halbwegs repräsentative Stichprobe. Die kumulative Zerstörungswahrscheinlichkeit über mehrere Jahre steigt natürlich: über 10 Jahre gesehen ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein beliebiges archäologisches Denkmal in diesem Zeitraum zerstört werden wird, etwa 17,7%; über 25 Jahre ca. 38,5%; über 50 Jahre ca. 62,2%; und über 100 Jahre ca. 85,7%. Der Grad von 99,999% Zerstörungswahrscheinlichkeit wird nach ca. 510 Jahren erreicht; spätestens dann sind also praktisch alle derzeit noch in situ vorhandenen archäologischen Denkmale voraussichtlich zerstört. Zwar kann man mit dieser durchschnittlichen Verfallswahrscheinlichkeit nicht vorhersagen, wie lange ein konkretes, bekanntes archäologisches Denkmal noch erhalten bleiben wird: im konkreten Einzelfall ist schließlich nur die spezifische Verfallsgeschwindigkeit relevant. Die durchschnittliche Verfallsgeschwindigkeit verrät uns jedoch, wie wahrscheinlich es ist, dass ein beliebiges archäologisches Denkmal, das nicht aktiv vor der Zerstörung durch alle möglichen, bekannten oder unbekannten, bemerkbaren oder unbemerkbaren, vermeidbaren oder unvermeidlichen Schadensursachen geschützt wird, nach einer bestimmten Zeit noch erhalten sein wird. Damit können wir später einigermaßen verlässlich beurteilen, welche Erhaltungsmaßnahmen am besten dazu geeignet sind, um alle archäologischen Denkmale und die in ihnen gespeicherten Informationen zu schützen. Erhaltungswahrscheinlichkeit von archäologischen Denkmalen Beim zweiten für unsere Prognose relevanten Faktor, der Erhaltungswahrscheinlichkeit von archäologischen Denkmalen, lassen sich ebenfalls zwei verschiedene Arten unterscheiden, die sich ebenfalls als spezifische und als durchschnittliche Erhaltungswahrscheinlichkeit bezeichnen lassen, die strukturell den soeben beschriebenen Arten von Verfallsgeschwindigkeiten entsprechen. Die spezifische Erhaltungswahrscheinlichkeit, die wie ihr Gegenstück beim Verfall stets nur im konkreten Einzelfall bei bekannten archäologischen Denkmalen bestimmt werden kann, können wir daher an dieser Stelle ignorieren. Sie ist nur für die Beantwortung der Frage relevant, ob ein bekanntes Denkmal mit bekannter Verfallsgeschwindigkeit besser weiter in situ im Boden belassen oder ausgegraben werden soll; wobei erstere Entscheidung immer dann zu treffen ist, wenn der archäologische Informationsverlust durch in situ-Belassung geringer zu sein scheint als der archäologische Informationsverlust durch fachgerechte Ausgrabung, die zweite hingegen im umgekehrten Fall. Für unsere Zukunftsprognose ist nur die durchschnittliche Erhaltungswahrscheinlichkeit relevant, weil wir damit ja vorwiegend eine Abschätzung über die Wahrscheinlichkeit der Erhaltung noch unbekannter archäologischer Denkmale vornehmen wollen. Bei Letzterer lassen sich drei unterschiedliche Unterarten unterscheiden, die in Summe die durchschnittliche 170 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Gesamterhaltungswahrscheinlichkeit ergeben, aber unterschiedliche Qualität haben: die der unveränderten Erhaltung in situ, die der Erhaltung durch fachgerechte Dokumentation und die der Erhaltung durch unsachgemäße Bergung. Wahrscheinlichkeit der unveränderten Erhaltung in situ Die Wahrscheinlichkeit, dass die Wunsch- bzw. Idealvorstellung vieler ArchäologInnen eintritt, dass ein beliebiges archäologisches Denkmal unverändert in situ erhalten bleibt, ist leider praktisch schon mittelfristig nahezu gleich Null; insbesondere, wenn das betreffende Denkmal nicht aktiv konservatorisch gepflegt und erhalten wird oder überhaupt noch gar nicht bekannt ist. Jeweils etwa 80% der Bodenfläche Österreichs und Deutschlands werden land- und forstwirtschaftlich genutzt, bei allen darauf befindlichen archäologischen Denkmalen kann man die auch nur mittelfristige unveränderte Erhaltung in situ also gleich vergessen. Auf praktisch allen anderen Flächen schaut es nicht viel besser aus; vielleicht abgesehen von der Wiese im Stadtpark, wo die schwerwiegendsten bodenverändernden Handlungen das gelegentliche Pflanzen von ein paar Blumenzwiebeln durch den Stadtgärtner samt sparsamer Verwendung von extraschonendem Düngemittel sind und ansonsten nur Regenwürmer und die allgemeine Umweltverschmutzung Schäden an dort vorkommenden archäologischen Denkmalen anrichten können. Anders gesagt: damit archäologische Denkmale tatsächlich auch nur mittelfristig unverändert in situ erhalten bleiben, braucht es außergewöhnlich gute Erhaltungsbedingungen, die nur selten abseits aktiv konservatorisch (oder gärtnerisch) gepflegter Flächen tatsächlich vorkommen. Selbstverständlich werden denkmalpflegerisch kurzfristig gesehen – also z.B. über den Verlauf des nächsten Jahres – viele archäologische Denkmale weitgehend unverändert erhalten bleiben, d.h. ohne dass durch Substanzverlust signifikanter Schaden an der in ihnen gespeicherten Information entsteht, weil selbst Bodeneingriffe durch den Pflug oder Grubber, wenn der Bauer diese nur auf etwa dieselbe Tiefe einstellt wie jedes Jahr, allfällig im Boden vorkommende Denkmale nur ein wenig und nicht gleich vollständig zerstören. Dennoch erodiert dadurch das Denkmal und werden jedes Jahr auch nur ein paar Millimeter des archäologischen Denkmals abgetragen, kann bereits nach wenigen Jahren ein signifikanter Anteil der zuvor noch erhaltenen Denkmalsubstanz verloren sein. Bereits aus denkmalpflegerischer Sicht mittelfristig – also z.B. über den Verlauf der nächsten 25 oder 50 Jahre – ist es hingegen sehr unwahrscheinlich, dass ein beliebiges Denkmal tatsächlich unverändert in situ erhalten bleibt. Nachdem die Erosion archäologischer Denkmalsubstanz im Erdboden in der Regel von oben (d.h. nahe zur heutigen Erdoberfläche) nach unten (d.h. ferner von der heutigen Erdoberfläche) voranschreitet und seichte Befunde außer in historisch gewachsenen Ballungszentren statistisch gesehen deutlich häufiger sind als tiefere, ist auf den meisten archäologischen Fundstellen damit zu rechnen, dass der Großteil des signifikanten archäologischen Informationsverlusts vergleichsweise gegenwartsnah stattfinden wird; und zwar selbst dort, wo durchschnittlich tiefere Befundtypen wie z.B. Vorratsgruben potentiell noch über mehrere Jahrhunderte und außergewöhnlich tiefe wie z.B. Brunnenschächte sogar über mehrere Jahrtausende erhalten bleiben könnten. Gerade die seichten Befunde geben nämlich oft tieferen Befunden erst deren weiteren Kontext und gestatten damit überhaupt erst wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, die über die bloße Feststellung hinausgehen, dass an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit vermutlich eine bestimmte Art von menschlichem Kulturschaffen stattgefunden hat, z.B. sich eine Siedlung befunden hat. Die maßgeblichste Veränderung einer Fundstelle in situ findet also statt, wenn die seichten Befunde erodiert werden, nicht erst wenn die letzten Reste tieferer Befunde im Boden zerstört werden. 171 Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege Dass sich archäologische Denkmale langfristig – also über den Verlauf der nächsten Jahrhunderte – unverändert in situ erhalten, scheidet hingegen schon aufgrund der schon oben dargestellten durchschnittlichen Verfallsgeschwindigkeit von Bodendenkmalen weitgehend aus. 90% Verlustrate erreicht man auf Basis der oben genannten, baden-württembergischen Daten nach ungefähr 120 Jahren; wobei wie gerade erläutert die überwältigende Mehrheit dieses Verlustes die für die wissenschaftliche Aussagekraft archäologischer Denkmale besonders wichtigen seichten Befunde betrifft. Man muss daher davon ausgehen, dass in ca. 100 Jahren die Substanz der meisten archäologischen Denkmale so sehr verändert oder sogar völlig zerstört wurde, dass nahezu die gesamte derzeit in noch erhaltenen Denkmalen gespeicherte archäologische Information verloren gegangen sein wird. Ausgenommen davon sind voraussichtlich nur Denkmale mit ganz exzeptionellen Erhaltungsbedingungen, wie z.B. die prähistorischen Bergbauten im Salzberg von Hallstatt in Oberösterreich sowie besonders geschützte archäologische Denkmale; d.h. in der Praxis solche, die tatsächlich wenigstens Großteils oder vollständig von der gegenwärtigen und zukünftigen menschlichen Nutzung ausgenommen sind und aktiv konservatorisch gepflegt werden. Erhaltungswahrscheinlichkeit durch fachgerechte Dokumentation Etwas besser als die Erhaltungswahrscheinlichkeit in situ ist die durch fachgerechte Dokumentation. Im Gegensatz zur Erhaltung in situ hat Letztere schon allein den Vorteil, dass dadurch, dass die gewonnenen Informationen und wenigstens manche der dabei geborgenen beweglichen Bestandteile der Denkmalsubstanz (z.B. Kleinfunde und Proben) in dafür vorgesehenen und wenigstens auch teilweise konservatorisch gepflegten Archiven (aber siehe zu damit verbundenen Problemen schon Karl 2015; 2016c) verwahrt, aktiv geschützt und wenigstens teilweise auch wissenschaftlich publiziert werden, die dokumentierten archäologischen Denkmale nur noch weit schwerer vollkommen unbemerkt zerstört werden können. Daher ist die langfristige und eventuell sogar dauerhafte Erhaltung fachgerecht ausgegrabener, dokumentierter, archivierter und teilweise sogar publizierter, Denkmale jedenfalls weit wahrscheinlicher als die, dass in situ belassene Denkmale auch noch z.B. in 200, 500 oder gar 1.000 Jahren künftigen Generationen zur Erforschung zur Verfügung stehen werden. Dennoch ist auch die Erhaltungswahrscheinlichkeit durch fachgerechte Dokumentation, insbesondere im Vergleich mit der Zerstörungsrate von archäologischen Denkmalen in situ aufgrund der oben erläuterten durchschnittlichen Verfallsgeschwindigkeit, sehr gering. Betrachtet man dazu verfügbare empirische Daten, z.B. für Österreich, ergibt sich, dass pro Jahr weniger als 1% aller zum jeweiligen Jahresbeginn bekannten, noch in situ erhaltenen archäologischen Denkmale teilweise, wenn auch nur in den seltensten Fällen vollständig, durch fachgerechte archäologische Ausgrabungen untersucht und die dabei gewonnenen Informationen und beweglichen Bestandteile der Denkmalsubstanz dokumentiert und archiviert werden. Wie schon mehrfach erwähnt befinden sich derzeit etwa 52.000 bekannte Fundplätze in der Fundstellendatenbank des BDA (pers. Mitt. C. Mayer; J. Coolen; vgl. auch Farka 2008, 10; aber siehe die nun vom BDA genannten nur 19.550 Fundstellen, Picker et al. 2016, 285). Im letzten Jahresbericht des BDA, in dem noch die Anzahl der Grabungen separat ausgewiesen wurde und nicht nur Grabungen und Prospektionsmaßnahmen summarisch, dem für das Jahr 2009, werden insgesamt 304 Grabungen bzw. Baustellenbeobachtungen ausgewiesen (Hebert & Hofer 2009, 11 Abb. 2), was auch ungefähr den Zahlen der vorhergehenden Jahre entspricht. Für das Jahr 2014, dem jüngsten mir verfügbaren Band der FÖ, werden hingegen in Summe 625 amtswegige und bewilligungspflichtige Grabungen und Prospektionsmaßnahmen ausgewiesen (Hebert & Hofer 2014, 13 Abb. 2). Man kann daher davon ausgehen, dass in Österreich über die letzten etwa 10 Jahre durchschnittlich jährlich weniger als die ca. 520 Grabungen durchgeführt wurden, die erforderlich wären, um jährlich auch nur 1% der bekannten Fundstellen auch nur teilweise durch fachgerechte Dokumentation und Archivierung 172 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? erhalten zu können. Der Anteil aller, inklusive der derzeit noch unbekannten (wie oben geschätzt ca. 700.000), derzeit noch in situ vorhandenen archäologischen Denkmale, die durch fachgerechte Dokumentation ganz oder wenigstens teilweise erhalten werden, ist selbstverständlich noch bedeutend geringer, wohl (deutlich) weniger als 0,1%. Im Gegensatz zur Erhaltung in situ hat die Erhaltung durch fachgerechte Dokumentation den zusätzlichen Vorteil, dass man die Wahrscheinlichkeit, dass derzeit noch vorhandene archäologische Denkmale tatsächlich (wenigstens teilweise) erhalten werden, einigermaßen aktiv steuern kann. Führt man nämlich mehr fachgerechte archäologische Ausgrabungen durch, dann steigt auch diese Unterart der Erhaltungswahrscheinlichkeit gleichermaßen stark an. Die Anzahl der fachgerechten Ausgrabungen zu erhöhen ist zwar (auch und eventuell sogar primär) eine Ressourcenfrage, aber im Gegensatz zur aktiven Erhaltung von Denkmalen in situ – d.h. wenn man tatsächlich die in situ zu erhaltenden archäologischen Denkmale aus der derzeitigen und zukünftigen menschlichen Nutzung ausgliedert und sie konservatorisch pflegt und nicht nur auf dem Papier unter Schutz stellt und in situ bloß belässt – wenigstens langfristig gesehen vermutlich weit weniger kostenintensiv. Dies hat zusätzlich den Vorteil, dass man die bei den Ausgrabungen gewonnene archäologische Information nicht nur tatsächlich nutzen, sondern sicherlich weit längerfristig, wenn nicht sogar dauerhaft, erhalten kann, statt den unaufhaltsamen Zerfall der Denkmalsubstanz in situ nur verlangsamen, aber letztendlich dennoch nicht dauerhaft verhindern zu können. Erhaltungswahrscheinlichkeit durch unsachgemäße Bergung Die Erhaltung von archäologischen Denkmalen durch unsachgemäße Bergung ist aus archäologischer Sicht selbstverständlich nicht besonders wünschenswert, weil dabei oft ein bedeutender Anteil der in den betroffenen Denkmalen gespeicherten archäologischen Informationen tatsächlich verloren geht und jedenfalls verloren gehen könnte. Darüber hinaus unterliegt die Erhaltung durch unsachgemäße Bergung einer Reihe von „Filtern“, die dazu führen, dass unterschiedliche Arten von archäologischer Information mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit erhalten werden. Die überwiegende Mehrheit aller unsachgemäßen Bergungen wird nämlich wenigstens derzeit durch BürgerInnen durchgeführt, die (zumeist mit Metalldetektoren) gezielt nach ganz bestimmten archäologischen Denkmalen, nämlich nach beweglichen metallischen Kleinfunden suchen und daher häufig auch nur diese überhaupt bergen, während sie alle anderen Denkmale (wie z.B. Befunde und bewegliche Kleinfunde aus anderen Materialien) entweder direkt in situ zerstören oder nach ihrer Entdeckung am ungefähren Fundort, aber meist auf der Erdoberfläche zurücklassen und somit verstärkter Zerstörungsgefahr aussetzen. Auch lässt ihre Dokumentation der genauen Fundumstände oft zu wünschen übrig, d.h. die Kontexte entdeckter Fundgegenstände werden normalerweise weder beobachtet, noch in geeigneter Form aufgezeichnet, noch archiviert; wodurch die archäologisch besonders wichtigen Kontextinformationen gewöhnlich verloren gehen. Auch archivieren die Finder die von ihnen geborgenen Denkmale in der Regel nicht systematisch und stellen gewöhnlich auch nicht deren langfristige oder gar dauerhafte Archivierung sicher. Folge davon ist, dass ebenfalls archäologisch relevante Informationen wie z.B. zum genauen Herkunftsort konkreter Fundgegenstände entweder überhaupt nicht notiert werden oder schon nach vergleichsweise kurzer Zeit diesen nicht mehr zuordenbar sind. Darüber hinaus werden viele von solchen Findern angelegte Privatsammlungen oft spätestens von deren Erben, die „das alte Zeug vom Opa“ nicht interessiert, möglichst gewinnbringend oder wenigstens möglichst kostensparend entsorgt und damit ebenfalls meist der Zerstörung zugeführt. Noch dazu ist diese Unterart der Entdeckungswahrscheinlichkeit auch hoch variabel: so neigen z.B. viele Suchende dazu, sich auf bereits bekannte „erfolgversprechende“ Fundstellen zu konzentrieren und die dazwischenliegenden Bodenflächen, auf denen die Fundhäufigkeit geringer ist, nicht weiter 173 Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege zu beachten; was zwar die Entdeckungswahrscheinlichkeit von beweglichen Kleinfunden auf diesen Fundstellen, nicht jedoch die Entdeckungswahrscheinlichkeit bislang noch unbekannter Fundstellen erhöht (auch wenn z.B. in Lincolnshire [GB] 80% aller von Metallsuchern gemeldeten Funde von zuvor den Denkmalbehörden unbekannten Fundstellen stammen; Daubney 2016, 100). Auch sind sie räumlich keineswegs unbedingt gleichmäßig verteilt, sondern es gibt Regionen mit Konzentrationen solcher Personen, während in anderen Regionen nur wenige oder sogar praktisch keine tätig sind. Schließlich variiert auch die Gesamtzahl der derart nach archäologischen Denkmalen suchenden Personen über die Zeit; wobei seit dem Aufkommen der Metallsuche in den späten 1960ern allerdings ein einigermaßen konstanter Anstieg dieser Personengruppe und damit auch der Entdeckungswahrscheinlichkeit zu attestieren ist (siehe dazu schon Seiten 114-118). Wie hoch die durchschnittliche Entdeckungswahrscheinlichkeit dieser Unterart ist, ist daher nur sehr schwer zu bestimmen; vor allem im deutschen Sprachraum, in dem die archäologische Fachwelt und die Denkmalämter solchen unsachgemäßen Entdeckungsversuchen bisher sehr negativ gegenübergestanden sind und daher die gezielte Nachforschung mit dem Zweck der Bergung von archäologischen Funden aus dem Boden überall der Eingangs diskutierten strengen Genehmigungspflicht zu unterwerfen versucht haben; auch wenn das wohl – wie ebenfalls weiter oben (Seiten 17-26) gezeigt – rechtswidrig war und ist. Das führte und führt dazu, dass Laien, die dies ohne die erforderliche Genehmigung dennoch versuchen – und das ist die große Mehrheit der derart Nachforschenden (Karl & Möller 2016) – dies vor den zuständigen Behörden möglichst geheim halten und daher keine verlässlichen Zahlen darüber verfügbar sind, wie viel auf diese Weise unsachgemäß geborgen, dokumentiert und archiviert wurde und wird. Aus dem Fehlen verlässlicher Daten zur Häufigkeit derartiger Entdeckungen folgt wiederum, dass man auch keine durchschnittliche Erhaltungswahrscheinlichkeit durch unsachgemäße Bergung bestimmen kann. Der Blick in andere Länder, in denen anders mit Entdeckungen dieser Art umgegangen wird, wie z.B. England und Wales (z.B. Huth 2013; Murgia et al. 2014; Lewis 2016a; Ferguson 2016) oder Dänemark (Dobat & Jensen 2016), zeigt allerdings, dass auf diese Art zwar nicht unbeträchtliche Mengen an beweglichen Kleinfunden geborgen, dokumentiert und archiviert werden, die durchschnittliche Erhaltungswahrscheinlichkeit aber dennoch ebenfalls nur sehr gering ist. Zwar hat das Portable Antiquities Scheme (PAS) in England und Wales z.B. 2015 insgesamt 82.272 Funde aufgenommen (Lewis 2015, 35; 2016, 131) und vermutlich etwa 10 Mal so viele vorgelegt bekommen (pers. Mitt. P. Reavill, PAS FLO), eine zweifellos eindrucksvolle Zahl. Bedenkt man jedoch, dass vermutet wird, dass sich im Boden von England und Wales allein über eine Million größerer archäologischer Fundstellen und in jeder davon durchschnittlich tausende, wenn nicht sogar zehntausende bewegliche Kleinfunde befinden, sowie wohl auch noch zahllose Einzelfunde dazwischen existieren, wird klar, dass man in diesem Raum wenigstens mit vielen Milliarden, wenn nicht sogar über einer Billion noch im Boden erhaltenen Kleinfunden rechnen muss. Von diesen werden also jährlich gerade einmal vielleicht 0,01% geborgen und erhalten und nur ca. 0,001% in die PAS-Datenbank aufgenommen. Die Erhaltungswahrscheinlichkeit durch unsachgemäße Bergung ist also selbst in Ländern, die wohlentwickelte, öffentlich finanzierte Systeme für die Dokumentation und Archivierung derart geborgener Bodenfunde haben, verschwindend gering. In Österreich und Deutschland, wo solche Dokumentations- und Archivierungssysteme noch weitgehend fehlen und höchstens die Funde von den etwas über 3.000 ehrenamtlichen Bodendenkmalpflegern (Karl & Möller 2016, 216) in Deutschland den Behörden vorgelegt, von diesen aber nicht systematisch archiviert und veröffentlicht werden, ist sie also noch viel geringer. 174 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Durchschnittliche Erhaltungswahrscheinlichkeit durch alle diese Erhaltungsmöglichkeiten Aus dem Gesagten lässt sich ableiten, dass die durchschnittliche Erhaltungswahrscheinlichkeit von derzeit noch in situ vorhandenen archäologischen Denkmalen auch in Summe verschwindend gering ist. Zwar ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese wenigstens Großteils unverändert in situ erhalten werden, bei – in denkmalpflegerischen Dimensionen denkend – kurzfristiger Betrachtung, also etwa über die nächsten paar Jahre bis zu etwa einem Jahrzehnt oder ein wenig mehr, durchaus nicht gering. Sie bricht aber bereits bei mittelfristiger Betrachtung, also über die nächsten paar Jahrzehnte bis zu etwa in einem Jahrhundert gesehen, dramatisch weg, so sehr, dass sie bereits in etwa 50 Jahren, spätestens aber in 100 Jahren, als praktisch irrelevant zu betrachten ist; sofern das jeweils konkret betroffene archäologische Denkmal nicht aus dem jeweils gegenwärtigen Gebrauch genommen und durch gezielte Konservierungsmaßnahmen aktiv gepflegt wird. Zeitlich darüber hinausblickend ist die Erhaltungswahrscheinlichkeit in situ außer in außergewöhnlichen Ausnahmefällen und bei aktiv konservierten archäologischen Denkmalen praktisch gleich Null. Das ist insbesondere deshalb signifikant, weil die Belassung eines archäologischen Denkmals in situ ohne Untersuchung durch archäologische Ausgrabungen das Denkmal langfristig gesehen überhaupt nicht erhält, sondern vielmehr nur zu seiner jeweils gegenwärtig unbemerkten Zerstörung führt. Diese Zerstörung mag ein recht langsamer Prozess sein; aber will man das archäologische Denkmal über seine „natürliche Lebensdauer“ hinaus erhalten und die in seiner Substanz gespeicherten archäologischen Informationen den derzeitigen oder auch nur zukünftigen Generationen von Forschern zur Untersuchung mit deren jeweiligen Methoden zugänglich machen, dann muss man es – ob nun früher oder später, aber jedenfalls bevor es gänzlich zerstört ist – irgendwann einmal archäologisch untersuchen (siehe dazu auch Hebert 2018). Die durchschnittliche Erhaltungswahrscheinlichkeit durch fachgerechte oder unsachgemäße Bergung, Dokumentation und Archivierung hingegen ist kurz-, mittel- und langfristig verschwindend gering. Pro Jahr werden derzeit nur etwa 0,1% aller zu Beginn des jeweiligen Jahres erhaltenen archäologischen Denkmale auf eine dieser Arten erhalten, wobei die überwiegende Mehrheit davon wiederum auf die Erhaltung durch fachgerechte Ausgrabung, Dokumentation und Archivierung entfallen dürfte. Langfristig gesehen wird die Erhaltungswahrscheinlichkeit, ganz vergleichbar zur Verfallsgeschwindigkeit, stetig abnehmen; einerseits, weil immer weniger der derzeit noch in situ befindlichen archäologischen Denkmale vorhanden sein werden und daher die Chance diese, ob nun zufällig oder vorsätzlich, zu entdecken abnimmt; und andererseits, weil natürlich weiterhin neue archäologische Denkmale – z.B. solche aus unserer Gegenwart – entstehen, die für die zukünftige archäologische Forschung ebenfalls von Interesse sein werden und daher ein Teil der für die praktische archäologischen Denkmalpflege im Feld verfügbaren Ressourcen zu deren Erhaltung und Erforschung verwendet werden wird müssen. Eine Zukunftsprognose für die archäologische Denkmalpflege Nachdem wir somit die durchschnittliche Verfallsgeschwindigkeit und Erhaltungswahrscheinlichkeit von derzeit noch in situ befindlichen archäologischen Denkmalen, zwar nicht exakt aber doch ausreichend genau, bestimmt haben, können wir eine realistische Prognose über deren wahrscheinliches Schicksal erstellen und uns damit die Grundlage eines tatsächlich zukunftsorientierten archäologischen denkmalpflegerischen Denkens schaffen. Dafür gehen wir von einer Grundgesamtheit unbekannter numerischer Größe von derzeit noch in situ befindlichen archäologischen Denkmalen aus, die derzeit prozentuell ausgedrückt zu 100% erhalten ist (= derzeitiger Ist-Zustand). Diese Grundgesamtheit wird durch die dauernd mit durchschnittlicher Verfallsgeschwindigkeit voranschreitende Zerstörung bekannter und noch unbekannter, derzeit noch 175 Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege in situ befindlicher archäologischer Denkmale stetig reduziert. Zwar ist diese durchschnittliche Verfallsgeschwindigkeit nicht genau bekannt und auch nicht ohne umfassende Untersuchungen exakt bestimmbar, wir können aber davon ausgehen, dass sie etwa dem entspricht, was wir oben (Seiten 168-170) bereits festgestellt haben, d.h. etwa 2% der jeweils zu Jahresbeginn noch in situ befindlichen archäologischen Denkmale pro Jahr. Gleichzeitig werden derzeit noch in situ befindliche archäologische Denkmale durch Bergung, Dokumentation und Archivierung, ob sie nun fachgerecht oder unsachgemäß erfolgt, teilweise oder vollständig in situ zerstört, aber dadurch die in ihnen enthaltene archäologische Information neuerlich teilweise oder vollständig langfristig oder sogar dauerhaft erhalten. Auch die durchschnittliche Erhaltungswahrscheinlichkeit ist nicht genau bekannt und lässt sich nicht exakt bestimmen, wir können aber auch diesbezüglich davon ausgehen, dass sie etwa dem entspricht, was wir zuletzt festgestellt haben, d.h. maximal 0,1% der jeweils zu Jahresbeginn noch in situ vorhandenen archäologischen Denkmale pro Jahr. Dabei wird die überwiegende Mehrheit der Informationserhaltung, aber auch die überwiegende Mehrheit des erzeugten Schadens, durch fachgerechte archäologische Dokumentation, nur eine geringe Minderheit hingegen durch unsachgemäße Bergung, verursacht. 100% 80% 60% 40% 20% 0% 0 50 100 150 200 250 In situ noch vorhanden 300 350 400 450 500 Durch Dokumentation erhalten Abb. 10: Hochrechnung der mutmaßlichen Zerstörungs- und Erhaltungsquote unter Annahme gleichbleibender Verhältnisse wie derzeit. Damit lässt sich auch rechnerisch bestimmen, welcher Anteil der derzeit noch in situ vorhandenen, ob nun bekannten oder unbekannten, archäologischen Denkmale über welche Zeitspanne voraussichtlich in situ zerstört (und somit jedenfalls auch signifikant verändert) und welcher Anteil davon durch fachgerechte oder unsachgemäße Bergung, Dokumentation und Archivierung, wenigstens teilweise oder sogar weitgehend vollständig, langfristig oder dauerhaft erhalten bleiben werden wird. Abb. 10 zeigt die Entwicklung von Zerstörungs- und Erhaltungsquote, hochgerechnet über die nächsten 500 Jahre. Diese Hochrechnung zeigt, dass etwa 100 Jahre von heute vermutlich nur noch ca. 15% der derzeit noch in situ befindlichen archäologischen Denkmale in situ vorhanden sein werden, während ca. 4,5% der bis dahin in situ zerstörten archäologischen Denkmale durch Dokumentation und Archivierung erhalten worden sein werden. Etwa 200 Jahre von heute werden hingegen vermutlich nur noch ca. 2% der derzeit noch im Boden befindlichen Denkmale in situ vorhanden, etwa 5,1% der bis dahin in 176 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? situ zerstörten hingegen durch Dokumentation erhalten worden sein. In 500 Jahren sind schließlich so gut wie keine (0,01%) aller derzeit noch in situ befindlichen Denkmale ebendort vorhanden, durch Dokumentation und Archivierung aber – über die vorhergehenden 250 Jahre praktisch unverändert – nur 5,2% der 99,99% in situ zerstörter archäologischer Denkmale erhalten worden. Für die archäologische Denkmalpflege bedeutet das also, dass der für die Erhaltung der derzeit noch in situ vorhandenen archäologischen Denkmale relevante Zeitraum von heute ab gerechnet ca. 200 Jahre beträgt: derzeit noch in situ vorhandene Denkmale, die bis dahin nicht durch „künftige Generationen“ mit deren mutmaßlich besseren Methoden erforscht und fachgerecht oder unsachgemäß geborgen, dokumentiert und archiviert wurden, werden aller Wahrscheinlichkeit nach unbeobachtet verloren gegangen und daher jedwede in diesen derzeit noch erhaltene archäologische Information vollständig zerstört worden sein. Als Prozentwert angegeben sind es unter den derzeit bestehenden Voraussetzungen über die nächsten 200 Jahre also etwa 93% aller derzeit noch in situ vorhandenen archäologischen Denkmale, die einer solchen unbemerkten Zerstörung anheimfallen werden, in 500 Jahren werden es hingegen etwa 94.8% aller derzeit noch im Boden befindlichen Denkmale sein, die zwar in situ belassen, aber überhaupt nicht erhalten wurden. Dem stehen nach 500 Jahren ca. 5.2% durch Dokumentation und Archivierung erhaltene archäologische Denkmale gegenüber, das Verhältnis von Erhaltung zu Zerstörung ist also etwa 1:19. Vergangene und zukünftige Methodenentwicklung Aus dem soeben Gesagten ergibt sich, dass – unter Annahme gleichbleibender Voraussetzungen – auch der für die „künftige Methodenentwicklung“ relevante Zeitraum maximal etwa 200 Jahre beträgt. Realistischer gesehen sind es sogar vermutlich nur noch etwa 100 Jahre, die dafür zur Verfügung stehen, weil schließlich schon nach Ablauf dieser Zeit mehr als vier Fünftel aller derzeit noch in situ vorhandenen Quellen verloren gegangen sein werden. Das bedeutet – nachdem die archäologische Erosion ja wie bereits erwähnt vorwiegend von oben nach unten verläuft und daher zuerst die häufigeren seichten Befunde zerstört – dass schon in etwa 100 Jahren kaum noch wirklich aussagekräftige, komplexere Befundzusammenhänge erhalten sein werden und daher auch der Großteil der heute noch vorhandenen, wissenschaftlich auswertbaren, Information bereits gänzlich verloren sein wird. Was nicht mehr da ist, wird man wohl auch mit den besten zukünftigen Methoden nicht mehr wissenschaftlich erforschen können. Betrachtet man nun, um auch hierfür eine Vergleichsbasis zu gewinnen, die archäologische Methodenentwicklung der letzten ca. 100 Jahre, zeigt sich, dass zwar über diesen Zeitraum zahlreiche nützliche neue Methoden entwickelt wurden, wie z.B. diverse Absolutdatierungsmethoden, verschiedenste andere naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden wie z.B. (andere Arten von) Isotopenanalysen, und vor allem auch weitgehend zerstörungsfreie Prospektionsmethoden, mittels derer ein grobes Bild archäologischer Befunde im Boden erzeugt werden kann, ohne durch Ausgrabungen in diesen eingreifen zu müssen. Dennoch, um den letztendlich trotzdem für die meisten archäologisch-wissenschaftlichen Aussagen essentiellen „Fund in seinem Befundkontext“ bzw. „Befund in seinem weiteren Befundkontext“ gewinnen zu können, muss man sie immer noch – und aller Wahrscheinlichkeit auch zukünftig noch – ausgraben, d.h. mit invasiven Methoden untersuchen. Gerade im Bereich der archäologischen Grabungstechnik hat es jedoch in den letzten ca. 100 Jahren nur sehr wenig Entwicklung gegeben: die derzeit in der Archäologie nahezu universell als „Stand der archäologischen Technik“ betrachtete sogenannte Schichtgrabungsmethode, d.h. die Ausgrabung in natürlichen Schichten in umgekehrter Reihenfolge ihrer Ablagerung, wurde in ihren Grundzügen von Augustus H.L.F. Pitt-Rivers (1887; 1888; 1892; 1898) in Ableitung aus der geologischen Stratifikationstheorie von William Smith entwickelt (Wheeler 1954, 41), wobei Mortimer Wheeler die erste Beobachtung archäologischer Stratifikation 177 Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege zeitlich schon im Jahr 1784 verortet und niemand geringerem als Thomas Jefferson zuschreibt (Wheeler 1954, 42). Moderne Beschreibungen (z.B. Gersbach 1998, 32-9; Roskams 2001, 110-8) und die gegenwärtige Anwendung der Methode unterscheiden sich nicht wesentlich z.B. von ihrer Beschreibung (Wheeler 1954, 40-61) und Anwendung vor etwa 50 oder auch 100 Jahren. Das ist wenigstens dann so, wenn man einmal davon absieht, dass manche deutsche Denkmalämter immer noch Grabungen in der schon 1954 von Wheeler als „Parodie wissenschaftlicher Methodik“ (Wheeler 1954, 53) kritisierten sogenannten Abstichgrabungs- oder Planumsmethode (Gersbach 1998, 29-31), d.h. die Ausgrabung in willkürlich angelegten horizontalen Schichten, bei denen Funde ihren jeweiligen Fundkontexten nur bedingt zugeordnet werden können und oftmals ganze seichtere Befunde komplett zerstört werden, weil sie sich zufällig im Boden zwischen den künstlich angelegten Niveaus befunden haben, nicht nur zulassen, sondern auch selbst durchführen. Wahrlich: „Yet, for all the absurdity of the datum-line system just described, the substitution of socalled ‘levels’ – whether abstract building levels or purely arbitrary depth-lines – for factual stratification dies hard” (Wheeler 1954, 53). Zwar hat es durchaus die eine oder andere nicht unbedeutende Entwicklung im Bereich der Grabungsdokumentation gegeben, nicht zuletzt dadurch, dass die Fotografie weiter zugänglich wurde – heute durch SFM-Modellierungsmöglichkeiten verstärkt – und auch bessere Aufzeichnungs- und Visualisierungssysteme von stratigrafischen Verhältnissen wie die sogenannte Harris-Matrix (Harris 1989) entwickelt wurden. Man dokumentiert heute vielleicht mehr, genauer und mit etwas besseren Dokumentationsmethoden und -mitteln, aber ausgraben tut man immer noch sehr ähnlich und man zeichnet auch im Wesentlichen immer noch die gleichen Informationen auf. Natürlich wäre es uns heute oft lieber, wenn unsere fachlichen Ahnen bei ihren Grabungen mehr und besser dokumentiert und auch mehr Proben genommen und weniger früher als unwichtig betrachtete Gattungen von Funden weggeworfen hätten, die wir heute gern mit unseren besseren, neueren Methoden untersuchen würden, um mehr Erkenntnisse aus den damals gewonnenen Daten gewinnen zu können. Dennoch: in Anbetracht der letzten 100 Jahre Methodenentwicklung ist es nicht besonders wahrscheinlich, dass in den nächsten 100 Jahren wirklich derart bahnbrechende neue Methoden entwickelt werden würden, dass deren Anwendung auf die noch in situ vorhandenen archäologischen Denkmale wirklich so maßgebliche neue Erkenntnisse versprechen würden, dass man deswegen archäologische Untersuchungen möglichst unterbinden oder unterlassen sollte, weil trotz aller dabei gewonnenen Informationen dennoch Schaden an den untersuchten Denkmalen entsteht. Das gilt umso mehr, als die Wahrscheinlichkeit, dass das betreffende Denkmal, wenn es nicht heute untersucht, sondern in situ belassen wird, in 100 Jahren, wenn uns vielleicht eine tatsächlich bessere Methode zu seiner Untersuchung zur Verfügung steht, noch tatsächlich in – im Vergleich zu heute – im Wesentlichen „unverändertem“ Zustand erhalten ist, nicht einmal 15% beträgt. Selbstverständlich lässt sich die zukünftige Methodenentwicklung nicht vorhersagen und es könnte daher theoretisch sein, dass schon in 5 Jahren eine bisher noch nicht einmal angedachte neue Methode überall voll entwickelt und nahezu kostenfrei zur Verfügung steht, mit der man aus den dann noch erhaltenen archäologischen Denkmalen bisher unvorstellbare Erkenntnisse gewinnen kann. Aber wahrscheinlich ist das nicht. Das genaue Gegenteil kann wenigstens genauso gut der Fall sein und uns auch in 500 Jahren immer noch bloß die im Wesentlichen gleichen Methoden wie heute zur Verfügung stehen. Sich auf erhoffte zukünftige Methoden zu verlassen, mit denen man alles was man heute könnte und noch viel mehr viel besser können wird als heute, von denen man aber noch nicht einmal weiß, ob es sie geben wird, ist unvernünftig; vor allem, wenn die Quellenbasis, die man mit 178 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? diesen hypothetischen künftigen Methoden erforschen möchte, mit Sicherheit mit einer solchen Geschwindigkeit verfällt, dass in 100 Jahren nur noch weniger als 15% und in 200 Jahren kaum mehr als 2% der heute noch in situ befindlichen archäologischen Denkmale vorhanden sein werden. Ein anderer Umgang mit archäologischen Denkmalen und seine Konsequenzen Was nun, wenn wir, statt archäologische Denkmale wie bisher vorzugsweise nicht auszugraben, sondern in situ zu belassen, bei allen bereits bekannten und noch unbekannten, derzeit noch in situ vorhandenen archäologischen Denkmalen (die wir nicht mit Sicherheit durch aktive Pflege tatsächlich vor anderen Gefahren als Ausgrabungen vollständig schützen können) alle Vorsicht in den Wind schlagen und alle so rasch wir nur könnten ausgraben würden? Was wären die prognostizierbaren Folgen für die zukünftige Erhaltung der derzeit noch in situ befindlichen archäologischen Denkmale? 100% Bei derzeitiger Verfallsgeschwindigkeit in situ noch vorhanden 80% Bei derzeitiger Grabungsmenge durch Dokumentation erhalten 60% 40% Bei beschleunigter Verfallsgeschwindigkeit in situ noch vorhanden 20% Bei verzehnfachter Grabungsmenge durch Dokumentation erhalten 0% 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 Abb. 11: Hochrechnung der mutmaßlichen Zerstörungs- und Erhaltungsquote bei Verzehnfachung der durchgeführten archäologischen Ausgrabungen im Vergleich mit deren Entwicklung unter Annahme gleichbleibender Verhältnisse wie derzeit. Auch das kann man sich ausrechnen: Gräbt man zehnmal so viele archäologische Denkmale pro Jahr aus wie derzeit, steigt die jährliche Verlustrate von Denkmalen in situ von derzeit ca. 2% auf dann ca. 2.9% an. Derzeit werden ja jährlich geschätzt ca. 0,1% aller zum jeweiligen Jahresbeginn noch vorhandenen archäologischen Denkmale durch Ausgrabungen zerstört, eine Verzehnfachung davon steigert also die jährliche in situ-Verlustrate im Vergleich zur derzeitigen um 0,9%. Die Anzahl der jährlich wenigstens teilweise oder sogar vollständig durch Dokumentation erhaltenen, zuvor in situ in den Denkmalen gespeicherten, archäologischen Informationen, steigt dagegen auf 1% der jeweils zu Jahresbeginn noch in situ vorhandenen archäologischen Denkmale an. Abb. 11 zeigt die dadurch zu erwartende Entwicklung von Zerstörungs- und Erhaltungsquote, hochgerechnet über die nächsten 200 Jahre, im Vergleich mit der Entwicklung beider dieser Quoten unter derzeitigen Voraussetzungen. Diese Hochrechnung zeigt, dass sich bei Verzehnfachung der Anzahl von Ausgrabungen etwa 100 Jahre von heute vermutlich nur noch ca. 6% der derzeit noch in situ vorhandenen archäologischen Denkmale ebendort befinden werden wo sie heute sind, statt noch ca. 15% bei der derzeitigen Menge an Grabungen. Dafür werden aber während der gleichen Zeitspanne ca. 33% der derzeit noch vorhandenen Denkmale durch Dokumentation wenigstens teilweise erhalten werden, statt nur ca. 4,5% bei der heutigen Menge von Grabungen. Etwa 200 Jahre von heute werden sich hingegen vermutlich bei einer Verzehnfachung der Menge von Grabungen nur noch ca. 0,5% statt wie bei der 179 Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege heutigen Menge von Grabungen noch ca. 2% der derzeit noch vorhandenen archäologischen Denkmale in situ befinden. Dafür würden dann aber auch ca. 35,2% aller derzeit noch in situ vorhandenen archäologischen Denkmale tatsächlich durch Dokumentation wenigstens teilweise erhalten worden sein, nicht nur die etwa 5,1%, die bis zu diesem Zeitpunkt durch die derzeitige Anzahl von Grabungen erhalten werden würden. Wie auch die Kurven auf Abb. 11 verdeutlichen, führt eine Verzehnfachung der Anzahl von archäologischen Ausgrabungen zwar mittelfristig zu einem höheren Verlust an noch in situ vorhandenen archäologischen Denkmalen, langfristig gesehen wird aber ein nahezu gleich großer Anteil der derzeit noch dort vorhandenen Denkmale in situ zerstört. Dagegen kommt es durch eine Verzehnfachung der Anzahl der Ausgrabungen kurz-, mittel- und langfristig zu einer massiven Erhöhung der Anzahl der in derzeit noch in situ befindlichen Denkmalen gespeicherten archäologischen Informationen, die durch Dokumentation langfristig oder sogar dauerhaft auch über die Zerstörung der archäologischen Denkmale in situ selbst hinaus erhalten und der Wissenschaft und Allgemeinheit zugänglich werden. Wie dramatisch dieser Unterschied ausfällt, lässt sich am Vergleich der Differenzen von Zerstörungsund Erhaltungsgrad in den beiden Zukunftsprognosen zeigen (Abb. 12). Besonders beachtenswert ist dabei die Entwicklung über längere Zeit: zwar steigt durch die Verzehnfachung der Anzahl der Grabungen der Zerstörungsgrad anfänglich deutlich schneller an als bei der derzeitigen Anzahl der Grabungen. Die Differenz im Zerstörungsgrad erreicht jedoch nach etwa 40 Jahren einen Peak, an dem der Unterschied im Zerstörungsgrad fast 15% beträgt, beginnt dann aber wieder relativ rasch abzufallen. Nach ca. 140 Jahren ist die Differenz zwischen den Zerstörungsgraden der beiden Prognosen nur noch ca. 5%, nach 200 Jahren sogar nur noch ca. 1,7%. Dahingegen steigt die Differenz beim Erhaltungsgrad durch Dokumentation und Archivierung über die ersten 100 Jahre einigermaßen rasant an, auf ca. 28,9% mehr Erhaltung bei einer Verzehnfachung des derzeitigen Grabungsaufkommens; um sich dann über das nächste Jahrhundert nur noch unmaßgeblich zu verändern und sich bei ca. 30,1% einzupendeln. 30,00% 25,00% 20,00% Differenz Zerstörungsgrad 15,00% Differenz Erhaltungsgrad 10,00% 5,00% 0,00% 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 Abb. 12: Vergleich der Differenzen zwischen beiden Zukunftsmodellen in Bezug auf Zerstörungs- und Erhaltungsgrad der derzeit noch in situ erhaltenen Bodendenkmale über die nächsten 200 Jahre. Das ist für unsere Überlegungen aus mehreren Gründen von immenser Bedeutung: 180 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Erstens bedeutet es nämlich, dass bei langfristiger Betrachtung eine Erhöhung der Anzahl der durchgeführten archäologischen Ausgrabungen keineswegs dazu führt, dass vermehrt „unnötiger“ und „vermeidbarer“ Schaden an den archäologischen Denkmalen entsteht. Je weiter man in die Zukunft blickt, desto eher gleicht sich der Anteil der Denkmale, der in situ zerstört worden ist, ob nun durch archäologische Ausgrabungen oder andere Ursachen. Zweitens bedeutet es, dass man mit einer Vervielfachung der Anzahl der Grabungen insbesondere gegenwartsnah viel mehr archäologische Informationen erhält und damit mutmaßlich weit eher signifikante Zusammenhänge, als wenn man auf später wartet: bei der wahrscheinlichen derzeitigen Zerstörungsquote sind in 50 Jahren vermutlich bereits über 60% aller derzeit noch in situ vorhandenen archäologischen Denkmale zerstört; und zwar vor allem, wie schon oben erwähnt, die seichteren Befunde, die tiefere Befunde oft überhaupt erst in einen weiteren archäologischen Sinnzusammenhang einbetten. Verzehnfacht man die Anzahl der Grabungen über die nächsten 50 Jahre, verliert man zwar in diesem Zeitraum etwa 75% der derzeit noch in situ befindlichen archäologischen Denkmale, konnte aber wenigstens beinahe 27% davon durch Dokumentation und Archivierung erhalten, nicht nur bloß etwas über 3%, wie das mit der derzeitigen Anzahl von Grabungen der Fall wäre. Sind die obersten 15-30 cm der heute noch erhaltenen Befunde einmal weg, nutzt auch keine noch so gute Methode der Zukunft mehr, um sie zu erforschen. Für zukünftige Methodenentwicklung gewonnene Jahre Schließlich bedeutet es, dass nicht nur der Zeitraum, in dem neue, bessere Methoden entwickelt werden müssten, damit mittels dieser ein signifikantes Mehr an Information aus einem signifikanten Mehr an Quellen gewonnen werden kann, enorm eng ist. Es bedeutet auch, dass ein enorm signifikanter Informationsgewinn durch diese neuen Methoden erreicht werden müsste, damit durch das in situ-Belassungsprinzip tatsächlich überhaupt irgendein Informationserhaltungsgewinn entsteht. Schon nach 40 Jahren müsste man mit besseren Methoden mit einem Mehr von nur ca. 14% von noch in situ vorhandenen Quellen ein Informationserhaltungsdefizit von etwa 21% aufholen, nach 75 Jahren mit 12% mehr Quellen ein Informationserhaltungsdefizit von etwa 27%, nach 150 Jahren mit nur noch 4% mehr Quellen eines von ca. 30%. Dass man aber mit den mutmaßlich besseren Methoden von in 75 Jahren auch nur mehr als das Doppelte an archäologischer Information aus archäologischen Quellen ziehen wird können, als man schon heute aus ihnen ziehen kann, geschweige denn mehr als das Siebenfache, wie das in 150 Jahren notwendig sein wird, um das in situBelassungsprinzip sinnvoll zu machen, erscheint sehr unwahrscheinlich. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Prozentsatz der noch in situ erhaltenen archäologischen Denkmale Abb. 13: Durch vermehrte Belassung in situ gewonnene Zeit für die Entwicklung neuer Methoden im Vergleich zur Anzahl der vermutlich noch in situ erhaltenen archäologischen Denkmale auf Basis der oben dargestellten Prognosen. 181 Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege Abb. 13 zeigt, wieviel zusätzliche Zeit in Jahren für die Entwicklung neuer Methoden gewonnen wird, wenn die Anzahl der durchgeführten Ausgrabungen nicht verzehnfacht wird, sondern auf dem heutigen Niveau bleibt. Einen signifikanten Zeitgewinn von etwa 25 Jahren für zukünftige Methodenentwicklung gewinnt man erst, wenn gerade noch etwa 25% der derzeit noch in situ befindlichen Denkmale auch noch tatsächlich dort vorhanden ist. 50 zusätzliche Jahre für die Entwicklung neuer, besserer Methoden gewinnt man erst, wenn nur noch etwa 5% der derzeit noch vorhandenen Denkmale in situ erhalten sind, und selbst, wenn nur noch 1% da ist, beträgt der Zeitgewinn für die künftige Methodenentwicklung gerade einmal geschätzte 88 Jahre. Erstellt man auf Basis von Erfahrungswerten realistische Zukunftsprognosen über die Erhaltung von archäologischen Denkmalen durch ihre Belassung in situ oder ihre Ausgrabung und Erhaltung durch Dokumentation und Archivierung, dann zeigt sich, dass nicht etwa die Belassung der Denkmale in situ, sondern ihre Ausgrabung, Dokumentation und Archivierung kurz-, mittel- und langfristig dafür sorgt, dass insgesamt gesehen weit mehr derzeit noch in situ befindliche Denkmale bzw. der in diesen gespeicherten archäologischen Information erhalten bleiben und damit sowohl vermehrt gegenwärtigen als auch zukünftigen Forschern als auch der derzeitigen und zukünftigen Allgemeinheit zur Nutzung zur Verfügung stehen werden. Der Versuch, archäologische Denkmale, die man nicht aktiv in situ konservieren kann, dadurch zu erhalten, dass man sie nicht ausgräbt und somit vor angeblich „vermeidbarem“ Schaden schützt, ist zum Scheitern verurteilt, weil er auf einem ganz grundlegenden Denkfehler basiert: der falschen Vorstellung, dass man dadurch, dass man sie nicht ausgräbt, einer unbestimmten „Zukunft“ und der in dieser lebenden ForscherInnen mehr dieser Bodendenkmäler „unverändert“ erhält, während man in Wirklichkeit nur dafür sorgt, dass viel mehr davon unbeobachtet durch andere Ursachen als archäologische Ausgrabungen vernichtet werden als erhalten werden könnten, wenn man sie nur möglichst jetzt sofort ausgraben könnte. Archäologische Denkmale erhält man also nicht dadurch besser, dass man sie „unverändert“ in situ belässt, sondern dadurch, dass man möglichst viele davon so schnell wie möglich ausgräbt. Was Du heute kannst besorgen… Ziel einer tatsächlich zukunftsorientierten archäologischen Denkmalpflege kann es daher nicht sein, archäologische Ausgrabungen oder gar zerstörungsfreie Nachforschungen grundsätzlich möglichst zu verhindern, um den potentiell dadurch verursachten Schaden von den archäologischen Denkmalen abzuwenden, solange das konkret betroffene Denkmal nicht tatsächlich durch aktive konservatorische Pflege mit guter Wahrscheinlichkeit in situ weitgehend „unverändert“ langfristig erhalten werden kann. Denn das betroffene archäologische Denkmal wird dadurch tatsächlich aller Wahrscheinlichkeit nach weder mittel- bis langfristig, und schon gar nicht „unverändert“, erhalten bleiben, noch von „künftigen Generationen“ (Europarat 1992) mit diesen zur Verfügung stehenden besseren Methoden erforscht werden können. Vielmehr werden alle archäologischen Denkmale, die – praktisch ungeschützt – in situ belassen werden, mit nahezu 95% Wahrscheinlichkeit unbeobachtet durch andere Ursachen als ihre Ausgrabung zerstört werden. Von der professionellen Archäologie wird gerne zur Illustration des „vermeidbaren“ Schadens, der durch mit unsachgemäßen Bodeneingriffen verbundene Nachforschungen durch nicht professionell archäologisch ausgebildete Bürger an der Substanz und damit verbunden der wissenschaftlichen Aussagekraft von archäologischen Denkmalen verursacht wird, auf spektakuläre Fälle von „Raubgrabungen“ wie jener, bei der die Himmelscheibe von Nebra entdeckt wurde, zurückgegriffen (siehe z.B. Brunecker 2008, 21-4; Otten 2012, 21-5). Dabei wird gerne die rhetorische Frage gestellt: wäre es nicht besser gewesen, dieses Objekt wäre bei einer fachgerecht durchgeführten archäologischen Ausgrabung entdeckt und sachgerecht dokumentiert worden? Die Antwort darauf ist natürlich: ja, selbstverständlich wäre das besser gewesen. Gleichermaßen argumentiert die 182 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? archäologische Denkmalpflege regelhaft, dass vor geplanten Baumaßnahmen, durch die aller Wahrscheinlichkeit nach derzeit noch in situ vorhandene archäologische Denkmale zerstört werden dürften, notwendigerweise archäologische Ausgrabungen durchgeführt werden müssen, um wenigstens jenen Teil der in ihnen gespeicherten archäologischen Information, der durch fachgerechte Bergung, Dokumentation und Archivierung mit den derzeitigen Methoden gerettet werden kann, auch tatsächlich über die Zerstörung der Substanz der betroffenen Denkmale hinaus möglichst dauerhaft zu erhalten. Die einzige vernünftige Schlussfolgerung, die sich aus dieser Argumentation ziehen lässt, ist die, dass für alle derzeit noch in situ befindlichen archäologischen Denkmale, die man nicht durch aktive konservatorische Maßnahmen vor der Zerstörung durch beliebige, und nicht nur einzelne spezifische, Gefahren schützt (und mittel- bis langfristig betrachtet überhaupt nicht schützen kann), genau dasselbe gelten muss. Denn die zur Himmelsscheibe von Nebra gestellte rhetorische Frage kann und muss genauso unter den genau umgekehrten Vorzeichen gestellt werden: wäre es besser gewesen, die Himmelsscheibe wäre nicht bei einer unsachgemäßen Grabung geborgen worden, sondern unbemerkt durch irgendeine andere Ursache zerstört worden? Die Antwort auf diese Frage ist ebenso eindeutig nein, wie die Antwort auf die von uns üblicherweise gestellte Frage eindeutig ja lautet. Betrachtet man die Sachlage realistisch, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie gänzlich unbemerkt im Boden zerstört worden wäre, etwa 20 Mal so hoch wie die, dass sie bei der derzeit von den Denkmalämtern gehandhabten Praxis der archäologischen Denkmalpflege bei einer fachgerechten archäologischen Ausgrabung entdeckt worden wäre. Will man archäologische Denkmale tatsächlich langfristig oder sogar dauerhaft für Wissenschaft und Allgemeinheit erhalten, kann man daraus nur eine Handlungsanweisung ableiten, was archäologische Nachforschungen betrifft: es sollten möglichst viele davon möglichst rasch möglichst fachgerecht durchgeführt werden, denn nur dadurch kann man sicherstellen, dass ein möglichst großer Anteil der archäologischen Denkmale und der in deren Substanz gespeicherten signifikanten archäologischen Information möglichst dauerhaft, d.h. über seine in situ tatsächlich, und nicht nur hypothetisch, unvermeidliche Zerstörung hinaus, erhalten wird. Es muss daher das Ziel einer tatsächlich zukunftsorientierten archäologischen Denkmalpflege sein, möglichst viele oder sogar idealerweise alle archäologische Denkmale, die nicht aktiv konservatorisch gepflegt werden können, so schnell und genau als möglich ausgraben, dokumentieren und archivieren zu lassen. Nicht aktiv konservatorisch gepflegte archäologische Denkmale verfallen nämlich „in der freien Wildbahn“ mit rasanter Geschwindigkeit; und alles davon, was nicht heute oder morgen ausgegraben werden kann, wird wahrscheinlich morgen, aber spätestens in ein paar Jahrzehnten, unbeobachtet zerstört worden und damit der wissenschaftlichen Forschung oder sonstigem Allgemeinwohlnutzen überhaupt nicht mehr zugänglich sein. Die Vorstellung, dass die Belassung von archäologischen Denkmalen in situ normalerweise gegenüber ihrer Erhaltung durch Dokumentation und Archivierung zu bevorzugen ist, beruht auf einem gravierenden Denkfehler der derzeitigen archäologischen Denkmalpflege, der nichts Gutes über die angebliche „Expertise“ der in den Denkmalämtern beschäftigten Fachleute und der archäologischen Fachwelt insgesamt verrät. Zwar behauptet die archäologische Denkmalpflege stets, dass sie die Bodendenkmale für „die Zukunft“ erhalten will. Tatsächlich hat sie es aber sträflich verabsäumt, realistische Zukunftsprognosen über das mutmaßliche Schicksal der derzeit noch in situ erhaltenen archäologischen Denkmale zu erstellen; ja sogar, sich auch nur irgendwelche Gedanken über „die Zukunft“ zu machen (Holtorf & Högberg 2015, 513). Stattdessen praktiziert sie einen rein gegenwartsbezogenen archäologischen Denkmalschutz: sie versucht nahezu ausschließlich, archäologische Denkmale vor einem heute entstehen könnendem, 183 Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege heute vermeidbarem Schaden zu schützen, damit sie auch morgen noch da sind. Sie konzentriert sich daher auch vorzugsweise auf den Schutz der archäologischen Denkmale vor solchem Schaden, der im Jetzt und Hier der Gegenwart vermeidbar ist oder zu sein scheint, d.h. vor menschlichen Handlungen, die akut zur Zerstörung der an einem ganz bestimmten Ort vorhandenen Denkmale führen (können). Schaden hingegen, der zu jedem konkreten Zeitpunkt nur jeweils gering ist, sich aber über längere Betrachtungszeiträume akkumuliert, oder der nicht nur akut an einem ganz bestimmten Ort, sondern nahezu überall im Land gleichzeitig, oder der nicht durch menschliches Handeln, sondern durch natürliche Ereignisse, entsteht, wird als „unvermeidlich“ klassifiziert und nur noch bestenfalls randlich, falls überhaupt, in weitere denkmalpflegerische Erwägungen einbezogen. In der Regel findet daher derzeit eine Abwägung zwischen einer jetzt gerade vermeidbaren Kategorie von Schaden, die das betroffene Denkmal mit akuter Zerstörung bedroht, und einer anderen Kategorie von Schaden, die das betroffene Denkmal gerade jetzt nicht akut bedroht, dafür aber langfristig gesehen mit absoluter Sicherheit zu seiner Zerstörung führen wird, nicht statt. Daher wird nicht berücksichtigt, dass eine archäologische Ausgrabung die Substanz des betroffenen Denkmals zwar in situ akut zerstören wird, aber dafür durch die dabei erfolgende Dokumentation und Archivierung ein Großteil der in dieser Substanz gespeicherten archäologischen Information und vielleicht sogar in Form der entnommenen beweglichen Kleinfunde, Proben, etc. einen Teil der Substanz des Denkmals selbst langfristig oder sogar dauerhaft erhalten wird; und zwar wahrscheinlich weit länger, als eben dieses Denkmal aufgrund des kumulativen Schadens, den es durch andere Ursachen auch, aber weitgehend unbemerkt, erleidet, in situ jemals erhalten werden könnte. Aus dem gleichen Grund schafft es die derzeitige archäologische Denkmalpflege auch nicht, den Selbstwiderspruch zu erkennen, welcher der gleichzeitigen Forderung nach Rettungsgrabungen vor Baumaßnahmen und der Ablehnung von „Lustgrabungen“ (Viebrock 2007, 241-242; Hönes 1995, 273; sinngemäß auch Strobl & Sieche 2009, 266; Davydov et al. 2016, 248) auf land- oder forstwirtschaftlich genutzten Bodenflächen inhärent ist. Schließlich „muss“ man die Rettungsgrabung heute durchführen, weil die Baumaßnahme die dort vorkommenden archäologischen Denkmale mit akuter Zerstörung bedroht: alles, was man heute nicht ausgräbt, ist morgen gar nicht mehr da; der durch die Ausgrabung erzeugte Schaden daher geringer als der, der „unvermeidlich“ durch die Baumaßnahmen entsteht. Die „Lustgrabung“ auf dem Acker oder im bewirtschafteten Wald hingegen muss man nicht heute durchführen, weil die dort vorhandenen archäologischen Denkmale nicht akut durch andere Schäden bedroht sind und daher wohl auch morgen noch da sein werden. Es scheint daher so, als ob man ihre Ausgrabung auf morgen verschieben könnte; schließlich gilt es heute die dringenderen Rettungsgrabungen durchzuführen. Darüber vergisst man dann, dass das Morgen (wahrscheinlich) niemals kommt, weil im Heute immer etwas anderes wichtiger sein wird als das ohnehin nicht akut gefährdete archäologische Denkmal auszugraben. Bis es schließlich ganz weg ist. Nachhaltiger Denkmalschutz ist das nicht; nachhaltiger archäologischer Quellenschutz „für die Erforschung durch zukünftige Generationen von ArchäologInnen“ (Europarat 1992) schon überhaupt nicht. Will man einen nachhaltigen, zukunftsorientierten archäologischen Denkmalschutz erreichen, dann genügt es nicht, einfach so zu tun, als ob es archäologischen Sachschaden, den man nicht bemerkt, weil man überhaupt nicht danach sucht, der aber dennoch sicher entsteht, einfach nicht gibt. Es genügt auch nicht, wenn man so tut, als ob man archäologische Denkmale, wenn man sie vor jetzt „vermeidbarer“, sie akut bedrohender, Zerstörung schützt, langfristig angeblich für „die Zukunft“, tatsächlich aber nur gerade jetzt in diesem Moment und nur bis zum nächsten Moment, „unverändert“ erhält. Es genügt dafür ganz und gar nicht, dass man Denkmale zwar akut „unverändert“, aber auch unerforscht und nicht dokumentiert, in situ belässt, aber nicht tatsächlich auch in situ durch aktive 184 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Konservierungsmaßnahmen erhält. Das einzige was man damit für „die Zukunft“ erreicht ist, dass man die überwältigende Mehrheit aller derzeit noch erhaltenen archäologischen Denkmale der vollkommen unbemerkten, unbeobachteten, nicht dokumentierten und für niemanden nützlichen Zerstörung überlässt. Will man einen nachhaltigen, zukunftsorientierten archäologischen Denkmalschutz erreichen, dann gilt vielmehr gerade in Bezug auf die Ausgrabung, Bergung, Dokumentation und Archivierung der archäologischen Denkmale der alte Sinnspruch: was Du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass ein ganz konkretes Denkmal – wenigstens wenn es nicht durch aktive konservatorische Maßnahmen erhalten wird – vollkommen unbemerkt vollständig zerstört wird, bevor es ausgegraben wird, beträgt derzeit etwa 95%. Diese Wahrscheinlichkeit wiederum lässt sich, wenn überhaupt, nur dadurch maßgeblich zugunsten einer Erhaltung der archäologischen Denkmale oder wenigstens der in ihnen gespeicherten Information verbessern, indem so viele davon als möglich möglichst zeitnah ausgegraben und daher wenigstens geborgen und optimalerweise auch möglichst fachgerecht dokumentiert und archiviert werden. Denn die Anzahl der Ausgrabungen ist so ziemlich der einzige Faktor, der eine signifikant positive Auswirkung auf die langfristige Erhaltungswahrscheinlichkeit von archäologischen Denkmalen haben kann, den wir auch tatsächlich maßgeblich beeinflussen können. Zukunftsorientierte archäologische Denkmalpflegepraxis Das bedeutet also, dass wir, wenn wir „für die Erforschung durch künftige Generationen von ArchäologInnen“ (Europarat 1992) möglichst viele archäologisch nutzbringende Quellen möglichst dauerhaft erhalten wollen, eine archäologische Denkmalpflegepraxis brauchen, die die möglichst zeitnahe Ausgrabung möglichst vieler derzeit noch in situ erhaltener archäologischer Denkmale fördert; nicht eine, die Ausgrabungen möglichst zu verhindern versucht, wie wir sie derzeit haben (Viebrock 2007, 239; sinngemäß gleich z.B. in Hönes 1995, 273; Strobl & Sieche 2009, 265; Martin & Krautzberger 2010, 852, 887-889). Diese vermehrt zu unternehmenden archäologischen Nachforschungen wären natürlich idealerweise wissenschaftlich fachgerecht durchzuführen, zu dokumentieren und zu archivieren; d.h. sollten idealerweise von professionellen ArchäologInnen durchgeführt werden. Das würde die tatsächlich beste Erhaltung aller archäologischen Denkmale, die man nicht aktiv konservatorisch in situ erhalten kann, für die Erforschung durch zukünftige Generationen von WissenschaftlerInnen gewährleisten. Aber – und das ist ein wichtiger Punkt – wenn eine Grabung nicht wissenschaftlich fachgerecht durchgeführt werden kann, ist es immer noch besser, sie wird unsachgemäß durchgeführt, als dass sie gar nicht durchgeführt wird. Denn selbst durch unsachgemäße Bergungen wird wenigstens ein Teil der sonst unbeobachtet in situ im Boden gänzlich zerstörten Denkmale für „die Zukunft“ erhalten, statt vollständig verloren zu gehen, weil die Wahrscheinlichkeit, dass ein archäologisches Denkmal fachgerecht ausgegraben wird, selbst dann noch maßgeblich geringer ist als die, dass es gänzlich unbemerkt zerstört wird, wenn wir die Anzahl der fachgerecht durchgeführten Grabungen tatsächlich verzehnfachen würden. Dass wir aber tatsächlich zehnmal so viele Grabungen durchführen könnten wie derzeit, ist, angesichts der derzeitig der Archäologie durch den Staat – egal welcher das jetzt genau ist – zur Verfügung gestellten Ressourcen, enorm unwahrscheinlich. Schon eine Verdoppelung der Anzahl der durch Fachleute durchgeführten Grabungen wäre mittelfristig ein kleines Wunder, kurzfristig sogar ein großes; alles mehr als das scheint selbst langfristig derzeit illusorisch. Will man also erreichen, dass archäologische Denkmale bestmöglich nachhaltig für „die Zukunft“ erhalten werden, muss man eine archäologische Denkmalpflege praktizieren, die nicht wie bisher dafür sorgt, dass möglichst niemand, nicht einmal jahrzehntelang ausgebildete professionelle 185 Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege ArchäologInnen mit jahrzehntelanger Berufserfahrung (siehe dazu Seiten 211-214) und schon gar nicht archäologisch interessierte Bürger, archäologische Ausgrabungen durchführen können. Vielmehr muss man das tun, was Georg Dehio schon 1905 ganz richtig erkannt hatte, als er schrieb: „Ich komme hiermit zu der Erwägung, die sich mir bei der Betrachtung der Versuche, den Denkmalschutz vom Staate aus zu realisieren, an stärksten aufdrängt: sie ist die, daß der Staat, so unerlässlich sein Eingreifen ist, die Aufgabe nur halb lösen kann. Der Staat hat nicht Augen genug, er kann nicht all das Viele und Kleine, auf das es ankommt, sehen; seine Organe sind auch nicht geschmeidig genug, den immer wechselnden örtlichen Verhältnissen sich prompt anzupassen. Einen ganz wirksamen Schutz wird nur das Volk selbst ausüben, und nur wenn es selbst es tut, wird aus den Denkmälern lebendige Kraft in die Gegenwart überströmen. […] Wenn das Volk erst darüber unterrichtet ist, worum es sich handelt, mag es, wo Gegenwart und Vergangenheit in Konflikt kommen, die Wahl und Verantwortung übernehmen“ (Dehio 1905, 273-274). Statt möglichst allen zu verbieten, archäologische Nachforschungen anzustellen, muss man möglichst alle, d.h. insbesondere alle Bürger, die ohnehin von sich aus Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung von archäologischen Denkmalen durchführen wollen, möglichst gut darin unterrichten, worum es sich handelt, also sie möglichst gut in archäologischer Ausgrabungs-, Dokumentations- und Archivierungstechnik ausbilden. Je mehr Bürger, die ohnehin graben wollen, auch fachgerecht graben, bergen, dokumentieren und archivieren können und je mehr Bürger dann auch fachgerecht graben, bergen, dokumentieren und archivieren, desto mehr archäologische Denkmale werden auch tatsächlich langfristig – eben durch fachgerechte Dokumentation – für die Erforschung durch zukünftige Generationen von ArchäologInnen erhalten werden. Dafür gälte es natürlich Strukturen zu schaffen, sowohl solche, die eine fachgerechte archäologische Ausbildung möglichst vieler interessierter Bürger ermöglichen (siehe dazu z.B. Karl & Möller et al. 2019), als auch solche, die diesen die fachgerechte Meldung ihrer Funde und Dokumentationen ermöglichen; und nicht zuletzt auch rechtliche Strukturen, die – wenigstens fachlich ausreichend ausgebildeten – Bürger dann auch gestatten, möglichst frei, selbstständig und eigenverantwortlich archäologische Nachforschungen anzustellen. Ob dies in Form eines „Nachforschungsscheins“ geschieht, vergleichbar dem Führerschein für die Führung von Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Verkehrsflächen (siehe dazu Seiten 209-226), oder indem man einfach jeden, der das möchte, alle außer gemäß dem konstitutiven Prinzip geschützten, auch tatsächlich aktiv konservatorisch gepflegten, Bodenflächen im Rahmen der Wissenschaftsfreiheit einfach unbeschränkt durch staatliche Eingriffe erforschen lässt, wie es ihm gefällt, muss man sich natürlich überlegen. Was man aber jedenfalls tun muss, ist sich in der archäologischen Denkmalpflegepraxis vom bisher dogmatisch vertretenen Prinzip der Belassung in situ abwenden. Wird ein archäologisches Denkmal tatsächlich aktiv erhalten, weil es die archäologischdenkmalpflegerische Fachwelt für so bedeutend hält, dass man es möglichst unverändert möglichst dauerhaft erhalten sollte und weil es auch tatsächlich in situ durch aktive konservatorische Erhaltungsmaßnahmen vor jeder Art von Schaden bestmöglich geschützt werden kann und wird, dann sollte es selbstverständlich auch für invasive archäologische Nachforschungen tabu sein. Wird ein archäologisches Denkmal hingegen nicht aktiv erhalten, sondern bloß in situ belassen, dann sollte man es stattdessen besser ausgraben lassen; idealerweise fachgerecht durch professionelle ArchäologInnen; aber wenn das in absehbarer Zeit nicht möglich ist, dann immer noch möglichst fachgerecht, aber egal durch wen; und wenn auch das nicht möglich ist, dann nicht nur egal durch wen, sondern auch egal wie. Weil selbst wenn der ärgste Raubgräber es so unsachgemäß wie nur 186 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? möglich aus dem Boden drischt und dann meistbietend auf E-Bay an einen gewissenlosen Sammler im Ausland verscherbelt: das ist immer noch besser, als wenn es unbemerkt im Boden total zerstört wird, weil nicht nur bleibt es dann immer noch mit größerer Wahrscheinlichkeit erhalten, als wenn man es im Boden belässt, sondern es hatte auch wenigstens irgendwer etwas davon, nicht gar niemand. Die Belassung von archäologischen Denkmalen in situ, so schön die Vorstellung sein mag, sorgt nicht für ihre Erhaltung, sondern nur für ihre unbemerkte Zerstörung. Sie schützt nicht ein Allgemeinwohlgut, damit die Öffentlichkeit Nutzen aus diesem ziehen kann, sondern sorgt dafür, dass ein Allgemeinwohlgut verschwendet wird, ohne dass irgendwer daraus irgendeinen Nutzen ziehen kann. Ursache dafür ist die ideologische Verblendung der archäologisch-denkmalpflegerischen Fachwelt, die sich seit Jahrzehnten weit mehr darüber Gedanken gemacht hat, wie man die Archäologie, um es in den Worten Friedrich Lüths zu sagen, „… qua Gesetz im Interesse aller … vor den Zugriffen aller schützt.“ (Lüth 2006, 102), als darüber wie sie die Archäologie tatsächlich zum Nutzen aller am besten nachhaltig schützt. Dazu hätte diese Fachwelt nämlich ernsthaft über die Zukunft nachdenken müssen und darüber was der Archäologie in dieser wahrscheinlich zustoßen wird, statt nur auf das Beste zu hoffen und zwischenzeitlich einfach abzuwarten und Tee zu trinken. Hätte sie das nämlich gemacht, wäre sie schon lange draufgekommen, dass der bestmögliche Schutz der archäologischen Denkmale nicht dadurch erreicht wird und diese auch nicht bestmöglich für „die Zukunft“ erhalten werden können, indem man sie einfach im Boden belässt; sondern nur dadurch, dass man das tut, was archäologische WissenschafterInnen und alle, die sich für sie interessieren, eigentlich tun sollten und aufgrund der verfassungsgesetzlichen Garantie der Wissenschaftsfreiheit auch tun dürfen: sie erforschen und damit für sich selbst und andere nutzbar machen. Das nutzt nämlich nicht nur der gegenwärtigen Wissenschaft und Gesellschaft am meisten, sondern auch der zukünftigen, und erhält tatsächlich die Quellen der archäologischen Forschung bestmöglich „für die Erforschung durch künftige Generationen“ (Europarat 1992). 187 Was ist eigentlich eine Raubgrabung? Was ist eigentlich eine Raubgrabung? In der deutschsprachigen Archäologie ist häufiger von sogenannten „Raubgrabungen“ die Rede, wenn über die Zerstörung archäologischer Überreste im Erdboden gesprochen wird. Was genau damit gemeint ist, ist jedoch nicht immer ganz klar, denn eine auch nur einigermaßen klare Begriffsdefinition scheint zu fehlen. Raubgrabungen: eine Begriffsdefinition So liefert z.B. Frank Brunecker in seiner Einführung zu Raubgräber – Schatzgräber zwar eine Beschreibung der Tätigkeiten von Raubgräbern und der von diesen angerichteten Schäden (Brunecker 2008, 19-30), eine Definition des Begriffs bleibt er hingegen schuldig. Ähnlich auch die denkmalpflegerische Fachliteratur: das Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege verwendet zwar den Begriff „Raubgräber“ mehrfach (Martin & Krautzberger 2010, 4, 853), jeweils in Zusammenhang mit der Metallsuche durch nicht fachlich ausgebildete Personen und jeweils unter Verweis auf das vom Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz herausgegebene Werk Gegen die Raubgräber (Kriesch et al. 1997), eine Begriffsdefinition fehlt jedoch ebenfalls. Auch im gerade genannten Werk (Kriesch et al. 1997) fehlt eine Definition des Raubgrabungsbegriffs im engeren Sinn. Wenigstens wird im Kapitel „Ziel des gesetzlichen Schutzes“ zusammenfassend erklärt, weshalb die deutschen Denkmalschutzgesetze Grabungen einer Genehmigungspflicht unterwerfen: „Wenn Grabungen nicht sachgerecht und ohne fachliche Kenntnisse und Erfahrungen stattfinden, geht der Informationsgehalt des Bodendenkmals als historische Quelle verloren, und zwar unwiderruflich.“ (Kriesch et al. 1997, 26). Dies hat zwar nicht den Charakter einer Definition, es lässt sich jedoch kursorisch eine solche daraus ableiten: eine Raubgrabung ist eine nicht sachgemäß durchgeführte Grabung, bei der in archäologischen Denkmalen gespeicherte historische Informationen verlorengehen. Eine explizite Definition des Raubgrabungsbegriffs fehlt auch in der jüngeren, englischsprachigen Überarbeitung dieses Textes durch Thomas Otten (2012), die sinngemäße Definition, die sich aus Kriesch et al. (1997, 26) ableiten lässt, unterliegt aber auch diesem Text: Raubgrabungen sind unsachgemäß durchgeführte Grabungen, durch die archäologische Informationen verlorengehen. Sowohl Kriesch at al. (1997) als auch Otten (2012) setzen in ihren Texten dann zwar weitgehend unsachgemäß durchgeführte mit rechtswidrigen Grabungen gleich, dies ist jedoch, wie später noch gezeigt werden wird, nicht korrekt, da auch unsachgemäß durchgeführte Grabungen rechtmäßig, dafür aber auch sachgemäß durchgeführte Grabungen rechtswidrig sein können. Etwas anders sieht das hingegen der Duden, der im Eintrag zum Präfix Raub- das Wort Raubgrabung als Beispielswortbildung anführt und zum Präfix selbst erläutert, dass es sich dabei um ein Wort handelt, dass „…in Bildungen mit Substantiven aus[drückt], dass etwas auf widerrechtlichem Wege hergestellt, gemacht wird, um Gewinn daraus zu erzielen.“ (http://www.duden.de/ rechtschreibung/Raub [19.8.2016]); ebenso die Wikipedia, die feststellt, dass eine Raubgrabung „…das gezielte Nachsuchen nach ortsfesten oder mobilen Bodendenkmälern entgegen den Rechtsnormen, die das Graben nach Bodendenkmälern regeln“ sei (https://de.wikipedia.org/wiki/%20Raubgrabung, [19.8.2016]). Beide gehen also davon aus, dass es sich dabei um Handlungen handelt, die sich dadurch kennzeichnen, dass sie rechtswidrig durchgeführt werden – d.h. um verbotene archäologische Entdeckungsversuche bzw. Grabungen – nicht etwa, dass es sich dabei um unsachgemäß durchgeführte Grabungen handelt. Der fachliche Raubgrabungsbegriff im 19. Jahrhundert und heute Tatsächlich scheint allerdings die fachliche Verwendung des Begriffs Raubgrabung bereits seit langem, bzw. schon immer, deutlich über die einigermaßen enge Begriffsbedeutung gesetzlich verbotene 188 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Grabung nach archäologischen Denkmalen hinauszugehen und weit eher der impliziten Definition von Kriesch et al. (1997, 26) und Otten (2012) zu entsprechen. Das zeigt sich z.B. daran, dass der Begriff schon im 19. Jahrhundert in fachlicher Verwendung stand, als es noch gar keine verbotenen Grabungen nach archäologischen Denkmalen gab. So z.B. findet sich in den Mittheilungen der k.k. Central-Commission aus dem Jahr 1887 ein Zitat aus einem Erlass vom 20.1.1887 des Unterrichts- und Innenministeriums zum Schutze gegen die Raubgräberei, in dem ausgeführt wird, „daß die wissenschaftlichen Aufgaben bei Aufdeckung von archäologischen Funden, sei es aus Unverstand sei es mit Absicht, häufig nur zu ungenügend durchgeführt werden, namentlich in allen jenen Fällen, wenn Finder aus gewinnsüchtigen Motiven oder als ‚Sammler‘ nur bestimmten archäologischen Objecten ihre Aufmerksamkeit zuwenden und auf diese Weise so mancherlei für sie Unwesentliches, vom Standpunkte der Wissenschaft aber Wichtiges beiseite lassen oder sogar vernichten“ (Erlass des Unterrichts-Ministeriums 20.1.1887, zitiert nach Lind 1887, LVIII). Ebenda findet sich auch zusammengefasst ein Erlebnisbericht von F. Hoernes aus dem Winter 1886: „Von dieser systematischen Verwüstung, welche durch Sondirung mit Eisenstangen eingeleitet und durch Anschürfung von engen, in die Mitte der Gräber führenden Schlupflöchern durchgeführt wurde, konnte man sich auf Schritt und Tritt überzeugen. Fast in jedem ausgeraubten Grabe fanden sich Gegenstände der verschiedensten Art zerstückelt vor, die, weil sie bei dem Antiquitätenhändler keinen Anwerth fanden, unbeachtet zurückgelassen blieben, oder als werthvolle Objecte überhaupt gar nicht erkannt wurden. Da aber oft gerade solche Dinge unscheinbarer Art wichtige Aufschlüße gebe, so ist der Schade, den die Wissenschaft durch diese Raubgräberei erleidet, nicht selten ein unersetzlicher.“ (Lind 1887, LIX). Aus diesen Zitaten aus 1887 lässt sich deutlich ablesen, dass jene, die Raubgrabungen beklagen, sich nicht an einer etwaigen Widerrechtlichkeit der betreffenden Handlungen stoßen, die im 19. Jahrhundert in Ermangelung entsprechender Verbote gar nicht gegeben war, sondern an etwas ganz anderem: dem Schaden, der für die archäologische Wissenschaft dadurch entsteht, dass es sich bei den monierten Grabungen um solche handelt, die aus fachwissenschaftlicher Sicht unsachgemäß und eher aus wirtschaftlichem Profit- denn aus wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse durchgeführt wurden. Es geht also eigentlich darum, dass „uns ArchäologInnen“ unser „Schatz“ (Brunecker 2008, 15-6), der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn, von jenen „geraubt“ wird, deren „Schatz“ der wirtschaftliche Wert der gefundenen Sachen ist. Dass sich das bis heute nicht wesentlich geändert hat, zeigt sich nicht nur aus dem Fehlen einer klaren und eindeutigen Definition des Begriffs Raubgrabung im modernen Fachgebrauch, der die Begriffsbedeutung tatsächlich auf rechtswidrig durchgeführte Grabungen beschränken würde; sondern auch ganz besonders daran, dass in der Fachliteratur Raubgrabungen immer noch aus genau den gleichen Gründen und mit nahezu wortgleichen Klagen beschrieben werden: „Vor allem aber erscheint es unglaubwürdig, dass sich ein Sondengänger aufs Aufsammeln beschränkt, wenn der Detektor piept. Selbstverständlich nimmt er eine Hacke oder einen Spaten und gräbt tiefer, um nach dem ersten rostigen Nagel womöglich den ganz großen Fund aufzudecken, egal wie tief der liegt. Dann wird rücksichtslos in archäologische Schichten eingegriffen. Mehr oder weniger tiefe Gruben sind die typischen Spuren solcher Plünderungen, die Archäologen immer häufiger in der Landschaft antreffen.“ (Brunecker 2008, 19). Nicht anders als 1887 ist also auch heute die Klage der Fachwelt nicht so sehr, dass Raubgrabungen rechtswidrig sind, sondern vielmehr, dass uns (und natürlich auch „der Allgemeinheit“) durch die Raubgräber unser (aller) „Schatz“, die wissenschaftliche Erkenntnis versprechende archäologische Information, aus purem Eigennutz und reiner Profitgier geraubt wird. 189 Was ist eigentlich eine Raubgrabung? Der Raubgrabungsbegriff in der Begründung von Denkmalschutzgesetzen Ähnliches zeigt sich, wenn man sich die Verwendung des Begriffs Raubgrabungen nicht in der archäologischen Fachliteratur, sondern in Begründungen für Denkmalschutzgesetzesänderungen, ansieht. So zum Beispiel findet man in der Begründung zum Entwurf des Hamburger Denkmalschutzgesetzes vom 5.4.2013 die folgende Ausführung zur Einführung des ipsa-lege-Schutzes (deklaratorisches Prinzip; DGUF 2013, 1-2) von beweglichen Bodendenkmälern: „Hinsichtlich beweglicher Bodendenkmäler ist, im Unterschied zu anderen beweglichen Denkmälern, die Einführung des ipsa-lege-Schutzes erforderlich, um einen effektiven Schutz vor Raubgräbern zu gewährleisten.“ (Begr. DSchG-HH 2013, 3). Die Verwendung des Wortes Raubgräber in diesem Satz kann nicht Personen gemeint haben, die widerrechtlich nach beweglichen archäologischen Denkmälern gegraben haben: galt vor seiner Einführung in der Novelle von 2013 kein ipsa-lege-Schutz für bewegliche Bodendenkmäler, war die Grabung nach ihnen – wenigstens in der Regel – auch nicht widerrechtlich, sondern gesetzlich erlaubt. Die ohne Bewilligung gem. § 14 DSchG-HH durchgeführte Grabung nach oder Entdeckung von zuvor unbekannten beweglichen Bodendenkmälern mit technischen Suchgeräten wird überhaupt erst durch Einführung des ipsa-lege-Schutzes zu einer rechtswidrigen Handlung. Denn unter dem konstitutiven Prinzip (DGUF 2013, 2), bei dem ja ein eigener Verwaltungsakt wie z.B. die Eintragung in eine Denkmalliste erforderlich ist, damit ein Denkmal überhaupt den gesetzlichen Schutzbestimmungen unterliegt, kann ein unbekanntes archäologisches Denkmal schon allein deshalb nicht geschützt sein, weil es unbekannt ist und daher vor seiner Entdeckung auch nicht durch einen Verwaltungsakt geschützt werden konnte. Der Tatbestand einer rechtswidrigen Grabung oder Entdeckung wird also überhaupt erst durch die Gesetzesänderung hin zum deklaratorischen Prinzip erzeugt; die dafür vorgesehenen gesetzlichen Bestimmungen dienen somit nicht zum Schutz von Bodendenkmälern vor rechtswidrigen Grabungen, sondern nur zum Schutz vor bis zur Gesetzesänderung erlaubten, d.h. rechtmäßigen Grabungen. Mit den Raubgrabungen, vor denen durch die Einführung des deklaratorischen Prinzips im DSchG-HH die beweglichen Bodendenkmäler geschützt werden sollen, können also auch in diesem Fall eigentlich nur Grabungen gemeint sein, die aus wissenschaftlicher Sicht unsachgemäß durchgeführt wurden. Rechtswidrige Grabungen von Fachwissenschaftern? Dass wir mit dem Raubgrabungsbegriff eigentlich nicht rechtswidrige, sondern aus wissenschaftlicher Sicht unsachgemäß durchgeführte Grabungen meinen, zeigt sich auch an Fällen, in denen die Prämissen umgekehrt sind. Versuchen Sie, diese Frage ehrlich für sich zu beantworten: haben Sie jemals in Ihrer Karriere von auch nur einem Fall im deutschen Sprachraum gehört, in dem sachgerecht von professionellen Archäologen durchgeführte Grabungen ernsthaft als Raubgrabungen bezeichnet wurden? Ich kenne keinen einzigen solchen Fall, obwohl ich von Grabungen weiß, bei denen die selbigen durchführenden Archäologen darauf „vergessen“ haben, rechtzeitig eine Grabungsbewilligung zu beantragen und diese – wenn überhaupt – nur „nachträglich“ erteilt bekommen haben; d.h. streng rechtlich gesehen, ihre Grabung rechtswidrig durchgeführt haben (vorausgesetzt, dass eine solche Bewilligung überhaupt rechtlich erforderlich war, was in Anbetracht des auf Seiten 17-26 Gesagten vielleicht nicht immer der Fall gewesen sein muss). Ich kenne auch (sogar zahlreiche) Fälle, in denen die Inhaber der Grabungsgenehmigung (mit vereinzelten kurzfristigen Ausnahmen für Grabungsbesuche) während der Grabung entgegen den in der Grabungsbewilligung explizit ausgeführten Auflagen nicht anwesend waren und diese tatsächlich geleitet haben, sondern sich vielmehr die überwiegende Mehrheit der Grabungszeit weit (und damit sind mehrere Stunden 190 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Fahrzeit mit dem Auto gemeint) von der Grabungsfläche entfernt aufgehalten und die „örtliche Grabungsleitung“ dafür mehr oder minder gut geeigneten, aber jedenfalls gesetzlich und durch die Bewilligung nicht dazu befugten, KollegInnen überlassen haben; also jedenfalls ob der Missachtung der Bewilligungsauflagen ebenfalls widerrechtliche Grabungen durchgeführt haben (und das auch tatsächlich konkret bei Grabungen, die auf konstitutiv geschützten archäologischen Denkmalen stattgefunden haben und daher definitiv der NFG-Pflicht des jeweils geltenden Denkmalschutzgesetzes unterlegen sind). Doch obwohl das mehr oder minder allgemein bekannt ist, habe ich noch niemals von irgendjemandem gehört, der derartige, von Fachwissenschaftern zwar rechtswidrig, aber durchaus sachgerecht durchgeführte Grabungen als Raubgrabungen bezeichnet hätte. Auch das zeigt, dass wir mit dem Begriff Raubgrabungen keineswegs widerrechtlich durchgeführte Grabungen meinen, sondern Grabungen, die aus wissenschaftlicher Sicht nicht sachgemäß durchgeführt wurden. Wie genau nehmen wir die Gesetze? Überhaupt scheinen wir es, wie ja bereits weiter oben in aller Deutlichkeit illustriert wurde, mit den Gesetzen gar nicht so eng zu nehmen, wenn es darum geht, sogenannte Raubgrabungen zu verhindern. Kehren wir, um das genauer zu betrachten (für österreichische Beispiele siehe dazu auch schon Karl 2016a), dafür zum DSchG-HH zurück: dieses bestimmt in § 14 Abs. 1, dass die Absicht, Bodendenkmäler auszugraben, aus einem Gewässer zu bergen oder unter Einsatz von technischen Suchgeräten zu entdecken der Genehmigung der zuständigen Stelle bedarf. Abs. 3 erweitert diese Bestimmung noch zusätzlich um den Eventualvorsatz, d.h. die Regelung gilt auch, wenn die betreffende Person zwar nicht die Auffindung von Bodendenkmälern bezweckt, aber Grund zur Annahme hatte, dass sie solche voraussichtlich bei ihren Handlungen entdecken würde. Die für die Bodendenkmalpflege in Hamburg zuständige Mitarbeiterin des Archäologischen Museums Hamburg interpretiert diese Bestimmung derart, dass alle archäologischen Nachforschungen, z.B. eben die Suche nach Fundgegenständen mit dem Metallsuchgerät, daher der Genehmigungspflicht dieses Paragrafen unterliegen. Genehmigungen für Metallsuchen werden, wie sie auf Anfrage (2016) mitgeteilt hat, nur an Personen erteilt, die einen dafür vorgesehen Kurs absolviert haben, der allerdings derzeit aus Personalmangel nicht angeboten werden kann. Deshalb würden derzeit überhaupt keine derartigen Genehmigungen erteilt. Das ist eine zur Verhinderung von Raubgrabungen im oben dargestellten Sinn schöne und bequeme Lösung, nicht jedoch eine, die zur Verhinderung rechtswidriger Grabungen dient: zwar kann das Archäologische Museum Hamburg als zuständige Stelle durchaus von Antragstellern verlangen, dass sie gewisse (verhältnismäßige) Voraussetzungen erfüllen, um eine solche Genehmigung erteilt zu bekommen. Allerdings kann es von Antragstellern nicht verlangen, dass sie unerfüllbare Voraussetzungen erfüllen; vor allem dann nicht, wenn das Archäologische Museum Hamburg deren Erfüllung durch Unterlassung den vorausgesetzten Kurs abzuhalten verhindert. Es ist hier zu bedenken: die gesetzliche Pflicht für Personen, archäologische Nachforschungen nur mit staatlicher Genehmigung durchführen zu dürfen, impliziert auch ein dieser Pflicht entgegengesetztes Recht: nämlich eine Genehmigung beantragen und auch tatsächlich (und nicht nur theoretisch) erteilt bekommen zu können, wenn keine konkreten Gründe dagegensprechen. Dieses Recht ergibt sich in Deutschland schon allein daraus, dass sich alle StaatsbürgerInnen auf die Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 und die Forschungsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz (GG) berufen können, die der Staat und seine Organe – und damit auch das Land Hamburg und dessen mit den Agenden der Bodendenkmalpflege betraute Stelle – nicht einfach willkürlich beschränken dürfen (Pieroth et al. 2015, 96-104, 176-9). 191 Was ist eigentlich eine Raubgrabung? Wird Bürgern die Ausübung des ihnen gesetzlich eingeräumten Rechts, mit einer Genehmigung gem. § 14 Abs. 1 DSchG-HH Bodendenkmäler auszugraben oder unter Einsatz technischer Suchgeräte zu entdecken, in der Anwendungspraxis regelhaft dadurch unmöglich gemacht, dass die zuständige Stelle durch ihr Handeln bzw. ihre Unterlassung des erforderlichen Handelns eine Nichterteilung der Genehmigung verschuldet, dann verhindert diese zuständige Stelle nicht rechtswidrige Grabungen, sondern macht es ganz im Gegenteil Bürgern unmöglich, rechtmäßige Grabungen durchzuführen. Die zuständige Stelle verwandelt damit durch ihre Anwendungspraxis das Bürgern gesetzlich eingeräumte Recht, genehmigte Grabungen durchzuführen, in ein nudum ius; ein Recht, das zwar am Papier besteht, jedoch praktisch nicht ausgeübt werden kann. Eine derartige Verwaltungspraxis macht alle Grabungen und Entdeckungen unter Einsatz technischer Suchgeräte, die dennoch – aber eben ohne die erforderliche Genehmigung – stattfinden, zu rechtswidrigen Ausgrabungen; statt die rechtmäßige Durchführung solcher Ausgrabungen, die – bei ordnungsgemäßer Erfüllung der ihr aufgetragenen Verwaltungsaufgaben durch die zuständige Stelle – entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen zu genehmigen gewesen wären, zu ermöglichen und die widerrechtliche Durchführung solcher, die entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen nicht zu genehmigen sind, durch Nichterteilung der erforderlichen Bewilligung zu verhindern. Um hier gleich einem möglichen Einwand zu begegnen: die Tatsache, dass in Hamburg auch derzeit durchaus Genehmigungen gem. § 14 Abs. 1 DSchG-HH für aus wissenschaftlicher Sicht sachgerecht durchgeführte archäologische Ausgrabungen an graduierte ArchäologInnen vergeben werden, ändert am soeben gemachten Punkt gar nichts, sondern verschlechtert ganz im Gegenteil die Sachlage nur noch weiter. Denn – und das ist ein ganz zentraler Punkt – das Recht, Genehmigungen gem. § 14 Abs. 1 DSchG-HH erteilt zu bekommen, sofern sie erforderliche, verhältnismäßige und erfüllbare Genehmigungsvoraussetzungen erfüllen, steht keineswegs nur graduierten ArchäologInnen zu, sondern ist ein allgemeines Recht, das allen Bürgern gleichermaßen zusteht. Wird durch die Anwendungspraxis der zuständigen Stelle dieses Recht also derart massiv eingeschränkt, dass nur solche Personen eine Genehmigung erteilt bekommen können, die ein Archäologiestudium abgeschlossen haben, während alle anderen Personen eine solche Genehmigung unter gar keinen Umständen erteilt bekommen können, dann wird dadurch der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt; d.h. die Anwendungspraxis wäre verfassungs- und damit ihrerseits rechtswidrig. Daher zeigt gerade die Tatsache, dass aus wissenschaftlicher Sicht sachgerecht durchgeführte Ausgrabungen von graduierten ArchäologInnen durchaus gem. § 14 Abs. 1 DSchG-HH genehmigt werden, dass es bei dieser Anwendungspraxis nicht um die Verhinderung rechtswidriger Ausgrabungen geht, sondern vielmehr um die Verhinderung solcher Ausgrabungen, die aus wissenschaftlicher Sicht in nicht sachgerechter Weise durchgeführt werden bzw. bei denen wenigstens von der zuständigen Stelle befürchtet wird, dass sie – selbst wenn man sie genehmigen und damit zu rechtmäßigen Grabungen machen würde – in nicht sachgerechter Weise durchgeführt werden würden. Die Anwendungspraxis des § 14 Abs. 1 und 3 DSchG-HH durch das Archäologische Museum Hamburg zielt also nicht darauf ab, das gesetzlich Verbotene zu verhindern, sondern vielmehr darauf, das aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht Unsachgemäße zu verbieten. Begriffliche Unterscheidung: rechtswidrige und unsachgemäße Grabungen Es ist nun meiner Meinung nach enorm wichtig zu verstehen, dass wir, wenn wir über Raubgrabungen sprechen, eigentlich mit zwei unterschiedlichen Begriffspaaren operieren, die in Bezug auf ihre Bedeutung nicht deckungsgleich sind. Wir haben nämlich einerseits das Begriffspaar der rechtmäßig und der rechtswidrig durchgeführten Grabung und andererseits das Begriffspaar der sachgemäß und der unsachgemäß durchgeführten Grabung. 192 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Das erste dieser Begriffspaare ist jenes, das der umgangssprachlichen Bedeutung des Begriffs Raubgrabung entspricht, die in der Wikipedia und – wenigstens sinngemäß – im Duden zu fassen ist. In diesem Sinn ist eine Raubgrabung eine Grabung, die widerrechtlich, d.h. entgegen geltender gesetzlicher Bestimmungen, durchgeführt wird. Das zweite dieser Begriffspaare ist jenes, das der fachsprachlichen Bedeutung des Begriffs Raubgrabung entspricht, wie sie in der Fachliteratur aber auch der Gesetzesbegründung und Gesetzeshandhabung durch die zuständigen staatlichen Einrichtungen zu fassen ist. In diesem Sinn ist eine Raubgrabung eine Grabung, die aus wissenschaftlicher Sicht unsachgemäß durchgeführt wird. Zwar ist es in der Wirklichkeit zugegebenermaßen oft so, dass sich die Bedeutungsinhalte der beiden Begriffspaare miteinander überschneiden: viele, wenn nicht die meisten, rechtswidrig durchgeführten Grabungen werden auch tatsächlich nicht sachgemäß durchgeführt. Auch das Gegenteil trifft in der Wirklichkeit zumeist zu: viele, wenn nicht sogar die meisten, rechtmäßig durchgeführten Grabungen werden auch tatsächlich sachgemäß durchgeführt. Dennoch, die Überschneidung der Bedeutungsinhalte der beiden Begriffspaare ist nicht exakt: es gibt auch – wenn auch vielleicht vergleichsweise selten – Grabungen die zwar rechtswidrig, dafür aber sachgemäß, durchgeführt werden. Und auch das Gegenteil trifft wenigstens manchmal zu: es gibt auch Grabungen, die zwar rechtmäßig, dafür aber nicht sachgemäß, durchgeführt werden. Die Bedeutungsinhalte dieser beiden Begriffspaare mögen sich also ähneln und oftmals überschneiden, sie sind aber eben nicht bedeutungsgleich; sondern meinen – wenigstens manchmal – unterschiedliche Grabungen. Diese Unterscheidung zu berücksichtigen ist von fundamentaler Wichtigkeit, sowohl für unsere Verwendung des Begriffs der Raubgrabung als auch und noch viel mehr für allfällige Überlegungen, wie man die Archäologie besser vor Schaden schützen kann. Denn letztendlich geht es beim archäologischen Denkmalschutz ja nicht primär darum, ob irgendwelche Handlungen nun rechtswidrig oder rechtmäßig sind, sondern darum, dass die noch erhaltene Archäologie möglichst effektiv vor vermeidbarem Schaden geschützt wird. Das ist letztendlich der Grund, warum wir in unserem fachlichen Gebrauch des Begriffes Raubgrabung eben nicht darauf abstellen, ob eine Grabung nun rechtmäßig oder rechtswidrig, sondern ob sie aus wissenschaftlicher Sicht sachgemäß oder unsachgemäß durchgeführt wurde. Die in Denkmalschutzgesetzen enthaltenen Vorschriften, die eine Grabung entweder zu einer rechtmäßigen oder zu einer rechtswidrigen Grabung machen, sind aus unserer Sicht nur Mittel zum Zweck; dienen dazu sicherzustellen, oder sollen wenigstens dazu dienen, dass, wenn eine Grabung durchgeführt wird, sie sachgemäß und nicht unsachgemäß durchgeführt wird, um unnötigen Schaden an der und für die Archäologie zu vermeiden. Ob hingegen die Gesetze eingehalten werden, darum sollen sich Juristen kümmern. Uns interessieren die Gesetze nur, solange dadurch das von uns gewünschte archäologische Schutzziel erreicht wird; wie ja ebenfalls schon weiter oben in aller Deutlichkeit gezeigt wurde. Wird es das nicht, dann sind unserer Ansicht nach die Gesetze falsch; dann müssen wir sie eben im Notfall durch unsere Anwendungspraxis richtigmachen, auch wenn wir damit Grund- und Menschenrechte Anderer verletzen (cf. Karl 2016a; und siehe auch oben zur Hamburger Auslegungspraxis des DSchG-HH). Wo gehobelt wird, da fliegen eben Späne. Dieser Punkt – dass, wenn wir den Begriff Raubgrabung verwenden, wir nicht etwa widerrechtlich durchgeführte Grabungen meinen, sondern vielmehr aus wissenschaftlicher Sicht unsachgemäß durchgeführte Grabungen, die wir verhindern wollen; und dass das Gesetz für uns nur Mittel zum Zweck ist, dieses Ziel zu erreichen – ist wichtiger, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Denn es weist uns diese Erkenntnis, dass es uns nicht darum geht, dass sich irgendwer an die Gesetze hält, 193 Was ist eigentlich eine Raubgrabung? sondern darum, dass die Archäologie möglichst nicht zu Schaden kommt, den Weg zu einer vielleicht besseren Lösung des „Raubgrabungsproblems“ als die, die wir bisher zu implementieren versucht haben. Der derzeitige Lösungsversuch für das „Raubgrabungsproblem“ Unser bisheriger Lösungsversuch für das „Raubgrabungsproblem“ war, wie schon die Ausführungen weiter oben (Seiten 33-85) und nicht zuletzt das gerade diskutierte Beispiel aus Hamburg zeigt, möglichst alle Grabungen einer gesetzlichen Genehmigungspflicht zu unterwerfen. Dadurch, dass wir bzw. die staatlichen Stellen, die für den archäologischen Denkmalschutz zuständig sind, gewisse Grabungen erlauben und damit alle anderen – eben die nicht erlaubten – Grabungen verbieten können, haben wir uns erhofft, archäologische Funde und Befunde vor nicht sachgemäß durchgeführten Ausgrabungen schützen zu können. Die Idee hinter diesem Lösungsversuch ist an sich eine sehr simple und nicht völlig abwegige: man prüft auf Basis eines Genehmigungsantrags, ob eine Grabung, die eine beliebige Person durchführen will, von dieser so geplant wurde, dass man annehmen kann, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach sachgerecht durchgeführt werden wird und keinen unnötigen Schaden an der Archäologie anrichtet. Je nachdem, wie diese Vorprüfung ausgeht, erlaubt oder verbietet man dann die Durchführung dieser konkreten Grabung. Probleme mit Genehmigungspflichten Leider gibt es damit in der Praxis eine ganze Reihe von Problemen. Auf viele davon, wie z.B., dass es eventuell rechtlich gar nicht möglich ist, alle Grabungen und archäologischen Entdeckungsversuche einer allgemeinen Genehmigungspflicht zu unterwerfen, weil dadurch in der überwiegenden Mehrheit aller Fälle die Forschungsfreiheit des (für Deutschland) Art. 5 Abs. 3 GG bzw. (für Österreich) Art. 17 StGG in verfassungswidriger Weise beschränkt würde (siehe dazu Karl 2016b; 2017a) und eine solche auch von den derzeit geltenden Denkmalschutzgesetzen in der Regel gar nicht vorgesehen ist, wurde bereits weiter oben (Seiten 8-85) ausführlich erläutert. Es genügt daher an dieser Stelle, dass ich mich auf die zwei wesentlichsten praktischen Probleme konzentriere. Das erste und vermutlich in der Praxis häufigere Problem ist, dass ein gewisser und wenigstens aus archäologischer Sicht nicht unbedeutender Anteil der Bevölkerung – eben die „Raubgräber“ im Sinn von Personen, die rechtswidrig graben bzw. archäologische Funde und Befunde unter Einsatz technischer Suchgeräte zu entdecken versuchen – die notwendigen Genehmigungsanträge entweder erst gar nicht stellt oder – falls doch – die Nichterteilung der Genehmigung ignoriert und einfach trotzdem sucht und gräbt. Wie groß dieser Anteil genau ist, braucht uns hier nicht näher zu beschäftigen, weil es jedenfalls in Österreich mehrere Tausend und Deutschland deutlich mehr als Zehntausend sind (siehe dazu schon Karl & Möller 2016). Diese Art von „Raubgräbern“ will selbstständig nach archäologischen Funden suchen, aus welchen Gründen und Motiven auch immer, und tut das auch, egal was wir wollen und egal was unsere Denkmalschutzgesetze derzeit zur Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit dieses Handelns sagen. Das zweite und in der Praxis zwar glücklicherweise seltener vorkommende, aber letztendlich weit fundamentalere, Problem ist, dass kein auch noch so ausgefeiltes System zur Genehmigung von Grabungen und sonstigen Entdeckungsversuchen sicherstellen kann, dass genehmigte und damit rechtmäßige Grabungen auch tatsächlich sachgerecht durchgeführt werden. Zwar kann man Personen, die eine Genehmigung beantragen, bis zu einem gewissen Grad dadurch motivieren, ihre archäologischen Handlungen tatsächlich halbwegs sachgerecht durchzuführen, indem man sie damit bedroht zukünftige Anträge nicht mehr zu genehmigen, wenn sie die zuvor genehmigten Grabungen nicht sachgerecht durchführen. Aber das nützt – meistens – nur bei graduierten, professionellen 194 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? ArchäologInnen, deren Lebensunterhalt bzw. deren weitere Karriere eventuell davon abhängt, auch in der Zukunft weiterhin Feldforschungen bewilligt zu bekommen. Gegen „Raubgräber“ im zuletzt genannten Sinn, also gegen Personen, die auch ungeniert rechtswidrige Grabungen durchzuführen bereit sind, nutzt das hingegen genau gar nichts. Das Einzige, was man also durch das Vorab-Genehmigungssystem erreicht, ist, dass man jene, die nach archäologischen Funden und/oder Befunden graben wollen, in zwei Gruppen spaltet: jene die rechtmäßig und jene die rechtswidrig graben. Die, die rechtmäßig graben, müssen deswegen aber immer noch nicht sachgemäß graben, selbst wenn sie in der Zukunft weitere Genehmigungen bekommen wollen; weil zum einen die Drohung ihnen zukünftig keine mehr zu erteilen in der Praxis gar nicht so leicht umzusetzen ist; und zum anderen eine halbwegs sachgemäß aussehende Dokumentation einigermaßen leicht zu fälschen ist. Wenn überhaupt, erwischt man damit also die Dummen. Allerdings ist, wenn sie unsachgemäß gegraben haben, der Schaden schon angerichtet und man kann sie, nachdem sie ja rechtmäßig gegraben haben, in der Regel nicht einmal mehr für den angerichteten Schaden bestrafen; wenigstens solange sie nicht enorm offensichtlich Genehmigungsauflagen verletzt haben. Eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Denkmals ist in diesen Fällen naturgemäß ebenfalls unmöglich, ob eine solche nun (rechtlich) erzwingbar wäre oder nicht. Die hingegen, die rechtswidrig graben, kann man zwar bestrafen, wenn man sie erwischt; aber was ist damit erreicht? Den an der Archäologie angerichteten Schaden behebt die Strafe nicht; noch hat, wie zahllose Beispiele von verurteilten und bestraften, aber weiterhin aktiven, „Raubgräbern“ zeigen, eine Strafe in der Regel eine abschreckende oder belehrende Wirkung auf die Bestraften. Wenn überhaupt, lernen solche „Raubgräber“ dadurch, wie sie sich besser der Bestrafung entziehen, oder wie sie ihre Rolle als „Opfer staatlicher Verfolgung“ in der „Sondler-Szene“ zu barer Münze machen können. Und wenn die, die rechtswidrig gegraben haben, aus wissenschaftlicher Sicht sachgemäß gegraben haben, was bringt es, sie zu bestrafen? Der Sinn des Genehmigungsverfahrens, wenigstens aus archäologischer Sicht, ist ja schließlich, zu erreichen, dass die beantragte Grabung nicht unsachgemäß durchgeführt wird; und dieser Sinn wurde in einem solchen Fall auch ganz ohne Durchführung des Genehmigungsverfahrens erreicht. Eine archäologisch nutzbringende Veränderung des archäologisch sachgemäßen Verhaltens des Bestraften lässt sich also durch seine Bestrafung nicht erreichen, sondern bestenfalls eine seines Bürokratieregelbefolgungsverhaltens. Die Vertrauenswürdigkeit des Antragstellers als relevantestes Kriterium Vorab-Genehmigungssysteme bringen daher konkret zum Schutz der Archäologie sehr wenig. Letztendlich – und damit kämpfen in der Praxis alle unsere derzeitigen Genehmigungssysteme – wird im Genehmigungsverfahren nämlich nicht die geplante Grabung, sondern hauptsächlich die Vertrauenswürdigkeit des Antragstellers beurteilt. Natürlich spielt die Sinnhaftigkeit des beantragten Projekts eine gewisse Rolle in der Entscheidung; und natürlich wird ein Antrag, in dem offensichtlich unsachgemäße Maßnahmen beantragt werden oder der offensichtlich vollkommen inkompetent verfasst ist, abgewiesen. Aber vorausgesetzt, das beantragte Projekt ist halbwegs sinnvoll und die im Antrag ausgeführte, geplante Vorgehensweise nicht offensichtlich unsachgemäß, d.h. zeugt der Antrag wenigstens am Papier davon, dass der Antragsteller einigermaßen kompetent sein dürfte; ist die einzige Frage, die wirklich relevant ist, die: kann man bei diesem konkreten Antragsteller darauf vertrauen, dass er die beantragten Maßnahmen tatsächlich sachgerecht durchführt oder kann man das nicht? 195 Was ist eigentlich eine Raubgrabung? Das ist letztlich eine persönliche Beurteilung des Antragstellers, weshalb auch die meisten Denkmalämter im deutschen Sprachraum Genehmigungen vorzugsweise, wenn nicht sogar ausschließlich, an Personen erteilen, die dem Amt schon persönlich bekannt sind oder wenigstens durch irgendwelche anderen als einigermaßen verlässlich beurteilte Charakteristika als mutmaßlich vertrauenswürdig ausgewiesen werden; wenn sie sich das nicht sogar, wie das österreichische BDA, in das Gesetz zu schreiben lassen versucht haben. Solche vertrauenserweckenden Charakteristika sind z.B. wenigstens ein archäologischer Studienabschluss oder, noch besser, eine aufrechte Affiliation mit einer anerkannten archäologischen Institution, wie z.B. eine Anstellung als Archäologe bei einer Universität, einem Museum oder wenigstens einer Grabungsfirma. Fehlen solche vertrauenserweckenden Eigenschaften oder, noch schlimmer, zeichnet sich der Antragsteller durch Eigenschaften aus, die vertrauensreduzierend wirken, wie z.B., dass der Antragsteller jemand ist, der keinerlei erkennbare, förmliche fachliche archäologische Ausbildung genossen hat, oder gar jemand, den man bei der zuständigen Stelle verdächtigt, ein Metallsucher bzw. „Raubgräber“ zu sein, muss er wenigstens persönlich vorsprechen oder bekommt gleich generell eine abschlägige Antwort. Dass Genehmigungssysteme, die letztendlich auf der Beurteilung der „charakterlichen Eignung“ von Antragstellern beruhen, inhärent problematisch sind, bräuchte man eigentlich gar nicht erläutern; ich tue es trotzdem in aller gebotenen Kürze. Die Probleme beginnen schon damit, dass der Staat bzw. dessen zuständige Stellen damit ein ganz fundamentales Misstrauen gegenüber allen Bürgern zum Ausdruck bringen: Bürger müssen erst einmal einen Beweis dafür erbringen, dass man ihnen vertrauen kann, statt das man ihnen vorerst einmal – d.h. bis zum Beweis des Gegenteils – vertraut, dass sie sich nicht gemeinschaftsschädigend verhalten werden. Das schafft nicht gerade ein Klima des Vertrauens und zeugt nicht unbedingt von gegenseitigem Respekt und macht solche Genehmigungssysteme schon allein deshalb einigermaßen kontraproduktiv: der Staat beginnt sozusagen eine Beziehung, die beiderseitigen Vertrauens bedarf, mit einem deutlich ausgedrückten und damit die andere Seite durchaus verletzen oder wenigstens verstören könnenden Misstrauensvotum. Noch problematischer ist jedoch, dass Beurteilungen dieser Art, gleichgültig wie sehr und ehrlich sich die, die sie vornehmen, um Objektivität bemühen, immer hochgradig subjektiv und damit von persönlicher Sympathie bzw. Antipathie, persönlichen Vorurteilen des Beurteilenden etc. abhängig sind. Jede Art der Beurteilung, die nicht völlig anonymisiert erfolgt, wird, ob nun bewusst oder unbewusst, durch solche durch und durch subjektiven Faktoren beeinflusst; die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit einer Person durch eine andere Person hängt nahezu ausschließlich von solchen Faktoren ab. Etwas, das – im besten Fall – für Außenstehende wie „Freunderlwirtschaft“ wirkt, wenn nicht sogar – im schlechtesten Fall – aufgrund des der Beziehung zwischen Antragsteller und Antragsbeurteiler inhärenten Machtgefälles eine vollständige Unterwerfung unter die Willkürhoheit des Beurteilers erforderlich macht, ist zwingende Folge davon. In diesem Zusammenhang ist es durchaus verständlich, dass sich die meisten zuständigen Stellen lange Zeit aus dieser – auch für jene, die solche Beurteilungen vornehmen müssen, höchst unangenehmen – Situation zu stehlen versucht haben, indem sie einfach ganzen „verdächtigen“ Personengruppen die Genehmigungsmöglichkeit a priori verweigert haben (siehe dazu die bereits oben diskutierte Pressemitteilung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.10.2016, https://rp.baden-wuerttemberg.de/rps/Abt3/Seiten/pressemitteilung.aspx [9/10/2016], in der wörtlich gesagt wird: „Hobby-Sondengänger können grundsätzlich keine Nachforschungs-Genehmigung erhalten, denn das öffentliche Interesse, die Denkmalsubstanz für auch künftige Generationen zu erhalten, überwiegt das private Hobby-Interesse an Nachforschungen.“). Andere, wie z.B. das Archäologische Museum Hamburg, tun das auch noch derzeit, indem sie die 196 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Erteilung einer Genehmigung an „gewöhnliche Bürger“ von einer unerfüllbaren Voraussetzung abhängig machen und sich somit deren charakterliche Beurteilung ersparen können. Schließlich kommt noch hinzu, dass solche Genehmigungssysteme für einen bedeutenden Anteil der potentiell dadurch Betroffenen hochgradig abschreckend sind. Gerade bei einer letztendlich auf die „Eignung der Person“ abstellenden (Über-) Prüfung wirkt hier schon die ganz normale und weit verbreitete, allgemeine Prüfungsangst nicht wenig abschreckend. Noch abschreckender wirken solche Genehmigungserfordernisse aber auf Personen, die entweder ganz allgemein oder auch aus schlechten persönlichen Erfahrungen entweder ganz generell misstrauisch sind oder wenigstens dem Staat und/oder staatlichen Behörden misstrauen; die sich schlecht in bestehende Systeme oder Hierarchien einordnen können oder das ganz allgemein nicht wollen; die „Einzelgänger“ sind; sozial kompliziert sind oder sich gar mit Archäologie bzw. (auch) auf archäologische Denkmäler ausgerichteter Feldarbeit beschäftigen, um persönliche bzw. psychologische Probleme zu verarbeiten oder zu kompensieren. Gerade Letztere dürften aber, wie Jungs (2010) nicht unwesentliche Erkenntnisse erbracht habende Studie über die sogenannten „Heimathirsche“ deutlich herausgestellt hat, einen nicht vernachlässigbaren Anteil der möglicherweise von solchen Genehmigungsverfahren Betroffenen darstellen. Im Endeffekt scheiden Genehmigungsverfahren daher nicht so sehr Projekte, sondern Leute, in solche, die dürfen, und solche, die nicht dürfen. Sich einem solchen Verfahren zu unterwerfen ist für solche Leute recht einfach, die mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen können, dass sie die beantragte Genehmigung auch tatsächlich erteilt bekommen werden, z.B. graduierte Archäologen. Für alle anderen Leute, vor allem solche, die befürchten (müssen), dass ihr Antrag (und damit auch sie als Individuum) vermutlich abgelehnt werden, ist es alles andere als das. Letztere haben drei Möglichkeiten: gleich ganz aufzugeben und ihre archäologischen Interessen nur passiv auszuleben, das Risiko der Ablehnung eingehen oder ihren archäologischen Interessen rechtswidrig nachzugehen. Man verhindert durch Genehmigungsverfahren also nicht rechtswidrige Grabungen, sondern trägt eher dazu bei, dass es mehr davon gibt als eigentlich nötig, ob diese rechtswidrigen Grabungen nun sachgemäß durchgeführt werden oder nicht. Notwendige Genehmigungsverfahren: Schutz für die Zukunft Das soll nun nicht heißen, und sollte auch nicht so interpretiert werden, dass ich grundsätzlich gegen Genehmigungspflichten und Genehmigungsverfahren bin, ganz im Gegenteil sind diese auch meiner Ansicht nach bis zu einem gewissen Grad notwendig; nämlich wenn es um Grabungen und sonstige invasive archäologische Feldforschungen geht, die auf solchen Bodendenkmälern durchgeführt werden, die längerfristig in situ erhalten werden sollen, wie das z.B. bei Grabungsschutzgebieten oder auch bei gemäß dem konstitutiven Prinzip (DGUF 2013, 2) unter Denkmalschutz gestellten Fundstellen der Fall ist. In diesen Fällen, bei denen es in den Worten von Art. 2 Z ii der Valletta-Konvention tatsächlich darum geht, „die von künftigen Generationen zu untersuchenden Zeugnisse der Vergangenheit zu erhalten“ (CoE 1992), erlauben Genehmigungspflichten sicherzustellen, dass in der Gegenwart geplante invasive Handlungen nicht für zukünftige Forschungen reservierte Quellen zerstören. In den für gegenwärtig geplante Eingriffe in solche reservierten archäologischen Denkmale dann tatsächlich notwendigen Genehmigungsverfahren – schließlich geht es dabei darum, ob etwas, das eigentlich langfristig erhalten werden sollte, jetzt wenigstens teilweise zerstört werden darf – hat eine staatliche Stelle die für diese gegenwärtigen Untersuchungen sprechenden bzw. diese notwendig erscheinen lassenden Gründe (wie z.B. die Beantwortung dringlicher wissenschaftlicher Forschungsfragen, die nahzeitig zu erwartende, unvermeidliche Zerstörung des konkret betroffenen 197 Was ist eigentlich eine Raubgrabung? Bodendenkmals durch natürliche oder humangenerierte Gefahren etc.) gegen die Gründe, die für die langfristige, möglichst unveränderte Erhaltung des betreffenden Denkmals sprechen, abzuwägen. Überwiegen in dieser Abwägung die Gründe, die für die Durchführung der geplanten Maßnahmen in der Gegenwart sprechen, ist dieser Antrag zu genehmigen, überwiegen hingegen die Gründe, die für die langfristige Erhaltung dieses Denkmals sprechen, ist der Antrag abzuweisen; und zwar gänzlich ohne Anschauung der charakterlichen Eignung der Person, die ihn gestellt hat. Solche Genehmigungsverfahren sind also notwendig, weil es bei ihnen nicht um die Verhinderung unsachgemäßer Eingriffe geht, sondern um die Verhinderung aller Eingriffe, egal ob diese nun sachgemäß oder unsachgemäß durchgeführt werden würden; weil man die betroffenen Denkmale so unverändert als möglich für zukünftige Untersuchungen erhalten möchte. Es werden dabei also die Bedürfnisse der Gegenwart mit den möglichen oder mutmaßlichen Bedürfnissen der Zukunft abgewogen und das macht ein formelles, staatliches Beurteilungsverfahren notwendig. Nicht, weil man dem Einzelnen, der jetzt etwas tun möchte, nicht vertraut, dass er das, was er machen will, auch richtig machen wird, sondern weil man sicherstellen möchte, dass nicht durch die Summe aller jeweils für sich betrachtet durchaus sachgemäßen und sinnvollen Einzelhandlungen kumulativ so viel vom Gesamtbestand der Bodendenkmäler verloren geht, dass dadurch künftige Generationen jedweder Möglichkeit beraubt werden, diese selbst mit dann adäquat erscheinenden Methoden zu untersuchen. Diese Gesamtbetrachtung ist für den Einzelnen, der konkrete Interessen in der Gegenwart verfolgt, oft weder möglich noch kann sie von allen Bürgern erwartet werden, weshalb der Staat hier – sozusagen als Sachwalter der Interessen künftiger Generationen (auch wenn deren Rechtsstatus und damit die Existenz irgendwelcher rechtlicher Schutzgüter „der Zukunft“ fraglich ist, siehe dazu Krischok 2016, 132-3) – bis zu einem gewissen Grad steuernd eingreifen muss. Diese Funktion des Staates und dadurch begründete staatliche Genehmigungspflichten für invasive archäologische Untersuchungen auf für zukünftige Forschung reservierten Denkmalen kann aber meiner Ansicht nach nicht allzu weit ausgedehnt werden, schon gar nicht auf alle archäologischen Funde und Fundstellen. Das liegt daran, dass auch der Staat nicht wissen kann, was künftige Generationen wirklich wollen werden und welche Interessen sie haben werden und daher der Schutz der „Interessen künftiger Generationen“ notwendigerweise spekulativ ist: ja, es kann sein, dass künftige Generationen archäologische Fundstellen und Funde mit neuen, besseren wissenschaftlichen Methoden, als sie uns heute zur Verfügung stehen, untersuchen werden wollen; aber es kann nahezu genauso gut sein, dass künftige Generationen an einer wissenschaftlichen Archäologie überhaupt kein Interesse mehr haben und daher das „alte Zeug“ bloß aus dem Weg geräumt haben wollen oder sogar in einem „Antikensturm“ alle Zeugnisse der Vergangenheit einfach vernichten. Beispiele für Versuche genau das zu erreichen gibt es ja sowohl aus der Vergangenheit als auch aus der Gegenwart mehr als genug. Laurajane Smith (2006) hat in ihrer Analyse des sogenannten autorisierten Denkmaldiskurses klar gezeigt, dass unsere stetigen Verweise auf die angeblich von uns Fachleuten vertretenen, schützenswerten Interessen „der Vergangenheit“ und „künftiger Generationen“ in Debatten über Rechte an und den Umgang mit Denkmalen nicht mehr als rhetorische Mittel sind, um die wenigstens ebenso berechtigten Interessen derzeitiger Menschen, insbesondere solcher, die nicht Fachleute sind, aus dem Diskurs auszuschließen. Das ermöglicht es, die „Interessen der Gegenwart“ weitgehend zu ignorieren, somit die gewöhnlichen Menschen der Gegenwart zu entrechten und zu entmachten und stattdessen alle Macht über Denkmale zu entscheiden für uns selbst zu monopolisieren: wir tun so, als ob wir die einzigen legitimen Vertreter der Interessen „der Vergangenheit“ und „zukünftiger Generationen“ wären, die in Entscheidungen über die Nutzung von Denkmalen die einzig relevanten Interessen sind (Smith 2006, 29). 198 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Nun ist es jedoch so, dass nicht einmal zum Schutz der tatsächlich bekannten Interessen der Allgemeinheit der Gegenwart die Rechte Einzelner vom Staat willkürlich und uneingeschränkt beschränkt werden dürfen: der Staat selbst ist dabei durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlicher Reaktion beschränkt (Pieroth et al. 2015, 72-6; Berka 1999, 156-67). Dieser Grundsatz erfordert vom Staat, dass der von ihm durch Erlassung eines Gesetzes verfolgte Zweck überhaupt als solcher verfolgt und die von ihm eingesetzten Mittel eingesetzt werden dürfen; die eingesetzten Mittel zur Erreichung des Zwecks geeignet und dazu auch erforderlich sind (Pieroth at al. 2015, 72); und „der Eingriff bzw. die Beeinträchtigung, die der Eingriff für den Einzelnen bedeutet, und der mit dem Eingriff verfolgte Zweck in recht gewichtetem und wohl abgewogenen Verhältnis zueinander stehen“ (Pieroth et al. 2015, 73). Daher sind schon zum Schutz tatsächlich bekannter, gegenwärtiger Allgemeininteressen an der Erhaltung von Denkmalen Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG; für Österreich bedingt Art. 7 B-VG und Art. 2 StGG, siehe Berka 1999, 142), die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG; Art. 5 StGG) und vor allem die vorbehaltlose Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG; Art. 17 StGG), wie sie staatliche Genehmigungspflichten darstellen (siehe dazu z.B. Berka 1999, 344), sehr vorsichtig abzuwägen und können bei weitem nicht so weitreichend ausgelegt werden, wie wir ArchäologInnen das gerne hätten (siehe dazu auch z.B. VG Wiesbaden 3.5.2000, 7 E 818/00(V), 9). Die – noch dazu gänzlich unbekannten – Allgemeininteressen künftiger Generationen können daher keinesfalls viel weitreichendere Einschränkungen der berechtigten Interessen von Einzelnen der Gegenwart rechtfertigen (in diesem Sinn auch Krischok 2016, 132-3). Es mag zwar durchaus legitim sein, dass der Staat – eben auf Basis einer, wie oben dargestellt, generalisierenden Gesamtbetrachtung des bekannten Denkmalbestandes – eine gewisse Selektion vornimmt, um eine mehr oder minder repräsentative „Reserve“ von – derzeit als besonders interessant oder wertvoll (zur Wertfrage siehe schon weiter oben und ebenfalls Smith 2006, 29-30; Krischok 2016) erscheinenden – Denkmalen beiseite zu legen, um für den möglicherweise eintretenden Fall Vorkehrung zu treffen, dass künftige Generationen Denkmale mit mutmaßlich besseren als den heutigen Forschungsmethoden untersuchen wollen. Doch ist gerade auch in diesem Fall die Verhältnismäßigkeit der daraus resultierenden Eingriffe in derzeit tatsächlich bestehende Einzelinteressen zu beachten, wobei klarerweise bei einer Abwägung möglicher zukünftiger Allgemeininteressen mit derzeit tatsächlich bestehenden Einzelinteressen den Letzteren ein deutlich höheres Gewicht einzuräumen ist als den Ersteren. Daraus folgt aber nun, dass man nicht einfach zur Wahrung der Interessen künftiger Generationen die invasive, und schon gar nicht die nicht invasive, Untersuchung aller archäologischen Fundstellen, inklusive solcher, die noch nicht einmal bekannt sind, einer allgemeinen Genehmigungspflicht unterwerfen kann. Eine solche Genehmigungspflicht für alle archäologischen Handlungen ist keinesfalls mit den tatsächlich bestehenden, berechtigten Interessen derzeitiger Menschen verhältnismäßig und daher sicherlich nicht zu rechtfertigen (ganz im Gegensatz zur oben zitierten Behauptung des Regierungspräsidiums Stuttgart; vgl. dazu ebenfalls Krischok 2016, 129-38). Eine gezielt ausgewählte Reserve lässt sich vertreten, solange dadurch die Rechte derzeitiger Menschen nicht übermäßig beschränkt werden, aber bezüglich dessen, was darüber hinausgeht, werden die künftigen Generationen selbst für sich sorgen müssen. Ein alternativer Lösungsvorschlag für das „Raubgrabungsproblem“ Statt also mit einem in der derzeitigen Praxis weitgehend wirkungslosen und zum Schutz der Interessen künftiger Generationen nur bezüglich einer repräsentativen Auswahl von archäologischen Denkmalen notwendigen Genehmigungssystem zu arbeiten, rege ich an, einen anderen Weg zu gehen. 199 Was ist eigentlich eine Raubgrabung? Zentral für meine weiteren Erwägungen ist dabei, dass in unserem innerfachlichen Gebrauch für die Verwendung des Begriffs Raubgrabung nicht die Tatsache entscheidend ist, ob eine Grabung rechtmäßig durchgeführt wurde, sondern vielmehr ob sie sachgemäß durchgeführt wurde. Dies ist der Fall, weil derzeit die Begriffe rechtmäßige und sachgerechte Grabung nicht gleichbedeutend sind, sondern die Antwort auf die Frage, ob eine Grabung rechtmäßig durchgeführt wurde, praktisch ausschließlich davon abhängt, ob sie mit oder ohne Genehmigung durchgeführt wurde (wobei, wie die obigen Beispiele gezeigt haben sollten, in vielen Fällen aufgrund des Bestehens mehrerer Auslegungsmöglichkeiten der gesetzlichen Bestimmungen nicht einmal ohne einschlägige Rechtsprechung eindeutig entschieden werden kann, ob für eine bestimmte Grabung eine Genehmigung erforderlich ist); nicht von der Antwort auf die Frage, ob sie sachgemäß durchgeführt wurde. Um das derzeit somit bestehende Problem zu lösen, dass es rechtmäßig aber unsachgemäß durchgeführte und sachgemäß aber rechtswidrig durchgeführte Grabungen geben kann, erscheint es sinnvoll, statt ungenehmigten Bodeneingriffen archäologisch unsachgemäße zu verbieten und statt genehmigten Bodeneingriffen archäologisch sachgemäß durchgeführte zu erlauben. Dabei gehört meiner Ansicht nach zur Sachmäßigkeit eines Eingriffs selbstverständlich auch, dass dieser, wenn er ein geschütztes archäologisches Denkmal oder ein Grabungsschutzgebiet betrifft, an dessen langfristiger Erhaltung als Reserve für die Erforschung durch zukünftige Generationen ein mittels konstitutivem Prinzips (DGUF 2013, 2) festgestelltes öffentliches Interesse besteht, nur mit der zu diesem Zweck vorgesehenen Genehmigung erfolgt. Auf diese Weise bringt man den Bedeutungsgehalt der Begriffe rechtmäßige und sachgemäße sowie rechtswidrige und unsachgemäße Grabung in Übereinstimmung und vermeidet damit einerseits unnötige terminologische Verwirrung; und kann andererseits rechtliche Instrumente schaffen, die es der archäologischen Denkmalpflege tatsächlich erlauben, das Verhalten von Personen, die invasive archäologische Bodeneingriffe vornehmen wollen, in einer Weise zu steuern, die es gestattet, sich dem eigentlichen Ziel der archäologischen Denkmalpflege wenigstens stärker als bisher anzunähern. Tatsächlich kann man auf diesem Weg sogar noch weitergehen und nicht nur invasive archäologische Bodeneingriffe, also Maßnahmen, die letztendlich auf die Entdeckung und Bergung archäologischer Überreste im Boden abzielen, sondern alle Bodeneingriffe den gleichen, den Schutz des archäologischen Erbes bezweckenden, Instrumenten unterwerfen. Gesetzliche Mindeststandards für archäologisch sachgemäße Bodeneingriffe Dies erreicht man meiner Meinung nach am besten dadurch, dass man gesetzliche Mindeststandards für die Dokumentation und Bergung von (archäologischen) Funden und Befunden festsetzt, die verbindlich einzuhalten sind, gleichgültig aus welchem Grund diese Funde und Befunde angetroffen werden. Dass die standardgemäß angefertigten Dokumentationen den zuständigen staatlichen Stellen, d.h. in Österreich dem BDA und in Deutschland der jeweils örtlich zuständigen Stelle, in ausreichend qualitativer (idealerweise elektronischer) Kopie zu deren amtlicher Nutzung zu übermitteln sind, versteht sich von selbst und bedarf daher keiner weiteren Ausführung. Diese Mindeststandards sollten natürlich nicht direkt in Gesetzestexten genauer ausgeführt, sondern vielmehr in ergänzenden Verordnungen durch das jeweils zuständige Denkmalamt genauer spezifiziert werden (das hat den Vorteil, dass Änderungen des Standes der archäologischen Dokumentations- und Bergetechnik berücksichtigt werden können, ohne dafür das Gesetz selbst ändern zu müssen). Sie dienen dazu, zu bestimmen, ob bei einem Bodeneingriff angetroffene archäologische Funde und Befunde sachgemäß und damit rechtmäßig dokumentiert und soweit nötig 200 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? geborgen wurden oder ob der vorgeschriebene Standard nicht eingehalten wurde und die betreffenden Handlungen daher rechtswidrig waren. Um die Einhaltung dieser Mindeststandards möglichst zu erleichtern, wären diese – sozusagen kontextspezifisch – in Bezug auf die einzuhaltende Dokumentationsgenauigkeit und -detailliertheit sowie die bei der gegebenenfalls notwendigen Bergung anzuwendende Vorsicht zu staffeln. So zum Beispiel wären für Bodeneingriffe, die nur seicht und kleinflächig in den Erdboden eingreifen und nur bereits modern stark gestörte Böden (wie modern durchpflügte Acker- oder durch Baumwurzelwachstum und andere biogene Störungen veränderte Waldbodenschichten) betreffen, weniger genaue und detaillierte Dokumentation erfordernde Mindeststandards vorzusehen; z.B. nur die Aufzeichnung von möglichst exakten Fundstellenkoordinaten (wie das heutzutage mit jedem Smartphone mit GPS-Lokalisierungsfunktion möglich ist), eine kurze schriftliche Beschreibung der genaueren Fundumstände und eine oder einige aussagekräftige Fotografien. Diese qualitativ niedrigsten Mindeststandards könnten gleichzeitig auch für die Aufnahme von Oberflächenfunden vorgeschrieben werden, die ja ebenfalls wichtige archäologische Informationen enthalten können, um auch deren sachgemäße Dokumentation für möglichst nutzbringende Fundmeldungen zu gewährleisten. Für an sich nur seichte, aber großflächigere Bodeneingriffe wären hingegen schon genauere und detailliertere Dokumentationen und Bergestandards erforderlich; für tiefergehende Bodeneingriffe, die unter die Untergrenze des modern stark gestörten Oberbodens eindringen, hingegen Standards, die etwa den schon derzeit bestehenden Grabungsrichtlinien des österreichischen Bundesdenkmalamtes (BDA 2016a) bzw. der deutschen Landesämter für Denkmalpflege (landesspezifische Versionen von VLA 2006) entsprechen. Erforderlichenfalls könnte zusätzlich als Ersatz für die derzeitigen NFG-Pflichten für großflächigere oder tiefergehende Bodeneingriffe auch noch ein staatliches Lizensierungssystem vorgesehen werden (dazu noch später genauer Seiten 224-226). Eine solche Staffelung ist einerseits aus Sicht der Anwendungspraxis erforderlich, weil man vom durchschnittlichen Finder von Oberflächen- und Oberbodenfunden gar nicht sinnvoll erwarten und verlangen kann, dass er eine, modernen, wissenschaftlichen Grabungsstandards entsprechende, Dokumentation anfertigt und bewegliche Kleinfunde mit der gleichen Vorsicht und Professionalität birgt wie dafür eigens langjährig ausgebildete Archäologen oder gar Konservatoren. Sie ist aber andererseits auch aus archäologischer Sicht sinnvoll, weil es wissenschaftlich wenig bis gar nichts bringt, Oberflächen- und Oberbodenfunde in der gleichen Genauigkeit zu dokumentieren und mit der gleichen Vorsicht zu bergen wie stratifizierte Funde und Befunde in „ungestörten“, tiefer gelegenen Bodenschichten (siehe dazu z.B. Bayer et al. 2013). Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von gestaffelten Mindeststandards Die Staffelung von gesetzlichen Mindeststandards entspricht auch dem Verhältnismäßigkeitsgebot staatlicher Reaktion: selbst der geringste Mindeststandard stellt aus rechtlicher Sicht einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG (und deren österreichisches implizites Äquivalent) dar, weil dadurch FinderInnen von Oberflächen- und Oberbodenfunden gesetzlich vorgeschrieben wird, dass sie den entdeckten Fundgegenstand nicht einfach, wie es ihnen gefällt, mitnehmen dürfen, sondern eben bei seiner Entdeckung bestimmte Handlungen setzen müssen, wodurch ihnen die Unterlassung dieser Handlungen verboten wird. Dieser Eingriff ist allerdings sowohl erforderlich als auch geeignet, das gesetzliche Schutzziel – die sachgemäße Dokumentation und Bergung von Bodenfunden, die für derzeitige und künftige archäologische Untersuchungen notwendig ist – auch tatsächlich zu erreichen und beschränkt die Handlungsfreiheit auch nur soweit, als zum Erreichen dieses Ziels tatsächlich notwendig ist. 201 Was ist eigentlich eine Raubgrabung? Gleichermaßen ist der Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG bzw. Art. 17 StGG durch gestaffelte Standards sowohl verhältnismäßig als auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt: die Wissenschaftsfreiheit des Einzelnen wird durch ihre Vorgabe nur soweit beschränkt, als dies unbedingt notwendig ist, um die Wissenschaftsfreiheit aller anderen derzeitigen und künftigen Personen, welche die entdeckten Funde und Befunde wissenschaftlich untersuchen wollen, zu schützen. Dieser Schutz ist in diesem Fall deshalb notwendig, weil bei jeder solchen Entdeckung bzw. Bergung – im Minimum – die Kontexte der entdeckten Funde und Befunde verändert oder zerstört sowie die Bodenbefunde selbst aller Wahrscheinlichkeit nach auch physisch zerstört werden. Damit wird durch die Handlungen der einen Person allen anderen die Möglichkeit genommen, diesen Zustand selbst zu entdecken, um ihrerseits daraus wissenschaftliche Erkenntnis zu gewinnen. Um diesen Anderen die Erforschungsmöglichkeit dieser konkreten Situation nicht gänzlich zu nehmen, ist es daher notwendig, die aus derzeitiger wissenschaftlicher Sicht relevant erscheinenden Informationen über diese Funde und Befunde während ihrer Veränderung bzw. Zerstörung sachgemäß zu dokumentieren und zu bergen; d.h. diese durch sachgemäße Dokumentation und Bergung für die Erforschung durch Dritte zu erhalten. Dieser Eingriff in die Handlungs- und Forschungsfreiheit des Einzelnen ist jedoch – aufgrund der entsprechenden Staffelung der Mindeststandards – jeweils so gering als unbedingt notwendig. Es wird dem Einzelnen weder (außer auf für Forschungen künftiger Generationen in Reserve gehaltenen archäologischen Denkmalen bzw. Grabungsschutzgebieten) die Verpflichtung auferlegt, seine Handlungen bzw. wissenschaftlichen Forschungen nur mit staatlicher Genehmigung durchzuführen (siehe zur Unzulässigkeit einer generellen Genehmigungspflicht, die die freie Wahl des Forschers über Gegenstände und Methoden seiner Forschung einschränkt, Berka 1999, 344), noch ihm aus derzeitiger wissenschaftlicher Sicht unnötige Verpflichtungen aufgetragen. Das Einzige, was vom Einzelnen verlangt wird, ist, dass er seine Handlungen in einer Weise dokumentiert und allfällige Bergungen mit der Vorsicht durchführt, die es Dritten ermöglicht, die vom Einzelnen vorgenommenen Handlungen nachzuvollziehen und die vom Einzelnen gemachten Entdeckungen bzw. die dabei aufgezeichneten relevanten Informationen und allfällig geborgenen Gegenstände in ihrer eigenen Forschung verwerten zu können, weil diese wenigstens ungefähr so vorliegen, wie sie diese auch selbst aufgezeichnet hätten, wenn sie die Entdeckung selbst gemacht hätten. Gleichberechtigten Bürgern Verantwortung übertragen Dadurch, dass man derartige, gestaffelte Mindeststandards verbindlich vorschreibt und archäologische Funde und Befunde betreffende Handlungen (gleichgültig, was mit diesen Handlungen bezweckt wird) dann als rechtmäßig betrachtet, wenn sie diesen Mindeststandards folgen, wird nicht nur eine Deckungsgleichheit der Bedeutungen rechtmäßige und sachgemäße und rechtswidrige und unsachgemäße Grabung erreicht, sondern auch die Verantwortung derartige Handlungen sachgemäß auszuführen den Bürgern selbst übertragen, und zwar völlig unbeachtlich ihrer Person. Ob Bürger – gleichgültig ob es sich bei ihnen um graduierte ArchäologInnen oder beliebige andere Personen handelt – rechtmäßig handeln, wenn sie archäologische Funde und Befunde entdecken, hängt bei einer derartigen Lösung ausschließlich davon ab, ob sie diese bei der Entdeckung sachgemäß behandeln. Wer archäologische Funde und Befunde rechtmäßig entdecken und bergen will, aufgrund der Natur seiner Handlungen erwarten muss (z.B. weil er eine Baumaßnahme auf einem Grundstück durchführen will, auf dem mit dem Vorkommen archäologischer Überreste im Boden zu rechnen ist) oder auch nur zufällig und unerwartet auf solche stößt, hat selbst dafür zu sorgen, dass die vorgeschriebenen Mindeststandards auch tatsächlich eingehalten werden. Das bedeutet zum Beispiel konkret, dass Metallsucher, die Kleinfunde aus dem Boden bergen wollen, sofern sie dies nicht auf für die Zukunft reservierten Fundstellen tun wollen, keine Genehmigung durch 202 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? eine staatliche Stelle benötigen würden wie das in Österreich (und auch z.B. Bayern) ja schon derzeit der Fall ist. Sie wären jedoch – genau wie jeder andere auch – dazu verpflichtet, wenn sie bei der Ausübung ihres Hobbys Kleinfunde auf der Erdoberfläche oder im Boden entdecken – und zwar völlig unbeachtlich dessen, ob dies jetzt prähistorische, mittelalterliche oder neuzeitliche archäologische Funde wären – diese und alle dabei entdeckten Befunde entsprechend der vorgeschriebenen Mindeststandards zu dokumentieren und zu bergen. Sofern sie sich bei ihren Handlungen ausschließlich auf den Oberboden beschränken, müssen sie sich nur an die geringsten Standards (eben die für Oberflächen- und Oberbodenfunde) halten, damit ihre Handlungen rechtmäßig sind. Dringen sie jedoch tiefer in den Erdboden ein, müssen sie die entsprechend genaueren und detaillierten Grabungsstandards einhalten, die auch für jede sonstige archäologische Ausgrabung in weitgehend ungestörten Bodenschichten gelten, um rechtmäßig zu handeln. Wie sie sich die dazu nötigen Kenntnisse und Kompetenzen aneignen, bleibt ihnen selbst überlassen: relevant ist nur, dass sie sie haben müssen, um rechtmäßig handeln zu können. Will also ein Metallsucher auch Funde aus tieferen Bodenschichten als dem Oberboden bergen, muss er entweder selbst lernen, sachgemäße archäologische Grabungen entsprechend den dafür vorgeschriebenen Mindeststandards auszuführen, oder für solche Bergungen eben Dritte finden, z.B. graduierte Archäologen, die grabungsstandardgemäß graben können, die das für ihn machen. Das Gleiche gilt dann auch für die Baufirma bzw. den Bauherrn, der weiß oder vermuten muss, dass bei von ihm durchgeführten Erdarbeiten archäologische Funde und Befunde angetroffen werden könnten oder auch nur bei diesen zufällig auf diese stößt: will er rechtmäßig handeln, muss er entweder selbst die Grabungsmindeststandards einhalten oder entsprechendes Personal anstellen, das diese Standards einhalten und die notwendigen Ausgrabungen sachgemäß durchführen kann. Aber nicht nur das, das Gleiche gilt dann natürlich auch für jede von graduierten Archäologen, Grabungsfirmen, Universitäten, Museen etc. durchgeführte archäologische Ausgrabung: diese ist rechtmäßig, wenn sie sachgemäß durchgeführt wird; wird sie hingegen nicht sachgemäß durchgeführt, dann ist sie genauso verboten und damit rechtswidrig wie die unsachgemäßen Grabungen von Metallsuchern oder Baufirmen. Was zählt, ist also, völlig unbeachtlich dessen wer die Grabungen vorgenommen hat, nicht ob diese genehmigt waren, sondern nur, ob sie sachgemäß waren (was, bei für die Zukunft reservierten Fundstellen, auch die Einhaltung der dafür geltenden Genehmigungspflichten und gegebenenfalls bei Lizensierungspflicht für tiefere und großflächigere Eingriffe das Vorliegen der erforderlichen Lizenz beinhaltet): alle sind vor dem Gesetz gleich, weil ausschließlich relevant ist, ob das gesetzliche Schutzziel durch die Handlungen erreicht wurde oder nicht. Wenn es erreicht wurde, war die Grabung rechtmäßig, wenn es hingegen nicht erreicht wurde, war sie rechtswidrig und damit in beiden eingangs genannten möglichen Bedeutungen dieses Begriffs eine Raubgrabung. Gestaffelte Sanktionen für Mindeststandardunterschreitung Wählt man diesen Weg, ist es natürlich dann auch erforderlich, gesetzliche Sanktionen für rechtswidrig durchgeführte Grabungen (und potentiell auch Belohnungen für rechtmäßig durchgeführte Grabungen) vorzusehen, um jene, die dazu angehalten werden sollen, sich an die vorgegebenen gesetzlichen Mindeststandards zu halten, auch entsprechend zu ihrer Einhaltung zu motivieren. Soweit Sanktionen für rechtswidrige Grabungen betroffen sind, erscheint es meiner Meinung nach angebracht, auch diese entsprechend sinngemäß zu staffeln. Dies kann z.B. bedeuten, dass man unterschiedlich hohe Strafzahlungen für fahrlässig und für vorsätzlich nicht archäologisch sachgerecht durchgeführte Grabungen vorsieht. Dabei würde eine geringere Strafhöhe für rechtswidrige Grabungen festgesetzt, die von einer Person unsachgemäß 203 Was ist eigentlich eine Raubgrabung? durchgeführt wurden, weil sie ihre Fähigkeit, diese sachgemäß durchzuführen, fahrlässig überschätzt hat (also z.B. ohne irgendeine Ausbildung genossen und irgendwelche einschlägige Erfahrung darin zu haben, archäologische Ausgrabungen durchzuführen, eine in tiefer gelegene, „ungestörte“ Bodenschichten eingreifende Grabung durchgeführt hat und daher bei objektivierter Betrachtung wissen hätte müssen, dass sie das nicht ausreichend kann). Ein höheres Strafmaß würde hingegen für rechtswidrige Grabungen festgesetzt, die von einer Person unsachgemäß durchgeführt wurden, weil sich diese nicht an die gesetzlichen Mindeststandards halten wollte (z.B. ein Schatzgräber, der in möglichst kurzer Zeit möglichst viele wirtschaftlich wertvolle Schätze aus dem Boden reißen wollte und sich daher nicht mit eventuell zeitaufwändigen, aber von den anzuwendenden Standards vorgesehenen Dokumentations- und Bergungsmaßnahmen aufgehalten hat). Oder es kann bedeuten, dass man stattdessen oder auch zusätzlich dazu die Höhe von Strafzahlungen auf Basis des Motivs variiert, z.B. für unsachgemäße Grabungen, die aus wissenschaftlichem Forschungsinteresse aber ohne ausreichende Fähigkeit zur sachgemäßen Dokumentation und Bergung durchgeführt wurden, eine geringere, für solche hingegen, die hauptsächlich oder ausschließlich aus wirtschaftlichem Profitinteresse durchgeführt wurden, eine deutlich höhere Strafe festsetzt. Oder es kann bedeuten, dass man stattdessen oder auch zusätzlich dazu die Höhe von Strafzahlungen vom mutmaßlich angerichteten Schaden abhängig macht, z.B. eine geringe Strafe für einen geringfügigen unsachgemäßen Bodeneingriff, bei dem aufgrund seiner Geringfügigkeit nur vergleichsweise wenig archäologischer Sachschaden entstanden sein dürfte (weil, wie wir schon oben gesehen haben, gerade unter einer modernen Vorstellung, wie archäologische Erkenntnis gewonnen wird, normalerweise der höchste Erkenntnisgewinn aus großflächig und systematisch untersuchten, komplex stratifizierten Fundstellen gezogen werden kann, während Einzelfunde und deren unmittelbare Kontexte gewöhnlich nur geringen Erkenntnisgewinn über die Vergangenheit gestatten), aber eine weit höhere und finanziell schmerzhaftere Strafe für maßgebliche unsachgemäße Bodeneingriffe festsetzt, bei denen aller Wahrscheinlichkeit nach auch großer archäologischer Sachschaden entstanden ist. Ebenso wäre es sinnvoll, zusätzlich zu dem oder den anderen gewählten Faktoren die Strafhöhe auch nach dem Nutzen zu staffeln, den der, der eine unsachgemäße Grabung durchgeführt hat, aus dieser gezogen hat, ziehen wollte oder wahrscheinlich ziehen dürfte. Das würde zum Beispiel bedeuten, dass der Metallsucher, der eine unsachgemäße Grabung durchgeführt hat, um einen Fund seiner Privatsammlung einzuverleiben, die er zu seinem Privatvergnügen unterhält, eine vergleichsweise geringe Strafe zahlen müsste; der Schatzsucher, der seine Funde meistbietend verkauft, eine deutlich höhere; und der Bauunternehmer, der großflächig archäologische Funde und Befunde unsachgemäß zerstören hat lassen, um sich die Kosten für die Durchführung sachgemäßer archäologischer Ausgrabungen und die daraus potentiell entstehenden Stehzeiten seiner Baustelle zu ersparen, noch viel höher, z.B. mit einer Strafzahlung bis in Höhe der dadurch ersparten Kosten oder sogar in Höhe des gesamten Bauvolumens des betreffenden Bauprojekts. Verhaltenssteuerung durch gestaffelte Mindeststandards und Sanktionen Ein derart gestaffeltes Sanktionssystem für die unsachgemäße und deshalb rechtswidrige Durchführung von Grabungen hätte nicht so sehr eine abschreckende, sondern vor allem eine verhaltenssteuernde Wirkung. Das ist in letzter Analyse das, worum es der archäologischen Denkmalschutzgesetzgebung gehen muss; nicht darum Grabungen und die Entdeckung von Archäologie zu verhindern, sondern darum, dass, wenn eine Grabung durchgeführt und dabei Archäologie entdeckt wird, diese sachgemäß dokumentiert und geborgen wird. Bestraft man die unsachgemäße Behandlung von Archäologie, und zwar umso stärker, je vorsätzlicher und 204 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? profitorientierter das geschieht, desto eher bewegt man die, die Archäologie entweder sachgemäß oder unsachgemäß behandeln könnten, dazu das Richtige zu tun. Man erreicht also auf diesem Weg eher das Ziel, Raubgrabungen (dann sowohl im archäologischen als auch im umgangssprachlichen Sinn, also unsachgemäße und rechtswidrige Grabungen) zu verhindern, als wenn man nur jenen, die eventuell Archäologie entdecken oder Grabungen durchführen wollen, verbietet das zu tun. Man erklärt jenen, die möglicherweise Archäologie entdecken oder Grabungen durchführen wollen, wie sie das richtig und damit rechtmäßig machen können, und verbietet ihnen unter Strafandrohung, es falsch zu machen. Ein solches System hat des Weiteren auch den Vorteil, dass man es nicht auf archäologische Denkmale – wie auch immer diese nun im jeweils örtlich geltenden Denkmalschutzgesetz definiert sind – beschränken muss, sondern auf alle nicht bereits sachgerecht dokumentierten Bodenfunde und Befunde ausdehnen kann. Eine allgemeine Fundmeldepflicht besteht sowohl in Österreich gem. § 388 ff. ABGB als auch Deutschland gem. § 965 ff. BGB ohnehin. Diese aus Denkmalschutzgründen um eine (einen sehr niedrigen gesetzlichen Mindeststandard, den heute jeder leicht erfüllen kann, vorsehende) Dokumentationspflicht bei Bodenfunden zu erweitern sollte daher sowohl rechtlich als auch in der Sache weitgehend unproblematisch sein. Man kann sich dadurch, dass man die Gültigkeit der Mindeststandards auf alle Bodenfunde ausdehnt, dann nämlich ersparen, sich auf Argumente darüber einlassen zu müssen, ob ein Bodenfund nun ein solcher Gegenstand ist, der gemäß der gesetzlichen Definition des relevanten Denkmalbegriffs unter diesen fällt, z.B. ausreichende geschichtliche etc. Bedeutung hat, daher den Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes unterliegt und sachgemäß zu behandeln ist, oder diesen nicht unterliegt und daher unsachgemäß verändert, zerstört oder entfernt werden darf. Der Bodenfund ist für jedermann erkennbar ein Bodenfund und daher – wenn er nicht schon entsprechend dokumentiert ist – sachgemäß zu dokumentieren und zu behandeln. Die Ausnahme für bereits sachgemäß dokumentierte Bodenfunde und Befunde ist dabei wichtig, um moderne Strom- und sonstige Leitungen, die bereits auf amtlichen Leitungsplänen verzeichnet sind, und bauliche Strukturen, die bereits auf ebensolchen Bauplänen verzeichnet sind, auf sonst fund- und befundfreien Flächen nicht ebenfalls den gleichen Standards zu unterwerfen. Dies erscheint nämlich hochgradig unnötig, selbst wenn man berücksichtigt, dass moderne Leitungspläne in der Regel bestenfalls grobe Schätzwerte über den tatsächlichen Leitungsverlauf angeben. Dennoch: diese sind ja bereits bei ihrer Verlegung bzw. Errichtung sachgerecht dokumentiert worden, das braucht man nicht mit höherer Genauigkeit zu duplizieren. Ein solches System von gestaffelten Mindeststandards und Strafen für die unsachgemäße und damit rechtswidrige Durchführung archäologischer Handlungen hat darüber hinaus schließlich auch noch den Vorteil, dass es sowohl leichter kontrollierbar als auch leichter durchsetzbar ist als die bisherige Lösung. Es gibt unter einem solchen System für jemanden, der im Feld mit Metallsuchgerät und Grabungswerkzeug und potentiell sogar Bodenfunden in der Tasche oder auf einer Baustelle, auf der archäologische Befunde und Funde vorkommen, angetroffen wird, ohne die mindeststandardkonformen Dokumentationsunterlagen vorweisen zu können, keine Ausreden. Dass jemand gar nicht nach Bodendenkmälern, sondern nur nach 1-Euro-Münzen gesucht und gegraben und daher gar nichts Verbotenes getan haben will, spielt dann keine Rolle, weil auch der Fund einer 1-Schilling-Münze am oder im Erdboden ein Bodenfund ist, den er entsprechend den geltenden Mindeststandards dokumentieren hätte müssen. Ebenso wenig zählt, dass der Baupolier gar nicht gewusst haben will, dass braune Flecken und Scherben im Boden archäologische Denkmale sind, deren sachgemäße Dokumentation er sicherzustellen gehabt hätte, weil er alle noch nicht auf Plänen 205 Was ist eigentlich eine Raubgrabung? eingetragenen Bodenfunde und Befunde entsprechend der gesetzlichen Mindeststandards behandeln hätte müssen (und gesehen wird er sie wohl haben). Es gibt auch für keine Grabungsfirma die Ausrede mehr, von der Baufirma einfach nicht genug bezahlt bekommen zu haben, um wirklich alle Befunde und Funde sachgemäß zu dokumentieren und zu bergen, weil sich der Chef um den Auftrag zu bekommen verkalkuliert und die Baufirma, ohne zu prüfen, ob zu dem Preis die sachgemäße Dokumentation und Bergung der zu erwartenden Archäologie überhaupt möglich ist, dem Billigstbieter den Zuschlag erteilt hat. Die Baufirma kann sich auch nicht darauf ausreden, nicht gewusst zu haben, dass sie dafür zu sorgen gehabt hätte, dass die Archäologie sachgemäß dokumentiert und geborgen wird – und dass das nicht zu jedem Spottpreis und in jeder beliebig kurzen Zeit möglich ist – und daher den Billigstbieter gewählt hat. Selbst der Universitätsprofessor für Archäologie hat bei seiner Lehr- und Forschungsgrabung nicht mehr die Ausrede, dass er sich verschätzt hat, was die Menge des von ihm zur Betreuung und Anleitung der Lehrgrabungsstudierenden benötigten, erfahrenen Personals betrifft, daher nicht alle davon ausreichend gut betreut waren und Anfänger nun einmal Fehler machen, was die Dokumentation und Bergung betrifft. Und schon gar nicht kann sich irgendjemand darauf ausreden, dass er ja ohnehin alles so vom Denkmalamt genehmigt bekommen hat und er daher überhaupt nichts Verbotenes gemacht hat. Keine dieser Ausreden, und auch keine der unzähligen anderen möglichen, hilft dem, der archäologische Funde und Befunde unsachgemäß behandelt hat, wenn die unsachgemäße Behandlung von Bodenfunden und Befunden verboten ist: jeder hatte die Mindeststandards zu kennen, die einzuhalten waren, und hätte dafür entsprechend Vorsorge zu treffen gehabt, dass er sie auch tatsächlich einhält. Wer es dennoch schuldhaft unterlassen hat, sein Recht diese Funde und Befunde zu entdecken und auszugraben so verantwortungsvoll auszuüben, dass die ohnehin sinnvoll gestaffelten und daher auch verhältnismäßigen und somit durchaus erfüllbaren Mindeststandards auch tatsächlich erfüllt wurden, der hat dann eben auch die Folgen, d.h. die ebenso sinnvoll gestaffelten Strafen, zu tragen. Um die gewünschten verhaltenssteuernden Effekte noch zu vergrößern kann und sollte man meiner Meinung nach sogar auch Belohnungen für die sachgemäße Behandlung archäologischer Funde und Befunde vorsehen. Dies können durchaus auch finanzielle Belohnungen sein, wenn das so gewünscht sein sollte, obgleich ich es für sinnvoller halten würde, wenigstens bevorzugt andere, d.h. nicht finanzielle, Belohnungen vorzusehen. Solche nicht finanziellen Belohnungen könnten z.B. das Recht für Finder, die von ihnen entdeckte archäologische Funde und Befunde sachgemäß behandelt haben, an geeigneten Orten anerkennend genannt zu werden (z.B. in Medienberichten, bei Objektbeschriftungen in Ausstellungen, etc.), Kopien (und seien es auch nur elektronische) wissenschaftlicher Auswertungen von und Veröffentlichungen über „ihre“ Funde und Befunde zu erhalten, und dergleichen mehr. In Ländern, in denen kein allgemeines Schatzregal für archäologische Bodenfunde gilt, ist auch zu überlegen, ob dem sachgemäßen Entdecker nicht auch als Belohnung das Alleineigentum an den entdeckten und sachgemäß behandelten Kleinfunden – und sei es nur solche, die nicht unter ein örtlich geltendes, kleines Schatzregal fallen – einzuräumen ist. Schließlich hat er bereits durch seine sachgemäße Behandlung der betreffenden Objekte bei ihrer Entdeckung bewiesen, dass er in dieser Beziehung vertrauenswürdig ist. Derartige Belohnungen würden jedenfalls meiner Meinung nach die Wahrscheinlichkeit, dass sich Personen, die archäologische Funde und Befunde entdecken oder ausgraben, an die vorgesehenen Mindeststandards halten, noch zusätzlich vergrößern. 206 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Keine perfekte, aber eine bessere Lösung Abschließend noch eine Bemerkung: natürlich wird auch bei diesem Lösungsversuch keineswegs jeder, der archäologische Funde und Befunde entdecken und ausgraben will, und auch nicht jeder, der aus anderen Gründen Erdarbeiten vornimmt, allfällig entdeckte bzw. zufällig angetroffene Funde und Befunde sachgerecht entsprechend der vorgesehenen Mindeststandards behandeln. Ebenso wird auch nicht jeder, der sich nicht an die Mindeststandards hält, wenn er Funde und Befunde vorsätzlich entdeckt oder zufällig antrifft, erwischt und bestraft werden können. Auch der hier vorgeschlagene Lösungsversuch des Raubgrabungsproblems wird also keineswegs perfekt funktionieren. Das sagt aber für sich betrachtet erst einmal gar nichts: es gibt immer Leute, die sich nicht an geltende Gesetze halten, sei es, weil sie diese gar nicht kennen, sich generell nicht um Gesetze kümmern, ihnen das konkrete Gesetz oder auch nur eine konkrete Bestimmung im konkreten Gesetz unrecht oder auch nur gänzlich egal ist. Wäre dem nicht so, gäbe es schon lange keine Verbrechen und Ordnungswidrigkeiten mehr. Gesetze sind niemals perfekt darin, menschliches Verhalten zu steuern und das, was sie zu verbieten versuchen, ganz zu verhindern. Gute gesetzliche Lösungsversuche für ein Problem kennzeichnen sich in der Regel nicht dadurch, dass sie perfekt funktionieren, sondern dadurch, dass sie besser funktionieren als alle anderen bekannten, möglichen gesetzlichen Lösungsversuche; d.h. die gewünschte Verhaltenssteuerungswirkung maximal entfalten. Im hier konkret diskutierten Fall bedeutet das, dass Denkmalschutzgesetze das Verhalten jener, die archäologische Funde und Befunde ausgraben (oder auch nur auf oder über der Erdoberfläche entdecken) könnten, egal aus welchem Grund sie das tun, möglichst dahingehend gesteuert werden sollen, dass sie diese erstens bei der Ausgrabung bzw. Entdeckung nicht unsachgemäß verändern oder zerstören und zweitens nach der Ausgrabung bzw. Entdeckung den für die archäologische Denkmalpflege verantwortlichen Stellen und damit mittelbar der archäologischen Wissenschaft und der Allgemeinheit wenigstens bekanntmachen oder, noch besser, zur Verfügung stellen. Schlussfolgerungen Durch die derzeit im deutschen Sprachraum gewählte gesetzliche Lösung; d.h. mehr oder minder restriktive Genehmigungspflichten und das mit diesen verbundene, unter Strafandrohung gestellte, Verbot, ohne eine derartige im Voraus erteilte Genehmigung nach Bodendenkmälern zu graben und/oder diese auf andere Weise zu entdecken zu versuchen; wird das Ziel bzw. die tatsächlich erwünschte verhaltenssteuernde Wirkung, dass nämlich Grabungen und Entdeckungen archäologischer Funde und Befunde sachgemäß dokumentiert und den zuständigen Stellen mitgeteilt werden, nicht bzw. nur sehr beschränkt erreicht. Denn das Gesetz sagt nur, welche Personen archäologische Grabungen und Entdeckungen zu machen versuchen dürfen, nicht wie beliebige Personen archäologische Grabungen und Entdeckungen machen sollen. Die gesetzliche Steuerungswirkung dieses Lösungsversuchs greift daher auch nur in Bezug auf die Rechtmäßigkeit, nicht in Bezug auf die wissenschaftliche Qualität geplanter Handlungen. Zwar werden sich Personen, die sich dem Genehmigungsregime unterwerfen, vermutlich an die darin geltenden Regeln – auch die Qualitätsregeln – halten. Aber für alle Personen, die – aus welchen Gründen auch immer – keine Genehmigung bekommen haben, stellt sich nicht die Frage „Wie kann ich das, was ich machen will, richtig machen?“, sondern nur die Frage „Soll ich das, was ich machen will, trotzdem machen?“. Entscheiden sie sich in dieser Frage dafür, es trotz allem zu tun, spielt wie sie es machen überhaupt keine Rolle, weil wenn sie erwischt werden, werden sie bestraft, egal wie sachgemäß sie gearbeitet haben. Für jene, die nicht dürfen – und das ist in Anbetracht z.B. der mutmaßlichen Anzahl von Metallsuchern in Deutschland und Österreich im Vergleich zu jenen, die 207 Was ist eigentlich eine Raubgrabung? eine Genehmigung erteilt bekommen haben (siehe Karl & Möller 2016), die überwältigende Mehrheit – ist also die verhaltenssteuernde Wirkung der derzeitigen gesetzlichen Lösung praktisch gleich Null. Die hier vorgeschlagene Lösung entfaltet hingegen ihre verhaltenssteuernde Wirkung auf alle gleichermaßen und auch in die tatsächlich erwünschte Richtung, weil sich unter der hier vorgeschlagenen Lösung gesetzlich verpflichtend vorgeschriebener, gestaffelter Mindeststandards samt zugehöriger gestaffelter Sanktionen allen gleichermaßen nur die Frage „Wie kann ich das, was ich machen will, richtig machen?“ stellt. Diese Frage werden wohl alle, die sich auch schon jetzt dem derzeitigen Genehmigungssystem unterwerfen, für sich so beantworten, dass sie es auch weiterhin richtig machen: diese wollen sich ja an die geltenden Regeln halten, und werden wohl auch weiterhin sachgemäß handeln. Von jenen hingegen, die derzeit ohne Genehmigung graben oder anderswie Archäologie zu entdecken versuchen, werden sich zwar sicher nicht alle an die neuen Regeln halten, aber die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein nicht unbedeutender Teil davon daran hält, ist hoch. Denn letztendlich gibt ihnen die Einhaltung der hier vorgeschlagenen Regeln etwas, was auch ihnen nützt: die Möglichkeit, das zu tun, was sie tun wollen – nämlich Archäologie ausgraben und entdecken – ohne dabei stets befürchten zu müssen, Schwierigkeiten mit den zuständigen staatlichen Stellen zu bekommen. Dadurch, dass sie eine auch erfüllbare Antwort auf die Frage „Wie darf ich?“ erhalten, nicht nur eine Antwort auf die Frage „Darf ich?“, die noch dazu oft genug „Nein!“ oder bestenfalls „Nur wenn Du erst einmal beweist, dass wir Dir vertrauen können; und auch dann nur innerhalb extrem enger Grenzen!“ ist, motiviert man sicherlich wenigstens einen gewissen Prozentsatz, meiner Vermutung nach sogar einen bedeutenden Prozentsatz, dazu die neuen Regeln zu beachten. Damit ist der hier vorgeschlagene neue gesetzliche Lösungsversuch vermutlich – ob tatsächlich, kann man natürlich erst sehen, wenn man es probiert – ein weit effektiverer und damit besserer Lösungsweg für das Problem der sogenannten Raubgrabungen. Statt jenen, die das dennoch wollen, zu verbieten Archäologie auszugraben und zu entdecken, bietet er ihnen – und uns – eine Lösungsmöglichkeit an, die jenen ermöglicht es zu dürfen und uns, das von uns eigentlich verfolgte Ziel – nämlich, dass Archäologie aus wissenschaftlicher Sicht sachgemäß behandelt wird, wenn sie entdeckt wird – besser als derzeit zu erreichen. Und das sollte, wenigstens meiner Meinung nach, unser eigentliches Ziel sein. 208 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Führerschein oder Einzelfahrterlaubnis? Ein System von sinnvoll gestaffelten Mindeststandards für die Dokumentation archäologischer Funde und Befunde, egal aus welchen Gründen sie entdeckt werden, stellt im Endeffekt nicht mehr als eine Weiterentwicklung der Meldepflichten für Funde archäologischer Denkmale dar, wie sie bereits derzeit in allen deutschsprachigen Denkmalschutzgesetzen (z.B. § 8 Abs. 1 DMSG; § 20 DSchG-BW; § 21 HDSchG) vorgesehen sind. Aus Gründen archäologischer Qualitätssicherung mag dies aber, insbesondere für geplante, archäologische Ausgrabungen oder auch generell für großflächigere und tiefergehende Bodeneingriffe aus Sicht der archäologischen Denkmalpflege nicht als völlig ausreichend erscheinen. Es ist an dieser Stelle also auch angebracht, wenigstens kurz einige Überlegungen anzustellen, ob sich auch die derzeit ebenfalls in allen deutschsprachigen Denkmalschutzgesetzen (z.B. § 11 Abs. 1 DMSG; § 21 DSchG-BW; § 22 HDSchG) vorgesehenen NFGPflichten in einer Weise weiterentwickeln lassen, die eine verhältnismäßige und auch praktikable Regelung einer Vorab-Kontrolle der Kompetenz von Personen gestattet, die maßgeblichere, potentiell archäologisch-denkmalpflegerisch relevant werden könnende, Bodeneingriffe planen; ohne gleichzeitig die nachteiligen und rechtswidrigen Folgen der derzeitigen NFG-Pflichten zu haben. Zu diesem Zweck wird hier zuerst ein Vergleich zwischen einer anderen, dem Schutz bedeutender öffentlicher Interessen dienenden Kompetenznachweispflicht und der derzeitigen NFGPflichtregelung in deutschsprachigen Denkmalschutzgesetzen angestellt, aus dem sich ein solcher Lösungsversuch potentiell erfolgreich entwickeln lässt. Die behördliche Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuglenker Um ein Kraftfahrzeug auf öffentlichen Verkehrsflächen in Betrieb nehmen zu dürfen, bedarf man einer behördlichen Erlaubnis, der Fahrerlaubnis. Diese wird in Form einer amtlichen Urkunde, dem Führerschein, ausgestellt, nachdem man eine Prüfung über seine Befähigung zum Führen eines bestimmten Fahrzeugtyps abgelegt und diese somit nachgewiesen hat (https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BChrerschein [30.1.2017]). Dass man eine solche Fahrerlaubnis braucht, hat auch guten Grund: dem Statistischen Bundesamt zufolge gab es z.B. 2015 in Deutschland insgesamt 2.516.831 polizeilich erfasste Verkehrsunfälle. Bei 2.211.172 davon kam es lediglich zu Sachschäden, bei 305.659 auch zu Personenschaden. Dabei wurden 396.891 Verunglückte registriert: 3.450 Verkehrstote, 67.706 Schwer- und 325.726 Leichtverletzte (https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/TransportVerkehr/ Verkehrsunfaelle/Verkehrsunfaelle.html [30.1.2017]). Nachdem das Kraftfahrzeugfahren Fahrer selbst und andere maßgeblich gefährdet, ist es selbstverständlich, dass Fahrer zuerst einer Kompetenzprüfung unterzogen werden, ehe man sie selbstverantwortlich fahren lässt. Der Staat versucht dadurch, bedeutende Rechtsgüter seiner BürgerInnen – nämlich Eigentum, Leib und Leben – vor ernsthafter Gefährdung durch inkompetente Fahrer zu schützen. Zugegebenermaßen: ich spreche nicht aus eigener Erfahrung, denn ich habe nie Autofahren gelernt und auch keinen Führerschein, was für einen Archäologen durchaus ungewöhnlich ist. Dennoch: soweit ich das verstanden habe, darf man, wenn man den Führerschein hat, jedes Fahrzeug des entsprechenden Typs mit Erlaubnis seines Eigentümers frei in Betrieb nehmen und im Rahmen der Straßenverkehrsregeln benutzen, wie es einem gefällt. Einen besonderen Grund für eine Ausfahrt brauchen Führerscheininhaber nicht: es spielt keinerlei Rolle, ob sie das Fahrzeug in Betrieb nehmen, um damit eine unbedingt erforderliche Fahrt durchzuführen, z.B. das kranke Kind zum nächsten Arzt zu fahren, oder einfach nur aus Lust am Autofahren, um vollkommen sinnlos hundert Runden um den Block zu fahren. 209 Führerschein oder Einzelfahrterlaubnis? Dabei gibt es kein allgemeines Recht auf das private Fahren, es ist auch nicht generell „notwendig“, um von reinen „Lustfahrten“ erst gar nicht zu reden. Die private Nutzung von Kraftfahrzeugen mag bequemer und manchmal billiger sein als öffentliche Verkehrsmittel oder die Anheuerung professioneller Kraftfahrzeugführer (z.B. Taxifahrer). Aber, wie ich als jemand weiß, der bisher gut ohne das selbstständige Kraftfahren überlebt hat und auch auf eine einigermaßen erfolgreiche Karriere in einem Berufsfeld, in dem man ohne Führerschein nur schwer einen Job bekommt, zurückblicken kann: es geht auch ohne. Die private Nutzung von Kraftfahrzeugen richtet auch maßgebliche Schäden an: der Privatverkehr verursacht nicht nur den Großteil der schon genannten Unfälle, sondern auch Umweltverschmutzung durch die Fahrzeugproduktion, im Betrieb Abfallprodukte, Abgase, Feinstaub, etc., um von Schäden durch austretende Schadstoffe bei Tankstellen etc. gar nicht erst zu reden, genauso bei der Fahrzeugentsorgung und trägt auch zur Ausbeutung nicht erneuerbarer natürlicher Ressourcen bei. Die weitgehend uneingeschränkte private Nutzung von Kraftfahrzeugen schädigt also Mensch und Umwelt maßgeblich; darunter auch mittelbar die kulturelle Umwelt, d.h. auch (archäologische) Kulturgüter, die Straßen, Pipelines und Autofabriken weichen müssen oder mittelbar Folgen der Umweltverschmutzung zum Opfer fallen. Dennoch: jeder Mensch, der einen Führerschein hat, darf so viele „Lustfahrten“ unternehmen, wie es ihm gefällt, solange er sich nur dabei an die geltenden Verkehrsregeln hält; wenigstens meistens. Wir wissen schließlich alle, dass praktisch jeder gelegentlich die eine oder andere Verkehrsregel missachtet. Schon 'mal falsch geparkt? Auch wenn dabei meistens nichts Schlimmes passiert: bei praktisch allen Verkehrsunfällen hat eine Übertretung von Verkehrsregeln wenigstens maßgeblich dazu beigetragen, dass es zu dem Unfall gekommen ist, wenn sie diesen nicht überhaupt erst ausgelöst hat. Was man für das Kraftfahren normalerweise nicht braucht, ist eine Einzelfahrtgenehmigung, bei der die Behörde jeweils spezifische Auflagen erteilen kann: z.B. welche öffentlichen Verkehrsflächen befahren und welche nicht befahren werden dürfen. Das ist nicht einmal für Gefahrguttransporte notwendig: deren Fahrer müssen eine spezielle Schulung absolvieren (United Nations Economic Commission for Europe 2014, 35), um den nur 5 Jahre gültigen Sonderführerschein dafür zu erhalten, und gewisse Warnschilder am Transportfahrzeug anbringen; aber sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, dürfen auch Explosiv-, Gift- und andere Gefahrenstoffe ganz ohne Einzelfahrtgenehmigung transportiert werden. Nur für Großraum- und Schwerguttransporte ist gem. § 29 Abs. 3 deutsche StVO eine behördliche Sondergenehmigung für jede einzelne Fahrt notwendig; und zwar deshalb, weil dadurch der übrige Straßenverkehr maßgeblich behindert wird und nicht jede Route zum Transport übermäßiger Güter geeignet ist. Um zur Führerscheinprüfung Klasse B antreten zu dürfen, muss man einen Theoriekurs im Umfang von mindestens 12+2 Doppelstunden (zu jeweils 45 Minuten, d.h. in Summe 21 Stunden Realzeit, siehe http://www.fuehrerschein.info/Wie_viele_Theoriestunden_sind_Pflicht%3F; Error! Hyperlink reference not valid. [31.1.2017]) und wenigstens 12 praktische Fahrstunden (= 9 Stunden Realzeit, siehe http://www.bussgeldkatalog-mpu.de/bussgeld/ fahranfaenger/fuehrerscheininfos/pflichtfahrstunden.php [31.1.2017]) absolviert haben. Ein besonderer Nachweis der körperlichen oder geistigen Eignung ist, abgesehen vom Sehtest, normalerweise nicht zu erbringen. Nur wenn der Behörde konkrete Tatsachen bekannt sind, welche die Fahreignung in Frage stellen (z.B. Behinderung, Alkoholismus, Drogenabhängigkeit, etc.), kann eine besondere Untersuchung angeordnet und nötigenfalls die Fahrerlaubnis mit zusätzlichen Auflagen erteilt oder gar verweigert werden. Solche Untersuchungen sind durch qualifizierte Mediziner und/oder Psychologen durchzuführen und haben eine gutachterliche Prognose über das künftige Verkehrsverhalten der 210 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? begutachteten Person zum Ziel (Siehe §§ 11, 13 und 14 FeV, Error! Hyperlink reference not valid.Error! Hyperlink reference not valid. [31.1.2017]). Bestehen KandidatInnen die Fahrprüfung und ist eine medizinisch-psychologische Untersuchung nicht erforderlich bzw. liegt infolge einer solchen ein positives ärztliches Gutachten vor, ist die Fahrerlaubnis zu erteilen. Der erteilte Führerschein war bis vor kurzem bis zum 70. Lebensjahr gültig (d.h. hatte ca. 50 Jahre Gültigkeit), seit 19. Jänner 2013 nur noch jeweils 15 Jahre, wobei allerdings alte Führerscheine ihre Gültigkeit bis 19.1.2033 behalten (https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BChrerschein_und_Fahrerlaubnis_(Deutschland)#Fahrerlaubni sregister; https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/4/Seite.040101.html; http://eurlex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32006L0126 [31.1.2017]). Um also in einem Boliden mit 250 kmh durch Deutschland flitzen zu dürfen, und sei es auch nur, weil man Lust dazu hat, ist alles, was man braucht, der B-Führerschein, ein Auto, das diese Geschwindigkeit erreichen kann und dafür zugelassen ist, und eine deutsche Autobahn in ausreichend gutem Zustand ohne Geschwindigkeitsbeschränkung. Das darf man nach 21 Stunden theoretischer und 9 Stunden praktischer Ausbildung, bestandenem Sehtest und Führerscheinprüfung; obwohl z.B. 2015 statistisch gesehen ca. 1 von 17 EinwohnerInnen Deutschlands in einen Verkehrsunfall verwickelt war, 1 von 207 auch körperlich zu Schaden und sogar 1 von 23.819 bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam (bei 82.175.684 Einwohnern, http://www.statistikportal.de/Statistik-Portal/de_jb01_jahrtab1.asp [31.1.2017] ergibt sich, unter der Voraussetzung, dass durch jeden polizeilich erfassten Verkehrsunfall durchschnittlich wenigstens 2 Personen betroffen sind, eine Wahrscheinlichkeit von 1:16,33, dass eine beliebige Person an einem Verkehrsunfall beteiligt ist. Die anderen genannten Verhältnisse ergeben sich durch einfache Division der Fallzahlen mit der Gesamtbevölkerung Deutschlands). In Österreich gilt – mit einigen Abweichungen wie allgemeinen Geschwindigkeitsbeschränkungen – im Wesentlichen das Gleiche. Archäologische Nachforschungsgenehmigungen Um Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung von im Verborgenen gelegenen archäologischen Kulturgütern (bzw. ‚Bodendenkmalen‘) anstellen zu dürfen, bedarf man, wie bereits mehrfach ausgeführt wurde, ebenfalls einer behördlichen Genehmigung. Nachdem die Rechtslage hier aufgrund unterschiedlicherer Regelungen in den 16 deutschen Bundesländern und in Österreich etwas komplexer ist, ist die folgende Zusammenfassung aufgrund der erforderlichen Kürze etwas vereinfacht. In nahezu allen deutschen Bundesländern und in Österreich gibt es einen verfassungsgesetzlichen Auftrag für den Staat zur Regelung des Denkmalschutzes, wobei sich allerdings Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen dafür nur auf allgemeine Kulturstaatsklauseln in Landesverfassungen und Hamburg sogar nur auf die nicht explizit grundgesetzlich festgesetzte Zielbestimmung Deutschlands als Kulturstaat stützen können (siehe dazu die Zusammenfassung in Krischok 2016, 181-184). Der (jeweilige) Staat hat somit die Pflicht, Gesetze zum Schutz von Denkmalen zu erlassen und darf dabei im Rahmen der allgemeinen Verfassungsschranken (z.B. Verhältnismäßigkeitsprinzip, Sachlichkeitsgebot) auch in Grundrechte seiner BürgerInnen eingreifen (Pieroth et al. 2015, 57-88; Berka 1999, 112-172). Insbesondere kann es durch denkmalschutzrechtliche Bestimmungen zu Eingriffen in die Eigentumsgarantie der Art. 14 GG bzw. 5 StGG und in die Wissenschaftsfreiheit der Art. 5 Abs. 3 GG bzw. Art. 17 StGG kommen. Allen Denkmalschutzgesetzen ist gemein, dass das Allgemeinwohlgut, das durch die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen vor Schaden geschützt werden soll, Denkmale im Sinne der Legaldefinition des jeweiligen Gesetzes sind (siehe zusammenfassend Martin & Krautzberger 2010, 183-245; Bazil et al. 2015, 13-29). Denkmale (bzw. Kulturgüter, etc.) sind dabei jeweils solche Sachen, 211 Führerschein oder Einzelfahrterlaubnis? denen – aus diversen Gründen, z.B. archäologischer Quellenfunktion oder als Anbindungsort individueller oder kommunaler Identitäten, etc. – eine in irgendeiner Weise „besondere“ kulturelle Bedeutung zukommt. Dadurch, dass ihnen eine derartige Bedeutung zukommt, unterscheiden sie sich von „gewöhnlichen“ Sachen und werden somit zu einem Allgemeinwohlgut, an dem und dessen Schicksal ein öffentliches Interesse besteht. Konkreter geht es bei den in allen DSchG und dem DMSG vorgesehenen archäologischen NFGPflichten (siehe zusammenfassend für Deutschland Krischok 2016, 188-192; für Österreich Bazil et al. 2015, 61-65) jeweils darum, Verluste von in Bodendenkmalen gespeicherten historischen Informationen zu verhindern bzw. möglichst zu minimieren. Schutzziel ist daher jeweils, die „teilweise oder vollständige Zerstörung der körperlichen Substanz eines Kulturdenkmals“ (Strobl & Sieche 2009, 264) zu verhindern (sinngemäß auch z.B. Viebrock 2007, 239; Kriesch et al. 1997, 24-26); wobei es zu einer Zerstörung der Substanz in der Regel nur durch Bodeneingriffe (bzw. „Erdveränderungen“ im weitesten Sinn) kommen kann. Alle DSchG und das DMSG machen daher auch Nachforschungen zum Zweck der Entdeckung von archäologischen Denkmalen von einer Genehmigung abhängig; wobei viele der gesetzlichen Bestimmungen explizit oder wenigstens implizit auch den Eventualvorsatz und in manchen Fällen auch die bloße Fahrlässigkeit miteinschließen, also auch auf Handlungen abstellen, bei denen die Entdeckung von archäologischen Denkmalen zwar nicht bezweckt, aber doch erwartet oder billigend in Kauf genommen wird. Die schon oben illustrierten rechtlichen Probleme damit (Seiten 8-118) an dieser Stelle beiseitelassend, bedeutet das konkret, dass jede Person, die gezielt archäologische Denkmale zu entdecken versucht und/oder wusste bzw. bei objektiver Betrachtung durch vernünftige Dritte wissen hätte müssen, dass sie mutmaßlich bei ihrer geplanten Handlung solche entdecken wird, einer derartigen Genehmigung bedarf, um nicht eine Ordnungswidrigkeit, wenn nicht sogar eine Straftat, zu begehen. Voraussetzung für die Erteilung dieser Genehmigung an nicht graduierte ArchäologInnen ist in Deutschland gewöhnlich, dass Antragsteller eine Art Einführungskurs (gewöhnlich von maximal ein paar Tagen Dauer, manchmal mit Feldpraxis verbunden) absolviert haben; ein Interesse an der Archäologie der Region glaubhaft machen können (z.B. Besuch einschlägiger Vorträge, etc.); glaubhaft machen können, dass sie nicht primär aus Profit- sondern aus Erkenntnisinteresse suchen (so z.B. explizit in Punkt 4.5 der Richtlinie des hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst für die Erteilung von Nachforschungsgenehmigungen (NFG) für Flurbegehungen gem. § 22 HDSchG igF durch das Landesamt für Denkmalpflege Hessen an Privatpersonen vom 25.2.2011); und sich zur Zusammenarbeit mit der staatlichen Denkmalbehörde und Einhaltung aller Vorschriften und denkmalschutzgesetzlichen Bestimmungen bereiterklären. Für die erstmalige Erteilung scheint oft, wie bereits oben ausgeführt, erforderlich zu sein, dass Antragsteller persönlich bei der zuständigen Behörde vorsprechen, damit diese ihre „charakterliche Eignung“ überprüfen kann. Erfüllen Antragsteller alle Voraussetzungen, wird die Genehmigung meist erteilt, wobei ihre Gültigkeit normalerweise auf bestimmte Gebiete (ob nun Grundstücke oder ganze Regionen) beschränkt ist und mit weiteren Auflagen (z.B. bezüglich bekannter Bodendenkmale, Waldgebiete, nicht durchpflügten Flächen etc.) verbunden sein kann. In der Praxis scheint es sich eingebürgert zu haben, dass die Genehmigung meist für ein Kalenderjahr und danach einigermaßen unproblematisch jeweils jährlich zu etwa den gleichen Konditionen verlängert bzw. neu ausgestellt wird. In Österreich hingegen ist eine Erteilung an Personen, die kein einschlägiges (archäologisches) Universitätsstudium abgeschlossen haben, entsprechend der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG nicht möglich. Explizit führt der einschlägige Gesetzeskommentar dazu aus, dass ein Antrag zur 212 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Bewilligung archäologischer Nachforschungen jedenfalls abzuweisen ist, „wenn der Antragsteller kein einschlägiges Universitätsstudium vorweisen kann“ (Bazil et al. 2015, 64). Wollen Absolventen einschlägiger Universitätsstudien, insbesondere solche, die für eine fachliche Organisation (z.B. Museum, Universität, Grabungsfirma, etc.) arbeiten, Nachforschungen zur Entdeckung von archäologischen Denkmalen durchführen, bedürfen sie ebenfalls dieser Genehmigung. Voraussetzung dafür ist der einschlägige Studienabschluss, oft auch ein Mindestmaß an praktischer Erfahrung in der Feldforschung (in leitender Position), sowie die Vorlage einer Planung des Vorhabens. Sind diese Voraussetzungen erfüllt und sprechen keine denkmalpflegerischen Gründe gegen das Vorhaben, wird die Genehmigung in der Regel problemlos erteilt. Eine persönliche Vorsprache bzw. z.B. telefonische Rücksprache mit der Behörde ist nicht erforderlich, obwohl Letzteres manchmal gerne gesehen wird. Die Genehmigung wird in solchen Fällen gewöhnlich projektspezifisch erteilt, also beschränkt auf bestimmte, durch Plan ausgewiesene, Bodenflächen. Die Gültigkeit entspricht meist der geplanten Dauer des Vorhabens oder ist ebenfalls auf Jahresfrist beschränkt, manchmal selbst bei Langzeitprojekten. Derartige Genehmigungen sind immer mit zusätzlichen Auflagen versehen. Welche Nachforschungen der Genehmigungspflicht unterliegen, variiert: in Bayern, Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen unterliegen ihr nur solche, bei denen tatsächlich Bodeneingriffe vorgenommen werden bzw. beabsichtigt sind. In allen anderen Bundesländern und in Österreich hingegen unterliegen sowohl alle mit geplanten Bodeneingriffen verbundenen Nachforschungen (z.B. Ausgrabungen, Metallsuchen) als auch manche mit nicht invasiven Prospektionsmethoden (z.B. Magnetometer, Bodenradar, Oberflächenfundsammlung) der Genehmigungspflicht, auch wenn kein Eingriff in die Substanz noch im Boden befindlicher Denkmale beabsichtigt ist. Teilweise werden sogar zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden der Genehmigungspflicht unterworfen, die im Feld nur unverständliche Rohdaten erzeugen, die erst nach Verarbeitung im Büro eine Entdeckung noch im Boden befindlicher Denkmale ermöglichen. Dabei kann es wie oben bereits genauer illustriert aufgrund von Fehlinterpretationen der gesetzlichen Bestimmungen durch Denkmalämter zu Absurditäten kommen; so z.B. in Österreich, wo die Verwendung von bodengestützten Laserscannern zur Entdeckung von Bodendenkmalen der Genehmigungspflicht unterliegt, die luftfahrzeuggestützter zum exakt gleichen Zweck hingegen nicht (BDA 2016a, 6-12). Ehe ich zu einem direkten Vergleich zwischen der Führerscheinpflicht und denkmalschutzrechtlichen NFG-Pflichten voranschreite, möchte ich an einem konkreten Beispiel, nämlich mir selbst, kurz erläutern, was diese NFG-Pflichten bedeuten. Dafür ist es notwendig, in aller Kürze meine (wichtigeren) Qualifikationen für die Durchführung von Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung von Bodendenkmalen darzustellen. Ich habe an der Universität Wien Studien der Ur- und Frühgeschichte bis zum Doktorat abgeschlossen. Dafür hatte ich 180 Semesterwochenstunden (15 Einheiten a jeweils 45 Minuten = 2.045 Stunden Realzeit) sowie zwei nicht zeitlich quantifizierte Studienabschlussarbeiten – für den ersten Studienabschnitt die sogenannte „Proseminararbeit“, publiziert als Karl 2001; für den zweiten die „Diplomarbeit“, publiziert in Karl & Prochaska 2005 – zu absolvieren, im Doktoratsstudium weitere 12 Semesterwochenstunden (= 180 Stunden a 45 Minuten Realzeit) sowie die Dissertation (Karl 2003). In nominellen Arbeitsstunden gerechnet sind das wenigstens 10.560 Stunden Ausbildungszeit. Nach Abschluss dieser Ausbildung habe ich eine archäologische Lehrbefugnis beantragt und erteilt bekommen, wofür ich eine Habilitationsschrift (Karl 2006) verfasst habe, die – Forschungszeit eingerechnet – etwa noch einmal so viele Stunden Arbeitszeit gekostet hat. Die Habilitation verleiht mir gem. Art. 17 StGG in Verbindung mit § 103 UG 2002 nicht nur die StaatsbürgerInnen generell zustehende Wissenschaftsfreiheit, sondern das darüberhinausgehende Recht der Lehrfreiheit; d.h. ich 213 Führerschein oder Einzelfahrterlaubnis? darf in meinem Fachbereich an der Universität Wien uneingeschränkt unterrichten, was auch immer ich für wissenschaftlich richtig halte. Seit 2001 arbeite ich als Archäologe in einem universitären Umfeld, seit 2008 bin ich Universitätsprofessor für Archäologie und Denkmalwissenschaft (Archaeology and Heritage). In den etwa 30 Jahren meiner bisherigen Karriere komme ich auf etwa 5 volle Arbeitsjahre reine Feldarbeitszeit (≈ 8.250 Stunden Realzeit), davon über zwei Drittel in leitender Position, zu guten Teilen bei von mir geleiteten und durchgeführten Lehrgrabungen. Meine professionelle Kompetenz wird darüber hinaus auch noch zusätzlich dadurch belegt, dass ich geprüftes Mitglied im höchsten Kompetenzrang des britischen archäologischen Berufsverbands, des Chartered Institute for Archaeologists, bin. Trotzdem ich also ca. 20.000 Arbeitsstunden mit Staatsprüfungen abgeschlossener Berufsausbildung, etwa 8.250 Stunden praktischer Felderfahrung und weitere über 20.000 Arbeitsstunden sonstiger einschlägiger Berufserfahrung habe, hätte ich z.B. in Österreich (nach bis vor kurzem angewandter Rechtsansicht des BDA; siehe dazu schon weiter oben Seiten 8-10) nicht einmal eine Feldbegehung durchführen dürfen, bei der ich mit freiem Auge erkennbare Bewuchs- und andere Bodenmerkmale archäologisch interpretiere, ohne dafür zuvor diese Nachforschung unter Angabe exakt bestimmter Bodenflächen und Beifügung einer Projektbeschreibung über Methoden und Projektablauf samt Zeitplan beantragt und nach sachverständiger Prüfung durch das BDA genehmigt bekommen zu haben (BDA 2016a, 11-12). In Baden-Württemberg dürfte ich eine solche reine Inaugenscheinnahme ohne Absicht des Aufsammelns von Oberflächenfunden vermutlich genehmigungsfrei durchführen; sollte ich jedoch statt einer bloßen Inaugenscheinnahme bei einer Begehung eine magnetometrische Prospektion durchführen oder Oberflächenfunde aufsammeln wollen, dann bräuchte ich dafür ebenfalls eine Genehmigung (Strobl & Sieche 2009, 263). Weil aber selbst das noch nicht genug des Schutzes für archäologische Denkmale zu sein scheint, gilt, wie schon oben gezeigt, diese Genehmigungspflicht nach Rechtsansicht der zuständigen Behörden nicht nur dort, wo bereits bekanntermaßen bedeutende archäologische Denkmale vorkommen (auch wenn diese Rechtsansicht der zuständigen Behörden vermutlich bzw. in Österreich sicher, wie auf Seiten 8-85 gezeigt, ihrerseits rechtswidrig ist), sondern überall. Schließlich könnten ja überall zwar noch unbekannte, aber dafür enorm bedeutende archäologische Denkmale vorkommen. Diese könnte ich (oder sonst jemand) durch meine möglicherweise unsachgemäßen – weil nicht im Einzelfall behördlich überprüften und für gut befundenen – wenngleich auch völlig zerstörungsfreien Nachforschungen zerstören. Führerschein und Nachforschungsgenehmigung im Vergleich Stellen wir nun die beiden Arten von Handlungen einander gegenüber (siehe auch Tabelle 1): Zum (privaten) Führen von Kraftfahrzeugen gibt es kein verfassungsgesetzlich garantiertes Recht, während sich Bürger für Nachforschungen sowohl auf die Wissenschaftsfreiheit von Art. 5 Abs. 3 GG bzw. 17 StGG als wohl auch auf die Eigentumsgarantie der Art. 14 GG bzw. 5 StGG stützen können. Die Genehmigungspflicht für das Kraftfahrzeugführen dient dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter, nämlich Eigentum, Gesundheit und Leben, während sich archäologische NFG-Pflichten entweder überhaupt nur auf das implizite Kulturstaatsprinzip (das insbesondere aus Wissenschafts- und Kunstfreiheit abgeleitet wird; Krischok 2016, 133-137) oder auf landesverfassungsgesetzliche Bestimmungen stützen können, in denen das Kulturstaatlichkeitsprinzip explizit oder der Denkmalschutz als Staatsziel bestimmt wird (wobei allerdings in zahlreichen Landesverfassungen, oft sogar im gleichen Artikel, die Förderung der Wissenschaft bzw. Forschung als gleichwertiges Staatsziel bestimmt werden); bzw. in Österreich überhaupt nur auf die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG. Was die Erforderlichkeit und Allgemeinwohlförderlichkeit betrifft, sind beide Handlungstypen 214 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? gleich: beides ist nicht unumgänglich erforderlich, weil man auch ohne private Kraftfahrzeugführung und ohne archäologische Nachforschungen überleben und die Gesellschaft funktionieren kann und beides teilweise förderlich für das Allgemeinwohl ist. Kraftfahrzeug lenken Nachforschungen Grundlagen Verfassungsgesetzlich garantiertes Grundrecht + Genehmigungspflicht schützt verfassungsgesetzliche Rechts- bzw. Allgemeinwohlgüter Leib und Leben + Öffentliche Sicherheit + Gesundheitsschutz + Eigentum + Kulturstaatlichkeit bzw. Denkmale + Erforderlichkeit und Allgemeinwohlförderlichkeit von privater Nutzung Private Nutzung ist unumgänglich erforderlich Private Nutzung ist allgemeinwohlförderlich teilweise teilweise Voraussetzungen Ausbildung und Qualifikationsnachweis durch Prüfung Theorieausbildung erforderlich normalerweise 21 h bis zu 14.080 h 2, 3 Praxiserfahrung bzw. -ausbildung erforderlich normalerweise 9 h variabel Prüfung erforderlich + teilweise Überprüfung der charakterlichen Eignung und Handlungsmotivation durch behördenexternen qualifizierten Facharzt in begründeten Fällen durch behördeninternen Verwaltungsbeamten + Glaubhaftmachung eines gemeinnützigen Motivs + Genehmigungseigenschaften Gültigkeitsdauer Durchschnittsbetrachtung 15 Jahre maximal 1 Jahr Durchschnittsbetrachtung professionelle Nutzung 5-15 Jahre Einzelfall Außergewöhnliche Nutzung in Sonderfällen Einzelfall Einzelfall Gültigkeitsbereich Gesamte EU und darüber hinaus + Gesamtes Bundesland in Ausnahmefällen Konkret bestimmte Flächen oder Regionen + Verbindung mit Sonderauflagen und Einschränkungen für den Einzelfall Durchschnittsbetrachtung + Bei Vorliegen konkreter Gründe + + Tabelle 1: Gegenüberstellung von Grundlagen und Voraussetzungen für und Eigenschaften von behördlichen Fahrerlaubnissen und archäologischen Nachforschungsgenehmigungen. Man sollte daher also davon ausgehen können, dass die private Nutzung von Kraftfahrzeugen, weil nicht geschützt und wichtige Rechtsgüter maßgeblich gefährdend, weit restriktiveren Bestimmungen unterworfen wäre als archäologische Nachforschungen, die weit stärker grundrechtlich geschützt sind und weit weniger bedeutende Rechtsgüter maßgeblich gefährden. Dennoch ist das genaue Gegenteil 2 Eine Ausbildung die oft nicht in ausreichender Menge zum Abdecken der bestehenden Nachfrage oder sogar gleich „aus Personalmangel“ überhaupt nicht angeboten wird (siehe z.B. Möller & Karl 2017, 5; und schon weiter oben in dieser Arbeit). 3 Die Maximalstundenzahl ergibt sich wie folgt: die Arbeitszeit für ein Vollstudium soll etwa der einer Vollzeitbeschäftigung entsprechen. Ausgehend von einer ca. 40-Stunden-Woche und (gesetzliche Feiertage und Urlaubstage abgerechnet) etwa 44 Arbeitswochen im Jahr sind das ca. 1.760 Jahresarbeitsstunden. 3 Jahre BA-, 2 MA- und 3 PhD-Studium ergeben daher maximal 14.080 Stunden nominelle Ausbildungszeit. 215 Führerschein oder Einzelfahrterlaubnis? der Fall: nicht nur sind die Voraussetzungen, die man erfüllen muss, um eine Genehmigung zum Kraftfahrzeugführen erteilt zu bekommen, weit geringer als die, die für die Erteilung einer archäologischen NFG erfüllt werden müssen, sondern die im Fall der Erfüllung dieser Voraussetzungen erteilte Fahrerlaubnis ist auch weit weniger restriktiv als Nachforschungsgenehmigungen. Während man für eine Fahrerlaubnis nur wenige Stunden allgemeinen Theoriekurs und noch weniger Fahrpraxis absolvieren und eine Prüfung bestehen muss, aber in der Regel keinen charakterlichen Eignungstest bestehen und auch kein gemeinnütziges Motiv glaubhaft machen muss, muss man für eine NFG nicht nur eine Ausbildung und seine Kompetenz zur korrekten Durchführung der konkreten, geplanten Nachforschungen nachweisen, sondern auch einen – noch dazu durch dazu vollkommen unqualifiziertes Personal durchgeführten – charakterlichen Eignungstest bestehen und die Gemeinnützigkeit seines geplanten Handelns glaubhaft machen. Dafür gilt dann die bei positivem Nachweis der erforderlichen Voraussetzungen erteilte Fahrerlaubnis automatisch im Durchschnitt 15 Jahre, praktisch weltweit, und ist in der Regel mit keinen weiteren Auflagen etc. verbunden; während die erteilte NFG in der Regel nur für ein einzelnes Forschungsvorhaben und selbst dann normalerweise auf maximal ein Jahr gilt, normalerweise nur für einigermaßen exakt bestimmte, räumlich vergleichsweise extrem eng beschränkte Gebiete, und in der Regel mit zahlreichen zusätzlichen Auflagen, Sonderregelungen oder Einschränkungen verbunden ist. Betrachtet man, wie unterschiedlich restriktiv diese Genehmigungsregeln sind bzw. von den zuständigen Behörden gehandhabt werden, müsste man zum Schluss kommen, dass in der allgemeinen Werthierarchie unserer Gesellschaft der mit Abstand höchste Wert den möglicherweise überall vorkommen könnenden, aber zumeist noch gänzlich unbekannten und den meisten Orten tatsächlich nicht vorkommenden archäologischen Denkmalen zukommt, während anderes öffentliches (bzw. Allgemein-) und privates Eigentum sowie Gesundheit, Leib und Leben von Menschen vergleichsweise minderwertige rechtliche Schutzgüter wären. Nachdem aber unsere Gesellschafts- und Rechtsordnung tatsächlich auf der genau umgekehrten Wertehierarchie aufbaut, scheint hier ein deutlicher Wertungswiderspruch vorzuliegen. Ein Gedankenspiel: Fahrerlaubniserteilung entsprechend der NFG-Vergabepraxis Um in Form eines Gedankenspiels zu illustrieren, was es bedeuten würde, wenn man Fahrerlaubnisse nach NFG-Regeln vergeben würde: Wenn eine „Privatperson“, die eine Führerscheinprüfung absolviert hat, z.B. zum Supermarkt einkaufen fahren wollte; dann dürfte sie das in Österreich überhaupt nicht; und müsste in Deutschland vor jeder geplanten Fahrt, oder mit etwas Glück auch nur einmal jährlich, beim zuständigen Amt eine Einzelfahrtgenehmigung beantragen und erteilt bekommen. In dieser Genehmigung würde ihr das Amt nicht nur die genaue Route vorschreiben, auf der sie fahren darf, sondern auch noch weitere Auflagen erteilen. Wollte diese Person zusätzlich woanders hinfahren, z.B. zur Großmutter auf Besuch, bräuchte sie dafür eine separate Genehmigung. Bevor sie irgendeine dieser Genehmigungen bekommt, müsste sie bei der zuständigen Behörde zur charakterlichen Eignungsprüfung antreten, die ein Berufskraftfahrer durchführt. Gefällt dem nicht, was diese Person sagt, kann er ihr aufgrund seiner laienhaften Beurteilung ihres Charakters die Fahrerlaubnis ohne weitere Begründung verweigern. Die behördlichen Berufskraftfahrer sehen darin auch kein Problem: wenn sich die derart amtsbehandelte Person ungerecht behandelt fühlt, kann sie schließlich bei Gericht gegen die Verweigerung der Fahrerlaubnis Klage einbringen; auch wenn ihr das wenig nutzen wird, weil das Gericht in solchen Fällen nur Berufskraftfahrer als Sachverständige zulässt, die entweder selbst für die beklagte Behörde arbeiten oder aber – weil sie ja zur Ausübung ihres Berufs auch Einzelfahrtgenehmigungen brauchen – von deren zukünftigen Wohlwollen abhängig sind. 216 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Als Begründung dafür würden die behördlichen Experten – unterstützt durch die Juristen der Behörde – etwa ausführen: es sei vorrangige Aufgabe des Staates, Eigentum, Gesundheit und Leben seiner Bürger vor Gefahren zu schützen. Vom privaten Kraftfahren gingen maßgebliche Gefahren für diese Allgemeinwohlgüter aus. Es sei auch nicht notwendig, weil Bürger öffentliche Verkehrsmittel benutzen oder Berufskraftfahrer anheuern könnten. Überhaupt ergäbe sich aus der staatlichen Genehmigungspflicht ein staatliches Vorrecht zum Kraftfahrzeugführen. Das sei notwendig, um „Lustfahrten“ zu verhindern, die unnötigen Schaden an Allgemeinwohlgütern verursachen könnten. Überhaupt wären nur Personen ausreichend zum Kraftfahrzeugführen qualifiziert, die es in einem Studium im Umfang von wenigstens 5.280 nominellen Lehrzeitstunden erlernt und auch erhebliche praktische Berufserfahrung von jedenfalls mehr als 1.760 Arbeitsstunden hätten. Das sei aufgrund der Eigenheit der Gefahren im Straßenverkehr unumgänglich notwendig: schließlich könnten überall gänzlich unbekannte und unvorhersehbare Gefahrensituationen eintreten. So kann es z.B. überall unbekannte Schlaglöcher geben, die private Kraftfahrer möglicherweise nicht rechtzeitig erkennen, daher das Fahrzeug verreißen und dadurch unnötigen Schaden auslösen; oder überall ein Kind unvermutet hinter einer Hecke hervor auf die Fahrbahn laufen und vom Fahrzeug privater Kraftfahrer erfasst und getötet werden. Nur studierte Berufskraftfahrer seien ausreichend kompetent, um in solchen Situationen richtig zu reagieren und nur den unvermeidbaren Schaden zu verursachen. Selbst die Fahrten von Berufskraftfahrer müssten einer Einzelfahrterlaubnispflicht unterworfen werden, weil auch davon immer eine gewisse Gefahr ausgehe und immer Schaden verursacht werde, z.B. durch die Emissionen des Fahrzeugs. Daher müssten auch deren Fahrten möglichst minimiert werden und könnten nur unter strengen behördlichen Auflagen und direkter Kontrolle durch die Behörde stattfinden, selbst bei Lehrfahrten. Idealerweise sollte die Benutzung von Kraftfahrzeugen ausschließlich auf unvermeidliche Fahrten von Behörden-Berufskraftfahrern beschränkt werden, weil nur dadurch der Schutz der gefährdeten Allgemeinwohlgüter wirklich gewährleistet werden könne. Oder anders gesagt: nur behördliche Berufskraftfahrer seien ausreichend kompetent, verantwortungsvoll und gemeinwohlorientiert, dass man ihnen das Autofahren erlauben kann. Bei allen anderen Bürgern, inklusive nichtamtlichen Berufskraftfahrern, ist hingegen bis zum in jedem Einzelfall neuerlich zu erbringenden Beweis des Gegenteils stets davon auszugehen, dass sie nicht ausreichend vertrauenswürdig sind, um ihnen das selbstverantwortliche Kraftfahren im Rahmen der Verkehrsregeln erlauben zu können. Was das über die Selbstsicht der behördlichen Berufskraftfahrer und die Transparenz und Bürgernähe der Behörde sagt, sollen sich geneigte LeserInnen selbst dazu denken. Die Begründung von NFG-Pflichten Betrachtet man die Begründungen für denkmalpflegerische NFG-Pflichten, entspricht die behördliche, und teilweise auch die darüberhinausgehende Argumentation professioneller Archäologen, genau dem soeben am fiktiven Beispiel der Einzelfahrerlaubnis gezeigten Muster: „Oberster Grundsatz bei der Entscheidung über eine Nachforschungsgenehmigung ist die Schonung des Bodendenkmals. Die Vorschrift hat zum Ziel, im öffentlichen Interesse zu verhindern, dass durch Nachforschungen Denkmalsubstanz vernichtet oder der Erosion preisgegeben wird. Erst an zweiter Stelle steht das Ziel, die fachgerechte Durchführung von Nachforschungen, insbesondere Grabungen sicherzustellen…“ (Viebrock 2007, 239, Hervorhebung wie im Original; sinngemäß gleich z.B. in Hönes 1995, 273; Strobl & Sieche 2009, 265; Martin & Krautzberger 2010, 852, 887-9). 217 Führerschein oder Einzelfahrterlaubnis? „Private Nachforschungen, die keine Gewähr wissenschaftlicher Methodik bieten, werden daher meist nicht genehmigt werden können, weil sie zu einer unsachgemäßen, unnötigen und unkontrollierbaren Zerstörung von Befunden führen können“ (Martin & Krautzberger 2010, 888, Hervorhebung wie im Original; wortgleich ohne Hervorhebung in Viebrock 2007, 239-40; sinngemäß gleich z.B. in Hönes 1995, 271; Strobl & Sieche 2009, 267; Davydov et al. 2016, 248). „Da es nach § 25 Abs.1 Nr. 8 [RK: DSchG Rheinland-Pfalz] Aufgabe des Landesamtes für Denkmalpflege ist, nach verborgenen Kulturdenkmälern zu forschen, enthält § 21 Abs. 1 i. V. m. § 25 Abs. 1 Nr. 8 ein Nachforschungsvorrecht des Landes, so daß Genehmigungen versagt werden können, wenn Nachforschungen ein Forschungsvorhaben des Landes gefährden würden. Hierbei besteht die Möglichkeit wegen des Erhaltungsgebots aus §§ 1 und 2 die Nachforschungen auf Rettungsgrabungen, d.h. Grabungen, die durch äußere Umstände notwendig oder sogar erzwungen werden, zu beschränken und für Forschungsvorhaben, d.h. Nachforschungen einschließlich Grabungen aus rein wissenschaftlichem Interesse keine Genehmigung zu erteilen“ (Hönes 1995, 273; nahezu wortgleich, wenngleich jeweils für die einschlägigen Paragrafen der jeweils anderen Bundesländer angepasst auch z.B. in Viebrock 2007, 238-9; Strobl & Sieche 2009, 265; sinngemäß ähnlich Davydov et al. 2016, 247). „Dies besagt jedoch nicht, daß z.B. sogenannte »Lustgrabungen« ([RK: Literaturverweis auf die zweite Auflage des Kommentars zum hessischen Denkmalschutzrecht von Dörffeldt/Viebrock; jetzt Viebrock 2007, 241-242]) zugelassen werden dürfen, auch wenn sie den hohen fachlichen Anspruch der staatlichen Auflagen erfüllen würden“ (Hönes 1995, 273; sinngemäß auch Strobl & Sieche 2009, 266; Davydov et al. 2016, 248). „Der Schutzzweck des § 1 des Gesetzes [RK: DSchG Hessen] verbietet wegen der Eigenart der Bodendenkmäler jede Gefährdung und Zerstörung von Bodendenkmälern und Befunden durch Nachforschungen“ (Viebrock 2007, 238; sinngemäß gleich z.B. Martin & Krautzberger 2010, 887). „Gegenüber den Historikern haben die Archäologen mit dem schwerwiegenden Nachteil zu kämpfen, dass ihre Quellen nicht wie Schrift- oder Bilddokumente in Archiven, Museen oder Bibliotheken liegen, die in der Regel eine Beeinträchtigung oder Zerstörung verhindern, sondern im Normalfall ungeschützt nur wenige Zentimeter unter unseren Füßen in Wald und Flur oder den historischen Stadtkernen“ (Martin & Krautzberger 2010, 851). „Ihren Aussagenwert entfalten Bodendenkmäler nur bei ungestörtem Befund. […]. Die Interpretation der Befunde als Geschichtsquelle setzt hohes Fachwissen voraus, um zutreffend zu erkennen, welche Bedeutung einem Bodendenkmal zukommt und in welchem historischem Zusammenhang es steht. Daher sind die fachgerechte und genaue Befundaufnahme, Dokumentation der angetroffenen Befunde und die damit verbundenen naturwissenschaftlichen Untersuchungen und Laboranalysen der gezielt entnommenen Proben unerlässlich. Wenn Grabungen nicht sachgerecht und ohne fachliche Kenntnisse und Erfahrungen stattfinden, geht der Informationsgehalt des Bodendenkmals als historische Quelle verloren, und zwar unwiderruflich. Die aufgefundenen Gegenstände sind dann allenfalls noch Antiquitäten, für die Forschung kaum noch zu verwenden und nur noch von geringer Bedeutung. Deshalb dürfen archäologische Grabungen nur von Fachleuten durchgeführt werden. Alle Gesetze enthalten daher einen Genehmigungsvorbehalt“ (Kriesch et al. 1997, 25-6; sinngemäß gleich auch z.B. Hönes 1995, 271-2). 218 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? „Bei der gebotenen Abwägung beider Güter mit Verfassungsrang – Kulturstaatsprinzip und Denkmalschutzauftrag einerseits und Wissenschaftsfreiheit andererseits – ist zu berücksichtigen, dass infolge der Vielzahl der durch äußere Umstände veranlassten Rettungsgrabungen eine große Fülle von Forschungsmaterial für die wissenschaftliche Forschung zur Verfügung steht ([RK: Verweis auf Planck 1991, 20-21]), so dass die archäologische Forschung grundsätzlich nicht auf zusätzliche Forschungsgrabungen im Lande angewiesen ist. Ein absoluter Forschungsstopp, der verfassungsrechtlich bedenklich wäre, tritt also durch die grundsätzliche Ablehnung reiner Forschungsgrabungen nicht ein. Den Wunsch, einzelnen konkreten Forschungsaufgaben durch Ausgrabung archäologischer Kulturdenkmale nachzukommen, steht in der Regel mit höherem Gewicht der oben dargestellte gesetzliche Auftrag zum Schutz archäologischer Kulturdenkmale vor Zerstörung gegenüber“ (Strobl & Sieche 2009, 266). „Eine besonders herausgehobene Genehmigungspflicht soll das dem Verändern eines Denkmals vorausgehende unerwünschte Nachforschen nach Denkmälern und Schätzen eindämmen“ (Martin & Krautzberger 2010, 887, Hervorhebung RK). Anders gesagt: Alles archäologische Nachforschen ist vom Staat aufgrund der davon ausgehenden Gefahren für archäologische Denkmale unerwünscht; sofern es nicht unumgänglich aufgrund zu befürchtender Schäden durch andere Ursachen notwendig ist und idealerweise von den Organen des Staates selbst durchgeführt wird. Allen anderen, selbst diplomierten, promovierten und sogar habilitierten, professionellen Archäologen, kann der Staat nicht ausreichend vertrauen, weil diese vorsätzlich oder unabsichtlich aufgrund von fachlicher Inkompetenz oder unzureichender Impulskontrolle (siehe: „Lustgrabungen“) unnötigen Schaden anrichten könnten. L’état, c’est moi Dass dabei in Deutschland nicht zwischen Personen, die kein Archäologiestudium, und solchen, die ein solches abgeschlossen haben, unterschieden wird, ist nur konsequent: schließlich sind gem. Art. 3 Abs. 1 GG alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Unterschiede zwischen Personengruppen, oder gar Ausnahmen für bestimmte Personengruppen, kann und darf es daher bei der Genehmigungspflicht archäologischer Nachforschungen nicht geben. Oder? „Ausgenommen sind Nachforschungen, die unter der Verantwortung des Landes, des Landschaftsverbandes oder der Stadt Köln (§ 22 Abs. 5) stattfinden“ (§ 13 Abs. 1 2. Satz DSchG Nordrhein-Westfalen; Davydov at al. 2016, 245). „Grabungen des BDA sind gem. Abs. 2 [RK: des § 11 DMSG] von der Bewilligungspflicht ausgenommen“ (Bazil et al. 2015, 64). „Dem § 21 Abs. 1 [RK: DSchG Rheinland-Pfalz] sollte zur Klarstellung […] folgender Satz beigefügt werden: »Nachforschungen in der Verantwortung der Denkmalfachbehörde bedürfen keiner Genehmigung.«“ (Hönes 1995, 273). „§ 21 [RK: DSchG Baden-Württemberg] gilt nicht für Nachforschungen der staatlichen Denkmalpflege selbst. Es wäre unsinnig, wenn das Landesamt für Denkmalpflege sich selbst förmliche Genehmigungen ausstellen müsste“ (Strobl & Sieche 2009, 269, Hervorhebung wie im Original). Man muss hier natürlich Heinz Strobl und Heinz Sieche bedingungslos zustimmen: es wäre tatsächlich unsinnig, wenn sich das Landesamt für Denkmalpflege selbst förmliche Genehmigungen ausstellen 219 Führerschein oder Einzelfahrterlaubnis? müsste (und würde). Aber gibt es keine anderen Möglichkeiten, die Tätigkeiten der bei den Denkmalämtern beschäftigten ArchäologInnen ebenfalls einer Genehmigungspflicht zu unterwerfen, wenn jede unnötige Nachforschung verhindert werden muss? Es ist ja schließlich nicht so, als ob es keine den Denkmalämtern amtshierarchisch (Weber 1922, 125) übergeordneten Behörden gäbe, die selbst keine archäologischen Nachforschungen anstellen, deren Amtsorgane daher auch nicht in der Sache befangen sind und die auch eine Kontroll- und Aufsichtsfunktion über die Denkmalämter ausüben sollten; und die daher nötigenfalls auch NFG-Anträge der Denkmalämter bearbeiten und je nach Notwendigkeit genehmigen oder abweisen könnten. Ebenso könnte man für diesen Zweck den Denkmalämtern als unabhängige Kontrollinstanz ein Kollegialorgan, das sich aus nicht beim jeweiligen Amt beschäftigten professionellen Archäologen und Vertretern der interessierten Zivilgesellschaft zusammensetzt – sozusagen einen „Denkmalbeirat“ – zur Seite stellen, die „Lustgrabungen“ der Denkmalämter selbst verhindern könnte. Aber das ist scheinbar nicht nötig, weil von allen Menschen auf dieser Erde gibt es glücklicherweise eine ganz kleine, elitäre Personengruppe, der man blind vertrauen kann: die bei der Behörde selbst beschäftigten Archäologen, die deshalb vertrauenswürdig sind, weil sie bei der Behörde beschäftigt sind. Diesen kann man daher vertrauen, dass sie nur nach „pflichtgemäßem“ Ermessen entscheiden, ob ein archäologisches Denkmal nun wissenschaftlich erforscht oder doch besser unerforscht (wenn auch in der Regel nicht unverändert, siehe dazu schon weiter oben Seiten 161-188) im Boden belassen werden soll. Dabei fällt mir auf: ich habe natürlich völlig vergessen, dass diese genehmigungsfrei erlaubten Nachforschungen gar nicht „private“ Nachforschungen der behördlichen Archäologen, sondern solche des Staates sind; dieser hat ja nicht nur den Auftrag, die Denkmale zu schützen, sondern seine zuständigen Behörden auch den, die Denkmale zu erforschen, und daher ein Forschungsvorrecht (Hönes 1995, 273; Viebrock 2007, 238-239; Strobl & Sieche 2009, 265; Davydov et al. 2016, 247). Dass das in der Praxis (wenigstens für leitende) behördliche Archäologen bedeutet „l’état, c’est moi“ (Ludwig XIV. zugeschrieben), ist scheinbar administrativ unvermeidlich. Hier unterstellen zu wollen, dass diese angebliche administrative Erforderlichkeit von den dadurch Betroffenen durchaus so gewollt ist, um in ihrem Revier als absolutistischer, über dem Gesetz stehender, Monarch bzw. feudalherrlicher Eigentümer autokratisch über das Schicksal aller archäologischen Denkmale entscheiden zu können, wäre eine unverschämte Böswilligkeit. Jeder solcher Unterstellung ist daher auch gleich explizit entschieden entgegenzutreten: diese Gesetzeslücke ist sicherlich bloß bisher noch niemandem aufgefallen, vor allem nicht jenen Archäologen in den Denkmalämtern selbst, die auf der Notwendigkeit der NFG-Pflicht für jede noch so zerstörungsfreie archäologische Nachforschung insistieren; außer natürlich sie führen sie selbst durch, weil es tatsächlich unsinnig wäre, wenn sie sich dies selbst formell genehmigen müssten. Ich gehe daher davon aus, dass ab sofort ebendiese behördlichen Archäologen auf die dringliche Novellierung ihrer jeweiligen Denkmalschutzgesetze drängen werden, um diese Gesetzeslücke so rasch als möglich zu schließen und auch ihre eigenen Nachforschungsvorhaben in jedem Einzelfall einer externen Erforderlichkeits- und Qualitätsprüfung zu unterwerfen. Legen wir auch das noch kurz auf die Führerscheinpflicht um: die entscheidungsbefugten BehördenBerufskraftfahrer, die Antragstellern die Einzelfahrerlaubnis allein auf Basis ihrer laienpsychologischen Beurteilung deren „charakterlicher Eignung“ verweigern können, weil zum Schutz der öffentlichen Interessen am besten überhaupt niemand außer ihnen selbst Kraftfahrzeuge führen sollte; brauchen dafür, dass sie selbst Kraftfahrzeuge führen dürfen, nicht einmal einen Führerschein, geschweige denn eine Einzelfahrtgenehmigung. Weil es wäre ja unsinnig, wenn sich ein Berufskraftfahrer, der vom Staat zur Ausstellung von Fahrerlaubnissen befugt wurde, selbst für seine „Dienstfahrten“ eine Fahrerlaubnis erteilen müsste. Die Frage “Quis custodiet ipsos custodes?” („Wer bewacht die Wächter?“; Juvenal, Satire 6.346–348) erscheint in diesem Zusammenhang wohl nicht gänzlich unangebracht. 220 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Welcher Schutz vor welchem Schaden? Es sei an dieser Stelle auch noch der Schaden verglichen, der durch die hier diskutierten Genehmigungspflichten angeblich verhindert werden soll. Bei der Führerscheinpflicht ist das vollkommen klar: Schaden an Eigentum, Gesundheit und Leben der Bürgern. Wieviel dieses Schadens alljährlich entsteht, wird nicht nur von den zuständigen Behörden des Staates systematisch erhoben. Es steht auch völlig außer Frage, dass der entstehende Schaden bedeutend ist: jährlich etwa dreieinhalbtausend Tote, beinahe 70.000 Schwerverletzte, etwa 400.000 Verunglückte, und zweieinhalb Millionen Sachschäden. Das zeigt in aller Deutlichkeit, dass das Kraftfahren tatsächlich bedeutende rechtliche Schutzgüter ernsthaft gefährdet. Ein großer Anteil des angerichteten Schadens ist auch nicht wiedergutzumachen: ein Menschenleben ist auch eine extrem begrenzte Ressource, jeder hat nämlich nur eines davon; und mit der menschlichen Gesundheit verhält es sich kaum anders. Welcher Schaden bei archäologischen NFG-Pflichten verhindert werden soll, ist hingegen weniger klar. Das beginnt schon damit, dass viele deutsche Länder und Österreich auch völlig zerstörungsfreie archäologische Nachforschungsmethoden der NFG-Pflicht unterwerfen. Wie genau richtet z.B. eine Bodenradarmessung irgendwelche Schäden an noch im Boden verborgenen archäologischen Denkmalen an? Will man nicht das absurde Argument bemühen, dass dadurch archäologische Denkmale „Raubgräbern“ bekannt und diese zu deren „Plünderung“ animiert werden könnten, gibt es keinen Grund, solche Messungen einer Genehmigungspflicht zu unterwerfen. Aber selbst was den Schaden betrifft, der angeblich durch mit Bodeneingriffen verbundene Nachforschungen angerichtet werden soll, ist die Sachlage alles andere als klar und eindeutig. Beginnen wir mit professionellen archäologischen Ausgrabungen: diese greifen zwar tatsächlich in die Substanz des betroffenen Bodendenkmals ein (siehe z.B. oben wörtlich zitiert Viebrock 2007, 239); die bei ihnen erzeugten Aufzeichnungen und geborgenen Fundmaterialen schaffen allerdings überhaupt erst wissenschaftlich und allgemeinnützlich verwertbare Informationen über das Denkmal, die ansonsten höchstens als theoretisches Potential ohne praktischen Nutzwert existieren (Karl 2017b, 6; cf. Hebert 2018, 84-5). Inwieweit durch den Substanzverlust tatsächlich maßgebliche Informationen verloren gehen, die nicht durch sachgerechte Dokumentation in gleicher Qualität, aber nutzbarer Form, erhalten bleiben, ist stark diskutierbar und nicht quantifizierbar. Man weiß schließlich nur, welche mutmaßlich signifikanten Informationen man durch die fachgerechte Dokumentation der ausgegrabenen Funde und Befunde in kopierbare Form übertragen und damit erhalten hat; nicht jedoch, ob und welche anderen, tatsächlich signifikanten Informationen in der ursprünglichen Denkmalsubstanz gespeichert gewesen sind, die man nicht ausreichend dokumentiert hat oder gar aufgrund des Fehlens der dafür nötigen Methoden überhaupt nicht erkennen und dokumentieren konnte. Ob und wieviel Schaden tatsächlich entstanden ist, kann also gar nicht beurteilt werden. Es ist daher genauso gut möglich, dass bei der Ausgrabung eines archäologischen Denkmals überhaupt kein signifikanter Schaden entsteht, oder die Ausgrabung ausschließlich Nutzen hat und gar keinen „vermeidbaren“ Schaden verursacht. Hinzu kommt noch, dass man gerade bei noch unbekannt im Boden verborgenen Denkmalen gar nicht wissen kann, ob diese durch Nichtentdeckung weniger Schaden erleiden werden: ein Denkmal in situ zu belassen bedeutet schließlich nicht, dass es dadurch vor Schäden durch andere Ursachen als die Ausgrabung gefeit wäre, wie bereits weiter oben (Seiten 166-182) genauer ausgeführt wurde. Ein heute noch „ungestörter“ archäologischer Befund kann schon morgen vollkommen unbemerkt durch den Pflug am Feld, den Harvester im Wald, den Bagger auf der Baustelle, den „Raubgräber“ oder natürliche Ursachen völlig undokumentiert zerstört werden; und tatsächlich erleiden archäologische 221 Führerschein oder Einzelfahrterlaubnis? Denkmale statistisch gesehen weit häufiger eines der letztgenannten Schicksale, als dass sie bei einer fachgerechten archäologischen Ausgrabung entdeckt werden würden. Es lässt sich also – außer vielleicht auf tatsächlich aktiv geschützten und konservatorisch gepflegten archäologischen Denkmalen (Karl 2017b, 10, 27) – durchaus argumentieren, dass der durch professionelle Ausgrabungen verursachte Schaden jedenfalls geringer ist als der, den ein unerforscht in situ belassenes Bodendenkmal ohnehin (irgendwann) erleiden wird. In diesem Fall richten professionelle Ausgrabungen überhaupt keinen maßgeblichen Schaden an, sondern sind wie bereits oben gezeigt ganz im Gegenteil die beste Methode, solchen Schaden zu verhindern. Damit bleiben eigentlich nur die leidigen, „keine Gewähr wissenschaftlicher Methodik“ bietenden, „privaten Nachforschungen“ (Martin & Krautzberger 2010, 888) bzw. „Schatz-“ oder „Raubgrabungen“. Auch bei diesen ist aber alles andere als klar, wieviel ernsthafter Schaden entsteht. Zum einen fehlt jedwede systematische Erhebung durch die deutschen Denkmalämter und das BDA, wieviel nennenswerter Schaden tatsächlich durch solche „unsachgemäß“ durchgeführten Nachforschungen entsteht (aber siehe dazu Karl 2018c); ja auch nur zur Zahl der Fälle dieses Typs, die alljährlich vorkommen. Es wird von hohen Dunkelziffern gemunkelt, aber, wenn man sich tatsächlich im Auftrag von Denkmalämtern durchgeführte Untersuchungen in anderen Ländern anschaut, z.B. in Großbritannien, stellt sich heraus, dass die Fallzahlen eher gering sind. So waren scheinbar in Großbritannien im Jahr 2008 gerade 0,41% der geschützten Bodendenkmale durch „Raubgrabungen“ betroffen, d.h. 88 Stück (Oxford Archaeology 2009, 4); und der dabei erzeugte Schaden war in der Regel gering. Betrachtet man zum Vergleich die Zahlen des britischen Portable Antiquities Scheme, so zeigt sich, dass zwar in England und Wales viele gezielte Nachforschungen zur Entdeckung von (beweglichen) Bodendenkmalen durchgeführt werden (wenigstens ca. 100.000 pro Jahr, vermutlich weit mehr), allerdings ca. 88% der gemeldeten Funde von Ackerböden stammen und über 99% mit auf 100 m2 genauen Koordinaten gemeldet wurden (Lewis 2015, 36), also wenigstens halbwegs fachgerecht dokumentiert wurden. Die überwältigende Mehrheit aller solcher Funde stammt nämlich aus der obersten Bodenschicht, die zwar ebenfalls archäologisch nicht völlig unbedeutend, aber gewöhnlich auch nicht gerade exzeptionell bedeutend ist: mehr als 90% davon sind nämlich „moderner Metallmüll“, der nicht einmal registriert wird; weil selbst die 43 für Fundregistrierungen zuständigen professionellen ArchäologInnen des PAS, obwohl sie dabei von zahlreichen Ehrenamtlichen unterstützt werden, mit der eingehenden Masse an „unbedeutenden“ Funden nicht fertig werden (Lewis 2016a, 130-131). Inwieweit die Bergung von beweglichen Kleinfunden aus dem Oberboden, überwiegend auf kultivierten Böden, die nicht als bedeutende Denkmale besonders geschützt sind, wirklich ernsthaften Schaden am Bodendenkmalbestand anrichtet, ist ebenfalls stark diskutierbar. Nun lässt sich natürlich theoretisch argumentieren, dass in Großbritannien alles ganz anders ist als in Deutschland und Österreich und daher die dortigen Zahlen nicht auf unseren Raum übertragen werden können; ebenso wenig wie die dänischen Zahlen (Dobat & Jensen 2016), die den britischen nicht unähnlich sind. Aber das wirft nur die Frage auf: wo sind dann die deutschen und österreichischen Zahlen, die belegen, dass „Raubgrabungen“ in unserem Raum ein deutlich ernsteres Problem sind als anderswo? Diese Zahlen werden nicht erhoben, sondern bestenfalls ein paar „spektakuläre“ Fälle wie jener der Himmelsscheibe von Nebra oder der des Barbarenschatzes von Rülzheim als anekdotische Evidenz beigebracht, dass es durchaus tiefe und befundschädigende „Raubgrabungen“ gibt. Was fehlt, ist jedoch jedwede Datengrundlage dafür, welcher Anteil der „Raubgrabungen“ wirklich so tief in den Erdboden eindringt, dass dadurch tatsächlich erheblicher archäologischer Sachschaden entsteht oder auch nur entstehen könnte (aber siehe dazu inzwischen Karl 2018c). 222 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Von all dem abgesehen ist es nur in den seltensten Fällen so, dass „Lustgrabungen“ (Viebrock 2007, 241-242; Hönes 1995, 273) oder auch unsachgemäße Fundbergungen durch „Privatpersonen“ bedeutende Bodendenkmale so vollständig zerstören, dass deren „Erforschung durch zukünftige Generationen“ (Europarat 1992) dadurch verhindert wird: zum einen werden professionelle Grabungen dokumentiert und selbst bei unsachgemäßen Grabungen wenigstens manche beweglichen Kleinfunde geborgen, die der künftigen Forschung daher mit größerer Wahrscheinlichkeit zur Verfügung stehen werden als die im Boden belassenen Denkmale selbst, die dort aller Wahrscheinlichkeit nach unbemerkt zerstört werden; zum anderen wird nur bei wenigen Grabungen tatsächlich die gesamte, das eigentlich wichtige archäologische Denkmal ausmachende, Fundstelle ausgegraben, sondern meistens nur (und meist, vor allem bei Grabungen durch „Privatpersonen“, nur sehr geringe) Teile davon. Natürlich werden eventuell ganze zusammenhängende Befundkomplexe, wie z.B. ein ganzes Grab, komplett ausgegraben, wie das auch die archäologische Standardmethodik erfordert, oder bei unsachgemäßen Grabungen auch Funde aus ihrem Kontext gerissen. Aber nur selten wird ein ganzes Gräberfeld, geschweige denn alle zeitgleichen Gräberfelder einer größeren Region, bei einer Grabung, ob fachgerecht oder unsachgemäß, komplett ausgegraben und daher vollständig zerstört. Dabei sind es diese größeren Zusammenhänge, in denen, wie wir schon weiter oben gesehen haben (Seiten 135-158), die wirklich bedeutenden wissenschaftlichen Informationen stecken. Ein einzelner Kontext erlaubt nur selten wirklich bedeutendere wissenschaftliche Erkenntnisse; d.h. Erkenntnisse, die über den Einzelfall hinausgehen und hohe Erklärungskraft haben. Damit bleibt an tatsächlichen Gefahren für archäologische Denkmale, die allfällige NFG-Pflichten begründen könnten, nicht viel übrig: ja, es gibt natürlich einen gewissen Schaden, wie man an den – allerdings doch eher seltenen – spektakulären Fällen sieht; die übrigens praktisch immer auch heute noch wirtschaftlich wertvolle Metallhortfunde zu betreffen scheinen (z.B. Brunecker 2008; Otten 2012, 21-25), praktisch nie hingegen eine ganz normale Freilandsiedlung, auf der jemand ein paar Fibelbruchstücke ausgegraben hat. Aber wieviel erstzunehmender Schaden am Gesamtbestand der archäologischen Denkmale durch Nachforschungen tatsächlich entsteht, lässt sich eigentlich nicht sagen. Was sich hingegen mit Sicherheit sagen lässt, ist, dass die mit Abstand größte kumulative Gefahr für die Erhaltung von archäologischen Denkmalen in situ die ganz normale Land- und Forstwirtschaft ist (siehe z.B. Trow et al. 2010; Trow & Holyoak 2014, 56); und gegen diese Schadensursache wird derzeit im deutschen und österreichischen Raum so gut wie überhaupt nichts unternommen. Auch hier haben wir also einen maßgeblichen Unterschied: während bei der Fahrerlaubnis völlig klar ist, welchen Schaden von welchen Dimensionen es zu minimieren gilt, und daher auch die Effekte von Steuerungsmaßnahmen, wie z.B. Verschärfungen von Genehmigungspflichten etc., mess- und somit auch einigermaßen objektiv beurteilbar werden; ist bei den archäologischen NFG-Pflichten oftmals nicht einmal klar, ob und wenn ja welchen Schaden sie überhaupt verhindern könnten; und noch viel weniger, ob die genehmigungspflichtigen Handlungen den ohnehin durch andere Ursachen erzeugten Schaden an archäologischen Denkmalen vergrößern oder nicht eher ganz im Gegenteil minimieren. Man arbeitet also in der archäologischen Denkmalpflege mit hypothetischen Gefahren und Spekulationen über möglicherweise entstehende Schäden, statt systematisch Evidenz zu sammeln und auf deren Basis vernünftige Gefahrenabwägungen vorzunehmen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Schlussfolgerungen Der Großteil der angeblich laut Denkmalämtern archäologischen Denkmalen durch archäologische Nachforschungen drohenden Gefahren ist höchst hypothetisch. Ob Nachforschungen im Durchschnitt überhaupt maßgeblichen Schaden an ihnen anrichten – d.h. mehr Schaden als den, der gänzlich ohne 223 Führerschein oder Einzelfahrterlaubnis? sie an den betroffenen Denkmalen entsteht, aber durch Unterlassung von Nachforschungen überhaupt nicht archäologisch dokumentiert wird und daher als Totalschaden zu betrachten ist – ist wenigstens hochgradig diskutierbar. Trotzdem haben die zuständigen Denkmalämter sich bisher nicht bemüßigt gefühlt, auch nur ernsthaft zu versuchen, den tatsächlich durch solche Nachforschungen entstehenden ‚vermeidbaren‘ Schaden an archäologischen Denkmalen in irgendeiner nachvollziehbaren Weise zu qualifizieren und vor allem zu quantifizieren. Wir wissen im Straßenverkehr von jährlich tausenden Verkehrstoten, hunderttausenden Verletzten und Millionen von Sachschäden an öffentlichem und privatem Eigentum, die geeignet sind, gesetzliche Bestimmungen wie die Fahrgenehmigungspflicht als zum Schutz der Gemeinwohlgüter Eigentum, Gesundheit und Leben erforderlich zu rechtfertigen. In der archäologischen Denkmalpflege wissen wir von vergleichbaren Gefahren und den dadurch angerichteten, tatsächlich „vermeidbaren“ Schaden durch Nachforschungen hingegen praktisch nichts. Dennoch sind die Genehmigungspflichten, denen archäologische Nachforschungen unterworfen werden, weit restriktiver als die für das selbstverantwortliche Autofahren. Genügen für die Erteilung einer behördlichen Fahrerlaubnis, die den Inhaber für die Dauer von 15 Jahren ab Erteilung dazu ermächtigt, im Rahmen der Verkehrsregeln nach Belieben ein Kraftfahrzeug auf öffentlichen Verkehrsflächen zu führen, die Absolvierung von 21 Stunden Theorie- und 9 Stunden Praxisausbildung sowie die erfolgreiche Absolvierung einer Führerscheinprüfung und eines Sehtests; ist für die Erteilung einer NFG, die den Inhaber zur Durchführung eines exakt bestimmten Nachforschungsprojekts auf exakt bestimmten Flächen für normalerweise maximal ein Jahr ermächtigt, eventuell der erfolgreiche Abschluss einer bis zu 14.080 nominelle Arbeitsstunden dauernden und mehrere staatliche Abschlussprüfungen beinhaltenden Ausbildung, über 1.760 Stunden praktische Felderfahrung in leitender Position, der Nachweis einer durch nicht fachlich dazu qualifiziertes Personal überprüften „charakterlichen Eignung“ zum, eines berechtigten Interesses am, und eines gemeinnützigen Motivs für das geplante Handeln erforderlich. All das, obwohl es kein Grundrecht auf das Kraftfahren; sehr wohl hingegen eines auf die freie, selbstbestimmte, selbstverantwortliche, nicht mehr als unbedingt notwendig durch staatliche Eingriffe beschränkte, Durchführung wissenschaftlicher Nachforschungen gibt. Archäologische Nachforschungslizenz Aus dem hier Ausgeführten folgt, dass die derzeitige Regelung archäologischer NFG-Pflichten völlig überzogen und unverhältnismäßig ist. Wenn überhaupt – und darüber ließe sich ausgiebig diskutieren – könnte eine NFG-Regelung vergleichbar der Führerscheinpflicht für das Autofahren angemessen sein. Die für den Erwerb eines „archäologischen Nachforschungsscheines“ erforderliche Ausbildung – wenn eine solche überhaupt als erforderlich betrachtet wird – könnte sich dabei durchaus am Durchschnitt dessen orientieren, was derzeit normalerweise im Rahmen eines einschlägigen Universitätsstudiums verlangt wird; d.h. z.B. eine theoretische Ausbildung im Umfang von ca. 200-400 nominellen Arbeitsstunden (bei etwa 30-60 Kontaktstunden à jeweils ca. 45 Minuten oder maximal 45 Stunden Realzeit) und etwa 160-320 Stunden tatsächlicher Feldpraxis (d.h. minimal 4 bis maximal etwa 8 Wochen Felderfahrung). Das ist deutlich mehr als für den Führerschein erforderlich ist, aber dennoch kein ganzes Universitätsstudium und daher wohl auch archäologieinteressierten Bürgern zumutbar, die selbstbestimmt und selbstverantwortlich archäologische Nachforschungen anstellen wollen. Die erfolgreiche Absolvierung eines einschlägigen Universitätsstudiums mit entsprechender Ausbildung in der Feldforschung würde selbstverständlich dann ebenfalls zur Ausstellung eines „archäologischen Nachforschungsscheines“ qualifizieren; d.h. dieser wäre auf Antrag jedenfalls auszustellen, solange keine ganz konkreten Gründe dagegensprechen. Nicht anders als der Führerschein würde ein solcher ‚archäologischer Nachforschungsschein‘ dessen Inhaber dazu berechtigen, im Rahmen der geltenden Denkmalschutzbestimmungen selbstbestimmt 224 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? und selbstverantwortlich überall dort archäologische Nachforschungen mit dem Zweck der Entdeckung (und/oder Untersuchung) von archäologischen Denkmalen durchzuführen, wo nicht aufgrund von gemäß dem konstitutiven Prinzip erlassenen Nachforschungsverboten, z.B. in den sogenannten „Grabungsschutzgebieten“, eine spezielle Ausnahmegenehmigungspflicht besteht. Solche Nachforschungsverbote wären – nicht anders als Fahrverbote etc. im Straßenverkehr – an Ort und Stelle durch entsprechende Beschilderung und/oder andere geeignete Maßnahmen auszuweisen und natürlich nur entsprechend dem Sachlichkeitsgebot zu erlassen, d.h. nur bei bereits bekannten archäologischen Denkmalen, deren Bedeutung tatsächlich mutmaßlich derartig beschaffen ist, dass an ihrer dauerhaften Erhaltung auch ein durch eigenen Verwaltungsakt festgestelltes öffentliches Interesse tatsächlich besteht und die deswegen auch durch aktive Konservierungsmaßnahmen im Feld gepflegt, d.h. vor durch andere Ursachen verursachten Schäden ebenfalls geschützt, werden. Alles andere ist nämlich nicht nur unverhältnismäßig, sondern auch aus denkmalpflegerischer Sicht kontraproduktiv: nicht durch Nachforschungen entdeckte archäologische Denkmale bleiben nämlich, wie bereits weiter oben (Seiten 161-188) gezeigt, nicht „unverändert“ im Boden erhalten, bloß, weil man sie nicht mit zerstörungsfreien oder invasiven Methoden untersucht und wenigstens jene Teile davon, die beweglich sind, birgt; sondern werden stets auch durch andere, weit größere Gefahren bedroht und auch regelhaft in weit größerer Menge vollkommen unbeobachtet zerstört, als das durch Nachforschungen – ob nun fachgerecht oder unsachgemäß – der Fall ist. Erst Nachforschungen – idealerweise fachgerecht durchgeführte – erlauben es überhaupt, bekannte und unbekannte archäologische Denkmale bzw. deren beweglichen Bestandteile bzw. die in ihnen gespeicherte historische Information dauerhaft, d.h. über den Zeitpunkt ihrer unabwendbaren Zerstörung in situ, zu erhalten und der Wissenschaft und Allgemeinheit in nutzbringender Form zugänglich zu machen. Archäologische NFG-Pflichten, die bezwecken, archäologische Nachforschungen nach archäologischen Denkmalen möglichst zu verhindern, damit die davon betroffenen Denkmale unentdeckt und unerforscht in situ verbleiben, fördern also nicht den Schutz, die Erhaltung und die Nutzbarmachung der archäologischen Denkmale, d.h. das öffentliche Interesse an den Denkmalen; sondern ausschließlich ihre unbemerkte, nicht wissenschaftlich dokumentierte und damit allgemeinwohlschädigende Zerstörung. Und das kann wohl wirklich nicht das Ziel einer vorausschauend und nachhaltig agierenden archäologischen Denkmalpflege sein. Die archäologische Denkmalpflege im deutschen Sprachraum ist akut reformbedürftig. Denn derzeit stecken die staatlichen Denkmalämter, die noch dazu viel zu häufig nach dem Prinzip „quod licet Iovi, non licet bovi“ zu agieren scheinen, den Kopf in den sprichwörtlichen Sand. Sie tun so, also ob die Verhinderung archäologischer Nachforschungen in der Gegenwart auf magische Weise dafür sorgen würde, dass die dadurch in situ belassenen archäologischen Denkmale einer zeitlich nicht näher bestimmten zukünftigen Forschung „unverändert“ erhalten blieben, während diese tatsächlich stattdessen nur durch andere, intrinsische wie extrinsische Schadensursachen zerstört werden. Dass das niemandem besonders auffällt, weil ja „unerwünschte“ (Martin & Krautzberger 2010, 887) Nachforschungen durch nicht in den Denkmalämtern beschäftigte Dritte von den Denkmalämtern möglichst verhindert werden, macht die Sache nicht besser, sondern nur noch schlechter. Denn die Denkmalbehörden versagen dadurch gleich dreifach: in ihrer Pflicht gegenüber den archäologischen Denkmalen, diese möglichst effektiv und dauerhaft vor „vermeidbaren“ Schäden zu schützen; in ihrer Pflicht gegenüber der derzeitigen und künftigen Forschung, die archäologischen Quellen möglichst dauerhaft für die Erforschung zu erhalten und zugänglich zu machen; und in ihrer Pflicht gegenüber der derzeitigen und zukünftigen Gesellschaft, in deren Auftrag und Interesse sie archäologische Denkmale möglichst allgemeinwohlnützlich verwalten sollten. 225 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Wie bereits weiter oben ausgeführt (Seiten 87-111), hat der österreichische Gesetzgeber, als er 1923 das DMSG erstmals erlassen hat, ein grundsätzlich reaktives Gesetz geschaffen, das noch dazu so gut wie ausschließlich nach dem konstitutiven Prinzip (DGUF 2013) funktionieren sollte. Bereits bekannte Sachen wurden und werden durch das DMSG nur geschützt, wenn sie vom BDA in einem eigenen Verwaltungsakt unter Denkmalschutz gestellt wurden. Zuvor noch unbekannte, „bisher verborgene Gegenstände, die infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit offenkundig den Beschränkungen dieses Gesetzes unterliegen“ (§ 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923) hingegen unterlagen einer Meldepflicht, damit das BDA von ihrer Entdeckung erfahren und sie selbst in Augenschein nehmen konnte, um sie bei Bedarf unter Denkmalschutz stellen zu können. Damit solche „offenkundigen“ Denkmale nicht zwischen dem Zeitpunkt ihrer Entdeckung und allfällig dauerhafter Unterschutzstellung verändert oder zerstört werden durften, stellte sie der Gesetzgeber daher temporär und kurzfristig vom Zeitpunkt der Entdeckung weg „Kraft gesetzlicher Vermutung“ unter Denkmalschutz, völlig unabhängig davon, ob ihre Entdeckung zufällig erfolgt war oder sie absichtlich zu entdecken versucht worden waren. Die Grabungsgenehmigungsmöglichkeit des § 11 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923 stellte eine diese Schutzbestimmungen für „unbekannte Sachen“ ergänzende Ausnahmeregelung für aus wissenschaftlichen Gründen geplant durchgeführte archäologische Ausgrabungen dar, die dem Zweck diente, solche Grabungen nicht unnötig dadurch zu behindern, dass sie in jedem Erfolgsfall für mehrere Tage eingestellt werden mussten, bis das BDA die Entdeckung in Augenschein genommen und die Fortsetzung der Grabungsarbeiten gestattet hatte. Nachdem die Schutzbestimmungen der §§ 9 und 10 DMSG idF BGBl. 533/1923 alle Entdeckungen von „offenkundig“ schützenswerten Denkmalen gleichermaßen trafen, war dies bis zur Novelle des DMSG 1990 auch verfassungsrechtlich weitgehend unproblematisch. Zwar wurde durch sie auch in die durch Art. 17 StGG geschützte Wissenschaftsfreiheit von ArchäologInnen eingegriffen, ihren Feldforschungen unbehindert durch staatliche Eingriffe nachzugehen (siehe dazu allgemein Berka 1999, 343-4), aber es handelte sich dabei um ein allgemeines Gesetz, das die Wissenschaftsfreiheit nicht intentional, sondern sozusagen nur „zufällig“ als unbeabsichtigte Nebenwirkung beschränkt (Berka 1999, 344-6). Noch dazu gestattete die Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923 Personen, die weitgehend unbehindert durch staatliche Eingriffe ihren archäologischen Feldforschungen auf bereits bekannten Denkmalen oder wo sie eine subjektive Denkmalentdeckungserwartung hatten nachgehen wollten, sich vorab die Erlaubnis des BDA zur Durchführung ihrer geplanten Forschungsarbeiten einzuholen. Das war wenigstens insofern eine schlaue Lösung, als durch diese Konstruktion die Forschungsfreiheit nicht intentional beschränkt wurde und die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in diese durch die allgemeinen Schutzbestimmungen des DMSG dadurch verstärkt wurde, dass für tatsächlich wissenschaftlich bezweckte Entdeckungen eine Ausnahmegenehmigungsmöglichkeit geschaffen worden war. Sich in ihrer Forschungsfreiheit eingeschränkte ArchäologInnen – ob nun Laien oder Profis – konnten sich unter diesen Voraussetzungen kaum beschweren: schließlich versuchte unter dieser Lösung niemand, ihre verfassungsgesetzlich garantierten Grundrechte einzuschränken, sondern der Gesetzgeber hatte vielmehr sogar großen Wert darauf gelegt, die möglichst freie Ausübung der wissenschaftlichen Forschung selbst in einem Kontext zu ermöglichen, indem eine weit stärkere Beschränkung des nichtwissenschaftlichen Handelns erforderlich erschien. Mit den in der Novelle von 1990 vorgenommenen Änderungen änderte sich diese Situation jedoch, in einer Weise, die die derzeit geltenden Bestimmungen bzw. wenigstens deren Auslegung durch das BDA auch verfassungsrechtlich höchstgradig bedenklich erscheinen lässt. Durch die nunmehr 226 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? eingeführte Unterscheidung zwischen „zufälligen“ und „vorsätzlichen“ Funden wurde schließlich – nach langjähriger Rechtsansicht des BDA – aus der Grabungsgenehmigungsmöglichkeit für WissenschafterInnen, die ihre archäologischen Ausgrabungen nicht jedes Mal, wenn sie dabei auf „offenkundig“ schutzwürdige Gegenstände stießen, für mehrere Tage einstellen wollten, eine weit darüber hinausgehende Genehmigungspflicht für alle archäologischen Feldforschungen an Ort und Stelle (zuletzt, wie eingangs geschildert, sogar entgegen dem Gesetzeswortlaut und höchstgerichtlicher Judikatur für Surveys zur Entdeckung von Oberflächenfunden; Seiten 8-10). Bei dieser Auslegung handelt es sich nunmehr aber um eine intentionale Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 StGG, was diese NFG-Pflicht nun noch zusätzlich zu ihrer schon im vorherigen Kapitel angedeuteten rechtspolitischen Unverhältnismäßigkeit auch in Bezug auf ihre verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeit hochgradig angreifbar macht. Die intentionale Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit durch die NFG-Pflicht Dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG in ihrer gegenwärtigen Form eine intentionale Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 StGG darstellt, d.h. einen Eingriff, „dessen Regelungsziel gerade die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit ist“ (Berka 1999, 344), ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut der Bestimmung selbst, als auch aus der bisherigen Anwendungspraxis dieser Bestimmung durch das BDA. Schon die ersten beiden Sätze des Paragrafen selbst machen das extrem deutlich: „Die Nachforschung durch Veränderung der Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser (Grabung) und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche dürfen nur mit Bewilligung des Bundesdenkmalamtes vorgenommen werden, soweit Abs. 2 und 9 nichts anderes vorsehen (Forschungsgrabung). Eine derartige Bewilligung kann nur an Personen erteilt werden, die ein einschlägiges Universitätsstudium absolviert haben.“ (§ 11 Abs. 1 DMSG igF; Hervorhebungen: RK). Den Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG unterworfen sind also seinem Wortlaut nach zwar alle wissenschaftlichen Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung von beweglichen und unbeweglichen Denkmalen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche durch egal welche Personen; eine Genehmigung können allerdings nur Universitätsabsolventen ausgewählter Studienrichtungen erhalten; wobei laut der Regierungsvorlage als „einschlägig“ nur „Studien der Archäologie sowie der Ur- und Frühgeschichte“ gelten, „bei denen zugleich praktische Ausgrabungstätigkeit Pflichtfach ist“ (RV 1999, 54). Nachdem davon auszugehen ist, dass Personen, die ein „einschlägiges“ archäologisches Universitätsstudium absolviert haben, wenigstens in der überwältigenden Mehrheit aller Fälle wissenschaftliche Nachforschungen zu archäologischen Erkenntniszwecken und nicht unwissenschaftliche Nachforschungen (wie z.B. zur Entdeckung von wirtschaftlich wertvollen „Schätzen“ iSd § 398 ABGB oder der Entdeckung von modernem Müll zum Zweck seiner umweltgerechten Entsorgung) anstellen wollen, geht aus dem Gesetzeswortlaut selbst bereits eindeutig hervor, dass mit den Nachforschungen, die der gesetzlichen NFG-Pflicht unterliegen sollen, wissenschaftliche Feldforschungen und nicht beliebige andere Nachforschungen gemeint sind. Die Tatsache, dass derartige Nachforschungen auch im Wortlaut der Bestimmung selbst als „Forschungsgrabungen“ bezeichnet werden, verdeutlicht das zusätzlich; ebenso wie die Tatsache, dass die Bestimmungen des § 11 Abs. 2 DMSG „amtswegige Grabungen des Bundesdenkmalamtes“, bei denen es sich zweifelsfrei ebenfalls um archäologische wissenschaftliche Forschungsmaßnahmen handelt, aus der Bewilligungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ausnehmen. Ebenso ist eindeutig aus den Erläuterungen zu § 11 DMSG in den Regierungsvorlagen zu den letzten beiden größeren Novellen des 227 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich DMSG (RV 1990, 20-1; 1999, 54-5) zu entnehmen, dass mit den „Grabungen und sonstigen Nachforschungen an Ort und Stelle“, die durch die Bestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG einer behördlichen Bewilligungspflicht unterworfen werden, selbstverständlich ausschließlich wissenschaftliche und nicht irgendwelche beliebigen anderen „Nachforschungen“ gemeint sind. Auch aus den wichtigsten amtlichen Emanationen des BDA zu diesem Thema, den Bewilligungsbescheiden gem. § 11 Abs. 1 DMSG regelhaft als Bescheidauflage angeschlossenen Richtlinien für archäologische Maßnahmen (zuletzt BDA 2016a; seit 1.1.2018: BDA 2018), geht eindeutig hervor, dass die den NFG-Pflichtbestimmungen unterliegenden Maßnahmen archäologische Feldforschungshandlungen sind, die – den neu überarbeiteten Richtlinien des BDA zufolge – „nach dem Stand der Technik und der wissenschaftlichen Erkenntnis auszuführen“ (BDA 2018, 6) sind. Bereits in den Vorbemerkungen zu den Richtlinien (BDA 2016a, 3; 2018, 2) wird vom BDA kategorisch festgestellt, dass die entdeckten, beweglichen und unbeweglichen Bestandteile und die bei ihrer Entdeckung angefertigten Dokumentationsunterlagen an die Stelle des durch die Maßnahmen in situ veränderten oder zerstörten „Bodendenkmals (= archäologische Fundstelle)“ treten und „dessen – eine geschichtliche Dokumentation ermöglichende – Quellenfunktion“ (BDA 2018, 2) weiterführen. Auch die in den Richtlinien zu findenden Erläuterungen, wie der Antrag auf Erteilung einer Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG zu stellen und welche Unterlagen einem solchen beizulegen sind (BDA 2016a, 6-7; 2018, 6-7), sowie die Formularvorlagen für das sogenannte „Prospektionskonzept“ und das „Grabungskonzept“ (BDA 2016a, 48-50; 2018, 48-51), stellen eindeutig ausschließlich auf wissenschaftliche und nicht beliebige sonstige Nachforschungen ab. In allen Fällen ist einem Antrag auf Genehmigung von Nachforschungen gem. § 11 Abs. 1 DMSG ein Konzept beizulegen, in dem „die Ziele des Vorhabens sowie die Methodik der Maßnahme und der Dokumentation, Lage und Dimension beabsichtigter invasiver Eingriffe […], die Erfassung und Konservierung/Restaurierung von Funden und Befunden sowie die Erstellung eines Berichts“ entweder – wenn die Maßnahmen richtlinienkonform durchgeführt werden sollen – darstellt oder – wenn von den in den Richtlinien vorgegebenen Standards abgewichen werden soll – „fachlich ausreichend begründet“ (BDA 2018, 6) werden müssen. Gefordert wird also eine wissenschaftliche Projektbeschreibung, in der sowohl die Forschungsziele, die Wahl der Forschungsgegenstände, der Forschungsmethoden und bis zu einem gewissen Grad sogar der Verbreitung der gewonnenen Erkenntnisse des Forschenden gegenüber der Behörde zu begründen und dieser zur Bewilligung vorzulegen ist. Dies entspricht exakt der Definition von wissenschaftlicher Forschung im Sinne des Art. 17 StGG: diese ist „jedes planvolle und methodische Bemühen um die Gewinnung objektiver Erkenntnisse, das sich einer intersubjektiven Überprüfung stellt“ (Berka 1999, 343). Soweit sich das für mich als Außenstehenden nachvollziehen lässt, hat auch das BDA seit 1.1.1991, d.h. dem Datum des Inkrafttretens des DMSG idF BGBl. 473/1990, Genehmigungen gem. § 11 Abs. 1 DMSG ausschließlich nur (noch) für wissenschaftliche Nachforschungen erteilt, die von Personen, die ein einschlägiges Universitätsstudium im oben genannten Sinn absolviert hatten, beantragt wurden. Inwieweit in diesen inzwischen 27 Jahren überhaupt irgendwelche Genehmigungsanträge für andere als wissenschaftliche Nachforschungen an das BDA gestellt wurden, ist mir nicht bekannt, falls doch scheint jedoch keiner davon bewilligt worden zu sein. In Anbetracht der in den FÖ genannten Fallzahlen ist davon auszugehen, dass in den vergangenen 27 Jahren etwa 10.000 derartige Bewilligungen, jeweils für wissenschaftliche Nachforschungen, ausgestellt worden sein dürften. Auch die Gegenprobe zeigt, dass das BDA nur wissenschaftliche archäologischen Grabungen und sonstige Nachforschungen der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG unterwirft, nicht hingegen Grabungen und auch nicht sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zu anderen Zwecken als der wissenschaftlichen Erforschung von Denkmalen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche. Dass 228 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Grabungen zu anderen als archäologischen Forschungszwecken nicht der NFG-Pflicht unterworfen werden, zeigt in aller Deutlichkeit das schon oben erwähnte Beispiel der Einplanierung nicht denkmalgeschützter, frühmittelalterlicher Grabhügel im Zirkenauer Wald (Seiten 109-110, Abb. 5): deren teilweise wissenschaftliche archäologische Ausgrabung zwischen 2000-2002 (Ruprechtsberger 2003) wurde ja mit Bewilligung des BDA gem. § 11 Abs. 1 DMSG durchgeführt, ihre Zerstörung durch den Grundeigentümer bzw. von diesem Beauftragten mittels des Baggers, also ebenfalls durch Grabung, im Jahr 2015 war hingegen ohne denkmalschutzrechtliche Bewilligung erlaubt (Krieglsteiner 2015). Dass auch sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung, sofern sie anscheinend nicht die Entdeckung und Untersuchung von Denkmalen, sondern die Entdeckung und Entfernung ex situ von „unliebsamen Unrat“, bezwecken, vom BDA nicht der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG unterworfen werden, zeigt ein anderer Fall aus dem Jahr 2015. Dieser wurde von der Österreichische Bundesforste AG (ÖBf) auf ihrer Webseite wie folgt beschrieben: „Mit Ende der Badesaison starten die Österreichischen Bundesforste (ÖBf) erstmals eine österreichweite Seenreinigungsaktion, bei der zeitgleich in mehreren Bundesländern zahlreiche beliebte Badeseen von unliebsamem Unrat befreit werden. Gemeinsam mit der Österreichischen Wasserrettung, regionalen Tauchsportvereinen, der Freiwilligen Feuerwehr und Gemeinden werden rund 250 Freiwillige – darunter dutzende TaucherInnen – an Seen in Oberösterreich, Kärnten und Salzburg im Einsatz sein, um Seeufer und Seegrund von achtlos entsorgtem Müll zu reinigen. „Wir helfen mit, Österreichs Seen sauber zu halten“, erklärt Georg Schöppl, Vorstand für Finanzen und Immobilien der Bundesforste, die als größter Gewässerbewirtschafter des Landes mehr als zwei Drittel der Seen betreuen. „Seen sind sensible Ökosysteme. Es ist unsere Aufgabe, die uns anvertrauten Gewässer bestmöglich zu schützen und im Sinne der Nachhaltigkeit auch für zukünftige Generationen zu erhalten“, so Schöppl weiter. Die Seenreinigungsaktion findet am 25. und 26. September 2015 an folgenden Seen statt: Attersee, Hallstätter See, Millstätter See, Ossiacher See, Traunsee, Wolfgangsee und Wörthersee.“ (Bundesforste 2015) Unter dem Untertitel „Fundstücke aus der Unterwasserwelt“ wurden dort auch die durchgeführten Handlungen, die durch die Handlungen betroffenen Gegenstände, und der Zweck der durchgeführten Handlungen wie folgt beschrieben: „Ausgerüstet mit Netzen, Metalldetektoren und weiterem Tauchzubehör bergen die freiwilligen HelferInnen in Österreichs Badeseen zahlreichen Müll vom Seegrund. Zu Tage fördern sie dabei meist allerhand: von Flaschen, Bauschutt oder Autoreifen über Sonnenschirme und -liegen bis hin zu Fahrrädern, Einkaufswägen, Mopeds oder sogar Kühlschränken. Getaucht wird vorwiegend in ufernahen Bereichen bis zu einer Tiefe von rund 20 Metern.“ (Bundesforste 2015) Die Tatsache, dass die Bundesforste diese Sachen als Müll betrachten, ändert nichts an der Tatsache, dass es sich bei den genannten Arten von Fundgegenständen um Bodendenkmale im Sinne des § 8 Abs. 1 DMSG handeln könnte: beim Bodendenkmalsbegriff ist schließlich gleichgültig, ob diese Fundgegenstände nun tatsächlich (geschützte bzw. schützenswerte) Denkmale sind, die auch tatsächlich den Bestimmungen des DMSG unterliegen, es genügt dafür vielmehr, dass sie den Bestimmungen des DMSG aufgrund ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit unterliegen könnten. Und wenigstens theoretisch könnten sie diesen Bestimmungen sicherlich unterliegen, weil ja bekanntermaßen das absolute Alter der Gegenstände keine Rolle dafür spielt, ob es sich bei ihnen um Denkmale handeln könnte, ja nicht einmal eine Rolle dafür spielt, ob es sich bei ihnen tatsächlich um Denkmale handelt (Bazil et al. 2015, 16). „Die geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle 229 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Bedeutung“ einer beliebigen Sache ergibt sich vielmehr „aus der in der Fachwelt vorherrschenden Wertschätzung“ (Bazil et al. 2015, 17). Diese Bedeutung ist wiederum aus rechtlicher Sicht „eine Tatsache, die idR durch einen Sachverständigenbeweis zu ermitteln ist“ (Bazil et al. 2015, 22). Ob eine beliebige Sache ein Denkmal ist, kann also jedenfalls erst ermittelt werden, wenn der Gegenstand bereits entdeckt und einem Sachverständigen zur Begutachtung vorgelegt worden ist; womit jede beliebige Fundsache, die unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche aufgefunden wurde, jedenfalls immer ein Bodendenkmal iSd § 8 Abs. 1 DMSG sein könnte: schließlich kann bis zu ihrer sachverständigen Begutachtung nicht bestimmt werden, ob sie ein Denkmal iSd § 1 Abs. 1 DMSG ist, womit sie – nachdem das nicht ausgeschlossen werden kann – ein Denkmal sein könnte. Legt man also die NFGPflicht des § 11 Abs. 1 DMSG so weit aus, wie das BDA sie bisher ausgelegt hat, d.h. so, dass es unbeachtlich bleiben kann, ob von dem Ort an dem die Nachforschungen durchgeführt werden sollen überhaupt schon irgendwelche konkreten Hinweise auf das Vorkommen von Denkmalen iSd § 1 Abs. 1-2 oder auch nur Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG vorliegen, muss auch die „Seenreinigungsaktion“ der ÖBf der NFG-Pflicht für archäologische Nachforschungen unterlegen haben. Der konkrete Fall wird dadurch noch brisanter, dass diese „Seenreinigungsaktion“ wenigstens teilweise in Seen durchgeführt wurde, die nicht zuletzt aus archäologischen Gründen Welterbestätten sind: so liegt z.B. der Hallstätter See in der Kernzone des Welterbes „Kulturlandschaft HallstattDachstein / Salzkammergut“ (http://whc.unesco.org/en/list/806/ [25.11.2015]), während Teile des Attersees Teil des Weltkulturerbes „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ (http://whc.unesco.org/en/list/1363 [25.11.2015]) sind. Einige Teile des Attersees in Nussdorf, Schörfling, Seewalchen, Unterach stehen auch unter Denkmalschutz; ebenso eine Fundstelle im Mondsee (siehe http://www.bda.at/documents/119793525.pdf [25.11.2015]). Eine vom Kuratorium Pfahlbauten in der Spungturmgrube im Seebad Seewalchen am Attersee im Oktober 2015 durchgeführte systematische Unterwassergrabung wurde daher selbstverständlich mit Bewilligung gem. § 11 Abs. 1 DMSG durch das BDA durchgeführt, weil es dabei ja um die wissenschaftliche Erforschung von archäologischen Objekten unter der Wasseroberfläche ging. Es besteht also in wenigstens manchen der Seen, in denen die ÖBf die „Seenreinigung“ durchführen haben lassen, eine nicht unbedeutende Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich – nicht nur, aber auch archäologisch – wissenschaftlich bedeutende Denkmale unter der Wasseroberfläche bzw. bei Verwendung von Metallsuchgeräten sogar im Grund unter Wasser entdeckt werden könnten. Eine Nachfrage per Email an das Kuratorium Pfahlbau am 28.9.2015 ergab, dass bezüglich der „Seenreinigung“ keine Rücksprache mit dem Kuratorium Pfahlbau gehalten worden war, das sicherlich eine archäologische Betreuung der „Seenreinigung“ durchführen hätte können, insbesondere als es knapp eine Woche später ohnehin mit Grabungen in einem der gereinigten Seen zu beginnen beabsichtigte. Hinweise auf eine archäologische Begleitung der „Seenreinigung“ durch andere graduierte ArchäologInnen ließen sich ebenfalls nicht finden. Es ist daher davon auszugehen, dass die „Seenreinigung“ ohne Bewilligung durch das BDA gem. § 11 Abs. 1 DMSG durchgeführt worden ist, weil offenbar die ÖBf diese Maßnahme nicht als den Bestimmungen des DMSG unterliegende Maßnahme betrachtete. Dieser Ansicht schloss sich in Antwort auf eine von mir am 28.9.2015 gesandte Anfrage auch das BDA mit Schreiben vom 1.10.2015 (BDA-00841.sb/0070-ARCHÄO/2015) an, in dem es mir lapidar mitteilte, das es „im Vorgehen der Bundesforste keine Übertretung des Denkmalschutzgesetzes“ sähe. Eine Nachfrage nach genauerer Begründung für diese Rechtsansicht blieb auch in einem folgenden Schreiben des BDA vom 3.11.2015 (BDA-00841.sb/0077ARCHÄO/2015) unbeantwortet. 230 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Auch in seinen jüngsten Richtlinien beharrt das BDA darauf, dass alle Grabungen und sonstigen „Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Bodendenkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ (BDA 2018, 10; Hervorhebung: RK), insbesondere auch die Verwendung von Metallsuchgeräten (BDA 2018, 10-1), gem. § 11 Abs. 1 DMSG bewilligungspflichtige Maßnahmen seien. Wären also auch nicht mit wissenschaftlicher Erkenntnisabsicht durchgeführte Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung beweglicher Bodendenkmale, wie durch die ÖBf im soeben dargestellten Fall, der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG unterworfen, hätte auch diese „Seenreinigungsaktion“ der ÖBf der Bewilligung durch das BDA gemäß dieser Bestimmung bedurft. Auch dieser Fall zeigt also eindeutig, dass nicht mit wissenschaftlicher Entdeckungs- und Untersuchungsabsicht durchgeführte Grabungen und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zweck der Entdeckung beliebiger Sachen (unter denen sich selbstverständlich auch Denkmale und jedenfalls Bodendenkmale befinden können) vom BDA in seiner bisherigen Anwendungspraxis der NFG-Pflichtbestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG nicht unterworfen worden sind. Damit zeigen sowohl der Gesetzeswortlaut als auch die zugehörigen Regierungsvorlagen (RV 1990, 201; 1999, 54-5) als auch die behördliche Anwendungspraxis, dass die einzigen Handlungen, die der Bewilligungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG unterworfen sind, wissenschaftliche Nachforschungen mit dem Zweck archäologischen Erkenntnisgewinns sind. Damit erweist sich die Bestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG igF als intentionale Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit. Zur (Un-)Verhältnismäßigkeit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG Walter Berka zufolge ist nach „der Judikatur des VfGH […] davon auszugehen, dass der Gesetzgeber jedenfalls zu keinen intentionalen Eingriffen in das Grundrecht ermächtigen darf“ (Berka 1999, 344; Hervorhebung: Autor). Es besteht also die Gefahr, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG generell verfassungswidrig ist. Zwar können intentionale Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit dennoch „ausnahmsweise zulässig sein, wenn sie aus Bestimmungen in Verfassungsrang abgeleitet werden können. […] Freilich sind solche Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit nur zulässig, wenn es sich um ernsthafte Gefährdungen grundlegender Rechtsgüter handelt.“ (Berka 1999, 346). In diesem Fall ist also – nicht anders als in Fällen, in denen allgemeine Gesetze eine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit bewirken – eine „Güterabwägung zwischen der Freiheit der Wissenschaften und den Gemeinschaftsgütern“ (Berka 1999, 345) vorzunehmen, d.h. letztendlich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung (Berka 1999, 156-67). Dazu ist vorerst einmal zu ermitteln, ob und wenn ja inwieweit die in Frage stehende gesetzliche Bestimmung (bzw. ihre Anwendung durch die dafür zuständigen Verwaltungseinrichtungen des Staates) überhaupt einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 StGG darstellt. In seinem Kern garantiert Art. 17 StGG sachlich „die freie Selbstbestimmung des Wissenschaftlers über die Gegenstände seines wissenschaftlichen Bemühens, die Freiheit der Methodenwahl und die Freiheit, seine Erkenntnisse ohne jede Behinderung zu verbreiten. […] In die Wissenschaftsfreiheit wird aber auch eingegriffen, wenn die freie Entscheidung des Forschers über die Forschungsgegenstände etwa durch Bewilligungspflichten beschränkt oder eine bestimmte Forschungsmethode verboten würde.“ (Berka 1999, 344). Dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG, insbesondere in der durch die Richtlinien (BDA 2016a; 2018) näher spezifizierten Anwendungspraxis durch das BDA, in diesen Kernbereich der Wissenschaftsfreiheit eingreift, ist offensichtlich: konkret unterwirft das BDA sowohl die freie Entscheidung des Forschers über die Gegenstände seiner Forschung als auch die Freiheit der wissenschaftlichen Methodenwahl einer behördlichen Genehmigungspflicht, selbst wenn eine Person 231 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich diese wissenschaftlichen Nachforschungen plant, die ihre fachliche Befähigung zu ihrer Durchführung durch Abschluss eines einschlägigen Universitätsstudiums nachgewiesen hat. Mehr noch, die sich aus dem Wortlaut der Bestimmung ergebende Tatsache, dass eine Bewilligung gem. § 11 Abs. 1 DMSG überhaupt nur an solche Personen ausgestellt werden kann, die ein einschlägiges Universitätsstudium erfolgreich abgeschlossen haben, bedingt, dass allen österreichischen StaatsbürgerInnen und allen anderen Grundrechtsträgern (d.h., nachdem die Wissenschaftsfreiheit – siehe Berka 1999, 343 – ein Jedermannsrecht ist, alle Menschen, die sich auf österreichischem Staatsgebiet aufhalten bzw. auf diesem archäologisch-wissenschaftliche Feldforschungen durchzuführen planen), die kein einschlägiges Universitätsstudium abgeschlossen haben, das Grundrecht wissenschaftliche archäologische Feldforschungen selbstbestimmt frei durchzuführen vollständig genommen wird. Nachdem § 11 Abs. 1 DMSG die rechtmäßige Durchführung vorsätzlicher wissenschaftlich-archäologischer Feldforschungen vom Vorliegen eines diese bewilligenden Bescheides des BDA gem. § 11 Abs. 1 DMSG abhängig macht, der nur an AbsolventInnen einschlägiger Universitätsstudien erteilt werden kann, und die Durchführung von Nachforschungen bzw. Grabungen ohne die hierfür gem. § 11 Abs. 1 DMSG vorgesehene Genehmigung gem. § 37 Abs. 2 Z 2 DMSG strafbar ist, ist jedem Grundrechtsträger, der kein einschlägiges Universitätsstudium absolviert hat, die vorsätzliche Durchführung archäologischwissenschaftlicher Nachforschungen an Ort und Stelle unter empfindlicher Strafandrohung gesetzlich vollständig verboten. Für alle Grundrechtsträger, die kein archäologisches Universitätsstudium abgeschlossen haben, wird durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG also die Grundrechtsgarantie des Art. 17 StGG im Bereich der wissenschaftlichen archäologischen Feldforschung nicht nur eingeschränkt, sondern zur Gänze aufgehoben. Es kommt durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG also jedenfalls zu einem gravierenden Eingriff in den absoluten Kernbereich des verfassungsgesetzlich garantierten Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit; wobei für die meisten Grundrechtsträger – alle außer die etwa 1.100 derzeit in Österreich tätigen professionellen ArchäologInnen (Aitchison et al. 2014, 19) – dieser Eingriff so schwerwiegend ist, dass das verfassungsgesetzliche Grundrecht als vollinhaltlich aufgehoben zu betrachten ist. Dies lässt eine Verhältnismäßigkeitsprüfung jedenfalls erforderlich erscheinen, denn ein derart gravierender Eingriff in ein verfassungsgesetzlich vorbehaltlos garantiertes Grundrecht bedarf jedenfalls einer besonders starken Begründung, um ihn gerechtfertigt erscheinen lassen zu können. Zur Frage der Legitimität des vom Staat mit der NFG-Pflicht verfolgten Zweckes Zu allererst ist hierbei die Frage nach dem vom Staat mit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG verfolgten Zweckes zu stellen, d.h. nach dem gesetzlichen Schutzziel. Gem. § 1 Abs. 1 DMSG ist das Schutzziel, das der Gesetzgeber insgesamt mit dem DMSG verfolgt, solche Denkmale, deren Bedeutung derart beschaffen ist, dass an ihrer Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht, vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland zu schützen. Ein solches öffentliches Interesse besteht iSd § 1 Abs. 2 DMSG, „wenn es sich bei dem Denkmal aus überregionaler oder vorerst auch nur regionaler (lokaler) Sicht um Kulturgut handelt, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde. Wesentlich ist auch, ob und in welchem Umfang durch die Erhaltung des Denkmals eine geschichtliche Dokumentation erreicht werden kann“. Dabei geht laut VwGH die „Zielsetzung des Denkmalschutzes weit über das landläufige Verständnis hinaus und hat die Erhaltung des überkommenen Kulturgutes schlechthin zum Inhalt“ (Bazil et al. 2015, 16). Ein (schützenswertes) Denkmal ragt allerdings „durch seine geschichtliche, 232 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? künstlerische oder sonstige Bedeutung über gleichartige andere Gegenstände hinaus“ (Bazil et al. 2015, 18), auch wenn diese Bedeutung „nicht jedermann erkennbar sein muss“ (ibid.), d.h. nicht jeder von Menschen geschaffene oder gestaltend veränderte Gegenstand (inklusive Überresten davon und Bodenformationen) ist ein Denkmal, dem solche Bedeutung zukommt, dass es auch erhaltenswert wäre. Auch „metallische Kleinfunde wie z.B. Münzen aus römischer Zeit sind Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung“ (ibid.), was aber keinesfalls bedeutet, dass jede Münze, oder auch nur jede Münze aus römischer Zeit, ein schützenswertes Denkmal darstellt. Gemäß der Regierungsvorlage zum DMSG 1999 ging allerdings das Denkmalschutzgesetz „von vornherein von einer klaren Beschränkung durch wissenschaftlich überlegte Auswahl aus“ (RV 1999, 39). Das vom Gesetzgeber mit dem DMSG verfolgte Ziel war und ist es also nicht, alle Denkmale, ja nicht einmal nur alle Denkmale, denen irgendeine – wie auch immer geringe – geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung zukommt, zu schützen. Vielmehr hat er dem BDA die Aufgabe aufgetragen, jene Auswahl zu treffen, „die vom Fachlichen her erforderlich ist und vom Administrativen her bewältigt werden kann“ (ibid.). Der Gesetzgeber erwartet also, dass eine strenge Selektion vorgenommen wird, die nicht nur den fachlichen Erfordernissen gerecht zu werden, sondern auch im Rahmen der für die Denkmalverwaltung vom Staat bereitgestellten administrativen Ressourcen zu bleiben hat. Das gesetzliche Schutzziel des DMSG ist also die Erhaltung jener Denkmale, die wissenschaftlich so besonders bedeutend sind, dass sie mit den vom Staat für ihre Erhaltung zur Verfügung gestellten Ressourcen auch tatsächlich erhalten werden können. Alle Denkmale hingegen, die von geringerer Bedeutung sind als jene, die mit den verfügbaren Ressourcen erhalten werden können, sind der uneingeschränkten privaten Verfügungsgewalt ihrer jeweiligen Eigentümer zu überlassen; sind also im rechtlichen Sinn ganz gewöhnliche Sachen, mit denen ihr jeweiliger Eigentümer verfahren kann, wie es ihm gefällt. Nachdem die Gesetzgebung und der Vollzug des Denkmalschutzes durch die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG dem Bund übertragen werden, ist der Bundesgesetzgeber auch verfassungsrechtlich zur Gesetzgebung im Bereich des Denkmalschutzes legitimiert. Somit ist der vom Gesetzgeber mit der grundlegenden Zielsetzung des DMSG verfolgte Zweck – es geht ihm schließlich explizit in § 1 Abs. 1 DMSG ausgeführt um den Schutz besonders bedeutender Denkmale vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland – jedenfalls legitim. Welchen Zweck der Gesetzgeber mit der NFG-Pflichtbestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG verfolgt, ist hingegen weit weniger klar. Der VwGH hat möglicherweise in seinem Erkenntnis vom 24.6.1985, 84/12/0213 den „Sinn der gegenständlichen gesetzlichen Bestimmung“ darin gesehen, „Ausgrabungen zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale nötigenfalls einer fachmännischen Überwachung zu unterwerfen und einer Zerstörung, Veränderung und Verbringung von Kulturgütern entgegenzuwirken“ (VwGH 24.6.1985, 84/12/0213, 3). Dies kann jedoch nicht mit Sicherheit angenommen werden, weil der VwGH an der betreffenden Stelle nur die Entscheidungsbegründung der Berufungsinstanz im gegenständlichen Fall referiert, während er sich in seinen eigenen Erwägungen zur relevanten Frage nicht äußert. Die vom VwGH in dieser Form referierte Rechtsansicht der Berufungsinstanz im zitierten Fall kann allerdings schon allein aus dem Grund nicht (mehr) zutreffen, als seit der Novelle BGBl. 473/1990 in § 11 Abs. 5 (wortlautgleich igF) explizit festgehalten wird, dass auf geschützten Denkmalen aufgrund der mit Grabungen „zwangsläufig verbundenen Veränderungen oder Zerstörungen“ diese „auf jeden Fall auch der Bewilligung des Bundesdenkmalamtes gemäß § 5 Abs. 1“ DMSG bedürften. Damit kann 233 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich aber die NFG-Pflicht nicht den Zweck haben, der Veränderung oder gar Zerstörung von Denkmalen entgegenzuwirken, denn diese sind ja unvermeidbar, wenn die Grabung genehmigt wird. Damit bliebe nur die Möglichkeit, dass der Zweck der NFG-Pflichtbestimmung des § 1 Abs. 1 DMSG ist, Grabungen nötigenfalls einer fachmännischen Überwachung zu unterwerfen und somit durch nicht sachgerecht bzw. nicht fachmännisch durchgeführte Grabungen verursachte Zerstörungen oder Veränderungen von Denkmalen zu verhindern. Nun werden jedoch durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG, wie weiter oben gezeigt wurde, nicht alle Grabungen und sonstigen Nachforschungen an Ort und Stelle, gleichgültig zu welchen Zwecken sie durchgeführt werden, die zu Zerstörungen oder Veränderungen von Denkmalen führen könnten, der gesetzlichen Bewilligungspflicht unterworfen, sondern nur solche, die mit wissenschaftlichem Erkenntniszweck durchgeführt werden sollen. Grabungen und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle, die mit anderem Zweck als dem Gewinn wissenschaftlicher Erkenntnis durchgeführt werden sollen, unterliegen hingegen – außer auf gem. §§ 2a, 3 bzw. 9 Abs. 3 DMSG geschützten Denkmalen – überhaupt keiner denkmalschutzrechtlichen Bewilligungspflicht, sondern dürfen gänzlich ohne irgendeiner denkmalschutzrechtlichen Bewilligung zu bedürfen auch vollkommen unfachmännisch durchgeführt werden. Zweck der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG kann daher nur sein, dass Grabungen und sonstige Nachforschungen, die mit wissenschaftlichem Erkenntniszweck durchgeführt werden sollen, darauf überprüft werden können, ob sie auch mit einer wissenschaftlich anerkannten Methodik durchgeführt werden sollen und daher den Schutz durch die Wissenschaftsfreiheit genießen; oder ob es sich aufgrund des Fehlens einer solchen Methodik um unwissenschaftliche und daher – unabhängig vom Zweck, den der sie Durchführende mit seinen geplanten Nachforschungen verfolgt – nicht durch die Wissenschaftsfreiheit geschützte Nachforschungen handelt. Ziel der NFG-Pflicht wäre es somit, Denkmale vor durch mit wissenschaftlichem Erkenntniszweck, aber unwissenschaftlicher Methodik durchgeführten Grabungen und sonstigen Nachforschungen an Ort und Stelle und den von diesen möglicherweise verursacht werden könnenden Zerstörungen und Veränderungen zu schützen. Auch dieser Zweck wird durch die Legitimierung des Bundesgesetzgebers durch die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG gedeckt und ist daher legitim. Problematisch ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ja alle jene Personen, die kein einschlägiges Universitätsstudium absolviert haben, aus der Genehmigungsmöglichkeit per Gesetz gänzlich ausschließt. Dies erscheint allerdings hochgradig seltsam, wenn der Zweck der NFG-Pflicht die Kontrolle der Wissenschaftlichkeit von Nachforschungen sein soll, die mit wissenschaftlichen Erkenntniszwecken durchgeführt werden sollen. Denn gerade bei wissenschaftlichen Forschungen von Personen, die ein facheinschlägiges Universitätsstudium absolviert haben – oder gar, wie z.B. ich, facheinschlägig habilitiert sind – kann eigentlich regelhaft davon ausgegangen werden, dass diese wohl auch entsprechend einer wissenschaftlichen Methodik durchgeführt werden dürften. Diese Methodik mag zwar in manchen Fällen – vor allem bei älteren KollegInnen, die es verabsäumt haben, am aktuellen Stand der Grabungsmethodik zu bleiben – inzwischen etwas veraltet sein, aber die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG schützt den Grundrechtsträger gerade vor staatlichen Eingriffen in seine Methodenwahl. Der Methodenwandel in der archäologischen Feldforschung ist auch keineswegs so rasant, dass selbst die vor 50 Jahren verwendeten Feldforschungsmethoden inzwischen als soweit veraltet betrachtet werden könnten, dass ihre Verwendung nicht mehr innerhalb des auch derzeit noch wissenschaftlich akzeptablen Methodenkanons fallen würden: so z.B. ist man heute in Österreich weitgehend von der Grabung in Planumsmethode – d.h. in willkürlich eingezogenen Tiefenscheiben (Gersbach 1998, 2931), die auch ich noch während meines Ur- und Frühgeschichtestudiums an der Universität Wien von 1987-1995, teilweise auch auf Grabungen des BDA während dieser Jahre, als damals einzige in 234 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Österreich „zulässige“ Grabungsmethode gelernt habe – abgekommen und zu der im englischsprachigen Raum seit Pitt-Rivers im 19. Jahrhundert dominanten Methode der Grabung in natürlichen Schichten bzw. stratigrafischen Grabungsmethode übergegangen, die inzwischen das BDA in seinen Richtlinien verpflichtend vorschreibt (BDA 2016a, 16; 2018, 15). Zahlreiche deutsche Landesämter für Denkmalpflege erlauben jedoch durchaus noch die Verwendung der Planumsgrabungsmethode und wenden diese auch noch teilweise bei ihren eigenen Grabungen an; manche scheinen sie sogar noch gegenüber der stratigrafischen Grabungsmethode zu bevorzugen. Davon, dass auch nur im deutschen Sprachraum, geschweige denn insgesamt international, ein wissenschaftlicher Konsens bestehen würde, dass nur die Grabung in natürlichen Schichten als einzige Grabungsmethode wissenschaftlich anerkannt wäre, kann also keinesfalls die Rede sein. Dass heute noch irgendwelche universitär archäologisch ausgebildeten WissenschafterInnen mit den antiquarischen Grabungsmethoden des 19. und teilweise noch frühen 20. Jahrhunderts arbeiten würden, die inzwischen tatsächlich als derart veraltet zu gelten haben, dass sie nicht mehr innerhalb des wissenschaftlich akzeptierten archäologischen Feldforschungsmethodenkanons liegen würden, kann hingegen weitgehend ausgeschlossen werden. Solche hochgradig veralteten Grabungsmethoden – in erster Linie die Bergung beweglicher Kleinfunde ohne hinreichende Beachtung und Dokumentation der Bodenbefunde – ist hingegen, wenn überhaupt, für jene Personen charakteristisch, die als „Schatzsucher“ – ob nun mit oder ohne Metallsuchgerät –wirtschaftlich wertvolle bewegliche Kleinfunde aus dem Boden zu bergen versuchen. Inwieweit jedoch deren Grabungen und sonstige Nachforschungen überhaupt der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG unterworfen werden können, muss wenigstens als fraglich betrachtet werden: suchen diese tatsächlich nicht mit wissenschaftlichem Erkenntniszweck, erfüllen sie die Tatbestandsmerkmale des § 11 Abs. 1 DMSG ebenso wenig, wie die ÖBf diese mit ihrer „Seenreinigungsaktion“ erfüllt hat. Auch in der Anwendungspraxis durch das BDA scheint die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG weit eher dazu genutzt zu werden, von FachwissenschafterInnen geplante Grabungs- und sonstige Nachforschungsprojekte einem bestimmten, staatlich vorgegebenen Standard, sowohl in Hinblick auf die zugelassenen wissenschaftlichen Forschungsmethoden als auch in Hinblick auf die Dokumentationsmethoden von Forschungsergebnissen und die wissenschaftliche Berichterstattung über ihre Erkenntnisse zu unterwerfen (BDA 2016a; 2018). Dies erweckt den Eindruck, als ob der Staat und seine Organe mit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG den Zweck verfolgen würden, archäologische wissenschaftliche Feldforschungen sowohl in Hinblick auf die Wahl der Forschungsgegenstände, der zulässigen Forschungsmethoden, als auch der Verbreitung der wissenschaftlichen Erkenntnisse einer Fremdbestimmung durch den Staat zu unterwerfen. Genau davor schützt jedoch die vorbehaltlose Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG jeden Grundrechtsträger und die Wissenschaft insgesamt, die eben „nur ihrem eigentlichen Ideal – der vorbehaltlosen Wahrheitssuche – verpflichtet sein“ (Berka 1999, 342) soll. Das Ziel, wissenschaftliche archäologische Feldforschungen generell staatlich vorgegebenen Standards zu unterwerfen, ist dem Staat daher durch Art. 17 Abs. 1 StGG ausdrücklich verboten; womit der vom Staat mit der Bestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG verfolgte Zweck grundsätzlich nicht legitim wäre. Auch die Legitimierung des Bundesgesetzgebers durch die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG zu Gesetzgebung und Vollzug des Denkmalschutzes vermag dies nur bedingt zu ändern: zwar wird dem Bundesgesetzgeber ein gewisser rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt, das öffentliche Interesse am Denkmalschutz durch geeignete Gesetzgebung zu fördern; dies ermächtigt den Gesetzgeber jedoch nicht dazu, die der Gesetzgebung auferlegten Verfassungsschranken missachten zu dürfen. 235 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Nachdem die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG der Wissenschaftsfreiheit kollidierendes Verfassungsrecht entgegensetzt, kann der Gesetzgeber auch in Bezug auf wissenschaftliche archäologische Feldforschungen durchaus ein Verfahren zur Güterabwägung vorsehen, wo ein rechtswirksames öffentliches Interesse an der Erhaltung archäologischer Denkmale besteht (in etwa diesem Sinn auch für Deutschland zuletzt Krischok 2016, 138). Dies ist allerdings entsprechend der Bestimmungen des § 1 Abs. 4 DMSG nur bei solchen Denkmalen der Fall, die bereits gem. §§ 2, 2a oder 3 (in Letzterem auch beinhaltet gem. § 9 Abs. 3) DMSG unter Denkmalschutz gestellt wurden. Bei deren Erforschung durch Ausgrabungen oder sonstige Nachforschungen ist der Gesetzgeber durch die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG dazu legitimiert, sowohl die Wahl von ForscherInnen über ihre Forschungsgegenstände, die von ihnen verwendeten wissenschaftlichen Forschungs- und Dokumentationsmethoden, als auch die wissenschaftliche Berichterstattung über Forschungsergebnisse insoweit zu beschränken und auch zu standardisieren, als dies für die Erhaltung dieser Denkmale geeignet und erforderlich und mit der dadurch verursachten Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit verhältnismäßig ist. Bei nicht unter Denkmalschutz stehenden archäologischen Sachen, selbst und gerade wenn diese noch gänzlich unbekannt sind, stellt eine solche staatlich vorgegebene Beschränkung und Standardisierung der wissenschaftlichen Forschung hingegen einen illegitimen Zweck dar, den der Gesetzgeber nicht verfolgen darf. Ob und inwieweit der vom Gesetzgeber mit den Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG verfolgte Zweck legitim ist, hängt also einigermaßen stark davon ab, wie genau man diese Bestimmungen in der Anwendungspraxis auslegt bzw. zu welchem Zweck man sie in der Praxis anzuwenden versucht. Nachdem sich der vom Gesetzgeber mit der NFG-Pflicht verfolgte Zweck nicht eindeutig bestimmen lässt, sondern wenigstens zwei mögliche Zwecke angenommen werden können – einerseits der Zweck der Verhinderung nicht entsprechend wissenschaftlich anerkannter Methoden durchgeführter Nachforschungen zu archäologisch-wissenschaftlichen Zwecken; andererseits der Zweck der Standardisierung wissenschaftlicher archäologischer Feldforschungspraxis entsprechend einer staatlichen Fremdbestimmung der zulässigen wissenschaftlichen Methoden – von denen der erste verfassungsrechtlich generell legitim, der zweite hingegen verfassungsrechtlich nur auf gem. §§ 2, 2a oder 3 DMSG geschützten Denkmalen legitim erscheint, ist eine verfassungskonforme Auslegung der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG durchaus möglich und – da dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, dass er ein verfassungswidriges Gesetz erlassen wollte (Walter & Mayer 1988, 54) – in der Anwendungspraxis jedenfalls jene Auslegung heranzuziehen, die nicht verfassungswidrig erscheint. Eine Auslegung der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG als Mittel zur generellen Standardisierung wissenschaftlicher archäologischer Feldforschungen wäre illegitim und ist daher nicht zulässig. Ihre Auslegung als Mittel zur Standardisierung wissenschaftlicher archäologischer Forschungen auf gem. §§ 2, 2a bzw. 3 DMSG geschützten Denkmalen, sofern das zu deren Schutz vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland geeignet, erforderlich und mit der dadurch verursachten Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit verhältnismäßig ist, sowie generell als Mittel zur Verhinderung archäologischer Nachforschungen, die mit nicht anerkannten wissenschaftlichen Feldforschungsmethoden durchgeführt werden sollen, um Denkmale vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland zu schützen, ist hingegen durch die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG legitimiert und daher zulässig. Zur Frage der Eignung des vom Staat eingesetzten Mittels der NFG-Pflicht Damit eine grundrechtsbeschränkende gesetzliche Bestimmung im verfassungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig sein kann, müssen die gesetzlichen Mittel, die der Staat dafür einsetzt, auch dazu geeignet sein, das von ihm mit dem Einsatz dieser Mittel verfolgte (legitime) Ziel tatsächlich zu 236 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? erreichen: „Dem Staat ist es grundsätzlich verwehrt die Freiheit seiner Bürger zu beschränken, wenn dadurch öffentliche Interessen gar nicht wirklich gefördert werden“ (Berka 1999, 159). Die beiden möglicherweise vom Staat mit den Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG verfolgten, legitimen Ziele, wurden soeben expliziert. Es ist nun also zu betrachten, inwieweit das gesetzliche Mittel der NFGPflicht auch tatsächlich dazu geeignet ist, diese Ziele tatsächlich zu erreichen (bzw. zumindest diesen Zielen näherzukommen). Besonders zu bedenken ist bei der Eignungsprüfung, dass der Gesetzgeber mit den Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG nicht nur auf einen, sondern auf zwei deutlich unterschiedliche Sachverhalte abstellt, die er der gleichen Genehmigungspflicht unterwirft. Dies sind einerseits „die Nachforschung durch Veränderung der Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser (Grabung)“ und andererseits „sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle“. Sowohl aus archäologisch-wissenschaftlicher als auch aus denkmalpflegerischer Sicht ist dieser Unterschied maßgeblich: bei den einen (im Gesetzeswortlaut zuletzt genannten) Nachforschungen handelt es sich um sogenannte nicht invasive Feldforschungs- bzw. – in archäologischer Fachterminologie – zerstörungsfreie Prospektionsmethoden, bei deren Anwendung nicht in den Boden und somit auch nicht in die Substanz des betroffenen Denkmals eingegriffen wird, ja normalerweise nicht einmal die Erscheinung des Denkmals in maßgeblicher Weise verändert wird (BDA 2016a; 2018; Drewett 1999, 31-57; Gaffney et al. 2002). Bei den anderen (im Gesetzeswortlaut zuerst genannten) Nachforschungen handelt es sich hingegen um sogenannte invasive Forschungsmethoden, d.h. um Methoden, bei deren Anwendung in den Boden und somit – vorausgesetzt Denkmale sind am Eingriffsort im Boden vorhanden – auch in die Substanz des betroffenen Denkmals eingegriffen und dieses somit wenigstens verändert, wenn nicht sogar teilweise oder vollständig zerstört wird (BDA 2016a; 2018; Gersbach 1998; Drewett 1999, 76-144). Diese beiden maßgeblich verschiedenen Sachverhalte sind daher auch in der Eignungsprüfung getrennt voneinander zu beurteilen. Nicht invasive Feldforschungsmethoden Nachdem das vom Gesetzgeber mit der NFG-Pflicht verfolgte Ziel ist, Denkmale vor durch Nachforschungen an Ort und Stelle verursachten Zerstörungen, Veränderungen bzw. Verbringungen von Denkmalen ins Ausland zu schützen, muss die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG dafür geeignet sein, derartige Zerstörungen, Veränderungen bzw. Verbringungen wenigstens zu verringern. In Bezug auf nicht invasive archäologische Feldforschungsmethoden bedeutet das, dass Gefahren für Denkmale, die von der Verwendung dieser Nachforschungsmethoden ausgehen und die betroffenen Denkmale mit Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland bedrohen, abgeschwächt oder – im Idealfall – sogar völlig abgewendet werden können müssen, um als im verfassungsrechtlichen Sinn geeignet zur Förderung des gesetzlichen Schutzzieles geeignet zu sein. Es ist daher zuerst zu ermitteln, ob und wenn ja wie die Verwendung nicht invasiver archäologischer Feldforschungsmethoden wie z.B. die geomagnetische, Bodenradar-, Bodenwiderstands- oder elektromagnetische Induktionsmessung (BDA 2016a, 12-5; 2018, 12-4) noch im Erdboden bzw. im Grund unter Wasser befindliche Denkmale zerstören, verändern oder ins Ausland verbringen kann. Selbst wenn sich der Zusammenhang zwischen der durch NFG-Pflichten abgewendeten Gefahren und der dadurch möglicherweise verursachten Zerstörungen, Veränderungen oder Verbringungen von Denkmalen ins Ausland nicht positiv beweisen lässt, ist es wenigstens erforderlich, dass eine bewährte Hypothese über die Wirklichkeit (Pieroth et al. 2015, 72) bzw. gute Gründe die Annahme eines solchen Zusammenhangs (Berka 1999, 160) nahelegen bzw. rechtfertigen. 237 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Solche Gründe bzw. bewährte Hypothesen, die einen Zusammenhang zwischen der von der Anwendung von nicht invasiven archäologischen Feldforschungsmethoden ausgehenden Gefahren für die Erhaltung der Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG und deren Abwendung durch die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG nahelegen bzw. rechtfertigen, fehlen jedoch völlig. Das liegt schon allein daran, dass von zerstörungsfreien Feldforschungsmethoden in der Regel überhaupt keine Gefahren ausgehen, die an Ort und Stelle vorhandene Denkmale zerstören, verändern oder ins Ausland verbringen können; wenigstens keine, die maßgeblich über die vom bloßen Betreten des Bodens über dem betroffenen Denkmal ausgehenden Gefahren für dessen Erhaltung hinausgehen. Manche nicht invasiven archäologischen Feldforschungsmethoden, wie z.B. die magnetometrische Messung mikroskopischer Störungen des Erdmagnetfeldes über der Erdoberfläche, die durch den Kontrast zwischen mit magnetischer Partikeln angereicherten Bodenstörungen und dem gewöhnlich weniger stark magnetischen natürlich gewachsenen Unterboden verursacht werden (Gaffney et al. 2006, 8-9), interagieren nicht einmal physikalisch mit dem noch im Boden befindlichen Denkmal selbst. Andere, wie z.B. die Bodenradarmessung, senden nur elektromagnetische Impulse in den Boden, die an den Grenzflächen zwischen unterschiedlichen Bodenschichten und den Oberflächen von Gegenständen im Boden reflektiert werden, wobei aus den unterschiedlichen Laufzeiten des Signals im Boden ein dreidimensionales Bild des Bodenaufbaus errechnet werden kann (Gaffney et al. 2006, 9-10). Bei wieder anderen Verfahren, wie z.B. der Bodenwiderstandsmessung, werden zu Messzwecken kleine Elektroden einige Zentimeter tief in die Erdoberfläche gesteckt (Gaffney et al. 2006, 7), die in der Regel ebenfalls keinen Schaden an noch im Boden befindlichen Denkmalen erzeugen können, der die alltäglich durch Pflanzenwurzeln und bodenbewohnende Fauna erzeugte natürliche Bodenveränderung übersteigt. Die meisten bei diesen Verfahren verwendeten Messgeräte werden entweder von der die Messung durchführenden Arbeitskraft über die Bodenfläche getragen, deren jeweilige (magnetische, elektrische, etc.) Eigenschaften gemessen werden sollen, oder sind auf kleinen, leichten, meist ebenfalls von einem Mitarbeiter manuell gezogenen oder geschobenen Wägelchen montiert. Inzwischen kommen teilweise auch von Quad-Bikes gezogene Messwägen zum Einsatz. Selbst die Belastung des Bodens mit Gewicht – die zu einer möglichen Komprimierung des Bodens und damit zu möglichen Veränderungen von noch im Boden befindlichen Denkmalen führen könnten – ist daher in der Regel kaum größer als die durch einen normalen Fußgänger und jedenfalls in allen Fällen um ein großes Vielfaches geringer als die alltägliche Bodenbelastung durch land- und forstwirtschaftliches Gerät oder sonstige im Gelände eingesetzte Fahrzeuge. Auch produzieren die meisten der bei diesen Verfahren verwendeten Messgeräte – praktisch alle mit Ausnahme von Metallsuchgeräten – keine unmittelbar an Ort und Stelle interpretierbaren Signale, sondern nur Messrohdaten, die erst nach Darstellung in Form eines Flächenplots oder eines Profils am Computer überhaupt einer sinnvollen archäologischen Deutung bzw. Interpretation zugeführt werden können (Gaffney et al. 2006, 18-20). Die meisten zu den nicht invasiven Verfahren gehörenden Methoden sind auch nicht dazu geeignet, bewegliche Kleinfunde im Boden aufzuspüren, entweder weil sie die dafür erforderliche Feinauflösung nicht erreichen oder weil sie solche aufgrund der Eigenheiten der Messmethode überhaupt nicht anzeigen. Eine bedingte Ausnahme zur letztgenannten Regel sind magnetische Verfahren (wie die magnetometrische Messung oder die Verwendung eines Metallsuchgerätes), durch die magnetisch stark leitfähige Gegenstände einigermaßen zielgenau aufgespürt werden können. Selbst in diesen Fällen sind jedoch diese noch im Boden befindlichen Gegenstände durch die einigermaßen zielgenaue Lokalisierung selbst noch nicht gefährdet, sondern allenfalls durch einen ihrer Entdeckung folgenden Bergungsversuch durch Grabung. 238 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Nachdem die Verwendung nicht invasiver Feldforschungsmethoden bzw. zerstörungsfreier Prospektionsmethoden noch im Boden befindliche Denkmale nicht der Gefahr der Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland aussetzt, folgt zwingend, dass ihre Unterwerfung unter eine gesetzliche NFG-Pflicht die von ihnen für die Erhaltung von Denkmalen iSd § 1 Abs. 1 DMSG ausgehende Gefahr auch nicht verringern kann. Die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG kann daher auch unmöglich im Sinne einer verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung dafür geeignet sein, den vom Staat mit der NFG-Pflicht verfolgten Zweck zu erreichen oder auch nur zu fördern. Damit ist die Unterwerfung nicht invasiver Feldforschungsmethoden unter die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ebenso zwingend im verfassungsrechtlichen Sinn unverhältnismäßig. Diese Unverhältnismäßigkeit besteht sowohl in Bezug auf das möglicherweise vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, Denkmale vor durch unsachgemäß durchgeführte, nicht in den Bereich des anerkannten wissenschaftlichen Methodenkanons fallende, nicht invasive archäologische Feldforschungsmethoden verursachten Zerstörungen, Veränderungen oder Verbringungen von Denkmalen zu schützen, als auch auf das möglicherweise vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, wissenschaftliche archäologische Forschungen auf gem. §§ 2, 2a oder 3 DMSG geschützten Denkmalen zu standardisieren. Ersteres ist deshalb der Fall, weil auch die völlig unsachgemäße Anwendung nicht in den anerkannten wissenschaftlichen Methodenkanon fallender, aber dennoch nicht invasiver archäologischer Feldforschungsmethoden eben nicht in den Boden bzw. Grund unter Wasser eingreift und daher in diesem enthaltene Denkmale auch unmöglich gefährden kann. Erst wenn eine an sich zerstörungsfreie Methode so falsch eingesetzt wird, dass es dabei zu maßgeblichen Bodeneingriffen kommt, könnte durch ihre Verwendung maßgeblicher Schaden an noch im Boden verborgenen Denkmalen entstehen. Es fehlt jedoch jedweder Grund zur Annahme, dass solche vollkommen unsachgemäßen Anwendungen an sich zerstörungsfreier Feldforschungsmethoden bisher überhaupt vorgekommen sein könnten, ja sogar jedwede bewährte Hypothese, wie es zu einer derart fehlerhaften Anwendung an sich zerstörungsfreier Feldforschungsmethoden kommen könnte, dass tatsächlich durch ihren Einsatz maßgeblicher Schaden an noch im Boden verborgenen Denkmalen entstehen könnte. Davon abgesehen ist auch nicht erkenntlich, wie in einem Vorab-Genehmigungsverfahren, in dem die behördliche Erlaubnis zur Anwendung einer zerstörungsfreien Feldforschungsmethode beantragt wurde, die Behörde zum Schluss kommen könnte, dass das beantragte, an sich zerstörungsfreie Verfahren so unsachgemäß angewandt werden wird, dass dadurch maßgebliche Zerstörungen oder Veränderungen am betroffenen Denkmal verursacht werden oder dieses ins Ausland verbracht werden könnte. Letzteres ist hingegen deshalb der Fall, weil auch nicht erkennbar ist, wie eine Standardisierung der zerstörungsfreien archäologisch-wissenschaftlichen Feldforschung selbst auf gem. §§ 2, 2a bzw. 3 DMSG geschützten Denkmalen dazu geeignet sein könnte, diese besser vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland zu schützen als ihre nicht standardisierte Untersuchung. Die einzige Möglichkeit, wie man dies argumentieren könnte, ist damit, dass das BDA als zuständige Behörde sich mit der denkmalschutzrechtlichen Interpretation standardisierter wissenschaftlicher Forschungsergebnisse eventuell etwas leichter tut (siehe dazu z.B. die chronologisch gegliederten Farbcodes zur digitalen Dokumentation in den Richtlinien des BDA; BDA 2016a; 2018; jeweils Innenseite des hinteren Deckblattes) als mit der nicht standardisierter wissenschaftlicher Forschungsergebnisse. Inwieweit dies aber zu einer maßgeblichen Verbesserung des Schutzes von Denkmalen vor Zerstörung, Veränderung und Verbringung ins Ausland führt, wäre erst einmal durch das BDA zu zeigen. Bislang fehlt jedweder konkrete Hinweis darauf. 239 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Die Unterwerfung von Nachforschungen mit nicht invasiven archäologischen Feldforschungsmethoden unter die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ist also in jedem Fall nicht geeignet, das gesetzliche Schutzziel zu erreichen oder auch nur zu fördern, und verletzt somit in seiner gegenwärtigen Form das Verhältnismäßigkeitsprinzip der österreichischen Bundesverfassung. Eine Beschränkung der durch Art. 17 Abs. 1 StGG verfassungsgesetzlich garantierten Freiheit, nicht invasive archäologisch-wissenschaftliche Feldforschungsmethoden selbstbestimmt auf jeder beliebigen Bodenfläche durchzuführen – ob sich auf dieser nun geschützte Denkmale befinden oder nicht – durch die gesetzliche NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ist somit unzulässig. Invasive Feldforschungsmethoden Im Unterschied zu nicht invasiven Feldforschungsmethoden greifen invasive archäologische Forschungsmethoden, insbesondere die systematische Ausgrabung (BDA 2016a, 16-21; 2018, 15-20), aber auch unsystematische Fundbergungen durch Veränderung der Erdoberfläche oder des Grundes unter Wasser, wie sie nahezu regelhaft bei Metallsuchen vorgenommen werden, sowie auch die Bodenbeprobung (BDA 2016a, 15; 2018, 14-5), in den Erdboden ein und können daher in diesem noch enthaltene Denkmale durch Zerstörung oder Veränderung ihrer Erscheinung oder Substanz gefährden. Durch die dabei jedenfalls vorkommende, wenigstens zeitweilige, Entnahme von Material, darunter insbesondere von beweglichen Kleinfunden, können invasive Feldforschungsmethoden mittelbar auch dazu führen, dass derart aus dem Boden geborgene bewegliche Denkmale ins Ausland verbracht werden. Die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ist zweifelsfrei geeignet, die von mit nicht anerkannten wissenschaftlichen Methoden durchgeführten Grabungen für im Boden verborgene Denkmale ausgehende Gefahr der Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland zu verringern. Dadurch, dass geplante Maßnahmen vor ihrer Durchführung durch eine dafür vorgesehene Instanz auf ihre Wissenschaftlichkeit beurteilt werden (siehe dazu auch Krischok 2016, 138), können solche Grabungen, die mit nicht wissenschaftlich anerkannten invasiven Feldforschungsmethoden durchgeführt werden sollen, durch Abweisung des Bewilligungsantrags untersagt und somit die von ihnen mutmaßlich erzeugten Zerstörungen oder Veränderungen von Denkmalen sowie deren Verbringung ins Ausland rechtlich verhindert werden. Auch zur Standardisierung von auf gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschützten Denkmalen mit invasiven wissenschaftlichen Methoden durchgeführten Forschungen scheint die Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG geeignet, da im Rahmen eines allfällig erteilten genehmigenden Bescheides die Standards – wie derzeit z.B. in Form der Richtlinien (BDA 2016a; 2018) – diesem als Auflagen angeschlossen werden können und damit rechtsverbindlich einzuhalten sind. Tatsächlich scheint eine solche Standardisierung auch dafür geeignet, den Schutz derartiger Denkmale, insbesondere vor Zerstörung der in diesen gespeicherten historischen Informationen bzw. der Veränderung ihres geschichtlichen Dokumentationswerts gegenüber einer nicht standardisierten Feldforschungspraxis zu verbessern: mittels der vorgegebenen Standards kann das BDA nämlich sicherstellen, dass tatsächlich alle Informationen über ein durch invasive Feldforschungsmaßnahmen in situ zerstörtes oder wenigstens maßgebliches verändertes Denkmal, die derzeit aus denkmalpflegerischer Sicht benötigt werden, um den geschichtlichen Dokumentationswert des betreffenden Denkmals möglichst vollständig zu erhalten, in einer entsprechend (allgemein-) verständlichen Form aufgezeichnet und damit über die physische Zerstörung des Denkmals in situ hinweg erhalten bleiben. Es mag zwar durchaus sein, dass die Verwendung anderer als der in den Richtlinien als Standard vorgesehenen wissenschaftlichen Forschungs- und Dokumentationsmethoden und insbesondere auch die anderer Dokumentationsformate als der in diesen vorgesehenen (BDA 2016a; 2018) gleichermaßen gut oder sogar besser als die vorgegebenen Standards dafür geeignet wäre, den 240 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? geschichtlichen Dokumentationswert des betroffenen Denkmals über seine physische Zerstörung in situ hinweg zu erhalten. Dies kann aber – aufgrund der Breite des Kanons wissenschaftlicher Methoden, die nicht alle gleichermaßen dafür geeignet sind, alle derzeit als aus denkmalpflegerischer Sicht relevant erachteten, im Denkmal in situ gespeicherten historischen Informationen zu erhalten – nicht automatisch garantiert werden, wenn die vorgegebenen Standards nicht absolute Mindeststandards sind, die von jeder noch anerkannten invasiven Forschungsmethode jedenfalls erfüllt werden. In der Anwendungspraxis kann der Tatsache, dass andere als die standardmäßig vorgesehenen Methoden in Einzelfällen oder generell zu einer verbesserten historischen Dokumentation führen können als diese, auch schon vor einer allfälligen Anpassung der Standards an allfällige neue, bessere Methoden dadurch Rechnung getragen werden, dass in begründeten Fällen eine Abweichung von den Standards im Rahmen des behördlichen Prüfungsverfahrens genehmigt werden kann. Diese Möglichkeit ist auch tatsächlich schon derzeit in den Richtlinien des BDA (2016a, 3; 2018, 2-3) vorgesehen. Insgesamt betrachtet scheint also die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 als „Grabungsgenehmigungspflicht“ (wie sie ja auch immer noch im Gesetzestext bezeichnet wird, wobei unter dem Begriff Grabung eben alle „Nachforschungen durch Veränderung der Erdoberfläche oder des Grundes unter Wasser“ zu verstehen sind) für die legitimen Zwecke, invasive archäologische Feldforschungen auf gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschützten Denkmalen zu standardisieren und mit wissenschaftlich nicht anerkannten, invasiven Methoden durchgeführte Nachforschungen zu verhindern, in verfassungsrechtlichem Sinn dafür geeignet, dem gesetzlichen Schutzziel der Erhaltung der Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG näherzukommen. Wenigstens in diesem Gesichtspunkt ist also die als in weitem Sinn zu verstehende Grabungsgenehmigungspflicht zu verstehende NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG als verhältnismäßig zu betrachten. Zur Frage der Erforderlichkeit des vom Staat eingesetzten Mittels der NFG-Pflicht Als nächster Schritt ist zu prüfen, ob die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 tatsächlich erforderlich ist, d.h. ob sie die gewährleistete Freiheit der Grundrechtsträger nur in jenem Maß beschränkt, das dazu erforderlich ist, das gesetzliche Schutzziel zu erreichen (Berka 1999, 159-60), oder ob der Staat sein Ziel auch durch ein weniger stark in das beschränkte Grundrecht eingreifendes Mittel erreichen könnte. Die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ist dabei rechtlich als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt einzuordnen. Konkreter wäre sie wohl als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt zu betrachten, weil der abschließende Satz des § 11 Abs. 1 bestimmt, dass kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Grabungsgenehmigung besteht (vgl. Krischok 2016, 128-9; Pieroth et al. 2015, 75). Eine Grabungsgenehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG muss also anscheinend auch dann nicht erteilt werden, wenn der Antrag und AntragstellerIn alle gesetzlich geforderten Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung erfüllen. Ziel der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG wäre dementsprechend, „das verbotene Verhalten möglichst zu unterbinden und nur ausnahmsweise zuzulassen“ (Pieroth et al. 2015, 75), nicht anders, als dies ja auch einige Kommentare zu einigen deutschen Denkmalschutzgesetzen für die in diesen Gesetzen jeweils enthaltenen NFG-Pflichten sehen (Krischok 2016, 128-9 mit Literaturverweisen; siehe auch Strobl & Sieche 2010, 265). Dabei handelt es sich nach einem vollständigen Verbot um den zweitstärksten möglichen Eingriff in das geschützte Grundrecht; wobei die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ja – wie schon oben erwähnt – für die überwältigende Mehrheit aller Grundrechtsträger tatsächlich ein vollständiges Verbot der vorsätzlichen archäologischen Feldforschung darstellt: eine Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG kann schließlich 241 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich überhaupt nur an Personen erteilt werden, die ein einschlägiges archäologisches Universitätsstudium, in dem zugleich praktische Ausgrabungstätigkeit ein Pflichtfach ist (RV 1999, 54), abgeschlossen haben; über 99,9% aller Grundrechtsträger können also eine § 11 Abs. 1 DMSG-Genehmigung unter keinen Umständen erteilt bekommen. Neuerlich ist bei der Erforderlichkeitsprüfung separat auf die beiden unterschiedlichen, aber von § 11 Abs. 1 DMSG gleichermaßen erfassten Sachverhalte einzugehen, nämlich einerseits auf „sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle“, d.h. die Verwendung nicht invasiver archäologischer Nachforschungsmethoden, und andererseits auf „die Nachforschung durch Veränderung der Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser (Grabung)“, d.h. die Verwendung invasiver archäologischer Nachforschungsmethoden. Nachdem bei Ersteren schon bei der Eignungsprüfung festgestellt wurde, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG nicht dafür geeignet ist, das gesetzliche Schutzziel zu erreichen oder auch nur zu fördern, bräuchte auf diese eigentlich nicht weiter eingegangen werden, der Vollständigkeit halber wird dies aber dennoch in der gebotenen Kürze getan. Nicht invasive Feldforschungsmethoden Wie bereits oben ausgeführt wurde, geht von der Anwendung nicht invasiver archäologischer Feldforschungsmethoden keinerlei wie auch immer geartete Gefahr aus, die noch im Boden befindliche Denkmale mit Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland gefährden könnte. Der Zustand, den der Gesetzgeber durch das gesetzliche Mittel der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG zu erreichen versucht, wird also tatsächlich auch bereits dann erreicht, wenn der Gesetzgeber überhaupt kein gesetzliches Mittel einsetzen würde, um die Verwirklichung seines mit der NFG-Pflicht verfolgten Zweckes zu erreichen. Nachdem gar kein gesetzliches Mittel, das in die Freiheit der Grundrechtsträger eingreift, nicht invasive archäologische Feldforschungen zu betreiben, dafür erforderlich ist, das gesetzliche Schutzziel – den Schutz noch im Boden verborgener Denkmale vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland durch den Einsatz nicht invasiver Nachforschungsmethoden – vollständig zu erreichen, folgt zwingend, dass eine gesetzliche NFG-Pflicht wie die des § 11 Abs. 1 DMSG im verfassungsrechtlichen Sinn nicht für das Erreichen des vom Staat mit dieser Bestimmung verfolgten Zwecks erforderlich sein kann. Die Anwendung der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG auf Nachforschungen mit nicht invasiven archäologischen Feldforschungsmethoden verletzt also jedenfalls das Übermaßverbot der Bundesverfassung und ist somit als verfassungswidrig zu betrachten. Insofern der Staat zur Wahrung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung der besonders bedeutenden Denkmale von bei derartigen, nicht invasiven Nachforschungen erstmals, d.h. neu (wieder-) entdeckten, beweglichen und unbeweglichen Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG Kenntnis erlangen muss, um diese nötigenfalls unter Denkmalschutz stellen oder durch andere geeignet erscheinende Maßnahmen schützen zu können, bedarf es ebenfalls keiner gesetzlichen NFGPflicht. Dasselbe Ziel kann der Staat nämlich durch die ohnehin schon durch die Bestimmungen des § 8 Abs. 1 DMSG vorgesehene Meldepflicht von Neufunden von Bodendenkmalen erreichen, ohne dadurch – geschweige denn durch ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt für graduierte ArchäologInnen und ein Totalverbot für alle anderen Grundrechtsträger – stärker als das in die verfassungsgesetzlich durch Art. 17 Abs. 1 StGG garantierte Wissenschaftsfreiheit eingreifen zu müssen. Erforderlichenfalls – falls der Gesetzgeber auf der Einschränkung der Fundmeldepflichten des § 8 Abs. 1 DMSG auf ausschließlich „Zufallsfunde“ beharren möchte – sind bei Anwendung nicht invasiver archäologischer Feldforschungsmethoden getätigte Entdeckungen bislang unbekannter 242 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Bodendenkmale auf Bodenflächen, auf denen noch keine konkreten Hinweise auf das Vorkommen von Bodendenkmalen bekannt sind, als „Zufallsfunde“ iSd § 8 Abs. 1 DMSG zu behandeln. Nachdem bis zu ihrer Entdeckung durch nicht invasive Nachforschungen keine konkreten Hinweise auf ihr Vorkommen an Ort und Stelle bekannt waren, konnte ihr Entdecker auch nicht mit ihrem Vorkommen rechnen und daher bei der erforderlichen Betrachtung ex ante den notwendigen Entdeckungsvorsatz auch nicht ausbilden (siehe dazu sinngemäß auch VwGH vom 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 3-4). Invasive Feldforschungsmethoden Nachdem invasive archäologische Feldforschungsmethoden in den Boden und damit auch die Erscheinung und Substanz von noch im Boden verborgenen Denkmalen eingreifen können, könnte die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG bei Nachforschungen durch die Veränderung der Erdoberfläche oder des Grundes unter Wasser nicht nur zum Erreichen des gesetzlichen Schutzzieles geeignet, sondern wenigstens theoretisch auch dafür erforderlich sein, dass der Gesetzgeber den durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG beabsichtigten Zweck auch erreichen kann. Es ist daher genauer zu prüfen, ob diese gesetzliche NFG-Pflicht tatsächlich erforderlich ist oder ob dem Gesetzgeber auch gelindere gesetzliche Mittel zur Verfügung stehen, mittels derer er den selben Zweck gleichermaßen effektiv erreichen könnte, ohne gleichermaßen stark die Wissenschaftsfreiheit zu beschränken. Betrachtet man die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG als Mittel zur Verhinderung archäologischer Nachforschungen, die mit nicht anerkannten wissenschaftlichen Feldforschungsmethoden durchgeführt werden sollen, um Denkmale vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland zu schützen, bietet sich unmittelbar ein anderes Mittel an, mit dem der gleiche Zweck gleichermaßen effektiv erreicht werden kann, das die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG weitaus weniger beschränkt als die derzeit gewählte Regelung. Man muss nicht einmal besonders weit weg auf andere Rechtsbereiche schauen, um es zu finden, sondern es genügt völlig, wenn man in die Fassungen des DMSG vor der Novelle BGBl. 473/1990 auf deren §§ 9-11 blickt. Vergleich mit der Regelung der §§ 9-11 DMSG idF BGBl. 533/1923 und 167/1978 Die in diesen älteren Fassungen des DMSG in BGBl. 533/1923 und 167/1978 vorgenommene Regelung sieht vor, dass, wie schon weiter oben erwähnt (Seiten 90-93), bei der Entdeckung zuvor verborgener Gegenstände unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche, die offenkundig den Bestimmungen des DMSG unterliegen, eine Fundmeldung an das BDA vorzunehmen und vorläufig alle Arbeiten an der Fundstelle einzustellen sind. Gem. § 10 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923 ist der Zustand der Fundstelle auf bis zu vier Tage nach Erstattung der Fundmeldung oder einer zuvor erfolgenden Untersuchung durch Organe des BDA unverändert zu belassen (idF BGBl. 167/1978: 5 Tage); wobei alle entdeckten denkmalschutzrelevanten Gegenstände gem. § 10 Abs. 2 DMSG idF BGBl. 533/1923 und 167/1978 für bis zu vier Wochen automatisch kraft gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz stehen und das BDA innert dieser Frist eine dauerhafte Unterschutzstellung in einem beschleunigten Verfahren verfügen kann. Diese Regelung galt, wie ebenfalls bereits weiter oben (Seiten 87-93) erläutert wurde, unbeachtlich dessen, ob die denkmalschutzrelevanten Gegenstände rein zufällig oder vorsätzlich entdeckt worden waren: man musste jedenfalls alle Arbeiten an der Fundstelle einstellen, wenn man auf denkmalschutzrelevante Sachen traf, gleichgültig ob man vorsätzlich nach solchen Sachen gesucht hatte oder nicht. Nur wenn man bei einer vorsätzlichen Grabung zu wissenschaftlichen Erkenntniszwecken nicht an die unmittelbare Meldepflicht des § 9 und die Arbeitseinstellungspflichten des § 10 DMSG gebunden sein wollte, sondern seine selbstbestimmten wissenschaftlichen archäologischen Forschungen unmittelbar fortführen wollte, war es ratsam, eine Vorab-Bewilligung des BDA gem. § 11 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923 bzw. 167/1978 einzuholen. Durch diese Art der Regelung wurde die Wissenschaftsfreiheit aller Grundrechtsträger nur so wenig als möglich beschränkt: nämlich nur in Fällen, in denen diese tatsächlich bei ihren mit invasiven 243 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Methoden durchgeführten (ob nun archäologischen oder anderen), in den Erdboden bzw. Grund unter Wasser eingreifenden Feldforschungen offenkundig denkmalschutzrelevante archäologische Funde machten. Gleichzeitig wurden dadurch aber tatsächlich an Ort und Stelle unter der Erdoberfläche bzw. dem Grund unter Wasser vorkommende, denkmalschutzrelevante Gegenstände nicht nur vor vorsätzlich mit archäologischer Entdeckungsabsicht durchgeführten Veränderungen der Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser geschützt, sondern vor allen solchen Veränderungen, gleichgültig mit welchem Zweck sie in Angriff genommen worden waren. Die VorabBewilligungsmöglichkeit von mit wissenschaftlicher Erkenntnisabsicht durchgeführten archäologischen Ausgrabungen des § 11 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923 und 167/1978 hingegen konnte schon alleine deshalb keine Beschränkung der (archäologischen) Wissenschaftsfreiheit darstellen, weil jener, der mit vorsätzlicher archäologischer Entdeckungsabsicht Grabungen durchführen wollte, gar nicht gesetzlich verpflichtet war, eine solche gesetzliche Bewilligung einzuholen: tat er das nicht, musste er sich zwar im Fall, dass sein Entdeckungsversuch erfolgreich verlief, d.h. er tatsächlich denkmalschutzrelevante Gegenstände bei seinen Ausgrabungen entdeckte, wie jeder andere auch, an die Melde- und Schutzbestimmungen der §§ 9 und 10 DMSG idF BGBl. 533/1923 bzw. 167/1978 halten, d.h. seine Grabung nötigenfalls für ein paar Tage einstellen; aber seine Wissenschaftsfreiheit wurde durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG nicht beschränkt. Auch wurde dadurch weder in die Wahl des Forschers über die Gegenstände seiner Forschung, noch seine Methodenwahl aus dem Kanon allgemein anerkannter archäologischer Feldforschungsmethoden, noch irgendwelche seiner weiteren durch die Wissenschaftsfreiheit geschützten Rechte (Berka 1999, 344) in irgendeiner Weise – und sei es auch nur durch eine Genehmigungspflicht – eingegriffen. Dieser konnte – außer auf gem. §§ 2 oder 3 DMSG idF BGBl. 533/1923 bzw. 167/1978 geschützten Denkmalen – frei entscheiden, wo und mit welchen Methoden er graben wollte: wenn er „auf gut Glück“ einen langen Suchschnitt in die Landschaft legen wollte, an einer Stelle, an der er mit archäologischen Funden rechnete, aber noch keine konkreten Hinweise auf deren Vorkommen hatte, dann durfte er das völlig uneingeschränkt. Nur wenn er – aufgrund des Vorliegens konkreter Hinweise, dass dort, wo er graben wollte, auch tatsächlich denkmalschutzrelevante Funde auftreten – den begründeten Verdacht hatte, dass er mit seinen Untersuchungen den gewünschten Erfolg erzielen würde, war es – und in diesem Fall vor allem für ihn selbst, um sich unnötige Verzögerungen zu ersparen – sinnvoll, sich vor Beginn seiner Feldarbeit an das BDA zu wenden und sich ex ante eine Genehmigung der Fortsetzung seiner Arbeiten auch im Erfolgsfall einzuholen. In diesem Fall – nachdem ja sowohl vom Forscher als auch wohl dem BDA ob des Vorliegens konkreter Hinweise auf deren Vorkommen an Ort und Stelle der geplanten Nachforschung mit der Entdeckung denkmalschutzrelevanter Gegenstände zu rechnen war – konnte ihm dann das BDA selbstverständlich für seine geplanten Grabungen auch aus denkmalpflegerischer Sicht geeignete Auflagen erteilen, d.h. ihm nötigenfalls auch die Verwendung von invasiven Forschungsmethoden untersagen, die nicht (mehr) innerhalb des wissenschaftlich anerkannten Methodenkanons lagen. Damit wurde aber auch genau dasselbe Ziel erreicht, das der Gesetzgeber mit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF zu erreichen versucht: falls bei Grabungen (oder anderen Veränderungen der Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser) denkmalschutzrelevante Gegenstände angetroffen werden oder bereits ex ante zu erwarten ist, dass solche bei geplanten Grabungen angetroffen werden dürften, erhält das BDA – sei es durch die Arbeitseinstellungspflicht des § 10 Abs. 1 bis zur Begutachtung der Fundstelle durch ein Organ des BDA oder durch eine ex ante beantragte Genehmigung zur unmittelbaren Fortsetzung mit fachlich anerkannten Methoden durchgeführter Grabungen mit archäologischen Entdeckungszweck – die Möglichkeit, die wissenschaftliche Sachgerechtigkeit der Durchführung der denkmalschutzrelevanten Arbeiten an Ort und Stelle vorab 244 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? zu überprüfen oder – wo zu vermuten steht, dass diese durch den Entdecker nicht selbst in ausreichender Qualität gewährleistet werden kann – durch deren Durchführung durch seine eigenen Organe für ebendiese Sachgerechtigkeit zu sorgen. Als Mittel zur Sicherstellung dieser wissenschaftlichen Sachgerechtigkeit allfällig durchgeführter, denkmalschutzrelevanter Feldforschungen ist diese Regelung der derzeit gewählten also sogar deutlich überlegen, obgleich sie deutlich weniger stark in die Wissenschaftsfreiheit aller Grundrechtsträger eingreift. Der einzige Grund, der gegen diese Art der Regelung des Schutzes noch im Verborgenen gelegener Denkmale vor durch archäologische Nachforschungen, die mit nicht anerkannten wissenschaftlichen Feldforschungsmethoden durchgeführt werden sollen, verursachter Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland sprechen kann, ist, dass diese Art der Regelung, um wirklich effektiv zu sein, eventuell einer bedeutenden personellen Aufstockung der archäologischen Abteilung des BDA und damit erhöhten Ressourcenaufwand für den Staat darstellen könnte. In einer Prüfung der Erforderlichkeit ist auch dieser Aspekt selbstverständlich zu berücksichtigen. Bei der Abschätzung des für diese ältere Lösung unter derzeitigen Umständen erforderlichen Ressourcenaufwands ist vor allem zu bedenken, dass Organe des BDA jedes Mal dann, wenn zufällig oder vorsätzlich „Bodendenkmale“ iSd § 8 Abs. 1 DMSG igF entdeckt werden, die Fundstelle, die ja weiterhin gem. § 9 Abs. 1 igF für bis zu 5 Tage nach Abgabe der Fundmeldung unverändert zu belassen ist, in Augenschein zu nehmen und nötigenfalls allfällig erforderlich werdende Rettungsmaßnahmen (Grabungen und deren Dokumentation) an Ort und Stelle durchzuführen haben. Ebenso hätten sie weiterhin eingehende Anträge auf Erteilung von Grabungsgenehmigungen gem. § 11 Abs. 1 DMSG auf die wissenschaftliche Sachgerechtigkeit der geplanten Arbeiten zu überprüfen und entsprechende Bescheide zu erlassen. Beides sind Aufgaben, die die zuständigen Fachkräfte im BDA auch unter der derzeit geltenden Rechtslage zu erledigen haben. Die gesamte Anzahl der auf die eine oder andere Art zu behandelnden Fälle dürfte sich also bei einer Änderung der NFG-Pflichtregelung zurück auf die zuvor geltende Regelungsart nicht maßgeblich verändern. Durch den Wegfall der NFG-Pflicht und ihre Ersetzung durch eine Vorab-Genehmigungsmöglichkeit im Sinne der früher geltenden Regelungsart könnte es allerdings zu einer gewissen Verschiebung zwischen den beiden Arten von Fällen kommen: immerhin könnten ArchäologInnen, die auf Bodenflächen graben wollen, von denen noch keine konkreten Hinweise auf das Vorkommen bedeutender archäologischer Denkmale im Boden bekannt sind, auf die ex ante-Einholung einer Grabungsgenehmigung verzichten. Sofern diese bei ihren Grabungen dann unerwarteterweise dennoch auf hinreichend bedeutend erscheinende Denkmale unter der Erdoberfläche bzw. dem Grund unter Wasser stoßen, durch deren Entdeckung die Bestimmungen des § 8 Abs. 1 sowie deren Rechtsfolgen gem. § 9 DMSG igF ausgelöst werden, müssten also Organe des BDA in Fällen, in denen sie bisher ex ante eine Grabungsgenehmigung erteilt haben, dann ins Feld ausrücken, um die entdeckten Funde und Befunde in Augenschein zu nehmen und entweder die Fortsetzung der Arbeiten an Ort und Stelle zu bewilligen oder diese selbst durchzuführen (bzw. eine dauerhafte Unterschutzstellung der Fundstelle gem. § 9 Abs. 3 zu verfügen). Der dadurch entstehende Mehraufwand dürfte sich in Anbetracht der Tatsache, dass laut den Fallzahlstatistiken in den FÖ in den letzten Jahren jährlich durchschnittlich nur ca. 500 Grabungen gem. § 11 Abs. 1 DMSG bewilligt worden sind, allerdings wohl in sehr überschaubaren Grenzen halten. Selbst wenn man davon ausgeht, dass 90% aller Grabungen dann ohne Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG begonnen und dann trotzdem die Meldepflicht des § 8 Abs. 1 samt deren Rechtsfolgen gem. § 9 DMSG auslösen würden: Fachkräfte des BDA besuchen auch schon derzeit viele gem. § 11 Abs. 1 DMSG bewilligte Grabungen. Die Anzahl der durch Fundmeldungen bei nicht bewilligten, aber 245 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich dennoch in der überwältigenden Mehrheit aller Fälle sachgerecht durchgeführten, Grabungen verursachten „zusätzlich“ erforderlich werdenden Grabungskontrollen gem. § 9 Abs. 1 DMSG binnen 5 Tagen ab Abgabe der ersten Fundmeldung wird also durch den Wegfall der Notwendigkeit der Vorab-Bewilligung all dieser Grabungen vermutlich praktisch aufgewogen werden. Noch viel wahrscheinlicher ist allerdings, dass sich dadurch in der Verwaltungspraxis nur sehr wenig ändern würde: die meisten graduierten ArchäologInnen können normalerweise mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen, ob sie bei ihren geplanten Grabungen auf Funde treffen werden, die als „Bodendenkmale“ iSd § 8 Abs. 1 die gesetzlichen Meldepflichten und deren Rechtsfolgen gem. § 9 DMSG auslösen. Sie würden daher für alle ihrer geplanten Grabungen, bei denen sie ernsthaft mit der Entdeckung denkmalschutzrelevanter Funde rechnen, selbstverständlich weiterhin um VorabGenehmigungen gem. § 11 Abs. 1 DMSG ansuchen, um sich die ja vollkommen unnötige Einstellung aller Feldarbeiten bei der Entdeckung des ersten denkmalschutzrelevanten Fundes bis zur Freigabe durch ein Organ des BDA zu ersparen. Zu einer maßgeblichen Erhöhung des administrativen Aufwandes, der auf das BDA zukommt, könnte es nur dadurch kommen, dass unter einer solchen Alternativregelung die in Österreich tätigen MetallsucherInnen beginnen könnten, ihre Funde – die ja dann, sofern es sich dabei um „Bodendenkmale“ iSd § 8 Abs. 1 DMSG handelt, ebenfalls der Meldepflicht und den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen des § 9 unterliegen – tatsächlich gesetzestreu zu melden und zu behandeln. Dies könnte tatsächlich zu einer Explosion der Zahl der Fälle führen, in denen Organe des BDA zur Inaugenscheinnahme von Fundstellen neu entdeckter „Bodendenkmale“ ausrücken müssten, die administrativ nicht bewältigbar wäre: rechnet man auf Basis der derzeitigen Mindestschätzzahl für in Österreich aktive Metallsucher von ca. 3.900 (Seite 115, Abb. 6) und der durchschnittlichen Anzahl von ca. 56 Suchtagen im Jahr und ca. 3,9 Suchstunden pro Suchtag (Achleitner 2011, 2) unter Annahme nur eines meldepflichtigen Fundes pro Suchstunde hoch, kommt man auf jährlich ca. 850.000 durch ein Organ des BDA in Augenschein zu nehmende Fundstellen (siehe auch schon Seite 143). Das ist allerdings nur dann der Fall, wenn man von der irrigen Annahme ausgeht, dass tatsächlich bei jeder Entdeckung eines möglicherweise denkmalschutzrelevanten, beweglichen Kleinfundes durch einen Metallsucher die Fundstelle gem. § 9 Abs. 1 DMSG unverändert belassen und durch ein Organ des BDA in Augenschein zu nehmen ist, bevor dort irgendwelche weiteren Arbeiten durchgeführt und der entdeckte Kleinfund geborgen werden können. Das ist jedoch tatsächlich nicht der Fall, denn der Metallsucher ist gem. § 9 Abs. 2 DMSG bei – der im Fall von bereits teilweise oder gänzlich freigelegten beweglichen Kleinfunden jedenfalls immer bestehenden – Gefahr des sonstigen Abhandenkommens der entdeckten beweglichen Fundgegenstände ohnehin gesetzlich verpflichtet, diese entgegen der Bestimmungen des § 9 Abs. 1 DMSG unmittelbar in möglichst sicheren Gewahrsam zu nehmen. Ebenso sind die Fundumstände bei der Entdeckung von beweglichen Kleinfunden durch Metallsucher in der überwältigenden Mehrheit aller Fälle – d.h. außer in solchen Fällen, in denen ein Metallsucher tatsächlich so tief gegraben hat, dass er in zuvor ungestörte, archäologisch stratifizierte Bodenschichten eingedrungen ist, was nur vergleichsweise selten vorkommt, wohl in deutlich weniger als 1% aller Fälle – ohnehin derart beschaffen, dass ihre Inaugenscheinnahme durch Organe des BDA vollkommen sinnlos wäre. Hinzu kommt, dass Metallsucher gewöhnlich gerade nicht vorhaben, irgendwelche weiteren Arbeiten am Fundort eines von ihnen gefundenen beweglichen Kleinfundes durchzuführen: Ziel ihrer Suche ist schließlich der Kleinfund gewesen, dessen Entdeckung überhaupt erst die Meldepflicht des § 8 Abs. 1 samt Rechtsfolgen gem. § 9 DMSG ausgelöst hat. Das BDA braucht also in solchen Fällen gar kein Organ zur Inaugenscheinnahme des Fundortes und Freigabe der Fortsetzung der an Ort und Stelle geplanten Arbeiten entsenden. 246 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Aber selbst wenn es dadurch zu einem gewissen administrativen Mehraufwand für das BDA kommen sollte, kann dies kein Grund sein, die derzeitige Regelung der NFG-Pflicht als geeigneter als die hier vorgeschlagene und bis 1990 ohnehin geltende vorherige Regelung zu betrachten: schließlich ist der Sinn der Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 samt deren Rechtsfolgen gem. § 9 DMSG, dass Finder von Bodendenkmalen diese dem BDA melden, damit das BDA Kenntnis von diesen erhält und daher alle durch die Entdeckung denkmalschutzrechtlich erforderlich werdenden Verwaltungshandlungen setzen kann. Tatsächlich sieht ja § 9 Abs. 5 DMSG vor, dass die Bestimmungen dieses Paragrafen unabhängig von anderen Rechtsfolgen auch für jene vorsätzlichen Grabungen gelten, die entgegen der Bestimmungen des § 11 DMSG durchgeführt wurden. Damit kann der Gesetzgeber die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF aber auch nicht als geeigneter erachten, weil sie weniger administrativen Aufwand verursacht als die früher gewählte Lösung, weil sich jene, die sich nicht an die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG igF halten, ebenso wenig an die ihnen durch § 9 Abs. 5 DMSG igF dennoch gesetzlich vorgeschriebene Beachtung der Rechtsfolgen der Entdeckung von Bodendenkmalen des § 9 DMSG igF halten. Es lässt sich also auch nicht damit, dass durch die Wahl der früher geltenden Regelung des Fundmeldeund Grabungsgenehmigungswesens bei Befolgung dieser Regelung durch die Normunterworfenen dem BDA ein höherer administrativer Aufwand entsteht als durch die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF, argumentieren, dass die viel stärker in die verfassungsgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit eingreifende Regelung des § 11 Abs. 1 DMSG igF besser dafür geeignet ist, den vom Staat verfolgten Zweck zu erreichen, als die zuvor verwendeten, aber weit weniger die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG eingreifenden, gesetzlichen Mittel. Schon allein aus diesem Grund kann also die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF als Mittel zur Verhinderung archäologischer Nachforschungen, die mit nicht anerkannten wissenschaftlichen Feldforschungsmethoden durchgeführt werden sollen, um Denkmale vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland zu schützen, in verfassungsrechtlichem Sinn nicht erforderlich sein: es gibt ein probates, aber weniger in die Wissenschaftsfreiheit eingreifendes gesetzliches Mittel, mit dem der Staat das Ziel, das er mittels der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG zu erreichen versucht, nicht nur ebenso gut, sondern sogar besser erreichen kann. Vergleich mit der Möglichkeit von allgemeinen Dokumentationspflichten bei Entdeckungen Ebenso könnte der Staat anstelle der derzeitigen NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF die schon oben (Seiten 199-207) vorgeschlagene und weiter unten (Seiten 387-400) genauer präzisierte Möglichkeit der Einführung gesetzlich oder per Verordnung vorgeschriebener Mindeststandards im Rahmen einer allgemeinen Dokumentationspflicht von archäologischen Funden einführen, um den gleichen Zweck gleichermaßen effektiv erreichen zu können, den er mit der derzeitigen NFG-Pflichtregelung zu erreichen versucht. Geht es dem Staat um die Verhinderung archäologischer Nachforschungen, die mit nicht anerkannten wissenschaftlichen Feldforschungsmethoden durchgeführt werden sollen, um Denkmale vor dadurch verursachte Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland zu schützen, gibt es schließlich, wie schon weiter oben ausgeführt, keinen Grund für ihn, wissenschaftlich sachgerecht durchgeführte Grabungen – sofern diese nicht auf nach dem konstitutiven Prinzip „für die Erforschung durch zukünftige Generationen“ (Europarat 1992) reservierten archäologischen Denkmalen durchgeführt werden sollen – und somit die wissenschaftliche archäologische Feldforschung auch nur durch eine NFG-Pflicht zu beschränken. Vielmehr genügt es um dieses Ziel zu erreichen völlig, Grabungen und sonstige (invasive) Nachforschungen gesetzlich zu verbieten, die nicht mit wissenschaftlich anerkannten (archäologischen) Feldforschungsmethoden durchgeführt werden (sollen). 247 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Das einzige Argument, dass gegen ein solches Totalverbot von mit nicht wissenschaftlich anerkannten Feldforschungsmethoden durchgeführten Nachforschungen an Ort und Stelle – das in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG schon allein deshalb nicht eingreifen kann, weil nicht wissenschaftliche Nachforschungen den Schutz dieser Grundfreiheit nicht genießen – bei gleichzeitiger (auf nicht denkmalgeschützten Flächen) vollständiger Freigabe wissenschaftlicher (archäologischer) Feldforschungen ins Feld geführt werden könnte, ist, dass dieses Totalverbot nichtwissenschaftlicher Nachforschungen durch Normunterworfene irrtümlich oder vorsätzlich missachtet werden und dadurch Schaden an den betroffenen Denkmalen angerichtet werden könnte. Dieses Argument greift aber schon alleine deshalb nicht, weil selbstverständlich auch gesetzliche Genehmigungspflichten wie die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF von Normunterworfenen irrtümlich oder vorsätzlich missachtet werden können und – im Fall, dass man, wie das BDA das bisher getan hat und scheinbar auch weiterhin zu tun gedenkt (BDA 2018, 10-11), davon ausgehen möchte, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF tatsächlich für alle Metallsuchen mit archäologischem Entdeckungszweck gilt, unabhängig davon, auf welcher Bodenfläche sie durchgeführt werden – auch tatsächlich bereits bisher nachweislich in vielen Hunderttausenden, wenn nicht Millionen von Fällen missachtet wurde. Selbstverständlich geht der Gesetzgeber bei der Erlassung von Gesetzen davon aus, dass sich Normunterworfene nicht nur an die geltenden Gesetze halten müssen, sondern dies – wenigstens normalerweise – auch tun werden. Das tut er – nachweislich fälschlicherweise, wenn man annimmt, dass jede Metallsuche mit archäologischer Entdeckungsabsicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG igF bewilligungspflichtig ist – bei der derzeit geltenden gesetzlichen NFG-Pflicht; und muss daher dasselbe auch bei der Beurteilung einer alternativen gesetzlichen Lösungsmöglichkeit des Problems tun, das er mit der NFG-Pflicht zu lösen versucht. Damit kann der Staat, statt mittels einer ex ante-Genehmigungspflicht in jedem Einzelfall eigens zu prüfen, ob die vom Normunterworfenen, der sich an die geltenden gesetzlichen Regelungen halten möchte, geplanten Feldforschungsmaßnahmen wissenschaftlicher Natur sind und daher dem Schutz der Wissenschaftsfreiheit unterliegen, oder das nicht sind und daher untersagt werden können, dadurch dass er dem Normunterworfenen das wissenschaftlich korrekte Feldforschen erlaubt, das nichtwissenschaftliche Feldforschen hingegen gänzlich verbietet, den von ihm verfolgten Zweck gleichermaßen gut erreichen. Zwar bedingt die durch Gesetz oder Verordnung erfolgende Vorgabe von Mindeststandards (die dann auch tatsächlich Mindeststandards sein müssen) auch, wie schon weiter oben (Seiten 201-202) ausgeführt, eine gewisse Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG, allerdings jedenfalls weit weniger als durch eine generelle NFG-Pflicht und auch jedenfalls nur soweit, als dies mit dem Schutz der Wissenschaftsfreiheit Dritter verhältnismäßig ist. Auch aus diesem Grund kann also die derzeitige NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF im verfassungsrechtlichen Sinn nicht dafür erforderlich sein, archäologische Nachforschungen, die mit nicht anerkannten wissenschaftlichen Feldforschungsmethoden durchgeführt werden sollen, zu verhindern, um Denkmale vor dadurch verursachte Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland zu schützen. Zur Standardisierung invasiver archäologischer Forschungen auf geschützten Denkmalen Betrachtet man die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF hingegen als Mittel zur Standardisierung invasiver archäologischer Forschungen auf gem. §§ 2a bzw. 3 DMSG geschützten Denkmalen, scheint es auch höchstgradig fraglich, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG im verfassungsrechtlichen Sinn erforderlich wäre, um das Ziel, das der Gesetzgeber mit diesem Mittel verfolgt, auch tatsächlich erreichen zu können. Das liegt an dem sehr einfachen Grund, dass – wie auch in § 11 Abs. 5 DMSG igF explizit ausgeführt wird – Grabungen (d.h. iSd § 11 Abs. 1 DMSG igF Nachforschungen durch 248 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Veränderung der Erdoberfläche oder des Grundes unter Wasser, d.h. alle invasiven Feldforschungsmethoden) zwangsläufig zu Veränderungen oder Zerstörungen der Erscheinung und Substanz des betroffenen geschützten Denkmals führen und daher – gänzlich unabhängig von der Frage, ob eine NFG-Pflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG ebenfalls besteht – auf gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschützten Denkmalen jedenfalls auch einer Bewilligung des BDA gem. § 5 Abs. 1 DMSG bedürfen. Dabei kann das BDA einem Bescheid gem. § 5 Abs. 1 DMSG selbstverständlich ebenfalls Auflagen erteilen, z.B. auch die Einhaltung der Richtlinien für archäologische Maßnahmen (BDA 2016a; 2018). Zwar greift die Genehmigungspflicht der Zerstörung oder Veränderung geschützter Denkmale gem. § 5 Abs. 1 DMSG igF nicht weniger in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG ein als die NFGPflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF, es handelt sich bei ihr jedoch um ein allgemeines Gesetz, das nicht intentional in die Wissenschaftsfreiheit eingreift und an dessen Schranken selbstverständlich auch die Wissenschaftsfreiheit gebunden ist (Berka 1999, 344-5). Damit ist die Genehmigungspflicht des § 5 Abs. 1 DMSG igF aus verfassungsrechtlicher Sicht jedenfalls weit unbedenklicher als die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF. Schon allein aus diesem Grund kann also eine Erforderlichkeit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF im verfassungsrechtlichen Sinn als Mittel zur Standardisierung invasiver archäologischer Forschungen auf gem. §§ 2a bzw. 3 DMSG geschützten Denkmalen nicht bestehen. Darüber hinaus stünde dem Gesetzgeber aber auch, wie soeben erläutert, die Möglichkeit der Erlassung gesetzlicher oder verordnungsmäßig festgelegter Mindeststandards für invasive archäologische Feldforschungsmaßnahmen zur Verfügung, wenn er neben der Genehmigungspflicht des § 5 Abs. 1 DMSG igF noch eine zusätzliche und nicht jedem Bescheid gem. § 5 Abs. 1 DMSG als Auflage anzuschließende Standardisierung invasiver wissenschaftlicher Forschungen und die Verhinderung nichtwissenschaftlicher Feldforschungen auf gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschützten Denkmalen erreichen möchte. Auch dies greift, wie soeben erläutert, weit weniger in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG ein als die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF, die daher auch aus diesem Grund nicht erforderlich sein kann. Die Nichterforderlichkeit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF Aus den genannten Gründen kann daher die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF weder als Mittel zur Verhinderung archäologischer Nachforschungen, die mit nicht anerkannten wissenschaftlichen Feldforschungsmethoden durchgeführt werden sollen, um Denkmale vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland zu schützen, noch als Mittel zur Standardisierung invasiver archäologischer Forschungen auf gem. §§ 2a bzw. 3 DMSG geschützten Denkmalen erforderlich sein. Es stehen dem Staat jedenfalls andere gesetzliche Mittel zur Verfügung, mittels derer er die von ihm angestrebten Ziele wenigstens ebenso effektiv, wenn nicht sogar weit effektiver, erreichen könnte als mit dem derzeit von ihm gewählten Mittel der NFG-Pflicht, die auch allesamt deutlich weniger in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG eingreifen. Zwar wurde bereits weiter oben ausgeführt, dass eine allgemeine NFG-Pflicht, d.h. eine NFG-Pflicht die nicht nur auf gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschützten Denkmalen und auch nicht nur als ex anteKontrollmöglichkeit der Wissenschaftlichkeit geplanter invasiver archäologischer Feldforschungen (siehe dazu auch Krischok 2016, 138) Anwendung findet, schon allein deshalb nicht im verfassungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig sein kann, weil sie auf allen nicht gem. §§ 2a und 3 DMSG geschützten Denkmalen eine staatliche Fremdbestimmung der Wissenschaft darstellen würde, die dem Gesetzgeber durch Art. 17 Abs. 1 StGG explizit verboten ist, ohne dass diese Beschränkung (aufgrund des Fehlens eines rechtswirksamen Interesses an der Erhaltung nicht unter Schutz gestellter Denkmale) durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt wäre (Berka 1999, 346). Dennoch sei hier der Vollständigkeit halber auch angemerkt, dass eine solche allgemeine NFG-Pflicht für (und sei 249 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich es auch nur invasive) archäologische Feldforschungen auch keinesfalls im verfassungsrechtlichen Sinn erforderlich sein kann, um den Schutz noch im Boden verborgener archäologischer Denkmale vor durch Nachforschungen verursachten Zerstörungen, Veränderungen oder Verbringungen ins Ausland zu erreichen. Denn auch bei einer allgemeinen NFG-Pflicht stünden dem Gesetzgeber selbstverständlich sowohl die in §§ 9-11 DMSG idF BGBl. 533/1923 und 167/1978 gewählten Mittel als auch die Möglichkeit der Einführung allgemeingültiger Mindeststandards im Rahmen gesetzlicher Dokumentationspflichten bei der Entdeckung archäologischer Funde und Befunde zur Verfügung, die ebenso effektiv wie eine allgemeine NFG-Pflicht sind, aber auch in diesem erweiterten Rahmen in weit geringerem Maß in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG eingreifen als eine allgemeine NFG-Pflicht. Selbst wenn man also – aus welchen Gründen auch immer – davon ausgehen will, dass eine allgemeine NFG-Pflicht für (invasive) archäologische Feldforschungen ein legitimes Mittel ist, das der Gesetzgeber tatsächlich verwenden dürfte, um das von ihm angestrebte gesetzliche Schutzziel zu erreichen, verletzt eine allgemeine NFG-Pflicht jedenfalls immer noch das Übermaßverbot der Verfassung, weil sie keinesfalls im verfassungsrechtlichen Sinn erforderlich sein kann, und ist daher zwingend verfassungswidrig. Zur Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen NFG-Pflicht im engeren Sinn Damit könnte man sich den letzten Schritt der Verhältnismäßigkeitsprüfung, die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF im engeren Sinn, eigentlich ersparen. Dennoch sei auch dieser Prüfschritt, neuerlich der Vollständigkeit halber und nur um sicherzugehen, an dieser Stelle noch vorgenommen. Auch in diesem Prüfschritt ist neuerlich zwischen nicht invasiven und invasiven Feldforschungsmethoden zu unterscheiden, weil auch in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn hochrelevant ist, ob noch im Boden verborgene Denkmale durch die einer gesetzlichen Genehmigungspflicht unterworfenen, geplanten Handlungen überhaupt gefährdet werden können. Schließlich ist es, gerade wenn die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts – im konkreten Fall des Denkmalschutzauftrags des Bundes, der sich aus der Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG ergibt – erforderlichenfalls auch intentional beschränkt werden soll, ganz maßgeblich, dass durch die unbeschränkte Ausübung der Wissenschaftsfreiheit eine „ernsthafte Gefährdung grundlegender Rechtsgüter“ (Berka 1999, 346) verursacht werden würde, die ihre Beschränkung auch tatsächlich rechtfertigt. Gerade in Bezug auf die von ihnen für das gesetzliche Schutzgut – die Denkmäler – ausgehenden Gefährdung unterscheiden sich aber nicht invasive und invasive archäologische Feldforschungsmethoden massiv. Dagegen ist das genaue Ziel, das der Gesetzgeber mit seinem vorgenommenen Eingriff verfolgt, in der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF mit dem dadurch erzeugten Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG weniger bedeutend: es spielt in diesem Prüfschritt allgemein das Ziel des Gesetzgebers nur insofern eine Rolle, als sich aus diesem das Allgemeinwohlgut, dessen Schutz im öffentlichen Interesse gelegen ist und dessentwegen der Gesetzgeber daher die Wissenschaftsfreiheit des individuellen Normunterworfenen beschränkt (bzw. beschränken möchte), ableiten lässt. Vorzunehmen ist eine Güterabwägung „der angestrebten öffentlichen Interessen mit dem Gewicht der beeinträchtigten Freiheit“ (Berka 1999, 161). Es ist in diesem Abschnitt daher nur insofern relevant, ob der Gesetzgeber mit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF konkret nur den Zweck verfolgt, archäologische Nachforschungen zu verhindern, die mit nicht anerkannten wissenschaftlichen Feldforschungsmethoden durchgeführt werden sollen, und/oder den Zweck, invasive archäologische Forschungen auf gem. §§ 2a bzw. 3 DMSG geschützten Denkmalen zu standardisieren, oder den Zweck, alle Nachforschungen an Ort und Stelle, bei denen die Entdeckung von Denkmalen iSd § 1 Abs. 1 oder gar Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG igF 250 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? beabsichtigt wird, als davon abhängt, wie stark der Gesetzgeber durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG in die Wissenschaftsfreiheit eingreift. Nachdem gerade in dieser Beziehung die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen sehr stark variieren kann – der Gesetzgeber kann, wie schon mehrfach angedeutet wurde, eine sehr enge Auslegung der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG igF vorgesehen haben, während das BDA bisher (BDA 2016a) und wohl auch weiterhin (BDA 2018) eine maximal weite Auslegung seiner Anwendungspraxis dieser Bestimmungen zugrunde gelegt hat und legen will – werden in den folgenden Ausführungen jeweils alle relevanten Auslegungsmöglichkeiten betrachtet. Wie bereits oben dargestellt, stellt die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG einen gravierenden Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG dar: für über 99,9% aller Grundrechtsträger – alle, die kein einschlägiges Archäologiestudium absolviert haben – stellt er ein Totalverbot aller wissenschaftlichen archäologischen Feldforschungen dar, die der NFG-Pflicht unterworfen sind, entzieht diesen also das verfassungsgesetzlich geschützte Grundrecht vollständig. Für die verbleibenden weniger als 0,1% aller Grundrechtsträger – jene, die ein einschlägiges Archäologiestudium absolviert haben – stellt er ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt dar, das die Wissenschaftsfreiheit direkt in ihrem sachlichen Kern einer nahezu vollständigen Fremdbestimmung (z.B. durch die Richtlinien; BDA 2016a; 2018) durch den Staat unterwirft. Allgemeine Erwägungen zur Gewichtung von Denkmalschutz und Wissenschaftsfreiheit Generell ist hier in Bezug auf die relative Gewichtung des öffentlichen Interesses am Denkmalschutz und der Wissenschaftsfreiheit zuerst einmal zu bemerken, dass hier zwei Rechtsgüter aufeinandertreffen, die miteinander in sehr engem Bezug stehen. Zwar erfüllt der Denkmalschutz eine ganze Reihe von Funktionen und beruht das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Denkmale auf einer Reihe unterschiedlicher Werte, die gesellschaftlich den Denkmalen zugeschrieben werden (siehe dazu zuletzt Krischok 2016, 63-94; nicht zuletzt unter starker Bezugnahme auf die insbesondere für den modernen österreichischen Denkmalschutz relevante Denkmalwerttheorie Riegls; Riegl 1903), darunter nicht zuletzt verschiedene Gegenwartswerte wie die identitätsstiftende Wirkung von Denkmalen. Dennoch ist – gerade im modernen österreichischen Verständnis der Funktion des archäologischen Denkmalschutzes, insbesondere von noch im Verborgenen gelegenen Denkmalen – zweifellos die wichtigste Funktion archäologischer Denkmale ihre Funktion als wissenschaftliche Quelle und der gerade den oft unscheinbaren archäologischen Denkmalen zukommende höchste Wert ihr wissenschaftlicher Wert (siehe dazu z.B. BDA 2016a, 3; 2018, 2; vgl. auch Krischok 2016, 6875). Hauptziel des archäologischen Denkmalschutzes ist also die Erhaltung der Denkmale vor Zerstörung, Veränderung und Verbringung ins Ausland, damit sie (eben idealerweise unverändert und im Inland) als Quellen für die wissenschaftliche Erforschung der Vergangenheit verfügbar bleiben (siehe dazu auch das generelle Abstellen der Bestimmung des § 1 Abs. 2 DMSG igF darauf, in welchem Umfang durch die Erhaltung des Denkmals eine geschichtliche Dokumentation erreicht werden kann; cf. Art. 1 Abs. 1 der Valletta-Konvention; Europarat 1992). Schon allein das macht es einigermaßen schwierig, in einer Güterabwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit an der Erhaltung der archäologischen Denkmale (primär für ihre Entdeckung und Untersuchung durch wissenschaftliche Nachforschungen) und dem individuellen Interesse des Grundrechtsträgers an ihrer freien (d.h. vom Staat und seinen Organen möglichst unbehinderten) Entdeckung und Untersuchung durch wissenschaftliche Nachforschungen zu dem Schluss zu kommen, dass das erstgenannte öffentliche Interesse das zweitgenannte individuelle Interesse überwiegen könnte. Schließlich dient das erstgenannte öffentliche Interesse letztendlich primär dem Zweck, dass individuelle Forscher das zweitgenannte individuelle Interesse erfolgreich befriedigen und damit mittelbar dem Allgemeininteresse an der wissenschaftlichen Erforschung und damit untrennbar 251 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich verbundenen gemeinwohlnützlichen Nutzbarmachung der Denkmale dienen können. Es wäre also nachgerade absurd, argumentieren zu wollen, dass man im öffentlichen Interesse archäologische Denkmale vor ihrer Entdeckung und Untersuchung durch wissenschaftliche Nachforschungen bewahren müsste, damit diese im öffentlichen Interesse durch (andere?) wissenschaftliche Nachforschungen entdeckt und untersucht werden könnten; und daher das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Denkmale das sowohl öffentliche als auch private Interesse des Einzelnen an ihrer Erforschung überwiegen würde. Auch in Hinblick auf die Werteordnung der österreichischen Bundesverfassung und allgemeiner der Wertmaßstäbe demokratischer Gesellschaften erscheint es schwierig, ein allgemeines und praktisch vollständiges Überwiegen des öffentlichen Interesses am Denkmalschutzes gegenüber dem Wert der Wissenschaftsfreiheit zu argumentieren. Zwar weist durchaus die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG dem Bund die Aufgabe der Gesetzgebung für und des Vollzugs des Denkmalschutzes zu, allerdings eingebettet in eine ganze Reihe anderer, nicht als übermäßig bedeutende Staatsaufgaben zu charakterisierende, Angelegenheiten wie z.B. der Regelung des wissenschaftlichen und fachtechnischen Archiv- und Bibliotheksdiensts, der künstlerischen und wissenschaftlichen Sammlungen und Einrichtungen des Bundes, der Bundestheater mit Ausnahme der Bauangelegenheiten, der Angelegenheiten des Kultus, des Volkszählungswesens sowie sonstiger nicht in Länderbefugnisse eingreifenden Statistiken. Dass der Denkmalschutz ein besonders stark verfassungsgesetzlich geschütztes Rechtsgut wäre, das – wie im vorherigen Hauptkapitel (Seiten 209226) gezeigt – eventuell sogar den Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum deutlich überwiegen würde, lässt sich daraus wohl kaum ableiten. Abgesehen von dieser Kompetenznorm findet der Denkmalschutz zwar auch in internationalen Übereinkommen Berücksichtigung, die Österreich ratifiziert hat, wie z.B. in den schon mehrfach genannten Übereinkommen von La Valletta (Europarat 1992) und Faro (Europarat 2005), diese räumen allerdings der allgemeinen Rechtsordnung von Signatarstaaten jeweils den Vorrang vor in ihnen enthaltenen Bestimmungen ein (so z.B. Art. 2, Europarat 1992; Art. 1 und 4, Europarat 2005). Dementgegen steht in der österreichischen Bundesverfassung die als vorbehaltloses Grundrecht gewährleistete Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG, bezüglich derer der VfGH betont hat, dass sie „ein absolutes Grundrecht ist, das durch kein einfaches Gesetz und durch keinen Verwaltungsakt eingeschränkt werden kann“ (Berka 1999, 345). Der durchaus essentielle Grund für den besonders starken verfassungsrechtlichen Schutz der Wissenschaftsfreiheit findet seine Wurzeln im – für die demokratische Wertmaßstäbe und demokratische Gesellschaftsordnungen absolut fundamentalen – aufklärerischen Bestreben, die Wissenschaft vor jeder ideologischen, dogmatischen oder politischen Fremdbestimmung zu schützen: „Die Wissenschaft und die darauf aufbauende Lehre sollen nur ihrem eigentlichen Ideal – der vorbehaltslosen Wahrheitssuche – verpflichtet sein“ (Berka 1999, 342); aber nicht zuletzt auch in der politischen Geschichte. Denn der Schutz der Wissenschaft vor staatlicher Fremdbestimmung ist – gerade auch in der Archäologie – absolut essentiell, wie der propagandistische Missbrauch der Archäologie zu machtpolitischen Zwecken durch das Dritte Reich (siehe z.B. Haßmann 2000; Focke-Museum 2013) in aller Deutlichkeit zeigt. Tatsächlich ist die Wissenschaftsfreiheit – neben der mit ihr untrennbar verbundenen Meinungsfreiheit – wohl als jenes Grundrecht zu sehen, das am unmittelbarsten die demokratiepolitisch essentiellen Werte von Offenheit, Pluralität und Toleranz (Berka 1999, 162) garantiert. Sie hat daher auch Eingang in eine der fundamentalsten und wichtigsten europäischen Rechtsnormen, die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 13, EU 2010, 394), gefunden; und auch in höchstrangige internationale Übereinkommen wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Art. 27 Abs. 1 AEMR; samt daraus erwachsenden geistigen Eigentumsrechtsschutz in Art. 27 Abs. 2 AEMR; Art. 15 ICESCR). 252 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Dies macht es nachgerade unmöglich, zu argumentieren, dass in einer Güterabwägung zwischen Denkmalschutz und Wissenschaftsfreiheit Ersterem ein in nahezu jedem Fall die Letztere überwiegendes Gewicht beizumessen wäre; ganz im Gegenteil ist das Verhältnis zwischen diesen beiden Rechtsgütern genau umgekehrt: der Wissenschaftsfreiheit kommt, allgemein gesprochen, ein viel höheres Gewicht zu als dem Denkmalschutz. Dies ist bei der Bewertung der Adäquanz von Eingriffen in die Wissenschaftsfreiheit durch gesetzliche NFG-Pflichten wie jener des § 11 Abs. 1 DMSG jedenfalls zu bedenken. Das bedeutet nun natürlich keineswegs, dass nicht in besonders begründeten Einzelfällen – z.B. wenn der Staat für die wissenschaftlichen Forschungen zukünftiger Generationen von WissenschaftlerInnen eine gewisse Primärquellenreserve erhalten möchte, damit diese nicht durch die möglicherweise quellenzerstörenden Handlungen gegenwärtiger ForscherInnen jedweder selbstständiger Primärquellenerforschungsmöglichkeit beraubt werden (aber siehe dazu ablehnend Krischok 2016, 132-3), oder auch das betroffene Denkmal andere als bloß die wissenschaftliche Primärquellenfunktion erfüllt, z.B. als Lokus der Identitätsstiftung – das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Denkmale das Interesse des individuellen Forschers an der mit zerstörerischen Methoden erfolgenden wissenschaftlichen Untersuchung des betroffenen Denkmals überwiegen kann. Eine solche, der gewöhnlich anzunehmenden entgegengesetzte, Gewichtung eines Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Erhaltung des konkret betroffenen Denkmals über seine freie wissenschaftliche Erforschung mit invasiven Methoden, die das Denkmal teilweise oder vollständig zerstören (könnten, sofern man seine Erhaltung durch sachgerechte Dokumentation nicht als gleichwertig oder wenigstens nahgleichwertig mit seiner Erhaltung in situ einschätzt; siehe dazu schon Seiten 161-188), bedarf aber jedenfalls, ob jetzt jeweils im Einzelfall oder in bestimmten Klassen von speziellen Sachverhalten, einer sehr starken und besonderen Begründung. Nicht invasive Feldforschungsmethoden Wie bereits mehrfach ausgeführt, geht von der Anwendung nicht invasiver archäologischer Feldforschungsmethoden so gut wie überhaupt keine Gefährdung grundlegender Rechtsgüter aus: der Schaden, der durch den Einsatz derartiger Methoden an allfällig an Ort und Stelle noch im Boden befindlichen, beweglichen oder unbeweglichen Denkmalen angerichtet werden kann, ist selbst dann vernachlässigbar, wenn man bereits das bloße Betreten der Erdoberfläche über dem betroffenen Denkmal zu Fuß, das Befahren mit leichten, geländegängigen Fahrzeugen und das Einbringen nur wenige Kubikzentimeter des Bodens geringfügig verdrängender Elektroden als Gefährdung betrachtet. Denn selbst im Vergleich zur normalen Landnutzung – regelhaft auch mit tonnenschweren land- und forstwirtschaftlichen Maschinen, die regelhaft den Boden viel stärker komprimieren und umwühlen – ist der potentiell von nicht invasiven Feldforschungen an den allfällig vorhandenen Denkmalen angerichtet werden könnende Schaden verschwindend gering. Hinzu kommt, dass die Schadenseintrittswahrscheinlichkeit verschwindend gering ist: der modern „gestörte“, durch den natürlichen Prozess der Bodenbildung überhaupt erst dauernd neu entstehende Oberboden (bzw. die Humusschicht) – bestehend aus dem O-Horizont (bzw. organischer Oberboden) und dem davon oft weder optisch noch haptisch eindeutig unterscheidbaren A-Horizont (bzw. mineralischer Oberboden) (Scheffer & Schachtschabel 2002) – kann schon allein aufgrund seiner Entstehung durch natürliche Prozesse kein Denkmal iSd § 1 Abs. 1 DMSG sein (in diesem Sinn auch VwGH vom 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4). Gefährdet werden können durch die von nicht invasiven archäologischen Feldforschungsmethoden verursachte, minimale Bodenkompression oder auch die seichte Einbringung kleiner Elektroden – wenn überhaupt – nur im Oberboden zufällig enthaltene bewegliche Kleinfunde oder in extrem seltenen Ausnahmefällen bereits größtenteils zerstörte Überreste unbeweglicher Denkmale. Diese machen jedoch selbst auf tatsächlich fund- und 253 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich befundreichen archäologischen Fundstellen normalerweise weniger als 1% des gesamten an Ort und Stelle vorhandenen Oberbodenvolumens aus, zumeist deutlich weniger. Zwischen solchen Fundstellen – die, wie schon weiter oben ausgeführt (Seite 152), wohl nicht mehr als ca. 2% der Bodenfläche Österreichs ausmachen (bzw., wenn man die Zahl von derzeit vielleicht gerade nur 19.550 dem BDA bekannten Fundstellen heranzieht, siehe Picker et al. 2016, 285, und von einer hohen Schätzung der durchschnittlichen Fundstellengröße von ca. 1 Hektar ausgeht, nur etwa 0,25% davon) – ist die Fund- und Befunddichte im Oberboden noch weitaus geringer, jedenfalls weit unter 0,1% des an Ort und Stelle vorhandenen Oberbodenvolumens. Von diesen Denkmalen wiederum ist nur ein verschwindend geringer Anteil von derart beschaffener Bedeutung, dass ihre Erhaltung tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen wäre; neuerlich, insbesondere soweit bewegliche Kleinfunde betroffen sind, sicherlich weit unter 0,1%. Die Wahrscheinlichkeit, dass durch die Anwendung nicht invasiver archäologischer Forschungsmethoden noch im Boden verborgene Denkmale, die von derart beschaffener Bedeutung sind, dass ihre Erhaltung tatsächlich dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist, auch nur unmaßgeblich, geschweige denn maßgeblich zerstört, verändert oder ins Ausland verbracht werden könnten, ist also selbst auf fund- und befundreichen archäologischen Fundstellen kleiner als 0,001%, zwischen diesen sogar deutlich geringer als 0,0001%. Schaden kann also statistisch betrachtet auf den Ersteren höchstens in einem von etwa Hunderttausend, auf Letzteren höchstens in einem von einer Million, Fällen eintreten. Noch dazu ist der Schaden, der in den extrem seltenen Fällen, in denen er überhaupt eintreten kann, tatsächlich eintritt, keinesfalls als maßgeblich zu betrachten: selbst wenn z.B. eine noch im Boden befindliche Tonscherbe durch eine zufälligerweise dort, wo sie sich befindet, durch die durch einen Fußtritt, des Rad eines Messwagens oder dessen Zugfahrzeugs erzeugte Bodenkompression oder eine in den Boden eingebrachte Elektrode zerbrochen oder anderswie beschädigt wird, stellt dies normalerweise einen Schaden dar, der – falls die nun z.B. zerbrochene Tonscherbe nahzeitig oder zu späterer Zeit bei invasiven Nachforschungen entdeckt und geborgen wird – von jedem einigermaßen kompetenten Restaurator ohne größere Schwierigkeiten als solcher identifiziert und behoben werden kann. Davon abgesehen ist es nachgerade charakteristisch für archäologische Funde und Befunde, dass diese ohnehin schon zerbrochen oder in anderen Weise beschädigt sind, wenn sie entdeckt werden. Ob z.B. eine Tonscherbe, die von einem ohnehin schon nur noch fragmentarisch erhaltenen Gefäß stammt, noch einmal zusätzlich entzweigebrochen (oder auch rezent durchbohrt oder sonstwie beschädigt) wird, ist also für ihre archäologisch-wissenschaftliche Untersuchung und Auswertung in der Regel gleichgültig; auch ihr Denkmalwert wird dadurch in der Regel nicht weiter verringert. Damit durch nicht invasive archäologische Nachforschungsmethoden Schäden an derart bedeutenden Denkmalen entstehen können, die derart signifikant sind, dass sie den Denkmalwert oder auch nur die archäologisch-wissenschaftliche Aussagekraft des betroffenen Denkmals signifikant reduzieren, müsste es zu einer unglücklichen Verkettung solch ungewöhnlicher Umstände kommen, dass dies zwar selbstverständlich noch als hypothetisch bestehende mathematische Wahrscheinlichkeit ausgedrückt werden kann, aber in der Wirklichkeit so unwahrscheinlich ist, dass selbst die Bezeichnung als Restrisiko dafür übertrieben wäre. Selbst bei der strengsten möglichen Auslegung des Anwendungsbereichs der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auf Nachforschungen an Ort und Stelle mit nicht invasiven archäologischen Feldforschungsmethoden, d.h. nur auf archäologischen Denkmalen, die bereits zum Zeitpunkt der Durchführung der Nachforschungen gem. §§ 2a oder 3 DMSG unter Denkmalschutz stehen – d.h. auf besonders bedeutenden archäologischen Fundstellen, die daher aller Wahrscheinlichkeit nach auch als besonders fund- und befundreich zu betrachten sind – ist also die Eintrittswahrscheinlichkeit von signifikanten Zerstörungen oder Veränderungen des betroffenen Denkmals bzw. seiner signifikanten Bestandteile im Bereich des niemals auszuschließenden und auch nicht vermeidbaren Restrisikos 254 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? anzusetzen. Nachdem aber selbst auf derart geschützten Denkmalen deren Betreten und auch deren im alltäglichen Rahmen stattfindende land- und forstwirtschaftliche Nutzung – z.B. die Bearbeitung mit dem maschinengezogenen Pflug und Erntemaschinen, die Bepflanzung mit und Schlägerung von Bäumen mit schweren Forstmaschinen, etc. – bewilligungsfrei erlaubt ist, sind auf derart geschützten Bodenflächen vorhandene, besonders bedeutende Denkmale durch den alltäglichen Gebrauch weit stärker gefährdet als durch ihre Erforschung mit zerstörungsfreien archäologischen Feldforschungsmethoden. Eine maßgebliche Gefährdung eines grundlegenden Rechtsgutes wird also selbst auf geschützten Denkmalen durch die Verwendung nicht invasiver archäologischer Feldforschungsmethoden nicht verursacht. Es kann daher auch im engeren Sinn nicht verhältnismäßig sein, die Wissenschaftsfreiheit von über 99,9% aller Grundrechtsträger, archäologische Nachforschungen mit zerstörungsfreien Methoden auf diesen Denkmalen durchzuführen, vollständig und die der verbleibenden weniger als 0,1% aller Grundrechtsträger, die ihre Qualifikation zur kompetenten Durchführung solcher wissenschaftlicher Forschungen durch Abschluss einschlägiger Universitätsstudien bereits erfolgreich nachgewiesen haben, nahezu vollständig zu beschränken. Schon allein aus diesem Grund kann nicht nur die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG, sondern übrigens auch die noch viel weiterreichende Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 8 DMSG, die jede Verwendung von Metall- und anderen Bodensuchgeräten auf geschützten Denkmalen ohne Bewilligung des BDA untersagt, nicht im engeren Sinn verhältnismäßig sein, selbst wenn Letztere ein allgemeines Gesetz darstellt, das zwar nicht intentional in die Wissenschaftsfreiheit eingreift, diese aber dennoch maßgeblich (mit) beschränkt, ohne dass es dafür eine sachliche Rechtfertigung gibt. Daran vermögen auch die Bestimmungen des Art. 3.iii der Valletta-Konvention (Europarat 1992) nichts zu ändern, die zwar vorsehen „den Einsatz von Metalldetektoren und anderen Suchgeräten oder von Verfahren für archäologische Forschungsarbeiten von einer vorherigen Sondergenehmigung abhängig zu machen…“, dies aber unmittelbar unter einen entsprechenden Gesetzesvorbehalt – „…soweit das innerstaatliche Recht des Staates dies vorsieht“ – stellen. Genau dem steht aber in Österreich nicht nur die verfassungsgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG entgegen, sondern auch die ebenfalls zu berücksichtigenden Bestimmungen des Art. 4c der Faro-Konvention (Europarat 2005), die vorsehen, dass „die Ausübung des Rechtes auf Kulturerbe nur jenen Beschränkungen unterworfen werden kann, welche in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz des öffentlichen Interesses sowie der Rechte und Freiheiten Dritter notwendig sind“. Teil des Rechtes auf den Zugang zum Kulturerbe ist dabei aber – im aktuellen Kontext besonders relevant – auch die Bürgerbeteiligung am „Prozess der Bestimmung, Erforschung, Deutung, des Schutzes, Bewahrung und Darstellung des Kulturerbes“ (Art. 12a; Europarat 2005), die selbstverständlich auch das Recht zur selbstbestimmten wissenschaftlichen Forschung zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung des noch im Boden verborgenen archäologischen Kulturerbes umfassen muss, um tatsächlich als Teilhabe im Sinne der Faro-Konvention und des entsprechenden Menschenrechtes des Art. 27 Abs. 1 AEMR (bzw. Art. 15 Abs. 1-3 ICESCR) betrachtet werden zu können, das seinerseits auch das Recht auf Teilhabe „am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften“ umfasst. Nachdem selbst bei der strengsten möglichen Auslegung des Anwendungsbereichs der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG – ausschließlich auf denkmalgeschützten Bodenflächen – der dadurch verursachte Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit bereits zwingend in engeren Sinn unverhältnismäßig sein muss, müssen alle anderen möglichen, weiter gefassten Auslegungen des Anwendungsbereichs des § 11 Abs. 1 DMSG nur noch kursorisch gemeinsam betrachtet werden. Zu bemerken ist dabei insbesondere, dass jedwede Anwendung des § 11 Abs. 1 DMSG auf nicht invasive archäologische Nachforschungen auf nicht bereits gem. §§ 2a, 3 oder zeitweilig 9 Abs. 3 DMSG 255 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich denkmalgeschützten Bodenflächen schon allein deshalb unmöglich im engeren Sinn verhältnismäßig sein kann, als an der Erhaltung dort allfällig vorkommender Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG gar kein rechtswirksames öffentliches Interesse besteht. In Ermangelung des Bestehens eines rechtswirksamen öffentlichen Interesses an der unveränderten Erhaltung eines Denkmals steht jedoch der Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG gar kein, geschweige denn ein diese möglicherweise überwiegen könnendes, verfassungsgesetzlich geschütztes Rechtsgut entgegen, das ihre intentionale Beschränkung durch den Gesetzgeber rechtfertigen könnte. Aber selbst wenn man davon ausgehen will, dass auch bereits ein noch nicht rechtswirksam gewordenes öffentliches Interesse an der Erhaltung noch nicht entdeckter, im Boden verborgener Denkmale dafür ausreichen würde, ein verfassungsgesetzlich garantiertes Grundrecht wie die Wissenschaftsfreiheit – sozusagen kraft einer schon vor der Entdeckung wirkenden gesetzlichen Vermutung (die allerdings im DMSG ebenfalls erst ab dem Zeitpunkt der Entdeckung eines Bodendenkmals iSd § 8 Abs. 1 DMSG rechtswirksam wird) – einzuschränken, kann aus den schon zuvor genannten Gründen die durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG igF vorgenommene Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit mit diesem Interesse der Allgemeinheit nicht im engeren Sinn verhältnismäßig sein. Schließlich ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei beliebigen, mit zerstörungsfreien Methoden durchgeführten, Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung von noch verborgenen Denkmalen solche Denkmale, deren Bedeutung tatsächlich derart beschaffen ist, dass ihre Erhaltung aufgrund dieser Bedeutung im öffentlichen Interesse gelegen ist, signifikant zerstört, verändert oder ins Ausland verbracht werden, noch viel verschwindend geringer als auf bereits aus archäologischen Gründen denkmalgeschützten Bodenflächen. Das auf diesen nicht denkmalgeschützten Bodenflächen verbleibende Restrisiko mag vielleicht die durch das Veränderungsverbot von bei solchen Nachforschungen entdeckten Bodendenkmalen des § 9 Abs. 3 DMSG verursachte Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit auf bis zu 6 Wochen ab Abgabe der gem. § 8 Abs. 1 DMSG verpflichtenden Fundmeldung rechtfertigen: immerhin muss der Forscher für diese Zeit von jedweder mit invasiven Methoden durchgeführten weiteren Nachforschung zum Zwecke der (genaueren) Untersuchung der von ihm (oder Dritten) entdeckten, möglichen Denkmale absehen und eine Entscheidung des BDA über ihre mögliche dauerhafte Erhaltungswürdigkeit abwarten, was seine freie Ausübung der Wissenschaftsfreiheit bereits einigermaßen stark, wenn auch nur relativ kurz, zeitweilig beschränkt. Eine vollständige Aufhebung der Wissenschaftsfreiheit von über 99.9% aller Grundrechtsträger und ihre beinahe vollständige Beschränkung für die verbleibenden weniger als 0,1% aller Grundrechtsträger ist aber jedenfalls im engeren Sinn höchstgradig unverhältnismäßig. Überhaupt ist das einzige Argument, mit dem sich eine Beschränkung der Freiheit zur Durchführung archäologischer Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung von noch im Boden verborgenen Denkmalen mit nicht invasiven Forschungsmethoden irgendwie – wenn auch nur sehr schlecht – begründen ließe, das Argument, dass durch die Entdeckung eines zuvor unbekannten Denkmals unter der Erdoberfläche oder dem Grund unter Wasser die Wahrscheinlichkeit zunimmt, dass es – ob unmittelbar nach seiner Entdeckung, wie das meist bei Metallsuchen der Fall ist, oder erst zu späterer Zeit, wenn z.B. ein „Raubgräber“ durch diese Entdeckung auf den „neuen“ Fundort aufmerksam und dadurch zu Bodeneingriffen an diesem Ort animiert wird – durch seiner Entdeckung folgende, mit invasiven Methoden erfolgende Untersuchung zerstört, verändert oder ins Ausland verbracht wird. Dieses Argument ist aber schon allein deshalb vollkommen absurd, als es, zu seinem logisch zwingenden Ende durchgedacht, dazu führt, dass ein archäologisches Denkmal im Boden überhaupt immer erst und nur dann mit dem Ziel die aus seiner Erforschung gewonnenen 256 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Erkenntnisse auch – wie wissenschaftlich erforderlich – veröffentlichen zu können erforscht werden darf, wenn es vollständig ausgegraben und somit auch gänzlich zerstört wird. Bis zu seiner vollständigen Untersuchung samt damit einhergehender Totalzerstörung in situ müssten sowohl die Tatsache, dass an dem betroffenen Ort wissenschaftliche archäologische Untersuchungen durchgeführt werden, als auch alle dabei getätigten Beobachtungen und gewonnenen Erkenntnisse vollständiger Geheimhaltungspflicht (z.B. auch vor nicht beteiligten FachkollegInnen) unterworfen werden (und die an der Untersuchung an Ort und Stelle teilgenommen habenden bzw. teilnehmenden Personen interniert werden, damit sie nicht selbst heimlich bei Nacht und Nebel weitere Untersuchungen an Ort und Stelle durchführen können). Dem steht allerdings schon die Verpflichtung des BDA gem. § 11 Abs. 7 DMSG, „sämtliche eingehenden Anzeigen und Berichte gemäß den §§ 8, 9 und 11 (einschließlich der Ergebnisse der vom Bundesdenkmalamt selbst gemachten Funde) aus dem gesamten Bundesgebiet in einer Fundkartei zu sammeln und, soweit sie wissenschaftlich relevant sind, im Rahmen eines jährlichen Druckwerkes als übersichtliche Gesamtdokumentation zusammenzufassen“ diametral entgegen: will der Gesetzgeber zuvor noch unbekannte Denkmale im Boden vor der durch ihre Entdeckung verursachten Erhöhung der Wahrscheinlichkeit schützen, dass „Raubgräber“ aus der Veröffentlichung der Fundstellenkoordinaten in wissenschaftlichen Publikationen erfolgversprechende Zielorte für ihre unsachgemäßen Ausgrabungen gewinnen, dann dürfte er das BDA nicht dazu zwingen, die Fundberichte aus Österreich zu veröffentlichen, sondern müsste ganz im Gegenteil absolute Geheimhaltung über die noch nicht komplett ausgegrabene österreichische Archäologie verfügen. Dass das nicht durchführbar ist, versteht sich von selbst. Davon abgesehen würde es aber vor allem dem Grundgedanken des Denkmalschutzes selbst diametral entgegenlaufen: Denkmalschutz ist schließlich kein Selbstzweck, und kann das auch nie sein, sondern dem öffentlichen Interesse der Erhaltung liegt notwendigerweise immer das an ihrer Nutzbarmachung für die Allgemeinheit zugrunde, und zwar nicht nur durch irgendeine zukünftige, sondern auch und insbesondere durch die gegenwärtige. Nur dadurch gewinnt der Denkmalschutz seinen Allgemeinwohlnutzen, der ausschließliche Grundlage des öffentlichen Interesses an der Erhaltung der Denkmale ist. Daher lässt sich auch aus diesem Argument kein Grund gewinnen, der ein Überwiegen des Denkmalschutzes in der Güterabwägung mit der Wissenschaftsfreiheit begründen könnte. Jedweder Versuch, die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auch auf nicht invasive archäologische Nachforschungen auszudehnen, ist also notwendigerweise im engeren Sinn unverhältnismäßig und verletzt somit das Übermaßverbot der Verfassung. Invasive Feldforschungsmethoden Etwas anders verhält sich die Sache soweit invasive archäologische Nachforschungen betroffen sind. Von diesen geht ja, wie bereits mehrfach ausgeführt, tatsächlich eine gewisse Gefahr für die Erhaltung der Denkmale aus, eine Beschränkung der Freiheit, invasive archäologische Nachforschungen durchzuführen, könnte also wenigstens in manchen Fällen auch im engeren Sinn verhältnismäßig sein. NFG-Pflicht als Grabungsverbot für die Mehrheit der Grundrechtsträger auf geschützten Denkmalen Geht man hier von der strengsten möglichen Auslegung des Anwendbarkeitsbereichs der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG aus – also nur auf gem. §§ 2a, 3 oder zeitweilig gem. § 9 Abs. 3 geschützten Bodenflächen – steht hier der individuellen Freiheit zur Durchführung invasiver archäologischer Untersuchungen ein tatsächlich auch rechtswirksames öffentliches Interesse an der Erhaltung der Denkmale entgegen. Es ist dabei allerdings gleich zu bedenken, dass der Hauptgrund für das Bestehen dieses öffentlichen Interesses – wie schon in den allgemeinen Erwägungen zur Gewichtung von Denkmalschutz und Wissenschaftsfreiheit ausgeführt – primär der ist, dass diese Denkmale als Primärquelle für archäologische Forschungen verfügbar bleiben. Gerade wenn es um die 257 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich uneingeschränkte Ausübung der Wissenschaftsfreiheit – also um Handlungen, die Denkmale als wissenschaftliche Primärquellen für den archäologischen Erkenntnisgewinn nutzen, d.h. sie dem Zweck zuführen wollen, der das öffentliche Interesse an ihrer Erhaltung letztendlich begründet – ist also jede Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit, wie gering auch immer sie sein mag, inhärent problematisch. Wo eine solche dennoch vorgenommen werden soll, muss sie daher jedenfalls immer so gering als irgendwie möglich gehalten werden. Nun greifen aber die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG, selbst wenn man ihre Anwendung ausschließlich auf Nachforschungen auf geschützten Denkmalen beschränkt, massiv in den Kern der Wissenschaftsfreiheit ein: für die überwältigende Mehrheit aller Grundrechtsträger hebt er die verfassungsgesetzlich garantierte Individualfreiheit dadurch, dass die Bewilligungsmöglichkeit auf AbsolventInnen eines einschlägigen Universitätsstudiums eingeschränkt wird, de facto vollständig auf. Dass aber die Erhaltung der Denkmale – selbst der aufgrund der ihnen zukommenden besonderen Bedeutung geschützten Denkmale – ein derart hohes Rechtsgut wäre, dass die vollständige Aufhebung eines verfassungsgesetzlich vorbehaltlos garantierten Grundrechtes im engeren Sinn verhältnismäßig wäre, scheint nicht nachvollziehbar. Zwar kommt dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung von besonders bedeutenden Denkmalen durchaus ein gewisses Gewicht zu, wie der Vergleich mit der Beschränkung der Eigentumsgarantie des Art. 5 StGG (sowie Art. 1 1. ZProtEMRK und Art. 17 der EU-Grundrechtscharta; EU 2010) deutlich macht: so rechtfertigt das öffentliche Interesse an der Erhaltung von Denkmalen durchaus die durch die Unterschutzstellung gem. §§ 2, 2a oder 3 DMSG verursachten Eigentumsbeschränkungen (Berka 1999, 407; Bazil et al. 2015, 7). Dabei ist jedoch zuerst zu bedenken, dass der VfGH in Bezug auf diese Eigentumsbeschränkungen bisher vor allem deshalb keine verfassungsrechtlichen Bedenken gehabt zu haben scheint, weil das DMSG keine Verpflichtung des Denkmaleigentümers zu aktiven Erhaltungsmaßnahmen kennt (Bazil et al. 2015, 7), d.h. zwar durchaus ein Eingriff in den Kern der Eigentumsgarantie vorliegt, allerdings kein besonders massiver: dem Eigentümer wird nicht die Nutzung seines Eigentums generell untersagt, sondern nur die intentionale Veränderung oder Zerstörung der geschützten Sache (§ 4 Abs. 1 DMSG). Alle anderen Nutzungen seines Eigentums, inklusive der geschützten Sache, bleiben hingegen unbeschränkt. Dennoch sind selbst dabei schon die privaten Interessen des Eigentümers maximal zu schonen: kommen z.B. auf einem Teil eines Grundstückes nachweislich archäologische Denkmale vor, deren Bedeutung so beschaffen ist, dass ihre Erhaltung deswegen im öffentlichen Interesse gelegen ist, ist dennoch eine Unterschutzstellung jener anderen Teile dieses Grundstücks, auf denen ein Vorkommen weiterer archäologischer Denkmale zwar vermutet wird, aber noch nicht durch konkrete Hinweise auf ihr tatsächliches Vorkommen als wahrscheinlich zu betrachten ist, zur größtmöglichen Schonung der Interessen des Eigentümers nicht möglich (VwGH 21.1.1994, 93/09/0386). Des Weiteren ist zu bedenken, dass die Eigentumsgarantie des Art. 5 StGG unter Gesetzesvorbehalt steht und das Eigentumsrecht insbesondere der Sozialpflichtigkeit unterwirft (Berka 1999, 401), auch wenn diese in Österreich vielleicht nicht so weit geht wie die Verpflichtung des Art. 14 Abs. 2 GG zur allgemeinwohlorientierten Nutzung des Eigentums in Deutschland. Dennoch kann der Eigentümer eines Denkmals, wenn dessen Unterschutzstellung mit seinen privaten Nutzungsinteressen in Konflikt gerät, eine Genehmigung zur Veränderung oder Zerstörung des Denkmals gem. § 5 Abs. 1 beantragen. Im Falle eines solchen Antrages hat das BDA die Gründe, die für und wider die Veränderung bzw. Zerstörung des Denkmals sprechen, gegeneinander abzuwägen und, wenn die Ersteren überwiegen, die Veränderung bzw. Zerstörung des Denkmals auch tatsächlich zu bewilligen. Das dem Denkmalschutz zukommende Gewicht reicht also zwar durchaus dazu aus, die unter Gesetzesvorbehalt stehende, sozialpflichtige Eigentumsgarantie bis zu einem gewissen Grad zu 258 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? beschränken; wobei in Fällen, in denen diese beiden Rechtsgüter kollidieren, eine im Einzelfall vorzunehmende Güterabwägung durchzuführen ist. Das dem Denkmalschutz zukommende Gewicht überwiegt jedoch das der Eigentumsgarantie zukommende Gewicht keineswegs so vollständig, dass die Letztere für nahezu alle Grundrechtsträger aufgehoben werden könnte, wenn ein Teil ihres Eigentums aufgrund der ihm zukommenden besonderen geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung unter Denkmalschutz gestellt wird. Im Vergleich mit der Eigentumsgarantie ist der verfassungsgesetzliche Schutz der Wissenschaftsfreiheit deutlich höher: als vorbehaltloses Grundrecht steht sie eben gerade nicht unter Gesetzesvorbehalt. Hinzu kommt, dass die Wissenschaftsfreiheit zwar als Individualfreiheit geschützt ist, wissenschaftliche Forschung aber generell als allgemeinwohlförderliches Handeln zu betrachten ist: Wissenschaft ist schließlich im Sinne der Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 StGG „jedes planvolle und methodische Bemühen um die Gewinnung objektiver Erkenntnisse, das sich einer intersubjektiven Überprüfung stellt“ (Berka 1999, 343). Gerade in einer historischen Kulturwissenschaft wie der Archäologie (Eggert 2006, 230-50), aber auch generell in allen Wissenschaften, ist für die erforderliche intersubjektive Überprüfbarkeit jedoch insbesondere die Einbringung der Erkenntnisse des Forschers in den wissenschaftlichen Diskurs (Pieroth et al. 2015, 176) und somit ihre Veröffentlichung erforderlich. In diesem Sinn ist wissenschaftliche Forschung immer ein kollektives Unterfangen, dessen Endziel bzw. „eigentliches Ideal“ (Berka 1999, 342) nicht bloß die private, sondern die allgemeine, Wahrheitserkenntnis ist. Der durch die Individualfreiheit des Art. 17 Abs. 1 DMSG vor staatlichen Eingriffen in seine wissenschaftlichen Forschungen geschützte Grundrechtsträger mag dabei durchaus subjektiv in erster Linie zur Befriedigung seiner eigenen Neugier bzw. um für sich selbst herauszufinden, was tatsächlich „die Wahrheit“ ist, seine Nachforschungen anstellen; aber er will und muss auch – um überhaupt wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen zu können – bereit sein, die Erkenntnisse, die er gewonnen zu haben glaubt, mit der Allgemeinheit – die daraus dann ihrerseits Nutzen ziehen kann – zu teilen. Nun ist es aber eine der zentralen Grundprämissen der Wissenschaft ganz generell, dass – wenigstens prinzipiell – jeder „normale“ Mensch dazu im Stande ist, wissenschaftliche Erkenntnis zu gewinnen: das Prinzip der (idealerweise allgemeinen) Nachvollziehbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnis ist, was die moderne Wissenschaft überhaupt erst ausmacht. Kann aber jeder „normale“ Mensch wissenschaftliche Erkenntnisse, die andere gewonnen haben, durch sein selbstständiges, vernünftiges Denken selbst nachvollziehen, dann muss er zwingend – wenigstens theoretisch betrachtet – auch dazu im Stande sein, durch sein selbstständiges, vernünftiges Denken wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, die noch niemand anderer vor ihm gewonnen hat. Dieses zentrale Prinzip der Wissenschaft leitet sich letztendlich direkt aus der Aufklärung ab (Kant 1784, 481). Damit ist die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG zwingend auch ein Jedermannsrecht, das auch nicht vom Nachweis einer förmlichen Qualifikation abhängig sein kann (Berka 1999, 343). Eine Unterscheidung zwischen einer verschwindend geringen Minderheit von Personen, die invasive archäologische Nachforschungen (und sei es nur unter bestimmten Voraussetzungen) auf geschützten Denkmalen durchführen dürfen, und einer überwältigenden Mehrheit aller anderen Grundrechtsträger, die gar keine invasiven archäologischen Untersuchungen auf geschützten Denkmalen durchführen dürfen, wie sie durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG igF vorgenommen wird, die ausschließlich auf einer ebensolchen förmlichen Qualifikation – eben den Abschluss eines einschlägigen archäologischen Universitätsstudiums – beruht, kann daher nicht im engeren Sinn verhältnismäßig sein. Das bedeutet natürlich nicht, dass jemand, der sich auf die Wissenschaftsfreiheit berufen möchte, nicht dennoch „die für eine eigenständige wissenschaftliche Arbeit erforderlichen fachlichen Voraussetzungen verfügen“ (Berka 199, 343), d.h. ausreichend kompetent sein muss, um sich auch 259 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich tatsächlich planvoll und methodisch um die Gewinnung objektiver Erkenntnisse bemühen zu können. Wissenschaftliche Forschung setzt natürlich gewisse Fachkenntnisse voraus – z.B. darüber, welche fachlich anerkannten Forschungsmethoden zur Verfügung stehen und wie diese korrekt angewendet werden können; was allerdings auch die Abweichung vom fachlich anerkannten Methodenkanon nicht ausschließt, solange diese begründet oder auch nur die dennoch methodische Natur des abweichenden Vorgehens gezeigt werden kann (siehe dazu noch extremer Feyerabend 1986) – weil sie sich immer bis zu einem gewissen Grad an der vorhergehenden Forschung orientiert, sei es nun in Form eines Versuchs der Bestätigung, Weiterentwicklung oder Widerlegung der dadurch gewonnenen Ergebnisse. Auch muss man den Erkenntnisstand in einer Wissenschaft einigermaßen kennen, um überhaupt neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen zu können, was ebenfalls eines der Ziele wissenschaftlicher Forschung ist. Dieses erforderliche Wissen und die ebenso erforderlichen praktischen Kompetenzen kann man aber auch auf anderem Weg als durch ein einschlägiges Universitätsstudium erwerben, sei es durch andere Arten der Ausbildung (wie z.B. eine Lehre als Grabungstechniker nach dem „Frankfurter Modell“ in Deutschland; RGK & VLA 2005), aber auch als Autodidakt. Zwar mag der Weg des autodidaktischen Erwerbs der notwendigen Kenntnisse und Kompetenzen maßgeblich schwerer erfolgreich zu beschreiten sein als durch Absolvierung einer – ob universitären oder außeruniversitären – einschlägigen Ausbildung, ausgeschlossen kann er aber auch in der Archäologie – ebenso wie in allen anderen Wissenschaften auch – dennoch nicht werden. NFG-Pflicht zur Wissenschaftlichkeitsprüfung geplanter Nachforschungen auf geschützten Denkmalen Sofern eine NFG-Pflicht nicht verfassungswidriger Weise über 99,9% aller Grundrechtsträger die Freiheit, selbstständig auch invasive archäologische Nachforschungen auf geschützten Denkmalen durchzuführen nimmt, wie das z.B. die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG bis zur Novelle BGBl. 473/1990 nicht getan haben (selbst in der letztgenannten Novelle war noch eine Genehmigungsmöglichkeit für solche Personen vorgesehen, die, wenn sie kein einschlägiges Studium absolviert hatten, einen kommissionellen Befähigungsnachweis erbracht hatten), könnte sie als Mittel zur Überprüfung der Wissenschaftlichkeit geplanter Nachforschungen im engeren Sinn mit der dadurch verursachten Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit verhältnismäßig sein. Denn wird die Wissenschaftsfreiheit rechtlich korrekt als Jedermannsrecht ausgelegt, besteht eine signifikante Chance, dass auch solche Personen invasive Nachforschungen auf geschützten Denkmalen durchführen wollen könnten, die entweder ihre eigene Fachkompetenz – z.B. ob fehlender einschlägiger Ausbildung, wie das häufiger bei „Hobbyforschern“ vorkommt – signifikant überschätzen oder sich sogar nur deshalb auf die Wissenschaftsfreiheit berufen, um ein allfälliges Verbot unwissenschaftlicher Grabungen und sonstiger Nachforschungen auf geschützten Denkmalen durch Vorspiegelung falscher Tatsachen umgehen zu können, ohne tatsächlich ein ernstzunehmendes wissenschaftliches Forschungsinteresse und die erforderlichen Kenntnisse und Kompetenzen erworben zu haben (d.h. um „Raubgrabungen“ im weiter oben definierten Sinn vornehmen zu können; Seiten 188-194). Ziel der gesetzlichen NFG-Pflicht wäre es in diesem Fall also tatsächlich, durch eine ex ante-Prüfung der Pläne des Forschenden für die Durchführung seines Projektes tatsächlich wissenschaftliche invasive Untersuchungen von – ob nun irrtümlich oder vorsätzlich – unwissenschaftlichen invasiven Nachforschungen unterscheiden und Letztere durch Verweigerung der erforderlichen Bewilligung untersagen zu können. Das entspräche einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (Krischok 2016, 128; Pieroth et al. 2015, 75), das sich dadurch rechtfertigen ließe, dass Denkmale durch dieses Verbot eigentlich gerade nicht vor wissenschaftlichen, sondern ganz im Gegenteil vor unwissenschaftlichen Nachforschungshandlungen geschützt werden sollen. In diesem Fall würden 260 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? wissenschaftliche Nachforschungen nur insofern durch die NFG-Pflicht betroffen, als selbstverständlich für die Verhinderung nichtwissenschaftlicher Nachforschungen alle Nachforschungen (d.h. selbstverständlich auch die, die sich bei der behördlichen Prüfung als solche von tatsächlich wissenschaftlichem Charakter erweisen) der Überprüfung unterworfen werden müssen und deshalb auch NFG-pflichtig sind. Dies würde zwar ebenfalls einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit darstellen, es lässt sich allerdings hier argumentieren, dass das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Erhaltung der Denkmale in diesem Fall das der Wissenschaftsfreiheit überwiegt, denn die Schwere des Eingriffs in die Wissenschaftsfreiheit wäre verhältnismäßig gering: tatsächlich hätte in diesem Fall die zuständige Behörde oder sonstige Instanz geplante Nachforschungen nur generell darauf zu prüfen, ob sie das Kriterium der Wissenschaftlichkeit erfüllen; falls dieses erfüllt wird, wäre die beantragte Genehmigung dann auch zu erteilen (in etwa diesem Sinne auch Krischok 2016, 138). Damit würde in den Kernbereich der Wissenschaftsfreiheit gar nicht eingegriffen, sondern sie nur randlich tangiert: der Forscher hätte weiterhin die freie Wahl seiner Forschungsgegenstände, seiner Methoden und der Verbreitung seiner Erkenntnisse; er kann nur nicht sofort, ohne seine Pläne zuvor der zuständigen Instanz zur intersubjektiven Prüfung vorgelegt zu haben, von der Planung zur Durchführung seiner Forschungen voranschreiten. Dieser Verpflichtung zum – bei vorausschauender Planung durch den Wissenschafter nicht einmal zu Verzögerungen für sein Forschungsprojekt führenden – Einlegen einer kurzfristigen Pause zwischen Abschluss der theoretischen Planung und praktischen Durchführung der Feldforschungen steht bei geschützten Denkmalen das in diesem Fall deutlich höhere Gewicht des öffentlichen Interesses am Schutz der Denkmale vor durch unwissenschaftliche invasive Handlungen verursachten Schadens gegenüber. NFG-Pflicht zur Standardisierung wissenschaftlicher Nachforschungen auf geschützten Denkmalen Die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF stellt jedoch einen deutlich schwerwiegenderen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG dar, indem sie überhaupt nur Grabungen und sonstige (invasive) Nachforschungen mit wissenschaftlichem Entdeckungs- und Untersuchungszweck betrifft und noch dazu als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt gestaltet ist: es wird eben gerade nicht nur eine Überprüfung der Wissenschaftlichkeit der geplanten Nachforschungen vorgenommen. Vielmehr besteht nicht einmal dann ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Bewilligung, wenn der Antragsteller und seine geplanten Nachforschungen alle gesetzlichen Kriterien für die Erteilung der Genehmigung erfüllen, sondern ist eine Ermessensentscheidung der Behörde (Bazil et al. 2015, 64). Unter den möglichen Abweisungsgründen finden sich z.B. auch berechtigte Bedenken gegen die Vertrauenswürdigkeit des Antragstellers, z.B. wenn dieser bereits zu früherer Zeit gegen die Bestimmungen des DMSG verstoßen hat (ibid.). Dass das, wenn z.B. ein graduierter Archäologe, der als selbstständig Erwerbstätiger ein Grabungsunternehmen betreibt, auch nur einmal gegen Auflagen in Genehmigungsbescheiden gem. § 11 Abs. 1 DMSG verstoßen hat, de facto ein lebenslanges Berufsverbot darstellen kann – es gibt schließlich von da an berechtigte Bedenken gegen seine Vertrauenswürdigkeit, die eine Abweisung aller seiner zukünftigen Grabungsgenehmigungsanträge ermöglichen – sei hier nur am Rande erwähnt. Vielmehr scheint das BDA in seiner derzeitigen Anwendungspraxis die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG überhaupt nicht zur Überprüfung der Wissenschaftlichkeit geplanter Nachforschungen, sondern vielmehr in erster Linie als Mittel zur Standardisierung wissenschaftlicher Nachforschungen zu verwenden, die von graduierten ArchäologInnen geplant und durchgeführt werden. Diese Standardisierung erfolgt dabei durch die Richtlinien (BDA 2016a; 2018), die Bescheiden gem. § 11 Abs. 1 DMSG igF regelhaft als verbindlich einzuhaltende Auflagen angeschlossen werden. Die vom BDA als „generelle Ausformulierung der für die Durchführung archäologischer Maßnahmen festzusetzenden 261 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich »Einschränkungen, Auflagen und Sonderregelungen […] hinsichtlich […] der Art der Durchführung, Meldepflichten, Kontrollen usw.)«“ (BDA 2018, 2) betrachteten Richtlinien sind dabei teilweise enorm spezifisch, was anzuwendende Forschungsmethoden und sogar das Speicherformat und die Formatierung von abzugebenden Unterlagen betrifft. So z.B. bestimmt das BDA in den Richtlinien, dass archäologische Grabungen „entsprechend der stratigrafischen Grabungsmethode“ (BDA 2018, 15) zu erfolgen hätten, wobei „jede stratigrafische Einheit […] zu dokumentieren und mit einer eigenen fortlaufenden Zahl in arabischen Ziffern zu bezeichnen“ (ibid.) ist. Ebenso schreibt es vor, dass „die gesamten Dokumentationsunterlagen einschließlich aller Berichte […] in deutscher Sprache abzufassen“ (BDA 2018, 36; Hervorhebung: RK) sind. Inwieweit die Verpflichtung auch von Angehörigen anerkannter Minderheiten mit nichtdeutscher Muttersprache, die bei ihren Forschungen (eventuell sogar in ihrem zweisprachigen Heimatbezirk) angefertigten Dokumentationen auf Deutsch statt in ihrer Muttersprache zu verfassen, mit den Bestimmungen des Volksgruppengesetzes vereinbar sind, sei hier dahingestellt. Ja es schreibt sogar – für den gesetzlich gar nicht verpflichtend vorgesehen „Teil B“ (BDA 2018, 36, 38-9; vgl. § 11 Abs. 6 DMSG) – der dem BDA zu übermittelnden Berichte Schriftart, Schriftgröße, Zeilenabstand, etc. vor und macht sogar Vorgaben zur farblich codierten Gestaltung von digitalen Dokumentationen (BDA 2018, Innenseite hinteres Deckblatt). Zwar gestattet das BDA – wenigstens theoretisch – inhaltliche Abweichungen von den in den Richtlinien gemachten Vorgaben, diese sind jedoch – wenn sie bereits vor dem Beginn der geplanten Maßnahme bekannt sind – schon im Antrag „fachlich ausreichend“ (BDA 2018, 3) zu begründen oder bedürfen – wenn sie sich erst im Verlauf der Durchführung der Maßnahme ergeben – laut eigener Bescheidauflage in Bewilligungsbescheiden der separaten Bewilligung durch das BDA. Damit schränkt das BDA nicht nur die Wahl des Wissenschafters über die Gegenstände seiner Forschung, sondern auch die Wahl seiner Forschungsmethoden massiv ein und beauflagt ihn sogar bezüglich der Details der Formatierung von Berichtsteilen und Dokumentationsunterlagen über seine Erkenntnisse, zu deren Übermittlung an das BDA er gesetzlich eigentlich gar nicht verpflichtet ist. Wenn nichts Anderes muss er schließlich inhaltliche Abweichungen fachlich begründen und das BDA kann – wenn es mit diesen Begründungen aus welchen Gründen auch immer nicht zufrieden ist – die Erteilung der beantragten Bewilligung verweigern oder entgegen der beantragten Abweichungen dennoch die Einhaltung der Richtlinien vorschreiben. Ein solcher Versuch der Standardisierung invasiver archäologischer Nachforschungen im Wege von Richtlinien stellt jedenfalls einen gravierenden Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG dar; vor allem, wenn man bedenkt, dass eine unbewilligte Abweichung von diesen schließlich als Bescheidauflage rechtskräftig werdenden Vorgaben zur Durchführung invasiver archäologischer Nachforschungen in weiterer Folge vom BDA als berechtigter Grund für Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des betroffenen Wissenschafters und damit zur Abweisung seiner weiteren Anträge auf Erteilung einer NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG herangezogen werden kann. De facto wird dadurch die verfassungsgesetzlich garantierte Individualfreiheit des Grundrechtsträgers, seine wissenschaftlichen Forschungen selbstbestimmt zu gestalten und durchzuführen auf die Freiheit beschränkt, diese an jenen Orten auf die Weise durchzuführen, wie es dem Staat bzw. seinen Organen im BDA gefällt. Zwar kann eine gewisse Standardisierung invasiver wissenschaftlicher Nachforschungen, z.B. in Hinblick darauf, welche Beobachtungen jedenfalls anzustellen und in einer wissenschaftlich geeigneten Form zu dokumentieren sind, durchaus aus einem öffentlichen Interesse an der Erhaltung der in diesen Denkmalen gespeicherten historischen Informationen erwachsen, das sich eventuell mittelbar aus dem rechtskräftigen öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Denkmals selbst 262 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? ableiten lässt. Das DMSG schützt aber eigentlich nur körperliche Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer und sonstiger kultureller Bedeutung in ihrer historisch gewachsenen Erscheinung und Substanz (§ 1 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 1 DMSG), nicht die in den Denkmalen gespeicherte historische, künstlerische oder sonstige kulturelle Information im Sinne eines „Wachhaltens des Gedenkens“ (Bazil et al. 2015, 16-7, 38) nach der physischen Zerstörung des Denkmals. Daher können gerade nicht die „Bestandteile sowie die Dokumentationsunterlagen […] in ihrer Gesamtheit an die Stelle des durch die archäologische Maßnahme veränderten oder zerstörten Bodendenkmals“ (BDA 2018, 2) treten, wie es das BDA in seinen Richtlinien ohne jedwede Rechtsgrundlage postuliert. Das würde nämlich bedeuten, dass die Erhaltung eines jeden Denkmals auch schon allein durch seine sachgerechte Dokumentation erreicht werden könnte, ohne dass das Denkmal selbst auch körperlich erhalten bleiben müsste, was aber dem Grundanliegen des DMSG diametral widerspricht (siehe dazu sinngemäß Bazil et al. 2015, 16-7). Dass dem gegebenenfalls auch an der „Erhaltung durch Dokumentation“ des Denkmals möglicherweise bestehende, allerdings jedenfalls seiner unveränderten körperlichen Erhaltung seiner Substanz und historisch gewachsenen Erscheinung deutlich nachgeordnete öffentliche Interesse jedoch ein derart hohes Gewicht zukäme, dass dadurch eine nahezu vollständige, intentionale Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit gerechtfertigt werden könnte, erscheint nicht vertretbar. Zu bedenken ist hier insbesondere, dass invasive archäologische Nachforschungen auf geschützten Denkmalen gem. § 11 Abs. 5 DMSG „wegen der damit zwangsläufig verbundenen Veränderungen oder Zerstörungen auf jeden Fall auch der Bewilligung des Bundesdenkmalamtes gemäß § 5 Abs. 1“ bedürfen. Eine Bewilligung gem. § 5 Abs. 1 DMSG kann jedoch – nachdem die dabei vorzunehmende Interessensabwägung keine Ermessensentscheidung der Behörde ist (Bazil et al 2015, 47) – nur dann erteilt werden, wenn die privaten oder öffentlichen Interessen, die für die Zerstörung oder Veränderung des Denkmals sprechen, das öffentliche Interesse an der unveränderten Erhaltung des Denkmals überwiegen. Zu den öffentlichen Interessen, die für die Zerstörung oder Veränderung eines geschützten Denkmals sprechen, kann nun natürlich auch seine wissenschaftliche Erforschung mit invasiven archäologischen Nachforschungsmethoden gehören. Überwiegt nun aber das öffentliche Interesse an der wissenschaftlichen Erforschung des Denkmals mit invasiven archäologischen Nachforschungsmethoden das öffentliche Interesse an seiner Erhaltung, lässt sich nicht postulieren, dass das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieses Denkmals das kombinierte öffentliche und private Interesse an seiner freien wissenschaftlichen Erforschung überwiegen würde und daher eine wie auch immer geartete Beschränkung der freien Methodenwahl des Forschers möglich ist. Ähnlich wie Heike Krischok (2016, 136-7) für die Bestimmung des Zeitpunkts feststellt, „wann die Methodik und Dokumentationsmöglichkeiten weit genug entwickelt sind, um den geeigneten Zeitpunkt für die Ausgrabung zu bilden“ (Krischok 2016, 137), ist es mit der Wissenschaftsfreiheit auch nicht vereinbar, dass eine Behörde darüber entscheiden soll, welche generell wissenschaftlich anerkannte invasive archäologische Nachforschungsmethode für die derzeit geplante Untersuchung eines Denkmals geeignet ist. Vielmehr ist genau diese Frage „nicht mehr (oder weniger) als ein wissenschaftsethisches Problem, das jeder Wissenschaftler für sich entscheiden muss. Das gerade ist jener Bereich, der die Eigengesetzlichkeit der Wissenschaftsfreiheit ausmacht“ (ibid.). Daher kann die Verwendung der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG als Mittel zur Standardisierung invasiver Nachforschungen nicht einmal auf gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschützten Denkmalen im engeren Sinn verhältnismäßig mit der dadurch verursachten Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit sein. Die derzeitige Anwendungspraxis des BDA verletzt also jedenfalls das Übermaßverbot der Bundesverfassung. 263 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Die Anwendung der NFG-Pflicht auf bereits bekannte, nicht denkmalgeschützte, Fundstellen In seiner bisherigen Handhabungspraxis und – soweit sich das aus den neuen Richtlinien des BDA (2018, 10-20) ableiten lässt – auch in seiner geplanten zukünftigen Anwendungspraxis legte und legt das BDA die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG aber noch deutlich weiter aus als die bisher diskutierten Möglichkeiten. Soweit sich das für mich derzeit beurteilen lässt, geht es davon aus, dass jede mit archäologischer Entdeckungs- und/oder Untersuchungsabsicht durchgeführte Feldforschung auch weiterhin vollinhaltlich der NFG-Pflicht unterliegt, und zwar unabhängig davon, ob auf der untersuchten Bodenfläche irgendwelche gem. §§ 2a oder 3 (oder auch nur 9 Abs. 3) DMSG geschützten Denkmale vorkommen oder nicht. Tatsächlich lässt sich auch – wie schon weiter oben ausgeführt (Seiten 10-13) – das Erkenntnis des VwGH vom 23.2.2017, Ro 2016/09/0008 mit viel gutem Willen und Bauchweh eventuell derart interpretieren, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG wenigstens auch auf solchen Bodenflächen Anwendung finden könnte, die zwar noch nicht rechtskräftig unter Denkmalschutz stehen, aber von denen wenigstens bereits konkrete Hinweise auf das Vorkommen denkmalschutzrelevanter Funde bekannt sind; d.h. dass diese wenigstens auch auf schon bekannten archäologischen Fundstellen gilt, wenn auf diesen (wenigstens invasive) Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung von auf diesen Bodenflächen vorkommenden Denkmalen durchgeführt werden sollen (aber siehe dagegen schon Seiten 17-26). Wäre dem so, wäre auch hier eine Abwägung zwischen dem Rechtsgut Denkmalschutz und die durch die zu dessen Schutz vorgesehene NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG erzeugten, sehr schwerwiegenden, Eingriffe in den Kernbereich der Wissenschaftsfreiheit im Bereich der Durchführung invasiver wissenschaftlicher Feldforschungen vorzunehmen. Dabei ist aber gleich zu bedenken, dass gerade an der Erhaltung bereits bekannter, aber nicht gem. §§ 2a oder 3 DMSG unter Denkmalschutz gestellter, archäologischer Fundstellen ein rechtswirksames öffentliches Interesse gem. § 9 Abs. 3 DMSG nur vom Zeitpunkt ihrer Entdeckung an kraft gesetzlicher Vermutung und längstens auf die Dauer von sechs Wochen ab Abgabe der Fundmeldung, durch die sie bekannt wurden, besteht (d.h. 6 Wochen und einen Werktag ab dem Zeitpunkt ihrer Entdeckung, vorausgesetzt ihr Finder hat die in der Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG festgesetzte Meldefrist von maximal einem Werktag ab der Entdeckung des Fundgegenstandes beachtet). Während dieser Zeit stehen sie „einheitlich gemäß den Bestimmungen bei Unterschutzstellungen durch Bescheid“ (§ 9 Abs. 3 DMSG) unter Denkmalschutz, d.h. sie gelten iSd § 1 Abs. 4 DMSG als gem. § 3 DMSG unter Schutz gestellt. In Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG gilt also bezüglich diesen Denkmalen für die Dauer ihrer zeitweiligen Unterschutzstellung das in den vorangehenden Unterkapiteln Gesagte. Die automatische Unterschutzstellung von Bodendenkmalen des § 9 Abs. 3 DMSG von 6 Wochen ab Abgabe der Fundmeldung dient dabei offensichtlich dem Zweck, dem BDA die Zeit und Möglichkeit der fachlichen Begutachtung der entdeckten Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG einzuräumen, um: 1) fachlich zu beurteilen, ob es sich bei den aufgefundenen Gegenständen überhaupt um Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG handelt; 2) die in der Fachwelt vorherrschende Wertschätzung der geschichtlichen, künstlerischen und sonstigen kulturellen Bedeutung jener davon, die tatsächlich Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG sind, sachverständig zu bestimmen; und 3) erforderlichenfalls, wenn diese Bedeutung derart beschaffen ist, dass ob dieser iSd § 1 Abs. 2 DMSG ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung iSd. § 1 Abs. 1 DMSG besteht, die (dann zeitlich unbefristete) Unterschutzstellung dieser Denkmale „in allen Fällen nach den Rechtsfolgen für Unterschutzstellungen durch Bescheid gemäß § 3 Abs. 1“ (§ 9 Abs. 3 DMSG) zu verfügen. 264 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Das Ziel, das der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung erreichen will, ist also offensichtlich: er will damit verhindern, dass neu entdeckte – d.h. zuvor gänzlich unbekannte – Gegenstände, die Denkmale sein könnten, deren Bedeutung derart beschaffen ist, dass ihre Erhaltung iSd § 1 Abs. 1 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen ist, während der Zeit, die das BDA dafür braucht, ihre Bedeutung sachverständig zu ermitteln und rechtlich zu beurteilen, rechtmäßig zerstört, verändert oder ins Ausland verbracht werden können. Daher behandelt er rechtlich diese neu entdeckten Sachen zeitweilig, sozusagen auf den bloßen Verdacht hin, dass es sich bei ihnen um schützenswerte Denkmale handeln könnte, so, als ob sie tatsächlich solche Denkmale wären, eben gemäß den Bestimmungen bei Unterschutzstellungen durch Bescheid. D.h. er behandelt sie vorerst – für die Zeit, die das BDA benötigt, um festzustellen, ob das tatsächlich der Fall ist oder nicht – als ob ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung bestehen würde, auch wenn sich zu späterer Zeit – nachdem das BDA ihre Bedeutung beurteilt hat – herausstellen sollte, dass ein solches Interesse nicht besteht und auch tatsächlich nie bestanden hat. Das hat bezüglich bereits bekannter archäologischer Fundstellen, die dem BDA bereits länger als die in § 9 Abs. 3 DMSG genannten 6 Wochen bekannt, aber nicht gem. §§ 2a oder (ob in einem beschleunigten Verfahren während der 6 Wochen Frist des § 9 Abs. 3 DMSG oder einem unabhängig davon nach Ende dieser Frist ergangenen Bescheid gem.) § 3 Abs. 1 DMSG unter Denkmalschutz gestellt worden sind, für die hier vorzunehmende Güterabwägung zwischen dem Rechtsgut Denkmalschutz und der Wissenschaftsfreiheit maßgebliche Konsequenzen. Nachdem das BDA die jeweils konkret betroffene Fundstelle bereits kennt, hatte es – ob während der 6 Wochen Frist des § 9 Abs. 3 DMSG oder auch nach deren Auslaufen – bereits alle erdenklichen Möglichkeiten, die geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung dieses Denkmals sachverständig zu bestimmen und somit auch die Frage, ob ein öffentliches Interesse iSd § 1 Abs. 2 an seiner Erhaltung iSd § 1 Abs. 1 DMSG tatsächlich besteht oder sein Bestehen iSd § 1 Abs. 5 DMSG wenigstens wahrscheinlich ist, abschließend zu beantworten. Tatsächlich ist das BDA aufgrund der Bestimmungen des § 9 Abs. 3 DMSG und der allgemeinen Erforderlichkeit, für allfällige Verfügungsberechtigte bezüglich dieses Denkmals baldmöglichst Rechtssicherheit herzustellen, sogar gesetzlich dazu verpflichtet, das betreffende Denkmal fristgerecht sachverständig zu begutachten und aufgrund dieser Begutachtung rechtlich zu beurteilen, ob seine Erhaltung iSd § 1 Abs. 1 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen ist und es daher den Bestimmungen des DMSG unterliegt; oder ob ein solches öffentliches Interesse an seiner Erhaltung tatsächlich nicht besteht und allfällige Verfügungsberechtigte mit dieser Sache daher verfahren dürfen, wie es ihnen (im Rahmen der sonstigen Gesetzgebung erlaubterweise) gefällt. Das bedeutet nun aber wiederum, dass es im rechtlichen Sinn als positiv bewiesen zu gelten hat, dass an der Erhaltung einer bereits bekannten archäologischen Fundstelle tatsächlich kein öffentliches Interesse besteht, wenn das BDA binnen der 6 Wochen Frist, die ihm durch die Bestimmungen des § 9 Abs. 3 DMSG zur Beurteilung der Denkmalwürdigkeit dieser Fundstelle eingeräumt wurden, durch Erlassung eines Bescheides, in dem es das Nichtbestehen des öffentlichen Erhaltungsinteresses festgestellt hat, oder auch nur durch die Unterlassung die Unterschutzstellung dieser Fundstelle gem. § 3 Abs. 1 DMSG bescheidmäßig zu verfügen, diese Fundstelle nicht zeitlich unbeschränkt unter Denkmalschutz gestellt hat. In einem solchen Fall hat das BDA eben bereits – ob nun durch Handlung oder Unterlassung – abschließend aufgrund seiner sachverständigen Beurteilung der in der Fachwelt vorherrschenden Wertschätzung der Bedeutung der betreffenden archäologischen Fundstelle festgestellt, dass diese nicht derart beschaffen ist, dass ihre Erhaltung iSd § 1 Abs. 1 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen ist (siehe dazu auch explizit RV 1990, 19-20). 265 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Daraus folgt aber zwingend, dass der freien – auch der mit invasiven Methoden erfolgenden – wissenschaftlichen Erforschung dieser Fundstelle kein öffentliches Interesse entgegensteht, das eine Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG rechtfertigen könnte: es kann in diesem Fall nicht einmal mehr eine gesetzliche Vermutung bestehen, dass die Erhaltung des betreffenden Denkmals im öffentlichen Interesse gelegen sein könnte, weil das Nichtbestehen ebendieses Interesses bezüglich ebendieses konkreten Denkmals bereits behördlich festgestellt worden ist. Das BDA als zuständige Vollzugsbehörde kann sich in diesem Fall auch nicht auf die Position zurückziehen, dass es – aus welchen Gründen auch immer – bloß noch nicht dazu gekommen sei, die erforderliche sachverständige Begutachtung und rechtliche Beurteilung der Bedeutung dieses – nunmehr ja bereits amtsbekannten – Denkmals durchzuführen, weshalb dieses Denkmal weiterhin den Schutz des DMSG genießen würde: erstens ist es seine Aufgabe, diese Beurteilung fristgerecht vorzunehmen; zweitens begründet die Tatsache, dass das BDA noch nicht dazu gekommen ist, alle noch nicht unter Denkmalschutz stehenden, von Menschen geschaffenen Sachen in Österreich sachverständig zu begutachten, auch nicht, dass beliebige Sachen automatisch so lange irgendwelchen Bestimmungen des DMSG unterliegen, bis das BDA bescheidmäßig das Gegenteil festgestellt hat; und drittens darf diese Fundstelle – inklusive der darin befindlichen beweglichen Kleinfunde – ab Ende der Frist des § 9 Abs. 3 DMSG von Verfügungsberechtigten auch tatsächlich jederzeit vollkommen rechtmäßig zerstört, verändert oder sogar ins Ausland verbracht werden, die Fundstelle wird also tatsächlich nicht iSd § 1 Abs. 1 DMSG erhalten. Jedwede Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit bezüglich dieser Fundstelle wäre daher jedenfalls notwendigerweise im engeren Sinn unverhältnismäßig und verstößt daher gegen das Übermaßverbot der Bundesverfassung. Ebenso kann sich das BDA nicht auf die Position zurückziehen, dass ja auf der Fundstelle möglicherweise andere, noch gänzlich im verborgenen gelegene Gegenstände, die infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit offenkundig den Bestimmungen des DMSG unterliegen könnten und daher als Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 zu betrachten sind, vorkommen könnten und daher die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG weiterhin Anwendung finden können. Dies kann schon allein deshalb nicht der Fall sein, weil gem. § 1 Abs. 9 DMSG durch die Unterschutzstellung eines Denkmals „auch alle seine Bestandteile und das Zubehör sowie alle übrigen mit dem Denkmal verbundenen, sein überliefertes oder gewachsenes Erscheinungsbild im Inneren oder Äußeren mitprägenden oder den Bestand (die Substanz) berührenden Teile mit einbezogen“ werden. Es betrachtet daher nicht nur das BDA in Bezug auf archäologische Fundstellen, die es – wie schon oben erwähnt (Seiten 150-153) – als das eigentliche Bodendenkmal betrachtet, rechtlich korrekt alle zur Fundstelle gehörenden unbeweglichen Befunde und beweglichen Kleinfunde, Proben, etc. als Bestandteile des Denkmals (BDA 2018, 2), sondern auch der Gesetzgeber geht vom Einzeldenkmal als Einheit zusammengehörender, d.h. in einem Sinnzusammenhang stehender, Bestandteile aus. Daher ist in einem Unterschutzstellungsverfahren gem. § 3 DMSG auch stets die Bedeutung des Einzeldenkmals, aber genauso die von Ensembles oder Sammlungen, jeweils in der Gesamtsicht zu bewerten, nicht nur die Bedeutung jedes beliebigen seiner Bestandteile einzeln für sich; und daher werden auch durch die Unterschutzstellung alle relevanten Bestandteile eines sich aus vielen verschiedenen Bestandteilen zusammensetzenden Denkmals automatisch miterfasst. Damit folgt aber auch im Umkehrschluss, dass bei einer Nichtunterschutzstellung eines bereits bekannten Denkmals (bzw. Ensembles oder Sammlung) auch das Nichtbestehen eines öffentlichen Interesses an der Erhaltung aller seiner Bestandteile automatisch mit festgestellt wird; und zwar unabhängig davon, ob diese zum Zeitpunkt der Feststellung des Nichtbestehens des öffentlichen 266 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Interesses an der Erhaltung des betroffenen Denkmals bereits bekannt sind oder nicht. Das ist auch bei anderen (nicht archäologischen) bereits bekannten Denkmalen nicht anders: die Tatsache, dass z.B. bei der Inaugenscheinnahme durch einen (Amts-) Sachverständigen eines durch ein Unterschutzstellungsverfahren überprüften, möglicherweise schutzwürdigen, Hauses schutzwürdige Bestandteile verborgen waren, die der Sachverständige aufgrund des diese z.B. verbergenden modernen Verputzes nicht wahrnehmen konnte, kann auch keine zeitlich unbefristete Beschränkung der Verfügungsgewalt allfällig Verfügungsberechtigter über dieses Haus begründen oder rechtfertigen. Bei archäologischen „Bodendenkmalen“ wird sogar aufgrund der Natur dieser Denkmale – eben der Tatsache, dass sie gewöhnlich im Boden verborgen und daher der unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung durch bloße Inaugenscheinnahme nicht zugänglich sind – dem BDA im Gegensatz zu allen anderen bereits amtsbekannt gewordenen, möglicherweise schützenswerten, Denkmalen durch die Bestimmungen des § 9 Abs. 3 DMSG im Fall der erstmaligen Neu- bzw. Wiederentdeckung von Bestandteilen eines konkreten, möglicherweise schützenswerten Denkmals eine Frist von 6 Wochen eingeräumt, in der die Verfügungsgewalt allfällig Verfügungsberechtigter über ihr Eigentum automatisch kraft gesetzlicher Vermutung beschränkt ist. In dieser Frist kann und hat das BDA die zur abschließenden Beurteilung der Schutzwürdigkeit dieses Denkmals – eben in seiner Gesamtheit mitsamt aller seiner relevanten Bestandteile – erforderlichen wissenschaftlichen Untersuchungen selbst durchzuführen. Dafür ist es sogar auch entgegen der sonst geltenden eigentumsrechtlichen Beschränkungen zum zeitweiligen Einziehen der beweglichen Fundgegenstände und zum Betreten fremden Grundes ermächtigt (siehe dazu §§ 9 Abs. 4 und 30 Abs. 1 DMSG). Zur Denkmalforschung im zuletzt genannten Sinn – sogar auch durch Ausgrabungen von noch nicht ausreichend erforschten Denkmalen iSd § 1 Abs. 5 DMSG – wird das BDA sogar entgegen der sonstigen Bestimmungen des Eigentumsrechts – das die Zerstörung und Veränderung fremden Eigentums normalerweise jedem und insbesondere dem Staat vollständig verbietet – auch außerhalb der gesetzlichen Schutzfrist des § 9 Abs. 3 DMSG durch die Bestimmungen des § 30 Abs. 1 DMSG ermächtigt: jedermann ist verpflichtet, dem BDA zur Denkmalforschung notwendig erscheinende Untersuchungen inklusive archäologischer Ausgrabungen zu gestatten. Das BDA kann also nahezu jederzeit (in Rücksprache mit den Verfügungsberechtigten) alle erforderlichen Untersuchungen – seien es nicht invasive oder invasive Prospektionen oder auch systematische Ausgrabungen (BDA 2018, 8-21) – durchführen, die es anstellen muss, um die Bedeutung eines jeden beliebigen konkreten, ihm bereits bekannten, archäologischen Denkmals bestimmen zu können. Als amtswegige Maßnahmen iSd § 11 Abs. 2 DMSG unterliegen solche Untersuchungen sogar selbst dann, wenn sie nicht vom BDA selbst, sondern nur in seinem Auftrag durch extern zugekaufte archäologische Dienstleistungsunternehmen durchgeführt werden, nicht einmal einer wie auch immer gearteten gesetzlichen NFG-Pflicht. Hat das BDA – aus welchen Gründen auch immer – die Durchführung dieser Untersuchungen zur Feststellung des für die Entscheidung gem. § 9 Abs. 3 DMSG über die nicht zeitlich befristete Fortsetzung der Unterschutzstellung des betroffenen Denkmals in seiner Gesamtheit – d.h. inklusive aller seiner allfällig noch verborgenen Bestandteile – unterlassen, kann auch die Tatsache, dass an Ort und Stelle weiterhin irgendwelche noch im Boden verborgenen Denkmale vorkommen könnten, an deren Erhaltung – wenn sie denn nur bekannt und sachverständig bewertet worden wären – ein öffentliches Interesse bestehen könnte, eine – eventuell sogar dauerhaft, wenn niemand dort jemals irgendwelche Untersuchungen zur Klärung der Frage der Denkmalschutzwürdigkeit der dort allfällig noch vorkommenden, noch unbekannten Denkmale anstellt – fortgesetzte Beschränkung der Freiheit, durch invasive archäologische Untersuchung objektive Erkenntnisse über die dort bekanntermaßen 267 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich vorkommenden archäologischen Denkmale zu gewinnen, deren Erhaltung bewiesenermaßen nicht im öffentlichen Interesse gelegen ist, nicht rechtfertigen. Daran vermag auch die – wahrscheinlich wirklich gegebene – Tatsache, dass dem BDA vom Staat eventuell gar nicht die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt wurden, um derartige Untersuchungen amtswegig durchzuführen oder durchführen zu lassen, nichts zu ändern: der Staat kann nicht die Tatsache, dass er der von ihm selbst dazu eingerichteten Behörde nicht die notwenigen Ressourcen zur Verfügung stellt, damit diese die Untersuchungen, die sie anstellen müsste, um ihrer Aufgabe festzustellen, ob ein öffentliches Interesse an der Erhaltung eines bestimmten, bisher nicht ausreichend erforschten, Denkmals iSd § 1 Abs. 1 DMSG besteht, auch erfolgreich in der vom Gesetzgeber für genau diesen Zweck gesetzlich festgesetzten Frist nachkommen zu können, als Rechtfertigung dafür heranziehen, dass er aufgrund des angeblich bestehenden, aber tatsächlich von ihm selbst nicht ausreichend verfolgten, öffentlichen Interesses an der Erhaltung der Denkmale die Freiheit aller Grundrechtsträger, ebendiese wissenschaftlich frei zu erforschen, auf das massivste beschränkt bzw. für die meisten Grundrechtsträger sogar völlig aufhebt. Will der Staat, dass die besonders bedeutenden Denkmale geschützt werden, weil an ihrer Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht, dann muss er die Behörde, die er dazu eingerichtet hat, aus allen Denkmalen jene auszuwählen, die derart bedeutend sind, auch mit den erforderlichen Ressourcen ausstatten, die diese braucht, um ihrer Aufgabe auch tatsächlich erfolgreich fristgerecht nachkommen zu können. Das Gewicht eines allfällig dennoch gegebenen, generischen öffentlichen Interesses, auch jene noch im verborgenen gelegenen Denkmale, zu deren Bedeutungsbewertung die von Staat dafür eingerichtete Behörde, obwohl sie schon von ihrer Existenz weiß, nur bisher noch nicht gekommen ist (und aller Wahrscheinlichkeit auch niemals kommen wird), auch vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland durch invasive archäologische Untersuchungsmethoden zu schützen, ist sicherlich nicht hoch genug, um mit der durch die dafür vorgesehene NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG verursachten Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG in einem wohlausgewogenen Verhältnis zu stehen oder das Gewicht dieser Beschränkung sogar zu überwiegen. Dies ist umso mehr der Fall, als der Staat ebendiese bereits bekannten Denkmale auch überhaupt nicht vor der Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland durch irgendwelche anderen Handlungen als wissenschaftliche Nachforschungen zum Zwecke ihrer Entdeckung und Untersuchung schützt und daher – wie ebenfalls schon oben gezeigt wurde (Seiten 161-188) – die Wahrscheinlichkeit, dass ebendiese Denkmale – deren Erhaltung in erster Linie aufgrund ihrer wissenschaftlichen Quellenfunktion im öffentlichen Interesse gelegen ist – gänzlich ohne jemals wissenschaftlich untersucht oder dokumentiert worden zu sein vollständig zerstört werden dürften, wenigstens bei ca. 95% liegt, wenn nicht noch deutlich höher. Der Staat würde damit also die Wissenschaftsfreiheit nicht etwa dafür beschränken, dass Denkmale als Quellen für die wissenschaftliche Erforschung der Vergangenheit verfügbar bleiben, sondern vielmehr dafür, dass Denkmale der wissenschaftlichen Forschung möglichst vorenthalten werden. Das kann aber nicht im öffentlichen Interesse des Denkmalschutzes gelegen sein, weshalb eine dadurch verursachte Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit nicht im engeren Sinn verhältnismäßig sein kann und daher ebenfalls zwingend notwendigerweise das Übermaßverbot der Bundesverfassung verletzt. Die Anwendung der NFG-Pflicht auf alle intentionalen invasiven Entdeckungsversuche Tatsächlich scheint das BDA aber weiterhin die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auf alle an Ort und Stelle durchgeführten invasiven (und auch nicht invasiven) Nachforschungen „mit dem Zweck der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ (§ 11 Abs. 1 DMSG; BDA 2018, 6) anwenden zu wollen, und zwar völlig unbeachtlich der Tatsache, ob von dem Ort, an dem die Nachforschungen durchgeführt werden sollen, 268 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? bereits irgendwelche konkreten Hinweise auf das Vorkommen (schutzwürdiger) Denkmale bekannt sind. Dies wäre unter Umständen auch mit dem Erkenntnis des VwGH vom 23.2.2017, Ro 2016/09/0008 vereinbar, wenn man davon ausgehen will, dass der Gesetzgeber im Grunde genommen tatsächlich eigentlich nur auf die Intention des Nachforschenden abstellt und daher die Tatsache, ob vom betroffenen Ort schon konkrete Hinweise auf das dortige Vorkommen denkmalschutzrelevanter Gegenstände bekannt sind, ausschließlich als objektivierbares Kriterium zur Überprüfung der subjektiven Beweggründe des Nachforschenden relevant ist. Das würde bedeuten, dass die Frage, ob vom betroffenen Ort schon konkrete Hinweise auf das Vorkommen denkmalschutzrelevanter Gegenstände bekannt sind, überhaupt nur dann von irgendeiner rechtlichen Relevanz wäre, wenn der Nachforschende leugnet, die Entdeckung bzw. Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche bezweckt zu haben. Im umgekehrten Fall, d.h. wenn der Nachforschende behauptet (bzw. gesteht), mit diesem Zweck Nachforschungen angestellt zu haben oder anstellen zu wollen, wäre hingegen die Willensbildung des Nachforschenden auch schon dann anzunehmen (und würde daher die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ausgelöst), wenn dieser gar keine berechtigten Gründe hat, anzunehmen, dass er den Taterfolg der Entdeckung bzw. Untersuchung überhaupt verwirklichen könnte. Grundrechtsträger, die (invasive) archäologische Nachforschungen anstellen wollen, bedürften bei einer derartigen Interpretation also auch dann einer NFG, wenn objektiv überhaupt keine Aussicht darauf besteht, dass ihre Nachforschungen von Erfolg gekrönt sein können, weil für die Erfüllung des Vorsatzes iSd § 5 Abs. 1 StGB bereits genügt, wenn der Täter subjektiv den Eintritt des Taterfolgs ernsthaft für möglich hält. Es wäre hier also auf die subjektive Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Taterfolgs durch den Nachforschenden abzustellen, nicht auf dessen objektive oder wenigstens objektivierbare Vorhersehbarkeit. Trifft diese Sichtweise zu, würde also z.B. eine Person, die ein Loch in anstehenden gewachsenen Fels hacken oder meißeln will, weil sie durch die Entdeckung von in diesem eingeschlossenen Denkmalen iSd § 1 Abs. 1 DMSG beweisen möchte, dass moderne Menschen und Dinosaurier gleichzeitig miteinander gelebt haben, und auch – weil sie ja an diese Koexistenz glaubt und ihr tatsächliches Bestehen wissenschaftlich beweisen möchte – ernsthaft daran glaubt, dass sie – gerade entgegen dem derzeitigen wissenschaftliche Konsens, dass das gar nicht sein kann, den sie ja widerlegen möchte – den von ihr bezweckten Taterfolg herbeiführen kann, für ihre Nachforschungen einer Bewilligung des BDA gem. § 11 Abs. 1 DMSG bedürfen. Mehr noch, wenn diese Person kein einschlägiges archäologisches Universitätsstudium abgeschlossen hat, dürfte sie ihre geplanten Nachforschungen überhaupt nicht durchführen, weil sie zwar ob ihrer – objektiv betrachtet niemals verwirklichbaren, aber subjektiv ernsthaft für erfolgversprechend betrachteten – Denkmalentdeckungsabsicht einer Bewilligung gem. § 11 Abs. 1 DMSG bedürfen würde, aber diese nicht erteilt bekommen darf, weil es ihr am facheinschlägigen Studienabschluss mangelt. Damit würden aber durch die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG nicht Denkmale, deren Bedeutung so beschaffen ist, dass an ihrer Erhaltung iSd § 1 Abs. 1 DMSG ein öffentliches Interesse besteht, vor durch derartige (invasive) Nachforschungen verursachter Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland geschützt. Vielmehr würden (invasive) Nachforschungen mit dem subjektiven Glauben an den Eintritt des Denkmalentdeckungserfolges verboten, gänzlich unabhängig davon, ob durch sie tatsächlich irgendwelche bedeutenden Denkmale zerstört, verändert oder ins Ausland verbracht werden (könnten). Umgekehrt würden hingegen alle Nachforschungen gänzlich ohne Bewilligung gem. § 11 Abs. 1 DMSG erlaubt, bei denen der Nachforschende entweder tatsächlich glaubwürdig (wie z.B. im Fall der Seenreinigung durch die ÖBf, siehe Seiten 229-231) nicht die Entdeckung besonders bedeutender Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG bezweckt oder aber den tatsächlich gegebenen 269 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Denkmalentdeckungszweck seiner Nachforschungen leugnet und sich bei diesen ausschließlich auf Bodenflächen beschränkt, von denen noch keine konkreten Hinweise auf das Vorkommen denkmalschutzrelevanter Gegenstände bekannt sind, ebenfalls völlig unabhängig davon, ob durch sie tatsächlich irgendwelche bedeutenden Denkmale zerstört, verändert oder ins Ausland verbracht werden (könnten). Damit könnte man eventuell verhindern, dass MetallsucherInnen – wie bereits vielfach ausgeführt, der Lieblingsfeind vieler ArchäologInnen – ihrem Hobby auf bereits bekannten archäologischen Fundstellen nachgehen können, aber sonst erreicht man dadurch gar nichts. Dass das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Erhaltung von Denkmalen durch Verhinderung von Metallsuchen auf bekannten archäologischen Fundstellen derart hoch ist, dass es mit den durch die dafür vorgesehene NFG-Pflicht verursachten Beschränkungen der Wissenschaftsfreiheit aller Grundrechtsträger auf dem gesamten österreichischen Bundesgebiet, obwohl auf der überwältigenden Mehrheit dieses Gebiets gar keine (bekannten) archäologischen Fundstellen vorkommen, in einem wohlausgewogenen Verhältnis steht oder das Gewicht der dadurch verursachten Eingriffe sogar überwiegen würde, scheint auch in diesem Fall nicht nachvollziehbar. Das liegt schon allein daran, dass an der Erhaltung der überwältigenden Mehrheit aller dadurch vor ihrer Entdeckung und Untersuchung geschützten Gegenstände – selbstverständlich die mitgerechnet, die Denkmale iSd § 1 Abs. 1 und schützenswerte Denkmale iSd § 1 Abs. 2 DMSG sind – überhaupt kein öffentliches Erhaltungsinteresse besteht. Betrachtet man also die Klasse der dadurch geschützten Objekte in ihrer Gesamtheit – und das muss man in diesem Fall selbstverständlich, da sich vor der Entdeckung eines Objektes gar nicht bestimmen lässt, ob überhaupt ein öffentliches Interesse an seiner Erhaltung besteht und man daher jedenfalls auf die Durchschnittsbetrachtung aller Objekte abstellen muss, deren unbewilligte Entdeckung und Untersuchung durch die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 bei einer derartigen Auslegung untersagt wird – ist das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Erhaltung all dieser Gegenstände minimal, während die durch die NFG-Pflicht bewirkte Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit maximal und massiv ist. Verschärft wird dieses Problem noch zusätzlich dadurch, dass selbst in der Klasse der Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG die Unterklasse jener Denkmale, an deren Erhaltung aufgrund ihrer Bedeutung ein öffentliches Interesse iSd § 1 Abs. 2 DMSG besteht, eine verschwindend geringe Minderheit darstellt. Deutlicher gesagt: die Menge der Denkmale, an deren Erhaltung kein öffentliches Interesse besteht, ist um ein großes Vielfaches größer als die Menge der jener, an deren Erhaltung ein solches besteht. Das ist gerade bei der Beurteilung der Frage, ob eine Nachforschung nun die Entdeckung denkmalschutzrelevanter Gegenstände (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008) bezweckt oder nicht, von besonderer Relevanz: denkmalschutzrelevante Gegenstände können bei teleologischer Interpretation des DMSG selbstverständlich ganz im Sinne der Bestimmungen des § 1 Abs. 1 DMSG nur solche sein, an deren Erhaltung aufgrund ihrer besonderen Bedeutung iSd § 1 Abs. 2 ein öffentliches Interesse besteht; denn der Gesetzgeber sagt auch im Wortlaut des DMSG ganz explizit, dass er nur die Erhaltung dieser besonders bedeutenden und nicht etwa die Erhaltung aller Denkmale im Sinne der Begriffsdefinition des Denkmalbegriffs in § 1 Abs. 1 DMSG bezweckt. Das muss schon allein deshalb der Fall sein, weil er sonst nicht nur gem. §§ 2, 2a oder 3 DMSG geschützte, sondern alle von Menschen geschaffenen Gegenstände (etc.), denen auch nur irgendeine, wie auch immer geringe, geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung zukommt – und das sind notwendigerweise alle solchen Gegenstände, weil jeder davon wenigstens eine historische Quelle für seine eigene Existenz ist und somit wenigstens minimale historische Bedeutung hat – den Schutzbestimmungen des DMSG unterwerfen müsste, was er offensichtlich nicht tut. Nun hat aber das BDA in den 95 Jahren, seit denen es Denkmale unter Schutz stellt, gerade einmal – bei der für das BDA freundlichsten Zählung – nur maximal ca. 5,6% (ca. 1.100 von 19.550 bekannten 270 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? archäologischen Fundstellen, Picker et al. 2016, 285) oder sogar nur – bei etwas unfreundlicherer Zählung ca. 2,1% (1.100 von ca. 52.000 bekannten Fundstellen, Farka 2008, 10) unter Denkmalschutz gestellt. Soweit bewegliche Kleinfunde betroffen sind, beträgt die Unterschutzstellungsquote sogar nur – soweit sich das mir erschließt – sogar nahegleich, wenn nicht sogar exakt, 0%: nicht einmal die 8 römischen Münzen, die den hier schon mehrfach erwähnten Fall VwGH vom 24.6.1985, 84/12/0213 ausgelöst hatten und von erster und zweiter Instanz als „Kulturgüter, die den Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes unterlägen“ (VwGH 24.6.1985, 84/12/0213) betrachtet worden waren, wurden gem. § 3 DMSG unter Denkmalschutz gestellt; geschweige denn irgendwelche anderen beweglichen Kleinfunde, die alljährlich – wenn man die von systematischen Ausgrabungen mitrechnet, was man muss – zehntausendfach oder noch vielfacher in Fundberichten dem BDA bekannt gegeben werden. In ähnlichem Sinn hat 2013 die damals für Denkmalschutzagenden zuständige Bundesministerin Claudia Schmied in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung bezüglich der archäologischen Maßnahmen im Rahmen des geplanten Baus der S31-Burgenland-Schnellstraße, Ortsumfahrung Schützen am Gebirge, bezüglich der auf der geplanten Trasse infolge von schon bei Vorarbeiten entdeckten Denkmalen, unter anderem Teilen eines römischen Gräberfeldes, zu erwartenden Funde von Denkmalen festgestellt: „Die archäologischen Ersatzmaßnahmen reichen für eine Dokumentation und Erforschung der Bodendenkmale aus. Bislang wurde kein derart bedeutendes Bodendenkmal gefunden, sodass ein öffentliches Interesse an einer dauerhaften Erhaltung an Ort und Stelle gegeben wäre“ (BM Schmied 24.7.2013, 14637/AB XXIV. GP, 2). Auch die Antworten der Bundesministerin auf die Fragen 3, 4 und 5 der parlamentarischen Anfrage (12.7.2013, 15565/J XXIV. GP, 2-3), ob der Ministerin die Unterschutzstellung der betroffenen Flächen als Fundhoffnungsgebiete im Sinne des § 1 Abs. 5 DMSG angebracht erscheinen würde, falls nein warum nicht, und falls ja warum die Ausweisung der betreffenden Flächen als „Fundhoffnungsgebiet“ durch das BDA nicht erfolgt sei, sind interessant. Von diesen beantwortete BM Schmied die erste Frage mit einem simplen „Nein“ (BM Schmied 24.7.2013, 14637/AB XXIV. GP, 2) und führte zu den beiden folgenden Fragen aus: „Nach Abschluss der archäologischen Ersatzmaßnahmen sind keine an Ort und Stelle erhaltenen Bodendenkmale zu erwarten. Wie bereits ausgeführt sind im gegenständlichen Fall Ersatzmaßnahmen fachlich geboten, nicht aber eine dauerhafte Erhaltung in situ.“ (BM Schmied 24.7.2013, 14637/AB XXIV. GP, 2). Sind nun aber Fundstellen, die seit sehr langem bekannt sind und regelhaft Funde mit Datierungen ab der Jungsteinzeit erbracht haben, die auch in den Fundberichten aus Österreich oft Aufnahme gefunden haben (FÖ 1, 2, 3, 4, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24/25, 26, 27, 28, 29, 32, 35, 40 und 42), und von denen unter anderem auch mehrere hunderte römische Fundmünzen von Vespasian (69-79 n.Chr.) bis Valens (364-378 n.Chr.) stammen (zahlreiche Meldungen FÖ 12-29), die wohl mit einem ausgedehnten und bedeutenden Vicus (samt einem zugehörigen, sich bis auf die Straßentrasse der S31 ausdehnt habenden, Gräberfeld) nahe des Wulkaübergangs der römischen Bernsteinstraße in Zusammenhang stehen (vgl. dazu Schwille 2013; Strohschneider-Laue 1993), nicht von ausreichender Bedeutung sind, dass ihre Erhaltung iSd § 1 Abs. 2 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen ist, wird es sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich, ex ante zu bestimmen, wann ein archäologisches Denkmal derart bedeutend werden kann, dass es zu einem denkmalschutzrelevanten Gegenstand wird. Tatsächlich hat sogar das burgenländische Landesmuseum auf Basis seiner Ortsakten zu den durch die Trassenführung potentiell betroffenen Fundstellen diese als wenigstens von regionaler oder sogar überregionaler Bedeutung bewertet, d.h. als solche Fundstellen, an deren unveränderter Erhaltung in situ iSd § 1 Abs. 1 DMSG ein öffentliches Interesse iSd § 1 Abs. 2 DMSG besteht. 271 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Dennoch haben offensichtlich weder das BDA noch – wohl fraglos durch dieses diesbezüglich vorbereitet – die damals für den Denkmalschutz zuständige Bundesministerin die dort anzutreffenden Denkmale als derart bedeutend bewertet, dass ihre Erhaltung ob dieser Bedeutung im öffentlichen Interesse gelegen wäre. Vielmehr haben BDA und die zuständige Bundesministerin archäologische Ersatzmaßnahmen – d.h. „[d]ie Nachforschung durch Veränderung der Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser (Grabung) und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ (§ 11 Abs. 1 DMSG) – als fachlich zur „Dokumentation und Erforschung“ (BM Schmied 24.7.2013, 14637/AB XXIV. GP, 2) der betroffenen Denkmale „ausreichende“ (ibid.) Maßnahmen erachtet. Daraus folgt aber erstens zwingend, dass offensichtlich selbst im Fall von archäologischen Fundstellen, die das örtlich zuständige Landesmuseum bzw. die von diesem für diese Aufgabe beschäftigten archäologischen Fachkräfte als von wenigstens regionaler, wenn nicht sogar überregionaler, Bedeutung wertschätzt, nach Ansicht des BDA und der zuständigen Bundesministerin nicht mit der Entdeckung derart bedeutender Denkmale zu rechnen ist, dass diese als denkmalschutzrelevante Gegenstände zu betrachten sind, sondern ein allfälliges öffentliches Interesse vielmehr nach Ansicht des BDA und der zuständigen Bundesministerin an der wissenschaftlichen Erforschung und Dokumentation dieser Denkmale besteht. Damit kann aber das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Erhaltung der besonders bedeutenden Denkmale – eben iSd § 1 Abs. 1 DMSG zu verstehen als ihr Schutz vor Zerstörung, Veränderung und Verbringung ins Ausland – unmöglich das Gewicht des Individualrechts jedes beliebigen Grundrechtsträgers auf die freie wissenschaftliche Erforschung archäologischer Denkmale überwiegen, deren unveränderte körperliche Erhaltung in ihrer historisch gewachsenen Erscheinung und Substanz gar nicht im öffentlichen Interesse gelegen ist. „[F]achlich geboten“ (ibid.) erscheint – auch dem BDA; und auch der zuständigen Bundesministerin – die Entdeckung und Untersuchung der betroffenen Denkmale durch an Ort und Stelle durchgeführte (nicht invasive und) invasive wissenschaftliche archäologische Nachforschungen, „nicht aber eine dauerhafte Erhaltung in situ.“ (ibid.). Die Entdeckung und Untersuchung der betroffenen Denkmale durch an Ort und Stelle durchgeführte wissenschaftliche Nachforschungen ist aber wissenschaftliche Forschung, die durch das vorbehaltlos garantierte Grundrecht des Art. 17 Abs. 1 StGG verfassungsgesetzlich vor jedem Eingriff durch den Staat und seine Organe geschützt ist. Zweitens folgt daraus, dass auch ein professioneller Archäologe (wie z.B. ich), der vorsätzlich durch Veränderung der Erdoberfläche oder des Grundes unter Wasser Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale unter der Erd-. bzw. Wasseroberfläche – d.h. archäologischer Funde und Befunde – durchführen will, bezüglich derer er keinen besonderen Grund zu Annahme hat, dass er dabei solche Denkmale entdecken wird, deren Bedeutung derart herausragend ist, dass ihre körperlich in Erscheinung und Substanz unveränderte Erhaltung ob dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist, keiner NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG bedürfen kann. Nachdem aber bei der gebotenen objektiven Betrachtung mit der Entdeckung denkmalschutzrelevanter Gegenstände offenkundig selbst nach Ansicht des BDA und der 2013 für den Denkmalschutz zuständigen Bundesministerin nicht einmal dann zu rechnen ist, wenn invasive archäologische Nachforschungen auf bekannten Fundstellen durchgeführt werden, denen nach Ansicht des örtlich zuständigen Landesmuseums wenigstens aus regionaler, wenn nicht sogar aus überregionaler, Sicht geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung zukommt, können professionelle ArchäologInnen auch dann nicht ernsthaft mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass sie bei Nachforschungen auf Bodenflächen, von denen noch nicht einmal Hinweise auf das Vorkommen irgendwelcher, geschweige denn besonders bedeutender, Denkmale 272 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? bekannt sind, derartig bedeutende Denkmale entdecken könnten, dass dadurch die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ausgelöst würde. Schließlich kommt es – wenn man der zu Beginn dieses Unterkapitels ausgeführten Interpretation der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG folgt – bei der Beurteilung der Zweckgebundenheit der Nachforschungen darauf an, ob der Nachforschende subjektiv den Eintritt des Taterfolgs für möglich hält; eine Überprüfbarkeit nach objektiven Gesichtspunkten wäre nur vorzunehmen, wenn begründete Zweifel an der Aussage des Nachforschenden bestehen, dass er gar nicht nach denkmalschutzrelevanten Gegenständen gesucht habe. Nachdem nun aber gerade professionelle ArchäologInnen aufgrund ihrer fachlichen Disziplinierung generell die Erhaltung der besonders bedeutenden archäologischen Denkmale in situ bevorzugen – wie oben (Seiten 161-188) genauer ausgeführt, bin selbst ich nur gegen die bloße Belassung von archäologischen Denkmalen in situ, wenn ihre (wenigstens weitgehend) unveränderte Erhaltung in situ nicht garantiert werden kann – und daher schon allein aus wissenschaftsethischen Gründen auch nicht denkmalgeschützte archäologische Fundstellen regelhaft nur dann mit invasiven Forschungsmethoden zu entdecken und untersuchen versuchen wollen, wenn deren Erhaltung in situ gefährdet ist oder ihrer fachlichen Beurteilung nach das öffentliche Interesse an der wissenschaftlichen Untersuchung dieser Denkmale das an deren unveränderter Erhaltung in situ überwiegt, ist, wenn sie behaupten, bei von ihnen durchgeführten invasiven Nachforschungen nicht ernsthaft mit der Entdeckung besonders bedeutender Denkmale gerechnet zu haben, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist, dies normalerweise als durchaus glaubwürdig zu betrachten. Aber selbst wenn man dieser Behauptung keinen Glauben schenken, sondern das Gegenteil annehmen möchte, hätte das BDA, wenn es die bei solchen ohne Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG durch professionelle ArchäologInnen durchgeführten Nachforschungen entdeckten, beweglichen und unbeweglichen, von Menschen geschaffenen (etc.) Gegenstände als Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG betrachten möchte, diese entdeckten Gegenstände dann (und sei es nur aufgrund der Bestimmungen des § 9 Abs. 5 DMSG) entsprechend der Bestimmungen des § 9 Abs. 3 DMSG zu behandeln. Das bedeutet jedoch, dass es binnen 6 Wochen ab dem Zeitpunkt, an dem ihm die entdeckten Funde (jedenfalls durch Fundmeldung, ob nun durch den Nachforschenden, durch Dritte oder dienstliche Wahrnehmungen von Amtsorganen des BDA) bekannt werden, bescheidmäßig zu entscheiden hat, ob ein öffentliches Interesse an der Erhaltung der entdeckten Denkmale (weiterhin) besteht. Das bedeutet aber wiederum, dass, wenn das BDA nach (amts-) sachverständiger Begutachtung der entdeckten Funde feststellt, dass ein öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Denkmale tatsächlich nicht besteht oder bestanden hat, ein allfällig bereits laufendes Strafverfahren gem. § 37 Abs. 6 DMSG jedenfalls einzustellen ist. Daraus folgt aber nun wiederum, dass das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Erhaltung der Denkmale die durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG verursachten Beschränkungen der Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 DMSG überhaupt nur dann überwiegen könnte, wenn bei diesen Nachforschungen ein Denkmal entdeckt wird, dessen Bedeutung derart beschaffen ist, dass seine Erhaltung tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist. Dies kann aber – außer auf Bodenflächen, die schon unter Denkmalschutz stehen – gar nicht ex ante ernsthaft erwartet werden, weil auf Basis der bisherigen Spruchpraxis des BDA in Unterschutzstellungsverfahren, wie auch auf Basis der in parlamentarischen Anfragebeantwortungen durch die 2013 zuständige Bundesministerin in Übereinstimmung mit dieser Spruchpraxis der zuständigen Behörde vertretenen Ansicht, dass selbst bei bekanntermaßen wenigstens regional, wenn nicht sogar überregional, bedeutenden, zusammengehörenden römischen Befundlandschaften im oben definierten Sinn (Seiten 153-156) nicht die Erhaltung bedeutenderer Teile von zu diesen gehörenden Fundstellen in situ iSd § 1 Abs. 1 273 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich und 2 DMSG, sondern deren wissenschaftliche Untersuchung und Dokumentation denkmalfachlich geboten ist. Damit überwiegt aber bei der gebotenen Betrachtung ex ante auf Bodenflächen, von denen bisher noch gar keine konkreten Hinweise auf das Vorkommen besonders bedeutender Denkmale vorliegen, notwendigerweise immer die Wissenschaftsfreiheit das öffentliche Interesse an der Erhaltung von Denkmalen und ihre Beschränkung durch eine allgemeine NFG-Pflicht ist somit zwingend im engeren Sinn unverhältnismäßig. Drittens folgt, dass bei der erforderlichen Durchschnittsfallbetrachtung, selbst wenn man diese ausschließlich auf Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG beschränken möchte, weil die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG von ihrem Wortlaut her ja ohnehin nur Nachforschungen nach Denkmalen (und nicht etwa Nachforschungen zum Zweck der Entdeckung von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG, wie das BDA immer wieder fälschlich impliziert, so z.B. erneut in BDA 2018, 10) bewilligungspflichtig macht, auch keine Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn mit der dadurch erzeugten Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit gegeben ist. Nachdem das öffentliche Interesse an der Erhaltung ausschließlich in Bezug auf jene immer noch verschwindend geringe Minderheit von Denkmalen bestehen kann, deren Bedeutung ausreichend besonders ist, während bezüglich der überwältigenden Mehrheit aller anderen Denkmale, deren Bedeutung nicht derart beschaffen ist, dass an ihrer unveränderten Erhaltung in situ ein öffentliches Interesse bestünde, nicht nur ein privates Interesse des individuellen Forschers, sondern auch nach Ansicht von BDA und 2013 zuständiger Bundesministerin ein bedeutendes öffentliches Interesse an ihrer archäologischen Erforschung besteht, überwiegen klarerweise die privaten und öffentlichen Interessen an der Erforschung der nicht besonders bedeutenden Denkmale das öffentliche Interesse an der Erhaltung der noch gänzlich unbekannten und vermutlich nahezu nirgendwo tatsächlich vorkommenden besonders bedeutenden Denkmale. Verletzung des Übermaßverbotes durch die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG Bei genauerer Prüfung der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG zeigt sich also, dass die durch die NFG-Pflicht in ihrer gegenwärtigen Form verursachte Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG mit dem vom Gesetzgeber durch die NFG-Pflichtbestimmungen verfolgten Zweck im verfassungsrechtlichen Sinn nicht verhältnismäßig ist. Der durch die NFG-Pflicht in derzeitiger Form verursachte Eingriff kommt für über 99,9% aller Grundrechtsträger einer vollständigen Aufhebung der Freiheit gleich, archäologische Feldforschungen unbeschränkt durch den Staat und seine Organe durchführen zu dürfen: die archäologische Feldforschung an Ort und Stelle wird diesen Grundrechtsträgern gänzlich verboten, weil ihnen die für deren rechtmäßige Durchführung erforderliche Bewilligung laut § 11 Abs. 1 DMSG nicht erteilt werden kann. Auch bei den verbleibenden weniger als 0,1% aller Grundrechtsträger, die ein einschlägiges archäologisches Universitätsstudium absolviert haben, wird die archäologische Feldforschungsfreiheit durch den durch die NFG-Pflicht verursachten Eingriff praktisch in ein nudum ius verwandelt: dem Forscher wird die freie Wahl seiner Forschungsgegenstände ebenso wie die freie Methodenwahl gänzlich genommen und selbst seine Freiheit, seine Erkenntnisse ohne jede Behinderung zu verbreiten, wenigstens in der behördlichen Handhabungspraxis durch detaillierte behördliche Vorgaben, maßgeblich beschränkt; wobei ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der NFG nicht einmal dann besteht, wenn sowohl der Antragsteller als auch sein Antrag alle gesetzlichen und wissenschaftlichen Anforderungen erfüllen. Sieht man von einem vollständigen Verbot wissenschaftlicher archäologischer Nachforschungen ab, stellt die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG also den schwersten möglichen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit vor, den der Staat vornehmen kann. 274 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Der Staat greift mit diesem Mittel dabei in eine verfassungsgesetzlich vorbehaltlos garantierte Grundfreiheit ein, die der VfGH als absolutes Grundrecht betrachtet hat, „das durch kein einfaches Gesetz und durch keinen Verwaltungsakt eingeschränkt werden kann“ (Berka 1999, 345). Die Ausübung dieses Grundrechts – auch im Bereich der archäologischen Feldforschung – ist dabei selbst nach Ansicht der zuständigen Bundesbehörde (BDA 2016a, 3; 2018, 2) und der 2013 für den archäologischen Denkmalschutz zuständigen Bundesministerin (BM Schmied 24.7.2013, 14637/AB XXIV. GP, 2) selbst in (wenigstens nahezu) allen Fällen, in denen es – auch tatsächlich konkret zur Entdeckung und Untersuchung von Denkmalen iSd § 1 Abs. 1 DMSG – ausgeübt wird, nicht nur im privaten Interesse des Grundrechtsträgers gelegen, der es ausüben möchte, sondern sogar aus denkmalpflegerischer Sicht zum Schutz des öffentlichen Interesses an der Erhaltung der Denkmale „fachlich geboten“ (ibid.). Dies ist selbst und insbesondere dann der Fall, wenn Denkmale, die durch das örtlich zuständige Landesmuseum iSd § 1 Abs. 2 DMSG wenigstens aus regionaler oder sogar überregionaler Sicht als geschichtlich bedeutend erachtet werden, durch Nachforschungen entdeckt und untersucht werden sollen, weil das die für ihre Dokumentation und Erforschung ausreichenden Maßnahmen sind, während die unveränderte körperliche Erhaltung der historisch gewachsenen Erscheinung und Substanz dieser Denkmale (siehe dazu §§ 1 Abs. 1, 2, 6 und 9 sowie 4 Abs. 1; cf. Bazil et al. 2015, 42-3) in situ nicht im öffentlichen Interesse gelegen ist. Das Risiko, das für den eigentlichen gesetzlichen Schutzgegenstand – d.h. Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG, deren Bedeutung derart beschaffen ist, dass ihre Erhaltung iSd § 1 Abs. 2 im öffentlichen Interesse gelegen ist – von Grabungen und sonstigen Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche ausgeht, ist dabei bei der Ausübung des durch die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG beschränkten Grundrechtes – selbst unter Vernachlässigung der dem gesetzlichen Schutzgegenstand drohenden, anderen Ursachen geschuldeten, Gefahr von Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland – verschwindend gering. Gegenstände, die archäologische Denkmale sein könnten, deren Bedeutung derart beschaffen ist, dass ihre Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist, können zwar überall im Erdboden vorkommen, kommen aber tatsächlich in signifikanter und damit – wenigstens hypothetisch – historisch aussagekräftiger Häufung überhaupt nur auf maximal etwa 2% des österreichischen Bundesgebietes vor; zieht man die Zahlen der BDA bekannten Fundstellen heran, sogar eventuell nur auf weniger als 0,25% davon. Von diesen Fundstellen, die – hypothetisch – besonders bedeutende Denkmale sein könnten, sind ihrerseits maximal ca. 6% tatsächlich so bedeutend, dass an ihrer unveränderten Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht (d.h. nur ca. 0,015% des österreichischen Bundesgebiets sind aufgrund der besonderen Bedeutung der dort vorkommenden archäologischen Denkmale geschützt). Die Wahrscheinlichkeit, dass räumlich dazwischen irgendwelche tatsächlich derart bedeutenden archäologischen Denkmale vorkommen, deren Erhaltung auch nur im öffentlichen Interesse gelegen sein könnte, ist praktisch gleich Null. Wenn archäologische Nachforschungen mit nicht invasiven Methoden durchgeführt werden – selbst wenn dies auf tatsächlich besonders bedeutenden archäologischen Denkmalen geschieht – ist die Wahrscheinlichkeit, dass durch diese irgendein Schaden an den untersuchten Denkmalen angerichtet wird, ebenfalls praktisch gleich Null. Selbst wenn archäologische Nachforschungen mit invasiven Methoden – d.h. Grabungen oder sonstwie in den Boden eingreifenden Verfahren – auf tatsächlich aufgrund ihrer besonderen Bedeutung geschützten archäologischen Denkmalen durchgeführt werden, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass dadurch die Bedeutung oder gar die gesamte Substanz des betroffenen Denkmals im denkmalrechtlich relevanten Sinn zerstört (Bazil et al. 2015, 42) oder auch nur derart signifikant verändert wird, dass dem Denkmal danach kein ausreichender Dokumentationswert zugesprochen werden kann (siehe dazu – wenn auch in etwas anderem Sinnzusammenhang – § 1 Abs. 10 DMSG) oder auch nur so viele wissenschaftlich signifikante 275 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Informationen über dieses Denkmal verloren gehen, dass seine wissenschaftliche Aussagekraft maßgeblich reduziert würde. Dies liegt – wenn auch nur zum weitaus kleinsten Teil – auch daran, dass bei tatsächlich wissenschaftlichen Nachforschungen die historisch signifikanten Eigenschaften und Bestandteile des archäologischen Denkmals – das ja in der Regel eine Fundstelle in ihrer Gesamtheit ist, nicht deren einzelne Bestandteile (siehe dazu Seiten 150-156) – regelhaft sachgerecht dokumentiert und daher, wenn auch in einem anderen Medium, dauerhaft erhalten werden (siehe dazu auch schon Krischok 2016, 137-8). Zu weitaus größeren Teilen liegt es jedoch daran, dass sich selbst auf geschützten archäologischen Fundstellen häufig zwischen den dort vorkommenden archäologischen Überresten größere Bereiche befinden, auf denen keine solchen erhalten sind (Bazil et al. 2015, 43), und selbst systematische archäologische Flächengrabungen, sofern sie nicht vor sehr großflächigen Baumaßnahmen, durch die alle an Ort und Stelle vorkommenden archäologischen Überreste ohnehin zerstört werden würden, als Rettungsgrabungen durchgeführt werden, normalerweise nur einen kleinen Prozentsatz der betroffenen Fundstelle verändern oder zerstören. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei archäologischen Nachforschungen auf einer beliebigen Bodenfläche auf dem österreichischen Bundesgebiet – geschützte archäologische Denkmale mitgerechnet – ein dort vorhandenes archäologisches Denkmal, dessen Bedeutung derart beschaffen ist, dass seine Erhaltung deswegen im öffentlichen Interesse gelegen ist, so stark zerstört, signifikant verändert wird oder seine signifikanten Bestandteile zu einem solch großen Anteil ins Ausland verbracht werden, dass dadurch seine Bedeutung als Denkmal oder seine wissenschaftliche Aussagekraft soweit verringert wird, dass dies iSd § 1 Abs. 2 DMSG als eine „Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgüterbestandes in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde“ bzw. „eine geschichtliche Dokumentation“ nicht mehr ausreichend erreicht werden könnte, liegt daher ebenfalls nahe Null. Eine NFG-Pflicht wie die des § 11 Abs. 1 DMSG, die die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 DMSG, die selbstverständlich auch die wissenschaftliche archäologische Feldforschung vor staatlichen Eingriffen schützt, extrem stark beschränkt, könnte daher – wenn überhaupt, und dann nicht in dem durch § 11 Abs. 1 DMSG verursachten Maß – überhaupt nur dann im verfassungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig sein, wenn sie ausschließlich auf wissenschaftliche Nachforschungen auf geschützten archäologischen Denkmalen Anwendung finden könnte. Aber selbst wenn man den Anwendungsbereich der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG derart eng auslegen würde, kann sie schon allein deshalb auch dann nicht im verfassungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig sein, weil gem. §§ 2a bzw. 3 DMSG geschützte Denkmale bereits durch die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 DMSG vor jeder Zerstörung oder Veränderung, „durch die eine Beeinflussung der geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung des Denkmals bloß möglich ist“ (Bazil et al. 2015: Hervorhebung: Autor), und somit auch vor jeder durch Nachforschungen verursachten derartigen Veränderung geschützt sind. Damit kann die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG weder dafür geeignet noch dafür erforderlich sein, geschützte Denkmale vor von Nachforschungen verursachten Zerstörungen, Veränderungen oder der Verbringung ins Ausland zu schützen. Eine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit durch eine NFG-Pflicht auch bei Nachforschungen, die eine Untersuchung oder Entdeckung von noch im verborgenen gelegenen Bestandteilen oder von archäologischen Denkmalen in ihrer Gesamtheit bezwecken, die dem BDA bereits länger als 6 Wochen bekannt sind, von diesem aber dennoch nicht – ob nun beschleunigt gem. § 9 Abs. 3 oder in einem sonstigen Verfahren gem. §§ 2a oder 3 DMSG – unter Denkmalschutz gestellt wurden, kann hingegen schon allein deshalb nicht im verfassungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig sein, weil bezüglich solcher Denkmale bereits in einem dafür vorgesehenen gesetzlichen Verfahren die Denkmalschutzwürdigkeit 276 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? dieses Denkmals behördlich geprüft und festgestellt wurde, dass ein öffentliches Interesse an der Erhaltung dieses Denkmals – selbstverständlich inklusive aller seiner bereits bekannten und noch unbekannten Bestandteile iSd § 1 Abs. 9 DMSG – tatsächlich nicht besteht. Eine intentionale Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit, wie sie durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG vorgenommen wird, ist allerdings nur dann zulässig, wenn die unbeschränkte Ausübung der Wissenschaftsfreiheit ein kollidierendes verfassungsgesetzlich geschütztes Rechtsgut ernsthaft gefährden würde (Berka 1999, 346). Besteht allerdings an der Erhaltung eines bereits dem BDA bekannten Denkmals – d.h. der betroffenen Fundstelle samt all ihrer bekannten und noch unbekannten Bestandteile – schon behördlich festgestellter Maßen tatsächlich kein öffentliches Interesse, wird durch die unbeschränkte Ausübung der Wissenschaftsfreiheit kein verfassungsgesetzlich geschütztes Rechtsgut gefährdet; und somit ist jedwede Beschränkung der Freiheit, die betroffene Sache wissenschaftlich zu untersuchen, jedenfalls verfassungswidrig. Auch eine Anwendung der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auf Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung (und potentiell automatisch damit verbundenen Untersuchung) von davor noch gänzlich unbekannten Denkmalen ist jedenfalls verfassungswidrig. Teil des mit dieser NFG-Pflicht vom Gesetzgeber verfolgten Zwecks ist jedenfalls – unabhängig davon, welchen konkreten Zweck er genau verfolgt – der Schutz besonders bedeutender Denkmale vor der Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland durch derartige Nachforschungen. Die Gefahr, dass es zu solchen Schäden an einem schützenswerten Denkmal kommt, ist jedoch bei der vom konkreten Einzelfall unabhängigen Durchschnittsbetrachtung, wie bereits erwähnt, gerade abseits bereits bekannter archäologischer Fundstellen so verschwindend gering, dass sie keinesfalls als ernsthafte Gefährdung eines grundlegenden Rechtsguts (Berka 1999, 346) betrachtet werden kann. Damit scheitert die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG aber – selbst wenn man sie in diesem Zusammenhang als geeignet und erforderlich betrachten will, was für sich schon stark diskutierbar ist – spätestens an der nicht gegebenen Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn. Gleichzeitig scheidet im Kontext der versuchten Entdeckung zuvor noch gänzlich unbekannter Denkmale das – in anderen Zusammenhängen eventuell mögliche – Abstellen auf den konkreten Einzelfall aus: die Einzelfallbeurteilung setzt selbstverständlich voraus, dass (wenigstens) die beurteilende Behörde die betroffenen und gegebenenfalls gegeneinander abzuwägenden konkreten Rechtsgüter auch kennt. Nachdem aber das BDA ein noch nicht entdecktes Denkmal ebenso wenig kennt wie der, der Nachforschungen zum Zwecke seiner Entdeckung und Untersuchung anstellt, und in Ermangelung konkreter Hinweise auf das Vorkommen irgendwelcher (geschweige denn besonders bedeutender) Denkmale am geplanten Nachforschungsort auch unmöglich die konkrete Wahrscheinlichkeit bestimmen kann, dass dort besonders bedeutende Denkmale angetroffen werden, muss es notwendigerweise auf die Durchschnittsbetrachtung abstellen. Will man hingegen davon ausgehen, dass die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 nur tatsächlich besonders bedeutende Denkmale vor von bei ihrer Entdeckung von wissenschaftlichen Nachforschungen für ihre Erhaltung ausgehenden Gefahren schützen sollen, und daher – sozusagen auf Verdacht hin, weil man bei ihnen in der Regel ja nicht wissen kann, ob man ein solches Denkmal finden wird – alle Nachforschungen einer Bewilligung bedürfen, scheitert die derart interpretierte NFG-Pflicht – abgesehen von dem Problem der aufgrund der Unmöglichkeit für den Nachforschenden, ex ante beurteilen zu können, ob das, was er finden wird, eine Sache ist, die den denkmalschutzrechtlichen Bestimmungen unterworfen ist, fehlenden Möglichkeit, die NFG-Pflicht oder irgendeine sonstige Bestimmung des DMSG überhaupt anzuwenden (siehe dazu schon Seiten 33-118, insbesondere 9394) – ebenfalls daran, dass in diesem Fall auf eine Durchschnittsbetrachtung abgestellt werden müsste, um das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser besonders bedeutenden Denkmale mit 277 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich den durch die so betrachtete NFG-Pflicht verursachten Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit abzuwägen. In diesem Fall wäre zwar gleichgültig, wie unwahrscheinlich das Eintreten der von Nachforschungen ausgehenden Gefahr für besonders bedeutende Denkmale ist, weil ja der Sachverhalt sozusagen aus der Sicht des besonders bedeutenden Denkmals betrachtet wird, das tatsächlich bei einer Nachforschung entdeckt wird. Es wäre dafür aber darauf abzustellen, wie vergleichsweise wahrscheinlich es ist, dass ein Denkmal durch seine Entdeckung bei wissenschaftlichen Nachforschungen zerstört wird, dass es durch von anderen Ursachen für seine Erhaltung ausgehenden Gefahren zerstört wird oder dass es unverändert in situ dauerhaft erhalten bleibt. Dabei würde sich aber unmittelbar erweisen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass das betreffende Denkmal durch seine Entdeckung bei wissenschaftlichen Nachforschungen zerstört wird, um ein großes Vielfaches geringer ist als die, dass es durch andere Ursachen zerstört wird (siehe dazu schon oben Seiten 161-188). Ebenso würde sich unmittelbar zeigen, dass von allen möglichen Ursachen, durch die das Denkmal zerstört, verändert oder ins Ausland verbracht werden kann, seine Entdeckung bei wissenschaftlichen Nachforschungen die einzige ist, bei der die Bedeutung des Denkmals aller Wahrscheinlichkeit nach durch Dokumentation erhalten wird, während alle anderen Ursachen zu einem Totalverlust des Denkmals führen. Daraus wäre nun das Gewicht abzuleiten, das dem verfassungsgesetzlich ohnehin nur vergleichsweise schwach durch die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG geschützten Rechtsgut des Schutzes der Denkmale vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland zukommt. Dieses Gewicht wäre aber selbstverständlich – außer soweit es die Erhaltung gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschützter Denkmale betrifft – als verschwindend gering zu beurteilen, weil bereits bekannte, aber nicht denkmalgeschützte, und alle noch gänzlich unbekannten Denkmale – selbstverständlich inklusive der unter diesen zu findenden, besonders bedeutenden – vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland durch andere Ursachen als ihre Entdeckung bei Nachforschungen gar nicht geschützt sind. Damit kann aber das Gewicht, das dem Schutz noch nicht denkmalgeschützter, aber dennoch besonders bedeutender, Denkmale vor durch Nachforschungen an ihnen verursachten Schäden zukommt, nicht mit der durch die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG verursachten Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit – der jedenfalls ein sehr hohes Gewicht zukommt – in einem ausgewogenen Verhältnis stehen; weshalb diese NFG-Pflicht ebenfalls im engeren Sinn unverhältnismäßig wäre. Egal wie man also die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auslegen will: wenn der Gesetzgeber damit die Beschränkung und Regelung wissenschaftlicher Nachforschungen bezweckt, verletzt sie in jedem Fall das Übermaßverbot der Bundesverfassung und ist somit als verfassungswidriges Gesetz zu betrachten. Es gibt keine Möglichkeit, diese gesetzliche Bestimmung in ihrer derzeitigen Form so auszulegen, dass dadurch keine übermäßige Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG verursacht würde. Sie sollte daher dringend vom Gesetzgeber repariert werden. Die NFG-Pflicht als Mittel zur Verhinderung unwissenschaftlicher Nachforschungen Will man hingegen – entgegen dem Wortlaut der Bestimmung selbst und dem explizit in den Regierungsvorlagen deklarierten Zweck der gesetzlichen Bestimmungen, das Vorgehen bei wissenschaftlichen Grabungen und sonstigen Nachforschungen zu regeln (RV 1990, 20; 1999, 54-5) – davon ausgehen, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG gar nicht auf die Abwendung der von wissenschaftlichen Nachforschungen ausgehenden Gefahren für die Erhaltung von Denkmalen, sondern ganz im Gegenteil auf die Abwendung von nicht wissenschaftlichen Nachforschungen – insbesondere den ebenfalls in der Regierungsvorlage zur DMSG-Novelle BGBl. 473/1990 explizit genannten Metallsuchen durch kein einschlägiges Universitätsstudium abgeschlossen habende 278 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Personen (RV 1990, 20) – abzielt, stößt man – abgesehen von anderen verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten wie der dadurch möglicherweise verursachten Verletzung des Diskriminierungsverbots und des Sachlichkeitsgebots – auch damit auf Probleme. Denn einmal völlig abgesehen davon, dass der Gesetzgeber, wenn er nicht mit wissenschaftlichem Erkenntniszweck durchgeführte Nachforschungen einer gesetzlichen NFG-Pflicht unterwerfen hätte wollen, er die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG eigentlich ganz anders formulieren hätte können und sollen (z.B. „Nachforschungen mit Metallsuchgeräten und anderen technischen Bodensuchgeräten zu anderen als Zwecken als dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn bedürfen der Genehmigung durch das BDA.“): der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, nicht wissenschaftliche Nachforschungen – und seien es nur solche, die eine Entdeckung denkmalschutzrelevanter Gegenstände bezwecken – zu verbieten, rechtfertigt nicht ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt (Krischok 2016, 128-9; Pieroth et al. 2015, 75), dem auch solche wissenschaftliche Nachforschungen unterworfen werden, die mit dem Zweck durchgeführt werden sollen, archäologische Erkenntnisse zu gewinnen. Im Fall, dass es eigentlich um die Verhinderung der von nicht zu wissenschaftlichen Erkenntniszwecken durchgeführten Metallsuchen (und sonstigen vergleichbaren invasiven oder nicht invasiven Nachforschungen) ausgehenden Gefährdung für archäologische Denkmale geht – die durch das DMSG ja primär als Primärquellen der archäologischen Forschung geschützt werden sollen – kann maximal ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (Krischok 2016, 128; Pieroth et al. 2015, 75) gerechtfertigt werden, das auch wissenschaftliche Nachforschungen trifft. Selbst das ist nur möglich, wenn man davon ausgeht, dass die unwissenschaftlichen Nachforschungen von Metallsuchern, die – wenigstens überwiegend – aus anderen als wissenschaftlichen Zwecken archäologische Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG (oder sogar nur Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG) zu entdecken versuchen, deren Bedeutung derart beschaffen ist, dass ihre Erhaltung iSd § 1 Abs. 2 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen ist (oder auch nur iSd § 8 Abs. 1 DMSG gelegen sein könnte), nicht ausreichend eindeutig gesetzlich von Nachforschungen zu – und sei es auch nur überwiegend – wissenschaftlichen Zwecken unterscheidbar sind; d.h. wenn man davon ausgeht, dass sich Metallsucher (auch tatsächlich erfolgreich) der Strafverfolgung für eine allfällige Verletzung eines allfälligen (Total-) Verbotes nicht wissenschaftlicher Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung von Denkmalen entziehen könnten, indem sie fälschlich behaupten, bei ihren Nachforschungen primär nach archäologischer wissenschaftlicher Erkenntnis gesucht zu haben. Wenn man das annimmt, könnte ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt angebracht sein, das der zuständigen Behörde gestattet, geplante Nachforschungen, die zwar grundsätzlich zugelassen sind, auf rechtswidriges Fehlverhalten zu prüfen (Pieroth et al. 2015, 75). Das war übrigens etwa die Art der Regelung, die im DMSG bis zur Novelle von 1990 durch das Zusammenwirken der Bestimmungen der §§ 9-11 idF BGBl. 533/1923 und 167/1978 erreicht wurde, bei der durch § 9 in Verbindung mit § 10 jede Veränderung mutmaßlicher Denkmale vom Zeitpunkt ihrer Entdeckung bis zum Ende der dort genannten Fristabläufe generell verboten waren, während § 11 es WissenschafterInnen ermöglichte, vorab eine Erlaubnis des BDA für durch wissenschaftliche Forschungen verursachte Veränderungen von bei ihren Forschungen neu entdeckten Denkmalen einzuholen. Genau das wurde aber durch die Änderung der Bestimmungen dieser Paragrafen und insbesondere des § 11 Abs. 1 in der Novelle DMSG 473/1990 geändert und die NFG-Pflicht in ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt umgewandelt. Um aus der derzeit geltenden NFG-Pflicht wieder ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu machen, wäre es jedenfalls wenigstens erforderlich, dass in den Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG vorgesehen würde, dass ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der NFG besteht, wenn die beantragten Nachforschungen mit wissenschaftlichen Methoden zu wissenschaftlichen Erkenntniszwecken 279 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich durchgeführt werden sollen. Die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG sehen jedoch das genaue Gegenteil vor, indem sie explizit das Bestehen eines Rechtsanspruchs auf die Erteilung der NFG ausschließen. Daher ist auch unter der Annahme, dass die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG eigentlich der Verhinderung unwissenschaftlicher Nachforschungen dienen, die Unterwerfung wissenschaftlicher Nachforschungen unter diese NFG-Pflicht jedenfalls unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig. Gleichzeitig ist hier auch anzumerken, dass ohnehin die Annahme, dass man – wenigstens überwiegend – zu anderen als wissenschaftlichen Zwecken durchgeführte Metallsuchen – d.h. wohl hauptsächlich „Schatzsuchen“ aus wirtschaftlichen Gewinnmotiven, „Fundsuchen“ zur Befriedigung privater Sammelinteressen und „Selbsttherapien“ im Sinne von Jung (2010, 326-30) – nicht rechtlich hinreichend genau von archäologischen Nachforschungen mit – neuerlich wenigstens überwiegend – wissenschaftlichem Erkenntniszweck unterscheiden könnte, vollkommen absurd ist. Schließlich ergibt sich Wissenschaftlichkeit nicht allein daraus, dass bei einer „Nachforschung“ irgendetwas gesucht und gefunden werden soll, sondern dadurch, dass das Ziel der Nachforschung der Gewinn intersubjektiv nachvollziehbarer (und in diesem Sinn „objektiver“) wissenschaftlicher Erkenntnis ist. Wissenschaftliche Nachforschungen kennzeichnen sich daher eben dadurch, dass sie 1) ernsthaft, d.h. auf Basis eines gewissen Kenntnisstandes über den Forschungsstand in der betreffenden Wissenschaft in Bezug auf das untersuchte Themengebiet, 2) planvoll, d.h. normalerweise auf die Beantwortung – wenigstens kursorisch – vorab definierter Forschungsfragen ausgerichtet und 3) methodisch durchgeführt werden, d.h. wenn auch nicht unbedingt wissenschaftlich (bereits) allgemeinen, vordefinierten Methoden folgend so doch wenigstens einer vorab definierten Systematik folgend, die dazu geeignet erscheint, Antworten auf die vorab definierten Forschungsfragen zu gewinnen und dazu 4) selbstverständlich auch, insbesondere wenn es um die Erforschung von Primärquellen geht, wissenschaftlichen Standards entsprechende Dokumentationsunterlagen über die getätigten Beobachtungen und gesammelten Daten angefertigt werden, die 5) eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit der gewonnenen Forschungsergebnisse sicherstellen bzw. zumindest ermöglichen sollen und schließlich 6) die gewonnenen Erkenntnisse samt ihrer argumentativen (d.h. auf Evidenz und rationalen Überlegungen bzw. logischen Schlussfolgerungen beruhenden) Begründung durch Veröffentlichung in den allgemeinen wissenschaftlichen Diskurs eingebracht werden oder wenigstens eingebracht werden sollen. Zwar erfüllt nicht jede wissenschaftliche Nachforschung notwendigerweise – und schon gar nicht in ihrer Frühphase, wenn vom Wissenschafter noch hauptsächlich Primärquellen untersucht werden – jederzeit alle dieser Kriterien – so z.B. ist die Einbringung der Erkenntnisse in den Diskurs erst sinnvoll möglich, wenn ausreichend viel davon gewonnen wurden, dass die vorab gestellten Forschungsfragen auch in einigermaßen nachvollziehbarer Weise beantwortet werden können –, aber wenigstens mehrere davon jedenfalls von Anfang an. Wissenschaftliche Nachforschungen sind daher einigermaßen leicht anhand dieser für ihre Wissenschaftlichkeit essentiell erforderlichen Eigenschaften erkennbar. Mehr oder minder zufällig durch die Landschaft zu spazieren, um, wenn das Metallsuchgerät anschlägt, ein Loch zu graben, um zu sehen, was den Anschlag des Gerätes möglicherweise verursacht haben könnte und ob das, was diesen Anschlag verursacht hat, ausreichend wertvoll erscheint, um gewinnbringend an einen Sammler verkauft werden zu können oder es die eigene Sammlung des Metallsuchers bereichern würde, erfüllt hingegen in der Regel kein einziges dieser Kriterien. 280 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Insbesondere geben sich MetallsucherInnen, die möglichst viele Sachen finden wollen, denen wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn hingegen weitgehend gleichgültig oder bestenfalls sehr sekundär wichtig ist, mit der gerade für wissenschaftliche Nachforschungen besonders charakteristischen und auch vergleichsweise zeitaufwändigen Dokumentation ihrer Beobachtungen – wie z.B. der topografisch möglichst genauen Einmessung des Fundortes des getätigten Fundes und der Aufzeichnung anderer allfällig relevant sein könnender Fundumstände – und der von ihnen gesammelten Daten in der Regel nicht ab. Unwissenschaftliche Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung irgendwelcher im Boden verborgener Sachen sind daher – und zwar auch schon ganz unmittelbar bei der Beobachtung ihrer Durchführung im Feld – ebenfalls einigermaßen leicht zu erkennen und auch mit hoher Trennschärfe von wissenschaftlichen Nachforschungen korrekt unterscheidbar: wer willkürlich Löcher in die Landschaft gräbt und Sachen einsammelt, ohne dabei irgendwelche erkennbaren Schritte zur durch Dritte auch zu späterer Zeit nachvollziehbaren Dokumentation seiner Tätigkeiten zu setzen, führt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine wissenschaftlichen Nachforschungen, sondern solche zu anderen als wissenschaftlichen Zwecken durch. In den wenigen echten Grenz- und Ausnahmefällen, in denen eine scheinbar unwissenschaftliche Nachforschung dennoch den Ansprüchen der Wissenschaftlichkeit genügt – so z.B., wenn ein Wissenschafter einen Survey mit einem Metallsuchgerät ohne Begehungsraster (BDA 2018, 11) durchführt und dabei keine Funde entdeckt, die dokumentationswürdig erscheinen – ist die Wissenschaftlichkeit der zweifelhaft erscheinenden Tätigkeit im Notfall im Rahmen eines behördlichen Ermittlungsverfahrens leicht feststellbar. Denn der Wissenschafter – ob er nun professioneller oder Hobbyarchäologe ist – wird einigermaßen leicht nachweisen können, dass er über den für seine Forschungen als Voraussetzung erforderlichen fachlichen Kenntnisstand verfügt, seine vorab definierten Forschungsfragen und die zu deren Beantwortung eingesetzten Methoden in einigermaßen nachvollziehbarer Weise darstellen und aller Wahrscheinlichkeit nach sogar Dokumentationen von zu früherer Zeit durchgeführten Feldforschungen sowie allfällig daraus erwachsene Fundmeldungen und – und seien es auch „nur“ populärwissenschaftliche – Veröffentlichungen vorweisen können, die dazu geeignet sind, weitestgehend zweifelsfrei nachzuweisen, dass er seinen Forschungen normalerweise und daher wohl auch im konkreten Einzelfall auf wissenschaftliche und daher erlaubte und sogar erwünschte Weise nachgegangen ist. Die vermutlich noch viel selteneren echten Ausnahmefälle hingegen, bei denen die Voraussetzungen umgekehrt sind – d.h. Feldforschungen, die zwar nach außen hin den Anschein der Wissenschaftlichkeit erwecken, weil bei ihrer Durchführung anscheinend systematisch vorgegangen wird und bei jedem Fund Dokumentationsunterlagen angefertigt werden, die vorgebliche Systematik und Dokumentation aber nur zur Täuschung von Dritten dient, die den eigentlich aus anderen Zwecken Suchenden beobachten könnten – fallen hingegen in den Bereich des vertretbaren und ohnehin unvermeidlichen Restrisikos. Davon abgesehen versteht es sich von selbst, dass auch eine Vorab-NFG-Pflicht Denkmale nicht vor von Personen verursachten Schäden schützen kann, die in vorsätzlicher Täuschungsabsicht vorgeben, ihre Nachforschungen wissenschaftlich sachgemäß durchzuführen bzw. durchführen zu wollen, aber tatsächlich unwissenschaftlich arbeiten bzw. arbeiten wollen. Für Dritte vorsätzlich irreführen wollende Personen ist es sogar weitaus weniger aufwändig, die vorgebliche Wissenschaftlichkeit ihres geplanten Vorgehens nur auf dem Papier in ihrem NFG-Antrag statt andauernd bei der Durchführung ihrer Nachforschungen im Feld vortäuschen zu müssen, um einer allfälligen Strafverfolgung für rechtswidrig durchgeführte unwissenschaftliche Nachforschungen entgehen zu können. 281 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Ein Problem können schließlich, wenn überhaupt, nur jene anderen, wohl ebenfalls recht seltenen Grenzfälle darstellen, in denen hochmotivierte, aber nicht hinreichend kompetente, HobbyforscherInnen tatsächlich mit wissenschaftlicher Forschungsabsicht, aber aus fachlicher Sicht nicht das Niveau echter Wissenschaftlichkeit erreichende, Nachforschungen anstellen. Dieses Problem sollte allerdings in den meisten Fällen, in denen es auftritt, durch entsprechende wissenschaftliche Beratung und Betreuung derartiger HobbyforscherInnen einigermaßen einfach lösbar sein, ohne dass durch deren Tätigkeiten signifikanter archäologischer Sachschaden entsteht; und auch ohne, dass die rechtliche Unterscheidbarkeit zwischen wissenschaftlichen und unwissenschaftlichen Nachforschungen dadurch unmöglich wird. Die meisten derartigen HobbyforscherInnen sind wohl auch an entsprechender Beratung und Betreuung interessiert und dieser – wenigstens nach den ersten paar kleinen Fehltritten – auch zugänglich. Die wenigen verbleibenden HobbyforscherInnen, die sich langfristig als beratungs- und betreuungsresistent erweisen, kann man hingegen – nicht anders als die, die vorsätzlich die Wissenschaftlichkeit ihrer unwissenschaftlichen Nachforschungshandlungen vortäuschen – auch durch NFG-Pflichten nicht davon abhalten, ihre zwar zu wissenschaftlichen Zwecken, aber nicht hinreichend kompetent, durchgeführten Nachforschungen zu unternehmen. Geht es also bei gesetzlichen NFG-Pflichten nicht um eine Beschränkung wissenschaftlicher Nachforschungen, sondern ganz im Gegenteil um eine Verhinderung unwissenschaftlicher Nachforschungen zu anderen als Erkenntniszwecken, sind nicht einmal präventive NFG-Pflichten mit Erlaubnisvorbehalt, die auch tatsächlich wissenschaftliche Nachforschungen einer behördlichen Vorprüfung unterwerfen, dafür geeignet und erforderlich, das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel zu erreichen, und auch nicht mit der dadurch verursachten Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit verhältnismäßig. Geht es dem Gesetzgeber nur darum, die sowohl sachlich als auch rechtlich unschwer voneinander unterscheidbaren unwissenschaftlichen von wissenschaftlichen Nachforschungen zu trennen, um die Erstgenannten verhindern, die Zweitgenannten hingegen erlauben zu können, kann er dieses Ziel ohne maßgebliche Schwierigkeiten genauso effektiv mit anderen gesetzlichen Mitteln als mit NFG-Pflichten erreichen, die weitaus weniger in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG eingreifen; z.B. mit den hier schon weiter oben (Seiten 199-207) vorgeschlagenen allgemeinen Dokumentationspflichten bei der Entdeckung archäologischer Funde und Befunde. Wissenschaftsfreiheit, Denkmalschutz und die Verwaltungspraxis Wie in diesem Kapitel gezeigt wurde, stellt die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF einen jedenfalls unverhältnismäßigen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG dar. Die Unverhältnismäßigkeit betrifft dabei nicht nur die weit überzogene Anwendungspraxis der gesetzlichen Bestimmung durch das BDA (2016a; 2018), sondern tatsächlich sogar die Bestimmung selbst. Gleichgültig, wie eng oder weit man die gesetzliche Bestimmung auslegen will, welchen genauen Zweck auch immer man annehmen will, den der Gesetzgeber damit verfolgen könnte, und aus welchem Blickwinkel auch immer man diese Bestimmung betrachten will: sie ist entweder nicht einmal ein legitimes Mittel, oder nicht geeignet, oder nicht erforderlich, oder die durch sie verursachte Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit mit dieser im engeren Sinn unverhältnismäßig; wenn nicht sogar alles davon gleichzeitig. Es ist daher nicht nur die Handhabung dieser Bestimmung durch das BDA, sondern die Bestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG selbst, jedenfalls verfassungswidrig. Dass diese Bestimmung tatsächlich auch selbst verfassungswidrig ist, liegt daran, dass spätestens bei und seit der Novellierung des DMSG im Jahr 1990 niemand – und zwar weder der Gesetzgeber, noch die zuständigen Juristen im jeweils zuständigen Bundesministerium, noch die Rechts- oder archäologische Fachabteilung des BDA, ja scheinbar nicht einmal die archäologische Fachwelt (wenigstens soweit sich dies aus der publizierten Literatur ableiten lässt; wenngleich auch in 282 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? persönlichen Gesprächen KollegInnen, die nicht im BDA beschäftigt sind, die wenigstens teilweise, wenn nicht sogar vollständige, Verfassungswidrigkeit der Bestimmung gelegentlich ansprechen) – daran gedacht zu haben scheint, dass eine staatliche Regelung des wissenschaftlichen archäologischen Grabungs- bzw. sonstigen Feldforschungswesens auch nur einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG darstellen könnte, geschweige denn einen möglicherweise verfassungswidrigen Eingriff in diese. Zunehmend häufig habe ich sogar den Eindruck, dass man in all diesen Umfeldern nicht einmal daran gedacht hat, ja eventuell nicht einmal weiß, dass es die Wissenschaftsfreiheit überhaupt gibt, geschweige denn, dass es sich bei ihr um ein verfassungsgesetzlich vorbehaltlos geschütztes Grundrecht handelt, auf das sich jeder berufen kann (siehe in diesem Sinn auch schon Karl 2017a, 73). Dass man bei der für die hier konkret diskutierte Problematik maßgeblichen Novellierung des § 11 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 473/1990 entweder keinen Gedanken auf den jedenfalls im Kontext einer geplanten gesetzlichen Regelung „der Durchführung […] wissenschaftlicher Grabungen“ (RV 1990, 20) relevanten Schutz aller wissenschaftlicher Nachforschungen verschwendet oder die dadurch jedenfalls erzeugte Kollision zwischen dem Rechtsgut des Denkmalschutzes und der Wissenschaftsfreiheit sogar bewusst verschwiegen hat (siehe dazu schon Seiten 104-111), zeigt sich deutlich an den Erläuterungen zu den vorgenommenen Veränderungen in der Regierungsvorlage (RV 1990, 20). In diesen wird eben an keiner Stelle auch nur erwähnt, ja nicht einmal angedeutet, dass die Veränderung der gesetzlichen NFG-Möglichkeit hin zu einer repressiven NFG-Pflicht mit Befreiungsvorbehalt die Wissenschaftsfreiheit das Art. 17 Abs. 1 auch nur in irgendeiner Weise tangieren könnte, geschweige denn, dass es hier einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürfte. Auch davon, dass bei der – ja als Ermessensentscheidung des BDA (Bazil et al. 2015, 64) konzipierten – Abwägung der Gründe die für und gegen die Erteilung einer NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG von der Behörde auch insbesondere die Wissenschaftsfreiheit des Antragstellers zu berücksichtigen ist, weil es gerade hier zu einer Kollision von verfassungsgesetzlich geschützten Rechtsgütern kommen kann, ist keine Rede. Vielmehr wird so getan, als ob der Gesetzgeber ganz selbstverständlich das Vorgehen bei wissenschaftlichen Grabungen und sonstigen Nachforschungen regeln müsste, weil dabei entdeckte archäologische Denkmale keine Zufallsfunde seien und daher „eine für die Wissenschaft notwendig geregelte Vorgangsweise bei der Durchführung der Grabungen, der Durchführung der Meldungen usw.“ (RV 1990, 20) bestimmt werden müsse. Dass es durchaus korrekt ist, dass, damit eine Grabung tatsächlich wissenschaftlichen Anforderungen genügt, dabei geregelt (als Synonym für „methodisch“ verwendet) vorgegangen werden muss, bedeutet aber noch lange nicht, dass der Staat dieses Vorgehen regeln darf; sondern es ist ihm sogar – weil er damit eine Fremdbestimmung der Wissenschaft vornimmt – ganz konkret durch Art. 17 Abs. 1 StGG verboten. Auch seit der Novelle BGBl. 473/1990 scheint die Wissenschaftsfreiheit aber überhaupt keine Berücksichtigung mehr in denkmalpflegerischen und denkmalschutzrechtlichen Erwägungen gefunden zu haben. So nimmt zum Beispiel auch die Regierungsvorlage zum DMSG idF BGBl. I 170/1999 keinerlei Rücksicht darauf, dass durch die in dieser vorgenommenen, noch weitergehenden Änderung der NFG-Pflichten des § 11 Abs. 1 und 2 DMSG die Wissenschaftsfreiheit noch viel weiter beschränkt wurde, als das bereits in der vorhergehenden Novelle BGBl. 473/1990 der Fall war. Schließlich hatte das DMSG idF BGBl. 473/1990 in § 11 Abs. 1 noch vorgesehen, dass die NFG auch an Personen erteilt werden konnte, „die vor einer Kommission, bestehend aus Vertretern des Bundesdenkmalamtes, einschlägiger Fachinstitute der Universitäten und mindestens je eines einschlägigen Bundes- und Landesmuseums, durch eine Prüfung einen Befähigungsnachweis erbracht“ hatten. Diese Möglichkeit für Personen, welche die Kompetenz zur Durchführung wissenschaftlicher 283 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Nachforschungen tatsächlich besaßen und dies auch nachweisen konnten, wurde nun jedoch durch die Novellierung des § 11 Abs. 1 DMSG idF BGBl. I 170/1999 gänzlich abgeschafft. Die lapidare Begründung, die sich in der Regierungsvorlage zum DMSG 1999 dafür findet ist, dass „sich neue Modelle unter Leitung voll ausgebildeter Archäologen (bzw. Ur- und Frühgeschichtler) zwischenzeitig bewährt“ hätten und daher die Möglichkeit, „dass unter bestimmten Voraussetzungen Grabungsgenehmigungen auch an Personen vergeben werden können, die keine einschlägige abgeschlossene universitäre Ausbildung haben, […] da überholt, gestrichen“ (RV 1999, 55) worden sei. Dass dadurch – gerade infolge des zwischenzeitlich erfolgten Beitritts Österreichs zur EU – auch solchen Personen die ihnen verfassungsgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit im Bereich der archäologischen Feldforschung entzogen wurde, die tatsächlich zur wissenschaftlich sachgerechten Durchführung wissenschaftlicher archäologischer Feldforschungen kompetent sind – ja möglicherweise, wenn sie z.B. eine Ausbildung als Grabungstechniker nach dem Frankfurter Modell (RGK & VLA 2005) absolviert hatten, dazu aller Wahrscheinlichkeit nach weitaus kompetenter waren und sind als AbsolventInnen einschlägiger österreichischer Archäologiestudien – blieb unbeachtet. Ebenso unbeachtet blieb übrigens auch die Tatsache, dass dadurch gleich auch noch sowohl der Gleichheitsgrundsatz des Art. 7 Abs. 1 B-VG, Art. 2 StGG und Art. 66 Abs. 1 und 2 des Staatsvertrags von St. Germain und das daraus erwachsende allgemeine Sachlichkeitsgebot der Bundesverfassung gravierend verletzt werden, indem sachlich Gleiches – zur Durchführung wissenschaftlich sachgerechter Nachforschungen ausreichend kompetente Personen – durch den Gesetzgeber – ausschließlich auf Basis des Standes der gleichermaßen kompetenten Personen – ungleich behandelt wird. Denn es kann bei der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF nicht darum gehen, den durch wissenschaftlich unsachgemäß durchgeführte Nachforschungen an Denkmalen entstehen könnenden Schaden dadurch abzuwehren, dass die Durchführung wissenschaftlicher Nachforschungen ausschließlich auf Personen beschränkt wird, die einen einschlägigen Studienabschluss vorweisen können, obgleich es dazu gleichermaßen kompetente Personen gibt, die bloß keinen Studienabschluss haben: der Schaden, den es zu verhindern gilt, wird schließlich nicht durch den Studienabschluss, sondern durch die ausreichende Kompetenz des Nachforschenden verhindert. Auch waren laut § 11 Abs. 2 DMSG idF BGBl. 473/1990 Angehörige „der Bundes- und Landesmuseen, der Universitätsinstitute, des Österreichischen archäologischen Institutes und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften“, die ein einschlägiges Universitätsstudium absolviert hatten, von der Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 ausgenommen. Auch diese Ausnahme – die ihrerseits wohl schon verfassungswidrig gewesen sein dürfte, weil dadurch eine unsachliche Differenzierung zwischen gleichermaßen qualifizierten Personen alleine auf der Basis vorgenommen wurde, ob sie bei einer wissenschaftlichen Einrichtung des Bundes oder der Länder beschäftigt waren oder nicht – wurde nun durch die Novellierung der Bestimmungen des § 11 Abs. 2 DMSG idF BGBl. I 170/1999 abgeschafft und die Ausnahme von der Genehmigungspflicht stattdessen auf „amtswegige Grabungen“ (und wohl auch „sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle“) des BDA beschränkt. Dies wurde in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage damit begründet, dass seit dem EU-Beitritt Österreichs „eine völlige Gleichbehandlung von Universitäten anderer EU-Staaten bei Fragen der Erteilung von Grabungsgenehmigungen, der Befreiung von der Notwendigkeit einer persönlichen Grabungsgenehmigung usw. erfolgen“ müsse, aber „[u]nterschiedliche Voraussetzungen in den verschiedenen EU-Staaten was die universitäre Ausbildung betrifft, sowie Probleme bei der Lenkung der Grabungen, welche auch zugleich im Interesse Österreichs gelegen sind (beispielsweise vorrangig Rettungsgrabungen) oder wo eine Grabung vermieden werden soll (unveränderte Belassung von Fundhoffnungsgebieten gemäß der Europäischen Konvention zum Schutz des archäologischen Erbes) […] daher eine klare einheitliche Vorgangsweise bei der Erteilung der Grabungsgenehmigungen“ (RV 1999, 55) erfordern würden. 284 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Dabei ist zuallererst beachtenswert, dass Teile dieser Begründung mit den allgemeinen Denkgesetzen im Widerspruch stehen: Grabungen in „Fundhoffnungsgebieten“ im Sinne des Art. 2b der Europäischen Konvention zum Schutz des archäologischen Erbes (Europarat 1969) sind in Österreich durch deren Unterschutzstellung gem. §§ 2a oder 3 bei vermindertem Beweismaß iSd § 1 Abs. 5 DMSG igF ohnehin (siehe § 11 Abs. 5 DMSG) ohne Bewilligung des BDA gem. § 5 Abs. 1 verboten, völlig unbeachtlich der Frage, ob die Person, die sie durchführen will, einer Bewilligung gem. § 11 Abs. 1 bedarf oder nicht. Rettungsgrabungen hingegen, die „zugleich im Interesse Österreichs gelegen sind“ (RV 1999, 55) können nur Rettungsgrabungen auf gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschützten Denkmalen sein, denn ein Interesse Österreichs – d.h. ein öffentliches Interesse – besteht nur an der Erhaltung geschützter Denkmale, nicht an der Erforschung nicht geschützter Sachen durch wissenschaftliche Nachforschungen. Probleme bei der – jedenfalls in die Wissenschaftsfreiheit eingreifenden – „Lenkung“ solcher Grabungen (und natürlich sämtlicher, auch gänzlich zerstörungsfreier, sonstiger Nachforschungen an Ort und Stelle) kann es also schon allein aufgrund der Tatsache nicht geben bzw. gegeben haben, weil diese ohnehin auch gem. § 5 Abs. 1 genehmigungspflichtig waren und sind. Der Autor dieser Begründung war also entweder sträflich inkompetent oder hat hier vorsätzlich gelogen, um den falschen Eindruck zu erwecken, dass die durch die Novelle BGBl. I 170/1999 vorgenommene Änderung der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 samt Ausnahmen gem. § 11 Abs. 2 notwendig sei, wo eine solche Notwendigkeit gar nicht bestanden hat. Noch beachtenswerter ist jedoch, dass damit nun – mit einem wirklich grauenhaften nationalchauvinistischen Sophismus – allen jenen nach der Novelle BGBl. 473/1990 noch verbliebenen, graduierten, in wissenschaftlichen archäologischen Einrichtungen des Bundes und der Länder beschäftigten, ArchäologInnen, die noch (und seit 1990 sogar gesetzlich privilegiert) in den Genuss der Wissenschaftsfreiheit im Bereich der archäologischen Feldforschung kamen, diese nun ebenfalls nahezu gänzlich genommen wurde. Die einzigen Grundrechtsträger, denen nun in Österreich noch die uneingeschränkte Freiheit der wissenschaftlichen archäologischen Feldforschung zukam, waren somit die archäologischen Fachkräfte, die im BDA beschäftigt waren und sind; die gleichzeitig auch genau jene Personen sind, in deren Ermessen die Entscheidung darüber liegt, welche anderen graduierten ArchäologInnen wann, wo, wie und warum archäologische Feldforschungen durchführen dürfen und die diesen gleichzeitig auch per Bescheidauflagen vorschreiben können, welche Schriftart, Schriftgröße, Satz usw. sie in den von ihnen gesetzlich verpflichtend ebendiesen im BDA beschäftigten ArchäologInnen zur gefälligen Veröffentlichung in deren Hauszeitschrift zu liefernden wissenschaftlichen Beiträgen zu verwenden haben. Sich an dieser Stelle zu fragen „Cui bono?“ scheint, insbesondere, wenn man daran denkt, welches Modell der archäologischen Feldforschung die zuständigen FachbeamtInnen im BDA zur gleichen Zeit mit rechtlich ebenfalls höchst fragwürdigen Mitteln (siehe dazu schon Karl 2011a, 110-27) durchzusetzen versucht haben, durchaus angebracht. Worum es hier ging, war nicht der Schutz des öffentlichen Interesses an der Erhaltung bedeutender archäologischer Denkmale und auch nicht die Erfüllung irgendwelcher denkmalpflegerischer Notwendigkeiten: das BDA hatte zu dieser Zeit nur 11 archäologische Fachkräfte als MitarbeiterInnen (Friesinger & Titscher 2004, 18). Worum es ging, war vielmehr die Schaffung eines absoluten Machtmonopols des BDA im Bereich der archäologischen Feldforschung: nur das BDA bzw. konkreter die Abteilungsleiterin der damals noch als Abteilung für Bodendenkmale bezeichneten archäologischen Abteilung sollte bzw. wollte autokratisch entscheiden dürfen, wer, wann, wo in Österreich mit welchen Methoden welche archäologischen Feldforschungen durchführen dürfe. Auf solche unbedeutenden Kleinigkeiten wie die verfassungsgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit der eigenen FachkollegInnen, geschweige denn die aller sonstigen Grundrechtsträger, konnte dabei selbstverständlich keine Rücksicht genommen werden. Die Philosophen-KönigInnen (Watzlawick 2001, 102) der Archäologie wissen schließlich besser als alle anderen, was für die Archäologie und die Allgemeinheit gut ist. 285 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Was damit offenkundig wenigstens de facto – weil das de jure vermutlich nicht möglich gewesen wäre – auch in Österreich etabliert werden sollte, ist das, was einige Kommentare zu deutschen Denkmalschutzgesetzen über das im jeweils besprochenen DSchG behaupten und manche Landesämter für Denkmalpflege in Deutschland auch in der Praxis – übrigens jeweils ebenfalls in offenkundig verfassungswidriger Beschränkung der auch in Deutschland ja durch Art. 5 Abs. 3 GG ebenfalls verfassungsgesetzlich garantierten Wissenschaftsfreiheit (siehe dazu genauer Krischok 2016, 127-38; dagegen aber z.B. mit weiterführenden Verweisen Strobl & Sieche 2010, 266) – für sich in Anspruch nehmen: ein Forschungsvorrecht des Staates bzw. konkreter der vom Staat zur Denkmalverwaltung eingerichteten archäologischen Denkmalbehörde bzw. Denkmalfachbehörde im Bereich der wissenschaftlichen archäologischen Feldforschung (so z.B. für die schon weiter oben diskutierten deutschen Länder Hessen und Baden-Württemberg, Hönes 2007, 238-9; Strobl & Sieche 2010, 265; weitere Beispiele genannt bei Krischok 2016, 128-9, 138). Diesem Wunschtraum der Denkmalbehörde bzw. der in ihr tätigen ArchäologInnen steht aber – gerade in Österreich ob der mit manchen deutschen Ländern vergleichsweise sehr schwachen Verankerung des Denkmalschutzes in (nur) der Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG – mit jedenfalls weit höherem Gewicht die verfassungsgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG entgegen. Daher konnte der Gesetzgeber in den Erläuterungen zu den jeweils neu gefassten Abs. 1 und 2 des § 11 in den DMSG-Novellen BGBl. 473/1990 und I 170/1999 auch nicht auf mögliche durch die Novellierung verursachte Kollisionen mit der Wissenschaftsfreiheit aufmerksam gemacht werden: wäre das geschehen, wäre es unmöglich gewesen, die vom zuständigen Ministerialrat und dem BDA geplanten Änderungen durchs Parlament zu bekommen. Es kann daher auch nicht verwundern, dass der – bei der ersten Auflage des aktuellen Kommentars zum DMSG 2004 Referatsleiter des zuständigen Referats gewesene, zwischenzeitlich zum Abteilungsleiter der zuständigen Abteilung im zuständigen Ministerium und Ministeralrat aufgestiegene – inzwischen zum neuesten Präsidenten des BDA bestellte Erstautor des Kommentars zum DMSG darin an keiner Stelle darauf eingeht, dass durch das DMSG eine Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit vorgenommen würde. Dabei enthält der Kommentar ein als „Verfassungsrechtlicher Überblick“ betiteltes, einleitendes Kapitel (Bazil et al. 2015, 5-7; schon in der ersten Auflage von 2004 im Wesentlichen gleichlautend, 21-3), in dem einer ausführlicheren Diskussion, dass der Denkmalschutz aus grundrechtlicher Sicht vor allem eine Beschränkung der Eigentumsgarantie des Art. 5 StGG und Art. 1 1.ZProt EMRK darstelle, wenigstens als abschließender Satz für dieses Kapitel der Hinweis darauf folgt, dass die durch Art. 17a StGG geschützte Freiheit der Kunst das Recht der Rezeption eines Denkmals einschließen könne (Bazil et al. 2015, 7; in der ersten Auflage 2004, 23). Jedweder Verweis darauf, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG jedenfalls auch einen Eingriff in die durch Art. 17 StGG garantierte Wissenschaftsfreiheit darstelle und daher – zumindest – bei der behördlichen Abwägung der Gründe, die für und die wider die Erteilung einer solchen NFG sprechen, jedenfalls wenigstens im Einzelfall im Sinne einer Güterabwägung zu berücksichtigen sei, fehlt jedoch in diesem Kapitel ebenso wie in den sich spezifisch mit der Erteilung der NFG gem. § 11 Abs. 1 befassenden Bemerkungen (Bazil et al. 2015, 64). Dabei wäre eine solche Anmerkung gerade dann besonders notwendig, wenn – wie sowohl sein neuer Präsident als auch das BDA wenigstens bis zum eingangs dieses Buches diskutierten Erkenntnis des BVwG vom 11.9.2017, W183 2168814-1/2E steif und fest behauptet hatten – diese NFG-Pflicht nicht nur etwa auf Nachforschungen auf gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschützten Flächen oder auch nur auf Bodenflächen, von denen schon konkrete Hinweise auf das Vorkommen besonders bedeutender archäologischer Denkmale bekannt sind, sondern auf allen Bodenflächen in Österreich und nicht nur für invasive Nachforschungen, sondern auch schon (entgegen der entsprechenden Bemerkung im Kommentar, Bazil et al. 2015, 64) für die bloße Aufsammlung von Oberflächenfunden, anzuwenden 286 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? wäre, denn der durch diese NFG-Pflicht verursachte Eingriff in die archäologische Feldforschungsfreiheit wäre enorm massiv. Nachdem aber bei der überwältigenden Mehrheit aller Nachforschungen – selbst jenen, die auf bereits bekannten und auch bekanntermaßen bedeutenden, aber nicht denkmalgeschützten archäologischen Fundstellen (wie eben jenen in Schützen am Gebirge, Seiten 271-272) mit NFG gem. § 11 Abs. 1 stattfinden – überhaupt keine denkmalschutzrelevanten archäologischen Funde und Befunde entdeckt werden, wäre jedenfalls anzumerken gewesen, dass jeweils im Einzelfall vor allem bei geplanten Nachforschungen auf Bodenflächen, von denen noch überhaupt keine archäologischen Funde bekannt sind, bei der Ermessensentscheidung des BDA über die Erteilung der NFG jedenfalls nicht nur das öffentliche Interesse an der Erhaltung dort möglicherweise dennoch vorkommen könnender, aber tatsächlich nur mit verschwindend geringer Wahrscheinlichkeit tatsächlich vorkommender, besonders bedeutender Denkmale und andere Fakten wie die Vertrauenswürdigkeit des Antragstellers (Bazil et al. 2015, 65), sondern eben auch das verfassungsgesetzliche Individualrecht des Antragsstellers auf die vom Staat möglichst unbeschränkte, freie Ausübung der wissenschaftlichen Forschung iSd Art. 17 Abs. 1 StGG zu berücksichtigen sei. Zur Verhältnismäßigkeit von NFG-Bescheidauflagen In seiner Anwendungspraxis, insbesondere in seinen – aus fachlicher Sicht nicht gänzlich sinnlosen, aber in Bezug auf viele Details unendlich weit überzogenen – Richtlinien (BDA 2016a; 2018) und seinen Bescheiden gem. § 11 Abs. 1 DMSG, hat das BDA dann die Logik, dass die Wissenschaftsfreiheit im Bereich der archäologischen Feldforschung aus angeblichen denkmalschützerischen Erfordernissen einem behördlichen Forschungsmonopol generell hintangestellt sei (wenn man überhaupt an die Existenz dieses Grundrechts gedacht oder von seinem Bestehen auch nur gewusst hat), nur bis zu ihrem extremen Ende ausgereizt. Es betrachtet anscheinend die archäologische Feldforschung generell als eine Hilfsdienstleistung für seine eigene behördliche Arbeit; als Denkmalschutzaufgabe, die zu wissenschaftlichen Feldforschungen per Bescheid ermächtigte, quasi als „ehrenamtliche DenkmalpflegerInnen“ im Auftrag der Behörde tätige WissenschafterInnen; nicht als selbstständige wissenschaftliche Forschung von Grundrechtsträgern, die diese in ihrem eigenen Interesse frei betreiben können und dürfen, wie es ihnen gefällt. Daher scheint das BDA (bzw. seine archäologischen FachbeamtInnen) – wie ich vermute, ehrlich und aufrichtig – auch zu glauben, dass es in seinen Richtlinien und Bescheiden jenen WissenschafterInnen, denen es eine NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG erteilt hat, was auch immer es gerade für richtig oder auch nur praktisch hält oder ihm auch nur seine Arbeit erleichtern könnte, als bei deren Forschungen strikt einzuhaltende „Einschränkungen, Auflagen und Sonderregelungen“ (§ 11 Abs. 1 DMSG) aufbürden zu können, ohne dabei selbst in irgendeiner Weise durch Gesetze oder gar Verfassungsbestimmungen wie die des Art. 17 Abs. 1 StGG beschränkt zu sein. Das zeigt sich besonders offensichtlich an den in den hinteren Teilen der Richtlinien (BDA 2018, 3643) gemachten Vorgaben zu allen möglichen Details wie Schriftart, Schriftgrößen, abzugebenden Dokumentationsunterlagen, zulässigen Dateiformaten, etc., oder den chronologisch gegliederten Farbcodes für digitale Dokumentationen (BDA 2018, Innenseite rückwärtiges Deckblatt): nichts davon ist für den Schutz des öffentlichen Interesses an der – und ich erlaube mir zur Erinnerung das hier noch einmal besonders zu betonen – in ihrer historisch gewachsenen Erscheinung und Substanz körperlich unverändert zu erhaltenden Denkmale (§ 1 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 1 DMSG; VwGH 16.1.1975, 1799/74; siehe dazu auch Bazil et al. 2015, 16-7) geeignet, erforderlich oder steht mit der dadurch massiv beschränkten allgemeinen Handlungsfreiheit, geschweige denn der Wissenschaftsfreiheit, in einem wohlausgewogenen Verhältnis. Denn jener Teil welches Denkmals auch immer, der archäologisch durch Grabungen untersucht wurde, bei denen die richtlinienkonforme Dokumentation angefertigt werden sollte (und wurde), wurde durch eben diese Grabungen in seiner körperlichen Substanz 287 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich zumindest soweit verändert, wenn nicht sogar völlig zerstört, dass von seiner Bedeutung in situ körperlich eben nichts mehr vorhanden ist, d.h. der betroffene Teil des Denkmals im denkmalschutzrechtlichen Sinn als zerstört zu betrachten ist (Bazil et al. 2015, 42). Seine „Erhaltung“ durch sachgerechte Dokumentation ist zwar zweifellos aus archäologischen wissenschaftlichen Gründen absolut sinnvoll und wünschenswert, weil dadurch, wie es das BDA selbst auch explizit in seinen Richtlinien ausdrückt, seine „Quellenfunktion weiter“ (BDA 2018, 2) bestehen bleibt; d.h. die nun in der Dokumentation gespeicherten archäologisch-historischen Informationen auch zukünftig ForscherInnen zur Verfügung stehen. Es ist auch durchaus löblich, dass sich die archäologische Abteilung des BDA scheinbar als „österreichisches archäologisches Dokumentationszentralarchiv“ betrachtet, dass alle bei wissenschaftlichen archäologischen Feldforschungen angefertigten Dokumentationen einfordert und (hoffentlich dauerhaft und hoffentlich leicht zugänglich – wobei Letzteres bisher zweifellos nicht der Fall ist) für die archäologische Wissenschaft und Öffentlichkeit zugänglich macht. Aber die Erhaltung aller archäologischen Denkmale durch Dokumentation und Anlage eines Zentralarchivs aller in Österreich jemals wissenschaftlich untersuchten Denkmale, egal ob deren Bedeutung derart beschaffen war oder ist, dass ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen war, ist oder nicht (mehr) ist, ist nicht die Aufgabe des BDA, der Gesetzgeber stellt dem BDA für die Erfüllung von solchen zusätzlichen Aufgaben (insbesondere der letztgenannten Zentralarchivfunktion) auch gar nicht die notwendigen Ressourcen zur Verfügung; und diese sind auch nicht das vom Gesetzgeber durch die Bestimmungen des DMSG verfolgte Ziel; einmal völlig abgesehen davon, dass auch für die Erhaltung durch Dokumentation eine Standardisierung der Dokumentation, wie sie das BDA durchzusetzen versucht, überhaupt nicht im verfassungsrechtlichen Sinn erforderlich oder mit der dadurch verursachten Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit im engeren Sinn verhältnismäßig wäre. Die in den Richtlinien gemachten Vorgaben bezüglich solcher Details dienen daher in der Praxis hauptsächlich einem Zweck: der administrativen Bequemlichkeit des BDA. Dieses tut sich nämlich leichter damit, standardisierte Berichte zu archivieren und nötigenfalls auch im Rahmen der ihm aufgetragenen Denkmalforschung auszuwerten und Fileformate, die es mit den ihm zur Verfügung stehenden (teilweise inzwischen hochgradig veralteten) Computerprogrammen auf seinen (teilweise sicher nahezu ebenso veralteten) Computern öffnen kann, als „umfassende“ Berichte über durchgeführte Grabungen (und selbstverständlich auch sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle) „mit allen zur anschaulichen Darstellung notwendigen Zeichnungen, Plänen, Fotos und sonstigen Dokumentationsmaterial“ (§ 11 Abs. 6 DMSG; Hervorhebung: RK) archivieren und nicht anders als ganz normale sonstige „freie“ wissenschaftliche Publikationen, wie sie in Fachzeitschriften, Monografien etc. vorgelegt werden, auswerten zu müssen. Auch lässt sich die „richtlinienkonforme“ Gestaltung von Grabungsberichten – die auch zur Kontrolle dienen, ob bei gem. § 11 Abs. 1 DMSG bewilligten Grabungen und sonstigen Nachforschungen auch tatsächlich „wissenschaftlich korrekt“ vorgegangen und alle Bescheidauflagen eingehalten wurden – weit leichter überprüfen, als sich diese „inhaltlich“ überprüfen lassen: ob ein Strich in der digitalen Dokumentation die richtige Farbe hat, sieht man auf den ersten Blick. Ob tatsächlich alle an Ort und Stelle vorhandenen gewesenen, archäologisch signifikanten Funde und Befunde richtig erkannt und anschließend sachgerecht ausgegraben und dokumentiert wurden, lässt sich hingegen kaum überprüfen, weil die ursprüngliche Situation in situ ja gar nicht mehr vorhanden ist. Dabei sind diese offensichtlich unnötigen Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit der die Feldforschungen durchführenden, professionellen ArchäologInnen allerdings eigentlich – vor allem im Vergleich mit den gleich noch betrachtet werdenden sonstigen Bescheidauflagen (inklusive inhaltlichen Vorgaben in den Richtlinien wie zu verwendenden Methoden) – weitgehend harmlos: es 288 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? gibt zwar keinerlei nachvollziehbaren und verfassungsrechtlich haltbaren Grund, warum diese Detailvorlagen wirklich notwendig sein sollten – schon gar nicht bei der wissenschaftlichen Untersuchung solcher archäologischer Denkmale, an deren Erhaltung iSd § 1 Abs. 1 DMSG überhaupt kein öffentliches Interesse iSd § 1 Abs. 2 besteht – aber letztendlich kann es dem betroffenen Wissenschafter weitgehend egal sein, ob er jetzt auf digitalen Plänen mehrphasiger Fundstellen für z.B. latènezeitliche Befunde z.B. wie durch die Richtlinien vorgegeben (BDA 2018, Innenseite rückwärtiges Deckblatt) Dunkelblau (AutoCAD 174; 0, 0, 127) als Strich- und Flächenfüllfarbe oder eine beliebige andere Farbe verwendet. Zu einem Problem wird das aus wissenschaftlicher Sicht höchstens dann, wenn sich z.B. – wie auf der von mir ausgegrabenen, wenn auch nicht in Österreich, sondern in Nordwales gelegenen, späthallstatt- und latènezeitlichen Siedlung von Meillionydd (siehe z.B. Karl 2016e, 91) – zahlreiche zur selben BDA-Farb-Zeitperiode gehörende, einander stratigrafisch überlagernde Befunde chronologisch reihen lassen und der Wissenschafter, der diese Erkenntnis gewonnen hat, das auch in seinen digitalen Plandokumentationen durch chronologisch sortierte Farbcodierung der Befundabfolge darstellen will. Dieser Wissenschafter müsste dafür streng genommen eine separate Genehmigung durch das BDA für die dadurch verursachte Abweichung von den Richtlinien beantragen, aber diese wird ihm mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erteilt werden. Diese Formvorgaben sind also zwar lästig und können für kommerzielle Grabungsfirmen aufgrund des durch die Richtlinien verursachten Mehraufwandes auch zu einer nicht unbedeutenden wirtschaftlichen Belastung führen, aber im Grunde genommen ist die dadurch verursachte Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit weitgehend lässlich. Weitaus problematischer sind aber die Belastungen, die WissenschafterInnen, die archäologische Feldforschungen betreiben wollen, durch andere Bescheidauflagen aufgebürdet werden, durch die nicht nur ihre Wissenschaftsfreiheit gravierend beschränkt wird, sondern Ihnen auch Verantwortung für alle möglichen sonstigen Dinge aufgebürdet wird, für die es überhaupt keine Rechtsgrundlage gibt. Eines der augenfälligeren Beispiele dafür ist, dass die Verwendung bestimmter statt anderer Methoden speziell im Antrag zu begründen ist, so z.B. die Verwendung von Bodenwiderstandsmessungen „anstelle der in vielen Fällen wesentlich effektiveren Bodenradarmessungen“ (BDA 2018, 14). Einmal völlig abgesehen davon, dass man diesbezüglich auch anderer Meinung sein konnte und kann (siehe dazu z.B. Gaffney et al. 2002, 9-10) und dass die Auswahl geeigneter geophysikalischer Prospektionsmethoden bei weitem nicht so einfach ist, dass man generalisierend sagen könnte, dass Bodenradarmessungen prinzipiell gegenüber Bodenwiderstandsmessungen zu bevorzugen wären (siehe zur Komplexität der Methodenwahl z.B. English Heritage 2008, 13-41): die Bodenwiderstandsmessung ist eine nicht invasive Prospektionsmethode und gefährdet daher die Erhaltung des betroffenen Denkmals auch überhaupt nicht. Gerade die Frage, ob ein Forscher zur Untersuchung des von ihm gewählten Forschungsgegenstandes nun die Methode der Bodenwiderstandsmessung oder die der Bodenradarmessung (oder gar beide) verwenden möchte, ist eine Frage der Methodenwahl, die noch dazu von vielen, teilweise komplexen Erwägungen wie den erwartenden Befunden, der Geologie an Ort und Stelle etc. (English Heritage 2008, 13-8) abhängt, und daher eine Frage der wissenschaftlichen Beurteilung durch den Forscher, die den allerinnersten Kernbereich der Wissenschaftsfreiheit ausmacht. Gerade ein Eingriff des Staates – und das BDA als Bundesbehörde agiert hier als ein Organ des Staates – in die Entscheidung dieser Frage ist durch die Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 StGG ausgeschlossen (Berka 1999, 344-6), insbesondere, wenn dafür überhaupt kein aus einem gleichrangig verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgut ableitbarer Grund vorliegt. 289 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Ein solcher Grund kann aber gerade in Bezug auf diese Entscheidung – da von der Verwendung dieser Methode selbst überhaupt keine Gefahr für die Erhaltung der durch sie betroffenen Denkmale ausgeht – überhaupt nur dann vorliegen, wenn die geophysikalische Prospektionsmethode als Maßnahme zur Vorerkennung des Vorkommens archäologischer Denkmale auf den untersuchten Bodenflächen vor geplanten invasiven Maßnahmen, insbesondere vor geplanten großflächigen bau-, land- und forstwirtschaftlichen Bodeneingriffen, durchgeführt wird. Nur wenn die archäologische Prospektion dem Zweck dient, festzustellen, ob vor derartigen geplanten invasiven Maßnahmen eine archäologische Untersuchung durch systematische Ausgrabungen oder bei Baumaßnahmen zumindest eine archäologische Baubegleitung (z.B. durch Überwachung des Erdaushubs zur allfällig möglichen Sicherung vereinzelter oder unerwartet doch vorkommender Funde und Befunde als akute Rettungsmaßnahme) aus denkmalpflegerischen Gründen erforderlich ist, wird überhaupt das durch die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG auch verfassungsgesetzlich verankerte Schutzgut des Denkmalschutzes betroffen; und selbst in diesem Fall nicht durch die Nachforschungen mit der gewählten geophysikalischen Prospektionsmethode, sondern durch die geplanten invasiven Maßnahmen. Will der Forscher hingegen die Bodenwiderstandsmessung zum Zweck der Entdeckung und Untersuchung allfällig an Ort und Stelle vorhandener Denkmale durchführen, um daraus wissenschaftliche archäologische Erkenntnis zu gewinnen – selbst wenn diese Erkenntnisse einer allfälligen Vorbereitung einer für einen späteren Zeitpunkt geplanten systematischen archäologischen Ausgrabung dienen – ist das verfassungsgesetzliche Schutzgut des Denkmalschutzes überhaupt nicht betroffen. Denn Prospektionsmethoden erlauben ganz generell nicht die exakte Ermittlung im Boden vorkommender, archäologisch relevanter Funde und Befunde. Vielmehr erzeugen sie physikalische Messdaten über die Inhomogenität, d.h. lokale Unterschiede in der Zusammensetzung, des Bodens, die, archäologisch interpretiert, Hinweise auf möglicherweise im Boden vorkommende, aus archäologischer Sicht signifikante, Strukturen und Gegenstände liefern können. Daher ist bei – auch bei geophysikalischen Prospektionen folgenden und auf deren generellen Ergebnissen aufbauenden – systematischen Ausgrabungen stets besonders zu beachten, dass diese im Detail unabhängig von der archäologischen Interpretation der Ergebnisse allfällig zuvor durchgeführter Prospektionen durchzuführen sind: Ziel der archäologischen Ausgrabung kann und darf niemals sein, jene Inhomogenitäten im Boden zu finden, die zu den unterschiedlichen geophysikalischen Messwerten geführt haben, die dann während der Messdatenauswertung als archäologische Strukturen im Boden interpretiert wurden. Vielmehr ist bei der Grabung auf Basis der tatsächlich an Ort und Stelle – d.h. im Boden – beobachteten optischen, taktilen oder sogar haptischen, akustischen und – gewöhnlich zu weitaus geringerem Maß – auch olfaktorischen sowie – wenn auch nur in extrem seltenen Fällen – eventuell auch gustatorischen Eigenschaften zwischen unterschiedlichen und mutmaßlich archäologisch signifikanten Bodenbestandteilen – einerseits meist auch materiell deutlich vom umgebenden Boden unterschiedliche und klar abgegrenzte bewegliche Kleinfunde, andererseits meist weit weniger eindeutig voneinander unterscheidbare und gewöhnlich weit weniger klar abgegrenzte unterschiedliche Bodenschichten bzw. Befunde bzw., um die Terminologie des BDA (2018, 15) zu verwenden, Stratifikationseinheiten – zu unterscheiden und die dabei getätigten Beobachtungen über die Bodenzusammensetzung vollkommen unabhängig von allen anderen Erwägungen sachgerecht zu dokumentieren. Soweit die mit den menschlichen Sinnen bei der Grabung getätigten Beobachtungen mit den bei allfällig vorhergehenden geophysikalischen Prospektionen aufgezeichneten, unterschiedlichen Messwerten bzw. deren archäologischer Interpretation in der Datenauswertung räumlich – wenigstens einigermaßen genau – übereinstimmen, können diese mit unterschiedlichen Methoden 290 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? gewonnenen Erkenntnisse über den Bodenaufbau (und die im Boden enthaltenen Kleinfunde) als einander bestätigende, unabhängig voneinander gewonnene, Messdaten betrachtet werden und stärken sich somit in weiteren wissenschaftlichen Argumentationen gegenseitig. Wo die mit diesen unterschiedlichen Methoden gewonnenen Daten bzw. Erkenntnisse über den Bodenaufbau einander nicht gegenseitig bestätigen, widerlegen aber weder die Grabungsergebnisse die geophysikalischen Prospektionsergebnisse noch umgekehrt die Prospektionsergebnisse die Grabungsergebnisse: es wurden schließlich dabei mit vollkommen unterschiedlichen Methoden vollkommen unterschiedliche Bodeneigenschaften beobachtet, die keineswegs miteinander korreliert sein müssen, auch wenn sie es in manchen oder vielleicht sogar vielen Fällen sind. Werden Löcher auf Basis der Details der geophysikalischen Prospektionsergebnisse bzw. ihrer archäologischen Interpretation gegraben, stellt dies keine archäologische Ausgrabung im wissenschaftlichen Sinn dar. Denn es werden in diesem Fall ja gerade nicht die mit den menschlichen Sinnen voneinander unterscheidbaren Bodenbestandteile voneinander getrennt und die dabei getätigten Beobachtungen sachgerecht dokumentiert, sondern die geophysikalischen Messergebnisse durch variablen Bodenaushub dreidimensional nachgebildet. Dadurch wird vielleicht ein mehr oder minder interessantes modernes Kunstwerk erzeugt, aber gerade nicht eine wissenschaftliche Untersuchung auf Basis empirischer Beobachtungen mittels einer anderen Untersuchungsmethode als der zuvor bereits angewendeten geophysikalischen Messmethode durchgeführt, die im Vergleich mit den geophysikalischen Messergebnissen teilweise deren unabhängige Bestätigung, teilweise aber auch die Gewinnung zusätzlicher Erkenntnisse gestattet. Als Prospektionsmethode im engeren Sinn betrachtet gestatten alle geophysikalischen und sonstigen Vorerkennungsverfahren (außer der Entnahme von Bodenproben z.B. durch Rammkernsondierungen oder Bohrungen; BDA 2018, 14-5) nur die Lokalisierung von mutmaßlich für Ausgrabungen erfolgversprechenden Fundstellen und die Bestimmung der wahrscheinlichen Dichte (und bei dreidimensionalen Verfahren eventuell auch des wahrscheinlichen Volumens) dort mutmaßlich vorkommender, möglicherweise archäologisch signifikanter, Bodenstörungen. Ob aber nun als Prospektions- oder als Forschungsmethode zur Gewinnung unabhängiger Erkenntnisse über physikalische Eigenschaften des Bodens, sind die dabei gewonnenen Ergebnisse jedenfalls bis zur gemeinsamen Auswertung streng getrennt voneinander zu halten, weil sonst die Unabhängigkeit der mit unterschiedlichen Methoden gewonnenen Ergebnisse nicht gewährleistet werden kann. Es ist daher – selbst bei der Verwendung geophysikalischer oder anderer Prospektionsmethoden zur Grabungsvorbereitung – sowohl aus wissenschaftsmethodischer als auch erkenntnislogischer Sicht vollkommen irrelevant, ob z.B. die Bodenradarmessung in vielen Fällen wesentlich effektiver ist als z.B. die Bodenwiderstandsmessung, wie das BDA (2018, 14) das meint, selbst wenn dem tatsächlich auch im konkreten Einzelfall so sein sollte, was keineswegs garantiert ist. Es kann daher keinen verfassungsrechtlich belastbaren denkmalschützerischen Grund geben, den Wissenschafter, der – aus welchen (wissenschaftlichen oder nichtwissenschaftlichen) Gründen auch immer – lieber Bodenwiderstandsmessungen statt Bodenradarmessungen durchführen möchte, zur Begründung seiner Methodenwahl im Rahmen eines NFG-Verfahrens zu verpflichten. Daher kann ihn das BDA auch gar nicht durch einen Verwaltungsakt dazu verpflichten, statt der von ihm geplanten Bodenwiderstands- einer Bodenradarmessung durchführen zu müssen, wenn er nicht seine „Abweichung“ von der vorgeschriebenen Methode eigens im NFG-Antrag begründet hat; schon gar nicht durch eine unabhängig vom jeweiligen Einzelfall allen Bescheiden als verpflichtende Auflage angehängte Richtlinie. Dass das BDA vielleicht gerne hätte, dass es die vom Nachforschungen an Ort und Stelle durchführenden Wissenschafter gewonnenen Erkenntnisse auch für seine eigene Arbeit im Bereich 291 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich der Denkmalforschung verwenden kann, ist zwar durchaus nachvollziehbar, aber im Fall, dass der Wissenschafter seine Nachforschungen nicht im Rahmen der denkmalschutzrechtlich geregelten Planung invasiver bau-, land- oder forstwirtschaftlicher Arbeiten, sondern unabhängig von solchen durchführt, vollkommen gleichgültig. Ebenso vollkommen gleichgültig ist es, dass es das BDA eventuell bevorzugen würde, wenn er statt den von ihm gewünschten andere wissenschaftliche Forschungsmethoden zur Anwendung bringen würde, weil das BDA diese anderen Methoden für – für seine denkmalschützerischen Zwecke – effektiver hält; z.B. weil es der Ansicht ist, dass die Prognosegenauigkeit und Verlässlichkeit der vom BDA bevorzugten Methode höher ist als die der vom Wissenschafter bevorzugten und daher die Wahrscheinlichkeit, verlässliche Informationen für die denkmalrechtliche Beurteilung der dabei entdeckten, möglichen Denkmale zu gewinnen bei Anwendung der vom BDA bevorzugten Methode höher wäre. All das ist deshalb gleichgültig, weil der Wissenschafter, der diese Nachforschungen durchführen will, nicht als freiwilliger Mitarbeiter des BDA in dessen Auftrag ehrenamtliche Denkmalforschung betreibt, die dem Zweck dient, dem BDA zu ermöglichen, allfällig besonders bedeutende Denkmale, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist, besser schützen zu können; sondern dieser Wissenschafter seine eigene wissenschaftliche Forschung zur Befriedigung seiner eigenen wissenschaftlichen Interessen (oder der eines allfälligen Auftraggebers) betreibt, in die sich das BDA aufgrund der verfassungsgesetzlich garantierten Wissenschaftsfreiheit so lange nicht einzumischen hat, solange kein legitimer, im öffentlichen Interesse gelegener, ebenfalls aus Verfassungsrecht ableitbarer Grund vorliegt, der den Schutz der Wissenschaftsfreiheit überwiegt. Dass das BDA Denkmalforschung betreiben muss, um seiner Aufgabe, zu beurteilen, welche Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG derart bedeutend sind, dass iSd § 1 Abs. 2 bzw. 5 DMSG ein öffentliches Interesse an ihrer unveränderten körperlichen Erhaltung besteht, und diese dann auf eine der in § 1 Abs. 4 DMSG genannten Arten den Schutzbestimmungen des DMSG zu unterwerfen und diese somit zu schützen, nachkommen zu können, ergibt keinen solchen Grund, auf irgendeine Weise in die Wissenschaftsfreiheit von Grundrechtsträgern einzugreifen, die Denkmale in ihrem eigenen Interesse mit archäologischen Methoden wissenschaftlich untersuchen wollen. Will oder muss es solche Denkmalforschung betreiben, kann und darf es diese nicht im Wege von verfassungswidrigen Bescheidauflagen auf WissenschafterInnen auslagern, die Denkmale, so wie es ihnen gefällt, wissenschaftlich untersuchen wollen, sondern hat diese Denkmalforschung – in diesem Fall als amtswegige Maßnahmen gem. § 11 Abs. 2 DMSG – selbst durchzuführen. Dazu kann es natürlich auch – wenn es das will und die notwendigen finanziellen Mittel dafür hat – durch Beauftragung Dritter – z.B. eben WissenschafterInnen, die ohnehin zur Förderung ihrer eigenen Forschungsinteressen oder auch nur um sich durch das Anbieten wissenschaftlicher Forschungsdienstleistungen einen Lebensunterhalt zu verdienen – die dafür notwendige Arbeit auslagern und dabei im Wege von Vergabekriterien bestimmen, welche Methoden dafür zu verwenden sind. Die Erteilung einer NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG stellt jedoch keine derartige Beauftragung Dritter zur Durchführung dem BDA genehmer Nachforschungen dar, sondern hat damit nicht das Mindeste zu tun. Damit ist es dem BDA aber an Bescheidauflagen noch nicht genug: zusätzlich zu diesen völlig ungerechtfertigten Eingriffen in die Wissenschaftsfreiheit belastet das BDA Genehmigungsinhaber noch mit weiteren, rechtswidrigen Beschwerungen. In Bescheiden gem. § 11 Abs. 1 DMSG wird dem Genehmigungsinhaber vom BDA regelhaft zusätzlich zur Beachtung der Richtlinien auch noch vorgeschrieben, dass er die finanzielle Bedeckung für die gesamte Maßnahme zu gewährleisten hat. Die Verpflichtung zur Gewährleistung inkludiert dabei die Kosten der Konservierung bzw. Restaurierung, der wissenschaftlichen Bearbeitung und Sicherung aller entdeckten beweglichen Funde und unbeweglichen Befunde sowie von Wiederherstellungsarbeiten an Ort und Stelle. Alle diese Verpflichtungen werden als Bescheidauflagen vorgeschrieben, völlig unabhängig davon, ob ein 292 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? öffentliches Interesse an der Erhaltung des bzw. der durch die bewilligten Maßnahmen betroffenen Denkmale besteht oder von den von den geplanten Nachforschungen betroffenen Bodenflächen nicht einmal Hinweise auf das Vorkommen besonders bedeutender Denkmale bekannt sind. Alle diese Auflagen sind deshalb besonders interessant, weil es sich bei allen spezifisch genannten Grabungsfolgemaßnahmen – Konservierung/Restaurierung, wissenschaftliche Bearbeitung, Sicherung und Wiederherstellungsarbeiten an Ort und Stelle – um solche handelt, die als aktive Erhaltungsmaßnahmen zu charakterisieren sind, wenn man sie überhaupt als Erhaltungsmaßnahmen bezeichnen kann. Schon die Konservierung archäologischer Bodenfunde (siehe dazu BDA 2016b, 10) geht weit über die gewöhnliche Erhaltungspflicht des Denkmaleigentümers hinaus, die das DMSG in § 4 Abs. 1 DMSG vorschreibt. Eigentümer von rechtskräftig geschützten Denkmalen haben iSd § 4 Abs. 1 Z 2 DMSG jene Instandhaltungsmaßnahmen zu setzen, die für den Bestand des Denkmals unbedingt notwendig und seinem Eigentümer zumutbar sind. Spezifischer nennt das DMSG als – alle aus dem Bereich der Baudenkmalpflege stammende – Beispiele „die Ergänzung einzelner zerbrochener Dachziegel, Verschließung offenstehender Fenster und dergleichen“ (§ 4 Abs. 1 Z 2 DMSG). Der einschlägige Gesetzeskommentar beschreibt diese – rain passive – Erhaltungspflicht des Denkmaleigentümers auf Basis der Regierungsvorlage zum DMSG 1999 wie folgt: Sie „umfasst nicht die Verpflichtung, aktiv Verbesserungen (Restaurierungen) am Denkmal vorzunehmen oder dieses im Zustand zu erhalten, in dem es sich zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung befand. Sie umfasst nur die Abwehr von Schäden, die durch die Unterlassung der ordnungsgemäßen Instandhaltung (zB Ergänzung fehlender Dachziegel oder Verschließen offener Fenster) entsteht“ (Bazil et al. 2015, 43; Hervorhebung: Autor). Die Erhaltungspflicht besteht dabei „nur so weit, als es sich dabei um unbedingt notwendige Erhaltungsmaßnahmen handelt, die in offenbarer Zerstörungsabsicht unterlassen werden“ (ibid., 44; Hervorhebung: Autor). Selbst diese – sehr geringe – Erhaltungspflicht, die den Denkmaleigentümer nur dazu verpflichtet, jene auch wirtschaftlich vertretbaren (ibid.) Instandhaltungsmaßnahmen zu setzen, die jeder durchschnittlich sorgfältige Eigentümer einer Sache ohnehin aus eigenem Antrieb setzen würde (ibid.), gilt dabei ausschließlich für solche Denkmale, an deren Erhaltung ein rechtswirksames öffentliches Interesse iSd § 1 Abs. 4 DMSG besteht, d.h. die gem. §§ 2, 2a oder 3 DMSG unter Denkmalschutz gestellt wurden. Nun werden jedoch die Inhaber von Genehmigungen gem. § 11 Abs. 1 DMSG in der Regel nicht einmal die Eigentümer der von ihnen entdeckten Denkmale; und diese Denkmale stehen auch in der Regel – es sei denn, es handelt sich dabei um bewegliche Kleinfunde, die gem. § 2 DMSG automatisch kraft gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz stehen (dazu noch gleich mehr Seiten 307-313) – höchstens nur gem. § 9 Abs. 3 DMSG vom Zeitpunkt ihrer Entdeckung bis längstens 6 Wochen ab Abgabe der gesetzlich auch gem. § 11 Abs. 4 verpflichtenden Fundmeldung zeitweilig unter Denkmalschutz; für diese Zeit offenkundig zum Zweck, dass das BDA bestimmen kann, ob ihre dauerhafte Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist. Eine aktive Erhaltungspflicht betreffend bei genehmigten Nachforschungen entdeckter Denkmale, wie sie das BDA dem Genehmigungsinhaber durch diese Bescheidauflage aufbürdet, entbehrt also jedweder gesetzlichen Grundlage. Wie aus dem soeben schon Zitierten hervorgeht, scheidet die Möglichkeit, auch nur den Eigentümer von Denkmalen mit Restaurierungskosten zu belasten, schon allein deshalb aus, weil eine aktive Erhaltungspflicht durch das DMSG nicht einmal bei unter Denkmalschutz gestellten Denkmalen vorgesehen ist. Den Genehmigungsinhaber mit der Gewährleistung der dafür notwendigen Kosten zu belasten, eventuell sogar auch für Denkmale, an deren Erhaltung überhaupt kein öffentliches Interesse besteht – wie das tatsächlich mit der absolut überwältigenden Mehrheit aller bei wissenschaftlichen Nachforschungen entdeckten Denkmale der Fall ist – scheidet daher komplett aus. 293 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Der Genehmigungsinhaber darf einer Restaurierung (siehe dazu auch genauer BDA 2016b, 10) schon nicht einmal zustimmen, weil er in der Regel überhaupt nicht über die rechtliche Verfügungsgewalt über die betreffende Sache verfügt und daher ohne Zustimmung durch deren Eigentümer mit ihr überhaupt nichts machen darf; und er dürfte – sofern das Denkmal, und sei es auch nur zeitweilig gem. § 9 Abs. 3, unter Denkmalschutz steht – eine solche auch gar nicht ohne bescheidmäßige Bewilligung durch das BDA gem. § 5 Abs. 1 DMSG veranlassen oder selbst durchführen, weil er dadurch die historisch gewachsene Erscheinung oder die Substanz des betreffenden Denkmals verändern könnte, was ihm durch die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 DMSG ausdrücklich verboten ist. Auf Basis welcher Rechtsgrundlage das BDA dem Genehmigungsinhaber die Gewährleistung der Finanzierung der wissenschaftlichen Bearbeitung – die, je nachdem, wie man den Begriff „wissenschaftliche Bearbeitung“ auslegen möchte, exorbitante Kosten verursachen kann, nachdem ja auch die Analyse der entdeckten Denkmale mit allen möglichen natur- und anderen wissenschaftlichen Methoden unter diesen Begriff fallen könnten – vorzuschreiben können glaubt, entzieht sich wenigstens mir völlig. Einmal abgesehen davon, dass der die Nachforschungen durchführende Wissenschafter wahrscheinlich selbst ein Interesse daran hat, diese auch wissenschaftlich nachzubearbeiten – schließlich stellt er ja archäologische Nachforschungen zum Zweck der Entdeckung und Untersuchung von Bodenfunden und -befunden an –, ist für mich absolut nicht erkenntlich, wie die wissenschaftliche Bearbeitung von archäologischen Ausgrabungen in irgendeinem – und sei es auch nur extrem erweiterten und übertragenen Sinn – noch eine denkmalpflegerisch notwendige Denkmalerhaltungsmaßnahme sein oder auch nur als solche betrachtet werden kann. Davon abgesehen hat das BDA ohnehin, wenn es begründete Zweifel daran hat, dass der Genehmigungsinhaber die wissenschaftliche Bearbeitung der von ihm entdeckten Gegenstände durchführen möchte oder wird, jederzeit gem. § 9 Abs. 4 DMSG die Möglichkeit, bei den Nachforschungen entdeckte bewegliche Gegenstände von den dort genannten Personen zur wissenschaftlichen Dokumentation und Auswertung einzufordern und dafür auf bis zu zwei Jahre einzubehalten. Dies gilt selbstverständlich noch umso mehr, sofern es sich bei den betroffenen Denkmalen um Sachen handelt, deren Erhaltung gar nicht im öffentlichen Interesse gelegen ist: deren Erforschung ist zwar zweifellos im Interesse der archäologischen Wissenschaft gelegen, dieses wissenschaftliche Interesse hat jedoch nichts mit dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung jener Denkmale zu tun, die von derart besonderer Bedeutung sind, dass ihr Verlust iSd § 1 Abs. 2 DMSG eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgüterbestandes in seiner Gesamtsicht darstellen würde. Bemerkenswert ist bezüglich der beiden soeben genannten Auflagen übrigens auch, dass das BDA bei von ihm selbst durchgeführten amtswegigen Maßnahmen gem. § 11 Abs. 2 scheinbar mehrheitlich weder die Finanzierung der Konservierung/Restaurierung der entdeckten beweglichen Kleinfunde (Marius 2011, 32) noch der wissenschaftlichen Bearbeitung (siehe z.B. Karl 2015; 2016c) gewährleisten kann; obwohl die dabei entdeckten beweglichen Kleinfunde wenigstens zur Hälfte ins Eigentum des Bundes übergehen, damit in der Regel (sofern sie bei ihrer Entdeckung schon mehr als 100 Jahre alt sind) automatisch gem. § 2a DMSG kraft gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz stehen, und das BDA jenes Organ des Bundes ist, das sowohl die rechtliche als auch praktische Verfügungsgewalt über diese Sachen hat. Das BDA macht also die Erteilung seiner Genehmigung der Durchführung wissenschaftlicher archäologischer Feldforschungen durch Dritte davon abhängig, dass diese die Finanzierung von eventuell enorm kostenintensiven Arbeiten sicherstellen, die weder denkmalschutzgesetzlich vorgesehen sind noch vom BDA selbst im Zusammenhang mit seinen eigenen wissenschaftlichen Feldforschungen regelhaft gewährleistet werden, obwohl das BDA eine 294 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? deutlich höhere gesetzliche Verpflichtung als beliebige Dritte hätte, die bei seinen entsprechenden Arbeiten entdeckten Denkmale zu erhalten. Bezüglich allfällig erforderlicher Sicherungsmaßnahmen gelten hingegen ohnehin die Bestimmungen des § 31 Abs. 1 DMSG. Hier den Inhaber der Grabungsgenehmigung als jene „dritte Seite“ heranziehen zu wollen, welche die Finanzierung der dem Denkmaleigentümer nicht aufgetragen werden könnenden Kosten für „eine in diesem Bundesgesetz nicht vorgesehene Erhaltungs- bzw. Instandsetzungsverpflichtung“ (§ 31 Abs. 1 DMSG) zu gewährleisten hat, erscheint zumindest mir aus rechtlicher Sicht nachgerade abenteuerlich. Das erschiene jedenfalls mir wie eine Einführung eines aktiven Denkmalschutzes, der weder vom Bund noch vom Denkmaleigentümer, sondern von eigentlich vollkommen unbeteiligten Dritten finanziert werden soll (siehe dazu auch die Erläuterungen in der RV 1999, 63, dass die Bestimmung, dass die Kosten gesetzlich nicht vorgesehener Erhaltungsmaßnahmen dem Eigentümer nicht aufgetragen werden können, gerade dem Zweck dient, dem sonst möglichen missverständlichen Eindruck des Bestehens eines aktiven Denkmalschutzes in Österreich entgegenzuwirken); und zwar selbst und insbesondere Denkmale betreffend, an deren Erhaltung überhaupt kein öffentliches Interesse besteht. Wiederherstellungsmaßnahme schließlich ist nicht mehr als ein Synonym für das Wort Restaurierung; auch wenn es sich natürlich in diesem Kontext auf die Wiederherstellung der „ursprünglichen“ äußeren Erscheinung des betreffenden Bodendenkmals nach Abschluss einer wenigstens den dadurch betroffenen Teil dieses Denkmals in seiner Substanz zumeist vollständig zerstört habenden invasiven archäologischen Forschungsmaßnahme (d.h. in der Regel: einer systematischen archäologischen Ausgrabung) bezieht. Eine solche Wiederherstellungsmaßnahme kann – vielleicht – bei einem gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschützten Denkmal insofern angebracht sein, als dieses gegebenenfalls in seiner bis zum Zeitpunkt seiner Untersuchung durch Ausgrabungen historisch gewachsenen Erscheinung erhalten werden soll, ohne deswegen die mit invasiven Methoden erfolgende Untersuchung der ohnehin nicht augenscheinlichen Substanz des Denkmals unmöglich zu machen. Dies wäre aber im Rahmen der Bewilligung zur Veränderung oder Zerstörung des betroffenen Denkmals gem. § 5 Abs. 1 DMSG vorzuschreiben, nicht im Rahmen der NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG. Bei Denkmalen, an deren unveränderter körperlicher Erhaltung überhaupt kein rechtswirksames öffentliches Interesse besteht, scheidet die bescheidmäßige Anordnung von Wiederherstellungsmaßnahmen hingegen schon allein deshalb aus, weil eben an der unveränderten Erhaltung dieses Denkmal gar kein öffentliches Interesse besteht, das die Anordnung von Wiederherstellungsmaßnahmen rechtfertigen könnte. Ob und inwieweit der NFG-Inhaber seine allfällig angelegten Grabungsschnitte wieder verfüllen soll oder nicht ist vielmehr eine rein privatrechtliche Frage, die zwischen dem NFG-Inhaber und dem Grundeigentümer zu klären ist. Zwar greifen diese zuletzt diskutierten Auflagen selbst nicht oder nur bedingt in die Wissenschaftsfreiheit (z.B., wo Konservierungs- oder Restaurierungsmaßnahmen angeordnet werden können) ein, sie führen aber zu maßgeblichen Belastungen der Grundrechtsträger, die sich auf dieses Grundrecht berufen wollen, obgleich es für keine einzige davon eine Rechtfertigung gibt, die sich aus den Bestimmungen des DMSG selbst oder auch nur der Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 BV-G ableiten ließe. Dabei wird diese Belastung der Grundrechtsträger aber überhaupt erst dadurch möglich, dass durch die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG und die damit verbundene Möglichkeit für das BDA, Antragstellern in einem bewilligenden Bescheid irgendwelche Auflagen zu erteilen, extrem weit in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG eingegriffen wird. Grundrechtsträgern, die ihr Recht, vom Staat unbehindert wissenschaftliche archäologische Feldforschungen anstellen zu dürfen, in Anspruch nehmen möchten, wird dadurch die Ausübung dieses Rechts über die ohnehin schon gravierende Beschränkung durch den Eingriff selbst noch zusätzlich dadurch erschwert, dass 295 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich ihnen ohne jeden Nutzen für das gesetzliche Schutzziel des DMSG oder das verfassungsgesetzlich verankerte Rechtsgut des Denkmalschutzes die bescheidende Behörde willkürlich irgendwelche ihr angebracht erscheinenden, eventuell mit extrem hohen Kosten und noch größerem Aufwand verbundene, Auflagen erteilt. Dies ist jedenfalls auch bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs insgesamt zu berücksichtigen. Die gravierende Fehlinterpretation des DMSG durch das BDA Zusätzlich verschärft wird all das auch noch dadurch, dass das BDA offensichtlich – wie seine bisherige und wohl auch geplante zukünftige Handhabungspraxis der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG und auch seine wiederholte Wahl des Begriffs „Bodendenkmale“ in relevanten Kontexten (so z.B. BDA 2018, 10) eindeutig zeigt – glaubt, dass die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG nicht nur dem Schutz von tatsächlich derart bedeutenden Denkmalen iSd § 1 Abs. 1 DMSG dient, dass deren Erhaltung iSd § 1 Abs. 2 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen ist, sondern vielmehr auf alle Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG – d.h. alle Sachen, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes aufgrund ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit auch bloß „offenkundig“ unterliegen könnten – in der durch das BDA bisher umgesetzten Form angewendet werden können. Es ist dieses Missverständnis – und es muss sich dabei um ein Missverständnis handeln –, das zu den enormen Exzessen führt, die insbesondere die Anwendungspraxis dieser gesetzlichen Bestimmung durch das BDA kennzeichnen. Dadurch, dass das BDA – übrigens dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 DMSG diametral widersprechend, der eben gerade nicht von Bodendenkmalen, sondern vielmehr von Denkmalen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche spricht – weiterhin fälschlich zu glauben scheint, dass die NFG-Pflichtbestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG dem Schutz von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG dient, verfällt es auf den irrigen Glauben, dass das DMSG sozusagen zwei verschiedene Arten von Denkmalen kennen würde, die der Gesetzgeber unterschiedlich schützen wollte: 1) sogenannte „Denkmale“ iSd § 1 Abs. 1 DMSG, deren Erhaltung aufgrund ihrer iSd § 1 Abs. 2 DMSG besonderen Bedeutung im öffentlichen Interesse gelegen ist, die (hauptsächlich) durch die Schutzbestimmungen der §§ 2-7 DMSG geschützt werden und die der Staat iSd §§ 1 Abs. 1 iVm 4 Abs. 1 in seiner historisch gewachsenen Erscheinung und Substanz körperlich erhalten will; und 2) sogenannte „Bodendenkmale“ iSd § 8 Abs. 1 DMSG, ein Begriff, mit dem der Gesetzgeber eigentlich „alle archäologische Funde und Befunde“ gemeint hat, die er (hauptsächlich) durch die Bestimmungen der §§ 9-11 DMSG geschützt hat und die er insbesondere durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 und deren Rechtsfolgen durch sachgerechte Dokumentation bei ihrer wissenschaftlichen Erforschung erhalten will; wobei er zur Sicherstellung der auch bei diesen eigentlich bevorzugten Erhaltung in situ auf die allgemeinen Schutzbestimmungen für „Denkmale“ zurückgreift. Aus archäologischer Sicht ist diese Sichtweise sogar völlig verständlich und auch extrem sinnvoll: bekanntermaßen geht es der Archäologie gerade nicht (nur) um die Erhaltung irgendwelcher besonders bedeutender wissenschaftlicher Quellen, sondern – gerade der von Hoernes und seinen epistemologischen Vorstellungen geprägten österreichischen Archäologie (siehe dazu Seiten 129-135) – um die Erhaltung der „einzelnen an sich geringfügigen Wahrnehmungen“, die es in emsiger Detailarbeit „zu unerschütterlichen Erkenntnissen“ (Hoernes 1892, 43) zusammenzusetzen gilt. Diese Wahrnehmungen müssen aus archäologischer Sicht natürlich auch dann erhalten werden, wenn ein Denkmal in seiner historisch gewachsenen Erscheinung und Substanz in situ der modernen Nutzung des Grundes weichen muss. Zusätzlich ist es ohnehin unmöglich, archäologische Denkmale dauerhaft in situ zu erhalten, wenn man sie auch erforschen möchte, weil schließlich zerstört die primäre 296 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? archäologische Forschungsmethode für solche Zwecke, die systematische archäologische Ausgrabung, die historisch gewachsene Erscheinung und Substanz des betroffenen Denkmals notwendigerweise (siehe dazu auch Hebert 2018, 84-5; diese Tatsache ist also nachweislich auch im BDA dem Leiter der zuständigen Abteilung für Archäologie bekannt). Es ergibt also aus (gegenwärtiger) archäologischer Sicht praktisch überhaupt keinen Sinn, archäologische Funde und Befunde als „Denkmale“ iSd § 1 Abs. 1 DMSG zu betrachten und entsprechend der Schutzvorschriften der §§ 2-7 zu schützen, es sei denn, man will diese – wie es vielleicht in Einzelfällen nützlich sein kann, um „Fundhoffnungsgebiete“ im Sinne der Londoner und Valletta-Konvention (Europarat 1969; 1992) schützen zu können – wirklich dauerhaft für die Erforschung durch zukünftige Generationen von ArchäologInnen so weitgehend als möglich aus dem modernen Gebrauch nehmen. Es ergibt hingegen sehr viel mehr archäologischen Sinn, wenn man – sozusagen indem man das Gesetz zwischen §§ 7 und 8 auseinanderreißt – die Bestimmungen der §§ 8-11 DMSG als eigenes „modernes Archäologieschutzgesetz“ liest. Liest man nämlich nur die Bestimmungen der letztgenannten Paragrafen für sich allein, stellt sich das DMSG ganz anders dar, als wenn man es in seiner Gesamtheit liest: man kann dann nämlich jenen Teil des ersten Satzes des § 8 Abs. 1 DMSG, in dem der Begriff „Bodendenkmale“ bestimmt wird, als einleitende Begriffs- und Anwendungsbereichsbestimmung für das „archäologische Denkmalschutzgesetz“ (aDMSG) interpretieren. Die Bestimmungen der §§ 8-11 DMSG würden in diesem Fall für alle „unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ befindlichen „Gegenstände“ gelten, „die infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit offenkundig den Beschränkungen dieses Bundesgesetzes unterliegen könnten“, gänzlich unabhängig davon, wie genau nun ihre Bedeutung beschaffen ist. Das würde tatsächlich – wenigstens aus facharchäologischer Sicht – de jure – weil aus dieser Sicht ja offenkundig jeder unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche befindliche Gegenstand den Beschränkungen der §§ 8-11 DMSG unterliegen könnte, weil man, bevor man ihn entdeckt und untersucht hat, noch gar nicht wissen kann, ob er ein archäologischer Fund oder Befund ist oder nicht – alle Sachen, die sich derzeit noch unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche befinden, kraft gesetzlicher Vermutung vollständig den Beschränkungen der „archäologischen“ Paragrafen unterwerfen. Tatsächlich geht die Bestimmung des § 8 Abs. 1 DMSG sogar noch weiter als das, wenn man sie (wenigstens teilweise) als Begriffs- und Anwendungsbereichsbestimmung eines grundsätzlich separat vom Rest des DMSG zu lesenden aDMSG interpretiert. Denn § 8 Abs. 1 DMSG dehnt den (scheinbaren) Anwendungsbereich des aDMSG in seinem zweiten Satz ja gleich auch noch auf Oberflächenfunde von Bodendenkmalen aus: „Gleiches gilt auch für Bodendenkmale, die lediglich durch Ereignisse wie Regen, Pflügen oder dergleichen zufällig teilweise oder vollständig an die Oberfläche gelangten“. Liest man auch das als Anwendungsbereichsbestimmung, gelten die „Beschränkungen dieses Bundesgesetzes“ offenbar nicht nur für noch unter der Erdoberfläche befindliche, sondern auch an diese gelangte Sachen. Das macht – nachdem „Zufallsfunde“ heutzutage so gut wie gar nicht mehr vorkommen, weil es jedes Jahr höchstens ein paar Handvoll von Fällen davon gibt, und somit die (restlichen) Bestimmungen von §§ 8 und 9 DMSG in der Verwaltungspraxis weitgehend redundant geworden sind – die Bestimmungen des § 11 DMSG zur primären, archäologisch-denkmalpflegerischen Schutzbestimmung des aDMSG; und in diesem wiederum die Bestimmung des § 11 Abs. 1 zur absolut zentralen Bestimmung. Diese – noch dazu aus archäologischer Sicht sinnvollerweise präventiv gestaltete – Bestimmung ist dann auch logischerweise exakt so zu interpretieren, wie das BDA sie bis zum Erkenntnis des BVwG vom 11.9.2017, W183 2168814-1/2E, auch tatsächlich interpretiert hat: die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 aDMSG gilt dann natürlich für alle vorsätzlichen Grabungen und sonstigen Nachforschung an Ort und Stelle, mit denen der sie Durchführende die Entdeckung von Bodendenkmalen – ob sich diese nun 297 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich noch unter oder bereits an der Erd- bzw. Wasseroberfläche befinden – bezweckt – d.h. auch wenn seine Nachforschungen auf die Entdeckung von Oberflächenfunden ausgerichtet sind – oder bei denen er deren Entdeckung auch nur billigend in Kauf nimmt. Interpretiert man die archäologischen Teile des DMSG als eigenständiges aDMSG, war es also tatsächlich für das BDA rechtlich zwingend erforderlich, meine eingangs dieses Buches geschilderten Anträge auf Erteilung von NFG für eine Oberflächenfundaufsammlung und Ausgrabungen im Garten meiner Eltern in Wien, die zu den genannten Erkenntnissen des BVwG geführt hat (Seiten 8-17) in der Sache zu entscheiden: ich hatte schließlich die Bewilligung dafür beantragt, Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung (und im Erfolgsfall natürlich auch Untersuchung) von Bodendenkmalen an (und im zweiten Fall dann auch unter) der Erdoberfläche durchführen zu dürfen, d.h. eine unter dieser Lesung des aDMSG genehmigungspflichtige Nachforschung geplant. Bis zu ihrem extremen Ende logisch durchgedacht wäre bei dieser Lesung der §§ 8-11 als aDMSG die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG sogar noch weiter auszulegen: sie wäre selbstverständlich auch auf alle jene Grabungen anzuwenden, die nicht vorsätzlich die Entdeckung von Bodendenkmalen bezwecken, sondern diese nur billigend in Kauf nehmen; d.h. auch bei allen sonstigen Erdarbeiten, bei denen Bodendenkmale entdeckt werden könnten. Das BDA dürfte auch wirklich Mitte 2017 im Begriff gewesen sein, seine Interpretation des § 11 Abs. 1 DMSG dieser Logik folgend auch auf z.B. Bauarbeiten auszudehnen, durch die bekannte, aber nicht gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschützte, Bodendenkmale betroffen sind; oder wenigstens gehofft zu haben, dass eine solche noch viel weitergehende Interpretation dieser Bestimmung ebenfalls möglich sei. Das zeigt sich in aller Deutlichkeit daran, dass mir eine anwesende Kollegin aus der archäologischen Fachabteilung des BDA widersprochen hat, als ich – kurz bevor das BVwG sein erstes genanntes Erkenntnis gefunden hat – auf einer alljährlich stattfindenden, internationalen Fachtagung anhand des Falls „Zirkenauer Wald“ (siehe oben Seiten 109-110) dargestellt hatte, dass nicht gem. §§ 2a bzw. 3 DMSG geschützte Bodendenkmale in Österreich von ihrem Eigentümer rechtmäßig gänzlich ohne Bewilligung durch das BDA zerstört werden dürften. Das Argument der Kollegin war dabei, dass die Rechtslage in solchen Fällen keineswegs so wie von mir dargestellt sei, sondern auch in solchen Fällen eigentlich sehr wohl eine Bewilligung gem. § 11 Abs. 1 DMSG erforderlich sei, weil der Grundeigentümer selbstverständlich wisse, dass sich auf seinem Grund Bodendenkmale befinden würden. Diese dürfe er daher keineswegs bewilligungsfrei zerstören. Es sei nur den Besonderheiten des von mir geschilderten Einzelfalls geschuldet, dass in diesem Fall die unbewilligte Zerstörung der betroffenen Bodendenkmale nicht strafbar gewesen sei. In Anbetracht dieser Entgegnung kann also angenommen werden, dass es nicht mehr lange gedauert hätte, ehe das BDA die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auch auf Erdarbeiten zu anderen als archäologischen Entdeckungszwecken ausgedehnt oder wenigstens auszudehnen versucht hätte. Aus der Lesung der Bestimmungen der §§ 8-11 DMSG als separates aDMSG folgt aber auch ebenso zwingend, dass diese auch dann greifen, wenn an der körperlichen Erhaltung der historisch gewachsenen Erscheinung und Substanz der betroffenen Bodendenkmale überhaupt kein öffentliches Interesse besteht: schon die Bestimmungen des § 9 sehen die dauerhafte körperliche Erhaltung zufällig entdeckter Bodendenkmale in situ nicht vor. Vielmehr sehen die Bestimmungen des § 9 Abs. 1 nur eine fünftägige Frist vor, während der die Fundumstände unverändert zu belassen sind, die des Abs. 2 verpflichten Finder im Falle der Gefahr des sonstigen Abhandenkommens der beweglichen Funde zu deren unmittelbarer Bergung, und die des Abs. 3 sehen ebenfalls nur eine zeitweilige körperliche Erhaltung der Denkmale auf bis zu 6 Wochen kraft gesetzlicher Vermutung vor (sofern das BDA sie nicht binnen dieser Frist gem. § 3 unter dauerhaften Schutz stellt); jeweils gekoppelt mit der Möglichkeit für das BDA – im Fall der Fundumstände durch § 9 Abs. 1, im Fall der beweglichen Kleinfunde durch Abs. 4 – die entdeckten Bodendenkmale zu dokumentieren. Die Bestimmungen des 298 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? § 11 hingegen sind mit der Vorstellung einer körperlichen Erhaltung der durch Grabungen entdeckten Bodendenkmale – unter denen unter Voraussetzung eines gegenwärtigen Fachverständnisses vorwiegend die unbeweglichen Befunde bzw. Fundstellen in ihrer Gesamtheit (BDA 2018, 2) zu verstehen sind – ohnehin praktisch komplett unvereinbar: Grabungen zerstören oder verändern schließlich zwangsläufig (siehe § 11 Abs. 5) die körperliche Erscheinung und Substanz dadurch entdeckter und untersuchter Bodendenkmale. Nachdem dann folgerichtig die Bestimmungen der §§ 1 Abs. 1 und 4 Abs. 1 in den als separates aDMSG verstandenen Teilen des Gesetzes auch gar nicht enthalten sind, spielt die Tatsache, dass durch diese die unveränderte körperliche Erhaltung von Denkmalen als gesetzliches Schutzziel ausgewiesen wird, für die Interpretation der archäologischen Bestimmungen praktisch keine Rolle. Die unveränderte körperliche Erhaltung von Denkmalen ist für die als vollkommen separate Kategorie von Sachen angesehenen Funde und Befunde, die in § 8 Abs. 1 als Bodendenkmale definiert werden, bei dieser Lesart des Gesetzes gänzlich irrelevant (und übrigens auch die Tatsache, dass mehr als 100 Jahre alte bewegliche Denkmale im Eigentum der in § 2 Abs. 1 DMSG genannten Eigentümer automatisch kraft gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz stehen; zu den Problemen damit noch gleich Seiten 307319). Daraus lässt sich dann, insbesondere, weil auch ein bedeutender Anteil der Bestimmungen des § 11 DMSG – Abs. 3, 4, 6 und 7 – Meldepflichten, die Übermittlung von Dokumentationsunterlagen und Grabungsberichten und deren Sammlung, wissenschaftliche Dokumentation und Veröffentlichung durch das BDA zum Inhalt hat, sehr leicht die Vorstellung ableiten, dass bezüglich von Bodendenkmalen ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung durch Dokumentation auch und insbesondere dann vorliegt, wenn ihre unveränderte körperliche Erhaltung in situ nicht gewährleistet werden kann. Das bedeutet aber, dass das überwiegende Anliegen des Gesetzgebers die dauerhafte Erhaltung aller in oder über Bodendenkmale tatsächlich existierenden Informationen wäre – d.h. aller Sachen, die den Beschränkungen der §§ 8-11 DMSG auch nur unterliegen könnten, nicht etwa nur solcher, die diesen Beschränkungen auch tatsächlich unterliegen, und allen über diese Sachen existierenden wissenschaftlichen Wissens – und daher auch alle bei jedweder Nachforschung an Ort und Stelle erzeugten Dokumentationen der dort vorkommenden Bodendenkmale sozusagen zum Bestandteil des Bodendenkmals werden, für deren dauerhafte Erhaltung die archäologische Abteilung des BDA – sozusagen als Bodendenkmalzentralarchiv – dann auch verantwortlich ist. Dass das BDA genau dieser Ansicht zu sein scheint, zeigt sich auch deutlich an der nunmehr in der neuen Fassung der Richtlinien in den Vorbemerkungen fett hervorgehobenen Feststellung, dass – weil archäologische Maßnahmen „häufig irreversible Eingriffe in das archäologische Erbe“ darstellen würden, nach denen „nur eher selten unbewegliche Bestandteile des ursprünglichen, authentischen Bodendenkmals an Ort und Stelle“ verbleiben, dabei aber „zumeist bewegliche Bodendenkmale (=archäologische Fundgegenstände und/oder Proben) zutage“ kommen und dabei „in aller Regel Dokumentationsunterlagen“ entstehen – „[d]ie genannten unbeweglichen und beweglichen Bestandteile sowie Dokumentationsunterlagen […] in ihrer Gesamtheit an die Stelle des durch die archäologischen Maßnahmen veränderten oder zerstörten Bodendenkmals (= der archäologischen Fundstelle)“ treten und „dessen – eine geschichtliche Dokumentation ermöglichende Quellenfunktion“ weiterführen und „somit als weiterhin zusammengehörige Elemente des archäologischen Erbes zu betrachten und zu bewahren“ (BDA 2018, 2) sind. Oder anders gesagt: die geborgenen Bestandteile und Dokumentation des in situ zerstörten, ursprünglichen, authentischen Denkmals sind auch für sich allein betrachtet weiterhin ein Bodendenkmal, dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist; die im Medium der Dokumentation angefertigte Kopie ersetzt das Original. 299 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Damit lässt sich dann in weiterer Folge nicht nur eine aktive Erhaltungspflicht für Bodendenkmale unterstellen, sondern diese ist sogar zwingend aus den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 8-11 DMSG abzuleiten: schon § 8 Abs. 1 enthält eine aktive Meldepflicht, § 9 Abs. 1 und 3 erfordern von Verfügungsberechtigten die aktive Unterlassung der von ihnen geplanten Nutzung der entdeckten Bodendenkmale, § 9 Abs. 2 enthält eine aktive Sicherstellungsverpflichtung betreffend entdeckter beweglichen Bodendenkmale, § 9 Abs. 4 verpflichtet Eigentümer beweglicher Bodendenkmale zur ihrer aktiven Überlassung an das BDA für bis zu zwei Jahre, § 10 Abs. 2 spricht von den Kosten von Grabungen und Restaurierungsmaßnahmen, die bei der Berechnung des Ablösepreises bei Ausübung des Vorkaufsrechts durch dazu berechtigte Gebietskörperschaften nicht aufgerechnet werden können, und § 11 verpflichtet NFG-InhaberInnen zu allen möglichen aktiven Melde-, Dokumentationsund Berichtspflichten, die allesamt weit über die durch § 4 Abs. 1 DMSG vorgesehene „passive“ Erhaltungspflicht des Eigentümers gem. §§ 2, 2a oder 3 DMSG geschützter Denkmale hinausgehen. Ist man also schon bei der exzessiv weiten Auslegung der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 als primäres gesetzliches Mittel des Schutzes von Bodendenkmalen durch Dokumentation angelangt, erscheint völlig selbstverständlich, dass man jenem, der eine NFG begehrt, auch alle möglichen sonstigen, dem BDA für die dauerhafte Erhaltung der betroffenen Denkmale durch Restaurierung seiner geborgenen Bestandteile und über die bloße Dokumentation des Zustandes, in dem sie sich bei ihrer körperlichen Zerstörung bzw. Veränderung in situ befunden haben, hinausgehende wissenschaftliche Bearbeitung (bis hin zu einer abschließenden Publikation, wie es die archäologische Fachwelt ohnehin gerne bei allen ausgegrabenen Bodendenkmalen hätte) bzw. die Gewährleistung der dafür anfallenden Kosten bescheidmäßig aufbürden kann. Gleichermaßen folgt daraus, dass man sehr leicht darauf vergessen kann, dass die durch die NFGPflicht verursachten Beschränkungen massiv in die durch Art. 17 Abs. 1 DMSG garantierte Wissenschaftsfreiheit des Antragstellers (wenn man von dieser überhaupt weiß oder an sie denkt) eingreifen, bzw. auf die Ansicht verfallen kann, die Wissenschaftsfreiheit völlig ignorieren zu können, weil man glaubt, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 diese gar nicht berührt. Geht man nämlich davon aus, dass Grabungen und sonstige Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung von Bodendenkmalen eine denkmalpflegerische Erhaltungs- bzw. genauer Ersatzmaßnahme sind, die, wie es das BDA eben nun auch in seinen Richtlinien explizit formuliert, dazu dient, die „eine geschichtliche Dokumentation ermöglichende Quellenfunktion“ (BDA 2018, 2) der betroffenen Bodendenkmale weiterzuführen, und bei der die geborgenen Bestandteile und Dokumentation an dessen Stelle treten – eben das nun nicht mehr in situ erhaltene, ursprüngliche, authentische Denkmal tatsächlich ersetzen – kann man durchaus – wenigstens aus Sicht der Behörde – auf die Ansicht verfallen, dass solche Ersatzmaßnahmen überhaupt keine wissenschaftlichen Forschungen sind, die in den Genuss des Schutzes durch die Wissenschaftsfreiheit kommen könnten. Ziel der denkmalpflegerischen Ersatzmaßnahme wäre ja bei dieser Sichtweise gerade nicht, neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die von der Maßnahme betroffenen Bodendenkmale zu gewinnen, sondern vielmehr nur die in ihm gespeicherten historischen Informationen aus einem Medium – dem ursprünglichen, authentischen Bodendenkmal selbst – in ein anderes Medium – das der denkmalgerechten Dokumentation – zu übertragen. Die durch die Wissenschaftsfreiheit geschützte Erforschung der Bodendenkmale würde hingegen überhaupt erst mit der in der Fachterminologie gewöhnlich als „Nachbearbeitung“ bezeichneten wissenschaftlichen Auswertung der bei den Grabungen oder sonstigen Nachforschungen dokumentierten Daten beginnen, bei der aus diesen eben dann tatsächlich neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen oder bereits früher gewonnene Erkenntnisse bestätigt oder widerlegt werden sollen. Bei dieser Art der Betrachtung könnten Grabungen und sonstige Nachforschungen iSd § 11 Abs. 1 DMSG also im engeren, auch verfassungsrechtlich relevanten, Sinn gar nicht wissenschaftlich sein, 300 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? weil es bei ihnen gar nicht um „die Gewinnung objektiver Erkenntnisse“ (Berka 1999, 343) gehen würde, die für die Wissenschaftlichkeit einer Handlung eine unabdingbare Voraussetzung ist, sondern könnten vielmehr nur in einem sehr erweiterten, übertragenen Sinn als „wissenschaftlich“ bezeichnet werden, weil sie – sozusagen vorwissenschaftlich, in ihrem Kern eigentlich handwerklich oder technisch – für die Erhaltung der Quellen der in ihrer Auswertung dann auch tatsächlich im engeren Sinn wissenschaftlicher Forschungen sorgen. Das gestattet es dann selbstverständlich nicht nur, die Wissenschaftsfreiheit völlig außer Acht zu lassen, weil diese durch handwerkliche bzw. technische Maßnahmen gar nicht berührt wird, sondern selbstverständlich auch, sie – aufgrund der Ermächtigung des Bundes zu Gesetzgebung und Vollzug des Denkmalschutzes durch die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 BV-G – einem staatlichen bzw. behördlichen Monopol zu unterwerfen und die Durchführung aller dieser Maßnahmen – auch wenn diese in der Praxis durch private Dritte durchgeführt werden – als der Behörde und der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben dienende Arbeiten zu sehen. Es ist schließlich die Aufgabe des BDA, die Erhaltung der Quellen der archäologischen Forschung zu gewährleisten und somit jede Arbeit, die dazu beiträgt, eine Hilfsdienstleistung für das BDA, die daher auch so durchzuführen ist, wie das BDA das gerade zu brauchen glaubt: jeder, der solche Arbeiten mit Bewilligung gem. § 11 Abs. 1 DMSG durchführt, arbeitet dann also für und aufgrund der ihm erteilten Bewilligung auch im Auftrag des BDA und hat sich daher auch an vollkommen willkürliche Vorgaben des BDA zu halten. Die Exzesse in der Anwendungspraxis des BDA sind dann die logische Folge. Selbstverständlich ist diese Sichtweise vollkommen unhaltbar und selbstverständlich auch vollkommen unverhältnismäßig, sowohl rechtlich als auch sachlich. Dass der Gesetzgeber Bodendenkmale nicht als eigene, vom Denkmalbegriff des § 1 Abs. 1 DMSG unabhängige, Kategorie von denkmalschutzwürdigen Gegenständen betrachtet oder betrachten wollte und dass er diese auch nicht viel weitreichender als Denkmale iSd § 1 Abs. 1 schützen wollte, geht sowohl aus dem Gesetzestext selbst als auch aus den zugehörigen Regierungsvorlagen der beiden letzten größeren Novellen (RV 1990; 1999) hervor. So z.B. stellt die Regierungsvorlage zum § 10 Abs. 3 DMSG idF BGBl. 473/1990 bezüglich des Schutzes von Bodendenkmalen ganz explizit fest, dass das BDA binnen der schon dort vorgesehenen 6 Wochen Frist bescheidmäßig festzustellen habe, „ob die Gegenstände weiterhin unter Denkmalschutz stehen, andernfalls sie nicht mehr geschützt sind“ (RV 1990, 19-20). Das kann nicht bedeuten, dass sie, wenn diese 6 Wochen Frist abgelaufen sind, nicht nur in ihrer historisch gewachsenen Erscheinung und Substanz nicht mehr geschützt sind, aber dennoch die eventuell über sie angefertigten Dokumentationen nunmehr „an die Stelle“ des „ursprünglichen, authentischen Bodendenkmals an Ort und Stelle“ (BDA 2018, 2) treten und daher dennoch weiterhin erhalten werden sollen. Vielmehr bedeutet die Tatsache, dass sie nicht mehr geschützt sind, dass an ihrer Erhaltung kein öffentliches Interesse iSd § 1 Abs. 2 DMSG besteht und sie daher rechtlich als ganz gewöhnliche Sachen (d.h. nicht mehr als „Denkmale“ iSd § 1 Abs. 1 DMSG) zu betrachten und behandeln sind. Ebenso ist klar, dass der Gesetzgeber das DMSG nicht als zwei voneinander unabhängig zu sehende und nur der Einfachheit halber gemeinsam miteinander verlautbarte Denkmalschutzgesetze betrachtet sehen wollte und will, sondern die „Materie der Bodendenkmale“ entgegen eines früheren Plans, diese tatsächlich separat gesetzlich zu regeln, „besser direkt in das Denkmalschutzgesetz eingearbeitet werden“ (RV 1990, 9) sollte. Dass daher auch die NFG-Pflichtbestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG nicht eine generelle, präventive Schutzbestimmung sein kann und ist, die alle in den Boden oder Grund unter Wasser eingreifenden Arbeiten und sonstigen Handlungen, bei denen die Entdeckung von Bodendenkmalen möglich ist bzw. diese billigend in Kauf genommen wird, einer behördlichen Bewilligungspflicht unterwirft, geht ebenso eindeutig sowohl aus dem Gesetzestext als auch insbesondere der Regierungsvorlage zum DMSG idF BGBl. 473/1990 hervor, die ganz konkret 301 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich davon spricht, dass die Bestimmungen des § 11 DMSG die „Vorgangsweise bei der Durchführung bewilligter wissenschaftlicher Grabungen“ regeln sollen und viele Bestimmungen enthielten, „die eine für die Wissenschaft notwendig geregelte Vorgangsweise“ (RV 1990, 20) vorsähen. Die zuletzt zitierten Erläuterungen in der Regierungsvorlage schließen auch jedwede Möglichkeit aus, die in § 11 Abs. 1 DMSG genannten Grabungen und sonstigen Nachforschungen an Ort und Stelle als in irgendeiner Weise bloß handwerkliche oder technische, aber jedenfalls noch vorwissenschaftliche, denkmalpflegerische Ersatzmaßnahmen zu betrachten, die deshalb die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG gar nicht berühren. Selbstverständlich hat der Gesetzgeber angenommen, dass es hier um eine Regelung von Tätigkeiten geht, die auch im engeren, verfassungsrechtlich relevanten, Sinn als wissenschaftlich (Berka 1999, 343) zu betrachten sind; andernfalls wäre es ja vollkommen absurd, die Möglichkeit eine NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG erteilt zu bekommen vom Abschluss eines einschlägigen wissenschaftlichen archäologischen Universitätsstudiums bzw. idF BGBl. 473/1990 alternativ einer Prüfung vor einer ausschließlich aus FachwissenschafterInnen bestehenden Kommission abhängig zu machen. Es ist hier völlig offensichtlich, dass es bei der Bestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG um eine intentionale Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG geht, durch die der Gesetzgeber die archäologische Feldforschung einer inhaltlichen Fremdbestimmung durch den Staat zu unterwerfen versucht, die jedenfalls eine massive Kollision mit der Wissenschaftsfreiheit verursacht. Ebenso ist es selbstverständlich auch aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht völlig absurd, gerade die wissenschaftliche Untersuchung der wichtigsten Primärquellen der Archäologie – der Funde und Befunde in situ – durch Grabungen und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle als irgendwie rein handwerkliche oder technische, aber jedenfalls vorwissenschaftliche und keinesfalls selbst das für Wissenschaftlichkeit im engeren Sinn erforderliche Niveau erreichen könnende, Quellenerhaltungsoder denkmalpflegerische Ersatzmaßnahme zu betrachten. Gerade die Archäologie wird, sowohl in ihrer innerfachlichen Eigen- als auch der außerfachlichen und öffentlichen Fremdwahrnehmung, wie kaum eine andere Wissenschaft mit ihrer wichtigsten Primärquellenerforschungsmethode, der Ausgrabung, gleichgesetzt (Eggert 2006, 32-3 und Abb. 3.1). Gerade die archäologische Feldforschung, die mehr als alles andere die verschiedenen, traditionell gewöhnlich hauptsächlich räumlich und chronologisch in unterschiedliche größere Forschungsgebiete – bzw. Teilfächer – getrennten, archäologischen Fachbereiche (siehe dazu ebenfalls Eggert 2006) verbindet und damit in gewissem Sinn überhaupt erst zu einer sachlich zusammengehörenden Wissenschaft der Archäologie vereint, aus dem Wirkungsbereich dieser Wissenschaft ausschließen zu wollen, würde nachgerade einer Abschaffung der Wissenschaft der Archäologie gleichkommen. Damit ist aber klar, dass man die §§ 8-11 DMSG nicht als vom Rest des DMSG unabhängiges und separates aDMSG lesen kann, das Bodendenkmale als eigene Kategorie von denkmalschutzwürdigen Sachen weit stärker, aktiv und präventiv vor ihnen drohenden Gefahren schützt, und man die NFGPflicht des § 11 Abs. 1 DMSG daher auch nicht als allgemeine gesetzliche Regelung für denkmalpflegerische Ersatzmaßnahmen zum Zweck der Erhaltung der Bodendenkmale durch Dokumentation, durch welche die Wissenschaftsfreiheit gar nicht berührt wird, interpretieren kann. Damit verstoßen jedoch alle weitreichenden Eingriffe in den ureigenen Kernbereich der Wissenschaftsfreiheit, die insbesondere das BDA in seiner Anwendungspraxis der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG andauernd vornimmt, jedenfalls in allen Fällen, in denen es diese NFG-Pflicht auch auf solche Denkmale anwendet, an deren Erhaltung iSd § 1 Abs. 1 DMSG gar kein iSd § 1 Abs. 4 DMSG rechtswirksames öffentliches Interesse iSd § 1 Abs. 2 besteht, massiv gegen das Übermaßverbot der Bundesverfassung. 302 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Schlussfolgerungen In der überwiegenden Mehrheit aller Fälle wendet also das BDA, wenn es archäologische Grabungen und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung, d.h. der wissenschaftlichen Erforschung, von beweglichen und unbeweglichen Denkmalen unter der Erdbzw. Wasseroberfläche der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG unterwirft, eine verfassungswidrige gesetzliche Bestimmung in noch viel gröber verfassungswidriger Weise an, um eine sachgerechte Dokumentation der betroffenen Denkmale zu erreichen, an deren Anfertigung und Erhaltung gar kein öffentliches, sondern nur ein archäologisch-fachwissenschaftliches Interesse besteht. Zu diesem Zweck greift es insbesondere in seiner Anwendungspraxis in massiver Weise intentional in den Kernbereich der verfassungsgesetzlich garantierten Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG ein, ohne dass ein verfassungsgesetzlich gleichrangig geschütztes Rechtsgut diesen Eingriff rechtfertigt, geschweige denn, dass derartig massive Eingriffe in dieses gar nicht bestehende Schutzgut zum Erreichen des vom Gesetzgeber beabsichtigen Zwecks geeignet, erforderlich oder im engeren Sinn verhältnismäßig wären. Den Schutz der Bodendenkmale, den das BDA durch seine Anwendungspraxis des § 11 Abs. 1 DMSG zu erreichen versucht, erlauben weder die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 BV-G noch die Bestimmungen des DMSG selbst, mit denen der Gesetzgeber schließlich nur die intentionale Zerstörung bzw. Veränderung der historisch gewachsenen Erscheinung und Substanz oder Verbringung ins Ausland von solchen Denkmalen, deren Bedeutung derart beschaffen ist, dass ihr Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verbreitung darstellen würde, verhindern will. Der Gesetzgeber wollte noch nie, und will auch derzeit noch nicht, dass alle auf dem österreichischen Bundesgebiet vorkommenden materiellen Überreste gestaltenden menschlichen Handelns der Vergangenheit – d.h. alle archäologischen Funde und Befunde – vor jeder Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland geschützt und, wenn diese doch nicht verhindert werden kann, wenigstens wissenschaftlich dokumentiert und die dabei dokumentierten Daten in einem vom BDA angelegten staatlichen Zentralarchiv dauerhaft erhalten werden; genauso wenig wie er wollte und will, dass alle Baudenkmale – d.h. alle derzeit auf österreichischen Bundesgebiet zu findenden Bauten – oder auch alle sonstigen Denkmale – d.h. alles Menschenwerk – derart geschützt oder, wenn das nicht möglich ist, durch genaue wissenschaftliche Dokumentation und Archivierung dieser Dokumentation durch das BDA erhalten werden. Vielmehr will er, wie er auch explizit in der Regierungsvorlage zum aktuellen DMSG festgehalten hat, dass das BDA seine „schwierigste Aufgabe“ adäquat erfüllen kann, nämlich „jene Auswahl in jenem Umfang für die Unterschutzstellungen zu treffen, die vom Fachlichen her erforderlich ist und vom Administrativen her bewältigt werden kann“ (RV 1999, 39). Diese Denkmale – die, deren Unterschutzstellung vom Fachlichen her erforderlich ist und vom Administrativen her bewältigt werden kann – will der Gesetzgeber in ihrer historisch gewachsenen Erscheinung und Substanz körperlich – d.h. bei unbeweglichen archäologischen Denkmalen zwangsweise in situ – erhalten, nicht mehr und nicht weniger. So wie die Unterschutzstellung – d.h. das rechtswirksam gewordene öffentliche Interesse an der unveränderten körperlichen Erhaltung des Denkmals in Erscheinung und Substanz – bei anderen als Bodendenkmalen nicht durch die Anbringung einer Gedenktafel oder einer (eine Dokumentation im archäologischen Sinn darstellenden) Fotografie ersetzt werden kann (Bazil et al. 2015, 38), kann daher auch ein Bodendenkmal nicht durch seine sachgerechte archäologische Dokumentation ersetzt werden: der Denkmalschutz „zielt auf die Erhaltung von Denkmalen und nicht von Erinnerungen“ (Bazil et al. 2015, 17) ab, auch in der Archäologie. 303 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich Nachdem bei der Durchführung von invasiven archäologischen Feldforschungen die Erscheinung und Substanz von Denkmalen zwangsläufig verändert oder zerstört wird (§ 11 Abs. 5 DMSG), könnte die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 nur dem Zweck dienen, derartige invasive Nachforschungen zu verhindern, um die dadurch verursachte Zerstörung oder Veränderung von Denkmalen abzuwenden. Das darf der Staat jedoch nur bei gem. §§ 2, 2a oder 3 DMSG geschützten Denkmalen, weil nur deren Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist. Diese wiederum sind aber ohnehin schon durch die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und die damit verbundene Genehmigungspflicht gem. § 5 Abs. 1 DMSG vor Zerstörung oder Veränderung aus egal welchen Zwecken geschützt, ihr zusätzlicher Schutz durch eine spezielle, die wissenschaftliche Forschungsfreiheit intentional beschränkende, NFG-Pflicht kann daher im verfassungsrechtlichen Sinn gar nicht verhältnismäßig sein. An der Erhaltung bereits bekannter Bodendenkmale, die nicht binnen 6 Wochen ab Abgabe der Fundmeldung, durch die sie dem BDA bekannt wurden, unter Denkmalschutz gestellt wurden, besteht nachgewiesenermaßen das für ihre Unterschutzstellung erforderliche öffentliche Interesse nicht und sie dürfen daher zu jedem beliebigen Zweck zerstört oder verändert werden, was eine Beschränkung der Freiheit, sie zu wissenschaftlichen Zwecken zu untersuchen, von vornherein als verfassungswidrig ausschließt. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei Nachforschungen an anderen Orten, von denen noch nicht einmal konkrete Hinweise auf das Vorkommen bedeutender archäologischer Denkmale bekannt sind, derart bedeutende archäologische Denkmale entdeckt werden, dass an deren Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht, ist schließlich so verschwindend gering, dass durch sie sicherlich auch eine nahezu vollständige Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit nicht gerechtfertigt werden oder auch nur ansatzweise im verfassungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig erscheinen könnte. Daraus folgt, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 zwingend sowohl in ihrer derzeitigen Form ein verfassungswidriges Gesetz ist als auch ihre Anwendung durch das BDA verfassungswidriges Verwaltungshandeln darstellt. Die Bestimmung selbst und ihre Anwendung durch das BDA greifen – in nahezu allen Fällen völlig grundlos – massiv in den unmittelbaren Kernbereich der Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG ein und heben diese für über 99,9% aller Grundrechtsträger vollständig auf, während sie für die verbleibenden weniger als 0,1% aller Grundrechtsträger dieses verfassungsgesetzlich garantierte Grundrecht so weit beschränken, dass es praktisch in ein nudum ius verwandelt wird. Schon allein deshalb sind die Bestimmungen zur NFGPflicht des § 11 Abs. 1 DMSG, die noch dazu derzeit vom BDA als hauptsächliches archäologischdenkmalpflegerisches gesetzliches Schutzinstrument benutzt werden, jedenfalls enorm reformbedürftig: sie müssen geändert werden, und zwar mit absoluter Dringlichkeit. Daraus folgt aber nun wieder aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht, dass nicht nur die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG, sondern alle archäologischen Bestimmungen der §§ 8-11 DMSD dringend einer grundlegenden Reform bedürfen. Denn das aus archäologischer Sicht gleichermaßen Lustige wie Traurige an all den bisher geschilderten Problemen mit der NFG-Pflicht ist, dass das, was das BDA mit seiner exzessiven Auslegung der schon per se verfassungswidrigen Bestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG zu erreichen versucht, wenigstens grosso modo – mit Ausnahme des Versuchs des BDA, damit durch die Hintertüre ein staatliches archäologisches Feldforschungsmonopol für sich selbst zu schaffen, das ihm die absolute, auch wissenschaftliche, Kontrolle über alle in Österreich stattfindenden Grabungen und sonstigen Nachforschungen an Ort und Stelle überträgt – nicht (nur) das ist, was das BDA bzw. seine archäologische Fachabteilung will, sondern auch das, was die gegenwärtige archäologische Fachgemeinschaft in Österreich will. Wenigstens ungefähr ist es sogar das, was die österreichische Archäologie im Bereich der archäologischen Denkmalpflege auch wirklich braucht, vielleicht mit gewissen Einschränkungen – vor allem in Bezug auf das verfassungsrechtlich unhaltbare staatliche Feldforschungsmonopol – was die praktische Umsetzung betrifft, aber nicht mit allzu vielen und großen. 304 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Denn tatsächlich ist sich die österreichische archäologische Fachwelt – inklusive der inzwischen hauptsächlich im Ausland tätigen, aber immer noch an ihrer „Heimatarchäologie“ interessierten, Exilösterreicher wie mir – weitgehend einig, dass es funktionierender Mechanismen zur wissenschaftlichen Qualitätssicherung im Bereich der archäologischen Feldforschung, der sachgerechten Ausgrabung und Dokumentation möglichst aller – und zwar eben nicht nur besonders bedeutender – archäologischen Funde und Befunde, egal warum sie wo von wem entdeckt werden, der möglichst dauerhaft gesicherten wissenschaftlichen Zugänglichkeit aller dabei geborgenen beweglichen Bestandteile der in situ bereits teilweise oder vollständig zerstörten Fundstellen und der dauerhaften Erhaltung des Zusammenhangs zwischen den aus diesen geborgenen Funden und der ihnen zugehörigen Dokumentation sowie idealerweise auch tatsächlich deren Archivierung in einem wirklich idealerweise staatlichen Zentralarchiv bedarf. Weil für die langfristige, ja optimalerweise – soweit Dokumentationsunterlagen betroffen sind – sogar wirklich dauerhafte, Erhaltung der Quellen der wissenschaftlichen archäologischen Feldforschung „für die Erforschung durch künftige Generationen von ArchäologInnen“ (Europarat 1992) ist das nämlich wenigstens die beste, wenn nicht sogar einzige, derzeit vorstellbare und auch einigermaßen kostengünstig erreichbare Lösung. Gerade für diese langfristige Erhaltung der archäologischen Forschungsquellen genügt die zivilgesellschaftliche Selbstorganisation, die niemals auch nur annähernd gleichermaßen effektiv wie eine staatliche Lösung funktionieren kann, sicherlich nicht. Im Sinne Dehios (1905, 273) ist genau das daher jener Bereich, in dem das Eingreifen des Staates durch die staatliche Denkmalpflege tatsächlich unerlässlich ist, damit all das Viele und Kleine, das er selbst gar nicht sehen kann, weil er dafür nicht genug Augen hat und auch seine Organe nicht geschmeidig genug sind, auf das es aber dennoch ankommt, auch tatsächlich erhalten werden kann. Gerade das kann man aber nicht dadurch erreichen, dass man möglichst alle Bürger außer graduierten ArchäologInnen aus der archäologischen wissenschaftlichen Feldforschung und der praktischen Denkmalpflege im Feld möglichst auszuschließen und die wenigen graduierten ArchäologInnen, die es gibt, an die kürzest mögliche gesetzliche Kette zu legen versucht, die man irgendwie in das Gesetz, das man hat, hineininterpretieren kann. Man kann es schon gar nicht dadurch erreichen, dass man versucht, alle Macht und Kontrolle im Bereich der archäologischen Feldforschung und Denkmalpflege in den Händen von einem überforderten Dutzend von staatlichen Denkmalpflegern zu konzentrieren, die zwar zweifellos das Beste für die Archäologie und die Forschungen zukünftiger Generationen erreichen wollen, aber dabei hauptsächlich allen anderen und auch sich selbst im Weg stehen. Man kann das nur dadurch erreichen, indem man die, die das auch machen wollen, archäologische Feldforschungen und praktische Denkmalpflege so frei und unbeschränkt als möglich betreiben lässt, damit sie den vom Staat beschäftigten FachbeamtInnen in der archäologischen Abteilung des BDA auch die Informationen liefern können, die diese brauchen, damit sie der ihnen von Gesetzgeber eigentlich aufgetragenen Aufgabe – der wissenschaftlich überlegten Auswahl (RV 1999, 39), welche archäologischen Denkmale nun denn wirklich für Österreich so außergewöhnlich bedeutend sind, dass sie auch tatsächlich dauerhaft körperlich in situ erhalten werden sollen – und hoffentlich auch der Langzeitarchivierung der bei den freien Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung aller anderen archäologischen Denkmale angefertigten Dokumentationen, die ihnen vom Gesetzgeber – in einer neuerlichen grundlegenden Novellierung des DMSG – noch aufzutragen ist, auch wirklich effektiv nachkommen können. Das geht aber mit den derzeit geltenden gesetzlichen Grundlagen nicht, weil das dafür wichtigste Erhaltungsprinzip – das der Erhaltung durch wissenschaftlich sachgerechte Dokumentation – im DMSG noch gar keine Aufnahme gefunden hat, egal wie sehr sich das BDA bemüht, es durch irgendwelche abstrusen Umdeutungen der gesetzlichen Bestimmungen und Belastungen jener, die archäologische Denkmale wissenschaftlich erforschen wollen, doch irgendwie zu etablieren und umzusetzen. Um 305 Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich dieses Prinzip im DMSG zu verankern, muss man das Gesetz grundlegend ändern und auch in seinem Wortlaut explizit feststellen, dass Erhaltung durch Dokumentation – wenn auch nicht für andere Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG, dann doch wenigstens für archäologische Funde und Befunde – tatsächlich eine geeignete und auch erforderliche Erhaltungsmaßnahme ist; weil es im archäologischen Denkmalschutz eben nicht primär um die körperliche Erhaltung von Denkmalen, sondern vielmehr primär um die Erhaltung der in der Denkmalsubstanz gespeicherten archäologischhistorischen Informationen geht, wobei die Substanz zur Gewinnung dieser Informationen eventuell sogar zerstört werden muss. Nur eine solche Änderung wird es ermöglichen, dem archäologischen Denkmalschutz, den die heutige Archäologie will und für erforderlich hält, wenigstens näher zu kommen oder ihn vielleicht sogar zu erreichen. 306 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Rechtswidrige Denkmalpflege in (öffentlichen) Museumssammlungen Ehe wir zum Schluss dieser Realsatire kommen, gilt es noch, sich einem weiteren Punkt zu widmen: der rechtswidrigen Denkmalpflege in (öffentlichen) Museumssammlungen. Denn diese ist in der derzeitigen Praxis unter der gegenwärtigen Rechtslage, wenigstens in Österreich, der Bereich, in dem vermutlich die meisten Fälle von Denkmalschutzgesetzverletzungen vorkommen: nämlich bei der ganz normalen, alltäglichen Arbeit von Museumskuratoren und Restauratoren. Also der Herr Karl, jetzt ist ihm auch noch das letzte Rad abgegangen! Jetzt faselt er schon daher, dass die alltägliche Arbeit von Kuratoren und Restauratoren rechtwidrig ist! Hat er sie noch alle? Wir wissen doch alle, dass Kuratoren und Restauratoren in Museen nur brav ihre Sammlungsobjekte erhalten und dabei genau die Arbeit machen, die sie machen sollen, damit die archäologischen Denkmale erhalten bleiben. Das kann doch gar nicht rechtswidrig sein! Naja. Vielleicht ist es doch nicht ganz so einfach… Denkmalschutzvergehen in österreichischen öffentlichen Museen Natürlich kümmern sich österreichische Sammlungskuratoren und Restauratoren in öffentlichen Museen normalerweise (wenigstens im Rahmen ihrer Möglichkeiten) bestmöglich darum, die ihnen anvertrauten Sammlungsobjekte zu erhalten; wie es ihnen auch von ihren jeweiligen Dienstgebern aufgetragen wird (auch wenn es vielleicht manchmal gewisse Mängel bei den Erhaltungsbedingungen gibt: keine Sorge, darüber will ich hier gar nicht reden). Auch der beste Sammlungskurator oder Restaurator kann nicht mit unzureichenden Mitteln mehr machen, als den Verfall der ihm anvertrauten Sammlung so sehr zu verlangsamen als möglich; das kann schließlich nicht einmal das BDA, wie sich bei Sammlungsrevisionen gelegentlich auch zeigt: „Es stellte sich bald heraus, dass bereits restaurierte Eisenobjekte zum Teil gravierenden Schaden genommen haben.“ (Marius 2011, 32). Natürlich machen die Kuratoren und Restauratoren in österreichischen öffentlichen Museen das, was sie im Auftrag ihres jeweiligen Arbeitgebers tun sollen: sie archivieren archäologische Denkmale, konservieren und restaurieren sie, untersuchen sie wissenschaftlich und bereiten sie museal auf, damit die Öffentlichkeit auch maximalen Nutzen aus ihnen ziehen kann; und wenigstens in der überwiegenden Mehrheit aller Fälle machen sie das auch hervorragend. Das ändert aber leider nichts daran, dass das, was sie so gut sie können tun, nichtsdestotrotz rechtswidrig ist. Im DMSG regelt § 2 die „Vorläufige Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung“, eine der in § 1 Abs. 4 DMSG festgesetzten Arten, wie das öffentliche Interesse an der Erhaltung von Denkmalen iSd § 1 Abs. 1 und 3 (Ensembles und Sammlungen) rechtswirksam wird. Spezifisch wird in diesem Paragrafen in seinem ersten Absatz festgestellt: „Bei Denkmalen gemäß § 1 Abs. 1 und 3, die sich im alleinigen oder überwiegenden Eigentum des Bundes, eines Landes oder von anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten, Fonds sowie von gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgesellschaften einschließlich ihrer Einrichtungen befinden (sowie bei Denkmalen, auf die die Bestimmungen des § 6 Abs. 1 zweiter und dritter Satz zur Anwendung kommen), gilt das öffentliche Interesse an ihrer Erhaltung so lange als gegeben (stehen solange unter Denkmalschutz), als das Bundesdenkmalamt nicht auf Antrag einer Partei (§ 26f) auf Feststellung, ob die Erhaltung tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist oder nicht, bzw. von Amts wegen (Abs. 2) eine bescheidmäßige Entscheidung über das tatsächliche Vorliegen des öffentlichen Interesses getroffen hat (Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung). Diese gesetzliche Vermutung gilt auch dann, wenn das alleinige oder überwiegende Eigentum juristischer Personen gemäß 307 Rechtswidrige Denkmalpflege in (öffentlichen) Museumssammlungen dem ersten Satz lediglich durch eine Mehrheit der Miteigentumsanteile der genannten Personen zustande kommt“ (§ 2 Abs. 1 Z 1 DMSG). Grundsätzlich stehen also alle Museumssammlungen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum einer der Gebietskörperschaften oder einer anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaft (etc.) stehen, automatisch unter Denkmalschutz, so lange das BDA nicht explizit festgestellt hat, dass dem nicht der Fall ist. Nachdem auch jeder einzelne Bestandteil eines Denkmals automatisch mit unter Denkmalschutz steht, wenn die Sache bzw. Sachgesamtheit, zu der er gehört, unter Denkmalschutz steht (§ 1 Abs. 9), unterliegt also fraglos auch jedes einzelne Sammlungsstück in einer kraft gesetzlicher Vermutung automatisch denkmalgeschützten Sammlung allen Schutzbestimmungen des DMSG; wenigstens sofern es nicht explizit davon ausgenommen wird. Eine solche generelle Ausnahme findet sich auch tatsächlich in der der soeben zitierten unmittelbar folgenden Bestimmung: „Die Vermutung gilt nicht für Gebrauchsgegenstände, die in größerer Menge industriell oder handwerklich hergestellt wurden und weniger als 100 Jahre alt sind, es sei denn, es handelt sich um mitgeschützte Bestandteile oder Zubehör im Sinne des § 1 Abs. 9 eines unter Denkmalschutz stehenden Objekts. Ausgenommen von dieser gesetzlichen Vermutung sind auch Park- und Gartenanlagen gemäß § 1 Abs. 12 hinsichtlich jener Teile, die aus gestalteter Natur bestehen“ (§ 2 Abs. 1 Z 2 DMSG). Diese Ausnahmebestimmung nimmt allerdings die überwältigende Mehrheit aller in archäologischen Sammlungen befindlichen archäologischen Denkmale (d.h. hauptsächlich die in diesen vorwiegend gesammelten beweglichen Kleinfunde) nicht aus der Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung aus: praktisch alle in diesen Sammlungen enthaltenen archäologischen Denkmale sind weder in größerer Menge industriell oder handwerklich hergestellt worden und sind vor allem in nahezu allen Fällen weit über, und nicht weniger als, 100 Jahre alt. Der Wortlaut stellt dabei, wie man leicht zu erkennen vermag, auf das absolute Alter des Gegenstandes ab: ist er über 100 Jahre alt, steht er kraft gesetzlicher Vermutung gem. § 2 Abs. 1 Z 1 unter Denkmalschutz. Es nutzt also nicht einmal etwas, wenn man das argumentieren wollen würde, dass der konkrete Gegenstand, um den es geht, eventuell erst am Tag davor gefunden und erst soeben der öffentlichen Sammlung einverleibt wurde, ist er so alt, dass der die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 1 Z 2 nicht erfüllt, dann steht er unter Denkmalschutz, bis das BDA nicht explizit das Gegenteil festgestellt hat. Nicht, dass es viel nützen würde, wenn man mit dem Eigentumserwerbsdatum durch die öffentliche Hand argumentieren wollen würde: viele der wichtigsten archäologischen Museumssammlungsobjekte in Österreich, wie z.B. die überwältigende Mehrheit der eindrucksvolleren Funde aus dem Gräberfeld von Hallstatt oder die Venus von Willendorf im Naturhistorischen Museum in Wien (NHM) wurden schon im 19. oder spätestens im frühen 20. Jahrhundert (vor 1919) von der öffentlichen Hand erworben. Das gilt auch für die Mehrheit der Landesmuseen, die ebenfalls Großteils im 19. Jahrhundert gegründet wurden und daher viele archäologische Sammlungsobjekte haben, die vor über 100 Jahren vom Land erworben wurden. Auch die Zeitablaufbestimmung der Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung des § 2 Abs. 4 spielt für archäologische Museumssammlungen keine Rolle. Denn diese betrifft nur unbewegliche Denkmale im Eigentum der Gebietskörperschaften (etc.), nicht bewegliche Kleinfunde in Sammlungen. Bewegliche archäologische Denkmale in Museumssammlungen, die sich in öffentlichem Eigentum befinden, stehen also in jedem Fall kraft gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz. Nachdem de facto alle archäologischen Sachen, die in einer archäologischen Museumssammlung sind, von ihrem Fundort dorthin gebracht werden mussten, ist davon auszugehen, dass alle in 308 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? archäologischen Museumssammlungen enthaltenen archäologischen Denkmale rechtlich als bewegliche Denkmale zu betrachten sind. Das führt nun aber zu einer Reihe von Problemen. Dabei können wir auf die Betrachtung des Problems mit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1, die bis zum eingangs erläuterten Erkenntnis des BVwG vom 11.9.2017 zu Zahl W183 2168814-1/2E bestanden hätte, wenn das BDA sie tatsächlich gleichheitsgrundsatzgemäß auf alle „Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale“ (§ 11 Abs. 1 DMSG) gleichermaßen angewendet hätte, glücklicherweise inzwischen verzichten. Dennoch, nur zur Darstellung, was es bedeutet hätte, wenn man das so auslegen hätte können, wie das BDA das behauptet hat: bewegliche Kleinfunde in Museumssammlungen sind, wie soeben ausgeführt, zweifellos Denkmale, die den Bestimmungen des DMSG unterliegen. Damit hätte aber nicht nur jede Nachforschung an Ort und Stelle zum Zweck ihrer Entdeckung, sondern auch jede Nachforschung an Ort und Stelle zum Zweck ihrer Untersuchung einer Bewilligung des BDA gem. § 11 Abs. 1 bedurft. Das aber wiederum hätte bedeutet, dass der Museumskurator, bevor er mit Forschungsabsicht eines seiner Sammlungsobjekte betrachtet hätte, eine solche Bewilligung für die konkrete, von ihm geplante Untersuchung beantragen und deren bescheidmäßige Bewilligung abwarten hätte müssen, ehe er seine Nachforschungen zum Zwecke der Untersuchung dieses Denkmal durchführen hätte dürfen. Denn mit „an Ort und Stelle“ ist ja zweifellos der Ort gemeint, an dem sich das betreffende Denkmal auch tatsächlich befindet; es muss daher gleich behandelt werden, ob es sich in einer Museumssammlung befindet oder noch auf einem beliebigen Acker liegt. Im Fall der Zuwiderhandlung, d.h. der unbewilligten Nachforschung zum Zwecke der Untersuchung eines beweglichen Kleinfundes durch den dafür von der öffentlichen Hand beschäftigten Museumskurator, hätte dieser nicht nur die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 verletzt, er wäre auch gem. § 37 Abs. 2 Z 2 mit Geldstrafe bis € 25.400 zu bestrafen gewesen. Man kann da nur sagen: Gott sei Dank hat das BVwG ein Einsehen gehabt und festgestellt, dass man den Nebensatz „unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ (§ 11 Abs. 1) nicht einfach so vernachlässigen kann, wie es das BDA gerne bei Nachforschungen zum Zweck der Entdeckung von archäologischen Denkmalen getan hat. Ebenso entgehen die Museumskuratoren und Restauratoren der Bewilligungspflicht des § 11 Abs. 8 DMSG, wenigstens solange sie die geschützten Denkmale in ihren archäologischen Sammlungen nicht mit Metall- oder sonstigen Bodensuchgeräten, sondern nur mit anderen technischen Suchgeräten wie digitalisierten Katalogen und Scannern zum Lesen von auf Archivbehältern aufgeklebten Barcodes suchen, wenn sie eines davon zur wissenschaftlichen Untersuchung, Ausstellung oder Konservierung ausheben wollen. Denn die Bewilligungspflicht des § 11 Abs. 8 gilt zwar auch für geschützte „Bodendenkmale“, die sich nicht mehr unter der Erdoberfläche befinden, aber schränkt wenigstens die bewilligungspflichtigen Suchhandlungen explizit auf solche mit den soeben genannten Bodensuchgeräten ein und schließt somit die Verwendung anderer technischer Hilfsmittel aus dieser Genehmigungspflicht aus. Aber leider hat es sich damit keineswegs. Denn wir dürfen nicht vergessen: bei den in archäologischen Museumssammlungen befindlichen archäologischen Denkmalen handelt es sich um solche, die kraft gesetzlicher Vermutung automatisch bis zur expliziten Feststellung des Gegenteils durch das BDA unter Denkmalschutz stehen. Damit ist auch das Verbot von Zerstörung und Veränderung von Denkmalen des § 4 Abs. 1 DMSG vollinhaltlich auf die Sammlungsobjekte anzuwenden. Dieses Verbot lautet: 309 Rechtswidrige Denkmalpflege in (öffentlichen) Museumssammlungen „Bei Denkmalen, die unter Denkmalschutz stehen, ist die Zerstörung sowie jede Veränderung, die den Bestand (Substanz), die überlieferte (gewachsene) Erscheinung oder künstlerische Wirkung beeinflussen könnte, ohne Bewilligung gemäß § 5 Abs. 1 verboten“ (§ 4 Abs. 1 DMSG). Eine Ausnahmebestimmung von dieser Regelung für archäologische Objekte in einer im öffentlichen Eigentum stehenden Museumssammlung gibt es weder in § 4 noch in irgendeiner anderen Bestimmung des DMSG. Sie gilt also uneingeschränkt auch für alle ipsa lege denkmalgeschützten beweglichen Kleinfunde in archäologischen Sammlungen in öffentlichen Museen. Das stellt nun aber sowohl Restauratoren als auch Kuratoren vor ein bedeutendes Problem. Denn es bedeutet, dass der Museumskurator und/oder Restaurator, ehe er irgendeine Handlung vornimmt, die einen in der Museumssammlung, für die er verantwortlich ist, enthaltenen archäologischen Fund auch nur in irgendeiner Weise verändert, einer bescheidmäßigen Genehmigung dieser Handlung durch das BDA gem. § 5 Abs. 1 DMSG bedarf. Dabei genügt es völlig, dass die von ihm vorgenommene Veränderung nur das überlieferte („gewachsene“) Erscheinungsbild des betreffenden Denkmals beeinflussen könnte; d.h. ein Eingriff in die Substanz des betreffenden Denkmals ist gar nicht erforderlich. Das bedeutet nun aber, dass, wenn der Kurator eine seiner Sammlung einverleibte, vollkommen aussagenlose Wandscherbe eines schon tausendfach bekannten Gefäßes, z.B. ein Stück eisenzeitliche Kammstrichkeramik, die es in sehr großer Zahl gibt, mit einem Lackstift oder Tusche beschriftet (und das eventuell gar auf einer eigens dafür aufgetragenen Lackschicht), er dafür einer Bewilligung des BDA gem. § 5 Abs. 1 bedarf. Schließlich verändert er damit das überlieferte Erscheinungsbild des betreffenden Denkmals, er beeinflusst es also, nicht nur möglicherweise, sondern sicher. Gleichermaßen bedarf der Restaurator einer solchen Bewilligung, wenn er die Scherben dieses Kammstrichgefäßes zusammenklebt und eventuell gar – Gott behüte – Fehlstellen mit dazu geeigneter Füllmasse ausfüllt: damit hat auch er sicherlich das gewachsene Erscheinungsbild der wieder zu einem Topf zusammengefügten Denkmale maßgeblich verändert; denn ihr gewachsenes Erscheinungsbild war der zerscherbte Zustand, in dem sie aufgefunden wurden, nicht der restaurierte Zustand, in dem sie sich nach dieser Veränderung befinden. Das Veränderungsverbot des § 4 Abs. 1 DMSG betrifft sicherlich auch die Entnahme von Materialproben für naturwissenschaftliche Untersuchungen von Sammlungsstücken, d.h. der Kurator sollte besser darauf Acht geben, dass er keinen der ihm anvertrauten Funde so behandelt, ohne nicht vorher – und zwar für jeden Einzelfall – eine Bewilligung des BDA gem. § 5 Abs. 1 DMSG dafür erhalten zu haben. Dass der Restaurator besser gar nicht erst auf die Idee verfällt, z.B. einen korrodierten Metallfund zu restaurieren, um „im Sinne der Charta von Venedig »die ästhetischen und historischen Werte (…) bewahren und erschließen«“ (BDA 2016b, 10) zu versuchen, ohne dafür jedenfalls zuvor eine Bewilligung des BDA gem. § 5 Abs. 1 erteilt bekommen zu haben, versteht sich ganz von selbst: schließlich verändert er damit nicht nur das historisch gewachsene Erscheinungsbild dieses Denkmals maßgeblich, sondern greift sogar in seinen Bestand (seine Substanz) ein, zu dem ja auch die Korrosionsschicht gehört. Dass es sich bei einer Restaurierung um eine über die bloße Erhaltung des betreffenden Gegenstandes hinausgehende Maßnahme und somit zwingend um eine Veränderung des betroffenen Denkmals handeln muss, geht auch unmittelbar aus den Standards für die konservatorische Behandlung von archäologischen Funden des BDA (2016b, 10) hervor; das BDA hat sich in dieser Beziehung also sogar schon in einer für genau diese Frage besonders relevanten amtlichen Emanation festgelegt; auch wenn diese Standards nicht unbedingt verpflichtend einzuhalten sind, solange sie nicht ihrerseits bescheidmäßig als Auflage vorgeschrieben werden. 310 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Nun ist aber jede Zuwiderhandlung gegen die Genehmigungspflicht von Veränderungen und Zerstörungen geschützter Denkmale des § 4 Abs. 1 DMSG nicht nur eine Verwaltungsübertretung iSd Strafbestimmung des § 37 Abs. 2 Z 1, die in jedem Einzelfall mit Geldstrafe von bis zu € 50.800 zu ahnden wäre. Eine solche Zuwiderhandlung ist vielmehr auch in jedem Einzelfall als schwere Sachbeschädigung iSd § 126 Abs. 1 Z 3 österreichisches Strafgesetzbuch (StGB) zu bestrafen, ein Vergehen iSd § 17 Abs. 2 StGB, dass mit bis zu zwei Jahren Haftstrafe zu ahnden ist. Tatsächlich können unter der derzeitigen Rechtslage die österreichischen archäologischen Museumskuratoren und Restauratoren nur hoffen, dass – sofern sie nicht für jede einzelne der oben genannten Handlungen, die sie in ihrer alltäglichen Arbeit über die letzten Jahre und Jahrzehnte gesetzt haben, eine Genehmigung des BDA gem. § 5 Abs. 1 DMSG beantragt und zum Zeitpunkt, als sie diese Handlungen gesetzt haben, auch schon vorliegen hatten, oder wenigstens iSd § 4 Abs. 2, sofern es sich dabei um unbedingt notwendige Absicherungsmaßnahmen gehandelt hat, wenigstens gleichzeitig dem BDA angezeigt haben – ihre wiederholten dementsprechenden Handlungen nicht kumulativ als eine fortgesetzte, die denkmalgeschützte Sammlung in ihrer Gesamtheit betreffende Handlung betrachtet werden können und damit an ihrer Sammlung kumulativ nicht mehr als € 300.000 Schaden angerichtet haben. Denn kann man ihre tagtägliche, ihnen von ihrem Dienstgeber aufgetragene Arbeit, sofern sie unbewilligt durchgeführt wurde, als nicht bewilligte kumulative Veränderung ihrer Sammlung betrachten, die mehr als € 300.000 Schaden angerichtet hat, würden sogar die Strafbestimmungen des § 126 Abs. 2 StGB anzuwenden sein; d.h. die Kuratoren und Restauratoren hätten iSd § 17 Abs. 1 StGB sogar potentiell ein Verbrechen begangen, das im Einzelfall gem. § 126 Abs. 2 StGB mit sechs Monaten bis zu fünf Jahren Haftstrafe zu ahnden wäre. Schlimmer noch, Museumskuratoren können nicht einmal jener ihrer Kernaufgaben nachkommen, die für eine erfolgreiche Sammlungstätigkeit gänzlich unvermeidlich ist, nämlich der Auslese bzw. Deselektion solcher Sammlungsobjekte, die im Sinne der Sammlungsstrategie des betreffenden Museums nicht (mehr) als sammlungstauglich zu betrachten sind (Perrin et al. 2014, 25; Karl 2015; 2016c; ICOM 2017, 12-3), ohne dafür in jedem Einzelfall eine Bewilligung des BDA gem. §§ 5 Abs. 1 oder 6 Abs. 1 DMSG erteilt bekommen zu haben. Dies gilt unabhängig davon, ob die betreffenden archäologischen Denkmale bereits in die Sammlung des betreffenden Museums eingegliedert worden sind, oder ob eine solche erst in der Eingangsbegutachtung in Betracht gezogen wird: damit der Kurator überhaupt entscheiden darf, ob ein (mögliches) Sammlungsobjekt für die (wenigstens auf Dauer geplante) Aufnahme in seine Sammlung geeignet ist oder ob es ausgeschieden und der Vernichtung überlassen bzw. veräußert werden soll, muss sich das betreffende archäologische Denkmal ja bereits im Eigentum der Gebietskörperschaft (etc.) befinden, in deren Sammlung es – wenn das der Sammlungsstrategie des betreffenden Museums entspricht – möglicherweise aufgenommen werden soll. Damit steht es jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt automatisch gem. § 2 Abs. 1 DMSG unter Denkmalschutz und seine Zerstörung bzw. Veränderung ist daher bereits gem. § 5 Abs. 1 und seine Veräußerung gem. § 6 Abs. 1 DMSG bewilligungspflichtig. Das Gleiche gilt selbstverständlich auch für Sammlungsobjekte, die schon Teil der Sammlung, aber so verfallen, sind, dass ihre weitere Erhaltung als Sammlungsobjekt nicht mehr möglich erscheint. In diesem Zusammenhang scheint es einigermaßen verwunderlich, dass die Abteilung für Archäologie in ihren alljährlichen Tätigkeitsberichten in den FÖ (z.B. Hebert & Hofer 2009; 2014) nicht in seinen Fallzahlstatistiken angibt, wie viele Genehmigungen gem. §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 DMSG es für solche Fälle ausstellt. Denn – nachdem meines Wissens bisher noch kein einziger österreichischer archäologischer Museumskurator oder Restaurator von der Polizei abgeholt und in Untersuchungshaft gesteckt wurde, weil er der schweren Sachbeschädigung des § 126 StGB verdächtig war – es müssen ja alljährlich tausende solche Fälle vom BDA entschieden und vor allem 311 Rechtswidrige Denkmalpflege in (öffentlichen) Museumssammlungen fachlich von dessen Abteilung für Archäologie amtsbegutachtet werden, was in Anbetracht der Tatsache, dass die Kuratoren und Restauratoren für jedes einzelne Denkmal, das sie derart verändern oder zerstören wollen, iSd § 5 Abs. 1 die Gründe darlegen müssen, die für die Veränderung bzw. Zerstörung des betreffenden Denkmals sprechen und das BDA amtswegig alle weiteren Gründe erheben muss, die für und wider die beantragte Veränderung bzw. Zerstörung sprechen, ehe überhaupt eine bescheidmäßige Entscheidung gem. § 5 Abs. 1 getroffen werden kann, eine erhebliche Anzahl an Verfahren auslösen müsste, die jedenfalls ausreichenden zeitlichen wie personellen Aufwand verursachen müssten, um in der Statistik Niederschlag zu finden. Und das Veräußerungsbewilligungsverfahren nach § 6 DMSG scheint kaum weniger aufwändig zu sein. Das muss also eine Heidenarbeit sein, die sowohl unendlich viel Arbeitszeit der Kuratoren und Restauratoren verbraucht, die schließlich – selbst wenn dies in einem größeren Sammelantrag geschieht – dafür zuerst einmal jedes betroffene Denkmal exakt beschreiben und dann für jedes einzelne davon die Gründe darstellen müssen, die für seine Veränderung bzw. Zerstörung sprechen; als auch die FachbeamtInnen im BDA ausgiebig beschäftigt, die schließlich dann jeden einzelnen dieser Gegenstände und die bezüglich diesem vorgeschlagenen Veränderungs- bzw. Zerstörungsmaßnahmen sachverständig begutachten müssen. Man wundert sich also hochgradig, dass sich nicht sowohl die Kuratoren und Restauratoren als auch die Fachbeamten in der Abteilung für Archäologie ununterbrochen massiv darüber beschweren, dass ihnen der Gesetzgeber diese völlig sinnlose Bürokratie aufgetragen hat, die alle auf beiden Seiten des bürokratischen Prozesses von ihrer eigentlichen, wirklich wichtigen Arbeit abhält, für die die öffentliche Hand noch dazu beide Seiten bezahlt. Weil daran, dass das Zerstörungs- bzw. Veränderungsverbot des § 4 Abs. 1 DMSG und die Genehmigungspflicht für solche Zerstörungen bzw. Veränderungen des § 5 Abs. 1 und das Veräußerungsverbot des § 6 Abs. 1 – die wichtigsten Schutzbestimmungen für geschützte Denkmale überhaupt, die in diesem Gesetz enthalten sind – einfach in der Handhabungspraxis von beiden betroffenen Seiten einfach ignoriert wird, daran kann es ja wohl nicht liegen, oder? Auch kann es unmöglich sein, dass das BDA nicht weiß, dass Museumskuratoren und Restauratoren die genannten Handlungen dauernd setzen, weil sicher auch die Fachbeamten der Abteilung für Archäologie, selbst wenn sie selbst nie in einem Museum gearbeitet haben, ausreichende Ahnung davon haben, was in archäologischen Museumssammlungen alltägliche Arbeit ist, oder? Schon allein, weil es völlig offensichtlich ist, wenn man auch nur einmal in seinem Leben eine archäologische Ausstellung in einem im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Museum besucht hat und von der Materie auch nur das Mindeste versteht, dass diese Arbeiten im Hintergrund vor sich gehen müssen. Natürlich wird das DMSG in Österreich derzeit vom BDA nicht so angewendet, weil das natürlich völlig absurd wäre. Aber das macht die Sachlage um nichts besser, sondern nur noch schlechter. Egal ob man im BDA jetzt nur nicht daran gedacht hat, dass die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 Z 1 iVm §§ 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 es eigentlich erforderlich machen, jede Veränderung oder Zerstörung eines archäologischen Sammlungsstückes, das im öffentlichen Eigentum steht, durch einen separaten Rechtsakt des BDA zu genehmigen; oder ob man einfach im BDA vorsätzlich darauf verzichtet, diese absurde Folge des wiederholten Herumdokterns an den gesetzlichen Bestimmungen des DMSG auch tatsächlich zur Anwendung zu bringen, wie man es eigentlich streng rechtlich gesehen müsste; beides ist inakzeptabel. Denn Ersteres würde zeigen, dass das BDA bei der Wahrnehmung seiner Amtspflichten hochgradig inkompetent ist, weil es nicht einmal versteht, dass die Schutzvorschriften des DMSG auch tatsächlich auf alle geschützten Denkmale gleichermaßen anzuwenden sind; während Zweiteres eine gravierende Missachtung der dieser Behörde übertragenen Verantwortung, das Gesetz, wie es ist, zu vollziehen (auch wenn das vollkommen sinnlos ist), darstellen würde, was eine gravierende Dienstpflichtverletzung wäre. Davon abgesehen würde es schon wieder den 312 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Gleichheitsgrundsatz der Bundesverfassung verletzen, weil das BDA eben gerade nicht gleiche Sachverhalte auch rechtlich gleich behandeln würde, sondern einfach willkürlich Gleiches ungleich behandeln würde, wie es ihm gerade gefällt. Damit sind wir schon wieder im Bereich der wenigstens objektiven, wenn nicht sogar subjektiven, Willkür (Berka 1999, 546-7). Gerade im österreichischen archäologischen Museumssektor dürfte es also rechtswidrige Denkmalpflege zuhauf geben, weil einerseits die Kuratoren und Restauratoren in im öffentlichen Eigentum stehenden Museumssammlungen das Veränderungs- bzw. Zerstörungsverbot des § 4 Abs. 1 DMSG für gem. § 2 Abs. 1 automatisch geschützte Denkmale und die Genehmigungspflicht gem. § 5 Abs. 1 für alle solche Denkmale verändern oder zerstören könnenden Handlungen missachten und andererseits das BDA diese systematischen und alltäglich wiederholten Verstöße gegen Bestimmungen des DMSG und StGB überhaupt nicht ahndet und somit seine Dienstpflichten verletzt. All das, weil sich niemand ernsthaft überlegt zu haben scheint, wie die mehrfach veränderten Bestimmungen des DMSG nach den jeweiligen Veränderungen noch zusammenpassen und was aus den veränderten Bestimmungen im Zusammenspiel mit anderen im Gesetz enthaltenen Bestimmungen rechtlich folgt. Wirklich: bravo, eine herausragende Leistung! Wege zur Lösung der rechtswidrigen musealen Denkmalpflege Natürlich war in Österreich das DMSG vom Gesetzgeber nie dafür gedacht worden, dass Museumskuratoren und Restauratoren, die für und in im öffentlichen Eigentum stehenden archäologischen Museumssammlungen arbeiten, ihre alltägliche Arbeit nur dann machen können, wenn sie vor zahllosen der alltäglichen Handlungen, die sie setzen müssen, um die ihnen anvertrauten Sammlungsobjekte auch tatsächlich erhalten, archivalisch und auch museal nutzbar machen zu können, einen Haufen Bürokratie erledigen, die keinerlei wirklichen Zweck und Nutzen hat und auch administrativ gar nicht sinnvoll bewältigt werden kann. Und tatsächlich kann man sich um die gesetzlichen Bestimmungen, die es nun – nach langem Herumdoktern an einzelnen Bestimmungen – tatsächlich gibt, irgendwie dadurch herumschummeln, dass man so tut, als ob die Beschriftung eines archäologischen Fundes mit einer Fundnummer, die Entnahme einer Probe seiner Substanz oder auch die Restaurierung von Fundgegenständen für ihre museale Nutzung keine „maßgebliche“ Veränderung seiner Substanz oder seines Erscheinungsbildes darstellt, sondern so insignifikant ist, dass das Veränderungsverbot des § 4 Abs. 1 DMSG nicht verletzt und somit die Bewilligungspflicht des § 5 Abs. 1 gar nicht auf solche unmaßgeblichen Veränderungen anwendbar wird. Irgendwie kann man sich schließlich in der administrativen Praxis das Gesetz so richten, dass es doch passt, z.B. indem man in einem solchen Fall einfach so tut, als ob die Restaurierung eines korrodierten Metallfundes „bestimmte Denkmalwerte, die – aus welchen Gründen auch immer – verborgen oder beeinträchtigt sind“ (BDA 2016b, 10) wieder anschaulich macht; d.h. so tut, als ob nur die denkmalwertverringernde, aber nicht die denkmalwertvergrößernde oder besser veranschaulichende Veränderung durch die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 verboten wäre, auch wenn das tatsächlich dem Wortlaut des Gesetzes so nicht zu entnehmen ist. Man muss schließlich nur in diesem Fall eine teleologische Auslegung wählen: es ist ja letztendlich das Ziel des DMSG, besonders bedeutende Denkmale als Allgemeinwohlgut zu erhalten; was voraussetzt, dass man das Denkmal auch so aufbereitet, dass es die Allgemeinheit auch tatsächlich nutzen kann; und auch die Vergrößerung oder wenigstens Veranschaulichung des Denkmalwerts des Denkmals jedenfalls mehr dem Allgemeinwohl dient als seine bloße Erhaltung in dem Zustand, in dem es sich zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung befunden hat. Dennoch, ideal ist das nicht, vor allem, wenn man in anderen Kontexten das Gesetz gerade nicht teleologisch auslegen will, sondern stattdessen eine andere Art der Auslegung wählen möchte, die der 313 Rechtswidrige Denkmalpflege in (öffentlichen) Museumssammlungen zuständigen Behörde in diesem anderen Kontext besser in den Kram passt, wie schon in den weiter oben dargestellten Fällen. Eine auch rechtlich sauberere Lösung, die eine einheitliche Lesart aller Bestimmungen erlaubt, wäre daher auch dafür wünschenswert. Spezifische Ausnahmeregelungen Die einfachste Lösung für dieses Problem wäre es, eine spezifische Ausnahmeregelung in das DMSG zu schreiben, mit der es aus der Welt geschafft werden kann. Genau das macht z.B. das DSchG-BW mit seiner expliziten Ausnahmebestimmung für staatliche (und gegebenenfalls auch andere) Sammlungen: „Von den Genehmigungspflichten nach diesem Gesetz [RK: hauptsächlich wie in § 8 DSchG-BW definiert] sind Kulturdenkmale ausgenommen, die von einer staatlichen Sammlung verwaltet werden. Die oberste Denkmalschutzbehörde kann andere Sammlungen von den Genehmigungspflichten ausnehmen, soweit sie fachlich betreut werden“ (§ 9 DSchG-BW). Inwieweit das in Baden-Württemberg zu einer praktikablen Regelung führt – schließlich können ja dank der Legaldefinition des Kulturdenkmalbegriffs auch alle Sachen, Sachgesamtheiten und Teile von Sachen Kulturdenkmale sein, „an deren Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimatgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht“ (§ 2 Abs. 1 DSchG-BW): und „wissenschaftliche Gründe […] auch dann anzunehmen sein, wenn die Sache als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung in Betracht kommt“ (Strobl & Sieche 2010, 68) und daher eigentlich das BWLfD auch von Genehmigungsanträgen nicht-staatlicher Sammlungen iSd § 8 Abs. 1 Z 1 und 2 DSchGBW überschwemmt werden müsste – sei hier weitgehend dahingestellt. Der für die österreichische Regelung relevante Punkt ist, dass man durch eine ähnliche Ausnahmeregelung, z.B. direkt in §§ 4 oder 5 DMSG, auch archäologische Denkmale in Sammlungen, die im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, aus der Genehmigungspflicht für Veränderungen und Zerstörungen von Denkmalen, die im normalen Sammlungsbetrieb üblichen Umfang bleiben, ausnehmen könnte. Tatsächlich wird auch irgend so eine Ausnahmeregelung notwendig sein, wenn man das DMSG nicht komplett überdenken und überarbeiten will. Denn letztendlich führt die Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung des § 2 DMSG notwendigerweise zu diesem Problem, wenigstens solange man nicht durch unterschiedliche Legaldefinitionen in den Anwendungsbereichsbestimmungen des DMSG zwischen archäologischen und „sonstigen“ Denkmalen unterscheidet und nur die „sonstigen“ Denkmale dem Zerstörungs- bzw. Veränderungsverbot des § 4 samt den daraus folgenden Genehmigungspflichten des § 5 DMSG unterwirft (dazu noch gleich). Der Vorteil einer solchen einfachen Ausnahmeregelung ist, dass dadurch tatsächlich das konkrete Problem effektiv behoben wird, ohne dass das Gesetz dadurch zusätzlich übermäßig verkompliziert wird. Der Nachteil ist, dass man damit nur genau das eine Problem aus der Welt schafft, um das es hier ganz konkret geht; während der Rest der archäologischen Schutzbestimmungen des DMSG potentiell weiterhin die Baustelle bleibt, die es schon derzeit ist. Änderungen in den Legaldefinitionen und Anwendbarkeitsbestimmungen Eine zweite Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, ist die im DMSG verwendeten Legaldefinitionen tatsächlich zu verändern bzw. eine neue Legaldefinition für den Begriff „archäologische Denkmale“ (oder wenn man will auch „Bodendenkmale“) in § 1 einzufügen und gleichzeitig auch die Anwendbarkeitsbestimmungen verschiedener Paragrafen des DMSG auf unterschiedliche Arten von Denkmalen so anzupassen, dass bewegliche archäologische Denkmale von Haus aus nicht den Schutzvorschriften von §§ 4 und 5 DMSG unterliegen; bzw. im schon oben angedeuteten Sinn überhaupt von der Möglichkeit der Unterschutzstellung gänzlich ausgenommen werden. Dies hat gegenüber einer einfachen Ausnahmebestimmung gewisse Vorteile, aber wenigstens auch den 314 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Nachteil, dass die gesetzlichen Regelungen des DMSG damit noch komplizierter würden, als sie es derzeit schon sind. Es besteht also die Gefahr, dass durch solches, weiteres Herumdoktern an den Bestimmungen des Gesetzes und die Einfügung weiterer, das Gesetz noch zusätzlich verkomplizierender, Bestimmungen letztendlich neue oder nur noch mehr innergesetzliche Selbstwidersprüche generiert werden, die es im Endeffekt – wenn auch vielleicht auf andere Weise – nur noch absurder machen. Um auf diesem Weg zum gewünschten Ziel zu gelangen, bedürfte es dafür jedenfalls einer eindeutigen (und auch tatsächlich allgemeinverständlichen) Legaldefinition des Begriffs „archäologische Denkmale“ bzw. „Bodendenkmale“, anhand derer eindeutig all jene Sachen erkennbar und von all jenen anderen Sachen, die „Denkmale“ iSd Legaldefinition des § 1 Abs. 1 DMSG sind, unterscheidbar werden (wie eine solche Legaldefinition ausschauen könnte, dazu komme ich gleich noch weiter unten). Es genügt dafür nicht, archäologische Denkmale einfach als Unterbegriff des generellen Denkmalbegriffs des DMSG zu fassen; wie das z.B. das HDSchG mit seiner entsprechenden Begriffsdefinition in § 2 Abs. 2 macht; und auch der schlaue Jurist, der die „Bodendenkmale“ durch die Hintertür-Begriffsdefinition in § 8 Abs. 1 ins DMSG hinein zu schummeln versucht hat, das mit dem österreichischen Äquivalent dieses Begriffs zu tun versucht hat; denn sind „Bodendenkmale“ ein Unterbegriff des allgemeinen Denkmalbegriffs, bleiben sie natürlich automatisch auch in diesem allgemeinen Begriff stets subsumiert. Vielmehr ist es erforderlich, eine vom allgemeinen Denkmalsbegriff des Gesetzes soweit unabhängige Legaldefinition des archäologischen Denkmalbegriffs zu schaffen, dass auch eindeutig klar ist, dass es, selbst wenn die Sachen, die unter den archäologischen Denkmalsbegriff fallen, auch allesamt unter dem allgemeinen Denkmalsbegriff subsumiert werden könnten, sie eben gerade nicht eine Teilmenge des allgemeinen Denkmalbegriffs, sondern eine davon unabhängige Menge ausreichend von anderen Denkmalen unterscheidbarer Sachen sind, die daher auch gesetzlich anders als allgemeine Denkmale behandelt werden können. Hat man eine solche vom allgemeinen Denkmalbegriff unabhängige Definition des archäologischen Denkmalbegriffs geschaffen, kann man dann mit Letzterem jene gesetzlichen Schutzbestimmungen verbinden, die ohnehin von Anfang an mit archäologischen Denkmalen verbunden und für diese geschaffen worden sind: nämlich eben den Bestimmungen der §§ 8-11 DMSG igF. Dadurch, dass eine klare Unterscheidbarkeit zwischen Denkmalen iSd Legaldefinition des § 1 Abs. 1 igF, auf die die Bestimmungen dieses Gesetzes Anwendung finden, wenn ihre Erhaltung ihrer Bedeutung iSd § 1 Abs. 2 igF wegen im gem. § 1 Abs. 4 igF rechtswirksam gewordenen öffentlichen Interesse gelegen sind, und archäologischen Denkmalen im Sinne der neu geschaffenen Legaldefinition dieses Begriffes besteht, kann nun im Kontext dieser Legaldefinition auch die Anwendbarkeit der Bestimmungen der §§ 8-11 DMSG igF auf diese archäologischen Denkmale bestimmt werden. Es wäre dann daher der neuen Legaldefinition des archäologischen Denkmalbegriffs die folgende Anwendungsbereichsdefinition hinzuzufügen: „Auf archäologische Denkmale finden die Bestimmungen der §§ 8-11 dieses Gesetzes Anwendung …“. Tatsächlich lässt sich in diesem Bereich auf diesem Weg auch sauber rechtlich regeln, dass – vorausgesetzt die Legaldefinition des neuen archäologischen Denkmalbegriffs ist allgemeinverständlich genug, dass ihre normalerweise korrekte Anwendung ipsa lege auch ohne Verletzung des Rechtsstaatlichkeitsprinzips tatsächlich auch für den Durchschnittsbürger möglich ist – der archäologische Denkmalschutz auch tatsächlich auf Basis des deklaratorischen Prinzips (DGUF 2013) funktionieren soll. Dies kann ebenfalls gleich in der Anwendungsbereichsdefinition verankert werden, indem diese um den folgenden Nebensatz ergänzt wird: „…, auch wenn ihre Erhaltung iSd § 1 Abs. 1 nicht in gem. § 1 Abs. 4 rechtswirksam gewordenen öffentlichen Interesse gelegen ist“. 315 Rechtswidrige Denkmalpflege in (öffentlichen) Museumssammlungen Letzteres eröffnet dann auch tatsächlich unmittelbar die Möglichkeit, die Erhaltung archäologischer Denkmale durch sachgerechte Dokumentation bereits zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung im DMSG zu verankern; während man gleichzeitig die in Sammlungen, die im öffentlichen Eigentum stehen, befindlichen archäologischen Denkmale automatisch aus den Unterschutzstellungsbestimmungen und ihren Rechtsfolgen gem. §§ 4-7 ausgenommen hat. Das bietet – insbesondere aus dem Blickwinkel der archäologischen Wissenschaft, die ja in erster Linie an den in den archäologischen Denkmalen gespeicherten kontextuellen Informationen und nur in beschränkterem Maß sekundär an den Sachen selbst und ihrer physischen Erhaltung interessiert ist – zahlreiche bedeutende Vorteile, die man nicht einfach vernachlässigen kann und die diese Form der Lösung des hier konkret besprochenen Problems wünschenswerter als seine Lösung durch eine simple Ausnahmeregelung erscheinen lassen. Das Gesetz wird dadurch also komplizierter, aber es erfüllt deutlich besser das, was die Archäologie als Wissenschaft tatsächlich von ihm will. Es gestattet dann nämlich – vorausgesetzt die Bestimmungen der „archäologischen“ Schutzbestimmungen des Gesetzes verhindern das nicht erst recht – weitgehend uneingeschränkt die wissenschaftliche Erforschung und museale Nutzung (samt ihrer gegebenenfalls dafür notwendigen, vorherigen Restaurierung) archäologischer Denkmale, stellt aber gleichzeitig sicher, dass tatsächlich alle archäologischen Informationen, die (sei es nun zufällig oder vorsätzlich) entdeckt werden, so sachgerecht als möglich dokumentiert werden müssen, damit sie nicht verloren gehen. Und, was wenigstens ebenso wichtig ist, Museumskuratoren können dann endlich wieder jene ihrer Kernaufgaben ohne gewaltigen bürokratischen Aufwand durchführen, die ihnen das Europae Archaeologie Consilium, d.h. der Verband der europäischen staatlichen archäologischen Denkmalpfleger, in seinen Richtlinien für die archäologische Archivierung zu erfüllen aufgetragen hat (Perrin et al. 2014, 25); nämlich eingehende potentielle Sammlungsstücke entsprechend einer vorab geplanten Auslesestrategie – sofern diese im Feld nicht ausreichend umgesetzt wurde oder überhaupt erst beim Eingang ins „archäologische Archiv“ umgesetzt werden soll – so auszuscheiden, wie es sinnvoll und geboten erscheint und damit ihre Sammlung auch in kuratorisch und konservatorisch bewältigbaren Dimensionen zu halten. Ein eigenes Archäologieschutzgesetz? Die vermutlich beste Lösung, nicht nur für das in diesem Kapitel konkret besprochene, sondern alle in diesem Buch dargestellten, Probleme des archäologischen Denkmal- bzw. Quellenschutzes wäre aber vermutlich die Entwicklung eines komplett neuen, am Reißbrett entworfenen, von Anfang an durchdachten und an die Erfordernisse der Gegenwart angepassten Archäologieschutzgesetzes; d.h. eines Gesetzes, durch das ganz konkret solche Sachen geschützt werden sollen, die sich von allen anderen Denkmalen primär dadurch unterscheiden, dass sie noch nicht bekannt sind, weil sie so lange im Verborgenen gelegen sind, dass sie vollständig oder weitgehend in Vergessenheit geraten sind und aus der modernen Nutzung durch den Menschen ausgeschieden wurden. Dazu müsste man natürlich aus dem DMSG alle spezifisch archäologischen Schutzbestimmungen, die derzeit in ihm enthalten sind, herausnehmen und auch die Anwendungsbereichs- und Begriffsbestimmungen des DMSG soweit anpassen, dass klar ist, dass sich das DMSG nur auf solche Denkmale bezieht, die nicht archäologischer Natur sind. Man müsste also z.B. die Bestimmungen des § 1 Abs. 1 DMSG dahingehend abändern, dass sie eindeutig feststellen, dass die Bestimmungen dieses Gesetzes nicht auf Gegenstände anzuwenden sind, die im Sinne der einschlägigen Begriffsdefinitionen des neuen Archäologieschutzgesetzes als archäologische Gegenstände bzw. Denkmale zu betrachten sind. Das könnte durch Beifügung des folgenden Nachsatzes zum einleitenden Satz des § 1 Abs. 1 DMSG geschehen: „…, sofern es sich dabei nicht um solche Gegenstände handelt, die iSd der 316 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Begriffsbestimmungen des Archäologieschutzgesetzes als archäologische Denkmale zu betrachten sind“. Durch Beifügung dieses Nachsatzes zum ersten Satz des § 1 Abs. 1 DMSG, Streichung der spezifisch archäologischen Schutzbestimmungen der §§ 8-11 und 30 Abs. 1 und Streichung der einschlägigen archäologischen Strafbestimmungen des § 37 Abs. 2 Z 2, 3 Z 1-7 und 10 würde somit aus dem DMSG ein Gesetz, dass sich ausschließlich mit der im öffentlichen Interesse physisch (so weit als möglich) unverändert zu erhaltenden, nach konstitutivem Prinzip geschützten Bau-, Kunst- und sonstigen Denkmalen und Archivalien befasst, die normalerweise noch in menschlichem Gebrauch stehen und daher auch wenigstens jenen Menschen, die sie gebrauchen, bereits bekannt sind. Dem stünde komplementär mit dem neuen Archäologieschutzgesetz ein zweites Gesetz zur Seite, dass sich in dafür geeigneter Weise mit der im öffentlichen Interesse gelegenen Erhaltung, in erster Linie durch Dokumentation und nur in besonders begründeten Einzelfällen auch tatsächlich physisch in situ „für die Erforschung durch künftige Generationen“ (Europarat 1992) zu erhaltenden, lange aus dem alltäglichen menschlichen Gebrauch und damit in Vergessenheit geratenen, archäologischen Quellen bzw. Denkmalen beschäftigt. Ein solches neues, eigenständiges Archäologieschutzgesetz könnte dann auch gleich von Anfang an nach dem deklaratorischen Prinzip (DGUF 2013) aufgebaut und im Sinne der Valletta-Konvention mit Baugenehmigungs- und Raumplanungsverfahren, Landschaftsschutz, UVP und der diese regelnden Gesetzgebung verknüpft werden, um die archäologische Denkmalpflege auch wirklich dort anzubinden, wo sie am ehesten maßgebliche Gefährdungen für derzeit (Großteils) noch unbekannte, aber dennoch natürlich tatsächlich (noch) vorhandene, archäologische Denkmale abwehren kann. Für den Schutz der archäologischen Quellen wäre das vermutlich mit Abstand das Beste, was passieren könnte, denn es würde einen tatsächlich umfassenden, gefahrenzentrierten, nachhaltigen und wirklich zukunftsorientierten Quellenschutz ermöglichen. Man könnte dieses Gesetz auch so einfach als möglich halten, nicht nur in Bezug auf die ihm zugrundeliegende Legaldefinition des archäologischen Denkmalbegriffs, sondern ganz allgemein: viel mehr als die Anzahl der Bestimmungen, die schon jetzt im DMSG dem Schutz archäologischer Quellen dienen sollen, vielleicht zuzüglich ein paar Durchführungs- und einer Strafbestimmung wären dafür vermutlich nicht notwendig; auch wenn die eigentlichen Schutzbestimmungen wohl etwas anders zu fassen wären, als sie derzeit sind (etwa in dem Sinn, wie sie noch weiter unten für die hier vorgeschlagene Änderung des DMSG dargestellt werden). Inwieweit die Schaffung einer komplett neuen, eigenständigen Gesetzgebung für den Archäologieschutz aber tatsächlich in Österreich möglich ist, muss wenigstens als fraglich betrachtet werden. Die Regierungsvorlage zur DMSG-Novelle von 1990 erwähnt ja, dass bei der DMSG-Novelle von 1978 das Gebiet der „Bodendenkmale“ nicht weiter berücksichtigt und verändert worden war, weil damals ein eigenes Gesetz über (archäologische) Fundhoffnungsgebiete geplant wurde (RV 1990, 10). Ein solches Gesetz hätte – wenngleich es vielleicht sehr anders ausgefallen wäre, als es mir heute vorschweben würde – wenigstens im Prinzip dem entsprochen, was ich hier für ein neues Archäologieschutzgesetz vorschlage, bei dem es ja ebenfalls letztendlich in gewissem Sinn um den Schutz von Fundhoffnungsgebieten gehen würde; oder wenigstens um den Schutz von solchen (archäologischen) Sachen, die (noch) nicht gefunden wurden, die aber dennoch für die archäologische Wissenschaft als Quellen derart bedeutend sind, dass ihre Erhaltung – wenn auch primär durch Dokumentation – deswegen im öffentlichen Interesse gelegen zu sein scheint. Dieses damals geplante Gesetz ist aber letztendlich gescheitert, weil im Begutachtungsverfahrens des diesbezüglichen Gesetzentwurfes „überwiegend – auch von den Ländern – die Meinung vertreten [wurde], es wäre besser, diese Bestimmungen unmittelbar in das Denkmalschutzgesetz einzubauen“ (RV 1990, 10). 317 Rechtswidrige Denkmalpflege in (öffentlichen) Museumssammlungen Ob man heute mehr Erfolg damit hätte, den Gesetzgeber davon zu überzeugen, dass Österreich zwei separate statt nur ein Denkmalschutzgesetz braucht, wage ich nicht zu beurteilen; besonders optimistisch bin ich diesbezüglich aber jedenfalls nicht. Im Rest dieses Buches wird daher diese Möglichkeit auch nicht mehr in Betracht gezogen, auch wenn das, was in der Folge noch bezüglich einer möglichen Änderung der archäologischen Schutzbestimmungen des DMSG vorgeschlagen wird, eventuell eine Grundlage für ein solches, separates Archäologieschutzgesetz darstellen könnte. Nachdem aber ein solches neues Gesetz eigentlich vom blanken Reißbrett begonnen werden sollte, wäre es vermutlich dafür weit sinnvoller, gleich in einer größeren Gruppe von Denkmalpflegern, Denkmalschutzjuristen, archäologischen Wissenschaftern außerhalb des Denkmalamtes (von Universitäten, anderen Forschungseinrichtungen, Museen und aus dem kommerziellen archäologischen Dienstleistungssektor) und Vertretern der interessierten Zivilgesellschaft ganz grundlegend die Erfordernisse an dieses Gesetz zu durchdenken und es dann auch gemeinsam zu planen, um von Anfang an nicht nur eine Sichtweise wie die meine, sondern mehrere verschiedene Sichtweisen entsprechend berücksichtigen zu können. Vor allem würde aber hoffentlich ein gemeinsam von einer solchen, breiter angelegten Experten- und Interessentengruppe entwickeltes Gesetz von Anfang an nicht den Fehler machen, z.B. auf archäologische Sammlungsstücke in öffentlichen Museumssammlungen einfach zu vergessen, und auch auf die vielen anderen Aspekte der archäologischen Denkmalpflege, deren Verständnis notwendig ist, um ein neues Gesetz hinreichend gut gestalten zu können, dass es vielleicht ein paar Jahrzehnte in der sich weiter verändern werdenden Welt, in der wir leben, wenigstens einigermaßen erfolgreich überdauern kann. Denn, wie bereits an der einen oder anderen Stelle angedeutet, war das DMSG in seiner Erstfassung von 1923 ein durchaus zeitgemäßes und einigermaßen gut durchdachtes Gesetz, das auch unter den inneren Erfordernissen der Archäologie und in den äußeren Umständen, die zur Zeit seiner Schaffung für die Archäologie bestanden haben, halbwegs gut funktioniert haben dürfte (die schon damals schändliche personelle und ressourcenmäßige Unterausstattung des BDA durch die damalige Regierung einmal außer Acht lassend). Erst durch die mit dem Ablauf bedeutenderer Zeitspannen unweigerlich eintretenden Veränderungen, denen letztendlich auch alle Denkmale wenigstens in ihrer derzeitigen physischen Form zum Opfer fallen, ist es zunehmend überholt und erst durch vielleicht schlau erscheinende, aber fachlich völlig undurchdachte, Verbesserungsversuche praktisch unanwendbar und völlig unzureichend geworden. Das gleiche Schicksal wird daher, wie sich bei zukunftsgerichteter Betrachtung prognostizieren lässt, früher oder später auch jedes – unter den derzeitigen Voraussetzungen noch so gut durchdachte – neue Archäologieschutzgesetz ereilen; weswegen eine einigermaßen regelmäßige Überprüfung des Gesetzes darauf, ob es auch aus fachlicher Sicht überhaupt noch zeitgemäß ist, ebenfalls dringend angebracht wäre; ob es nun ein DMSG oder zwei nebeneinander bestehende, komplementäre Gesetze sein werden. 318 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? … et respice finem Letztendlich geht es bei der Gesetzgebung immer darum, das Verhalten der Normunterworfenen in eine bestimmte, erwünschte Richtung zu steuern: Gesetze sagen Bürgern, was sie tun und was sie lassen sollen, damit sie sich so verhalten, wie das der Gesetzgeber will. Der Gesetzgeber will durch diese Verhaltenssteuerung in der Regel ein bestimmtes Ziel erreichen; konkreter gesprochen, bei Denkmalschutzgesetzen soll das Ziel erreicht werden, dass solche Sachen, die er als Denkmale definiert hat, die er als Allgemeinwohlgut betrachtet, möglichst den ihnen zugeschriebenen Allgemeinwohlnutzen entfalten können. Einzelne Bestimmungen in einem Gesetz, wie z.B. in einem Denkmalschutzgesetz, dienen letztendlich dazu, dem gesetzlichen Ziel wenigstens näher zu kommen, wenn es nicht sogar – im Idealfall – tatsächlich zu erreichen. Entwickelt man gesetzliche Bestimmungen, ist es daher essentiell, das Ziel des Gesetzes, für die man sie entwickelt, im Auge zu behalten und die Bestimmungen, die man entwickelt, so zu gestalten, dass sie bei realistischer Betrachtung der Wirklichkeit tatsächlich (voraussichtlich) in der Anwendung dazu führen werden, dass das gesetzliche Ziel erreicht wird oder man sich wenigstens – im Vergleich mit anderen gesetzlichen Regelungsmöglichkeiten – diesem Ziel stärker annähern kann als auf anderem Weg. Es gilt also stets das Resultat abzuschätzen, das mutmaßlich eintreten wird, wenn man eine gesetzliche Bestimmung auf eine bestimmte statt auf eine andere Weise gestaltet. Es gilt also gerade auch in der Gesetzgebung stets, das Ende zu bedenken: quidquid agis, prudenter agas, et respice finem. Leider hat man gerade genau das in der österreichischen Denkmalschutzgesetzgebung, wenigstens in den letzten Jahrzehnten, fast völlig vergessen. Statt die größte Aufmerksamkeit darauf zu legen, was die mutmaßlichen Ergebnisse bestimmter gesetzlicher Regelung für den aus den archäologischen Denkmalen gewonnenen Allgemeinwohlnutzen sind und sein sollen, hat man die Aufmerksamkeit primär auf die Befriedigung der Wünsche und Hoffnungen (professioneller) Archäologen gelegt, die gerade nicht am Allgemeinwohl, sondern primär an der Befriedigung ihrer eigenen Partikularinteressen interessiert waren: die „archäologische Fachwelt“, oder vielleicht auch nur konkreter die „archäologischen Denkmalpfleger“, wollten „die Archäologie“ möglichst vollständig unter ihre (oft sogar nicht nur fachliche, sondern persönliche) Kontrolle bringen; wollten sich selbst de facto (wenn auch nur bedingt de jure) zu den rechtlichen Eigentümern aller archäologischen Sachen machen, um deren zukünftiges Schicksal willkürlich entscheiden und alle anderen von dieser Entscheidungsbefugnis ausschließen zu können. Statt Georg Dehios Empfehlung von 1905 zu folgen, „das Volk“ erst einmal so zu unterrichten, dass man ihm, „wo Gegenwart und Vergangenheit in Konflikt kommen, die Wahl und Verantwortung“ (Dehio 1905, 273-274) überlassen kann, hat man systematisch versucht, die Wahl vollständig an sich zu ziehen, während man die Verantwortung möglichst an andere abzuschieben versucht hat. Wem gehören denn eigentlich bewegliche Kleinfunde? Ob das letztendlich zum Nutzen oder zum Schaden der Allgemeinheit, oder auch nur zum Nutzen oder zum Schaden der Archäologie war, war dabei scheinbar für die Verantwortlichen weitgehend irrelevant: sie haben das Ende eben nicht bedacht; oder wenigstens nur das Ende, das sie erreichen wollten, nicht das, das sie erreichen sollten, und schon gar nicht das, das ihre Gesetzesänderungen vorhersehbarerweise herbeiführen würden. Das lässt sich insbesondere am Beispiel der Regelung des Eigentumsrechtes an beweglichen Kleinfunden zeigen; und daran, wie (und wohl auch warum) die Regelung dieser Frage über die Zeit hinweg verändert wurde, und welche Effekte das im Zusammenspiel mit anderen denkmalrechtlichen Regelungen hatte und hat. 319 … et respice finem Wie bereits mehrfach erwähnt, mangelt es Österreich an einer systematischen archäologischen Landesaufnahme. Zwar ist diese – theoretisch – auch eine Aufgabe, die das BDA erfüllen sollte, aber in Anbetracht der personellen Ausstattung dieser Behörde mit archäologischen Fachkräften – fast jeder der österreichischen archäologischen staatlichen Denkmalpfleger sollte neben allen anderen seiner dienstlichen Aufgaben in den letzten ca. 25 Jahren die archäologische Landesaufnahme für durchschnittlich ca. 7.000-9.500 km2 des österreichischen Bundesgebietes erledigen (je nachdem, mit welchem Personalstand man jetzt genau rechnet, dieser variiert natürlich über die Zeit) – ist das bestenfalls als Feigenblattaktion der Republik Österreich zu werten; bzw. als Aufgabe, welche die staatlichen archäologischen Denkmalpfleger zwar am Papier erfüllen sollen, aber in der Praxis niemals auch nur annähernd ausreichend erfüllen können. Tatsächlich ist die Republik auch nie davon ausgegangen, dass die archäologischen Denkmalpfleger diese Aufgabe tatsächlich erfüllen sollen, sondern hat schon lange vor der Gründung des Bundesdenkmalamtes darauf vertraut, dass diese Aufgabe durch „das Volk“ bzw. ehrenamtlich tätige Bürger (Frodl 1988) in Form von Fundmeldungen erledigt wird; die die Fachbeamten in der Behörde nur aufzunehmen, nötigenfalls wissenschaftlich auszuwerten (und das nicht ernsthaft, weil auch dafür war die Personaldecke von archäologischen Fachkräften des BDA stets viel zu dünn; d.h. auch da sollte eigentlich auf ehrenamtliches Engagement zurückgegriffen werden) und dann zu verwalten bzw. in ihrem denkmalrechtlichen Verwaltungshandeln entsprechend zu berücksichtigen haben. Dabei ist man, insbesondere im 19. und frühen 20. Jahrhundert, d.h. auch noch zur Zeit der Erstfassung des DMSG, wie schon oben gezeigt (Seiten 85-87), in erster Linie davon ausgegangen, dass archäologische Denkmale primär bewegliche Kleinfunde von musealem Ausstellungswert sind, nicht unbewegliche Bodenformationen, welche die meisten Bürger ohnehin nicht als archäologisch relevante Strukturen erkennen konnten und die auch die Wissenschaft zu dieser Zeit noch bei weitem als nicht so bedeutend erachtete, wie sie das heute tut. Daher erschien es in dieser Zeit, auch noch als das DMSG erstmals erlassen wurde, für die archäologische Landesaufnahme besonders relevant, dass die beweglichen Kleinfunde den dafür zuständigen staatlichen Behörden gemeldet werden würden. Das zeigt sich schon in aller Deutlichkeit an den – aus heutiger Sicht selbstwidersprüchlichen – Bestimmungen des § 10 DMSG idF BGBl. 533/1923, die heute immer noch in den – aus heutiger Sicht ebenfalls selbstwidersprüchlichen – Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und 3 DMSG igF sinngemäß unverändert nachleben. § 10 Abs. 1 idF BGBl. 533/1923 (vgl. § 9 Abs. 1 igF) besagte ja, dass der Zustand der Fundstelle eines archäologischen Denkmals für vier (heute 5) Tage unverändert zu belassen sei; während § 10 Abs. 2 idF BGBl. 533/1923 (vgl. § 9 Abs. 3 igF) die aufgefundenen Gegenstände für bis zu vier (heute 6) Wochen automatisch kraft gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz stellte. Das ist überhaupt kein Problem, so lange man unter den „Fundgegenständen“, um die es in diesen Bestimmungen geht, ausschließlich bewegliche Kleinfunde versteht: diese kann man ja schließlich (siehe dazu inzwischen auch § 9 Abs. 2 igF) einigermaßen problemlos von ihrem Fundort entfernen, ohne dass man sie dadurch verändert, auch wenn sie (noch) mehrere Wochen bis zu einer allfälligen endgültigen Entscheidung des BDA unter Denkmalschutz stehen. Geht man jedoch davon aus, dass auch unbewegliche Bodenformationen – wie es archäologische Befunde nun einmal regelhaft sind – Fundgegenstände im Sinne dieser Bestimmungen sein können, widersprechen sich die Bestimmungen von § 10 Abs. 1 und 2 idF BGBl. 533/1923 (bzw. § 9 Abs. 1 und 3 igF): schließlich besagt § 10 Abs. 1 idF BGBl. 533/1923 (bzw. § 9 Abs. 1 igF), dass der Zustand der Fundstelle und der entdeckten Gegenstände für ein paar Tage nicht verändert werden darf, während § 10 Abs. 2 idF BGBl. 533/1923 (bzw. § 9 Abs. 3 igF) besagt, dass die aufgefundenen Gegenstände für mehrere Wochen automatisch unter Denkmalschutz stehen. 320 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Betrachtet man auch unbewegliche Bodenformationen als Fundgegenstände im Sinne dieser Bestimmungen, folgt daraus, dass man diese so lange unverändert belassen muss, als sie automatisch gem. der zweiten Bestimmung unter Denkmalschutz stehen und der Zustand der Fundstelle somit auch nicht nur, wie durch die erste Bestimmung festgelegt, vier (bzw. 5) Tage unverändert belassen werden muss, sondern eben wenigstens entsprechend der zweiten Bestimmung bis zu vier (bzw. 6) Wochen. Schließlich kann man die unbewegliche Bodenformation, die möglicherweise ein bedeutendes Denkmal und daher für mehrere Wochen automatisch gesetzlich geschützt ist, nicht unverändert belassen, ohne auch ihre Fundumstände – das umgebende Erdreich – unverändert zu belassen. Aus heutiger Sicht ist ein unbeweglicher „Fundgegenstand“ also ein Schrödingerisches Denkmal, dass nach Ablauf der in § 10 Abs. 1 idF BGBl. 533/1923 (bzw. § 9 Abs. 1 igF) genannten Frist von 4 (bzw. 5) Tagen bis zum Ablauf der in § 10 Abs. 2 idF BGBl. 533/1923 (bzw. § 9 Abs. 3 igF) genannten Frist von 4 (bzw. 6) Wochen gleichzeitig verändert und nicht verändert werden darf. Aus Sicht von 1923 bestand dieses Problem aber überhaupt nicht: als Fundgegenstand im Sinne dieser Bestimmungen wurden nur bewegliche Kleinfunde verstanden, die man selbstverständlich problemlos von ihrer Fundstelle entfernen konnte, ohne sie dadurch in gesetzlich relevanter Weise zu verändern. Die Fundeigentumsregelung des ABGB Einen ausführlicheren Überblick über die Ideengeschichte der Denkmalpflege in Österreich hat ja erst vor kurzem Marianne Pollak (2010) in einer ausgezeichneten, prägnanten Darstellung geliefert, die hier nicht wiederholt werden muss. Erste staatliche Maßnahmen zum Denkmalschutz gehen ins 18. Jahrhundert zurück: so gibt es vom 12. August 1749 ein Edikt von Kaiserin Maria Theresia zum Schutz der Archivalien und Hofkanzlei-Verordnungen vom 24. Februar und 2. November 1776 und vom 14. Februar 1782 sollten dafür sorgen, dass Münzfunde an die Hofkanzlei gesandt würden, um, wo erwünscht, einen Ankauf durch das k.k. Münz-Kabinett möglich zu machen (Helfgott 1979, 1). Eine weitere Hofkanzlei-Verordnung vom 5. März 1812, Z 2655/305, erweiterte dann die Liste der Arten von Gegenständen, die nach ihrer Auffindung für einen allfälligen Ankauf durch den Staat an die Hofkanzlei eingeschickt werden mussten: es ging nun nicht mehr nur um „alle alten Münzen und Medaillien, sie mögen in Gold, Silber oder Kupfer bestehen, sondern in Zukunft auch alle anderen aufgefundenen werdenden derlei Alterthümer und Denkmale“ (Helfgott 1979, 1), die das nunmehrige k.k. Münz- und Antiken-Cabinett potentiell erwerben wollte, um es seiner Sammlung – hier noch primär zu Ausstellungszwecken – hinzufügen zu können. Spezifischer werden genannt: „1. Statuen, Brustbilder und Köpfe aus Erz oder Stein. 2. Kleinere Figuren und sogenannte Götzenbilder von edlen oder unedlen Metallen, Steinen oder von Thon. 3. Waffen, Gefäße, Lampen und Geräthe von Erz oder anderen Stoffen. 4. Erhabene oder tiefgeschnittene Steine. 5. Steine mit halb erhobener Arbeit (Bas-reliefs). 6. Steine mit bloßen Aufschriften und Grabmäler“ (Helfgott 1979, 1-2) Waren diese für eine Einsendung zu groß, war eine kurze Beschreibung bzw. Zeichnung zu übersenden, damit sich das Münz- und Antiken-Cabinett ein Bild des betreffenden Gegenstandes machen konnte (Helfgott 1979, 2). Bei diesen frühen Verordnungen ist der Fokus auf bewegliche Kleinfunde, der für das 18. und 19. Jahrhundert durchaus als typisch betrachtet werden kann, also ganz besonders deutlich erkennbar: vorerst ging es dem Staat ausschließlich um bewegliche Sachen. 321 … et respice finem Dabei sind diese Verordnungen, insbesondere die Letztgenannte von 1812, natürlich nicht isoliert zu betrachten, sondern im weiteren Kontext des großen Rechtswerkes der gleichen Zeit, nämlich des am 1. Juni 1811 als kaiserliches Patent verlautbarten und mit 1.1.1812 in Kraft getretenen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (JGS Nr. 946/1811) zu sehen, insbesondere in dessen Bestimmungen zum Eigentum an Funden verlorener, vergessener und verborgener Gegenstände. Diese Bestimmungen, die derzeitigen §§ 388-401 ABGB, sind bis heute – teilweise sogar im Originalwortlaut, siehe z.B. § 398 ABGB mit der heute als veraltet zu gelten habenden Schreibung von „Eigenthümer“ und der heute ebenso veralteten Verwendung des Begriffs „Obrigkeit“ – gültig und bestimmen allgemein, wie mit Funden beweglicher Gegenstände zu verfahren ist und unter welchen Umständen wer das Eigentumsrecht an ihnen erwirbt. Schon § 390 ABGB idF JGS Nr. 946/1811 sah dabei vor, dass gefundene Sachen, die „nicht ohne Gefahr in den Händen des Finders gelassen werden“ könnten, für eine Dauer von einem Jahr bei einem dafür geeigneten Dritten (z.B. gerichtlich) zu hinterlegen seien; und § 399 ABGB idF JGS Nr. 946/1811 sah darüber hinaus auch noch vor, dass bei sogenannten „Schätzen“ – gem. § 398 ABGB bis heute „… Geld, Schmuck oder andere Kostbarkeiten, die so lange im Verborgenen gelegen haben, daß man ihren vorigen Eigenthümer nicht mehr erfahren kann“ – ein Drittel des Eigentumsrechts dem Staatsvermögen zufiel. Die Hofkanzlei-Verordnung vom 5. März 1812, Z 2655/305, teilte also im Grunde genommen den Behörden des Reichs mit, welche Fundgegenstände iSd § 390 ABGB idF JGS Nr. 946/1811 von diesen in jedem Fall vorerst einzubehalten und der Hofkanzlei entweder zum gefälligen Erwerb (gegebenenfalls, wenn es sich dabei um einen „Schatz“ handelte, der Eigentumsdrittel von Finder und Grundeigentümer) zuzusenden oder für ebendiesen Zweck wenigstens sachdienlich zu melden waren. Die in § 399 ABGB idF JGS Nr. 946/1811 vorgesehene Teilungsregel für „Schatzfunde“, die den Vorläufer der heute im § 399 ABGB igF vorgesehenen und von diesem in § 10 Abs. 1 DMSG igF übernommenen hadrianischen Teilungsregel darstellt, war schon damals ein offensichtlicher Kompromiss: der Staat wollte weder auf den wirtschaftlichen Wert solcher „Schätze“ noch – sofern es sich um interessante Antiquitäten handelte – auf deren wissenschaftlichen Wert verzichten; aber auch nicht den Großgrundbesitz – d.h. insbesondere den Adel und die Kirche, auf die er gerade um diese Zeit besonders angewiesen war – verärgern; und kannte seine gewöhnlichen Staatsangehörigen und die Umstände, unter denen „Schatzfunde“ üblicherweise gemacht wurden, auch noch gut genug, um zu verstehen, dass, wenn er diese gänzlich leer ausgehen lassen würde, diese einfach ihre Schatzfunde verheimlichen und verhökern würden. Also entschloss man sich, „brüderlich“ mit allen zu teilen, die man im Fall eines solchen Schatzfundes zu „allgemeinwohl-“ bzw. „staatsnützlichem“ Verhalten animieren wollte. Damit gingen dem Staat zwar zwei Drittel des wirtschaftlichen Wertes solcher Schatzfunde verloren, aber er hoffte auf diesem Weg wenigstens ein Drittel dieses und zusätzlich den ganzen wissenschaftlichen Wert der in Schätzen enthaltenen Fundgegenstände für sich gewinnen zu können. Der habsburgische Staat des frühen 19. Jahrhunderts hatte also sehr gut die erwartenden Folgen seiner Gesetzgebung im Auge und erhoffte sich durch einen vergleichsweise bedeutenden wirtschaftlichen Verzicht einen noch bedeutenderen wissenschaftlichen Gewinn zu verschaffen. Es wurde allerdings in der Anwendung dieser gesetzlichen Bestimmung recht bald klar, dass der erwünschte verhaltenssteuernde Effekt dieses wirtschaftlichen Verzichts des Staates nicht ausreichte, um das erwünschte Ziel wirklich zu erreichen: Finder von Schätzen erwiesen sich als „gieriger“, als man erwartet hatte, und unterschlugen ihre Schatzfunde trotzdem weiterhin. Das sollte in Anbetracht der Umstände, unter denen Schatzfunde meist gemacht werden, auch nicht besonders verwundern: die meisten Schatzfunde wurden und werden nicht sofort öffentlich ruchbar, sondern der Finder (bzw. eine Gruppe von Findern) ist zu diesem Zeitpunkt meist völlig unbeobachtet allein auf weiter Flur. 322 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Meldet er (bzw. eine Gruppe von Findern) den Schatz, ginge ihm (bzw. ihnen) unter der Regelung von 1812 zwei Drittel des wirtschaftlichen Wertes an Dritte verloren, die von der Entdeckung des Schatzes gar nichts wussten und vermutlich auch nie erfahren würden, wenn der/die Finder ihn verheimlicht/en. In der Regel konnte unter diesen Umständen der Finder (und ebenso eine brüderlich untereinander teilende Gruppe von Findern) damit rechnen, einen höheren wirtschaftlichen Gewinn zu erzielen, wenn der Schatzfund einfach heimlich verkauft wurde als, wie vorgesehen, gemeldet. Schatzfundmeldungen unterblieben daher zumeist. Der Staat realisierte das einigermaßen rasch und versuchte gegenzusteuern, weil er schon zu diesem Zeitpunkt am wirtschaftlichen Wert von Schatzfunden nur sehr bedingt, an ihrem wissenschaftlichen Wert hingegen einigermaßen stark, interessiert war. Denn der wirtschaftliche Wert von Schatzfunden war, vor allem im jeweiligen Einzelfall, aber auch bei der Gesamtbetrachtung aller jährlich getätigten Schatzfunde – wenigstens im Hinblick auf den gesamten Staatshaushalt – vernachlässigbar gering. Das ist immer noch der Fall: der Wert einzelner, selbst wirklich spektakulärer, Schatzfunde iSd § 398 ABGB idF JGS Nr. 946/1811 übersteigt sogar heute, wo vielen solchen Funden bedeutender Wert als Sammlerobjekt am Kunst- und Antikenmarkt und nicht primär nur Materialwert zukommt, nur selten eine Millon €; und selbst der Gesamtwert aller alljährlich gefundenen Schatzfunde – selbst wenn man mitrechnet, dass selbst „Kleinvieh“ heute am Antikenmarkt „Mist“ macht und auch schon eine halbwegs gut erhaltene Fibel oder Münze ein paar, wenn nicht sogar ein paar Zehn € wert sein kann und daher auch durch die von Metallsuchern gemachten „alltäglichen“ Funde einiges an wirtschaftlichem Gesamtwert zusammenkommt – kaum die € 10 Millionen-Marke. Im Vergleich zum Staatshaushalt, der in den letzten 5 Jahren in Österreich einnahmenseitig um die € 170 und ausgabenseitig um die € 175 Milliarden gelegen hat (http://www.statistik.at/web_de/statistiken/ wirtschaft/oeffentliche_finanzen_und_steuern/oeffentliche_finanzen/einnahmen_und_ausgaben_d es_staates/index.html [22.10.2017]), sind das keine nennenswerten Beträge (geschätzt weniger als 0,006%). Daher wurde von der Habsburgermonarchie schon mit Hofkanzleidekret vom 15. Juni 1846, „um den Schwierigkeiten zu begegnen, die sich der Erfahrung zufolge bei Anwendung der bestehenden Vorschriften über die Behandlung archäologischer Funde ergaben“ und „die Bekanntmachung und Erhaltung numismatischer und anderer antiquarischer Funde im Interesse der Kunst und Wissenschaft zu befördern“ (zitiert bei Frodl 1988, 34; siehe zur Geschichte der Aufgabe des Staatsdrittels zuletzt genauer Karl et al. 2017), das Eigentumsdrittel des Staates an Schatzfunden aufgegeben und stattdessen die hadrianische Teilungsregel für Funde eingeführt, die bis heute gilt. Worum es dem Gesetzgeber beim damaligen archäologischen Denkmalschutz ging, war, dass bewegliche Kleinfunde nach ihrer Entdeckung gemeldet werden würden, damit Kunst und Wissenschaft Kenntnis von ihnen erlangen konnten; unbewegliche Denkmale kümmerten den Gesetzgeber zu jener Zeit hingegen wenig bis gar nicht (siehe dazu auch Helfgott 1979, 3). Inwieweit durch die Einführung der hadrianischen Teilung in § 399 ABGB die Fundmeldewilligkeit der Finder von Schätzen iSd § 398 ABGB wirklich soweit erhöht wurde, dass damit das Ziel erreicht wurde, dass signifikant mehr Funde gemeldet werden würden, lässt sich sicher stark debattieren: der wirtschaftliche Wert verheimlichter Funde im illegalen Verkauf an den Hehler mag immer noch deutlich höher gewesen sein als ihre Meldung und ein allfällig darauffolgender legaler Verkauf des hälftigen Eigentumsanteils des Finders. Aber es wurde sicherlich durch die Aufgabe des staatlichen Eigentumsdrittels eine stärkere Annäherung an das erwünschte Ziel gefördert und vermutlich auch tatsächlich erreicht; schon allein, weil die hadrianische Teilung zwischen Finder und Grundeigentümer bei Schatzfunden den meisten Menschen – wenigstens solchen, die selbst Grundeigentum haben oder sich in die Lage des Grundeigentümers versetzen können – einigermaßen fair erscheint (wenigstens 323 … et respice finem solange sie nicht gerade einen Schatz gefunden haben). Denn es ist durchaus einsichtig, dass der Grundeigentümer, der schließlich auch die Lasten des Eigentums tragen muss, nicht völlig leer ausgeht, wenn auf seinem Grund von jemand anderem etwas gefunden wird, das rechtlich gesehen als herrenloses Gut zu betrachten ist, also (noch) niemandem gehört. Und es ist ebenso einsichtig, dass der, der den Fund gemacht hat, Belohnung verdient, wenn er zugunsten des Grundeigentümers darauf verzichtet, sich die gefundene Sache einfach anzueignen und heimlich gewinnbringend zu verscherbeln. Hier den unerwarteten Gewinn gleichmäßig zwischen den beiden, die einen Anspruch auf den Schatz haben könnten, zu teilen, erscheint den meisten Menschen inhärent gerecht. Der für uns in diesem Zusammenhang wichtige Punkt ist, dass der Staat das Ziel, dass er (wenigstens nunmehr Mitte des 19. Jahrhunderts) mit der Fundeigentumsregelung bei Schatzfunden iSd § 398 ABGB verfolgte, nicht vergessen hatte, sondern weiterhin verfolgte. Er hatte die Wirkung der gesetzlichen Bestimmung des § 399 ABGB idF JGS Nr. 946/1811 anhand seiner empirischen Beobachtung der Wirklichkeit evaluiert und festgestellt, dass er das, was er damit zu erreichen versucht hatte, so nicht erreichte. Daher modifizierte er – streng auf die mutmaßliche Wirkung seiner gesetzlichen Regelung in Hinblick auf das mit ihr verfolgte Ziel abstellend – diese Regelung in einer Weise, mit der er das von ihm verfolgte Ziel besser zu erreichen können glaubte; und vermutlich hatte er damit auch wenigstens insofern recht, als die neue Regelung vermutlich das Verhalten der Normunterworfenen besser und stärker in die vom Staat erwünschte Richtung steuerte. Er wollte, dass Finder von möglicherweise wissenschaftlich wertvollen Sachen ihre Funde den zuständigen Behörden anzeigten, damit diese entsprechend darauf reagieren, d.h. im Bedarfsfall die getätigten Funde für die staatlichen Sammlungen erwerben und somit diese Denkmale vor Zerstörung bzw. Veränderung bestmöglich schützen konnten. Was er tat, tat er klug, weil er das Ende bedachte. Die Fundeigentumsregelung im DMSG Nachdem diese Fundeigentumsregelung einigermaßen funktionierte, kam das DMSG auch bis inklusive der Novelle BGBl. 473/1990 ohne jedwede eigene Regelung des Fundeigentums an archäologischen Funden aus: es bedurfte keiner eigenen Eigentumsregelung für archäologische Funde, weil das Fundeigentum ohnehin vollständig und abschließend durch die Bestimmungen des ABGB geregelt wurden. Dabei ist wichtig zu bedenken, dass das ABGB eben nicht nur die Entdeckung von Schatzfunden regelt, sondern auch Fundregelungen für Funde anderer Art enthält. Das war auch archäologisch nicht gänzlich irrelevant und zwar zum Vorteil und Nutzen der Archäologie. Denn das ABGB definiert, wie schon oben ausgeführt, schließlich bis heute nur „… Geld, Schmuck oder andere Kostbarkeiten, die so lange im Verborgenen gelegen haben, daß man ihren vorigen Eigenthümer nicht mehr erfahren kann“ (§ 398 ABGB igF; Hervorhebung: RK), d.h. auch tatsächlich wirtschaftlich wertvolle Sachen, als „Schätze“, die den Bestimmungen der § 398-401 ABGB unterworfen sind. Nun sind aber die überwiegende Mehrheit aller beweglichen archäologischen Kleinfunde, die entdeckt werden, alles andere als wirtschaftlich wertvoll. Ganz im Gegenteil sind die meisten beweglichen archäologischen Kleinfunde, wie zerscherbte Keramik, Fragmente von kleinen Metallgegenständen wie Fibeln oder Schmuckgegenständen aus unedlen Metallen, etc., selbst am Antikenmarkt praktisch wertlos bzw. wenigstens von derart geringem Wert, dass sie nicht einmal die in § 391 Abs. 2 ABGB genannte Wertgrenze von € 10 überschreiten, die überhaupt erst die allgemeine Fundmeldepflicht des § 390 ABGB auslöst. Vielmehr handelte es sich bei der überwältigenden Mehrheit von beweglichen archäologischen Kleinfunden um Sachen, die nicht Schatzfunde iSd § 398 ABGB, sondern vielmehr gewöhnliche „vergrabene, eingemauerte oder sonst verborgene Sachen eines unbekannten Eigentümers“ iSd § 397 324 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? ABGB waren. Auf diese waren daher auch nicht die Schatzfundbestimmungen der §§ 398-401 ABGB, sondern vielmehr „sinngemäß“ die Bestimmungen für verlorene Sachen der §§ 388-396 ABGB anzuwenden; nur ergänzt durch die – unabhängig von irgendwelchen Mindestwertgrenzen geltenden – archäologischen Fundmeldebestimmungen des § 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923 bzw. BGBl. 167/1978 bzw. BGBl. 473/1990 samt dessen Rechtsfolgen. Das bedeutete nun aber, dass die überwältigende Mehrheit aller beweglichen archäologischen Kleinfunde nicht entsprechend der Bestimmungen des § 399 ABGB ins gleichteilig geteilte Eigentum von Finder und Grundeigentümer, sondern im Gegenteil iSd § 395 ABGB nach Ablauf der dort genannten Jahresfrist ins alleinige, ungeteilte Eigentum des Finders übergingen (so noch explizit erläutert – wenn dann auch missverständlich ausgeführt – in der RV 1990, 20). Denn der gem. § 397 ABGB bei geringwertigen (beweglichen archäologischen) Fundgegenständen sinngemäß anzuwendende § 395 ABGB bestimmt: „Wird die Sache innerhalb eines Jahres von keinem Verlustträger angesprochen, so erwirbt der Finder das Eigentum an der in seiner Gewahrsame befindlichen Sache mit Ablauf der Frist, an der abgegebenen Sache mit ihrer Ausfolgung an ihn. Die Frist beginnt im Fall des § 391 Z 2 mit dem Zeitpunkt des Findens, sonst mit der Erstattung der Anzeige (§ 390)“ (§ 395 ABGB). Das bedeutet nun aber natürlich, dass – nachdem bei einer archäologischen Sache (vor allem im Sinn, in dem der Begriff vor der Entwicklung der Neuzeitarchäologie verstanden wurde), die jedenfalls so lange im Verborgenen gelegen ist, dass ihr letzter Eigentümer wenigstens seit etwa 400 Jahren tot war, die Wahrscheinlichkeit, dass die Sache von diesem oder auch nur einem seiner Rechtsnachfolger zurückgefordert werden könnte, praktisch gleich Null ist – de facto der Finder unmittelbar zum ungeteilten Alleineigentümer aller solcher geringwertiger beweglicher archäologischer Kleinfunde wurde und nicht mit dem Grundeigentümer teilen musste. Die hadrianische Teilungsregel des § 399 ABGB griff überhaupt nur in jenen eher seltenen Fällen, in denen tatsächlich auch wirtschaftlich wertvolle Fundgegenstände entdeckt wurden, wie z.B. Schmuckgegenstände aus Edelmetall, oder besonders gut erhaltene, eventuell auch künstlerisch wertvolle und daher einen bedeutenden Sammlerwert aufweisende, Funde aus anderen Materialien. Archäologisch hatte diese duale Regelung – Alleineigentum des Finders bei geringwertigen Funden, hadrianische Teilung bei hochwertigen „Schatz“-Funden – zwei ungeheure Vorteile: erstens waren die überwältigende Mehrheit der von interessierten Bürgern bei ihren Nachforschungen oder auch nur zufällig gemachten archäologischen Funde keine Schatzfunde und ihr Finder somit maximal animiert, diese Funde auch zu melden, um auch sicher rechtlich ihr ungeteilter Alleineigentümer zu werden. Schließlich begann die Jahresfrist des § 395 ABGB, nach welcher rechtlich gesehen der Eigentumserwerb durch den Finder eintrat, bei meldepflichtigen Funden erst zu laufen, wenn der Fund gemeldet worden war; also war, nachdem für archäologische Funde gem. § 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923 bzw. BGBl. 167/1978 bzw. BGBl. 473/1990 eine solche bestand, davon auszugehen, dass der rechtlich sichere Eigentumserwerb an einem archäologischen Fund erst ein Jahr nach Abgabe der Fundmeldung eintrat. Zweitens gehörten nahezu alle bei professionellen archäologischen Ausgrabungen getätigten archäologischen Funde ebenfalls fraglos ihrem Finder, d.h. in der Regel ihrem Ausgräber. Nachdem das bis 1990 vorwiegend öffentliche Einrichtungen wie das BDA selbst, eine der österreichischen Universitäten, eines der öffentlichen Bundes- oder Landesmuseen oder Forschungseinrichtungen wie das Österreichische Archäologische Institut oder die Österreichische Akademie der Wissenschaften waren, die „ihre“ Funde entweder ihren eigenen archäologischen Sammlungen einverleibten oder diese einer öffentlichen Museumssammlung überließen, kam das bei professionellen Grabungen erzeugte „archäologische Fundarchiv“ automatisch nahezu komplett in eine professionell verwaltete 325 … et respice finem öffentliche Sammlung. Eine verursacherfinanzierte kommerzielle Archäologie gab es praktisch noch nicht. In den wenigen Fällen, in denen mit Verursacherfinanzierung gearbeitet wurde – etwas, was das BDA schon spätestens in den 1980ern zu forcieren begann – war dies noch so geregelt, dass zwar eventuell zur Verfahrensbeschleunigung die Grabungsarbeiter, Werkzeug und Gerät wie Bagger etc. vom Verursacher (gewöhnlich Bau- oder Rohstoffabbaufirmen) bezahlt wurden, die entsprechende Grabung aber offiziell vom BDA durchgeführt und auch noch regelhaft (wenigstens am Papier) von einem Mitarbeiter der archäologischen Abteilung des BDA geleitet wurde, also eine „Amtsgrabung“ war. Einzig bei höherwertigen Funden wurde es gelegentlich erforderlich, den Grundeigentümer finanziell zu entschädigen; wobei es natürlich in seltenen Einzelfällen auch zu (rechtlichen) Auseinandersetzungen kommen konnte, ab welchem Wert ein Fundgegenstand als Wertsache iSd § 398 ABGB und daher als Schatzfund zu betrachten war – d.h. ob die Wertgrenze von etwa € 10 heranzuziehen war oder erst ein höherer wirtschaftlicher Wert aus einem gewöhnlichen Fundgegenstand einen Schatzfund machte. Aber dieses Problem ließ sich normalerweise leicht dadurch aus der Welt schaffen, dass der Grundeigentümer einigermaßen großzügig pauschal entschädigt wurde, statt den Wert jedes einzelnen Fundgegenstandes, dann natürlich wenigstens hälftig auf Kosten des Grundeigentümers, gutachterlich bestimmen lassen zu müssen, weil das den Grundeigentümer in der Regel deutlich mehr gekostet hätte, als er dadurch, dass er einen Hälfteeigentumsanteil an vielleicht zwei oder drei zusätzlichen, aber eben gerade nicht besonders hochwertigen, Gegenständen erhalten hätte, an zusätzlichem Gewinn lukrieren hätte können. Aus administrativer Sicht scheint diese duale Regelung hingegen unpraktisch erschienen zu sein, weil man schließlich wenigstens bei theoretischer Betrachtung aus Sicht des Juristen bei jedem einzelnen Fund bestimmen musste, ob er ein Schatzfund ist oder nicht, ehe man richtig entscheiden konnte, wessen Eigentum er ganz oder teilweise einzuverleiben war. Und sie hatte auch – nach Beginn der Popularität der Verwendung von Metallsuchgeräten durch interessierte Bürger – einen entscheidenden Nachteil für nahezu komplett auf die Bekämpfung des „Unwesens“ der Metallsuche fokussierte archäologische Denkmalpfleger. Denn die Bestimmungen der §§ 388-401 ABGB lassen eine Gesetzeslücke offen. Zwar lässt sich durchaus argumentieren, dass bei meldepflichtigen Funden iSd § 397 ABGB der rechtlich sichere Eigentumserwerb durch den Finder gem. § 395 ABGB erst eintritt, wenn die Jahresfrist vom Zeitpunkt der Meldung gerechnet abgelaufen ist. Aber der Staat hat dennoch keine rechtliche Handhabe, dem Finder einen nicht gemeldeten Gegenstand abzunehmen; denn die Regelung des § 400 ABGB, dass der Eigentumsanteil dessen, der sich bei einem Fund „einer unerlaubten Handlung schuldig gemacht; wer ohne Wissen und Willen des Nutzungseigenthümers den Schatz aufgesucht; oder den Fund verheimlichet hat“ (§ 400 ABGB igF) dem, der ihn angezeigt hat, oder, in Ermangelung eines solchen, dem Staat anheimfällt, gilt nur für Schatzfunde iSd § 398 ABGB, nicht für Funde gewöhnlicher verborgener Sachen iSd § 397 ABGB. Einen Eigentumsanspruch an einem verborgenen Fund iSd § 397 geltend machen kann daher nur sein letzter Eigentümer bzw. dessen Rechtsnachfolger; und da dieser bei archäologischen Funden gewöhnlich schon seit vielen Jahrhunderten tot ist und seine eventuell noch lebenden Erben gar nicht wissen, dass es diese verborgene Sache gibt, geschweige denn, dass sie ihnen gehört, wird keiner von diesen jemals den ihnen zustehenden Eigentumsanspruch erheben. Damit wurde die entsprechende Fundsache streng rechtlich gesehen zwar niemals zum Eigentum ihres Finders, der ihre Meldung unterlassen (oder sich irgendwelcher verbotenen Handlungen bei ihrer Entdeckung schuldig gemacht hat) hat, aber wegnehmen durfte sie der Staat ihm trotzdem nicht. Das tat scheinbar einigen Personen in Amt und Ministerium zu sehr weh. 326 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Daher wurde in der Novelle BGBl. I 170/1999 nun im DMSG selbst eine Fundeigentumsregelung eingeführt, wenn auch immer noch mit Bezug auf die Fundeigentumsbestimmungen des ABGB. Wie in der Regierungsvorlage ausgeführt wird: „Die nunmehrige Vorgangsweise strafft einerseits das gesamte Verfahren und schließt überdies rechtliche Lücken. § 10 bewirkt: 1. Sämtliche (bewegliche) Bodendenkmale werden ausdrücklich – unabhängig von ihrem materiellen Wert – als “Schatzfund” im Sinne der §§ 398 ff ABGB (mit allen dort verbundenen rechtlichen Regelungen) bezeichnet. Diesbezüglich gab es verschiedentlich Meinungsverschiedenheiten über die Frage, ob tatsächlich in allen Fällen der Grundeigentümer Hälfteeigentümer wird oder ob dies erst ab einem gewissen materiellen Wert (welcher?) der Fall ist und der Finder das gesamte Eigentum an der Sache als Finder erwirbt. Die nunmehrige Regelung hat zur Folge, dass bei jedem (beweglichen) Bodenfund Miteigentum zwischen Grundeigentümer und Finder (je zur Hälfte) eintritt“ (RV 1999, 53-4). Die vorgenommene Änderung wurde also dem Gesetzgeber als verfahrensstraffende Maßnahme verkauft, die noch dazu eine bisher – verschiedentlich zu „Meinungsverschiedenheiten“ über die Frage, ob der Grundeigentümer nun immer bei archäologischen Funden oder falls doch nicht immer ab welchem Wert archäologischer Funde zu deren Hälfteeigentümer wird, führende – bestehende Gesetzeslücke schließen würde, indem einfach kurzer Prozess gemacht und alle beweglichen Bodendenkmale zu Schatzfunden iSd § 398 ABGB erklärt und somit das Fundeigentum eindeutig als jeweils hälftig dem Finder und Grundeigentümer zustehend geklärt wird. Wie irgendjemand ernsthaft auf die Idee kommen konnte, dass es darüber, ob dem Grundeigentümer ein Hälfteeigentumsanteil an gewöhnlichen verborgenen Sachen iSd § 397 ABGB zustehen könnte, verschiedentlich Meinungsverschiedenheiten geben könnte, entzieht sich mir völlig; denn die Bestimmung des § 395 ABGB, die sinngemäß bei gewöhnlichen verborgenen Fundsachen iSd § 397 ABGB zweifellos (und auch noch den Erläuterungen der RV 1990, 20 zufolge) anzuwenden ist, bestimmt vollkommen eindeutig, dass der Finder nach Ablauf der genannten Jahresfrist das Eigentum an der betreffenden Sache erwirbt. Zwar kann – insbesondere in Anbetracht der genaueren Ausführungen in der Regierungsvorlage zur Novelle 1990 (RV 1990, 20) – tatsächlich nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass der damals zuständige Ministerialrat, aus dessen Feder alle drei bisherigen größeren Novellen des DMSG stammen, tatsächlich juristisch so unglaublich inkompetent war, dass er die Eigentumsregelung des § 395 ABGB – d.h. dass der Finder alleiniger Eigentümer der von ihm gefundenen, verlorenen, vergessenen oder iSd § 397 verborgenen Sache wird – nicht richtig verstanden hat. Besonders wahrscheinlich erscheint es mir jedoch nicht, nicht zuletzt deshalb, weil er, wie wir ja schon weiter oben gesehen haben, auch bei anderen Änderungsvorschlägen für gesetzliche Bestimmungen des DMSG gerne einmal getrickst und den Gesetzgeber durch gezielte Fehlinformation – zumeist wenigstens insofern erfolgreich, als die entsprechenden Änderungen tatsächlich zum Gesetz gemacht wurden – zu täuschen versucht hat. Diese neue Regelung des Eigentums an archäologischen Funden mag aus administrativer Sicht den Vorteil haben, dass man sich nicht mehr zu überlegen braucht, ob im konkreten Einzelfall der Finder Alleineigentümer oder stattdessen Finder und Grundeigentümer jeweils zu gleichteiligen Gemeinschaftseigentümern der betreffenden Sache werden. Und sie hat natürlich den Vorteil, dass man damit nun den bösen Metallsuchern, die illegal nach archäologischen Funden geforscht haben, dank jetzt fraglos bestehender Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 400 ABGB auf alle 327 … et respice finem beweglichen archäologischen Kleinfunde ihre „ill-gotten gains“ wegnehmen kann. Aber damit hat es sich mit den Vorteilen dieser Regelung auch schon. Die archäologisch-denkmalpflegerischen und administrativen Nachteile der Neuregelung Diesen beiden, einigermaßen unmaßgeblichen, Vorteilen stehen aber leider nun weit bedeutendere archäologisch-denkmalpflegerische und administrative Nachteile der Neuregelung der Eigentumsfrage an beweglichen archäologischen Kleinfunden durch § 10 Abs. 1 DMSG gegenüber, die – wie es aussieht – wenigstens der Ministerialrat, der den Gesetzesänderungsvorschlag zu verantworten hat, nicht ausreichend bedacht hatte, als er seine scheinbar schlaue Idee am Gesetzgeber vorbeizuschummeln versucht hat. Der unmittelbar größte Nachteil für den archäologischen Denkmalschutz ist der, dass nun nicht mehr bei einer normalen Grabung über 99% der Funde dem Finder gehören, der in der Regel auch gleichzeitig der Eigentümer der Grabungsdokumentation ist, und nur bei den wenigen wirklich wirtschaftlich wertvollen Schatzfunden der Hälfteeigentumsanteil des Grundeigentümers abzulösen ist, sondern nun plötzlich alles Fundmaterial zur Hälfte dem Grundeigentümer gehört. Das bedeutet nun aber, dass bei nahezu allen Grabungen – nämlich bei allen Grabungen, bei denen Finder und Grundeigentümer nicht ident sind – der Zusammenhang von Dokumentation und Fundmaterial nicht mehr gesichert ist und es sehr leicht zu Streitereien über das Fundmaterial kommen kann. Das ist ganz besonders dann ein Problem, wenn eine Gebietskörperschaft einer der Hälfteeigentümer ist: will nämlich nun die Gebietskörperschaft den anderen Hälfteeigentümer gem. § 10 DMSG igF ablösen, muss nicht nur der im redlichen Verkehr im Inland voraussichtlich erzielbare höchste Verkaufspreis von ein paar wenigen, wirklich wirtschaftlich wertvollen, beweglichen Bodendenkmalen sachverständig bestimmt werden (über den man sich, wie schon erwähnt, bis dahin in der Regel durch eine großzügige Pauschale auch ganz ohne Sachverständigengutachten einigen konnte), sondern der aller Grabungsfunde. Dabei reden wir, insbesondere bei größeren Ausgrabungen, über wenigstens tausende, wenn nicht sogar zehn- oder mehr als hunderttausend Gegenstände, von denen die überwältigende Mehrheit weniger als 10, vielleicht sogar weniger als 1 Cent wert ist. Dennoch, man bedenke: sind die z.B. etwa 66.000 von Menschen geschaffenen Fundgegenstände einer einzigen Ausgrabung, die Andreas Heege (2015, 44) in einem seiner Beispiele nennt – Bearbeitungsspuren aufweisende Tierknochen bzw. deren Fragmente, die auch einen wie auch immer geringen Wert haben, sind hier noch gar nicht mitgerechnet, unter denen sich auch bedeutenden Sammlerwert habende Gegenstände befinden können – durchschnittlich auch nur 10 Cent pro Stück wert, beträgt der gesamte Verkehrswert des Fundmaterials immer noch € 6.600, dem Grundeigentümer stünden also € 3.300 als Ablöse zu. Gerade bei Fundmassen macht eben auch Kleinvieh Mist; und das Problem ist, dass man sich diesen Mist auch tatsächlich Stück für Stück anschauen muss, um den wahren Wert jedes Einzelstückes – und nachdem eben an jedem Fund ein Hälfteeigentum entsteht, ist der Einzelstückwert ausschlaggebend – überhaupt auch nur einigermaßen fair bestimmen zu können. Man muss nicht weiter Erwähnen, was eine sachverständige Schätzung des Verkehrswerts von etwa 66.000 Gegenständen alleine an Arbeitszeit des Sachverständigen kostet: selbst wenn man nicht alle notwendigen Vorbereitungsarbeiten wie waschen, beschriften, verpacken und magazinieren der Funde, her- und wegräumen von diesen für die Begutachtung durch den Sachverständigen etc., sondern nur die Arbeitszeit des Sachverständigen rechnet, kommt man auf bedeutende Beträge, die den Verkehrswert der Fundgegenstände selbst vermutlich zumeist übersteigen werden. Muss dieser jeden einzelnen Fund begutachten – selbst nur durch bloße Inaugenscheinnahme und „freie“ Wertschätzung – muss man für jeden einzelnen Fundgegenstand wenigstens ein paar Sekunden Betrachtungszeit rechnen; 328 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? sagen wir durchschnittlich nur 5 Sekunden pro Stück: das macht in Summe bei 66.000 Fundstücken 330.000 Sekunden bzw. 5.500 Minuten bzw. 91 Stunden und 40 Minuten oder etwa 11 ½ 8-StundenArbeitstage. Rechnet man ebenso viel Zeit dazu, um den Wert jedes Einzelfundes auch noch zu notieren (weil im Endeffekt ja ein wirtschaftlicher Gesamtwert bestimmt werden muss) ist man bei 23 Arbeitstagen des Sachverständigen und damit jedenfalls bei einigen tausenden Euro an Arbeitszeitkosten. Wirklich wertvolle „Sensationsfunde“ fallen gewöhnlich schon bei der Grabung auf, werden auch sorgsam einzeln verpackt, oft auch einzeln gelagert und sind daher auch einigermaßen rasch zu schätzen. Es macht auch in der Regel keinen maßgeblichen Unterschied, ob sie jetzt € 1.000 oder € 1.000,01 wert sind. Bei 60.000 Wandscherben macht es hingegen einen bedeutenden Unterschied, ob diese jetzt durchschnittlich € 0.01, € 0,02 oder € 0.03 wert sind: im oben genannten Beispiel pro Cent mehr immerhin € 330 der Endsumme. Man muss also potentiell um Centwerte streiten, statt darum, ob jetzt der Verkehrswert des einen Goldohrringes, der sich unter den 66.000 gefundenen Objekten befindet, € 1.000 oder doch € 1.100 ist. Die Willigkeit des anderen Hälfteeigentümers auf eine genaue Schätzung jedes Einzelstückes zu verzichten ist daher deutlich reduziert. Setzt man das in Relation zur Bestimmung des § 391 Abs. 2 ABGB, dass der Finder einer verlorenen oder vergessenen Sache, deren gemeiner Wert 10 Euro nicht übersteigt, von der sonst bestehenden allgemeinen Fundmeldepflicht des § 390 ABGB ausgenommen ist und sich diese Sache daher sogar unmittelbar aneignen darf, sieht man in Verbindung mit dem soeben Gesagten deutlich, wie widersinnig es ist, alle beweglichen Bodendenkmale zu Schatzfunden iSd § 398 ABGB zu erklären. Überhaupt ist die Vorstellung absurd, dass an sich wertlose Sachen Schatzfunde iSd § 398 ABGB sein sollen und können: finde ich auf der Straße einen Koffer mit € 100.000 in Bargeld, dessen vormaliger Eigentümer dessen Verlust nicht meldet, dann gehört dieser Koffer samt den € 100.000 Inhalt nach Ablauf einer Jahresfrist ab Abgabe der Fundmeldung mir. Finde ich hingegen auf der Erdoberfläche eine Wandscherbe eines alten Nachttopfes, deren gewöhnlicher Wert € 0,01 nicht übersteigt, dann muss ich sie mir mit dem Grundeigentümer teilen, weil das ja ein „Schatzfund“ ist. Resultat der Neuregelung durch § 10 Abs. 1 DMSG igF ist also in erster Linie, dass es, außer bei privat finanzierten Grabungen auf Privatgrund und öffentlich finanzierten Grabungen auf öffentlichem Grund, Fundeigentumsverhältnisse gibt, die der Erhaltung des Zusammenhangs zwischen Grabungsdokumentation und Fundmaterial äußerst abträglich sind. Wirklich ablösen können die Gebietskörperschaften privaten Hälfteeigentümern deren Anteil aufgrund der damit verbundenen unverhältnismäßig hohen Schätzkosten und des noch unverhältnismäßigeren Zusatzaufwandes eigentlich so gut wie gar nicht mehr, die privaten Hälfteeigentümer des gesamten Fundmaterials sind weit weniger willig dieses einfach unbeschaut herzugeben und ungeklärte Eigentumsverhältnisse an Funden daher die Regel, nicht mehr die Ausnahme. Ein ganzer Rattenschwanz an Problemen ist die Folge, die auch die Administration treffen und maßgeblich erschweren; nämlich dadurch, dass auch z.B. bei einem bedeutenden Anteil der wohl über 1 Million Fundgegenstände, die im Lager des BDA in der Kartause Mauerbach oder sonstigen Depots des BDA liegen, die Eigentumsverhältnisse unklar sind bzw. Funde weiterhin wenigstens im Hälfteeigentum, wenn nicht sogar im Alleineigentum, Dritter stehen und daher das BDA sie eigentlich nicht einmal ohne Zustimmung des anderen Hälfteeigentümers restaurieren darf, geschweige denn anderen Dritten zur wissenschaftlichen Bearbeitung zugänglich machen oder sie gar zu „entsammeln“. Von den Eigentumsverhältnissen bezüglich der ca. 52% aller z.B. 2012 bei 573 professionellen „archäologischen Maßnahmen“ entdeckten beweglichen Kleinfunde, die 2014 immer noch „in selbst finanzierten und organisierten Depots“ von kommerziell tätigen Grabungsfirmen (bzw. Vereinen) lagerten, wollen wir da gar nicht erst reden (Hinterwallner 2014). 329 … et respice finem Ergebnis der scheinbaren Vereinfachung der Eigentumsverhältnisse ist also in der Praxis eine gewaltige Verkomplizierung der Situation in Bezug auf über 99% aller Funde, die unter der zuvor geltenden Regelung fraglos dem Finder gehört hatten. Für einen nachhaltigen archäologischen Denkmalschutz ist das sicherlich schädlich; und auch die Administration gewaltig erschwert worden. Aber um diese beiden Dinge ging es bei der Einführung dieser Bestimmung wohl auch gar nicht; sondern, wie schon angedeutet, wohl um etwas ganz anderes: nämlich darum, dass sich der zuständige Ministerialrat nicht den Kopf darüber zerbrechen musste, ab welchem Wert nun ein Fund ein Schatzfund wird, und darum, dass man den bösen Metallsuchern ihre Funde abnehmen kann, wenn man denn doch einmal einen in flagranti erwischt. Langfristig gesehen noch viel problematischer ist allerdings, dass die Neuregelung des § 10 Abs. 1 DMSG igF gemeinsam mit der schon 1990 eingeführten Beschränkung der Bestimmungen des § 8 igF samt seiner Rechtsfolgen auf ausschließlich „Zufallsfunde“ (und der damit verbundenen Zuordnung von laienhaft durchgeführten Suchen nach archäologischen Denkmalen zu den in § 11 igF geregelten „Nachforschungen“) und der ebenfalls erst 1999 endgültig formalisierten Beschränkung der Möglichkeit, eine Grabungsgenehmigung gem. § 11 Abs. 1 igF erteilt zu bekommen, auf ausschließlich graduierte Archäologen die dem DMSG und den Bestimmungen der §§ 388-401 ABGB zugrunde liegende Absicht, Bürger, die archäologische Funde finden, zu deren Meldung an die zuständigen Stellen zu motivieren, vollständig untergräbt. Offensichtlicher Zweck der Regelung von Schatzfunden im ABGB war es ja, den „ehrlichen“ Finder von (archäologischen) Schätzen durch seine Belohnung mit zuerst einem Drittel und – als sich herausgestellt hatte, dass das nicht genügte, um das archäologisch-denkmalpflegerisch erwünschte Ergebnis zu erzielen – ab 1846 mit einem Hälfteeigentumsanteil an von ihm getätigten Funden wirtschaftlich wertvoller archäologischer Denkmale zur Einhaltung der Fundmeldepflicht der §§ 398 ABGB und dann später auch 8 Abs. 1 DMSG igF zu motivieren. Dieser Belohnung wurde in der Schatzfundregelung des ABGB sogar konkret eine – wenn man es so nennen möchte – Strafandrohung gegenübergestellt, nämlich die Bestimmungen des § 400 ABGB (die ja durch Übernahme der Bestimmungen des § 398 ABGB samt aller sich daraus ergebenden Rechtsfolgen der §§ 399-401 ABGB mittels der Bestimmungen des § 10 DMSG auch für alle archäologischen Funde gelten), dass im Falle, dass der Finder bzw. auch der Grundeigentümer den Fund verheimlicht, der Eigentumsanteil des derart schuldhaft Handelnden an den übergeht, der den Fund stattdessen angezeigt hat. Diese „Strafandrohung“ für „unehrliche“ Finder (und gegebenenfalls auch „unehrliche“ Grundeigentümer) ist gleichzeitig dann auch eine Belohnung für jenen „ehrlichen“ Zeugen, der die sträfliche Tat entdeckt und den zuständigen Autoritäten zur Anzeige gebracht hat. Die Bestimmung des § 397 ABGB für gewöhnliche, verborgene Fundgegenstände geht, vor allem im Zusammenspiel mit den Fundmeldebestimmungen des § 8 Abs. 1 DMSG igF, sogar noch weiter als das und belohnt den ehrlichen Finder, der seine Funde der zuständigen Behörde anzeigt, bei wirtschaftlich geringwertigen (aber dennoch potentiell wissenschaftlich hochwertigen) Gegenständen mit dem Alleineigentum an diesen. Beiden Arten der Belohnung liegt die Idee zugrunde, dass man Finder von möglicherweise bedeutenden, aber zuvor im Verborgenen gelegenen (wenigstens möglicherweise archäologischen) Sachen irgendwie dazu motivieren muss, diese auch den zuständigen Behörden zur Kenntnis zu bringen. Denn gerade Funde von vergessenen, verlorenen, verborgenen oder verlassenen Gegenständen bieten sich dazu an, dass ihr Finder sie sich heimlich, still und leise selbst aneignet. Im Bereich des Fundwesens steht der Finder, sozusagen durch die Umstände erzwungenermaßen, praktisch immer vor der Gelegenheit, die sprichwörtlich Diebe macht: die Sache, die er entdeckt hat, 330 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? hat entweder gar keinen Eigentümer mehr, oder ihr Eigentümer, falls sie denn einen hat, weiß in der Regel nicht (mehr), wo er sie gelassen hat, ja oft sogar nicht einmal (mehr), dass sie jemals sein Eigentum war, und bemerkt daher ihren (endgültigen) Verlust wahrscheinlich gar nicht. In der Regel weiß auch niemand anderer, dass dem Finder, wenn er sich die Sache einfach still und heimlich aneignet, diese Sache nicht „schon immer“ gehört hat, also sein rechtmäßiges Eigentum ist. Somit hat der Finder jede erdenkliche Möglichkeit, sich die betreffende Sache zu seinem eigenen Vorteil einfach anzueignen und so zu tun, als ob ihm diese Sache ohnehin schon immer gehört hätte, und z.B. durch ihren Verkauf oder ihre Nutzung wirtschaftlich zu profitieren. Belohnungen für „ehrliche“ Finder, welche die Sache, die sie sich jederzeit weitgehend gefahrlos für sich selbst zu ihrem eigenen Vorteil aneignen hätten können, sind daher so ziemlich die einzige Möglichkeit, Finder, die vielleicht nicht ganz so ehrlich sind wie der Gesetzgeber und die Gesellschaft das wollen würden, dazu zu motivieren, sich doch an die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zu Funden zu halten. Gerade das österreichische DMSG baut nun aber für die – gerade für ein grundsätzlich nach dem konstitutiven Prinzip (DGUF 2013) funktionierendes Gesetz absolut essentielle – archäologische Landesaufnahme – aus den schon erläuterten historischen Gründen – primär auf der ehrenamtlichen Mithilfe interessierter Bürger auf; d.h. darauf, dass Bürger, die archäologische Funde machen, diese auch der zuständigen Denkmalschutzbehörde melden, die für die selbstständige Durchführung einer systematischen archäologischen Landesaufnahme vom Staat weder die erforderlichen personellen noch finanziellen Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommt. Genau diesen wird nun aber durch die Kombination der drei 1990 bzw. 1999 neu geregelten Bestimmungen jedwede Motivation dafür genommen, solche Meldungen vorzunehmen. Denn sie dürfen ja – dank der Regelung des § 11 Abs. 1 DMSG igF, wenigstens so wie sie das BDA bisher ausgelegt hat – gar nicht mehr nach archäologischen Funden suchen, wenn man dem BDA (2016, 112) glauben wollte, nicht einmal mehr nach Oberflächenfunden, geschweige denn nach noch unter der Erdoberfläche verborgenen Gegenständen, ohne nicht zuvor ein archäologisches Universitätsstudium abgeschlossen und eine Einzeluntersuchungsgenehmigung erteilt bekommen zu haben. Damit wird jede gezielte „Nachforschung“ nach archäologischen Funden von solchen interessierten Bürgern aber zu einer verbotenen Handlung iSd § 400 ABGB, d.h. Bürger, die nicht bloß rein zufällig irgendeinen Fund gemacht haben, müssen wenigstens damit rechnen, dass sie nicht nur wegen Verstoß gegen die Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 angezeigt, sondern ihnen zusätzlich noch dank der Regelung des § 10 Abs. 1 DMSG iVm § 400 ABGB auch ihre Funde abgenommen werden. Damit wird aber aus einem System zur Belohnung ehrlicher Finder ein System der Bestrafung ehrlicher Finder, wenigstens, wenn es sich bei ihnen – wie das meistens der Fall ist, wenn jemand archäologische Funde macht – um solche handelt, die es gewagt haben, archäologische Funde nicht nur zufällig zu machen, sondern vorsätzlich nach ihnen zu suchen; d.h. sich freiwillig in ihrer Freizeit archäologisch zu engagieren. Damit bricht aber das – ohnehin eher fragile – System der archäologischen Landesaufnahme, von dem das DMSG von Anbeginn an ausgegangen ist, notwendigerweise in sich zusammen. Dürfen engagierte Bürger nicht mehr nach archäologischen Sachen suchen und müssen sie Bestrafung befürchten, die die Konfiskation der Sachen inkludiert, für die sie sich interessieren, die dann in eines der öffentlich unzugänglichen Depots (versuchen Sie z.B. einmal, Zutritt zum Zentrallager des BDA in der Kartause Mauerbach zu bekommen: zeitweise hat das BDA nicht einmal einen Mitarbeiter für die Konservierung der dort gelagerten Fundmassen beschäftigt, geschweige denn Personal, das interessierten Mitgliedern der allgemeinen Öffentlichkeit Zugang geben und diese bei der Nutzung des „Archivs“ betreuen könnte; pers. Mitt. B. Hebert, BDA, 9.10.2017) des BDA verfrachtet werden, wo sie – konservatorisch weitgehend unbetreut langsam vor sich hin vergammeln (siehe dazu schon Marius 2011, 32), dann sind sie – absolut vorhersehbarerweise – ganz bestimmt nicht mehr motiviert, 331 … et respice finem irgendwelche Funde, die sie machen, und neue Fundstellen, die sie entdecken, dem BDA zu melden. Aber tun sie das nicht, erfährt auch das BDA von neu entdeckten (oder schon zum x-ten Mal „wiederentdeckten“) Fundstellen nichts mehr, von denen es Kenntnis erlangen müsste, wenn es sie schützen können soll. Dies ist wohl einer der Hauptgründe, dass die Anzahl der dem BDA bekannten Fundstellen seit Jahren weitgehend stagniert (Picker et al. 2016, 285). Das Ziel des BDA, „keine Suchgenehmigungen mit Metalldetektoren“ (Szemethy 2004, 160) mehr ausstellen zu „müssen“, schien also erreicht worden zu sein; und wie man Hubert Szemethys Zusammenfassung seines Gesprächs mit der damaligen Leiterin der Abteilung für Archäologie im BDA entnehmen kann, hat diese wenigstens gegenüber einem Fachkollegen, der sich mit der Frage der „illegalen Archäologie“ in Österreich beschäftigte, den Eindruck erweckt an die Effektivität dieser Lösung des „Metallsucherproblems“ zu glauben. Gleichzeitig hat sie sich aber gewundert, dass die „im Gesetz verpflichtend vorgeschriebenen Fundmeldungen unterbleiben“ (Szemethy 2004, 160). Was für eine Überraschung, wirklich! Man hat also einfach nicht bis zum absolut vorhersehbaren Ende gedacht und auch nicht den mindesten Gedanken ans Allgemeinwohl oder auch nur das Wohl der Archäologie verschwendet, sondern versucht, auf dem am leichtesten erscheinenden Weg dadurch, dass man den Gesetzgeber darüber anschwindelt, was man wirklich will, möglichst totale Kontrolle über archäologische Handlungen im Land und das Schicksal der österreichischen Archäologie zu bekommen und seine eigennützigen Ziele zu erreichen. Die dadurch erzeugten Probleme dürfen wir jetzt alle ausbaden. Schon wieder derselbe denkmalrechtliche Denkfehler Das vielleicht Pikanteste an all dem soeben ausgeführten ist aber, dass es in Wahrheit natürlich alles sowieso nicht stimmt, weil all dem und insbesondere dem Verwaltungshandeln des BDA wieder einmal ein fundamentaler denkmalrechtlicher Denkfehler zugrunde liegt. Denn gem. § 10 Abs. 1 DMSG gelten ja nur bewegliche Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 automatisch als Schatzfunde iSd § 398 ABGB, nicht alle aufgefundenen Fundgegenstände: „Werden bei Grabungen und anderen wissenschaftlichen Nachforschungen, die durch Organe von Gebietskörperschaften einschließlich deren Museen, Sammlungen oder sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen oder auf deren Anordnung bzw. Ersuchen durchgeführt werden, bewegliche Gegenstände gefunden oder zu Tage gefördert, die so lange im Boden verborgen gewesen sind, dass ihr Eigentümer nicht mehr ermittelt werden kann und bei denen es sich um Bodendenkmale handelt, so besteht im Interesse einer gesicherten Verwahrung in der wissenschaftlichen Sammlung einer Gebietskörperschaft ein Ablöserecht der Gebietskörperschaft, die Hälfteeigentümerin ist, an jenem Eigentumsanteil, der dem Eigentümer des Grundes durch die Bestimmung des § 399 ABGB zukommt. Das Gleiche gilt auch für jene Fälle, in denen dem Bund gemäß § 400 ABGB im Hinblick auf unerlaubte Handlungen des Finders dessen Anteil zugefallen ist. Bewegliche Bodendenkmale gelten - unabhängig von ihrem Verkehrswert - stets als Schatzfund.“ (§ 10 Abs. 1 DMSG). Nun sind aber – wie wir schon weiter oben (Seiten 141-158) gesehen haben – die überwältigende Mehrheit aller – selbst aller bei systematischen archäologischen Ausgrabungen geborgenen – archäologischen Bodenfunde überhaupt keine Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG. Zur Erinnerung: nur Gegenstände, die infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit offenkundig den Beschränkungen des DMSG unterliegen könnten, sind Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG. 332 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Zur Bestimmung der Antwort auf die Frage, ob ein Fundgegenstand ein Bodendenkmal ist, ist also eine denkmalrechtliche Beurteilung dieses konkreten Gegenstandes vorzunehmen, bei der Erika Pieler zufolge ein „allzu hoher Maßstab […] jedoch nicht angenommen werden“ darf (Karl et al. 2017, 111), weil „ob es sich bei dem gefundenen Gegenstand „offenkundig“ um ein Denkmal handelt, […] objektiv und unabhängig vom Kenntnisstand des Finders zu beurteilen“ ist (Bazil et al 2015, 56-7). Pieler schreibt daher weiter zu dieser Frage, dass „der Fund eines römerzeitlichen Bronzehelms vermutlich jedem Finder als bedeutend erscheinen mag“, während „sich die Lage etwa bei Relikten aus dem Zweiten Weltkrieg anders“ darstelle (Karl et al. 2017, 112). Es muss eben „offenkundig“ – d.h. für jeden gewöhnlichen (unvoreingenommenen) Finder bei bloßer Betrachtung des Fundes unmittelbar und weitgehend zweifelsfrei erkennbar – sein, dass es sich bei ihm um ein derart außergewöhnliches Denkmal iSd § 1 Abs. 1 DMSG handelt, dass seine Erhaltung aufgrund seiner besonderen Bedeutung wenigstens (iSd § 1 Abs. 5) wahrscheinlich im öffentlichen Interesse gelegen ist, damit er ein Bodendenkmal iSd § 8 Abs. 1 DMSG ist. Die überwältigende Mehrheit aller – auch aller bei systematischen archäologischen Ausgrabungen entdeckten – Bodenfunde entspricht aber der Legaldefinition des Bodendenkmalbegriffs in § 8 Abs. 1 DMSG nicht: der über keinen besonderen Kenntnisstand (bzw. keinen besonderen fachlichen Sachverstand) verfügende gewöhnliche Finder erkennt bei der überwältigenden Mehrheit aller archäologischen Bodenfunde nicht, dass wahrscheinlich ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung besteht (Karl et al. 2014, 8-13), geschweige denn, dass ihm das offenkundig wäre. Und das wiederum liegt nicht zuletzt daran, dass auch in nahezu allen Fällen an der Erhaltung archäologischer Bodenfunde iSd § 1 Abs. 1 DMSG ein öffentliches Interesse iSd § 1 Abs. 2 DMSG tatsächlich nicht besteht, weshalb das BDA auch so gut wie keinen beweglichen Bodenfund in seiner bald 100-jährigen Handhabungspraxis rechtskräftig unter Denkmalschutz gestellt hat (siehe auch Seiten 141-144). Damit hat der Gesetzgeber dadurch, dass er in § 10 Abs. 1 DMSG Funde von Bodendenkmalen generell als Schatzfunde iSd § 398 ABGB definiert hat, also das ursprüngliche Problem nur verschoben. War es früher primär von der Frage abhängig, ab welchem wirtschaftlichen Wert ein Fundgegenstand als Schatz und nicht bloß als beliebiger herrenloser Gegenstand iSd § 397 ABGB betrachtet werden muss, hängt die eigentumsrechtliche Zuordnung eines Fundes nun von der Frage ab, ob er „offenkundig“ bedeutend genug ist, um als Bodendenkmal iSd § 8 Abs 1 DMSG und daher iVm § 10 Abs. 1 DMSG als Schatz iSd § 398 ABGB betrachtet werden muss oder nur ein beliebiger herrenloser Gegenstand iSd § 397 ABGB ist. Nachdem die überwältigende Mehrheit aller archäologischen Bodenfunde weder Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG sind noch ihr finanzieller Wert mehr als € 10 beträgt und sie daher auch nicht aufgrund ihres wirtschaftlichen Werts Schatzfunde iSd § 398 ABGB sein können, gilt daher eigentlich ohnehin unverändert für die Masse aller – auch bei systematischen Ausgrabungen entdeckten – beweglichen Kleinfunde das freie Zueignungsrecht des Finders (gem. §§ 397 iVm 395 ABGB. Und das gilt selbstverständlich insbesondere für von Metallsuchern entdeckte und durch unsachgemäße Bergung dekontextualisierte Bodenfunde, denen eben nach vorherrschender Fachmeinung (z.B. Kriesch et al. 1997, 25-6; Brunecker 2008, 19) praktisch keinerlei wissenschaftliche Bedeutung und daher in aller Regel auch kein Denkmalwert mehr zukommen kann. Es hat sich im Vergleich zur Regelung davor also – bis auf das marginale Detail, ob man nun zusätzlich zu über den finanziellen eventuell auch über den Denkmalwert entdeckter beweglicher Bodenfunde streiten muss – im Prinzip auch in dieser Beziehung seit 1923 überhaupt nichts geändert. Auf die Vorstellung, dass in Österreich aufgrund der Bestimmung des § 10 Abs. 1 DMSG für alle archäologischen Bodenfunde die hadrianische Teilungsregel des § 399 ABGB gilt, kann man nur verfallen, wenn man den Begriff Bodendenkmal iSd § 8 Abs. 1 fälschlich als alle archäologischen Funde 333 … et respice finem und Befunde umfassenden Begriff versteht. Das tut das BDA, wie wir ja schon weiter oben gesehen haben (Seiten 296-303), bekanntermaßen auch allzu gerne, und braucht uns daher auch gar nicht zu überraschen. Wir sehen hier neuerlich die devastierenden Folgen des Versuchs, mittels eines Denkmalschutzgesetzes, das „von vornherein von einer klaren Beschränkung durch wissenschaftlich überlegte Auswahl“ ausging und dem BDA daher als eine seiner „schwierigsten Aufgaben“ auftrug „jene Auswahl in jenem Umfang für die Unterschutzstellungen zu treffen, die vom Fachlichen her erforderlich ist und vom Administrativen her bewältigt werden kann“ (RV 1999, 39), einen totalen archäologischen Denkmalschutz (Seiten 129-135) zu erreichen. Na echt jetzt? Die ganzen Probleme mit dem Fundeigentum gibt es aus rechtlicher Sicht eigentlich gar nicht, sondern das BDA hat sich die nahezu ausschließlich durch seine dem explizit ausgedrückten Willen des Gesetzgebers diametral entgegengesetzte Auslegung und Anwendungspraxis der gesetzlichen Bestimmungen des DMSG selbst verursacht? Wer hätte das gedacht, wo doch Denkmalbehörden generell nie irgendwelche Fehler machen und über jede Kritik erhaben sind? Naja, außer vielleicht sie kommt vom Rechnungshof (RH 2017), der nur irrtümlich die Probleme, die er im BDA identifiziert hat, auf mangelhaftes Management und nicht darauf zurückgeführt hat, dass die Behörde in vielen Fällen vorsätzlich das Gegenteil dessen zu erreichen versucht, was ihr der Gesetzgeber aufgetragen hat. Was die Sache nicht besser, sondern nur noch schlechter macht… Wie motiviert man Bürger, sich denkmalgerecht zu verhalten? Wie man im Umkehrschluss aus dem soeben Gesagten ableiten kann, bedarf es, um jene, deren Handeln archäologische Denkmale im Boden gefährden kann, dazu zu animieren, das aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht „Richtige“ zu tun, geeigneter und auch einigermaßen zielgenau treffender Anreize, denn nur solche erzeugen die erwünschte, verhaltenssteuernde Wirkung; gleichgültig ob es sich bei diesen Anreizen nun um Strafen handelt, denen die Betroffenen möglichst entgehen wollen, oder um Belohnungen, die die Betroffenen möglichst erhalten wollen. Um solche Anreize auch tatsächlich bieten zu können, muss man sich daher – wenigstens kurz – mit dem beschäftigen, was jene, deren Verhalten archäologische Denkmale im Boden gefährden könnte, überhaupt bei ihren, archäologische Denkmale gefährden könnenden, Handlungen erreichen wollen. Denn nur, wenn man weiß, was die, deren Handlungen man in bestimmte Richtungen steuern will, überhaupt erreichen wollen, kann man ihnen Anreize geben, die auch tatsächlich ihr Verhalten (einigermaßen effektiv) in die erwünschte Richtung lenken. Es bringt schließlich weder etwas, jemandem, der mit einer Handlung ein Ziel erreichen möchte, als „Anreiz“ diese Handlung in bestimmter Weise zu gestalten oder gar gänzlich zu unterlassen, etwas anzubieten, was diesen Handelnden gar nicht interessiert. Noch bringt es etwas, ihn mit irgendeiner Strafe bzw. Konsequenz zu bedrohen, deren Eintreten er nicht fürchtet oder für so unwahrscheinlich hält, dass ihn die Drohung nicht schreckt. Vielmehr muss man, wenn man eine Person dazu bewegen will, Handlung A zu unterlassen und stattdessen Handlung B zu setzen, dieser Person als Anreiz etwas bieten, was sie mindestens ebenso sehr, wenn nicht sogar noch mehr möchte als das, was sie dadurch erreichen würde, wenn sie Handlung A setzt. Damit man das kann, muss man aber eben zuerst einmal wissen, was diese Person überhaupt will, weil man nur dann dieser Person auch etwas anbieten kann, das sie dazu motivieren kann, statt Handlung A Handlung B zu setzen. Für unser konkretes Problem, wie man die gesetzlichen Regelungen für die archäologische Denkmalpflege so gestalten kann, dass sie das Verhalten jener, deren Handlungen archäologische Denkmale im Boden gefährden könnten, einigermaßen effektiv in die erwünschte und archäologischdenkmalpflegerisch notwendige Richtung steuern, muss man sich daher insbesondere mit zwei Personengruppen etwas genauer auseinandersetzen: mit jenen Individuen die – aus welchen Gründen auch immer und egal ob allein oder als Gruppe – gezielt nach archäologischen Objekten im oder auf 334 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? dem Erdboden suchen wollen, also Heimatforschern, Metall- und Schatzsuchern sowie professionellen Archäologen; und jenen Individuen, die – aus welchen anderen Gründen auch immer – Handlungen setzen wollen oder müssen, bei denen es zwangsweise zu maßgeblichen Eingriffen in den Erdboden kommt, also in der Bau-, Land- und Forstwirtschaft tätige Menschen, die im Rahmen ihrer Arbeit „Löcher“ in den Boden machen (müssen). Alle anderen Menschen können uns in diesem Zusammenhang hingegen weitgehend gleichgültig sein, denn diese setzen gewöhnlich keine Handlungen, die archäologische Denkmale im Boden maßgeblich gefährden könnten. Von Letzteren, wenn überhaupt, unter sehr außergewöhnlichen Umständen „zufällig“ gefundene archäologische Objekte, die, aus welchen Gründen auch immer, an die Erdoberfläche gelangt sind, sind so selten, dass man diese Menschen und ihre Funde – die noch dazu gewöhnlich schon „gestört“ und daher auch wissenschaftlich nicht mehr „besonders“ bedeutend sind – getrost bei der Entwicklung geeigneter archäologisch-denkmalschützerischer Anreize vernachlässigen kann. Personen mit tatsächlicher („archäologischer“) Entdeckungsabsicht Natürlich ist es so, dass Personen, die gezielt im Boden nach Gegenständen suchen, die – wenigstens manche davon – derart beschaffen sind, dass sie als archäologische Denkmale zu betrachten sind, aus zahllosen verschiedenen Gründen ihren Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung dieser Gegenstände nachgehen und auch teilweise ganz unterschiedliche Endziele damit erreichen wollen. Das Spektrum der Gründe erstreckt sich dabei von rein wissenschaftlichen Forschungsmotiven über allgemeinwohlnützliche Motive wie das der Entdeckung, Sicherung und möglichst gefahrlosen Entfernung bzw. Entsorgung von Gefahrenstoffen (wie z.B. noch explosiven Kriegsrelikten) bis hin zu rein hedonistischen Motiven und der mehr oder minder bewussten Verarbeitung bzw. Bearbeitung von „mehr oder weniger schweren Lebensproblem[en]“ (Jung 2010, 326). Selbst innerhalb vergleichsweise geschlossener Untergruppen dieses weiten Feldes von unterschiedlich motivierten Individuen handelt jede einzelne Person auch nur sehr selten aus bloß einem einzigen Motiv: betrachtet man z.B. die Motivationen von MetallsucherInnen etwas näher, stellt sich heraus, dass beinahe bei allen die Ausübung des Hobbys der Metallsuche nicht monokausal durch ein einziges Motiv, sondern meist durch eine Kombination mehrerer Motive, die ihrerseits vom „Interesse an der Geschichte“ und echten wissenschaftlichen Forschungsinteressen bis zu „nur so zum Spaß“ und „um sich fit zu halten“ gehen, erklärbar ist (Karl 2011b, 122). Über alle Personen, die mit tatsächlicher Entdeckungsabsicht nach Gegenständen suchen, unter denen sich auch archäologische Denkmale befinden können, ist das Spektrum der Suchhandlungen auslösenden Motivationen nur noch breiter und noch multikausaler (so z.B. suchen fast alle professionellen ArchäologInnen nach archäologischen Gegenständen natürlich nicht nur aus wissenschaftlichem Erkenntnisdrang, sondern auch, weil ihnen das Suchen und Finden Spaß macht, sie es oft auch aus verschiedenen Gründen für notwendig halten und natürlich in vielen Fällen auch deshalb, weil das der Beruf ist, für dessen Ausübung sie bezahlt werden; wobei dieser Motivmix in jedem Einzelfall – und zwar dem Einzelfall jeder Suche, nicht nur jeder Person – wenigstens etwas unterschiedlich ist). Wenigstens ebenso weit gestreut sind die Endziele, die diese verschiedenen Personen mit ihren Suchhandlungen zu erreichen versuchen, also erreichen wollen. Dies umfasst u.a.: den Wunsch solche Gegenstände langfristig dadurch zu erhalten, dass sie einer öffentlichen Sammlung überlassen werden, in der sie für alle Zeit gut verwahrt und behandelt werden; sie daheim auf den Kaminsims stellen und stolz Freunden zu zeigen; sie – wie z.B. im Fall von Kriegsmaterialien – sicher zu entsorgen; bis dahin, dass die Person, die sie sucht, so rasch als möglich aus ihrem Verkauf so viel Geld als möglich machen will, damit sie sich irgendetwas kaufen kann, das sie gerne hätte, auch wenn sie noch nicht einmal weiß, was das, was sie gerne kaufen würde, überhaupt ist. In manchen Fällen ist sogar das Endziel das Finden selbst bzw. das mit dem Suchen und Finden verbundene Gefühl. 335 … et respice finem Es erscheint daher auf den ersten Blick sehr schwierig, wenn nicht sogar nahezu unmöglich, alle diese verschiedenen Motive und Ziele so zusammenzufassen, dass sich ein all diesen oder wenigstens nahezu all diesen Motiven und Zielen gemeinsamer Wunsch derer, die solche gezielten Suchhandlungen vornehmen, isolieren lässt, den man dann durch gesetzliche Regularien anzusprechen versuchen könnte. Das lässt es folglich nahezu unmöglich erscheinen, einen Anreiz zu finden, der alle diese Personen dazu motivieren könnte, ihre Handlungen so zu modifizieren, dass die gewünschte gesetzliche Verhaltenssteuerungswirkung dadurch erreicht werden kann. Dennoch denke ich, dass es einen kleinsten gemeinsamen Nenner gibt, der all diese Motive und Ziele vereint und daher auch einen Ansatzpunkt für gesetzliche Regelungen zur Schaffung geeigneter Anreize bieten kann, die die gewünschte verhaltenssteuernde Wirkung entfalten könnten. Dieser Ansatzpunkt ist noch dazu schon seit langem bekannt und wird gerade in der archäologischen Denkmalpflege auch schon, wenigstens bis zu einem gewissen Grad, genutzt, wenn auch noch bei weitem nicht in größtmöglichem Ausmaß. Dieser kleinste gemeinsame Nenner ist der, dass allen Personen, die gezielt nach Gegenständen im Boden suchen, unter denen sich auch archäologische Denkmale befinden könnten, gemein ist, dass sie wenigstens die tatsächliche, und in den meisten Fällen auch die rechtliche, Verfügungsgewalt über diese Gegenstände gewinnen wollen: sie suchen sie letztendlich nahezu alle dazu, damit sie dann mit ihnen tun können, was sie mit ihnen tun wollen, was auch immer das genau ist, was sie dann mit ihnen tun wollen. Dabei mag es durchaus der Fall sein, dass sie diese Verfügungsgewalt nicht dauerhaft, ja nicht einmal mittelfristig haben wollen, sondern das Erringen der (wenigstens der tatsächlichen) Verfügungsgewalt über diese Sachen nur Mittel zum Zweck ist. Dennoch, ob für kurz oder länger, für allgemein- oder gänzlich eigennützige Zwecke, sie wollen sie – wenigstens vorerst einmal – in ihre Gewalt bringen, was auch immer sie dann mit ihnen zu tun beabsichtigen. Dass solche Personen die tatsächliche Verfügungsgewalt über die von ihnen gesuchten und entdeckten Gegenstände erringen, lässt sich, wie die Erfahrung zur Genüge gezeigt haben sollte, weder besonders effektiv verhindern noch besonders gut steuern: schließlich entdecken sie in der Regel Gegenstände, von deren Existenz niemand anderer weiß und die daher in der Regel auch weder vor ihrer Entdeckung noch vor der Inbesitznahme durch ihren Finder geschützt werden können. Auch und gerade gesetzliche Bestimmungen die, wie das BDA das mittels seiner bisherigen Auslegung des § 11 Abs. 1 DMSG zu erreichen versucht hat, die Nachforschung zum Zwecke der Entdeckung dieser Gegenstände verbieten (sollen), haben sich – auch im internationalen Vergleich – als absolut ineffektiv erwiesen (Karl & Möller 2016): wer solche Gegenstände suchen will, der tut das; und zwar auch wenn es verboten ist, weil er dieses Verbot entweder für falsch oder für sinnlos hält oder glaubt, dass er ohnehin nicht erwischt werden wird. Nachdem aber der Finder mit der – gewöhnlich von anderen unbemerkten – Entdeckung eines – gewöhnlich allen anderen auch unbekannten – Gegenstandes nun die tatsächliche Verfügungsgewalt über ihn erlangt, kann er nun auch tatsächlich darüber entscheiden, was mit diesem Gegenstand in weiterer Folge geschehen soll. Selbst wenn der Finder ein professioneller Archäologe ist, der ihn bestmöglich schützen will, kann dieser entscheiden ihn im Boden zu belassen oder auszugraben, ihn gleich wieder wegzuwerfen oder mitzunehmen, und natürlich auch ihn sachgerecht zu dokumentieren oder vollkommen undokumentiert zu lassen. Dasselbe gilt natürlich auch für jeden anderen Finder, der gezielt nach solchen Gegenständen gesucht hat. Es ist daher genau dies der Zeitpunkt, an dem allfällige gesetzliche Bestimmungen einen Anreiz bieten sollten und nötigenfalls auch müssen, der es dem Finder möglichst vorteilhaft erscheinen lässt, den Gegenstand so zu behandeln, wie er aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht behandelt werden sollte. 336 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Glücklicherweise ist es nun gerade bei „vorsätzlichen“ Findern so, dass diese normalerweise nicht nur die tatsächliche Verfügungsgewalt über die gesuchten und entdeckten Gegenstände erringen wollen, sondern auch die rechtliche Verfügungsgewalt. Denn nahezu alle möglichen Folgehandlungen, die der Finder des gezielt gesuchten Gegenstandes mit oder bezüglich dieses Gegenstandes setzen wollen kann, erfordern, dass der Finder nicht nur die tatsächliche, sondern auch die rechtliche Verfügungsgewalt über den aufgefundenen Gegenstand erhält. Das ist so bei professionellen Archäologen, die ihn sachgerecht dokumentieren und in weitere Folge untersuchen und schließlich einer öffentlichen Museumssammlung überlassen wollen (wenn sie ihn nicht ohnehin schon im Auftrag einer solchen als für diese Aufgabe entlohnte Arbeitskräfte finden, d.h. eigentlich diese Museumssammlung die rechtliche Verfügungsgewalt über, d.h. das Eigentum an, diesem Gegenstand erringen möchte). Das ist aber auch genauso bei Schatzsuchern, die den Gegenstand dann möglichst gewinnbringend verkaufen wollen. Es ist auch so bei Heimatforschern, die den Gegenstand ihrem Heimatmuseum überlassen wollen, ebenso bei Privatsammlern, die ihn ihrer Privatsammlung hinzufügen wollen: alle diese brauchen einen rechtmäßigen Eigentumsanspruch, um diese Folgehandlungen rechtmäßig setzen zu können. Das gilt selbst für den Müllsammler, der nur das Feld des befreundeten Biobauern von schädlichem Altmetall befreien möchte: damit er die aufgesammelten Gegenstände rechtmäßig wegwerfen darf, braucht auch der Müllsammler einen rechtmäßigen Eigentumstitel an den wegzuwerfenden Gegenständen. Einzig Mitarbeiter des Minenräumdienstes, die noch scharfe Kampfmittel zum Schutz des Allgemeinwohles sprengen wollen, und alle „Sucher“, die „nur so zum Spaß“ oder „um sich fit zu halten“ oder des reinen Findegefühls wegen die entdeckten Gegenstände gesucht haben, wollen vielleicht kein Eigentum an den von ihnen entdeckten Gegenständen erwerben. Aber selbst bei den Letztgenannten kann man – nachdem ja, wie bereits oben gesagt wurde, die wenigsten „Sucher“ nur aus einem einzigen Motiv suchen – in der Regel davon ausgehen, dass sie, wenigstens, wenn sie irgendetwas finden, was wertvoll ausschaut oder sich als Souvenir eignet, einen rechtlichen Eigentumstitel an den entdeckten Gegenständen erwerben wollen. Zwar brauchen viele davon den rechtlichen Eigentumstitel an den von ihnen gefundenen Sachen nicht unbedingt: selbstverständlich kann man den entdeckten „alten Mist“ auch einfach in die nächste Mülltonne werfen, ohne dass man die rechtliche Verfügungsgewalt über ihn hat; die tatsächliche Verfügungsgewalt reicht dafür vollständig aus. Ebenso ist die rechtliche Verfügungsgewalt über den Fund zu erhalten weitgehend irrelevant, wenn man ihn nur seiner eigenen Privatsammlung einverleiben will und es einem auch egal ist, ob einstmals die eigenen Nachkommen diese Sammlung auch rechtmäßig erben und gegebenenfalls zu Geld machen können: auch für die bloße Einverleibung des Fundgegenstandes in die eigene Privatsammlung genügt die tatsächliche Verfügungsgewalt – wenigstens vorerst – so gut wie vollständig. Dennoch: selbst für diese beiden Untergruppen der „vorsätzlichen“ Finder, denen die tatsächliche Verfügungsgewalt eigentlich genügt, bietet der Erwerb eines rechtmäßigen Eigentumstitels einen gewissen Vorteil. Für praktisch alle anderen Finder hingegen ist der Erwerb des rechtmäßigen Eigentums an den entdeckten Gegenständen eine essentielle Voraussetzung, um alle ihre weiter bezüglich des Gegenstandes geplanten Folgehandlungen legal möglich zu machen: die Archäologen oder Heimatforscher, die ihre Funde einem Museum – ob es nun öffentlich oder mehr oder minder privat ist – überlassen wollen, können das nur dann legal tun, wenn ihnen die Funde, die sie dem Museum schenken wollen, auch tatsächlich gehören. Haben sie hingegen keinen Nachweis eines rechtmäßigen Erwerbs des Eigentumstitels, sollte das Museum, dem sie ihre Funde überlassen wollen, deren Annahme verweigern, wenigstens wenn es sich an den Ethikkodex für Museen hält (ICOM 2017). Und die Schatzsucher, die ihre Funde dann am nationalen oder internationalen Kunst- bzw. Antikenmarkt 337 … et respice finem verkaufen wollen, bedürfen sowieso – wenn sie nicht den Schwarzmarkt bemühen wollen, auf dem sie geringere Rendite als auf dem legalen Markt erzielen würden – eines rechtmäßigen Eigentumsnachweises. Dass letztendlich der rechtmäßige Erwerb eines Eigentumsanspruchs das Zuckerbrot ist, mit dem man Findern verlorener, vergessener, verborgener oder verlassener Gegenstände ihre Meldung an die zuständigen Behörden schmackhaft zu machen versucht, liegt ohnehin schon den Funde solcher Gegenstände betreffenden Bestimmungen des ABGB zugrunde: deshalb erhält der Finder eines Gegenstandes, der noch einen Eigentümer hat, einen Anteil am Wert des Gegenstandes als Finderlohn erstattet, darf der Finder eines Gegenstandes, dessen Eigentümer nicht mehr ermittelt werden kann, sich diesen zueignen und erhält der Finder eines Schatzes iSd § 398 ABGB gem. § 399 ABGB einen Hälfteeigentumsanteil am gefundenen Schatz. Dass ein größerer Eigentumsanteil für jene, die – weil sie den zuvor ja unbekannten Gegenstand gefunden haben – tatsächliche Verfügungsgewalt über ihn haben, besser ist als nur ein geringerer, weil der größere Eigentumsanteil sie verstärkt zur Meldung animiert, liegt schon der Aufgabe des staatlichen Eigentumsdrittels an Schatzfunden mittels des Hofkanzleidekrets vom 15. Juni 1846 zugrunde, wie wir ja schon weiter oben gesehen haben (siehe auch Frodl 1988, 34). Diesen Gedanken braucht man nur konsequent zu Ende zu denken; und man hat den notwendigen Anreiz, der vorsätzlichen Findern zuvor noch unbekannter archäologischer Denkmale das gibt, was sie wollen, und mit dem man sie daher dazu motivieren kann, ihr Handeln in einer Weise zu gestalten, dass die erwünschte gesetzliche Verhaltenssteuerungswirkung auch tatsächlich (wenigstens in einer größeren Anzahl der Fälle als bisher) eintreten wird. Will man den Finder dazu motivieren, dass er gesetzliche Fundmeldebestimmungen bzw. wie hier vorgeschlagen Dokumentationspflichten einhält, die aus archäologisch-denkmalschützerischen Gründen notwendig erscheinen, muss man ihn eben an dem Zeitpunkt, an der er die tatsächliche Verfügungsgewalt über die archäologischen Denkmale, die man schützen möchte, erreicht, den Vorteil bieten, nicht nur die tatsächliche, sondern auch die rechtliche Verfügungsgewalt über diese Gegenstände zu erwerben; eben unter der Voraussetzung, dass er sich an die Bestimmungen hält, die aus archäologisch-denkmalschützerischer Sicht angebracht erscheinen. Dabei ist allerdings gleich auch zu beachten, dass man das nicht halbherzig tun darf, wie das bisher durch die Bestimmungen des ABGB, vor allem in Verbindung mit den Bestimmungen des DMSG bzw. deren Auslegung durch das BDA seit 1990 bzw. spätestens 1999 der Fall ist: statt wie durch § 10 Abs. 1 DMSG igF auf die Bestimmungen des § 399 ABGB für Schatzfunde und die damit verbundene hadrianische Eigentumsteilungsregel abzustellen (oder, gar noch schlimmer, durch die Hintertüre der angeblichen Verletzung der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG bei der Nachforschung durch Rückgriff auf die Bestimmungen des § 400 ABGB einen staatlichen Hälfteeigentumsanspruch zu generieren zu versuchen), muss man eben auf die Bestimmungen der §§ 395 und 397 ABGB, d.h. das freie Aneignungsrecht von Funden herrenloser Güter durch ihren Finder abstellen, das, wie gerade ausgeführt (Seiten 332-334), ohnehin auch derzeit tatsächlich für die überwältigende Mehrheit aller archäologischen Bodenfunde gilt. Denn wir dürfen nicht vergessen: der Finder hat ja bereits durch seine Entdeckung die tatsächliche Verfügungsgewalt über den entdeckten Gegenstand erlangt; d.h. kann bereits tatsächlich mit ihm das tun oder auch lassen, was er will, auch wenn das (vielleicht) gesetzlich verboten ist. Unter diesen Voraussetzungen stellt für den Finder des Gegenstandes dessen Meldung und die damit verbundene Aufgabe wenigstens eines Teils, wenn nicht sogar – wenn die Bestimmungen des § 400 ABGB zur Anwendung kommen sollten – der gesamten rechtlichen Verfügungsgewalt über den Gegenstand zum Zeitpunkt, an dem er die tatsächliche Verfügungsgewalt über den ja noch allen 338 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? anderen gänzlich unbekannten Gegenstand bereits erreicht hat, einen nicht unbedeutenden Nachteil dar: mit dem Verlust wenigstens der Hälfte, wenn nicht sogar der gesamten rechtlichen Verfügungsgewalt über den Gegenstand wird seine tatsächliche Verfügungsgewalt über diesen wenigstens stark beschränkt, wenn nicht sogar ihm gänzlich entzogen. Unterschlägt er den Gegenstand hingegen, also sagt niemandem, und schon gar nicht den staatlichen Behörden, dass und wo er ihn gefunden hat, hat er – und sei es nur im Zweifel, weil sich die Herkunft des Gegenstandes, wenn er sie verschweigt, ja in der Regel nicht mehr ermitteln lässt – eine gute Chance, wenigstens die tatsächlich uneingeschränkte Verfügungsgewalt über den Gegenstand zu erhalten, wenn nicht sogar auch eine gute Chance, auch die rechtliche Verfügungsgewalt über den Gegenstand zu erlangen, weil dieser ja keinem anderen möglichen Eigentümer abgeht. Nur wenn sich der Finder des Gegenstandes sicher sein kann, dass er durch Beachtung gesetzlicher Melde- bzw. Dokumentationspflichten nicht nur die (mehr oder minder uneingeschränkte) tatsächliche Verfügungsgewalt, sondern auch die (weitgehend) uneingeschränkte rechtliche Verfügungsgewalt über den Gegenstand erwerben kann, entsteht ihm aus der Beachtung der ihm dafür auferlegten gesetzlichen Pflichten ein tatsächlicher Vorteil, der sein Verhalten in die Richtung steuern kann, sich an die gesetzlichen Pflichten zu halten, auch wenn er dafür etwas mehr Aufwand in Kauf nehmen muss, als wenn er den Gegenstand bloß einfach heimlich mitnimmt. Denn kann er sich dessen sicher sein, dass er, wenn er die ihm im Fall der Entdeckung eines archäologischen Denkmales auferlegten gesetzlichen Pflichten beachtet, auch tatsächlich die uneingeschränkte rechtliche Verfügungsgewalt über den betreffenden Gegenstand erhält, dann kann er sich natürlich auch sicher sein, dass er auch die tatsächliche Verfügungsgewalt über diesen Gegenstand – die er ja bereits hat – sicher so lange behalten kann, wie er das möchte. Das ist dann natürlich wirklich ein Vorteil für ihn, denn seine zwar tatsächlich, aber nur bei mehr oder minder dauerhafter Geheimhaltung des Fundes, bestehende Verfügungsgewalt über diesen bleibt ja stets unsicher, wenn er nicht auch die uneingeschränkte rechtliche Verfügungsgewalt über den Gegenstand erwirbt. Nur der sichere Erwerb des Eigentumsrechtes an dem Gegenstand stellt für dessen Finder also einen Vorteil dar, wenn er – da er ihn ja bereits gefunden hat – die tatsächliche, aber eben rechtlich noch unsichere, Verfügungsgewalt über ihn bereits hat; und will man ihn dazu motivieren, sich an ihm Aufwände verursachende gesetzliche Pflichten zu halten, muss man ihm diesen Vorteil auch tatsächlich bieten. Das sollte auch heutzutage ein viel geringeres Problem sein als 1812 oder auch 1846, als großen Grundbesitz habender Adel und Klerus nicht auf einen Anteil an auf ihrem Grund und Boden gefundenen Schätzen verzichten wollten und der Staat und insbesondere dessen monarchische Führung auch ganz massiv auf die Unterstützung von Adel und Klerus zur Rechtfertigung und (auch praktischen) Aufrechterhaltung der Staats- und Gesellschaftsordnung angewiesen war. Zwar hat der Großgrundbesitz in Österreich immer noch nicht unmaßgeblichen politischen Einfluss; aber auch die Großgrundbesitzer können eigentlich nichts gegen eine sinnvollere als die derzeitige denkmalpflegerische Regelung des Umgangs mit beweglichen Kleinfunden haben. Großgrundbesitzer brauchen auch das Einkommen aus möglicherweise auf ihrem Grund und Boden gefundenen „archäologischen Schätzen“ nicht mehr; sondern eine privatrechtliche Lösung des Eigentumsproblems wäre weit effektiver als die derzeitige staatlich verordnete hadrianische Teilungsregel, die vorsätzliche Finder, wenn zu überhaupt irgendetwas, nur zur Unterschlagung von Funden animieren kann. Denn GrundeigentümerInnen können Andere ja auch jederzeit von ihrem Grundeigentum ausschließen und das unbewilligte Betreten ihres Grundes zum Zweck der Nachforschung nach im Boden verborgenen Gegenständen nötigenfalls durch Besitzstörungsklagen verfolgen; oder, was für sie noch weit sinnvoller ist und – wenigstens gerüchteweise – ohnehin schon 339 … et respice finem von den einen oder anderen Eigentümern bekanntermaßen „archäologisch produktiver“ Grundstücke getan wird, die Bewilligung zur Nachforschung auf ihren Grundstücken an interessierte Personen verkaufen. Mit dem Verkauf von „privaten Nachforschungsgenehmigungen“ an interessierte Personen kann ein Großgrundbesitzer, der nicht auf wirtschaftlichen Gewinn aus der archäologischen Nachforschung nach Schätzen auf seinem Grund und Boden verzichten will, in der Regel vermutlich weit mehr Gewinn lukrieren, als er aus zufällig oder auch vorsätzlich gefundenen Schätzen auf seinen Grundstücken (die nicht durch ihre Finder unterschlagen werden) erwarten kann. Denn die archäologische Schatzsuche ist letztendlich ein Glücksspiel, nicht anders als eine Lotterie, nur mit weit geringeren Gewinnaussichten. Der Lotteriebetreiber gewinnt bekanntlich immer, während die Lotteriespieler nur möglicherweise gewinnen, weil die meisten mehr einzahlen, als sie herausbekommen. Kleinere Grundbesitzer hingegen können ohnehin entweder ihren eigenen Grund und Boden nach Schätzen durchsuchen, wenn sie denn vermuten, dass sich auf ihrem Grund und Boden welche finden lassen könnten; oder aber einen Vertrag mit einem Schatzsucher ihres Vertrauens abschließen, der ihnen für eine (wie auch immer vereinbarte) Fundwertteilung ihren Grund absucht. Eine per Gesetz vorgeschriebene Eigentumsteilungsregel bringt also auch in diesem Fall wenig. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass gegen vorsätzliche Finder, die nur suchen, um sich selbst zu bereichern zu versuchen, und dafür auch ungeniert das Eigentumsrecht anderer brechen, auch gesetzliche Regelungen, die eine hadrianische Fundteilung vorsehen oder die Suche nach archäologischen Denkmalen im Erdboden ganz verbieten, gar nichts nutzen. Wer vorsätzlich das Gesetz brechen will, der lässt sich durch kein gesetzliches Verbot aufhalten und durch kein gesetzliches Gebot zu bestimmten Verhalten bewegen: die verhaltenssteuernde Wirkung, die gesetzliche Bestimmungen entfalten sollen, wirken stets nur bei solchen Menschen, die entweder ohnehin freiwillig dazu bereit sind, sich an die Gesetze zu halten, oder die wenigstens durch ausreichende Anreize dazu motiviert werden können. Die, die sich auch mit dem Grundeigentümer nicht einigen wollen oder können, aber trotzdem heimlich seinen Grund durchsuchen und dann die dort gemachten Funde unterschlagen wollen, werden das auch weiterhin tun, egal wie die gesetzlichen Bestimmungen gestaltet sind. Aber jene, die tatsächlich einen rechtmäßigen Eigentumsanspruch an ihren Funden erwerben wollen, werden eher geneigt sein, ihre Funde zu dokumentieren und melden und sich auch mit dem Grundeigentümer zu einigen, unter welchen Bedingungen (die gegebenenfalls auch eine Zahlung für eine Sucherlaubnis beinhalten können) sie auf dessen Grund und Boden suchen dürfen, wenn sie sich dann auch sicher sein können, tatsächlich das rechtmäßige Eigentum an ihren Funden zu erhalten. Schafft man also diesen Anreiz, vergrößert man die Wahrscheinlichkeit maßgeblich, dass sich Finder an Dokumentations- und Meldepflichten halten werden und erreicht somit eine Verhaltenssteuerung in die erwünschte Richtung. Natürlich funktioniert dieser Anreiz nur bei beweglichen Kleinfunden, nicht bei unbeweglichen Strukturen und Kontexten im Boden; schließlich kann man Grundeigentümer nicht einfach enteignen, nur weil jemand (ob nun mit oder ohne Einwilligung des Grundeigentümers) auf ihren Grundstücken irgendwelche archäologischen Strukturen oder Kontexte entdeckt hat. Aber das ist glücklicherweise ja insofern kein Problem, als es in der Regel allen oder wenigstens der überwältigenden Mehrheit vorsätzlich archäologische Denkmale suchender Personen außer professionellen Archäologen nicht um die Bodenbefunde und Kontexte geht, sondern eben – wenigstens primär – um die beweglichen Kleinfunde. Für die überwältigende Mehrheit aller vorsätzlichen Archäologiesucher sollte also der Erwerb des Eigentumsrechts an von ihnen gefundenen und sachgemäß dokumentierten und gemeldeten beweglichen Artefakten als Motivation vollkommen genügen. Und um professionelle 340 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Archäologen braucht man sich beim Schaffen von Anreizen zur Befolgung archäologischdenkmalpflegerisch sinnvoller Bestimmungen nicht weiter kümmern, weil bei diesen kann man hoffentlich davon ausgehen, dass sie den Sinn dieser Bestimmungen verstehen und sich daher gänzlich freiwillig an sie halten werden, weil sie ihre Beachtung für notwendig und zum Erreichen ihrer eigenen Ziele geeignet betrachten werden. Verknüpft man also die gesetzlichen Dokumentations- und Meldepflichten mit dem rechtmäßigen Erwerb des vollständigen Eigentumstitels an den aufgefundenen archäologischen Objekten, erzeugt man eine maximale Steuerungswirkung in der erwünschten Richtung. Dies gilt umso mehr, als durch die Einhaltung der Dokumentations- und Meldepflichten dieser Titel auch eindeutig beweisbar ist; insbesondere wenn die eingegangenen Dokumentationen in einer auch wenigstens teilweise öffentlich einsehbaren Datenbank gespeichert werden. Damit gibt man praktisch all jenen Personen, die gezielt nach Gegenständen im Boden suchen, unter denen sich archäologische Denkmale befinden können, und natürlich auch all jenen, die rein zufällig archäologische Denkmale entdecken, den Anreiz, den sie sich auch tatsächlich in der überwältigenden Mehrheit aller Fälle wünschen: das tatsächliche Recht, nach Anfertigung und Abgabe der geforderten Dokumentationsunterlagen mit den Sachen, die sie gefunden haben, auch wirklich rechtmäßig tun und lassen zu können, was sie wollen. Umgekehrt kann man damit gleichzeitig auch Nachteile schaffen, die sich aus der Nichtbeachtung der gesetzlichen Dokumentations- und Meldepflichten ergeben; vor allem, wenn man gleichzeitig noch eine Nebenbestimmung einführt. Schafft man nämlich eine vergleichbare Meldepflicht für alle – auch über dem Erdboden befindliche – archäologische Denkmale, die sich schon derzeit im Eigentum beliebiger Personen in Österreich befinden, die während einer bestimmten Übergangsfrist ebenfalls zu melden sind, erhält man automatisch ein vollständiges Verzeichnis aller legalen, beweglichen archäologischen Denkmale in Österreich. Danach kann man aber gleichzeitig auch jedweden Besitz von beweglichen archäologischen Denkmalen, deren Herkunft und eigentumsrechtliche Stellung ungeklärt ist, weil sie nicht in der zentralen Funddatenbank verzeichnet sind, untersagen und archäologische Denkmale ungeklärter Herkunft und ungeklärten Eigentums, wenn diese dem Staat oder seinen Organen bekannt werden, beschlagnahmen. Schließlich ist, wenn jedes sachgerecht dokumentierte bewegliche archäologische Denkmal in das Eigentum der Person übergeht, die es sachgerecht dokumentiert und gemeldet bzw. ihre sachgerechte Dokumentation und Meldung veranlasst hat, und auch alle sich bereits derzeit im Besitz irgendwelcher Personen befindlichen, beweglichen archäologischen Denkmale in das Eigentum der Person übergehen, die ihre Existenz den zuständigen Behörden bekannt gemacht hat, vorauszusetzen, dass jedes nicht sachgerecht dokumentierte und gemeldete archäologische Denkmal rechtswidrig gefunden, geborgen oder erworben wurde und schon allein aus diesem Grund nicht im Eigentum der Person stehen kann, in deren Besitz es sich befindet. Das gilt dann ebenso für bewegliche archäologische Denkmale, die sich in einer beliebigen Privatsammlung finden (egal aus welchen Gründen diese Privatsammlung nun dem Staat und dessen Organen bekannt wird) wie für solche, die im Internet oder beliebigen anderen Orten zum Verkauf angeboten werden (und die entweder offensichtlich aus Österreich stammen müssen oder aber als Herkunftsort Österreich angegeben haben; oder auch nur deren Verkäufer seine Wohn- bzw. Geschäftsadresse in Österreich hat und nicht ihren legalen Erwerb und ihre ebenso legale Einfuhr aus dem Ausland nachweisen kann), und natürlich auch alle, die in einer Erbschaft auftauchen oder aber von irgendjemandem einen Museum verkauft, geschenkt oder durch Hinterlassenschaft übertragen werden sollen. Was nicht sachgerecht dokumentiert und gemeldet wurde, das verfällt dem Staat. 341 … et respice finem Damit schafft man dann auch einen dem Vorteil der sachgerechten Dokumentation und Meldung archäologischer Denkmale genau entgegengesetzten Nachteil, der sich für Finder (und sonstige Besitzer) von archäologischen Denkmalen aus der Nichtbeachtung der gesetzlichen Dokumentationsund Meldepflichten ergibt. Damit hat man die Peitsche, die die Wirkung des Zuckerbrots noch zusätzlich verstärkt und das Handeln von Findern (und sonstigen Besitzern) von archäologischen Denkmalen in Richtung des erwünschten Verhaltens steuert. Selbst wenn man dann natürlich immer noch nicht alle erreicht, deren Verhalten man verändern bzw. in eine bestimmte Richtung steuern möchte, weil sich immer noch manche schon allein aus Prinzip, oder aber auch aus reiner Bequemlichkeit (weil ihnen selbst die Dokumentationspflichten der geringsten vorgesehenen Detailgenauigkeiten immer noch zu viel Aufwand sind), nicht an die gesetzlichen Dokumentations- und Meldepflichten halten: eine solche Regelung wäre dennoch wenigstens besser als gar keine, und jedenfalls viel besser als die, die wir derzeit haben. Will man also nicht nur so tun, als ob man einen archäologischen Denkmalschutz hätte, sondern wirklich einen so effektiv als möglich funktionierenden archäologischen Denkmalschutz erreichen, dann scheint dies die einzig sinnvolle Möglichkeit, um dem Problem der vorsätzlichen Suche nach (archäologischen) Gegenständen einigermaßen Herr zu werden und aus den tatsächlich nicht verhinderbaren Suchen wenigstens den maximalen archäologisch-denkmalpflegerischen Gewinn zu ziehen. Zur Umsetzung im DMSG Geht man von dieser Motivationsanalyse aus, macht das erstens notwendig, die Bestimmungen zum Fundeigentum, die derzeit gem. § 10 Abs. 1 DMSG generell durch Verweis auf die Bestimmungen des § 399 ABGB und seiner Rechtsfolgen auf die hadrianische Fundteilungsregel abstellen, d.h. dem Finder und dem Grundeigentümer jeweils einen Hälfteeigentumsanteil an allen entdeckten Funden (von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG) zuerkennen, radikal anders zu gestalten. Statt der hadrianischen Fundteilungsregel ist vielmehr das dem österreichischen Recht generell zugrundeliegende freie Zueignungsrecht für herrenloses Gut als Grundlage heranzuziehen, denn auf diesem Weg lässt sich den Findern tatsächlich auch die vollständige rechtliche Verfügungsgewalt über die von ihnen gefundenen beweglichen archäologischen Denkmale zuerkennen; um Finder dazu zu motivieren, sich auch tatsächlich an die gesetzlichen Dokumentations- und Meldepflichten zu halten. Das wird zweifellos vielen Archäologen nicht gefallen: schließlich werden dadurch „Raubgräber“ und „Schatzsucher“, die nach archäologischen Denkmalen nicht so sehr zu wissenschaftlichen Erkenntniszwecken, sondern bloß des schnöden Mammons wegen suchen, auch noch dafür belohnt, dass sie archäologische Denkmale suchen, die sie dann bloß meistbietend verkaufen wollen. Aber es kann und darf keine Rolle spielen, was uns Archäologen gefällt: worum es gehen muss ist, dass möglichst viele Finder, egal aus welchen Gründen sie ihre Funde entdecken, diese möglichst denkmalgerecht behandeln; und das bedeutet in erster Linie, dass sie ihre Funde bei deren Entdeckung möglichst sachgerecht dokumentieren und die von ihnen angefertigte Dokumentation auch der Wissenschaft zur Kenntnis bringen. Dazu kann man sie nur motivieren, wenn man ihnen dafür einen geeigneten Anreiz bietet; und der einzige dafür geeignete Anreiz, den wir ihnen bieten können, ist, dass sie zu den rechtmäßigen Eigentümern ihrer Funde werden, wenn sie sich an die gesetzlichen Dokumentations- und Meldepflichten halten; ob uns das nun gefällt oder nicht. In zweiter Linie bedeutet das, dass sie, wenn sie Löcher in den Boden graben, diese möglichst nicht „wild“ so tief graben sollten, dass sie in ungestörte archäologische Bodenschichten eindringen und damit Befunde und Kontexte zerstören oder wenigstens beschädigen, sondern sich auf die Bodenschichten beschränken, in denen signifikante Befunde und Kontexte – wenigstens in der Mehrheit der Fälle – nicht mehr vorkommen. Aber auch dazu kann man sie nur dadurch motivieren, 342 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? dass man ihnen dafür einen Anreiz bietet; und auch dafür ist der einzige geeignete Anreiz der, dass, wenn sie sich an die von uns aufgestellten Regeln halten, das, was sie finden, auch tatsächlich dann ihnen gehört, neuerlich egal, ob uns das gefällt oder nicht. Es bedeutet drittens, dass wir die Möglichkeit bekommen müssen, wenigstens mehr oder minder unmittelbar nach der Entdeckung der Funde Zugang zu diesen zu bekommen, um sie – falls das nötig erscheint – wissenschaftlich genauer untersuchen und gegebenenfalls auch für öffentliche Sammlungen erwerben können, was allerdings nur möglich ist, wenn wir von ihrer Existenz erfahren. Auch dafür ist es notwendig, die Finder zu motivieren; und auch das geht nur dadurch, dass man ihnen die Sicherheit gibt, dass die Funde, die sie sich zueignen wollen, auch tatsächlich ihnen gehören, wenn sie uns von ihnen berichten und sie uns gegebenenfalls sogar zeitweilig überlassen sollen, und auch eine faire Entschädigung bekommen, wenn es im öffentlichen Interesse notwendig erscheint, ihnen die „wichtigsten“ ihrer Funde abzukaufen, wieder egal, ob uns das gefällt oder nicht. Bei allem Verständnis für fachliche moralische Entrüstung darüber, dass Personen, die kein einschlägiges Universitätsstudium absolviert haben, sich einfach bewegliche archäologische Denkmale aneignen dürfen und dann auch noch dafür belohnt werden: es ist hier einfach eine pragmatische Lösung notwendig, weil nur eine pragmatische Lösung irgendeine Aussicht darauf hat, auch tatsächlich erfolgreich zu funktionieren. Moralische Entrüstung bringt uns nichts und dem bestmöglichen Schutz archäologischer Denkmale schon gar nichts; daher muss es vollkommen gleichgültig sein, ob wir so eine Lösung für moralisch verwerflich halten. Was wir brauchen und was vor allem die Archäologie braucht, die wir (ob nun angeblich oder tatsächlich) zum Wohl der Allgemeinheit zu schützen versuchen, ist einen einigermaßen funktionierenden Schutz, der tatsächlich angerichtete Schäden möglichst minimiert und den archäologischen Nutzen möglicherweise, aber nicht notwendigerweise, schädlicher Handlungen maximiert. Aber das funktioniert nun einmal nicht mit Verboten, an die sich niemand hält, sondern nur durch Bestimmungen, die möglichst unschädliches und potentiell sehr nützliches Verhalten belohnen und dadurch jene, die man dazu bewegen will, sich wie erwünscht zu verhalten, auch tatsächlich dazu motivieren, das zu tun. Das bedeutet also, dass man jenen Personen, die bewegliche archäologische Denkmale finden, das Eigentum an diesen Funden zuerkennen muss, wenn sie sich denkmalgerecht verhalten, d.h. ihre Funde entsprechend dokumentieren und die dabei erzeugten Dokumentationsunterlagen dem BDA übermitteln, damit die archäologische Wissenschaft und die Denkmalpflege aus ihren Entdeckungen den maximalen Nutzen ziehen können. Das ist dann natürlich, wenn man die hier vorgeschlagene Alternativlösung des archäologischen Denkmalschutzes umsetzt, auch nicht illegal oder schlecht oder auch nur moralisch verwerflich, sondern ist genau das Verhalten, das auch erwünscht ist, weil es sowohl zur archäologischen Landesaufnahme beiträgt als auch die verwertbare wissenschaftliche Quellenbasis in einer Weise vergrößert, dass die zusätzlich zur Verfügung stehenden Daten auch tatsächlich verlässliche Auswertungsgrundlagen darstellen. Gleichzeitig mit der Belohnung der sachgerechten Dokumentation und Meldung beweglicher archäologischer Denkmale sind aber auch empfindliche und möglichst effektive Strafen für die Missachtung der gesetzlichen Dokumentations- und Meldepflichten vorzusehen; und zwar Strafen, die tatsächlich in jedem Fall effektiv greifen. Auch und gerade dafür ist die eindeutige Klärung der Ersteigentumserwerbsfrage bezüglich beweglicher archäologischer Denkmale notwendig, die durch die Belohnung denkmalgerecht handelnder Finder mit dem vollständigen Eigentum über die von ihnen dokumentierten und gemeldeten Funde gewährleistet wird. Denn bei beweglichen archäologischen Gegenständen, bei denen man – weil es dazu derzeit meistens keinerlei Unterlagen gibt, schon gar nicht solche, die dem Staat zur Verfügung stehen – nicht genau bestimmen kann, ob an ihnen überhaupt ein rechtmäßiger Eigentumstitel besteht und falls ja, wem dieser zukommt, weil nicht 343 … et respice finem einmal klar ist, ob der Ersteigentumserwerb rechtmäßig erfolgt ist und wem dabei welche Eigentumsrechte am fraglichen Objekt entstanden sind, gewinnt im Zweifel immer der, der sich im Besitz des Gegenstandes befindet; weil man im Zweifel nicht einmal den betreffenden Gegenstand beschlagnahmen kann, solange man nicht seinem derzeitigen Besitzer nachweisen kann, dass er ihn unrechtmäßig erworben hat. Um dieses Problem kommt man (wenn man Findern einen Anreiz zum denkmalgerechten Verhalten bieten will) nur dann herum, wenn man, wie hier vorgeschlagen, absolut eindeutig feststellt, dass vollständiges, rechtmäßiges Ersteigentum an beweglichen archäologischen Denkmalen immer dann, aber dafür auch ausschließlich nur dann, durch andere Rechtspersonen als den Staat erworben wird, wenn diese das konkret betroffene bewegliche archäologische Denkmal bei seiner Entdeckung sachgerecht dokumentiert und diese Entdeckung auch den zuständigen Behörden samt Übermittlung einer bei der Entdeckung angefertigten Dokumentation gemeldet haben. Tut man das, ist nämlich auch absolut eindeutig und unbestreitbar klar, dass jedes bewegliche archäologische Denkmal, das nicht bei seiner Entdeckung sachgerecht dokumentiert und den zuständigen Behörden samt Dokumentation gemeldet wurde, nicht rechtmäßig irgendeiner anderen Rechtsperson als dem Staat gehören kann und daher dann auch – weil es sich ja schon um sein Eigentum handelt – vom Staat jederzeit beschlagnahmt werden kann, wenn ihm die Existenz dieses konkreten Gegenstandes bekannt wird. Man braucht sich dann eben nicht mehr mit komplizierter Beweisführung aufzuhalten, weil der einzig relevante Beweis ist, ob dem BDA eine sachgerechte Dokumentation über die Entdeckung des betreffenden Gegenstandes vorliegt oder nicht: tut sie das, gehört der Gegenstand der Person, die ihn gefunden hat (bzw. der Person, an den diese – gegebenenfalls auch im Weg einer langen Kette – das Eigentum rechtmäßig übertragen hat); andernfalls gehört der Gegenstand dem Staat. Hat man eine derartige eindeutige Klärung der Ersteigentumsfrage, hat man auch automatisch eine jederzeit effektiv durchsetzbare Möglichkeit, Finder (bzw. sonstige Personen, die von diesen den konkreten Gegenstand – dann aber jedenfalls rechtswidrig – erworben haben) für die nicht denkmalgerechte Behandlung des beweglichen archäologischen Denkmals bei dessen Entdeckung zu bestrafen: liegt die sachgerechte Dokumentation seiner Entdeckung dem BDA nicht vor, kann man seinem Besitzer diesen Gegenstand wegnehmen, weil er kein rechtmäßiges Eigentumsrecht an diesem Gegenstand haben kann, egal wie er in seinen Besitz geraten ist. Das gilt dann ebenso beim Verkauf des Gegenstandes wie bei seiner Vererbung wie auch bei seiner Schenkung oder Stiftung, egal ob diese jetzt an ein öffentliches oder privates Museum oder eine beliebige Privatperson erfolgt; und egal, ob die Eigentumsübertragung im Inland oder ins Ausland erfolgen soll. Bewegliche archäologische Gegenstände, die keinen rechtmäßigen Eigentümer haben, gehören dann nämlich dem Staat (es sei denn, sie gehören einem anderen Staat, in welchem Fall sie gemäß den Bestimmungen des Kulturgüterrückgabegesetzes an diesen zurückzuerstatten sind), komme, was da wolle. Damit bleibt Findern, die sich nicht an die gesetzlichen Dokumentations- und Meldepflichten gehalten haben, dann nur noch, darauf zu hoffen, dass ihre Privatsammlung niemals von jemanden gesehen wird, der diese dann eventuell den Behörden melden könnte, bzw. der Schwarzmarkt zum Verkauf, wenn sie ihre Funde zu Geld machen wollen. Sogar der Verkauf am Schwarzmarkt wird dadurch im Gegensatz zur heutigen Situation erschwert, weil das Risiko, dass ein nicht gemeldeter Gegenstand zu späterer Zeit von Staat beschlagnahmt wird, ja bestehen bleibt, wenn nicht gefälschte Papiere, die eine Herkunft des Gegenstandes aus dem Ausland und deren legalen Erwerb belegen, dem Gegenstand beigefügt werden. Das rentiert sich bei den meisten beweglichen archäologischen Denkmalen, deren gewöhnlicher Wert selten über ein paar Euro steigt, überhaupt nicht; und selbst bei wirklich wirtschaftlich wertvollen „Schatzfunden“ auch weniger, als diese gleich bei ihrer 344 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Entdeckung ordentlich sachgerecht zu dokumentieren und sie dann vollkommen legal für ihren wahren und nicht dem im Vergleich damit stark reduzierten Schwarzmarktwert zu verkaufen. Das Problem der Altsammlungen Damit ein solches System auch wirklich funktioniert, bleibt allerdings noch ein Problem zu lösen, nämlich das Problem der derzeit bereits bestehenden Altsammlungen. Denn diese gibt es zuhauf; manche davon enthalten auch tatsächlich viele tausende, wenn nicht noch mehr, bewegliche archäologische Denkmale; in den meisten Fällen ist die Eigentumsfrage bezüglich aller oder wenigstens der meisten in diesen Altsammlungen enthaltenen beweglichen archäologischen Denkmale komplett ungeklärt und wohl in der Regel auch nicht klärbar, weil sich der genaue Fundort dieser Denkmale ebenso wie ob sie legal oder illegal gefunden wurden normalerweise gar nicht mehr ermitteln lässt. Man kann zwar durchaus vermuten, dass wenigstens manche, wenn nicht sogar viele davon ursprünglich rechtswidrig in den Besitz der Person gelangt sind, die sie gefunden hat; aber nachdem aufgrund der Unschärfe des bisher verwendeten Bodendenkmalsbegriffs weder klar ist, welche Funde jetzt auch nur der Meldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG igF unterliegen, noch aufgrund der mit der Auslegung der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG verbundenen Probleme klar ist, ob sie – falls sie überhaupt ausgegraben und nicht nur auf der Erdoberfläche gefunden wurden – entgegen der Bestimmungen dieses Paragrafen ausgegraben wurden, ist es auch praktisch unmöglich zu bestimmen, ob ihre Finder rechtmäßiges Eigentum an diesen Gegenständen erworben haben oder nicht. Und das berücksichtigt noch gar nicht die Möglichkeit, dass sich diese Gegenstände heute ja potentiell gar nicht mehr im Besitz ihres ursprünglichen Finders befinden müssen, sondern zwischenzeitlich gutgläubig von allfälligen Zwischenbesitzern und dann von ihrem derzeitigen Besitzer erworben worden sein können, der daher zwischenzeitlich auch bereits einen rechtmäßigen Eigentumsanspruch an ihnen ersessen haben kann. Das führt aber unmittelbar zum Problem, dass, solange solche Altsammlungen und die in ihnen enthaltenen beweglichen archäologischen Denkmale (außer ihrem Besitzer und vielleicht einiger weniger anderer Personen) weitgehend bis gänzlich unbekannt sind, jeder, der heute bewegliche, archäologische Denkmale findet und deren sachgerechte Dokumentation und Meldung unterlässt, später jederzeit behaupten kann, dass sie aus einer derartigen (ererbten, geschenkt bekommenen oder schon vor Jahrzehnten angelegten) Altsammlung stammen. Damit ließe sich aber mittels dieser Behauptung die hier vorgeschlagene Dokumentations- und Meldepflicht und auch die für deren Nichteinhaltung vorgesehenen Strafen erst recht problemlos umgehen: will ein „unehrlicher“ und für die sachgerechte Dokumentation und deren Meldung zu fauler Finder seine Funde verkaufen oder auch einfach nur behalten, wenn ihre Existenz aus welchen Gründen auch immer den Behörden bekannt wird, ist alles, was er zu tun braucht, zu behaupten: „die sind aus einer Altsammlung“; und schon hat der Staat praktisch keine Chance mehr, ihm diese Sachen wegzunehmen, weil er das Gegenteil unmöglich beweisen kann. Das würde aber de facto das ganze hier neu vorgeschlagene Regelungssystem aushebeln, weil damit zumindest eine breite Hintertüre offengelassen würde, durch die sich alle jene vor der Einhaltung der hier vorgeschlagenen Dokumentations- und Meldepflichten drücken könnten, denen ihre Einhaltung zu mühsam ist. Um das zu verhindern, ist es notwendig, zuerst reinen Tisch zu schaffen. Es scheint daher sinnvoll, das Problem der Altsammlungen auf vergleichbare Weise zu lösen wie das der Neufunde beweglicher archäologischer Denkmale, indem man das gleiche Prinzip anwendet: wer Altsammlungsfunde sachgerecht dokumentiert und sie samt Dokumentation dem BDA meldet, wird vollständiger rechtmäßiger Eigentümer dieser Funde. Dabei hat man sich natürlich die sachgerechte Dokumentation von Altsammlungsfunden nicht identisch zur sachgerechten Dokumentation von 345 … et respice finem Neufunden vorzustellen: es gibt schließlich bei vielen keinen ursprünglichen Fundort mehr, der dokumentiert werden muss, sondern der „Altsammlungsfundort“ ist die Altsammlung. Es sollte daher genügen, die beweglichen archäologischen Denkmale selbst so zu dokumentieren, dass das jeweilige dokumentierte Objekt einigermaßen eindeutig zu erkennen ist, um Verwechslungen mit anderen, ähnlichen Objekten weitgehend ausschließen zu können. Das wird natürlich auch nicht bei allen beweglichen archäologischen Funden möglich sein – viele Münzen z.B. sind so nahidentisch, bzw. wenn es sich um modern massenproduzierte Münzen handelt tatsächlich identisch, zueinander, dass eine Unterscheidung zwischen vielen Exemplaren kaum möglich ist – aber wenigstens bei den meisten sollte das möglich sein; und das sollte genügen. Selbstverständlich braucht eine solche durchgehende Dokumentation aller derzeit existierenden Altsammlungen, deren derzeitige Besitzer auch tatsächlich ein sicheres, vollständiges, rechtmäßiges Eigentum an den in ihren Sammlungen befindlichen Objekten erhalten wollen, einiges an Zeit, sowohl einiges an Zeit der derzeitigen Besitzer dieser Sammlungen als auch einiges mehr an Zeit des BDA, das ja dann die gesamten eingehenden „Altsammlungsfundmeldungen“ ebenfalls bearbeiten muss. Selbst wenn man davon ausgehen kann, dass sicher nicht alle derzeitigen Besitzer von Altsammlungen dazu motiviert werden können, ihre Sammlungen vollständig zu dokumentieren und dem BDA zu melden und viele vielleicht gar nicht zur Dokumentation verleitet werden können, selbst wenn man ihnen dafür das Eigentum an diesen Objekten zuerkennt, das sie ohnehin schon in den meisten Fällen tatsächlich rechtmäßig haben, ist hier dennoch gerade für das BDA mit einem einigermaßen gewaltigen Arbeitsaufwand zu rechnen: geht man davon aus, dass z.B. Metallsucher seit nunmehr bald 50 Jahren aktiv tätig sind und wenigstens den Großteil ihrer signifikanteren Funde behalten haben, muss man wenigstens mit mehreren Millionen, wenn nicht mehreren zehn Millionen von solchen Altsammlungsfunden rechnen, die derzeit in österreichischen Haushalten herumliegen. Selbst wenn nur 10% der Besitzer solcher Altsammlungen die „besten“ 10% ihrer Funde melden, muss man wenigstens mit mehreren zehntausend, wenn nicht sogar mehreren hunderttausend „Altsammlungsfundmeldungen“ rechnen, die zu bewältigen sind. Dass Nachmeldungen auch tatsächlich vorkommen, wenn man sie ermöglicht, selbst wenn dadurch kein verbesserter Eigentumstitel für den derzeitigen Besitzer von Altsammlungsfunden entsteht, zeigt auch die Erfahrung des britischen Portable Antiquities Scheme. Betrachtet man dessen Daten etwas genauer, zeigt sich, dass oft auch Nachmeldungen noch viele Jahre nach der eigentlichen Entdeckung der Funde vorgenommen werden: so z.B. waren im Jahr 2008 nur etwa 91,5% aller beim PAS eingegangenen Meldungen solche von Funden aus den Jahren 2007 und 2008 (also wenigstens zeitnah zum Fundzeitpunkt gemeldete Funde), während immerhin 1,1% der in diesem Jahr dem PAS gemeldeten Funde vor 1980 gefunden worden waren. In absoluten Zahlen gesprochen stammten von den 49.001 insgesamt 2008 dem PAS gemeldeten Funden 4.215 aus „Altsammlungen“ (PAS 2009, 33) – also nach über 10 Jahren Betrieb des PAS und ohne, dass sich aus der Nachmeldung an das PAS ein sicherer Eigentumstitel ergäbe als ohne diese. Es wird daher eine relativ lange Übergangsfrist vorzusehen sein, während der diese Nachmeldung von „Altsammlungsfunden“ möglich ist; selbst wenn man – was man jedenfalls sollte – ein elektronisches Meldesystem dafür bereitstellt, in das die Besitzer von Altsammlungen weitgehend selbstständig ihre Fundmeldungen eingeben können, die dann von Seiten des BDA nur noch auf ihre ausreichende Sachgerechtigkeit geprüft werden müssen. Wie lange eine solche Übergangsfrist genau sein sollte, ist selbstverständlich diskutierbar, mir scheint es allerdings angebracht, wenigstens eine Frist von etwa 5 Jahren, aber auch nicht mehr als eine Frist von 10 Jahren dafür vorzusehen. Denn diese Frist – nachdem sich die gesetzliche Neuregelung auch erst unter Altsammlungsbesitzern herumsprechen wird müssen – darf nicht zu kurz gewählt sein: schließlich enthalten manche Altsammlungen wohl 346 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? wenigstens tausende, wenn nicht sogar zehntausende bewegliche archäologische Denkmale, deren Dokumentation und Meldung dann auch den, der sie derzeit in seinem Besitz hat, einige Zeit kosten wird. Sie darf aber auch nicht zu lange angesetzt werden, weil sonst keine besondere Motivation für Besitzer von Altsammlungen besteht, die in ihrer Sammlung enthaltenen, beweglichen archäologischen Denkmale möglichst zeitnah zu melden, sondern insbesondere Besitzer kleiner Altsammlungen diese Mühe dann bis kurz vor Fristende vor sich herschieben könnten und damit die Wirkung der hier vorgeschlagenen alternativen Regelung nur sehr langsam einsetzt, falls überhaupt. Wie lange man diese Übergangsfrist dann letztendlich ansetzt, nach ihrem Ablauf lassen sich dann auch Altsammlungsfunde genauso wie Neufunde behandeln: wurde ein Altsammlungsfund nicht innerhalb der Übergangsfrist sachgerecht dokumentiert und die Dokumentation dem BDA als Meldung übermittelt, dann geht er ins Eigentum des Staates über und dieser kann ihn sich daher dann auch jederzeit aneignen, sofern der Besitzer nicht einen rechtmäßigen Erwerb des Eigentums an den jeweils betroffenen Gegenständen nachweisen kann. Damit schafft man dann den reinen Tisch, den man braucht, damit sich niemand mehr darauf ausreden kann, dass die beweglichen Denkmale, die er in Wahrheit gerade neu gefunden hat, Teil einer undokumentierten Altsammlung wären. Hat man auf diesem Weg das Problem der Altsammlungen gelöst, sollte das hier vorgeschlagene System von Belohnungen für den sachgerechten und Strafen für den nicht sachgerechten Umgang mit (beweglichen) archäologischen Denkmalen einigermaßen zielsicher und effektiv funktionieren. Zwar wird es weiterhin selbstverständlich Personen geben, denen die Anfertigung einer (in den meisten Fällen minimal aufwändigen) Dokumentation ihrer Funde trotzdem zu mühsam ist oder die so derart überhaupt nichts mit Behörden wie dem BDA zu tun haben wollen, dass sie nicht einmal der Anreiz bei sachgerechter Dokumentation und Meldung ihrer Funde das vollständige, sichere, rechtmäßige Eigentum an ihnen zu erhalten und die Gefahr, sie zu verlieren, wenn jemand von ihren nicht entsprechend dokumentierten und gemeldeten Funden erfährt, davon überzeugen kann, dass sie sich gesetzmäßig verhalten. Dennoch, ein solches System von Anreizen und Abschreckung wäre jedenfalls wenigstens besser als gar nichts, und sicher viel besser als die „Lösung“, die Österreich derzeit für dieses Problem gefunden hat. Es hat jedenfalls keinen Sinn, auf der schlechtesten aller möglichen Lösungen zu beharren, weil eine neu vorgeschlagene, bessere Lösung nur gut, aber nicht perfekt ist: perfekte gesetzliche Lösungen kann es schließlich nicht geben. Voraussichtliche Auswirkungen: ein kleiner Vergleich mit dem PAS Welche Auswirkungen eine Lösung wie die hier vorgeschlagene mittel- bis langfristig haben dürfte, lässt sich auch mit einigermaßen hoher Sicherheit vorhersagen, indem man einen Vergleich mit dem britischen PAS und dessen Auswirkungen anstellt, insbesondere mit seinen Auswirkungen auf die archäologische Landesaufnahme. Das PAS wurde 1997 als Pilotversuch in den englischen Regionen Kent, Norfolk, den West Midlands, North Lincolnshire, North West und Yorkshire gestartet und ab 1999/2000 auf ganz England und Wales ausgedehnt (https://finds.org.uk/about [5.5.2016]). Grundlage für das PAS war der 1996 erlassene Treasure Act, der das zuvor (seit dem Mittelalter) bestehende englische (inklusive Wales) Schatzregal genauer definierte und dabei den „Schatzbegriff“ des englischen Rechts im Sinne einer denkmalschutzrechtlichen Bestimmung neu fasste und deutlich erweiterte (mit einer weiteren Erweiterung durch eine geringfügige Novellierung 2002). Waren zuvor nur Gegenstände aus Edelmetall (bzw. mit einem maßgeblichen Edelmetallanteil), die vorsätzlich mit Wiedergewinnungsabsicht (animus revertendi) verborgen worden waren, Schatzfunde im Sinne des mittelalterlichen Treasure Trove, galten ab 1997 (bzw. 1.1.2003) alle folgenden Sachen als „Schätze“ (https://finds.org.uk/treasure/advice/summary [5.5.2016]): 347 … et respice finem • • • • • Jeder Metallgegenstand, mit Ausnahme von Münzen, der zum Zeitpunkt seiner Auffindung wenigstens 300 Jahre alt ist, vorausgesetzt wenigstens 10% seines Metallgewichts sind Edelmetall (d.h. Gold oder Silber). Ist der Gegenstand aus prähistorischer Zeit, ist er ein Schatz, wenn auch nur ein kleiner(er) Anteil davon aus Edelmetall besteht (d.h. auch wenn weniger als 10% des Metallgewichtes aus Gold oder Silber bestehen). Jede Gruppe von vergesellschaftet aufgefundenen zwei oder mehreren Metallgegenständen, gleichgültig aus welchem Metall sie bestehen, die aus prähistorischen Zeiten stammen. Jede Gruppe von zwei oder mehr vergesellschafteten Münzen, vorausgesetzt sie sind zum Zeitpunkt ihrer Auffindung wenigstens 300 Jahre alt und enthalten mehr als 10% Gold oder Silberanteil (oder 10 oder mehr, wenn der Gold- bzw. Silberanteil in ihnen weniger als 10% ist). Normalerweise werden nur die folgenden Gruppen von Münzen als vergesellschaftet betrachtet: Münzhortfunde die vorsätzlich verborgen wurden; kleinere Gruppen von Münzen wie z.B. der Inhalt von Geldbörsen, die verloren gegangen sind; sowie als Votivgaben oder rituell deponierte Gruppen von Münzen. Jeder Gegenstand, aus welchem Material auch immer er gemacht sein mag, der gemeinsam mit einem „Schatz“ im oben definierten Sinn aufgefunden wurde oder mit diesem früher eine Einheit gebildet hat. Jedes Objekt, das entsprechend dem mittelalterlichen Schatzregal ein „Schatz“ ist, aber in keine der bisher genannten Kategorien fällt. Nur Gegenstände die zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung jünger als 300 Jahre alt sind, zu maßgeblichen Teilen aus Gold oder Silber bestehen, die vorsätzlich mit Wiedergewinnungsabsicht verborgen wurden und deren Eigentümer bzw. deren Erben nicht mehr ermittelt werden können, können in diese alte Kategorie von Schatzfunden fallen. Gemäß dem Treasure Act 1996 verfallen die genannten Gegenstände theoretisch der Krone; wobei diese allerdings dem Finder und/oder Grundeigentümer (falls beiden gleichteilig) eine Entschädigung in Höhe des wahren wirtschaftlichen Werts der zu Schatzfunden erklärten Gegenstände auszubezahlen hat. In der Praxis bedeutet das, dass der Finder bzw. Grundeigentümer bzw. der sonstige Eigentümer des Fundes diesen einem geeigneten Museum (normalerweise entweder das British Museum, das National Museum of Wales, oder ein größeres Regionalmuseum) zu seinem gutachterlich bestimmten wahren Wert zum Verkauf anbieten muss. Kauft dieses Museum den Schatzfund binnen 6 Monaten nicht zu diesem Preis, bzw. erklärt es, nicht am Erwerb des Schatzfundes interessiert zu sein, kann der Eigentümer des Schatzes mit diesem tun und lassen, was er will. Prinzipiell sieht das englische Recht vor, dass der Grundeigentümer automatisch auch Eigentümer aller unter der Erdoberfläche auf seinem Grund und Boden gefundenen Objekte wird, der Finder hingegen Eigentümer aller an der Oberfläche getätigten Funde. Aus diesem Grund ist es in England und Wales für Metall-, Schatzsucher und sonstige an der Entdeckung archäologischer Funde interessierte Personen essentiell, vor einer allfälligen Suche eine schriftliche Vereinbarung mit dem Grundeigentümer abzuschließen, in der privatrechtlich das Fundeigentum an allen von ihnen gemachten Funden geklärt wird. Solche Vereinbarungen können variieren und gehen normalerweise davon, dass der Finder das alleinige Eigentum an den gemachten Funden erhält, bis hin zur hadrianischen Eigentumsteilung. Manche Grundeigentümer machen die Suchgenehmigung auch von der Entrichtung einer Gebühr abhängig, nicht zuletzt z.B. die Krone selbst für die Nachforschung auf öffentlichem Grund. In der Praxis ist es daher in der Regel so, dass Finder an den meisten von ihnen gemachten Funden das vollständige Eigentumsrecht erwerben (und nur, wenn einer ihrer Funde ein Schatzfund iSd Treasure Act 1996 ist, es zur hadrianischen Teilung kommt, wenn nicht eine andere Vereinbarung zwischen Finder und Grundeigentümer auch für Schatzfunde getroffen wurde). 348 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Wie schon aus der oben wiedergegebenen Definition des Schatzfundbegriffes des Treasure Act 1996 hervorgeht, sind allerdings bei weitem nicht alle Funde beweglicher archäologischer Gegenstände Schatzfunde. Vergleicht man die Zahlen von Schatzfunden mit jenen der alljährlich dem PAS gemeldeten beweglichen archäologischen Funde in England und Wales, so zeigt sich, dass maximal 12% davon als Schatzfunde iSd Treasure Act 1996 klassifiziert werden (z.B. PAS 2009, vii). Im englischen Recht besteht jedoch ausschließlich für Schatzfunde iSd Treasure Act 1996 eine Meldepflicht; während Funde normaler beweglicher archäologischer Denkmale keinen Melde- oder sonstigen Pflichten unterliegen. Das PAS wurde 1997 spezifisch dafür geschaffen, dass freiwillige Meldungen beweglicher archäologischer Funde durch Mitglieder der Öffentlichkeit angeregt werden, damit nicht nur Schatzfunde, sondern ein größerer Anteil aller tatsächlich getätigten archäologischen Funde in England und Wales der archäologischen Wissenschaft bekannt werden (https://finds.org.uk/about [5.5.2016]). Es ist also eine letztendlich pragmatische Lösung in Anbetracht einer Rechtslage, die nicht einmal eine Fundmeldepflicht für gewöhnliche archäologische Funde vorsieht. Die meisten in England und Wales dem PAS gemeldeten archäologischen Funde werden also nicht etwa deshalb gemeldet, weil ihre Finder gesetzlich zu ihrer Meldung verpflichtet wären, sondern die Finder melden sie vollkommen freiwillig. Auch verbessert sich die eigentumsrechtliche Stellung von Findern durch eine Meldung ihrer Funde an das PAS überhaupt nicht: eigentumsrechtlich ist, wenn der Fund nicht als Schatzfund bewertet und von der Krone (bzw. einem geeigneten Museum) gemäß ihres Vorkaufrechts erworben wird, einzig die zwischen Grundeigentümer und Finder geschlossene, privatrechtliche Vereinbarung relevant bzw. wird hadrianisch geteilt, wenn keine solche Vereinbarung existiert. Das PAS bietet FinderInnen zwar gewisse Anreize, wie z.B. Hilfe bei der Bestimmung ihrer Funde und – falls nötig – rechtliche Beratung, ob einer ihrer Funde ein Schatzfund iSd Treasure Act 1996 sein könnte und wie sie mit diesem dann zu verfahren haben; aber diese Anreize sind, wenigstens im Vergleich zum sicheren, rechtmäßigen Eigentumserwerb wie er hier für Österreich für „ehrliche“, d.h. ihre Dokumentations- und Meldepflichten sachgerecht erfüllende, Finder vorgeschlagen wird, nur relativ gering. D.h. die meisten Finder, die ihre Funde dem PAS melden (und diese auch zunehmend genau dokumentieren; Lewis 2015), melden ihre Funde also deshalb, weil sie sie freiwillig melden wollen, weil das – auch für diese erkennbar – archäologisch-denkmalschützerisch sinnvoll ist. Trotzdem die Fundmeldung der meisten dem PAS gemeldeten archäologischen Funde völlig freiwillig ist, haben die nun seit etwa 20 Jahren freiwillig von interessierten Bürgern (und zwar hauptsächlich Metallsuchern) abgegebenen Fundmeldungen das Verständnis über die Verteilung archäologischer Funde in der Landschaft Englands und Wales' vollkommen revolutioniert (siehe dazu auch z.B. Murgia et al. 2014) und ganz maßgeblich zu einer Verbesserung des archäologischen Kenntnisstandes darüber beigetragen, auf welchen Bodenflächen mit besonders bedeutenden, „ungestörten“ archäologischen Objekten im Boden zu rechnen ist. Wie Abbildung Abb. 14 zeigt, ist heute die Landkarte von England und Wales mit allein durch interessierte Bürger, die ihre Funde vollkommen freiwillig melden, produzierten archäologischen Fundpunkten so dicht gefüllt, dass sich auf einer Darstellung wie hier kaum noch weiße Flecken finden (die trotzdem vorhandenen weißen Flecken sind Hochländer oder Moorgebiete, in denen die Besiedlungsdichte nie hoch war und auch heute noch sehr dünn ist). Noch wichtiger ist jedoch, dass die hier gezeigten Fundpunktverbreitungskarten der kurz nach Beginn des PAS, nach einigen Jahren seines Betriebs und schließlich heute dem PAS durch Bürger gemeldeten Fundstellen zeigen, wie – bei entsprechender Förderung – die Dichte aus diesen Daten bekannter Fundstellen massiv angestiegen ist (in Lincolnshire z.B. stammen 80% der dem PAS gemeldeten Funden von zuvor den Behörden nicht bekannten Fundstellen; Daubney 2016, 100). Die pragmatische Lösung, die bei einer Rechtslage zur Anwendung gebracht wird, die wohl nahidentisch mit der 349 … et respice finem wenigstens derzeit in Österreich tatsächlich geltenden ist, funktioniert also um ein großes Vielfaches besser als was man in Österreich mit nutzlosen Verboten und nicht durchsetzbaren Strafandrohungen erreicht hat. Trotzdem scheint es in England und Wales pro Kopf der Bevölkerung und pro Flächeneinheit deutlich weniger Metallsucher zu geben, als in Österreich (Karl & Möller 2016, 21520). 1998 1998-2003 1998-2009 1998-2012 Abb. 14: Ansteigen der Fundstellendichte durch freiwillige Fundmeldungen von interessierten BürgerInnen an das PAS (Abbildungen freundlicherweise zur Verfügung gestellt von K. Roberts 2016) Wurden vor der Einführung des PAS, als die britische Archäologie mit freiwillig ihre Funde melden wollenden BürgerInnen, darunter insbesondere Metallsuchern, noch etwa so umging, wie das die 350 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? österreichische Archäologie bis heute tut, also insbesondere mit Belehrungen, Beschimpfungen und Versuchen, die Finder zu bestrafen, jährlich maximal etwa 5.000 Funde Museen und anderen archäologischen Einrichtungen von interessierten Bürgern bekannt gemacht, waren es zwischen September 1997 und Oktober 1998 – dem ersten Jahr des Pilotversuchs für das PAS – schon 23.953 (PAS 2000, 37). In 2014 waren es schon 113.794 Funde aus 64.096 Fundmeldungen (Lewis 2015, 40), die vom PAS registriert wurden; das inzwischen aufgrund der großen Menge an ihm vorgelegten Funden bei weitem nicht mehr alle registriert (Lewis 2016a, 131). 2015 waren es hingegen „nur“ 82,272 Funde (Lewis 2016b, 4; die Anzahl der Fundmeldungen wird leider nicht mehr angegeben), was aber immer noch wenigstens das 16-fache des Maximums dessen ist, mit dem man vor der Einführung des PAS rechnen konnte; seither ist diese Anzahl Jahr für Jahr etwa gleichgeblieben. Die jährliche Zahl von Fundmeldungen hat sich also seit Einführung des PAS etwa um einen Faktor von ca. 20 vergrößert, die Anzahl der durch Fundmeldungen von interessierten Bürgern bekannten Fundstellen ist exponentiell angestiegen und es werden immer noch jedes Jahr zahlreiche zusätzliche, zuvor noch gänzlich unbekannte, Fundstellen auf diese Weise entdeckt. Natürlich waren England und Wales nicht unbeschriebene Blätter, was die Zahl der bekannten Fundstellen betrifft: schon um 2000 waren in den National Monuments Records von England und Wales etwa eine halbe Million archäologischer Fundstellen verzeichnet, weil ja in diesen Ländern seit 1907 bzw. 1908 die jeweils regional zuständigen, für die archäologische Landesaufnahme geschaffenen, Royal Commissions diese auch tatsächlich schon beinahe ein Jahrhundert lang systematisch betrieben hatten. Dennoch haben die Fundmeldungen durch interessierte Bürger die Zahl der insgesamt bekannten Fundstellen seither deutlich vergrößert, wenn nicht sogar etwa verdoppelt. Man kann sich also vorstellen, welchen Effekt ein tatsächlich effektives Fundmeldesystem, das Bürger auch – wie hier vorgeschlagen – stark dazu motiviert, ihre Funde – die viele davon ohnehin machen, weil sie dem Hobby der Metallsuche nachgehen, ob uns das nun gefällt oder nicht – einigermaßen sachgerecht zu dokumentieren und auch tatsächlich den Behörden zu melden, haben könnte. Gerade in Österreich, wo die Ausgangsbasis aufgrund der seit langer Zeit fast vollständig unterlassenen systematischen archäologischen Landesaufnahe um ein großes Vielfaches schlechter ist als die, von er man in England und Wales ausgehen konnte, als durch Einführung des PAS die Fundmeldetätigkeit durch interessierte Bürger zu fördern begonnen wurde, würde das binnen weniger Jahre dazu führen, dass sich die Zahl der bekannten Fundstellen massiv erhöhen dürfte – und zwar um einen bedeutenden Faktor: erinnern wir uns, dem BDA sind derzeit den jüngsten Angaben zufolge gerade einmal ungefähr 19.550 Fundstellen bekannt (Picker et al. 2016, 285), bei einer Bodenfläche, die etwa 55% der von England und Wales ausmacht. Rechnet man von den inzwischen weit über 500.000 durch systematische archäologische Landesaufnahme und Fundmeldungen durch interessierte Bürger aus England und Wales bekannten archäologischen Fundstellen hoch, was in Österreich durch ein effektives Fundmeldesystem erreicht werden könnte, kann man davon ausgehen, dass bei etwa gleicher Effektivität des Systems binnen etwa 10-20 Jahren in Österreich dadurch jedenfalls über 100.000 derzeit noch unbekannte archäologische Fundstellen bekannt werden dürften. Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, dass das eine gewaltige Verbesserung des Standes der archäologischen Landesaufnahme Österreichs bedeuten würde, die eine deutlich bessere präventive archäologische Denkmalpflege gestatten würde, als dies bisher der Fall war. Das PAS zeigt übrigens auch, dass man sich auf die Meldungen interessierter Bürger durchaus verlassen kann und, wenn man gewisse Mindeststandards an Dokumentationsgenauigkeit vorschreibt, auch sehr gute und verlässliche Ergebnisse geliefert bekommt. Das PAS hat es lange Zeit unterlassen, auch nur einigermaßen verbindliche Mindeststandards für Dokumentationen und 351 … et respice finem Meldungen vorzugeben. Dennoch ist von 1997 an die Meldegenauigkeit zunehmend gestiegen (siehe dazu z.B. PAS 2009, 31 Tab. 7b). 2013 hat man sich aber schließlich entschlossen, doch einen Mindeststandard für die Annahme von Fundmeldungen einzuführen, der dem entsprach, was 2013 von 99% aller Meldungen bereits erreicht wurde (Lewis 2014, 41 Tab. 5). Das hat dazu geführt, dass 2014 25,33% aller Fundmeldungen auf die als Mindeststandard geforderten 10 Mal 10 Meter genau, 34,47% aller Fundmeldungen auf 1 Mal 1 Meter genau, und 39,48% auf 10 Mal 10 Zentimeter genau lokalisiert und damit gemeldet wurden; die geforderten Mindeststandards also – neuerlich völlig freiwillig – in etwa drei Viertel aller Fälle deutlich übertroffen wurden (Lewis 2015, 41 Tab. 5). 2015 waren es dann 27,45% auf 100 m2, 29,33% auf 1m2 und 42,55% auf 100 cm2 genau (Lewis 2016b, 36 Tab. 4). Das sind Meldezahlen und Meldegenauigkeiten, von denen man derzeit in Österreich nicht einmal träumen kann – und etwa 90% davon stammen von Metallsuchern (ibid., Tab. 3) von durchpflügten Böden (ibid., Tab. 5), nur etwa 3% sind Zufallsfunde bei nicht-archäologischen Aktivitäten wie Garten- oder Bauarbeiten und gerade einmal 0,41% stammen aus systematischen archäologischen Ausgrabungen (ibid., Tab. 3). Für eine archäologische Landesaufnahme, die für die – ebenfalls hier vorgeschlagene – vorausschauende Berücksichtigung archäologischer Denkmale im Bereich des Planungswesens erforderlich ist, genügt diese vom PAS nun als Mindeststandard gewählte Fundmeldegenauigkeit bereits vollständig. Die tatsächlich erreichte Meldegenauigkeit genügt hingegen bereits sogar für archäologische Forschungen und Auswertungen, wenn man die übliche Fundverschleppung im gestörten Oberboden berücksichtigt (für eine Zusammenfassung siehe Seawright 2015, 2-4). Auch professionell durchgeführte Linien- oder Rastersurveys (BDA 2016a, 12) sind nur unwesentlich aussagekräftiger, falls überhaupt, schlicht und einfach, weil die Quellenbasis selbst keine genaueren Informationen hergibt, selbst wenn man die derzeitige Fundlage eines Gegenstandes noch genauer dokumentiert als auf 100 m2 genau. Solche Lokalisierungsgenauigkeiten sind auch gar nicht überraschend: schließlich trägt heute nahezu jeder ein GPS-Positionierungsgerät mit einer Standardabweichung von normalerweise nicht mehr als 5 Metern bei sich, nämlich sein Mobiltelefon, das auch gleich die praktischste Möglichkeit ist, Koordinaten für eine Fundmeldung aufzuzeichnen. In Dänemark benutzen die dortigen Denkmalbehörden dafür inzwischen eine Applikation, die sich jeder Metallsucher auf seinem Mobiltelefon installieren und mit dem er die Fundmeldung auch gleich an Ort und Stelle vornehmen kann, samt beigefügten aussagekräftigen Fotos und automatisch aufgezeichneten GPS-Koordinaten (pers. Mitt. J, Weise, 22.6.2019). Schreibt man also für eine Dokumentationspflicht für Oberflächen- und Oberbodenfunde eine erwünschte Lokalisierungsgenauigkeit der Fundstelle entsprechend der üblichen Ortungsgenauigkeit eines beliebigen tragbaren GPS-Gerätes (Mobiltelefon, Wandernavigationsgerät, etc.) vor, die (z.B. in Form von GPS-Koordinatenangabe plus Standardabweichung) als sachgerechte Dokumentation der Koordinaten im Sinne des hier vorgeschlagenen Systems gilt, kann man auch durchaus berechtigterweise damit rechnen, dass man in der Regel auch in Bezug auf die Lokalisierung der Fundstelle des entdeckten Gegenstandes verlässliche Daten erhält. Damit würde aber eine derart auf Basis von bürgerlicher Eigeninitiative durchgeführte archäologische Landeaufnahme aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nur Daten liefern, die für eine präventive archäologische Denkmalpflege notwendig sind, sondern sogar Daten in einer Qualität, wie sie für wissenschaftliche Untersuchungen, wie z.B. für die Schlachtfeldarchäologie, erforderlich ist. Dass das dann auch tatsächlich geschieht oder wenigstens geschehen kann, zeigen ebenfalls die Erfahrungen des PAS: seit seiner Einführung wurde die Daten des PAS für 455 wissenschaftliche Forschungsprojekte genutzt; darunter nicht zuletzt 95 Doktorarbeiten (Lewis 2014, 5). Wie es Christoph Huth in seiner Diskussion des PAS ausgedrückt hat: „Die quantitativen und qualitativen 352 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Veränderungen in der dokumentierten Fundüberlieferung sind so tiefgreifend, dass man sich fragen muss, ob man das Fundbild in England und Wales überhaupt noch mit dem auf dem Kontinent vergleichen kann. Das gilt nicht nur für die bronzezeitlichen Funde, sondern auch für alle anderen Epochen […]. Und das bedeutet in der Konsequenz, dass wir uns nicht einmal mehr sicher sein können, worüber wir eigentlich reden.“ (Huth 2013, 136). Wissenschaftliche Untersuchungen auf Basis einer England und Wales vergleichbaren Fundmeldedichte würden also aller Wahrscheinlichkeit auch unser wissenschaftliches Verständnis über die österreichische Archäologie, wenigstens teilweise, revolutionieren. Der Vergleich mit dem PAS sollte jedenfalls zu denken geben, weil er einen Ausblick auf das gibt, womit man rechnen kann, wenn man die Bevölkerung und vor allem jene ihrer Teile, die heute hauptsächlich im Feld archäologische Funde machen, weil sie nach ihnen suchen, zur sachgerechten Dokumentation und Meldung dieser Funde motivieren würde, statt sie davon abzuschrecken. Man kann natürlich aus den Fehlern und Mängeln, die das PAS hatte oder immer noch hat, lernen und sich auch von Anfang an ordentlich auf die zu erwarteten Folgen der Einführung von Bestimmungen, wie sie hier vorgeschlagen wurden, einstellen. Denn das BDA mit seinen 15 archäologischen Fachbeamten, die ohnehin schon mit viel zu viel Arbeit überlastet sind, wird die Aufgabe, mit der erwarteten Fundmeldungsflut umzugehen, wohl kaum bewältigen können; selbst wenn man den Findern die Möglichkeit bietet, ihre Funde selbst direkt elektronisch zu melden und die Fundmeldungen nur noch amtlich auf ihre Qualität hin kontrolliert werden müssen. Personen mit anderen Motiven für die Durchführung von Erdarbeiten Damit bleiben als zweite, ebenfalls relevante Gruppe, deren Verhalten man möglichst in die erwünschte Richtung steuern möchte, noch jene Personen, die Erdarbeiten aus anderen Gründen, d.h. mit anderen Motiven als der Entdeckung von Gegenständen, unter denen sich auch archäologische Denkmale befinden könnten, durchführen. Diese Gruppe von Personen ist mindestens ebenso divers wie die soeben besprochene Personengruppe und hat wenigstens ebenso vielfältige Motive und Ziele wie diese. Dennoch lässt sich auch bei dieser Personengruppe ein gemeinsamer Nenner finden, aus dem sich ableiten lässt, welche Anreize man Personen dieser Gruppe bieten kann, um sie dazu zu motivieren, ihre Handlungen so zu gestalten, dass die gesetzlichen Bestimmungen die erwünschte, verhaltenssteuernde Wirkung maximal entfalten können. Denn dieser Gruppe von Personen – ob es sich dabei nun um natürliche oder Rechtspersonen handelt – ist gemein, dass die von ihnen durchgeführten Erdarbeiten gerade nicht darauf abzielen, archäologische Denkmale entdecken, sondern die Entdeckung archäologischer Denkmale bei derartigen Erdarbeiten einen Störfaktor darstellt, der dazu führen kann, dass der Zweck, zu dem die Erdarbeiten durchgeführt werden sollen, eventuell nicht oder nur erschwert erreicht werden kann. Worum es diesen Personen eigentlich geht sind, wenn man es aus archäologischer Sicht betrachtet, gerade nicht die archäologischen Denkmale, sondern – in der Bauwirtschaft – der Boden, der diese umgibt, oder sogar – in der Land- und Forstwirtschaft – hauptsächlich das, was auf diesem Boden wächst oder wachsen soll. In letzter Analyse geht es auch dabei wieder um die Verfügungsgewalt, nur in diesem Fall eben nicht um die Verfügungsgewalt über die archäologischen Denkmale im (und auf dem) Boden, sondern um die Verfügungsgewalt über den nicht archäologisch „verseuchten“ Boden selbst bzw. die Früchte, die dieser Boden erzeugen soll oder bereits erzeugt hat. Für die Erdarbeiten zu anderen als archäologischen Entdeckungszwecken durchführenden Personen ist daher in erster Linie wichtig, dass sie über – aus deren Sicht idealerweise archäologiefreien – Boden die möglichst uneingeschränkte Verfügungsgewalt ausüben können. Dabei haben sie, nicht wesentlich anders als Finder archäologischer Denkmale in der Regel bereits die tatsächliche Verfügungsgewalt 353 … et respice finem über die Sache, über die sie diese Verfügungsgewalt ausüben wollen. In der Regel haben sie jedoch auch – im Unterschied zu den Findern, die diese normalerweise zum Zeitpunkt der Entdeckung archäologischer Denkmale noch nicht haben – bereits zu dem Zeitpunkt, an dem sie ihre Erdarbeiten planen und jedenfalls zum Zeitpunkt, an dem sie diese durchführen (lassen), auch die rechtliche Verfügungsgewalt über die Sachen, über die sie verfügen wollen. Man kann diesen Personen daher nicht den Anreiz bieten, dass sie, wenn sie sich in der erwünschten Weise verhalten, die rechtliche Verfügungsgewalt über die Sache erlangen, über die sie verfügen wollen; sondern muss im Gegenteil ihre rechtliche Verfügungsgewalt über diese Sache einzuschränken versuchen, wenn sie sich entgegen geltender gesetzlicher Bestimmungen nicht in der erwünschten Weise verhalten. Dies ist derzeit allerdings überhaupt nicht der Fall, sondern ganz im Gegenteil müssen diese Personen befürchten, dass ihre rechtliche Verfügungsgewalt über die Sache, über die sie diese ausüben wollen, gerade dann beschränkt wird, wenn sie sich an die gesetzlichen Bestimmungen halten; während wenigstens ihre tatsächliche Verfügungsgewalt über sie überhaupt nicht beschränkt wird, wenn sie die geltenden gesetzlichen Bestimmungen einfach vorsätzlich zu umgehen versuchen oder sogar einfach ignorieren. Schließlich sind ja derzeit alle Erdarbeiten zu anderen als archäologischen Entdeckungszwecken, sofern diese nicht auf einem unter Schutz stehenden Denkmal durchgeführt werden sollen, gar nicht denkmalschutzrechtlich bewilligungspflichtig und es ist daher die Verfügungsgewalt der diese Erdarbeiten durchführen wollenden Personen auch gar nicht denkmalrechtlich eingeschränkt. Zu einer denkmalrechtlichen Einschränkung ihrer Verfügungsgewalt über die Sache, über die sie verfügen wollen, kann es daher überhaupt erst kommen, wenn auf dieser entdeckte archäologische Denkmale dem BDA gemeldet werden. Eine denkmalschutzrechtliche Bewilligungspflicht für alle maßgeblich in den Erdboden eingreifenden Arbeiten würde einen ersten Schritt in die gewünschte Richtung darstellen: die rechtliche Verfügungsgewalt von Personen über die Sache, über die sie bei diesen Erdarbeiten diese Verfügungsgewalt ausüben wollen, wird dadurch einer – wenn auch nur so gering als möglich in diese eingreifenden – geringfügigen Beschränkung unterworfen. Nachdem die Erteilung einer solchen Bewilligung im hier weiter unten gemachten Vorschlag von der Durchführung sachgerechter Voruntersuchungen abhängig gemacht wird und im Rahmen der Bewilligung dem Antragsteller auch Auflagen erteilt werden können, die dazu geeignet sind, die sachgerechte Dokumentation der bei den Erdarbeiten (möglicherweise) zerstört werdenden archäologischen Denkmale im Boden sicherzustellen, wird allein durch diese Bestimmungen selbst ein gesetzlicher Anreiz für solche Arbeiten planenden Personen geschaffen, ihr Handeln in einer Weise zu gestalten, die gesetzlich gewünscht ist. Der Anreiz, der Personen, die Erdarbeiten zu anderen als archäologischen Entdeckungszwecken durchführen wollen, zum erwünschten Verhalten motivieren soll, ist dabei der, dass jene dieser Personen, die sich an die gesetzlichen Bestimmungen halten, d.h. die notwendigen Voruntersuchungen durchführen und die sachgerechte Dokumentation allfällig vorhandener archäologischer Denkmale auflagengerecht vornehmen (lassen), dafür die Sicherheit erhalten, dass sie ihre Erdarbeiten, wenn sie diese dann tatsächlich in Angriff nehmen, auch tatsächlich frei durchführen dürfen und ihre Verfügungsgewalt über den Boden nicht, sozusagen erst nachträglich, durch dann „zufällig“ entdeckte archäologische Denkmale zu einem Zeitpunkt beschränkt wird, an dem derartige Einschränkungen ihnen maßgeblichen und vorab nicht kalkulierbaren wirtschaftlichen Schaden verursachen. Der Anreiz ist also die Sicherheit, dann, wenn sie die freie Verfügungsgewalt tatsächlich brauchen, sie auch tatsächlich zu haben. Tatsächlich sollte auch die Durchsetzung eines solchen Anreizsystems schon alleine deshalb um ein Vielfaches effektiver sein als das bisherige System des archäologischen Denkmalschutzes bei nicht aus 354 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? archäologischen Entdeckungszwecken durchgeführten Erdarbeiten, weil ein großer Teil der besonders archäologiegefährdenden Erdarbeiten – nämlich wenigstens jene bei Bauarbeiten – bereits ohnehin einer gesetzlichen Bewilligungspflicht unterworfen ist; die rechtliche Verfügungsgewalt der Personen, die solche Erdarbeiten durchführen wollen, also ohnehin schon beschränkt ist und auch einigermaßen effektiven Kontrollmechanismen unterliegt. Durch die Verknüpfung der denkmalschutzrechtlichen Bewilligungspflicht mit diesen anderen Bewilligungspflichten, die auch kaum jemand vorsätzlich missachtet (weil eine Folge davon schließlich sein kann, dass er ein um teures Geld errichtetes Gebäude um noch mehr Geld wieder abreißen muss, was niemand will), ist auch einigermaßen sichergestellt, dass sich Personen, die Bauarbeiten durchführen wollen, nicht um die denkmalschutzrechtliche Bewilligung zu drücken versuchen, weil sie, wenn sie diese nicht erhalten, sie ja dann auch die Baubewilligung nicht erhalten, womit den Personen, die die Bauarbeiten durchführen wollen, eine Strafe droht, die nicht nur die Kosten der Befolgung der notwendigen archäologischen Bestimmungen, sondern die Kosten des gesamten Bauprojekts übersteigt. Das ist dann auch tatsächlich eine effektive Abschreckung, egal für welches Bauunternehmen. Es gilt jedoch auch zu bedenken, dass viele anderen maßgeblich in den Erdboden eingreifenden Arbeiten, insbesondere in der Land- und Forstwirtschaft, noch keinen besonderen Bewilligungspflichten unterliegen und daher auch eine denkmalschutzrechtliche Bewilligungspflicht leicht missachtet werden könnte: schließlich ist nicht ohne Weiteres festzustellen, ob ein Bauer nun tiefer als ca. 30 cm pflügt. Wenn ein Forstbetrieb irgendwo eine Forststraße oder auch nur eine Erntegasse für den Harvester anlegt, ist das ebenso oft von außen, d.h. von außerhalb des Waldes, in dem diese Arbeiten stattfinden, nur schwer oder überhaupt nicht zu bemerken. Noch dazu ist es auch sehr unwahrscheinlich, dass bei derartigen Arbeiten archäologische Denkmale auch nur zufällig entdeckt werden, vor allem, wenn niemand gezielt nach ihnen sucht, weil bei diesen Arbeiten der Boden oft gar nicht abgegraben, sondern nur von der Oberfläche aus maschinell durchwühlt wird, wie z.B. bei Pflügetätigkeiten, dem Einsatz von Grubbern, oder, wie bei der Anlage von Erntegassen beim Harvestereinsatz im Wald, durch das Gewicht des eingesetzten Geräts stark komprimiert und durch dessen Räder teilweise umgewühlt wird. Personen, die derartige Erdarbeiten durchführen wollen, könnten also denkmalschutzrechtliche Bewilligungspflichten einigermaßen leicht missachten, weil sie ja die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Sache, auf der sie maßgeblich in den Erdboden eingreifende Handlungen setzen wollen, bereits haben und die uneingeschränkte rechtliche Verfügungsgewalt darüber gar nicht brauchen, weil ohnehin niemand bemerkt, dass sie möglicherweise verbotenerweise archäologische Denkmale undokumentiert zerstören, ohne dafür eine denkmalschutzrechtliche Bewilligung zu haben. Es bedarf daher auch einer recht starken Abschreckungswirkung, um derartige Missachtungen der gesetzlichen Bestimmungen möglichst nachteilhaft erscheinen zu lassen. Auch hier kann man eventuell bei der Verfügungsgewalt jener ansetzen, die eventuell derartige maßgeblich in den Erdboden eingreifende Maßnahmen unter Missachtung der denkmalschutzrechtlichen Bewilligungspflichten durchführen könnten; wie das schon derzeit durch die Möglichkeit der Unterschutzstellung gem. §§ 2a, 3 oder 9 Abs. 3 DMSG igF erreicht werden kann. Eine solche Unterschutzstellung erfordert allerdings nicht nur die Feststellung, dass sich an einem Ort tatsächlich archäologische Denkmale befinden, sondern auch die Feststellung, dass deren Bedeutung wenigstens iSd § 1 Abs. 5 DMSG wahrscheinlich derart beschaffen ist, dass ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist. Dies ist aber oft nicht einfach feststellbar, insbesondere, wenn die Hinweise, die auf das Vorkommen archäologischer Denkmale an einem bestimmten Ort deuten, eher schwach sind (siehe dazu auch Hebert 2018, 84), d.h. sich z.B. auf Oberflächen- und Oberbodenfunde und nicht übermäßig aussagekräftige Luftbildbefunde beschränken. Inwieweit eine solche 355 … et respice finem Unterschutzstellung jedoch überhaupt sinnvoll ist, kann bezweifelt werden; vor allem, weil das Ausmaß der Beschädigung eines zuvor unbekannten Denkmals nur sehr schwer festzustellen ist. Ein weit effektiverer Zugang könnte es hingegen sein, die unbeweglichen archäologischen Denkmale im Boden, nicht anders als die beweglichen Artefakte, als herrenlose Güter zu betrachten. Schließlich sind unbewegliche archäologische Denkmale im Boden, also Befunde und Kontexte, ebenso in Vergessenheit geraten wie ein vergessenes Artefakt bzw. hat der vormalige Eigentümer seinen Eigentumsanspruch an den Sachen, die diese Befunde einst waren, schon so lange aufgegeben, dass sie soweit verfallen konnten, dass von ihnen nicht mehr als ein paar nicht länger nutzbare Überreste oder Ruinen übriggeblieben sind. Als herrenlose Güter, die jedoch untrennbar mit dem Boden, auf oder in dem sie sich befinden verbunden sind, kann man diese in das Eigentum des Grundeigentümers übergehen lassen, wenn sich dieser (bzw. ihr Finder) an die dafür notwendigen gesetzlichen Bestimmungen – eben die Dokumentations- und Meldepflichten, die hier vorgeschlagen wurden – hält: er (bzw. der Finder) behandelt sie schließlich rechtmäßig und sachgerecht; es spricht daher nichts dagegen, ihn das Eigentumsrecht an ihnen erwerben zu lassen (insbesondere, weil sie ja in der Regel bei ihrer sachgerechten Dokumentation ohnehin weitgehend zerstört oder wenigstens maßgeblich verändert werden). Bei nicht sachgerechter Behandlung kann man sie hingegen – im Sinne einer Servitut oder wie einen Bodenschatz – ebenso wie bewegliche Funde, die nicht sachgerecht dokumentiert und gemeldet wurden, in das Eigentum der Republik übergehen lassen. Dies ist im archäologischen Denkmalschutz auch international nicht ungehört, z.B. ist es in Italien generell so, dass bewegliche und unbewegliche archäologische Denkmale, die sich noch unter der Erdoberfläche befinden, mit ihrer Entdeckung automatisch ins Staatseigentum übergehen, auch wenn der Boden, in dem sie sich befinden, einen anderen Eigentümer hat (Art. 91 iVm Art. 10 Decreto Legislativo 22 gennaio 2004, n. 42, "Codice dei beni culturali e del paesaggio, ai sensi dell'articolo 10 della legge 6 luglio 2002, n. 137"). Damit können dann zwar nicht frühere Beschädigungen dieser archäologischen Denkmale im Boden, aber alle weiteren ohne die notwendige denkmalschutzrechtliche Bewilligung an diesem Ort vorgenommenen Erdarbeiten durch den Grundeigentümer, durch die mutmaßlich Schaden an den noch im Boden befindlichen, im öffentlichen Eigentum stehenden Denkmalen angerichtet wurde, wenigstens als Sachbeschädigung iSd § 125 StGB gewertet und entsprechend bestraft werden, auch wenn sie überhaupt nicht unter Denkmalschutz stehen. Es versteht sich von selbst, dass die meisten Grundeigentümer das Entstehen eines solchen staatlichen Eigentumsrechtes an archäologischen Denkmalen, die sich unter der Oberfläche ihres eigenen Grundes befinden und auch gar nicht wirklich sichtbar sind, nach Möglichkeit verhindern wollen werden; schon allein um dauernden Streitigkeiten mit den Behörden aus dem Weg zu gehen. Damit wird der Vorteil, der jener Person, die maßgeblich in den Boden eingreifende Arbeiten vornehmen möchte, dadurch entsteht, dass sie bei Beachtung der gesetzlichen Bewilligungs-, Dokumentations- und Meldepflichten die Sicherheit erhält, dass ihre Verfügungsgewalt bezüglich der betroffenen Bodenflächen nicht nachträglich durch denkmalschutzrechtliche Bestimmungen beschränkt wird, wenn doch archäologische Denkmale entdeckt werden, durch den Nachteil ergänzt, dass die Person bei Nichtbeachtung der gesetzlichen Bewilligungs-, Dokumentations- und Meldepflichten riskiert, plötzlich unter der Oberfläche des ihr gehörenden Bodens ein im öffentlichen Eigentum stehendes Gut zu haben, das ihr nichts als Schwierigkeiten bereiten kann. Damit würden sich auch in diesem Bereich Zuckerbrot und Peitsche gegenseitig verstärken und wären wohl auch gemeinsam einigermaßen effektiv dabei, die erwünschte Verhaltenssteuerungswirkung zu entfalten: hält man sich an die denkmalschutzrechtlichen Regelungen, hat man die Sicherheit, mit seinem Grund 356 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? und Boden weiterhin unbeschränkt tun und lassen zu können, was man möchte, tut man es hingegen nicht, handelt man sich einfach zu vermeidende Schwierigkeiten ein. Auch hiermit wird man natürlich nicht alle Personen erreichen, die irgendwelche Arbeiten ausführen wollen, die maßgeblich in den Boden eingreifen und damit wirklich „besonders“ bedeutende archäologische Denkmale im oben genannten Sinn im Boden gefährden können: manche werden sicherlich weiterhin darauf hoffen, einfach unbemerkt damit davonzukommen, wenn sie solche Arbeiten mehr oder minder heimlich, still und leise durchführen. Aber auch hier ist es so, dass die hier vorgeschlagene Alternativlösung nicht nur jedenfalls besser als gar nichts, sondern insbesondere besser als die derzeit bestehende Rechtslage wäre. Will man Grundeigentümer bzw. sonstige Verfügungsberechtigte dazu bewegen, nicht einfach möglicherweise auf von ihnen bearbeiteten Grundstücken vorkommende archäologische Denkmale zu verheimlichen und diese bei maßgeblich in den Boden eingreifenden Arbeiten unbemerkt zu zerstören oder verändern, sondern diese möglichst vor der Durchführung maßgeblicher in den Boden eingreifender Arbeiten aufspüren und sachgerecht dokumentiert entsorgen zu lassen, wird man eine Lösung wie die hier vorgeschlagene anstreben müssen. Klar sollte jedenfalls sein, dass man mit Lösungsversuchen wie den hier vorgeschlagenen – einer Fundmeldepflicht verbunden mit einem Belohnungssystem für die sachgerechte und einem Strafsystem für die unsachgemäße Behandlung archäologischer Funde und Befunde und einem ähnlichen Bestrafungs- und Belohnungssystem für Grundeigentümer, auf deren Grund- und Boden sich unbewegliche archäologische Denkmale noch im Boden befinden, für den sachgerechten Umgang mit diesen – wohl deutlich erfolgreichere archäologische Denkmalpflege betreiben wird können als mit dem bisher in Österreich bestehenden System. Denn Großteils nur am Papier bestehende „Unterschutzstellungen“ ohne sachgerechte Pflege der unter Denkmalschutz gestellten Denkmale, die sie bloß in situ belässt, aber dort nicht erhält, und ebenfalls wenigstens in der Praxis im Feld praktisch nur am Papier bestehende Verbote und Strafandrohungen, die entweder in der Realität ohnehin so gut wie nirgendwo gelten und, wenn sie doch einmal gelten, praktisch kaum durchsetzbar sind, erreicht man keinen wirklichen archäologischen Denkmalschutz und betreibt auch keine echte archäologische Denkmalpflege; sondern hält nur ein gesetzliches Feigenblatt vor seine Scham, damit man nicht ganz nackt dazustehen scheint. 357 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG Natürlich kann man all die in diesem Buch aufgezeigten Probleme einfach ignorieren und einfach so weitermachen wie bisher, als ob nichts geschehen wäre und es nicht den mindesten Änderungsbedarf geben würde, wenn man das so will. Aber dann sollte, wenigstens meiner Meinung nach, die archäologische und denkmalpflegerische Fachwelt in Österreich auch ehrlich zugeben, dass es ihr weder um die Erhaltung der archäologischen Denkmale, noch um die Archäologie und schon gar nicht um das Allgemeinwohl geht, sondern um gesetzliche Privilegien für uns und eine gesetzliche Rechtfertigung für unsere Existenz; sowie darum recht zu haben und unsere eigenen selbstsüchtigen Interessen gegen die Eigentümer aller Sachen, die wir als archäologisch betrachten, irgendwie durchsetzen zu können, wenn auch nur auf rechtswidrigen Weg. Wenn es uns nur darum geht, möglichst alle von der Verfügung über alle die Sachen ausschließen zu können, die wir für uns behalten wollen, d.h. alle außer uns selbst, und alle jene, die sich entgegen unseres Willens dieser Sachen zu bemächtigen versuchen, als „böse Denkmalkriminelle“ bezeichnen und privat wie öffentlich verdammen zu können, auch wenn das rechtlich gesehen in den meisten Fällen gar nicht so stimmt; dann gibt es keinen wirklichen Grund, irgendetwas am derzeitigen DMSG und unserem Verhalten als Berufsstand zu ändern. Aber dann kann man, und sollte man meiner Meinung nach sogar, nicht nur das BDA, sondern auch unser Fach insgesamt abschaffen, weil dann unsere Tätigkeit und unser Verhalten keinen gesellschaftlichen Nutzen (außer für uns selbst) hat und die Gesellschaft, die Archäologie und die Wissenschaft weit besser dran wäre, wenn es uns und „unsere“ Gesetze gar nicht mehr gäbe. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der österreichische Gesetzgeber einen archäologischen Denkmalschutz will, wie er derzeit in Österreich (nicht wirklich) existiert. Wenn er das doch tun sollte, dann sollte er ebenfalls besser offen zugeben, dass ihn archäologischer Denkmalschutz; und vor allem ein zeitgemäßer, den gegenwärtigen Anforderungen – sowohl der archäologischen Wissenschaft, als auch der Gesellschaft und den derzeitigen äußeren Umständen in der Wirklichkeit – entsprechender archäologischer Denkmalschutz einfach nicht interessiert. Wenn er ohnehin keinen zeitgemäßen archäologischen Denkmalschutz will, kann er sich ihn – und die Kosten, die er verursacht – auch gleich ganz sparen. Nicht, dass das viele Einsparungen bringen würde, aber bekanntermaßen zählt jeder Cent. Will man hingegen – und ich gehe davon aus, dass sowohl die österreichische archäologische und denkmalpflegerische Fachwelt, der österreichische Gesetzgeber, als auch vor allem die österreichische Gesellschaft das will (siehe dazu schon Karl et al. 2014), dann bedarf es dringend einer Änderung des DMSG und auch eines gewissen, wenn auch sehr begrenzten, Aufwands durch die Politik, wenigstens das Minimum an Ressourcen für die archäologische Denkmalpflege bereitzustellen, die man nun einmal braucht, wenn man nicht nur ein fadenscheiniges Feigenblatt-Amt, sondern eine einigermaßen erfolgreich ihre Aufgaben erfüllen könnende archäologische Denkmalbehörde haben will. Im Folgenden erlaube ich mir daher, konkrete Vorschläge zu machen, die – im Sinne des oben Gesagten – einen besseren, zeitgemäßeren archäologischen Denkmalschutz in Österreich herbeiführen und damit sowohl den Schutz und die Erhaltung der Archäologie – und sei es auch nur durch ihre sachgerechte Dokumentation bei ihrer Entfernung ex situ – als auch die archäologische Wissenschaft, aber insbesondere das Allgemeinwohl, tatsächlich maßgeblich fördern würden. Wie schon weiter oben ausgeführt, wäre es vermutlich am besten, ganz zum Reißbrett zurückzukehren und unter breiter Beteiligung verschiedener Interessentengruppen – von der archäologischen Fachwelt über interessierte Bürger bis hin zu Grundeigentümervertretern und der Bauwirtschaft – vom blanken Blatt weg ein völlig neues Gesetz zu schaffen, statt das derzeitige DMSG 358 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? durch grundlegendere Änderungen an moderne Bedürfnisse anzupassen zu versuchen. Wie aber ebenfalls schon weiter oben ausgeführt, wage ich auf einen derart radikalen Lösungsversuch nicht zu hoffen und werde hier daher versuchen, Änderungsvorschläge zu machen, mit denen das DMSG wenigstens halbwegs in ein auch unter modernen Umständen funktionieren könnendes Gesetz umgeändert wird. Archäologischer Denkmalschutz gemäß dem deklaratorischen Prinzip Auch wenn wohl viele der deutschen Länder ihre Denkmalschutzgesetze in den letzten Jahrzehnten nahezu ebenso, wenn nicht noch stärker, vergeigt haben als Österreich das seine, haben unsere deutschen Kollegen mit der Insistenz darauf, dass der archäologische Denkmalschutz idealerweise präventiv und nach dem deklaratorischen Prinzip funktionieren muss, durchaus richtig erkannt, in welche Richtung sich der archäologische Denkmalschutz entwickeln muss, wenn er unter modernen Umständen einigermaßen effektiv funktionieren können soll. Sie sind nur in wenigstens einigen (den oben besprochenen und vermutlich noch einigen weiteren) Fällen in die Falle der so extrem undefinierten Legaldefinitionen gegangen, anhand derer man unmöglich ex ante erkennen kann, ob eine bestimmte Sache nun ein archäologisches Denkmal im Sinne des Gesetzes ist, auf das dessen Schutzbestimmungen anzuwenden sind, dass ihre Gesetze im Endeffekt nur genauso eng beschränkt anwendbar sind wie das österreichische DMSG in seinem derzeitigen Zustand. Es gilt also zuerst, das Problem der Legaldefinition des archäologischen Denkmalbegriffs zu lösen: diese muss einerseits so allgemeinverständlich sein, dass jeder unschwer erkennen kann, welche Sachen er als archäologische Denkmale behandeln muss und mit welchen er tun und lassen kann, was er will. Sie muss andererseits in die Begriffsdefinitions- und Anwendungsbereichsbestimmungen des § 1 DMSG aufgenommen werden, damit sie im DMSG auch tatsächlich dort steht, wo sie systematisch hingehört. Dort ist dann auch gleich eindeutig zu bestimmen, dass die archäologischen Schutzbestimmungen des neu novellierten DMSG auf Basis des deklaratorischen Prinzips, also ipsa lege, auf alle Sachen anzuwenden sind, die der Legaldefinition des archäologischen Denkmalbegriffs genügen. Abgrenzung des archäologischen Denkmalbegriffs Aus archäologischer Sicht am besten wäre es zweifelsfrei, einfach alle archäologisch aussagekräftigen Objekte als archäologische Denkmale zu betrachten. Das ist jedoch in Österreich wenigstens rechtlich aufgrund der Kompetenzverteilung der Bundesverfassung nicht möglich, weil Öko- und Geofakte, d.h. von der belebten oder unbelebten Natur geschaffene Sachen nicht als Kulturdenkmale betrachtet werden können und daher nicht unter die Bundeskompetenz des Denkmalschutzes sondern unter die Landeskompetenz des Naturschutzes fallen (Bazil et al. 2015, 5-6). Es wäre auch insofern problematisch, weil auch moderne Leitungen, Bauten und beliebige andere Teile der Materialkultur archäologisch aussagekräftige Sachen sind (oder wenigstens sein können), weil die moderne Archäologie inzwischen ja de facto jede Altersgrenze, die ein chronologisch jüngeres Ende ihres Forschungsgebietes bestimmen würde, aufgegeben hat. Es können eben inzwischen, wenn man auch die forensische Archäologie (Groen et al. 2015) als Teil der archäologischen Wissenschaft betrachtet, wie man es wenigstens meiner Meinung nach auch tatsächlich wenigstens aus methodischer und wissenschaftsstruktureller Sicht tun muss, auch Objekte, die zum Zeitpunkt ihrer wissenschaftlichen Untersuchung nur wenige Stunden alt sind, archäologische Objekte sein. Es bedarf daher auch einer Abgrenzung zwischen den Begriffen „archäologisches Objekt“ und „archäologisches Denkmal“, wobei letzterer jenen Teil der archäologischen Objekte bezeichnet, die den spezifisch archäologischen Bestimmungen des DMSG auch dann unterliegen, wenn ihre physische Erhaltung in situ weder im öffentlichen noch im wissenschaftlichen Interesse gelegen ist. 359 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG Das Problem einer eindeutigen Abgrenzung ließe sich dabei eventuell – wie das in vielen anderen Ländern der Welt der Fall ist – durch eine absolute Zeitgrenze erreichen, wie sie ohnehin schon derzeit im österreichischen DMSG für bewegliche Gegenstände im Bereich der Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung gem. § 2 Abs. 1 Z 1 DMSG und Art. 1 Z 1 lit. a der Ausfuhrverordnung für Kulturgüter (BGBl. II 1999/484) vorgesehen ist. Man könnte die an den beiden genannten Orten eingezogene Altersgrenze von 100 Jahren einfach auf alle, auch unbewegliche, archäologische Objekte ausdehnen und damit als archäologische Denkmale, die den spezifischen archäologischen Bestimmungen des DMSG unterliegen könnten, alle archäologischen Objekte betrachten, die älter als 100 Jahre sind. Das würde allerdings gleich zwei Probleme verursachen: zum einen würden dadurch zahlreiche archäologische Objekte, an deren sachgerechter Dokumentation zum Zweck der Erhaltung der in diesen gespeicherten historischen Informationen zweifellos bereits ein ausgeprägtes wissenschaftliches und öffentliches Interesse besteht, die aber noch jünger als 100 Jahre sind, aus dem archäologischen Denkmalsbegriff und damit auch dem Schutzbereich der spezifischen archäologischen Bestimmungen des DMSG ausgeschlossen. So zum Beispiel sind archäologische Objekte aus dem zweiten Weltkrieg sicherlich bereits von ausgeprägtem wissenschaftlichen Interesse (Theune-Vogt 2014) und auch durchaus für bedeutende Anteile der Öffentlichkeit bereits wenigstens subjektiv betrachtet Denkmale (Karl et al. 2014, 9); und wenigstens ein wissenschaftliches Interesse besteht auch an noch deutlich jüngeren archäologischen Objekten wie Überresten des ehemaligen eisernen Vorhangs. Zum anderen wiederum würden dadurch viele Objekte miteingeschlossen, die zwar schon älter als 100 Jahre sind aber immer noch modern genutzt werden, insbesondere natürlich alle noch ganz normal bewohnten Gebäude, die älter als 100 Jahre sind, aber auch über hundert Jahre alte Kanäle und andere noch aktive Leitungsanlagen und vieles mehr. Denn der Begriff des archäologisch bedeutenden Objektes schließt ja schließlich gerade nicht noch über der Erdoberfläche erhaltene materielle Hinterlassenschaften der Vergangenheit aus, sondern mit ein, weil für die Archäologie letztendlich irrelevant ist, ob eine materielle Hinterlassenschaft der Vergangenheit sich nun unter oder über der Erdoberfläche erhalten hat. Würde man den archäologischen Denkmalsbegriff also so abgrenzen, dass alle von Menschen geschaffenen oder gestaltend veränderten Gegenstände, die älter als 100 Jahre alt sind, in den Bedeutungsbereich dieses Begriffes fallen, würden auch zahllose bewegliche Gegenstände, die noch ganz normal in Benutzung stehen, wie z.B. potentiell von den Urgroßeltern oder Großeltern geerbte Bücher, plötzlich zu archäologischen Denkmalen werden, die den spezifisch archäologischen Bestimmungen des DMSG auch dann unterliegen, wenn an ihrer Erhaltung gar kein Interesse besteht. Das ist jedoch nicht praktikabel. Auch würde es relativ wenig nutzen, eine absolute Altersgrenze weiter in die Vergangenheit zu verschieben, um weniger noch in ganz normaler Benutzung stehende Gegenstände in den Wirkungsbereich des archäologischen Denkmalsbegriffs einzubeziehen. Denn zum einen müsste man zeitlich recht weit zurückgehen, um wirklich nahezu alle noch modern genutzten archäologischen Objekte aus dem archäologischen Denkmalsbegriff auszunehmen: schließlich haben auch noch viele alte Bauernhäuser und andere bewohnte Gebäude, viele noch genutzte Kirchen, Burgen, Schlösser etc. wenigstens manche Bauteile, die wenigstens viele hundert, wenn nicht sogar über tausend Jahre alt sind. Zum anderen würde dadurch aber die Anzahl der Gegenstände, die nicht unter den archäologischen Denkmalsbegriff fallen, weil sie zu jung sind, die aber wichtige historische Informationen speichern, die wenigstens im wissenschaftlichen und wohl auch wenigstens teilweise im öffentlichen Interesse zu erhalten wären, massiv ausgedehnt. Es kann, wenigstens aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht, sicherlich nicht wünschenswert sein, auch archäologische Objekte aus dem 14. Jahrhundert n. Chr. aus dem archäologischen Denkmalsbegriff auszunehmen, 360 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? weil es noch eine nicht zu unterschätzende Anzahl alter, aber noch in Gebrauch stehender Wohn- oder Nutzobjekte gibt, die teilweise noch Bauteile aus diesem Jahrhundert enthalten. Davon abgesehen wird es auch für gewöhnliche Staatsbürger zunehmend schwieriger zu erkennen, ob ein Gegenstand alt genug ist, um noch in den Wirkungsbereich archäologischer Schutzbestimmungen des DMSG zu fallen, je weiter die Altersgrenze, die ein archäologisches Objekt zu einem archäologischen Denkmal macht, in die Vergangenheit verschoben wird. Ob etwas (ungefähr) hundert Jahre oder doch älter oder vor allem eindeutig jünger ist, kann tatsächlich noch jedermann mit einigermaßen ausreichender Sicherheit selbst entscheiden; aber ob ein mittelalterlicher Gegenstand jetzt aus dem 13. oder doch erst aus dem 14. Jahrhundert datiert, ist ohne besondere Sachkenntnis wohl kaum mehr zu entscheiden. Damit käme man aber genau zu dem Problem zurück, das mit dem derzeitigen Bodendenkmalsbegriff besteht: gewöhnliche Staatsbürger, die auf Gegenstände stoßen, die archäologische Denkmale sein könnten, müssten eine Entscheidung treffen, die man ihnen bei ihrem mutmaßlichen Kenntnisstand nicht zumuten kann und darf. Auf diesem Weg allein ist also keine Lösung des Problems zu finden. Es erscheint daher sinnvoller, als hauptsächliches Unterscheidungsmerkmal auf jene Eigenschaft abzustellen, durch die sich die archäologische Denkmalpflege von anderen Bereichen der bzw. der traditionellen Denkmalpflege unterscheidet: nämlich eben, dass es letztendlich primäres Ziel der archäologischen Denkmalpflege ist und sein muss, die historischen, künstlerischen und sonstigen kulturellen Informationen zu erhalten, die in unbekannten archäologischen Objekten enthalten sind. Denn es ist zwar selbstverständlich auch die Erhaltung von in bereits bekannten archäologischen Objekten gespeicherten archäologischen Informationen interessant und wichtig, aber die mutmaßliche wissenschaftliche Bedeutung dieser Objekte kann – da sie bereits an sich bekannt sind – ja bereits jetzt oder aber nötigenfalls nach einer jederzeit erfolgen könnenden genaueren Untersuchung dieser Objekte beurteilt und diese daher – wenn sie ausreichend besonders zu sein scheint – durch das für die traditionelle Denkmalpflege charakteristische Listen- und physische Erhaltungsprinzip geschützt werden. Die in zuvor unbekannten archäologischen Objekten gespeicherte, besonders bedeutende archäologische Information ist auch in der Regel bereits unmittelbar zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung bzw. – wenn es sich bei der Methode der Entdeckung um ihre Ausgrabung handelt, egal aus welchen Gründen und mit welchen Mitteln diese erfolgt – oft sogar durch die zu ihrer Entdeckung notwendigen Handlungen durch maßgebliche Veränderungen oder gar Zerstörung bedroht und muss daher auch unbedingt direkt im Kontext ihrer Entdeckung sachgerecht dokumentiert werden. Bei bereits bekannten Objekten ist eine allfällige Bedrohung hingegen normalerweise weit weniger akut: entweder ist der Kontext, in dem sich das Objekt befindet, ein (sich noch dazu stetig ändernder) alltäglicher Kontext, der auch wissenschaftlich nicht besonders bedeutend ist (wie zum Beispiel bei beweglichen Gegenständen, die derzeit im Gebrauch stehen); oder er ist – vor allem wenn es sich um ein unbewegliches Objekt handelt – ebenso bekannt wie das Objekt selbst (z.B. bei Gebäuden, die derzeit noch benutzt werden); oder aber der archäologisch eigentlich relevante „ursprüngliche“ Kontext, in dem sich das Objekt befand, ist bereits lange irreversibel zerstört und kann daher auch beim besten Willen nicht mehr dokumentiert werden (wie z.B. bei römischen Artefakten undokumentierter Herkunft, die sich in einer öffentlichen oder privaten Sammlung befinden). Kriterium Unbrauchbarkeit Ob etwas bekannt oder (noch) unbekannt ist, ist zudem mit einer besonders relevanten Eigenheit von Gegenständen korreliert, die essentiell dafür ist, Probleme wie jene des Bodendenkmalbegriffs – dass z.B. eigentlich auch noch aktive moderne Leitungen Bodendenkmale sind – zu vermeiden. Denn bekannte Gegenstände stehen in der Regel noch heute in aktuellem Gebrauch (von einigen wenigen 361 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG Ausnahmen wie Ruinen einmal abgesehen, die zwar bekannt sind, aber nicht mehr [in ihrer ursprünglichen Funktion] in Gebrauch stehen), während unbekannte Gegenstände normalerweise derzeit nicht in Gebrauch stehen. Natürlich kann der Grad der Bekanntheit noch in Gebrauch stehender Gegenstände durchaus variieren: man muss nicht genau wissen, wo eine aktive Stromleitung verlegt und wie genau das Kabel beschaffen ist, das den Strom leitet, aber man weiß dennoch – aufgrund der Tatsache, dass man Strom hat – dass es das Kabel geben muss und es in einem bestimmten Bereich verlegt sein muss. Letztendlich weiß man von (noch) in Gebrauch stehenden Gegenständen, unabhängig davon wie genau der Grad der Bekanntheit dieses Gegenstandes ist, dass es sie gibt; während nicht (mehr) in Gebrauch stehende Dinge dazu neigen, vergessen und dadurch unbekannt zu werden. Es ist genau hier, wo wir die Unterscheidung zwischen archäologischen und anderen Denkmalen finden, die wir benötigen. Denn die Archäologie interessiert sich ja – als historische Kulturwissenschaft – hauptsächlich nicht dafür, wie Sachen gegenwärtig gebraucht werden, sondern versucht vorwiegend aus Sachen, die aus dem Gebrauch geraten sind, Informationen über die Vergangenheit – eben, wie und wozu diese Sachen früher einmal im Gebrauch standen und was man daraus über die Vergangenheit lernen kann – zu gewinnen. Die Archäologie ist also nahezu ausschließlich an Objekten interessiert, die aus dem Gebrauch geraten sind, und die daher oft – wenngleich auch keineswegs immer – vergessen wurden und daher heute unbekannt sind. Darum spielen Funde auch eine so große Rolle in der Archäologie: nicht weil sie, wie z.B. der Bodendenkmalbegriff impliziert, irgendwann einmal im Boden gelegen sind oder noch im Boden liegen, noch weil das Finden von Sachen so spannend ist, sondern weil die Sachen, die etwas darüber verraten können, was in der Vergangenheit geschehen oder gewesen ist, seit der Zeit, über die sie uns etwas verraten können, außer Gebrauch und daher in der überwältigenden Mehrheit aller Fälle in Vergessenheit geraten sind. Sie sind eben seit damals nicht mehr verwendet und daher nicht mehr verändert worden, sind seit damals „ungestört“, und müssen nur deshalb oft gefunden werden, weil eben Dinge, die seit Jahrhunderten nicht mehr gebraucht wurden, auch schon seit Jahrhunderten niemandem mehr wichtig waren und daher vergessen wurden. Umgekehrt sind es genau die (von Menschen geschaffenen bzw. gestaltend veränderten) Sachen, die auch derzeit (noch) in Gebrauch stehen und daher auch derzeit noch (wenigstens in ihrer Existenz, wenn auch nicht unbedingt in allen ihren Details) bekannt sind, die möglichst nicht von denkmalschützerischen Bestimmungen betroffen werden sollten, bzw. von diesen Bestimmungen ausschließlich dann betroffen werden sollten und dürfen, wenn sie – aus welchen Gründen auch immer – so bedeutend sind, dass man sie auch vor durch ihre gegenwärtige Benutzung möglicherweise entstehenden Schäden und Veränderungen schützen soll. Letztendlich zielt das Denkmalschutzgesetz, wie z.B. schon der Langtitel der ursprünglichen Fassung dieses Gesetzes, „Bundesgesetz vom 25. September 1923, betreffend Beschränkungen in der Verfügung über Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung (Denkmalschutzgesetz)“ (BGBl. 533/1923, Hervorhebung: RK), darauf ab, die Verfügungsgewalt allfällig bezüglich bestimmter (nämlich geschichtlich, künstlerisch oder kulturell bedeutender) Gegenstände Verfügungsberechtigter über diese besonderen Gegenstände zu beschränken. Diese Verfügungsgewalt darf vom Staat noch dazu nur so gering als möglich beschränkt werden, weil die Verfügungsgewalt ja genau das ist, was das gem. Art. 5 StGG verfassungsgesetzlich geschützte Eigentumsrecht ausmacht, das der Staat – auch gem. Art. 1 1. ZProt. EMRK und Art. 17 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU 2010, 395) – nur dann beschränken darf, wenn dies aufgrund eines rechtswirksamen öffentlichen Interesses erforderlich und mit diesem Interesse verhältnismäßig ist (Berka 1999, 406-13). Die Verfügungsgewalt betrifft nun aber in der Praxis nur solche Sachen, die gegenwärtig noch in Gebrauch stehen und daher (wenigstens was ihre Existenz betrifft) auch bekannt sind. Dabei ist die 362 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Gegenwärtigkeit durchaus weit auszulegen: auch eine Sache, die man derzeit gerade nicht benutzt, aber die man, z.B. um sie zu späterer Zeit wieder zu gebrauchen, aufgehoben hat, steht in diesem Sinn noch im gegenwärtigen Gebrauch, selbst wenn man ganz darauf vergessen hat, dass man sie überhaupt noch hat und sich ihrer erst wieder erinnert, wenn man sie zu späterer Zeit zufällig wiederfindet. Aber diese Gegenwärtigkeit findet spätestens dann ein Ende, wenn der betreffende Gegenstand so lange außer Gebrauch geraten ist, dass seine Brauchbarkeit nicht mehr besteht: wenn der Gegenstand durch irgendwelche äußeren Einwirkungen, darunter den natürlichen Materialverfall durch zu lange bzw. nicht sachgerechte Lagerung, so beschädigt worden ist, dass er nicht mehr für den Zweck verwendet werden kann, für den man ihn gebrauchen will, kommt sein derartiger Gebrauch zu Ende; wird also zu einem vergangenen Gebrauch. In der Regel wird dann ein solcher, nicht mehr brauchbarer Gegenstand – sozusagen als letzter Akt der Verfügung seines Eigentümers – entsorgt, also in den Mist geschmissen; wenigstens, wenn er so unbrauchbar geworden ist, dass seine Reparatur nicht mehr möglich oder wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll ist. Genau das ist aber eigentlich der Zeitpunkt, an dem der Gegenstand für die Archäologie interessant wird: er ist nun so lange außer Gebrauch geraten, dass er gegenwärtig nicht mehr gebraucht wird (bzw. gar nicht mehr gebraucht werden kann, wenigstens nicht in der Art wie er gebraucht werden sollte) und somit zur historischen Quelle für seinen vergangenen Gebrauch geworden. Gerade weil er nicht mehr gegenwärtig gebraucht wird und in der Regel sein (ehemaliger) Eigentümer ihn auch gar nicht mehr gebrauchen und normalerweise auch nicht mehr über ihn verfügen will, ja in der Mehrheit aller Fälle seine Existenz entweder bereits gänzlich vergessen hat oder, wenn er sich noch an ihn erinnert, sich höchstens noch seiner entledigen will, greifen nun allfällige gesetzliche Bestimmungen, die der Staat bezüglich dieses Gegenstandes erlässt oder erlassen will, auch nicht mehr in die Verfügungsgewalt seines Eigentümers ein und müssen daher auch nicht mehr den Geboten der Erforderlichkeit für und Verhältnismäßigkeit mit einem rechtswirksamen öffentlichen Interesse gehorchen. Im rechtlichen Sinn ist der Gegenstand „herrenlos“ geworden und der Staat darf daher bezüglich dieses Gegenstandes gesetzlich weitgehend tun und lassen, was er will, so z.B. auch gesetzliche Bestimmungen erlassen, die von jemand anderem, der sich diesen nun herrenlosen Gegenstand aneignen will, eingehalten werden müssen, damit dadurch ein rechtmäßiger Eigentumserwerb entsteht. Die noch oder nicht mehr gegebene gegenwärtige Gebrauchsfähigkeit eines Gegenstandes bietet uns somit ein erstes, rechtlich einwandfreies Abgrenzungskriterium zwischen archäologischen Denkmalen, auf die spezifisch archäologische Bestimmungen des DMSG auch dann angewendet werden können, wenn an der Erhaltung des Gegenstandes selbst gar kein rechtswirksames öffentliches Interesse besteht, und beliebigen anderen Sachen, die erst und nur dann den Beschränkungen des DMSG unterworfen werden können, wenn an ihrer physischen Erhaltung ein rechtswirksames öffentliches Interesse besteht. Zieht man diese Unterscheidung als erste Grundlage der Legaldefinition des Begriffs „archäologisches Denkmal“ heran, ist auch bei praktisch jedem Gegenstand für jedermann offensichtlich erkennbar, ob es sich bei einem Gegenstand um ein solches handelt oder nicht: ist der Gegenstand so kaputt, dass man ihn nicht mehr dafür verwenden kann, wofür er ursprünglich einmal gedacht war (oder sogar außer als archäologisches Ausstellungs- oder Sammlerstück für überhaupt nichts mehr verwenden kann), ist er ein archäologisches Denkmal, das den einschlägigen archäologischen Bestimmungen des DMSG unterliegt. Kann man den Gegenstand noch dazu verwenden, wofür er ursprünglich gedacht war, ist er hingegen – wenigstens auf Basis dieses Abgrenzungskriteriums – kein archäologisches Denkmal, unterliegt also den spezifisch archäologischen Bestimmungen nicht. 363 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG Diese Unterscheidung schließt praktisch alle Gegenstände, die noch gegenwärtig in Benutzung stehen, eindeutig aus dem archäologischen Denkmalsbegriff aus und praktisch alle Gegenstände, die nicht mehr in Gebrauch stehen, aber die archäologische Forschung aufgrund der in ihnen gespeicherten archäologischen Informationen interessieren, in den archäologischen Denkmalbegriff ein. Ausgenommen davon sind grundsätzlich nur zwei Kategorien von archäologischen Objekten, von denen die eine in den so definierten Begriff eingeschlossen ist, obwohl sie aus ihm ausgeschlossen sein sollte und die andere aus ihm ausgeschlossen ist, obwohl sie in ihn eingeschlossen sein sollte, um sowohl rechtlichen als auch archäologisch-denkmalpflegerischen Anforderungen zu genügen. Kriterium Herrenlosigkeit Die erste dieser Kategorien von Gegenständen sind solche, die zwar für die Funktion, für die sie ursprünglich geschaffen wurden, nicht mehr brauchbar sind, aber dennoch weiterhin in fortgesetztem oder neuerlichem Gebrauch in einer anderen als ihrer ursprünglichen Funktion stehen. Beispiele für solche Gegenstände wären z.B. das ehemalige T-Shirt, das so zerrissen war, dass es nicht mehr als Kleidungsstück getragen werden kann, nun aber als Putzlappen gebraucht wird; oder archäologische Artefakte, die zwar so beschädigt sind, dass sie nicht mehr dafür gebraucht werden können, wofür sie ursprünglich gedacht waren, aber nun als archäologische Sammlungs- oder Ausstellungsstücke dienen; gleichgültig ob sie sich in einer privaten oder öffentlichen Sammlung befinden. Diese Stücke sind also (noch oder wieder) bekannt und werden auch gebraucht und haben daher auch (wenigstens in der Regel) einen Eigentümer, in dessen Eigentumsrecht rechtswidrig eingegriffen würde, wenn man auch diese Gegenstände als archäologische Denkmale betrachten würde, die den archäologischen Bestimmungen des DMSG auch dann unterliegen, wenn an ihrer (physischen) Erhaltung kein öffentliches Interesse besteht. Diese Gegenstände können aber sehr leicht durch Einführung eines zweiten Abgrenzungskriteriums ausgeschlossen werden; nämlich dadurch, dass man alle Gegenstände, die (noch oder wieder) einen Eigentümer haben, aus dem Bedeutungsbereich des archäologischen Denkmalsbegriffs ausschließt. Archäologische Denkmale wären dann gemäß diesem Kriterium solche Gegenstände, die wirklich herrenlos sind, die also keinen feststellbaren derzeitigen oder vormaligen Eigentümer haben. Auch in dieser Hinsicht wird jedermann, der einen Gegenstand findet, einigermaßen leicht und eindeutig entscheiden können, ob dieser Gegenstand als archäologisches Denkmal zu betrachten ist oder nicht: wird der Gegenstand scheinbar derzeit noch in irgendeiner Weise benutzt, ist er kein archäologisches Denkmal, wird er hingegen scheinbar nicht mehr benutzt, ist er vermutlich ein archäologisches Denkmal (oder, wenn nicht, wenigstens ein normaler Fundgegenstand, der entsprechend der allgemeinen Fundmeldebestimmungen der §§ 388-401 ABGB zu behandeln ist, bei dem es also auch nicht stört, wenn seine Fundumstände z.B. entsprechend den oben genannten Dokumentationspflichten dokumentiert werden, ehe er einer Fundmeldebehörde gemeldet wird – einzig müsste eventuell das BDA in einem solchen Fall eine offensichtlich „falsche“ Dokumentationsmeldung an die Fundmeldebehörden weiterleiten, statt wie bisher nur umgekehrt die Fundmeldebehörden Meldungen von Bodendenkmalen an das BDA weiterleiten). In diesem Zusammenhang ist auch zu bemerken, dass es sich bei derartigen Gegenständen in gewissem Sinn ohnehin wenigstens aus archäologischer Sicht nur um ein Randproblem handelt: die Situation, dass ein Gegenstand zwar nicht mehr in seiner ursprünglichen Funktion verwendet werden kann, aber immer noch, allerdings in einer anderen Funktion, verwendet wird, kann in der Praxis nahezu ausschließlich bewegliche Gegenstände betreffen, die sich (noch oder wieder) über der Erdoberfläche befinden. Derartige Gegenstände sind aber nun – auch wenn sie für die Archäologie nicht völlig uninteressant sind – solche, die für die Archäologie normalerweise ohnehin nur von vergleichsweise geringer Bedeutung sind, und noch dazu bekannte Gegenstände, die gegebenenfalls 364 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? – wenn sie doch von besonderer archäologischer Bedeutung sein sollten – ganz normal entsprechend dem traditionellen Listenprinzip unter Denkmalschutz gestellt werden können. Sollte also doch einmal ein Gegenstand aufgrund einer Fehlentscheidung seines Finders fälschlich nicht ausreichend sachgerecht dokumentiert werden, ist der dadurch angerichtete archäologische Sachschaden vermutlich durchaus verschmerzbar: man kann ohnehin nicht alles, auch nur durch Dokumentation, erhalten, gewisse Verluste sind also nicht nur zu erwarten, sondern auch zu verkraften. Nachgeordnetes Kriterium Alter Die zweite Kategorie von Gegenständen, die durch das erstgenannte Abgrenzungskriterium nicht richtig in die Gruppe der als archäologische Denkmale zu betrachtenden und behandelnden Gegenstände eingeordnet werden, die somit noch als zu lösendes Problem verbleiben, sind solche, deren Eigentümer zwar nicht mehr ermittelt werden kann, die aber nicht so stark beschädigt sind, dass ihre ursprüngliche Funktion sich nicht problemlos wiederherstellen ließe. Beispiele für solche Gegenstände sind zum Beispiel Schmuckstücke, insbesondere solche aus Edelmetall, wie sie z.B. – wenn auch nur sehr selten – in prähistorischen Gräbern, Hortfunden oder (noch seltener) in anderen archäologischen Fundkontexten entdeckt werden. Ein Goldring z.B. kann – auch wenn er 3000 oder mehr Jahre alt sein sollte – ohne größere Schwierigkeiten wieder als Schmuckstück getragen werden, wenn er ausreichend gut erhalten ist; und zwar ganz ohne, dass man ihn irgendwie reparieren müsste. Ebenso kann ein vollständig erhaltenes bronzenes Vollgriffschwert auch nach seiner Entdeckung wieder als Schwert verwendet werden, ohne dass man es irgendwie besonders behandeln müsste. Dennoch sollten solche Gegenstände selbstverständlich trotzdem unter den archäologischen Denkmalsbegriff fallen. Derartige Gegenstände können jedoch sehr leicht dadurch in den archäologischen Denkmalsbegriff eingeschlossen werden, indem man noch als drittes Abgrenzungskriterium nun doch ein absolutes Alterskriterium einführt, wie es ja schon derzeit z.B. in § 2 Abs. 1 Z 2 DMSG vorgesehen ist. Bezieht man auch alle von Menschen geschaffenen oder gestaltend veränderten Gegenstände, die keinen feststellbaren Eigentümer mehr haben (dürften, z.B. weil sie unter der Erdoberfläche bzw. dem Grund unter Wasser entdeckt wurden oder in einem alten Gemäuer eingemauert waren und offensichtlich nicht mehr in Gebrauch stehen) und die zum Zeitpunkt ihrer Wiederentdeckung mindestens 100 Jahre alt sind, schließt man auch diese verbleibende Kategorie von Gegenständen, die unter den archäologischen Denkmalsbegriff fallen sollte, in dessen Wirkungsbereich mit ein. Auch dieses Kriterium ist einigermaßen leicht durch jedermann beurteilbar, wenn auch vielleicht nicht exakt: natürlich lässt sich, wenn ein solcher Gegenstand wiederentdeckt wird, durch Finder nicht genau bestimmen, wie alt der Gegenstand nun wirklich ist. Finder wissen allerdings sehr wohl, welche Arten von Gegenständen während ihrer bisherigen Lebenszeit im alltäglichen Gebrauch gestanden sind oder noch gegenwärtig im alltäglichen Gebrauch stehen. Die meisten Finder werden auch von Familienfotos und dergleichen Gegenstände einigermaßen gut kennen, die vor ihrer Geburt zur Lebenszeit ihrer Eltern und Großeltern, eventuell auch noch ihrer Urgroßeltern, im alltäglichen Gebrauch standen. Die meisten Finder werden auch – wenn auch eventuell nur unterbewusst – erkennen, dass diese „alltäglichen“ Dinge schon während ihrer eigenen Lebenszeit, und mehr noch der Lebenszeit ihrer Eltern und Großeltern, dem unterworfen waren, was ArchäologInnen als „typologischen Wandel“ bezeichnen würden: Sachen, die zu Lebenszeiten der eigenen Großeltern alltäglich waren, haben in der Regel deutlich anders ausgesehen als die, die zur eigenen Lebenszeit des Betrachters alltäglich sind. Damit können Finder in der Regel Gegenstände, die jünger als ungefähr hundert Jahre alt sind von solchen die älter als ungefähr hundert Jahre alt sind halbwegs verlässlich unterscheiden (sei es, weil sie aussehen wie Sachen, die zu Lebenszeiten der Urgroßeltern der Finder alltäglich waren; oder sei es, weil sie anders aussehen als alle Gegenstände, die dem Finder als zu 365 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG ihren eigenen Lebenszeiten, denen ihrer Eltern, Großeltern und gegebenenfalls Urgroßeltern alltäglich waren); ohne dafür besondere Sachkenntnis haben zu müssen. Begriffs- und Anwendungsbereichsbestimmung: archäologisches Denkmal Nimmt man diese drei genannten Abgrenzungskriterien zusammen, ergibt sich für den Begriff „archäologisches Denkmal“ eine ausreichend eindeutige Definition, die Gegenstände, die in den Bedeutungsbereich dieses Begriffes fallen, eindeutig von anderen (von Menschen geschaffenen oder gestaltend veränderten) Sachen zu unterscheiden erlaubt; und zwar gleichermaßen für alle Staatsbürger weitgehend unabhängig von deren subjektiven Kenntnis- und Wissensstand; d.h. ganz ohne die Notwendigkeit irgendwelche besondere Sachkenntnis zu haben Die Definition des Begriffs „archäologisches Denkmal“, die sich aus der gemeinsamen Verwendung der drei genannten Abgrenzungskriterien ergibt, lässt sich wie folgt zusammenfassen und mit einer Anwendungsbereichsbestimmung verbinden: Archäologische Denkmale sind vergessene, verlorene, verlassene oder verborgene, von Menschen geschaffene bewegliche oder unbewegliche Gegenstände (einschließlich Überresten und Spuren gestaltender menschlicher Bearbeitung sowie künstlich errichteter oder gestalteter Bodenformationen), deren Eigentümer sich nicht mehr feststellen lässt und die entweder so lange aus dem Gebrauch geraten sind, dass sie sich nicht ohne unverhältnismäßig großen Aufwand wieder in Gebrauch nehmen lassen, oder außer Gebrauch geraten und zum Zeitpunkt ihrer Wiederentdeckung wenigstens ungefähr hundert Jahre alt sind. Auf archäologische Denkmale, sofern es sich dabei nicht um für die Entsorgung vorgesehenen, gegenwärtigen Abfall handelt, finden die Bestimmungen der §§ 8-11 dieses Gesetzes Anwendung, auch wenn an ihrer Erhaltung iSd § 1 Abs. 1 DMSG kein öffentliches Interesse besteht. Diese Begriffs- und Anwendungsbereichsdefinition, die sinnvollerweise ins derzeitige DMSG in § 1 als Abs. 1a (um nicht die bestehende Nummerierung ändern zu müssen) aufgenommen werden sollte, erlaubt es, spezifisch archäologische Bestimmungen des DMSG auch dann auf diese Gegenstände bzw. archäologischen Denkmale anzuwenden, wenn an der (physischen) Erhaltung der betreffenden Gegenstände gar kein öffentliches Interesse besteht. Dabei ist die Anwendung sowohl auf bewegliche Denkmale, unabhängig davon, ob sie sich über oder unter der Erdoberfläche befinden, als auch auf unbewegliche Denkmale möglich, die noch im Verborgenen gelegen sind (d.h. in der Regel primär auf solche, die sich noch unter der Erdoberfläche befinden) oder verlassen wurden (wie z.B. Ruinen). Denn handelt es sich um bewegliche Denkmale, die so lange vergessen, verloren oder verborgen gewesen sind, dass sich ihr Eigentümer nicht mehr feststellen lässt, sind diese jedenfalls im Sinne der Bestimmungen §§ 386, 388, 397 und 398 ABGB mutmaßlich herrenlose Güter. Bezüglich dieser darf aber der Staat – nachdem er dadurch mutmaßlich nicht in Eigentümerrechte oder jedenfalls nicht signifikant in die Verfügungsgewalt eines allfällig doch existieren könnenden Eigentümers eingreift – gesetzliche Bestimmungen und Beschränkungen erlassen, wie mit ihnen im Falle ihrer (Wieder-) Entdeckung zu verfahren ist. Ähnliches gilt für unbewegliche archäologische Objekte, die so lange im Verborgenen gelegen und außer Gebrauch geraten sind, dass sich ihre ursprüngliche Funktion nicht ohne unverhältnismäßig großen Aufwand wiederherstellen lässt: in der überwältigenden Mehrheit aller Fälle wird es sich dabei um archäologische Bodenbefunde handeln, bzw. falls nicht um Bodenbefunde, dann um Ruinen, d.h. um Überreste und Spuren von ehemaligen Gebäuden bzw. Einbauten. Diese stehen zwar iSd § 294 ABGB mit dem Grundstück, auf dem sie sich befinden, in fortdauernder Verbindung, das Recht über sie zu verfügen kann jedoch, nachdem es so lange nicht gebraucht wurde, dass diese Sachen gar nicht mehr wie bei ihrer Herstellung vorgesehen genutzt werden können, iSd § 1478 ABGB – wenigstens 366 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? nach 30 Jahren unterlassener Möglichkeit, sie zu gebrauchen – als verjährt betrachtet werden. Auch wenn es sich tatsächlich – wie z.B. bei Ruinen oder im Erdboden erhaltenen Mauerfundamenten oder Pfostengruben von Häusern oder anderen Bauwerken – um Sachen handelt, die ursprünglich als Gebäude iSd § 297 ABGB in der Absicht, „daß sie stets darauf bleiben sollen“, aufgeführt wurden, ist durch ihre Nichtbenutzung und -instandhaltung über so lange Zeit, dass sie soweit verfallen sind oder gar übertägig vollständig entfernt wurden, die bei ihrer ursprünglichen Errichtung gegebene Absicht des dauerhaften Verbleibens nicht mehr gegeben und somit das Eigentum sowohl am ehemals bestehenden Gebäude als auch seinen Überresten von ihrem vormaligen Eigentümer aufgegeben worden, indem er diese Sachen verlassen hat. Damit können auch derart verlassene bzw. verborgene unbewegliche archäologische Objekte als herrenlose Güter betrachtet werden, bezüglich derer der Staat – nachdem er dadurch mutmaßlich nicht in Eigentümerrechte oder jedenfalls nicht signifikant in die Verfügungsgewalt eines allfällig doch existieren könnenden Eigentümers eingreift – gesetzliche Bestimmungen und Beschränkungen erlassen kann, wie mit ihnen im Falle ihrer (Wieder-) Entdeckung zu verfahren ist. Die durch diese Definition vorgenommene Abgrenzung des Begriffsinhaltes gestattet es auch, pauschal alle jene unbekannten archäologischen Objekte, an denen die archäologische Wissenschaft tatsächlich hauptsächlich interessiert ist und die aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht tatsächlich alle besonders bedeutend sind, den spezifisch archäologischen Schutzbestimmungen des DMSG zu unterwerfen, ohne dass dadurch – wie das derzeit beim Begriff „Bodendenkmal“ der Fall ist, wenn man ihn so weit auslegt, dass alle archäologischen Objekte, denen auch nur irgendeine archäologische Bedeutung zukommen könnte, unter ihn fallen – entweder das moderne Leben praktisch zum Stillstand gebracht wird oder aber willkürlich zwischen an sich gleichartigen, im bzw. auf dem Erdboden bzw. dem Grund unter Wasser aufgefundenen, Gegenständen mit möglicher archäologischer Bedeutung unterschieden werden muss, ohne dass diese Bedeutung zuvor festgestellt wurde oder auch nur festgestellt hätte werden können. Dadurch, dass nur die, aber dafür auch alle die, Gegenstände, die gegenwärtig nicht mehr in (fortgesetztem) Gebrauch stehen, unter den hier definierten Begriff „archäologisches Denkmal“ fallen, ist nicht nur ihre konkrete archäologische Bedeutung gleichgültig, sondern es kann bezüglich dieser Gegenstände auch nicht zu einer Situation kommen, in der „Gegenwart und Vergangenheit in Konflikt kommen“ (Dehio 1905, 274): ein „archäologisches Denkmal“ im Sinn der hier vorgeschlagenen Definition ist immer eine reine „Sache der Vergangenheit“. Diese „Sache der Vergangenheit“ ist als solche, wenn sie in der Gegenwart (wieder-) entdeckt wird, auf bestimmte, gesetzlich vorgegebene Weise zu behandeln. Wird sie allerdings auf diese Weise behandelt, wird sie, sobald ihre vorgesehene Behandlung als „Sache der Vergangenheit“ abgeschlossen ist, automatisch zur „Sache der Gegenwart“, in der dann ihr Eigentümer (oder sonstige Verfügungsberechtigte) über sie verfügen dürfen wie mit jeder anderen gegenwärtigen Sache auch, nämlich wie es ihnen gefällt. „Archäologisches Denkmal“ ist die Sache nur, solange sie sich sozusagen noch „in der Vergangenheit“ befindet, solange sie noch nicht wieder durch neuerlichen gegenwärtigen Gebrauch in die heutige Welt wiedereingegliedert ist. Sachen, die gegenwärtig (noch) gebraucht werden, fallen hingegen per Definition nicht in den Bereich des archäologischen Denkmalbegriffs, auch wenn sie, wie alle anderen Sachen auch, letztendlich „aus der Vergangenheit“ stammen und ihnen selbstverständlich auch eine wie auch immer geartete „geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung“ (§ 1 Abs. 1 DMSG) zukommt. Als durch ihren gegenwärtigen Gebrauch gekennzeichnete Sachen sind sie eben auch keine „Sachen der Vergangenheit“, die deshalb von besonderer archäologisch-wissenschaftlicher Bedeutung sind, weil sie „unveränderte“ Informationen aus der und über die Vergangenheit speichern. Als „Sachen der 367 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG Gegenwart“ sind sie auch derzeit bekannt und bedürfen daher nur dann des Schutzes durch das DMSG, wenn ihnen aus anderen Gründen als dem soeben genannten – z.B. weil sie schon so lange in fortgesetztem gegenwärtigen Gebrauch stehen, dass sie trotzdem bedeutende Informationen über die Vergangenheit speichern, oder weil sie als identitätsstiftende Symbole, als besonders charakteristische Repräsentanten irgendwelcher wichtigen Arten von Objekten oder auch als Dinge, die mit besonders wichtigen historischen Ereignissen oder Personen in Verbindung stehen, besonders gut zum Wachhalten des Gedenkens an diese Ereignisse oder Personen geeignet erscheinen – eine derart besondere Bedeutung zukommt, dass ihre – dann aber auch tatsächlich physische – Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist. Sofern bezüglich dieser – noch gegenwärtig genutzten – Sachen dann tatsächlich „Gegenwart und Vergangenheit in Konflikt kommen“ (Dehio 1905, 274), kann und muss man sie gemäß dem schon derzeit für alle Arten von bekannten Denkmalen vorgesehenen Schutzlisten- und physischen Erhaltungsprinzip unter Denkmalschutz stellen. Abb. 15: Flussdiagramm zur Bestimmung der Frage, ob eine beliebige Sache ein "archäologisches Denkmal" im Sinne der hier vorgeschlagenen Legaldefinition ist. Am vielleicht wichtigsten ist aber, dass die hier vorgeschlagene Definition gewöhnliche Staatsbürger, die letztendlich selbstständig zu entscheiden haben, ob eine Sache, die sie (ob nun zufällig oder intentionell) entdeckt haben, den spezifischen archäologischen Bestimmungen des DMSG unterliegt, nicht vor eine für sie unlösbare Frage stellt, zu deren Beantwortung wenigstens besonderer Sachverstand nötig ist; sondern allen Staatsbürgern erlaubt, diese Frage einfach und tatsächlich völlig unabhängig von ihrem subjektiven Kenntnisstand mit nahezu kompletter Sicherheit richtig zu beantworten. Denn diese müssen unter der hier vorgeschlagenen Definition nicht richtig erraten, ob ein archäologisches Objekt, das sie entdeckt haben (oder sogar bloß entdecken wollen) von derart beschaffener Bedeutung ist, dass irgendwelche Fachwissenschafter in einer vollkommen intransparenten Bundesbehörde amtssachverständig schlussfolgern würden, dass diese so besonders ist, dass seine Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen sein könnte. Vielmehr können Staatsbürger diese Frage schon dadurch richtig beantworten, dass sie das betreffende archäologische Objekt anschauen und feststellen, ob es überhaupt noch gegenwärtig gebraucht werden kann und – falls ja – es überhaupt noch jemand gegenwärtig gebraucht und – falls nicht – es älter ausschaut als alles, was ihre eigenen Großeltern tagtäglich gebraucht haben (Abb. 15). Oder anders gesagt: sie müssen das 368 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Objekt als Gegenstand erkennen, den offensichtlich niemand mehr gebraucht oder auch nur gebrauchen könnte, selbst wenn er das wollte. Die hier vorgeschlagene Definition des Begriffs „archäologisches Denkmal“ sollte es somit erlauben, die aus dem derzeitigen „Bodendenkmalsbegriff“ entstehenden Probleme für den archäologischen Denkmalschutz vollständig zu lösen und eine effektivere, modernen Anforderungen entsprechende, Gestaltung des archäologischen Denkmalschutzes zu ermöglichen. Ausnahmeregelung für archäologische Denkmale in Museumssammlungen Zwar werden bewegliche archäologische Denkmale dadurch, dass sie einer Museumssammlung einverleibt und damit, eigentlich, in ihrem modernen Kontext betrachtet, schon wieder Gegenstände sind, die (in diesem Fall nun eben seit ihrer Wiederentdeckung) in fortgesetztem Gebrauch stehen und daher im hier angenommenen Sinn eigentlich – wenn sie nicht schon vor mehr als 100 Jahren aufgefunden und einer im öffentlichen Eigentum stehenden Museumssammlung einverleibt wurden – nicht durch die automatische Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung des § 2 DMSG erfasst werden. Dennoch erscheint es sinnvoll – und sei es nur um ganz sicher zu gehen – dennoch eine Ausnahmeregelung für archäologische Denkmale in im öffentlichen Eigentum stehenden Museums- und sonstigen Sammlungen vorzusehen, die den Kuratoren und Konservatoren, die zu ihrer sachgerechten Betreuung von den betreffenden Organisationen, die Eigentümer dieser Sammlungen sind, beschäftigt werden, erlauben ihre alltägliche Arbeit so durchzuführen, dass sie nicht dauernd beim BDA um eine Bewilligung für alles, was sie tun, ansuchen müssen. Dies könnte entweder dadurch geschehen, dass der Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 2 DMSG ein weiterer Satz betreffend dieser Sammlungsobjekte hinzugefügt wird, z.B.: Ebenfalls ausgenommen von dieser Vermutung sind bewegliche archäologische Denkmale im Sinne des § 1 Abs. 1a in Sammlungen, die im Eigentum der in Abs. 1 genannten juristischen Personen stehen. Eine solche Ausnahmeregelung hätte sowohl den Vorteil als auch den Nachteil, dass sie tatsächlich archäologische Sammlungsobjekte, die im öffentlichen Eigentum stehen, generell aus der automatischen Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung ausschließen würde. Konsequenz davon wäre sowohl, dass Kuratoren und Restauratoren archäologische Gegenstände in ihren Sammlungen uneingeschränkt sammlungsgerecht behandeln, d.h. bei Bedarf auch frei mit invasiven Methoden wissenschaftlich untersuchen, restaurieren und gegebenenfalls auch zur Erhöhung ihrer Ausstellungstauglichkeit rekonstruieren etc. dürften; als auch, wenn ein Sammlungsobjekt, ob nun Neueingang oder Altstück, sich aus welchen Gründen auch immer als nicht mehr sammlungstauglich oder sammlungswert erweist, dieses entsprechend der Kassationsstrategie ihrer Sammlung entsorgen; ganz wie sie es für richtig halten, ohne das dem BDA auch nur in irgendeiner Weise kommunizieren zu müssen, geschweige denn eine Genehmigung des BDA gem. § 5 Abs. 1 DMSG dafür zu benötigen. Es hätte allerdings auch den Nachteil, dass die im öffentlichen Eigentum stehenden archäologischen Sammlungen – sofern sie nicht erst recht wieder vom BDA gem. § 3 per Bescheid unter Denkmalschutz gestellt werden – dann überhaupt nicht mehr unter Denkmalschutz stehen und man den Verfügungsberechtigten (oder Eigentümern) solcher Sammlungen vertrauen müsste, diese auch ohne Denkmalschutz so zu behandeln, wie es das Allgemeinwohl und der Gesetzgeber gewünscht hätte. Wenngleich das in der Praxis vermutlich nur ein eher geringes Problem darstellen dürfte, würde das solche archäologischen Sammlungen dem Risiko aussetzen, dass Dienstvorgesetzte der unmittelbaren Sammlungsverantwortlichen diese dazu anweisen könnten, die archäologischen Sammlungen, für die sie verantwortlich sind, nicht sammlungsgerecht zu behandeln, oder sogar Politiker beschließen 369 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG könnten, einzelne archäologische Sammlungsobjekte oder auch archäologische Sammlungen in ihrer Gesamtheit zu verkaufen; z.B. um Budgetlücken im Haushalt der Gebietskörperschaft, der die Sammlung gehört, zu schließen. Selbst wenn Letzteres heutzutage vermutlich einen Sturm von Kritik auslösen würde, sollte man nicht vergessen, dass die Ursprünge der modernen antiquarischen Sammeltätigkeit letztendlich in den Schatzkammern der europäischen Königs- und Fürstenhäuser liegen; und dass der schnöde Mammon oft vielen Leuten wichtiger ist als irgendwelche Depots voll von angeblich bedeutenden Museumsstücken, die kein Mensch außerhalb der betreffenden Sammlung je zu sehen bekommt. Die größere Gefahr für den Sammlungserhalt liegt aber im Bereich des Erstgenannten: was, wenn der neue Museumsdirektor künstlerische Visionen hat und auf die Idee kommt, die archäologischen Sammlungsobjekte statt als archäologisches Quellenarchiv für eine interaktive Installation zu nutzen, für die ein Riesenberg von Scherben und alten Töpfen in der Eingangshalle des Museums aufgeschüttet wird und sich jeder Besucher etwas davon mitnehmen und/oder etwas dazu hinzufügen darf? Stehen die beweglichen Kleinfunde in der archäologischen Sammlung nicht unter Denkmalschutz, gibt es nichts und niemanden, der diesen fiktiven Museumsdirektor davon abhalten kann, auf solche Weise mit den archäologischen Sammlungsobjekten seines Hauses umzugehen. Selbst wenn das einen Skandal auslöst: Skandale verkaufen Kunst und erhöhen wahrscheinlich auch die Besucherzahlen des Museums, das sich so etwas leistet. Es dürfte daher angebrachter erscheinen, statt bewegliche archäologische Denkmale in solchen Sammlungen generell aus der automatischen Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung des § 2 DMSG auszunehmen, die Ausnahmeregelung für sammlungsgerechte Veränderungen und Zerstörungen von beweglichen archäologischen Denkmalen in Sammlungen, die im öffentlichen Eigentum stehen, den Verbotsbestimmungen des § 4 DMSG anzuschließen. Dies könnte z.B. dadurch geschehen, dass diesem Paragrafen als neuer Abs. 3 die folgende, auch in einigen deutschen DSchG (z.B. § 9 DSchG-BW) in ähnlicher Form vorgesehene, Bestimmung angeschlossen wird: Ausgenommen von den Bestimmungen des Abs. 1 und der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen sind Zerstörungen und Veränderungen von kraft gesetzlicher Vermutung geschützter beweglicher Denkmale in Sammlungen der in § 2 Abs. 1 genannten Personen, die entsprechend der Statuten dieser Sammlung im Rahmen der normalen sammlerischen Verwaltungstätigkeit erforderlich, von fachlich geeignetem Personal vorgenommen, und im Katalog bzw. den Sammlungsbüchern in geeigneter Form dokumentiert werden. Durch eine derartige Ausnahmeregelung würden (nicht nur archäologische, sondern alle über 100 Jahre alten beweglichen Denkmale in) Sammlungen im öffentlichen Eigentum der normalen sammlungsverwaltenden Arbeit der Sammlungskuratoren und Restauratoren zugänglich, ohne dass diese für praktisch jede normale Tätigkeit, die sie alltäglich durchführen sollten, einschließlich der Kassation nicht mehr sammlungswerter oder sammlungstauglicher Objekte, eine eigene Genehmigung gem. § 5 Abs. 1 DMSG durch das BDA beantragen und ausgestellt bekommen müssen. Sie würden dennoch weiterhin alle automatisch gem. § 2 DMSG unter Denkmalschutz stehen und daher nicht so ohne Weiteres bei Geldmangel verkauft oder für andere Zwecke als ihre sammlungsgerechte Behandlung gebraucht werden können. Bewilligungspflichten bei archäologische Denkmale gefährdenden Maßnahmen Statt wie bisher im DMSG die eigentlichen, spezifisch archäologischen Schutzbestimmungen des DMSG mit Bestimmungen für die (zufällige) Entdeckung von Denkmalen zu beginnen, scheint es in Anbetracht der hier geplanten, neu gefassten präventiven Regelung der archäologischen Denkmalpflege entsprechend des deklaratorischen Prinzips (DGUF 2013) sinnvoller, mit einer 370 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Definition von Handlungen zu beginnen, die denkmalschutzrechtlichen Genehmigungspflichten unterworden sein sollen. Dies dient dem Zweck, im Sinne des auf Abb. 4 dargestellten Ablaufs vorweg alle jene (geplanten) Handlungen zu definieren, bei deren Durchführung (besonders bedeutende) archäologische Denkmale gefährdet werden können; die daher entsprechend des von jeder der jeweiligen Handlungen ausgehenden könnenden Gefährdungspotentials für solche Denkmale einer Bewilligungspflicht unterworfen werden. Dies sind, wie bereits weiter oben angedeutet wurde, weniger gezielte Nachforschungshandlungen, bei denen archäologische Denkmale entdeckt oder untersucht werden sollen (obwohl sowohl unsystematische als auch systematische archäologische Ausgrabungen, die großflächiger und / oder tiefgehender in den Boden eingreifen, ebenfalls zu den bedeutende archäologische Denkmale maßgeblicher gefährden könnenden Handlungen gehören), sondern primär Baumaßnahmen, Erdarbeiten zur Extrahierung von Rohstoffen aus dem Boden sowie land- und forstwirtschaftliche Arbeiten, die großflächiger und tiefgehender in der Erdboden eingreifen. Diese sind also in erster Linie einer gesetzlichen Pflicht zur Vorabprüfung, ob bei ihrer Durchführung aller Wahrscheinlichkeit nach bereits bekannte oder noch unbekannte, maßgebliche archäologische Denkmale verändert oder zerstört werden dürften, zu unterwerfen, auf deren Basis dann die geplante Handlung entweder – gegebenenfalls verbunden mit sachdienlichen Auflagen – behördlich bewilligt oder ihre Durchführung untersagt werden kann. Ebenfalls besondere Rücksicht zu nehmen ist in einer solchen Regelung auf bereits tatsächlich gemäß dem konstitutiven Prinzip (DGUF 2013) unter Denkmalschutz gestellte archäologische Denkmale, deren besondere Bedeutung ja bereits festgestellt wurde und deren Erhaltung deshalb im öffentlichen Interesse gelegen ist. Bei solchen geschützten archäologischen Denkmalen ist daher das Spektrum der Handlungen, die voraussichtlich ein solches geschütztes Denkmal durch – und sei es nur unbeabsichtigte – Veränderungen oder Zerstörungen gefährden dürften, entsprechend weiter zu fassen als bei anderen, (noch) nicht unter Denkmalschutz gestellten oder überhaupt noch gar nicht bekannten archäologischen Denkmalen. In der Folge wird nun zuerst der Vorschlag für einen neuen Gesetzestext wiedergegeben und anschließend die einzelnen vorgeschlagenen Bestimmungen genauer erläutert. § 8 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut „§ 8. (1) Sämtliche Maßnahmen, zu welchem Zweck auch immer sie durchgeführt werden, die archäologische Denkmale, an deren Erhaltung aufgrund ihrer Unterschutzstellung gem. § 2a oder 3 ein rechtswirksames öffentliches Interesse besteht (geschützte archäologische Denkmale), mittel- oder unmittelbar gefährden könnten (darunter auch das Sammeln von Oberflächenfunden, die mit beabsichtigten Fundbergungsmaßnahmen in unmittelbarem Zusammenhang stehende Verwendung von Metall- oder sonstigen Bodensuchgeräten, die Entnahme von Proben zur wissenschaftlichen Untersuchung, Verwendung aggressiver Düngemittel, substanzverändernde Restaurierungs- oder Renovierungsmaßnahmen usw.), bedürfen einer Bewilligung des Bundesdenkmalamtes, sofern Abs. 3 nichts Anderes vorsieht. Eine derartige Bewilligung kann nur an Personen erteilt werden, die zur Durchführung der von ihnen geplanten Maßnahmen berechtigt sind (z.B. Grundeigentümer, vom Grundeigentümer zur Durchführung der geplanten Maßnahmen berechtigte Personen, Entminungsdienst etc.). Bewilligungen können nur für konkrete Arbeitsvorhaben erteilt werden, die im Bewilligungsbescheid klar (unter Anschluss von Plänen und anderen das Arbeitsvorhaben eindeutig beschreibenden Unterlagen, die der Antragsteller beizubringen hat) zu umschreiben sind. Bewilligungen gemäß diesem Absatz können mit Einschränkungen, Auflagen und Sonderregelungen verbunden sein (z.B. hinsichtlich Fläche und Tiefe, Art der Durchführung, zu erbringenden 371 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG Kompetenznachweisen des Durchführenden, Meldepflichten, Kontrollen, Klärung des langfristigen Fundverbleibes usw.). Bewilligte Maßnahmen gemäß diesem Absatz sind jedenfalls entsprechend den Bestimmungen für ungestörte archäologische Denkmale gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 bzw., wenn sie länger als ein Jahr dauern, gemäß § 9 Abs. 2 Z 4 zu dokumentieren. Ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer solchen Bewilligung auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes besteht nicht. Eine Bewilligung gemäß diesem Absatz ersetzt nicht die bei tatsächlich im Rahmen der nach diesem Absatz bewilligten Maßnahmen eintretenden Veränderungen oder Zerstörungen von Denkmalen ebenfalls notwendige Bewilligung des Bundesdenkmalamtes gemäß § 5 Abs. 1. (2) Sämtliche Grabungen oder sonstige Arbeiten (z.B. bau-, land- und forstwirtschaftliche Arbeiten usw.), die maßgeblich in die Erdoberfläche oder den Grund unter Wasser eingreifen und daher ungestörte archäologische Denkmale gefährden könnten, bedürfen einer Bewilligung des Bundesdenkmalamtes, sofern Abs. 3 nichts Anderes vorsieht. Maßgebliche Eingriffe im Sinne dieses Absatzes sind: 1. Eingriffe, die 30 cm Eindringtiefe und 1 Quadratmeter Fläche übersteigen, sowie alle Eingriffe in den Grund unter Wasser, die 1 Quadratmeter Fläche übersteigen. 2. Eingriffe, die in der Fläche weniger als 1 Quadratmeter betreffen, aber 1 Kubikmeter betroffenes Bodenvolumen übersteigen. Antragsteller haben dem Bewilligungsantrag alle notwendigen, aussagekräftigen Unterlagen (z.B. Berichte über die Ergebnisse sachgemäß durchgeführter archäologischer Voruntersuchungen, die zeigen, ob und mit welchen archäologischen Denkmalen auf der betroffenen Fläche zu rechnen ist; Darstellung geplanter Ersatzmaßnahmen usw.) beizufügen, die dem Bundesdenkmalamt die rasche wissenschaftliche Beurteilung des Antrags und allfällig geplanter Ersatzmaßnahmen ermöglichen. Bei geplanten Bau- und anderen Maßnahmen, die auch Bewilligungen durch die Raumplanungsbehörden erforderlich machen, kann der Antrag auf denkmalpflegerische Bewilligung gemeinsam mit den anderen erforderlichen Bewilligungsanträgen direkt bei der zuständigen Planungsbehörde gestellt werden; diese hat einen solchen Antrag derart unverzüglich an das Bundesdenkmalamt weiterzuleiten, dass er bei diesem spätestens am dritten Werktag nach Eingehen bei der Planungsbehörde vorliegt. Liegen dem Bewilligungsantrag für die Beurteilung der Gefährdung allfällig auf den betroffenen Flächen vorkommender archäologischer Denkmale unzureichende Unterlagen bei, ist dieser abzuweisen. Eine derartige Bewilligung kann nur an Personen erteilt werden, die zur Durchführung der von ihnen geplanten Arbeiten berechtigt sind (z.B. Grundeigentümer, vom Grundeigentümer zur Durchführung der geplanten Arbeiten berechtigte Personen, etc.). Bewilligungen können nur für konkrete Arbeitsvorhaben erteilt werden, die im Bewilligungsbescheid klar (unter Anschluss von Plänen und anderen das Arbeitsvorhaben eindeutig beschreibenden Unterlagen, die der Antragsteller beizubringen hat) zu umschreiben sind. Bewilligungen gemäß diesem Absatz können mit Einschränkungen, Auflagen und Sonderregelungen verbunden sein (z.B. hinsichtlich Fläche und Tiefe, Art der Durchführung, zu erbringenden Kompetenznachweisen des Durchführenden, Meldepflichten, Kontrollen, Klärung des langfristigen Fundverbleibes usw.). Bewilligte Maßnahmen gemäß diesem Absatz sind jedenfalls entsprechend den Bestimmungen für ungestörte archäologische Denkmale gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 bzw., wenn sie länger als ein Jahr dauern, gemäß § 9 Abs. 2 Z 4 zu dokumentieren. Ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer solchen Bewilligung aufgrund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes besteht nicht, selbst wenn im Rahmen des Antrags vorgeschlagene Ersatzmaßnahmen eine vollständige Erhaltung aller auf der betroffenen Fläche vorkommenden archäologischen Denkmale durch Dokumentation sicherstellen. (3) Eine Bewilligung des Bundesdenkmalamtes gemäß Abs. 1 und 2 ist nicht erforderlich, wenn es sich 372 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? 1. um amtswegige Maßnahmen des Bundesdenkmalamtes handelt. 2. um Grabungen, Arbeiten oder sonstige Maßnahmen im Auftrag des Bundesministers für Kultur oder des Landeshauptmanns handelt, die im Rahmen von Berufungsverfahren oder in Wahrnehmung der Aufsichtspflicht (§ 30 Abs. 1) im unbedingt notwendigen Ausmaß erfolgen. In diesem Falle können die Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen bei umgehender Mitteilung an das Bundesdenkmalamt durchgeführt werden, wobei die Dokumentationspflicht gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 bzw., wenn sie länger als ein Jahr dauern, gemäß § 9 Abs. 2 Z 4 einzuhalten ist. 3. um Grabungen, Arbeiten oder sonstige Maßnahmen zur Beseitigung von das Leben, die Gesundheit oder das Eigentum bedrohenden, plötzlich und unerwartet auftretenden Gefahren handelt. In diesem Falle können die Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen bei umgehender Mitteilung an das Bundesdenkmalamt durchgeführt werden, wobei die Dokumentationspflicht gemäß § 9 Abs. 2 Z 1-3, soweit dies unter den konkreten Gefährdungsumständen möglich ist, einzuhalten ist. 4. um auf bereits in den letzten fünf Jahren auf den gleichen Grundstücken in gleicher Weise durchgeführte Erdarbeiten im Rahmen normaler landwirtschaftlicher Tätigkeiten wie Pflügen, Eggen usw. handelt, die zur produktiven landwirtschaftlichen Nutzung der betroffenen Flächen notwendig sind. 5. um zu wissenschaftlichen Zwecken durchgeführte Grabungen einer Person handelt, die vom BDA eine Lizenz erteilt bekommen hat, die die Einzelgenehmigungspflicht für Grabungen iSd Abs. 2 ersetzt. Eine solche Grabungslizenz kann nur an natürliche Personen erteilt werden, die eine einschlägige Ausbildung für die Durchführung wissenschaftlicher archäologischer Forschungen abgeschlossen haben. Sie ist auf maximal 10 Jahre Gültigkeitsdauer beschränkt und kann auf Antrag in bis zu ebenso 10 Jahre langen Intervallen erneuert werden. Die Grabungslizenz kann mit Einschränkungen, Auflagen und Sonderregelungen verbunden sein (z.B. hinsichtlich Fläche und Tiefe, Art der Durchführung, Meldepflichten, Kontrollen, Klärung des langfristigen Fundverbleibes usw.). Die Grabungslizenz kann verweigert oder entzogen werden, wenn der Behörde Gründe bekannt werden, welche die fortgesetzte Eignung des Antragstellers bzw. Lizenzinhabers zur sachgerechten Durchführung wissenschaftlicher Ausgrabung in Zweifel zu ziehen geeignet sind (z.B. Verletzung der Dokumentations- und Meldepflichten des § 9 Abs. 1 und 2; zum Entzug akademischer Titel oder professioneller Akkreditierungen führendes, schweres wissenschaftliches Fehlverhalten; etc.). Die Grabungslizenz im Sinne dieser Bestimmung ersetzt nicht die Bewilligungspflichten gem. §§ 5 Abs. 1 und 8 Abs. 1 für wissenschaftliche Ausgrabungen auf gem. §§ 2a oder 3 geschützten Denkmalen. (4) Die nach Abs. 1 oder 2 Berechtigten haben den Beginn und Ende der bewilligten Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen auf einem Grundstück bzw. mehreren zusammenhängenden Grundstücken dem Bundesdenkmalamt unverzüglich schriftlich anzuzeigen.“ Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 8 DMSG Die hier vorgeschlagene Neufassung des § 8 DMSG vollzieht eine zentral wichtige, fundamentale Wende weg von einem reaktiven, fundzentrierten Ansatz wie er für das bisherige DMSG charakteristisch war, hin zu einem präventiven, gefährdungszentrierten archäologischen Denkmalschutz. Dies wird erreicht durch eine Verlagerung und Modifikation der bisher in § 11 DMSG igF enthaltenen Bestimmungen zu Grabungen und anderen potentiell archäologische Denkmale gefährden könnenden Handlungen: dadurch, dass die Bewilligungsbestimmungen für archäologische Denkmale gefährdende Maßnahmen an den Anfang der speziell „archäologischen“ Bestimmungen des DMSG gesetzt werden, wird der aktuellen Realität Rechnung getragen, dass die überwiegende 373 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG Mehrheit aller archäologischen Denkmale nicht zufällig gefunden wird und auch nicht mehr primär durch „archäologisch“ motivierte Ausgrabungen gefährdet wird, sondern in erster Linie durch bau-, land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten, bei denen aufgrund der starken Mechanisierung aller dieser Wirtschaftbereiche Zufallsfunde archäologischer Denkmale unwahrscheinlich geworden sind und ihre vorsätzliche Entdeckung überhaupt nicht beabsichtigt ist. Die gesetzliche Regelung setzt damit also an jener Stelle an, an der die höchste Gefährdung noch unentdeckter und nicht ausreichend wissenschaftlich dokumentierter archäologischer Denkmale besteht und erlaubt damit präventives Gefahrenmanagement im archäologischen Denkmalschutz, wie es auch nicht zuletzt durch die Bestimmungen des Art. 3 Z 1 lit a und b des Europäischen Übereinkommens zum Schutz des archäologischen Erbes (revidiert) (Europarat 1992), vorgesehen ist. Abs. 1 Der neue Absatz 1 übernimmt, wenn auch in deutlich modifizierter Form, die bisher nahezu ausschließlich gegen Metallsucher gerichteten Schutzbestimmungen des § 11 Abs. 8 DMSG igF und weitet sie dahingehend aus, dass nicht nur die Verwendung von Metall- und anderen Bodensuchgeräten auf geschützten archäologischen Denkmalen, sondern alle geplanten Tätigkeiten und Maßnahmen, die ein bereits unter Denkmalschutz stehendes archäologisches Denkmal (ernsthaft) gefährden könnten, einer Bewilligungspflicht durch das BDA unterworfen werden. Dies scheint aus mehreren Gründen angebracht: Erstens dient die Erweiterung dieser Bestimmung dem Zweck, eindeutig klarzustellen, dass nicht nur die Verwendung von Metallsuchgeräten, sondern auch das bloße Auflesen von z.B. Oberflächenfunden auf einem geschützten archäologischen Denkmal einer Bewilligung durch das BDA bedarf. Das Auflesen von Oberflächenfunden auf geschützten archäologischen Denkmalen ist zwar an sich bereits derzeit aufgrund der Bestimmungen des § 1 Abs. 9 igF verboten, da es sich bei Oberflächenfunden auf einem geschützten archäologischen Denkmal um automatisch mitgeschützte Teile des Bestandes (der Substanz) des Denkmals handelt und ihre Aufsammlung und Entfernung daher streng genommen nur mit Bewilligung des BDA gem. § 5 Abs. 1 zur Veränderung des betroffenen Denkmals erlaubt ist; dies ist aber selbst für Fachleute schwer und für Laien überhaupt nicht erkennbar. Eine explizitere Hervorhebung dieser Tatsache, dass nicht nur die Verwendung von Metallsuchgeräten, sondern auch alle anderen Handlungen, die ein geschütztes archäologisches Denkmal gefährden können, einer Bewilligung durch das BDA bedürfen, ist schon allein deshalb wünschenswert. Zweitens dient die Erweiterung dieser Bestimmung dem Zweck deutlicher klar zu machen, dass auch andere unter Denkmalschutz stehende archäologische Denkmale betreffende Maßnahmen wie z.B. die Verwendung aggressiver Düngemittel auf unter Denkmalschutz stehenden archäologischen Denkmalen, aber genauso die Entnahme von Proben aus archäologischen Denkmalen, wie z.B. von Bodenproben zur Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen, einer Bewilligungspflicht unterliegt. Ob eine solche Bewilligungspflicht bisher nach den Bestimmungen des § 5 Abs. 1 bereits besteht, ist jedenfalls in manchen Fällen (z.B. bei der Verwendung von aggressiven chemischen Düngemitteln, die die Bodenchemie und damit auch die Erhaltungsbedingungen für noch an Ort und Stelle im Erdboden befindliche bewegliche und unbewegliche archäologische Denkmale maßgeblich verändern können) keineswegs eindeutig klar. Auch hier klärt die explizitere Bestimmung einer Bewilligungspflicht aller Maßnahmen, die die Erhaltung geschützter archäologischer Denkmale direkt oder mittelbar gefährden könnten, genauer als bisher, dass nicht nur die intentionell beabsichtigte Veränderung oder Zerstörung eines denkmalgeschützten archäologischen Denkmales, die überhaupt erst die Bewilligungspflicht des § 5 Abs. 1 auslöst, oder die in vorsätzlicher Zerstörungsabsicht erfolgte Unterlassung von Instandhaltungsmaßnahmen, die gemäß § 4 Abs. 2 verboten ist, ohne Bewilligung 374 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? zur Veränderung oder Zerstörung denkmalgeschützter archäologischer Denkmale verboten ist, sondern auch alle Handlungen, die als – potentiell sogar vom Handelnden unbeabsichtigte – Nebenwirkung die Veränderung oder Zerstörung des geschützten Denkmals zur Folge haben könnten, ohne ausdrückliche Bewilligung des BDA verboten sind. Drittens dient die Erweiterung dieser Bestimmung dazu, auch solche Handlungen der Bewilligungspflicht durch das BDA zu unterwerfen, die nicht im engeren Sinn das Denkmal selbst, sondern seine Umgebung in einer Weise betreffen, die mittelbar zu einer Gefährdung geschützter Denkmale führen kann. Solche Handlungen können z.B. das Abholzen von Baumbestand neben dem Denkmal sein, durch das Baumstämme oder maschinell entferntes Astwerk auf das Denkmal stürzen oder schwere forstwirtschaftliche Maschinen über das Denkmal fahren und dadurch Schäden verursacht werden können; oder auch z.B. die Errichtung von Hochwasserschutzbauten, die zu einer Veränderung des Wasserhaushalts des Bodens von und um geschützte Denkmale und damit erhöhter Erosion führen können. Schließlich dient die Erweiterung dieser Bestimmung auch dazu, das derzeit bestehende Missverhältnis zwischen der durch die Bestimmungen des bisherigen § 11 Abs. 8 DMSG hervorgehobenen potentiellen Gefährdung geschützter archäologischer Denkmale durch die Verwendung von Metallsuchgeräten durch Laien und anderen ebenfalls bestehenden, oft noch weit gravierenderen, Gefährdungspotentialen für geschützte archäologische Denkmäler zu beheben. Dadurch, dass derzeit dafür eine eigene gesetzliche Bestimmung besteht, wird durch die derzeitige Gesetzeslage der vollkommen falsche Eindruck erweckt, dass die Verwendung von Metallsuchgeräten auf geschützten archäologischen Denkmalen die mit Abstand größte Gefahr wäre, der archäologische Denkmale ausgesetzt wären. Zwar ist durchaus korrekt, dass die mit Grabungs- bzw. Fundbergungsabsicht verbundene Verwendung von Metallsuchgeräten auf archäologischen Fundstellen – ob diese nun denkmalgeschützt sind oder nicht – durchaus ein gewisses Gefährdungspotential für archäologische Denkmale in sich birgt; aber diese ist keineswegs die einzige oder auch nur größte Gefährdung, der geschützte archäologische Denkmale ausgesetzt sind (Karl 2018b). Tatsächlich stellt die Metallsuche bzw. Verwendung sonstiger Bodensuchgeräte, ob nun auf unter Denkmalschutz stehenden oder sonstigen archäologischen Denkmalen, die nicht mit Grabungs- bzw. Fundbergungsabsicht erfolgt, überhaupt keine Gefährdung der archäologischen Denkmale auf dem oder im Erdboden dar, sondern kann eine wichtige Prospektionsmaßnahme zur Vermeidung oder Verminderung künftiger Gefahren für die dadurch entdeckten, aber unverändert an Ort und Stelle im Boden belassenen, archäologischen Denkmale sein. Nur die unzulässig verallgemeinerte Unterstellung, jede Verwendung eines Metalloder sonstigen Bodensuchgeräts auf archäologischen Denkmalen würde notwendigerweise stets mit Grabungs- bzw. Fundbergungsabsicht von noch im Boden verborgenen Objekten durchgeführt, ermöglicht es überhaupt, die bloße Verwendung derartiger Geräte als „Gefährdung“ geschützter archäologischer Denkmale zu betrachten. Die Hervorhebung der Verwendung von Metall- und anderen Bodensuchgeräten durch ein eigenes gesetzliches Verbot wirkt daher – vor allem im Vergleich mit wenigstens ebenso schädlichen, aber nicht eigens verbotenen Handlungen wie z.B. das Fahren von Motocross-Maschinen, Quad-Bikes oder Mountain-Bikes über geschützte archäologische Denkmale wie z.B. Grabhügel oder Wallanlagen, Handlungen, die regelhaft zu schweren Erosionsschäden an diesen Denkmalen führen – wie eine sachlich ungerechtfertigte Diskriminierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (der „Metallsucher“) aufgrund ihres gewählten Hobbies, nicht aufgrund des tatsächlich angerichteten archäologischen Schadens. Die Erweiterung des gesetzlichen Metallsuchverbots auf denkmalgeschützten archäologischen Denkmalen auf alle diese Denkmale potentiell gefährden 375 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG könnenden Handlungen entfernt diese einseitige Diskriminierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe und lenkt das Augenmerk zurück auf den Aspekt dieser Bestimmung, der ihren eigentlich relevanten Kern darstellt, nämlich die präventive Vermeidung von Schaden an archäologischen Denkmalen, gleichgültig, aus welchen Handlungen dieser resultiert. Im zweiten Satz des vorgeschlagenen Textes wird bestimmt, dass die gemäß des ersten Satzes dieses Absatzes notwendige Bewilligung nur an Personen erteilt werden darf, die zur Durchführung der geplanten Maßnahmen berechtigt sind, z.B. an den Grundeigentümer, von diesem berechtigte Personen oder Personen die aus anderen Gründen das Recht oder sogar die Pflicht haben, archäologische Denkmale im Sinne des DMSG (sowohl Bodendenkmale im Sinne der geltenden Fassung als auch im Sinne des obigen Neuvorschlags der Begriffsdefinition von „archäologisches Denkmal“) zu bergen, wie z.B. der Entminungsdienst zur Sicherung von potentiell noch scharfer Munition/Kriegsrelikten aus dem 2. Weltkrieg. Dies geht von der bisherigen Regelung des § 11 Abs. 1 DMSG ab, das Recht „archäologische“ Bewilligungen erteilt zu bekommen auf physische Personen zu beschränken, die ein einschlägiges Universitätsstudium absolviert haben, die allerdings in der Regel keine rechtliche Verfügungsgewalt über irgendwelche der archäologischen Denkmale haben, die sie entdecken, die ja letztendlich unter der derzeitigen Eigentumsregelung wenigstens hälftig beim Grundeigentümer und iSd § 401 ABGB die Finderhälfte bei dem liegt, der die professionellen Archäologen „ausdrücklich zur Aufsuchung eines Schatzes gedungen“ hat. Dadurch, dass die Bewilligungsmöglichkeit an die rechtlich bezüglich des betroffenen Grundstücks und zumeist auch allfällig entdeckter Kleinfunde Verfügungsberechtigten gebunden wird, treffen unter dieser Regelung die mit Bewilligungen möglicherweise verbundenen Einschränkungen, Auflagen und Sonderregeln auch jene Personen, die (im Kontext der weiter ausgeführten eigentumsrechtlichen Regelungen des neu vorgeschlagenen § 10 DMSG) auch die tatsächliche rechtliche Verfügungsgewalt über allfällig entdeckte archäologische Denkmale haben. Um dennoch weiterhin im Sinne des Art. 3 Z ii der Valletta-Konvention (Europarat 1992), sicherstellen zu können, dass, sofern geplante Maßnahmen die Durchführung systematischer archäologischer Untersuchungen mit einschließen, diese durch entsprechend fachlich qualifiziertes Personal durchgeführt werden (und der einzige erkennbare Grund für die bisherige Bindung des Rechts der Erteilung einer Grabungsbewilligung an AbsolventInnen einschlägiger Universitätsstudien war der Zweck sicherzustellen, dass archäologische Ausgrabungen durch fachlich qualifiziertes Personal durchgeführt oder wenigstens begleitet werden), wird in der Aufzählung möglicher Auflagen in Bewilligungsbescheiden explizit die Möglichkeit einen bestimmten Kompetenznachweis des Durchführenden vorzuschreiben angeführt. Das bedeutet, dass das BDA dem rechtlich Verfügungsberechtigten, der eine Maßnahme durchführen möchte, die ein geschütztes archäologisches Denkmal gefährden könnte, verbindlich vorschreiben kann, dass, wo es dem BDA für nötig erscheint, diese Maßnahme von über entsprechende fachliche Qualifikationen verfügenden ArchäologInnen durchgeführt oder wenigstens begleitet werden muss. Gleichzeitig wird durch diese Möglichkeit nicht, wie bisher durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG igF, die verfassungsgesetzlich garantierte Freiheit der wissenschaftlichen Forschung, zu der selbstverständlich auch die Freiheit der archäologischen Feldforschung gehört, auf die weniger als 1.000 derzeit praktizierenden, graduierten ArchäologInnen beschränkt, die es in Österreich gibt, sondern vielmehr effektiv durch Bescheidauflagen auch in Fällen, in denen interessierte Laien archäologische Untersuchungen anstellen wollen, wo notwendig, eine fachlich kompetente archäologische Begleitung dieser Untersuchungen sichergestellt. Dies ist nicht zuletzt weit besser mit den Bestimmungen des Rahmenübereinkommens des Europarates über den Wert des Kulturerbes für 376 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? die Gesellschaft (Europarat 2005) vereinbar, speziell dessen Art. 12 lit. a erster Punkt, als die derzeit gewählte gesetzliche Lösung. Ebenfalls explizit verwiesen wird auf die Dokumentationspflicht des neu vorgeschlagenen § 9 (siehe weiter unten), wobei bei bewilligten Maßnahmen auf geschützten archäologischen Denkmalen jedenfalls der höchste fachliche Dokumentationsstandard vorgeschrieben ist. Dies stellt gemeinsam mit der Möglichkeit, Bescheidauflagen zu erteilen, sicher, dass, unabhängig vom Zweck der geplanten Maßnahme, die bestmögliche archäologische Dokumentation aller das Denkmal möglicherweise gefährden könnenden Maßnahmen gewährleistet ist. Schlussendlich wird auch noch explizit darauf hingewiesen, dass die Bewilligung der Durchführung von Maßnahmen, die geschützte archäologische Denkmale potentiell gefährden könnten, gemäß diesem Absatz nicht die Bewilligung der tatsächlichen Veränderung oder Zerstörung von Denkmalen gemäß § 5 Abs. 1 DMSG igF ersetzt. Das bedeutet, dass eine geplante Maßnahme, die ein geschütztes archäologisches Denkmal nicht nur gefährden könnte, sondern auch tatsächlich verändern oder zerstören wird, wie z.B. eine systematische archäologische Ausgrabung eines geschützten archäologischen Denkmals, sowohl eine Bewilligung gemäß diesem Absatz als auch eine Bewilligung gemäß § 5 Abs. 1 bräuchte, wie dies ja auch schon derzeit durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 und 5 DMSG igF vorgesehen ist. Bei aus wissenschaftlichen Forschungsgründen stattfindenden archäologischen Ausgrabungen geschützter archäologischer Denkmale ändert sich also durch die hier vorgeschlagene Regelung im Vergleich zum derzeit Geltenden überhaupt nichts. Zu einer bedeutenden Veränderung gegenüber dem derzeitigen Zustand kommt es hingegen durch die hier vorgeschlagene Regelung bei allen anderen Maßnahmen, durch die geschützte archäologische Denkmale verändert oder zerstört werden sollen, die aber nicht dem Zweck der wissenschaftlichen Untersuchung dieser Denkmale dienen. Bei solchen anderen Zwecken dienenden Maßnahmen, die eine Veränderung oder Zerstörung eines geschützten Denkmals zur Folge haben, ist derzeit nicht eine spezifische archäologische Bewilligung der geplanten Maßnahmen, sondern nur eine Bewilligung des BDA gemäß § 5 Abs. 1 DMSG notwendig. Bescheide gemäß § 5 Abs. 1 können zwar (gemäß der RV 1990) auch Bedingungen und Auflagen enthalten, wodurch dem Antragsteller die Durchführung einer die Veränderung oder Zerstörung begleitenden archäologischen Ausgrabung vorgeschrieben werden kann. Allerdings sind in einem Verfahren gemäß § 5 Abs. 1 grundsätzlich nur Gründe gegeneinander abzuwiegen, die für und die gegen die Erhaltung des Denkmals sprechen, während die sachgemäße archäologische Dokumentation der Zerstörung oder Veränderung des Denkmals keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt: die ausreichende archäologische Untersuchung und Dokumentation des betroffenen archäologischen Denkmals ist eventuell ein in dieser Abwägung zu berücksichtigender Grund, kann allerdings kaum gegen die Veränderung oder Zerstörung des Denkmals sprechen weil, wie in derzeitig gültigen Gesetzestext in § 11 Abs. 5 igF konkret erläutert wird, die Ausgrabung eines archäologischen Denkmals stets zwangsläufig mit Veränderungen oder gar der Zerstörung dieses Denkmals verbunden ist. Die sachgerechte archäologische Dokumentation eines Denkmals im Rahmen seiner Zerstörung kann daher, falls überhaupt, ein Grund sein, der für die Zerstörung dieses Denkmals spricht; ein Fehlen einer solchen Dokumentation hingegen kein Grund, der gegen seine Zerstörung oder Veränderung spricht, weil diese Dokumentation ohnehin überhaupt nur dadurch erreicht werden kann, dass das Denkmal verändert oder zerstört wird. Nachdem aus eben diesem Grund unter der derzeit geltenden Gesetzeslage auch nicht argumentiert werden kann, dass die sachgerechte archäologische Dokumentation der Veränderung oder Zerstörung des Denkmals eine sachdienliche Maßnahme zu seiner Erhaltung ist – schließlich ist im § 1 Abs. 1 igF Erhaltung bisher nur als „Bewahrung vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland“ definiert, während das Prinzip der Erhaltung 377 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG durch Dokumentation derzeit noch keine Berücksichtigung findet – können derzeit streng rechtlich gesehen auch die Kosten für im Rahmen einer bewilligten Zerstörung eines geschützten archäologischen Denkmals notwendig werdenden Ausgrabungen oder sonstigen Untersuchungen dem Denkmaleigentümer eigentlich nicht aufgetragen werden, weil alle derartigen Untersuchungen nicht als denkmalschutzrechtliche Instandhaltungsmaßnahmen interpretiert werden können, ohne den Wortlaut des Gesetzes dazu in sein Gegenteil verkehren zu müssen. Die im hier gemachten Änderungsvorschlag gewählte Lösung überträgt hingegen die Verantwortung, allfällig notwendig werdende archäologische Untersuchungen durchführen zu lassen, auf den Verursacher der geplanten Veränderung oder Zerstörung des betreffenden Denkmals, Untersuchungen die auch im Sinne des oben neu vorgeschlagenen § 1 Abs. 1a eine Erhaltung durch Dokumentation darstellen und somit auch eine Instandhaltungsmaßnahme sind, für deren Kosten der Denkmaleigentümer aufzukommen hat. Die hier vorgeschlagenen Änderungen des DMSG schaffen also, neben den bereits genannten anderen Vorteilen, auch eine solide Rechtsgrundlage für eine finanzielle Entlastung des Staatshaushaltes. Abs. 2 Der neue Absatz 2 übernimmt, ebenfalls in deutlich modifizierter und erweiterter Form, die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG igF zur Bewilligung von Grabungen und sonstigen Nachforschungen an Ort und Stelle zur Entdeckung und Untersuchung von beweglichen und unbeweglichen Denkmalen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche. Diese Bestimmung hat in der bisher geltenden Fassung und allen vorhergehenden Fassungen des DMSG in erster Linie auf das Motiv, also die Intention, des Grabungen oder sonstige Nachforschungen vornehmenden Handelnden abgestellt, was zu diversen absurden Folgen führt, von denen die wohl gravierendste und absurdeste die ist, dass der mit Zerstörungsabsicht handelnde Bauunternehmer (bzw. der von diesem zum Wegbaggern von archäologischen Denkmalen angehaltene Baggerfahrer) gänzlich ohne denkmalschutzrechtliche Bewilligung und völlig rechtmäßig archäologische Denkmale zerstören darf (siehe dazu schon weiter oben Seiten 108-111), während der zum Schutz allfällig an Ort und Stelle vorhandener archäologischer Denkmale mit dem Zwecke der Entdeckung und Untersuchung dieser Denkmale in die von dem soeben genannten Baggerfahrer ausgehoben werdende Baugrube schauende Passant gegen die Bewilligungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF verstößt und sich damit eines Vergehens gegen die Denkmalschutzbestimmungen schuldig macht. Die hier vorgeschlagene Neufassung geht vom Intentionsprinzip als Auslöser der gesetzlichen Schutzwirkung ab und zieht stattdessen das Gefährdungspotential für archäologische Denkmale, das völlig unabhängig von der Intention, mit der sie ausgeführt werden, mit in die Erdoberfläche bzw. den Grund unter Wasser eingreifenden Handlungen verbunden ist, als Auslöser für die gesetzliche Schutzwirkung heran. Die neu vorgeschlagenen Bestimmungen dieses Absatzes unterwerfen alle maßgeblich in den Boden eingreifenden Handlungen der Bewilligungspflicht durch das BDA, die noch ungestört an Ort und Stelle befindliche archäologische Denkmale gefährden könnten, unabhängig davon, welche Intention der Handelnde mit seinen Bodeneingriffen verfolgt. Dies entspricht den Anforderungen des Art. 1 Z i lit. a der Valletta-Konvention (Europarat 1992), dass „Verfahren zur Genehmigung und Überwachung von Ausgrabungen und sonstigen archäologischen Tätigkeiten so anzuwenden“ sind, „dass jede unerlaubte Ausgrabung oder Beseitigung von Elementen des archäologischen Erbes verhindert wird“. Diese Bestimmung kann selbstverständlich nicht so interpretiert werden, dass damit ausschließlich solche Ausgrabungen oder Beseitigungen des archäologischen Erbes gemeint sind, die mit dem Zweck der Entdeckung und Untersuchung dieses archäologischen Erbes, oder auch nur dem Zweck seiner Entdeckung samt beliebigen sonstigen Nebenzwecken durchgeführt werden, sondern 378 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? selbstverständlich nur so, dass damit auch jede andere Beseitigung des archäologischen Erbes, aus welchen Gründen auch immer, verhindert werden soll; insbesondere natürlich auch die vorsätzliche und mutwillige Zerstörung noch unentdeckten archäologischen Erbes. Die hier vorgeschlagene Änderung der einschlägigen Bewilligungsbestimmungen des DMSG ist also schon allein deshalb nötig, um die Bestimmungen des DMSG an die in diesem von Österreich ratifizierten europäischen Übereinkommen enthaltenen Bestimmungen entsprechend anzupassen. Dabei ist es allerdings, schon alleine aus praktischen Gründen, notwendig zu bestimmen, ab wann ein Bodeneingriff so maßgeblich wird, dass er eine derart ernstzunehmende Gefährdung an Ort und Stelle vorkommender archäologischer Denkmale darstellt, dass eine vorherige Bewilligung des geplanten Eingriffs durch das BDA nötig wird. Würde kein solches die gesetzliche Bewilligungspflicht auslösendes Mindestmaß definiert, würde nämlich jedweder Bodeneingriff, also auch das Einpflanzen von Blumen oder Gemüse in privaten Gärten und natürlich auch jeder landwirtschaftlich notwendige, alltägliche Bodeneingriff plötzlich einer Bewilligungspflicht durch das BDA unterworfen; was weder sinnvoll sein kann noch praktisch umsetzbar ist. Die hier vorgeschlagenen Maße von wenigstens 30 cm Eindringtiefe in den Boden und wenigstens einem Quadratmeter Fläche oder maximal einem Kubikmeter Volumen unabhängig von der Tiefe des Eingriffes sind selbstverständlich diskutierbar, erscheinen aber deshalb einigermaßen sinnvoll, weil dadurch die überwiegende Mehrheit aller alltäglichen seichten, kleinflächigen oder geringvoluminösen Bodeneingriffe, die für das moderne Leben notwendig sind, sowie diverse notwendige (z.B. geologische, sedimentologische usw.) Bodenbeprobungen aus der Bewilligungspflicht dieses Absatzes automatisch herausfallen. Sie entsprechen auch etwa dem, was soeben die Niederlande in Bezug auf geringfügige Bodeneingriffe im Rahmen von Metallsuchen gesetzlich erlaubt haben: die neue niederländische Regelung nimmt Bodeneingriffe bis zu 30 cm Tiefe aus den gesetzlichen Bewilligungspflichten für Grabungsarbeiten aus (Koninkrijk der Nederlanden 2016; Art. 2.2 Z 1). Der Bewilligungspflicht dieses Absatzes unterliegen hingegen alle jene Erdarbeiten, die Dimensionen erreichen, die maßgeblichen archäologischen Sachschaden anrichten können, und zwar gänzlich unabhängig davon, aus welchem Grund sie durchgeführt werden. Das bedeutet, dass, nicht anders als bereits derzeit der Fall, alle systematischen archäologischen Ausgrabungen, die von professionellen ArchäologInnen zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn durchgeführt werden, vollständig der Bewilligungspflicht dieses Absatzes unterliegen. In dieser Beziehung gibt es also keinerlei Unterschied zur bisherigen Handhabung der derzeitigen gesetzlichen Regelung des § 11 Abs. 1 durch das BDA, die sich allerdings zwischenzeitlich, wie schon oben (Seiten 8-26) ausgeführt, als rechtswidrig erwiesen hat. Durch die hier vorgeschlagenen Änderungen der einschlägigen Bestimmungen des DMSG wird die bisherige Anwendungspraxis der einschlägigen Bestimmungen des § 11 Abs. 1 bei tatsächlich maßgeblich in den Boden eingreifenden archäologischen Maßnahmen, diesmal aber auf rechtlich korrekte Weise, wiedereingeführt. Im Unterschied zur bisherigen Rechtslage fallen allerdings gemäß der hier vorgeschlagenen Neufassung auch alle anderen Erdarbeiten, also bau-, land- und forstwirtschaftliche Arbeiten, die so stark in den Erdboden eingreifen, dass an Ort und Stelle vorhandene, aber bisher noch unbekannte, archäologische Denkmale durch sie stark gefährdet werden könnten, die bisher keiner denkmalschutzrechtlichen Bewilligungspflicht durch das BDA unterliegen und, wenn überhaupt, nur dann dem BDA zur Kenntnis gebracht werden müssen, wenn es sich dabei um Erdarbeiten handelt, die im Zusammenhang mit Maßnahmen stehen, die dem UVP-G unterliegen, unter die Bewilligungspflicht durch das BDA. Dies ist nicht zuletzt deshalb von großer Bedeutung, weil unter heutigen Umständen, d.h. beim Einsatz moderner bau-, land- und forstwirtschaftlicher Maschinen, Zufallsfunde archäologischer Denkmale nahezu ausgeschlossen sind und daher die 379 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG Zufallsfundbestimmungen der derzeitigen §§ 8 und 9 DMSG igF, die unter den 1923 gegebenen Verhältnissen noch durchaus adäquat waren, weitgehend obsolet geworden sind. Ein weiteres Beharren auf 1923 adäquaten, aber heute vollständig inadäquaten, Schutzbestimmungen für archäologische Denkmale, die zwar vorhanden sind, aber aufgrund der heute verwendeten Praktiken in Bau-, Land- und Forstwirtschaft kaum mehr zufällig entdeckt werden können, würde eine grobe Vernachlässigung ihrer aus internationalen Übereinkommen und eigenen Verfassungsbestimmungen erwachsenden Verpflichtung durch die Republik Österreich darstellen, im öffentlichen Interesse für einen adäquaten (auch archäologischen) Denkmalschutz zu sorgen, eine Änderung wie die hier vorgeschlagene ist daher zwingend notwendig. Ein weiterer, wenn auch weniger deutlicher, Unterschied zur derzeitigen Situation ergibt sich aus der hier vorgeschlagenen Neufassung auch für Nachforschungen nach nicht denkmalgeschützten archäologischen Denkmalen durch professionelle Archäologen und Laien, insbesondere unter Verwendung von Metall- und anderen Bodensuchgeräten. Obwohl hier die derzeit bestehende Rechtslage inzwischen als eindeutig zu betrachten ist (auch wenn sich das BDA dieser Tatsache immer noch verweigert), wurden bisher die NFG-Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG igF durch die zuständigen Behörden, insbesondere durch das BDA (2016), aber auch – wenn auch in weit weniger eindeutiger Weise – durch die Strafverfolgungsbehörden, derart ausgelegt, dass alle Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Bodendenkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche dieser Bewilligungspflicht unterliegen (siehe dazu z.B. Strafbescheid der BH Melk vom 23.9.2013, MES2-V-12 10139/5; vgl. im Gegensatz Magistratisches Bezirksamt Wien Innere Stadt MBA 01 – S 48902). Die in diesem Bereich wenigstens bis zum Erkenntnis des VwGH vom 23.2.2017, Ro 2016/09/0008 bestanden habende, massive Rechtsunsicherheit wird durch die hier vorgeschlagenen neuen Bestimmungen vollständig beseitigt: kleinere Grabungen, die weniger als das genannte Mindestmaß in den Boden eingreifen, sind unter der hier vorgeschlagenen Neuregelung bewilligungsfrei erlaubt; und zwar auch dann, wenn ein solcher Bodeneingriff von einem Laien, der ein Metall- oder sonstiges Bodensuchgerät mit dem Zweck der Entdeckung und Untersuchung nicht unter Denkmalschutz stehender archäologischer Denkmale verwendet, durchgeführt wird. Entgegen der zu dieser Frage von manchen Archäologen vielleicht vertretenen Ansicht, stellt die hier vorgeschlagene Lösung allerdings keineswegs eine Verschlechterung der Rechtslage zu „Raubgrabungen“ dar, sondern vielmehr eine Verbesserung, und wird in Verbindung mit den hier neu vorgeschlagenen neuen Bestimmungen der §§ 9 und 10 DMSG (siehe weiter unten) zu einer deutlichen Verbesserung der gesetzlichen Steuerung des Verhaltens archäologische Denkmale suchender Bürger in einer für die langfristige Erhaltung archäologischer Denkmale und Informationen weniger schädlichen Weise führen, also zur verbesserten Erhaltung dieser Denkmale und Informationen (siehe dazu schon weiter oben Seiten 334-358). Durch die hier vorgeschlagene Bestimmung des Abs. 2 werden hingegen alle Grabungen, die in ihren Dimensionen das gesetzlich vorgesehene Maß überschreiten, unabhängig vom Zweck, mit dem sie unternommen werden, der Bewilligungspflicht dieses Absatzes unterworfen; und zwar gleichermaßen die von Laien wie die von professionellen Archäologen. Damit wird nun aber die bisher nur für gemäß §§ 2a oder 3 DMSG geschützte Denkmale mit Sicherheit bestehende Bewilligungspflicht für Grabungen und sonstige invasive Nachforschungen an Ort und Stelle gemäß § 11 Abs. 1 DMSG igF eindeutig auch auf alle Grabungen, die in ihren Dimensionen das gesetzliche Mindestmaß überschreiten, auch auf nicht gemäß §§ 2a oder 3 DMSG denkmalgeschützten archäologischen Denkmalen, ausgedehnt. Dies stellt jedenfalls gegenüber der jetzigen Rechtslage, bei der aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gemäß §§ 2a oder 3 DMSG denkmalgeschützte Denkmale vor keinerlei 380 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Grabungen geschützt sind, eine dramatische Verbesserung dar, weil die hier vorgeschlagene Regelung mit Sicherheit alle bekannten archäologischen Denkmale vor maßgeblicheren Grabungen schützt. Insgesamt unterwirft also die hier vorgeschlagene Neuregelung im Vergleich zur bisherigen Regelung des § 11 Abs. 1 igF mit Sicherheit weit mehr möglicherweise archäologische Denkmale gefährden könnende Grabungen und sonstige Erdarbeiten der Bewilligungspflicht durch das BDA. Das bedeutet nicht zuletzt, dass – weil dadurch ja auch zahllose bau-, land- und forstwirtschaftliche Arbeiten, die bisher von der NFG-Pflicht des DMSG nicht betroffen waren, nun dieser Bewilligungspflicht unterworfen werden – auf das BDA und vor allem dessen archäologische Fachabteilung bedeutende Mehrarbeit zukommt. Diese Mehrarbeit wird – um dies gleich festzuhalten – sicherlich nicht im Vergleich zur derzeitigen Lage kostenneutral durchführbar sein, sondern die Anstellung zusätzlichen Fachpersonals, ob nun in der betreffenden Fachabteilung des BDA oder in anderen geeigneten Behörden (z.B. im Sinne einer unteren Denkmalbehörde, wie es sie in den meisten deutschen Bundesländern gibt, in den für die Raumplanung und Bewilligung von Bauvorhaben zuständigen Behörden) zur Bewältigung des zusätzlichen Arbeitsmehraufwandes notwendig machen. Inwieweit der damit verbundene finanzielle Mehraufwand durch die Ersparnisse aus der oben erläuterten Neufassung des Abs. 1 gänzlich kompensiert werden kann, kann derzeit nicht mit Sicherheit abgeschätzt werden. Um den mit der Neuregelung des Abs. 2 verbundenen Mehrarbeitsaufwand für das BDA so gering als möglich zu halten, wird im oben vorgeschlagenen Gesetzestext vorgesehen, dass die Ermittlung der zur Entscheidung notwendigen Fakten, ob eine Bewilligung von Grabungen oder sonstigen Arbeiten gemäß den Bestimmungen dieses Absatzes möglich ist, durch den Antragsteller selbst vorgenommen werden muss. Diese Fakten sind dann in Form aussagekräftiger Beweismaterialien (wie z.B. Berichte über archäologische Voruntersuchungsergebnisse) samt einer Beschreibung geplanter Ersatzmaßnahmen zur Mitigation mutmaßlich notwendiger Veränderungen oder Zerstörungen archäologischer Denkmale als Beilagen zum Bewilligungsantrag dem BDA zur wissenschaftlichen Beurteilung vorzulegen (in ähnlichem Sinn siehe auch die in Vorbereitung befindliche ÖNORM S 2411; Karl 2019d). Im Gegensatz zu den 1920ern gibt es heute neben der Möglichkeit der Konsultation des Fundstellenkatasters des BDA zahlreiche, relativ verlässliche, nicht invasive archäologische Vorerkennungsmethoden wie z.B. die Auswertung von Luftbildern in Bezug auf Schatten- und Bewuchsmerkmale oder verschiedene geophysikalische Prospektionsmethoden (siehe für Kurzdarstellungen z.B. BDA 2016, 10, 12-6), durch die mit einigermaßen hoher Verlässlichkeit die Wahrscheinlichkeit des Vorkommens unbeweglicher archäologischer Denkmale im Erdboden bzw. unter dem Grund unter Wasser bestimmt werden kann. Diese können zusätzlich durch nicht invasive archäologische Oberflächenfundaufsammlungen und nur wenig invasive archäologische Surveys, z.B. unter Verwendung von Metallsuchgeräten, die gemäß den hier vorgeschlagenen Regelungen keiner Bewilligungspflicht durch das BDA unterliegen und daher jederzeit überall außer auf denkmalgeschützten Grundstücken von jedem durchgeführt werden dürfen, ergänzt werden, wodurch die Treffsicherheit von Vorhersagen, ob auf einer bestimmten Bodenfläche bzw. einem bestimmten Grundstück mit einer starken oder nur geringen Durchsetzung mit archäologischen Denkmalen zu rechnen ist, zusätzlich erhöht werden kann. Alle diese archäologischen Vorerkundungen sind auch vergleichsweise kostengünstig, stellen also jeweils einen bloß geringen finanziellen Aufwand dar. Selbst die Anlage von nur geringfügig in den Erdboden eingreifenden Test- oder Suchschnitten (die z.B. in der britischen und nordamerikanischen Archäologie als test pits mit unter 1 Quadratmeter Fläche häufig genutzt werden; siehe z.B. Webster 2016, 55-8) ist unter den hier vorgeschlagenen Regelungen bewilligungsfrei möglich, solange diese 381 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG Schnitte in ihren Dimensionen das explizit definierte gesetzlich erlaubte Maß nicht überschreiten, wodurch sich die Vorhersagekraft von archäologischen Vorerkennungsmaßnahmen noch weiter vergrößern lässt; auch wenn die letztgenannte Maßnahme im Vergleich zu den zuvor genannten verhältnismäßig kostenintensiv ist. Jedenfalls gestattet die Durchführung derartiger Vorerkundungsmaßnahmen Antragstellern eine vernünftige und auch erhöhte Planungssicherheit gewährende Abschätzung, welche archäologischen Ersatzmaßnahmen vor der Durchführung geplanter bau-, land- oder forstwirtschaftlicher Arbeiten notwendig erscheinen, um eine sachgerechte archäologische Untersuchung und Dokumentation allfällig zu erwartender archäologischer Denkmale sicherstellen zu können. Werden die durch einschlägige Voruntersuchungen gewonnenen Erkenntnisse samt der in Betracht gezogenen Ersatzmaßnahmen dann dem BDA zur Beurteilung vorgelegt, kann es auf Basis der ihm vorliegenden Evidenz rasch und ohne die Notwendigkeit eigene Ermittlungen anzustellen zu einer Entscheidung kommen, ob – auch in Anbetracht der vom Antragsteller vorgeschlagenen Ersatzmaßnahmen – eine Bewilligung der geplanten Arbeiten aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht möglich ist oder der Antragsteller weitere Voruntersuchungen durchführen oder andere Ersatzmaßnahmen einplanen muss. Dieses Verfahren entspricht grundsätzlich dem in Umweltverträglichkeitsprüfungen nach dem UVP-G angewandten Vorgehen, ist also in der österreichischen Rechtsordnung bereits fest etabliert, und wird durch die hier vorgeschlagene Bestimmung nur – ganz im Sinne des Art. 5 Z iii und iv und des Art. 6 Z ii der Valletta-Konvention (Europarat 1992) – auf alle Erschließungs- und sonstigen Erdarbeiten ausgedehnt, unabhängig davon, ob diese einer UVP-Pflicht unterliegen oder nicht. Die Kosten für die Ermittlung der für den Antrag notwendigen Beweisunterlagen hat selbstverständlich der Verursacher zu tragen, es kommt dadurch auf die Republik also keine zusätzliche finanzielle Belastung zu. Ganz im Gegenteil wird durch die bessere Planbarkeit archäologischer Maßnahmen und die dadurch verringerte Notwendigkeit zur Durchführung von Rettungsgrabungen die finanzielle Belastung der Republik durch diese Regelung eher verringert. Soweit kleine Bauvorhaben betroffen sind, bei denen die durch die notwendigen archäologischen Voruntersuchungen entstehende finanzielle Belastung dem Antragsteller unzumutbar ist, kann der Staat diese gemäß der Bestimmungen des § 32 Abs. 1 DMSG igF finanziell fördern und somit, wie auch in der RV (1999) vorgesehen, allfällig entstehende wirtschaftliche Härten mildern. Um gerade bei Bauverfahren, bei denen ohnehin ein Bewilligungsantrag an die Baubehörden zu stellen ist, für Antragsteller nicht zusätzliche Behördenwege zu verursachen wird des Weiteren in der hier vorgeschlagenen Neufassung vorgesehen, dass Anträge auf Bewilligung archäologischer Arbeiten gemeinsam mit dem Antrag auf die andere notwendige Bewilligung bzw., in Fällen wo UVP durchzuführen sind, gemeinsam mit der Umweltverträglichkeitserklärung, gestellt werden können und die dafür zuständige Behörde (sofern diese nicht ohnehin, wie in UVP-Verfahren, den Antrag samt Umwelterklärung dem BDA zur dortigen Prüfung weiterleiten muss) den Antrag bzw. die archäologischen Antragsteile dem BDA zur Prüfung weiterleiten muss. Wie schon bei den Bestimmungen des neuen Abs. 1 ist auch für den neuen Abs. 2 vorgesehen, dass Bewilligungen nach diesem Absatz nur an zur Durchführung der Arbeiten berechtigte Personen erteilt werden können, damit auch tatsächlich durch die ebenfalls vorgesehenen Bescheidauflagen, Einschränkungen oder Sonderregelungen die rechtlich Verfügungsberechtigten getroffen werden, nicht wie bei der bisherigen Regelung die über bezüglich der entdeckten archäologischen Denkmale keine rechtliche Verfügungsgewalt verfügenden ArchäologInnen. Damit wird nicht nur auch im Kontext von Bewilligungen des neuen Abs. 2 sichergestellt, dass das BDA durch entsprechende Bescheidauflagen sicherstellen kann, dass allfällig notwendige archäologischen Maßnahmen nur durch entsprechend fachlich kompetente ArchäologInnen durchgeführt oder wenigstens fachlich 382 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? begleitet werden (siehe dazu Art. 3 Z ii der Valletta-Konvention; Europarat 1992), sondern auch der langfristige Fundverbleib gleichermaßen durch wirkmächtige Bescheidauflagen geklärt und sichergestellt werden kann. Ebenfalls entsprechend der Bestimmungen des Abs. 1 ist auch die Dokumentationspflicht gemäß den Bestimmungen des neuen § 9 Abs. 2 Z 3 bzw. 4 explizit genannt, um eine ausreichende Erhaltung der entdeckten archäologischen Denkmale durch Dokumentation zu gewährleisten. Abschließend wird in der vorgeschlagenen Neufassung dieses Absatzes explizit festgehalten, dass ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer § 8 Abs. 2-Bewilligung aufgrund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auch dann nicht besteht, wenn im Rahmen des Antrags vorgeschlagene Ersatzmaßnahmen eine vollständige Erhaltung aller auf der betroffenen Fläche vorkommenden archäologischen Denkmale durch Dokumentation sicherstellen. Diese Ausführung ist deshalb notwendig, weil Art. 4 Z ii und Art. 5 Z iv der Valletta-Konvention (Europarat 1992) explizit die Erhaltung archäologischer Denkmale an Ort und Stelle als bevorzugte Erhaltungsmaßnahme ausweisen. Selbst wenn also im Bewilligungsantrag vorgeschlagene Ersatzmaßnahmen eine vollständige Erhaltung aller an Ort und Stelle vorkommenden archäologischen Denkmale durch Dokumentation sicherstellen, muss das BDA dennoch, wenn ausreichende denkmalpflegerische Gründe für eine Erhaltung dieser archäologischen Denkmale an Ort und Stelle vorliegen, welche die Gründe, die für ihre Zerstörung an Ort und Stelle sprechen überwiegen, aufgrund der dann zu bevorzugenden Erhaltung dieser Denkmale an Ort und Stelle gegen den Antrag entscheiden können. Die Neufassung der Bestimmungen dieses Absatzes, die hier vorgeschlagen werden, wären also jedenfalls archäologisch-denkmalschützerisch bedeutend vorteilhafter als die bisherige Regelung der Grabungsbewilligungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF und würden auch weit besser als die bisherige Regelung die Bestimmungen der Valletta- (Europarat 1992) und Faro-Konvention (Europarat 2005), erfüllen. Sie wären allerdings mit einer bedeutenden Arbeitsmehrbelastung für die archäologische Fachabteilung des BDA verbunden, die diese nur mit einer Personalaufstockung leisten könnte, und daher nicht gänzlich kostenneutral umzusetzen. Abs. 3 Die hier vorgeschlagene Neufassung des Abs. 3 bestimmt Ausnahmen von den Bewilligungspflichten der Absätze 1 und 2 dieses Paragrafen. Die meisten davon, nämlich die in Z 1, 2 und 3 genannten Ausnahmen, entsprechen bereits in den derzeit geltenden gesetzlichen Bestimmungen des § 11 DMSG igF vorgesehenen Ausnahmen von der Bewilligungspflicht archäologischer Ausgrabungen durch das BDA. Keiner Bewilligung bedürfen gemäß dieser Bestimmungen amtswegige Maßnahmen des BDA (entspricht der derzeit geltenden Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 2 igF); Grabungen, Arbeiten oder sonstige Maßnahmen im Auftrag des Bundesministers für Kultur oder des Landeshauptmanns handelt, die im Rahmen von Berufungsverfahren oder in Wahrnehmung der Aufsichtspflicht (§ 30 Abs. 1) im unbedingt notwendigen Ausmaß (entspricht der derzeit geltenden Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 9 igF) durchgeführt werden; und Grabungen, Arbeiten oder sonstige Maßnahmen zur Beseitigung von das Leben, die Gesundheit oder das Eigentum bedrohenden plötzlich und unerwartet auftauchenden Gefahren (entspricht der derzeit geltenden Ausnahmeregelung in § 11 Abs. 8 igF, sinngemäß ausgeweitet von der Verwendung von Metallsuchgeräten auf alle Maßnahmen, die archäologische Denkmale betreffen könnten, was schon allein deshalb notwendig ist, weil auch noch scharfe Fliegerbomben aus dem 2. Weltkrieg archäologische Denkmale – und übrigens auch im Sinn der Bestimmungen des § 8 Abs. 1 igF Bodendenkmale – sind). Hinzugefügt zu diesen bereits derzeit mehr oder minder ident geltenden Ausnahmebestimmungen zur Bewilligungspflicht archäologischer Maßnahmen wurde eine neue Ausnahmebestimmung, die seit längerem in gleicher Weise durchgeführte Erdarbeiten, die im Rahmen normaler landwirtschaftlicher 383 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG Tätigkeiten liegen, von der Bewilligungspflicht der Abs. 1 und 2 ausnimmt. Derartige Erdarbeiten wie Pflügen, Eggen oder auch Grubbern usw., die zur produktiven landwirtschaftlichen Nutzung der betroffenen Flächen notwendig sind, sind auch dann von der Bewilligungspflicht des Abs. 2 ausgenommen, wenn sie tiefer als 30 cm und auf über einem Quadratmeter Fläche oder in über 1 Kubikmeter Volumen in den Erdboden eingreifen. Dies liegt nicht nur daran, dass die alljährliche Neubewilligung derartiger alltäglicher landwirtschaftlicher Arbeiten praktisch nicht bewältigt werden kann, sondern auch und insbesondere daran, dass, wenn auf den betroffenen Flächen die betreffenden Tätigkeiten in gleicher Weise bereits seit fünf oder mehr Jahren durchgeführt wurden, allfällig durch sie angerichteter Schaden an vorhandenen archäologischen Denkmalen bereits entstanden ist und daher gar nicht mehr verhindert werden kann. Es wäre daher denkmalpflegerisch weitgehend bis vollständig sinnlos, sie einer Bewilligungspflicht zu unterwerfen. Zu bemerken ist allerdings, dass eine neu in Angriff genommene Bearbeitung seit längerem nicht ackerbaulich bewirtschafteter Flächen nicht unter diese Ausnahmeregelung von der Bewilligungspflicht des Art. 2 fällt: ist eine Fläche zum Beispiel seit längerer Zeit nur als Weideland genutzt und nicht regelmäßig umgeackert worden, ist eine neu in Angriff genommene ackerbauliche Bewirtschaftung, bei der mit dem Pflug tiefer als die in Abs. 2 genannte Tiefe in den Boden eingegriffen wird, sehr wohl durch die Bewilligungspflicht des Abs. 2 betroffen. In einem derartigen Fall kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass allfällig auf der Fläche vorhandene archäologische Denkmale bereits durch die langjährige gleichartige Bewirtschaftung soweit beschädigt wurden, dass ein (erstmaliges oder neuerliches) Pflügen des Bodens keinen neuen Schaden an den vorhandenen archäologischen Denkmalen erzeugen würde. Gleichermaßen nicht ausgenommen von der Bewilligungspflicht des Art. 2 sind durch die Bestimmungen des Abs. 3 Z 4 forstwirtschaftliche Maßnahmen, die stärker als das in Abs. 2 Z 1 bzw. 2 genannte Maß in den Waldboden eingreifen; insbesondere nicht die Schlägerung mit modernen Forstmaschinen, die zusätzlich zum Baumschnitt auch gleich den zurückbleibenden Baumstrunk ausreißen. Die dadurch erzeugten Ausrissgruben greifen nahezu regelhaft stärker in den Waldboden ein als das in Abs. 2 Z 1 und 2 definierte, die Bewilligungspflicht von Erdarbeiten auslösende, Maß und bedrohen oftmals ungestörte archäologische Denkmale mit wenigstens maßgeblicher Veränderung, wenn nicht vollständiger Zerstörung (siehe dazu z.B., wenn auch im konkreten Fall Windverbruch geschuldet, http://www.mirror.co.uk/news/world-news/medieval-skeleton-bursts-out-ground6435841 [26.10.2017]). Hinzu kommt, dass heute geschlagene Bäume wenigstens mehrere Jahrzehnte gewachsen sind und daher eine allfällige vorherige Schlägerung in der Regel noch nicht mit schweren Maschinen erfolgt ist, bislang also im Waldboden vorhandene archäologische Denkmale noch nicht oder wenigstens noch nicht im gleichen Ausmaß durch den Ausriss von Baumstrünken gestört wurden, wie dies heute der Fall wäre. Eine Ausnahme derartiger Forstarbeiten aus den Bewilligungsbestimmungen des Abs. 2 scheint also derzeit – wenigstens noch – nicht angebracht. Ebenfalls hinzugefügt wurde eine Ausnahmebestimmung für zu wissenschaftlichen Zwecken durch Personen mit nachgewiesener fachlicher Kompetenz durchgeführte archäologische Ausgrabungen auf nicht gemäß §§ 2a oder 3 geschützten archäologischen Denkmalen, denen zu diesem Zweck vom BDA eine Grabungslizenz erteilt wurde. Die Sinnhaftigkeit einer solchen Grabungslizenz wurde bereits weiter oben ausführlich diskutiert (Seiten 209-226). Die hier vorgeschlagene Ausnahmebestimmung entspricht auch sinngemäß, wenn auch in deutlich veränderter und erweiterter Form, etwa der Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 2 DMSG idF BGBl. 473/1990, die auch Angehörige „der Bundes- und Landesmuseen, der Universitätsinstitute, des Österreichischen archäologischen Institutes und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, die eines der in Abs. 1 umrissenen Studien absolviert haben“ aus der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 idF BGBl. 473/1990 ausgenommen hatte. 384 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Diese Ausnahmeregelung wurde zwar in der Novelle BGBl. I 170/1999 mit der Begründung wieder aufgegeben, dass aus „Gründen der Gleichstellung […] seit dem Beitritt Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften (eigentlich sogar bereits zum EWR) eine völlige Gleichbehandlung von Universitäten anderer EU-Staaten bei Fragen der Erteilung von Grabungsgenehmigungen, der Befreiung von der Notwendigkeit einer persönlichen Grabungsgenehmigung usw. erfolgen [müsse]. Unterschiedliche Voraussetzungen in den verschiedenen EU-Staaten, was die universitäre Ausbildung betrifft, sowie Probleme bei der Lenkung der Grabungen, welche auch zugleich im Interesse Österreichs gelegen sind (beispielsweise vorrangig Rettungsgrabungen)…“ (RV 1999, 55) würden daher die Aufgabe dieser Ausnahmeregelung erforderlich machen. An dieser Stelle völlig beiseite lassend, dass diese Begründung auch bereits, als sie in der RV 1999 angeführt wurde, sachlich gesehen falsch war – in allen anderen EU-Staaten ist die universitäre archäologische Ausbildung auch nicht schlechter (gewesen) als in Österreich und an in anderen europäischen Bundes- und Landesmuseen, Universitäten, nationalen archäologischen Instituten und Akademien der Wissenschaften beschäftigte WissenschafterInnen sind im Durchschnitt ebenso kompetent (gewesen) wie ihre KollegInnen an entsprechenden österreichischen archäologischen Einrichtungen – ist die erforderliche Gleichbehandlung bei dennoch bestehender Kompetenzkontrolle eben auch durchaus auf anderem Weg als einer allgemeinen Unterwerfung auch kompetenter WissenschafterInnen unter eine normalerweise gar nicht notwendige Einzelnachforschungsgenehmigungspflicht erreichbar. Um die tatsächlich wissenschaftliche Erforschung nicht bereits aufgrund der ihnen bereits bekanntermaßen zukommenden besonderen Bedeutung gem. § 2a oder 3 DMSG unter Denkmalschutz gestellten archäologischen Denkmale – die, wie oben gezeigt wurde, letztendlich die einzige Möglichkeit ist, diese dauerhaft oder wenigstens langfristig über ihre letztendlich unvermeidliche Zerstörung in situ hinaus zu erhalten – zu erleichtern, wird daher in der Bestimmung der Z 5 vorgesehen, dass wissenschaftlichen Zwecken dienende Grabungen ausreichend qualifizierter Personen, deren Kompetenz auch vom BDA im Rahmen des Lizenzerteilungsverfahrens geprüft wurde, von der Einzelfallgenehmigungspflicht des § 8 Abs. 2 ausgenommen sind, wenn sie eine aktuell gültige Lizenz gem. § 8 Abs. 3 Z 5 innehaben. Eine solche Lizenz kann ausschließlich an natürliche Personen erteilt werden, die ausreichend kompetent dafür erscheinen, wissenschaftliche Grabungen durchzuführen (bzw. zu leiten) und kann im Fall, dass die Kompetenz des Lizenzwerbers aus konkreten Gründen fragwürdig erscheint (bzw. geworden ist, z.B. durch vergangenes denkmalschutzrechtliches oder wissenschaftliches Fehlverhalten) verweigert oder auch entzogen werden. Sie ist auch spätestens alle zehn Jahre zu erneuern, wobei das BDA gegebenenfalls auch überprüfen kann, ob der Lizenzwerber zwischenzeitlich durch Absolvierung entsprechender Fortbildungen am Stand der wissenschaftlichen Kunst geblieben ist oder auf veralteten, wissenschaftlich nicht länger anerkannten, Methoden beharrt. Die Lizenz kann darüber hinaus mit sachdienlichen Auflagen verbunden sein, z.B. bei noch vergleichsweise wenig erfahrenen Ausgräbern auf die Durchführung bzw. Leitung eher kleinflächiger oder nur wenig tiefgehender archäologischer Grabungen beschränken bzw. gegebenenfalls auch bestimmte Arten von Grabungen, zu denen der Lizenzwerber nicht kompetent erscheint, aus der Lizenz ausschließen, z.B. Unterwassergrabungen bei Personen, die nur für terrestrische und nicht auch für Unterwassergrabungen ausgebildet wurden. Zu beachten ist hier allerdings (insbesondere in Zusammenhang mit dem weiter oben zu Lizenzen Gesagten), dass nicht ein bestimmter Ausbildungsgrad, wie z.B. der Abschluss eines einschlägigen Universitätsstudiums, zur Voraussetzung für die Erteilung einer Grabungslizenz iSd § 8 Abs. 3 Z 5 gemacht wird. Primärer Grund dafür ist, dass – wie bereits oben erwähnt – die tatsächlich für die Durchführung und Leitung von Grabungen erforderliche Ausbildung – die Teilnahme an Lehrgrabungen und gegebenenfalls auch begleitenden Lehrveranstaltungen – selbst in den archäologischen Universitätsstudien, in denen vergleichsweise hoher Wert auf die Ausbildung 385 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG Studierender in Grabungstechnik gelegt wird (und das sind keineswegs alle), niemals mehr als einen kleinen Teil der universitären Ausbildung ausmacht: in der Regel nicht mehr als etwa 200-400 nominelle Stunden theoretische Ausbildung und etwa 160-320 Stunden tatsächliche Feldpraxis. Dieses Ausmaß von Ausbildung in Grabungsmethodik und -technik kann allerdings auch leicht außeruniversitär angeboten werden; und es spricht auch – insbesondere im Sinne der sich aus der Faro-Konvention (Europarat 2005) ergebenden Verpflichtungen – nicht das mindeste dagegen, dass z.B. interessierten Bürgern, die eine vergleichbare – ob nun universitäre oder außeruniversitäre – Ausbildung absolviert haben, ebenfalls eine solche Lizenz erteilt werden könnte; z.B. zur Durchführung kleinerer Forschungsgrabungen im Sinne einer teilweise selbstbestimmten Bürgerarchäologie. Das war nicht nur wenigstens bis in die 1970er auch unter früheren Fassungen des DMSG möglich, es ist auch in vielerlei Hinsicht sinnvoll und entspricht auch dem Gedanken der Förderung der Bürgerwissenschaft. Dabei ist selbstverständlich erforderlich, dass jene BürgerwissenschafterInnen, die eine solche Lizenz erhalten, ihrerseits ausreichend kompetent dafür sind, selbstständig Grabungen durchzuführen; aber dass sie dafür zuerst ein vollständiges Archäologiestudium absolvieren müssen, in dem die Ausbildung in Grabungsmethodik und -technik nicht einmal 10% des gesamten Studieninhalts ausmacht, ist weder sinnvoll noch mit den Erfordernissen des archäologischen Denkmalschutzes verhältnismäßig. Die hier vorgeschlagene Ausnahmeregelung von der Grabungsgenehmigungspflicht des § 8 Abs. 2 für entsprechend kompetente Personen für die Durchführung archäologischer Ausgrabungen zu wissenschaftlichen Zwecken hat zudem auch zusätzliche Vorteile, sowohl für die archäologische Wissenschaft als auch für die (bodenverändernde Maßnahmen planende) Wirtschaft. Es ermöglicht nämlich, im Vorfeld von geplanten Baumaßnahmen noch lange bevor irgendwelche Baubewilligungsanträge gestellt werden, wissenschaftliche Forschungsgrabungen auf von derartigen Baumaßnahmen möglicherweise betroffenen Bodenflächen durchführen zu können, auf denen sich nicht (bereits) aufgrund ihrer besonderen Bedeutung gem. § 2a oder 3 DMSG geschützte archäologische Denkmale, befinden, ohne zuvor eine eigene Einzelfallgenehmigung dafür einholen zu müssen. Bauunternehmen, die sichergehen wollen, dass die Flächen, auf denen sie Baumaßnahmen planen, daher so frühzeitig als möglich – und damit nicht unter „Rettungsgrabungsbedingungen“, sondern eben unter den normalerweise weit denkmalgerechteren Bedingungen einer echten wissenschaftlichen Forschungsgrabung – archäologisch erforscht werden können und somit zum Zeitpunkt der Einreichung eines Baubewilligungsantrags bereits garantiert „archäologiefrei“ sind; bzw. jedenfalls ausreichend frühzeitig geklärt werden konnte, dass an Ort und Stelle tatsächlich derart bedeutende Bodendenkmale vorhanden sind, dass deren Unterschutzstellung gem. § 3 DMSG erforderlich ist. Damit wird der Druck auf beide Seiten maßgeblich reduziert und tatsächlich an Ort und Stelle vorhandene Archäologie kann entweder unter nahoptimalen Bedingungen wissenschaftlich komplett ausgegraben oder aber wenigstens soweit wissenschaftlich erforscht werden, dass ihre allfällige Unterschutzstellung zeitgerecht möglich wird. Abs. 4 Absatz 4 des neu vorgeschlagenen Gesetzeswortlautes bestimmt die Meldepflicht an das BDA von Beginn und Ende von gemäß Abs. 1 oder 2 bewilligten Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen. Dies entspricht im Wesentlichen der Bestimmung des § 11 Abs. 3 DMSG igF, gemäß welcher der Beginn, wenn auch nicht das Ende, der bewilligten Arbeiten dem BDA anzuzeigen war. Die Meldepflicht des Endes der bewilligten Arbeiten erscheint deshalb sinnvoll, weil das BDA Kontrollrechte ausüben kann, solange die bewilligte Maßnahme am Laufen ist. Damit vom BDA keine Kontrollversuche unternommen werden, wenn die Maßnahme bereits zu ihrem Ende genommen ist, ist die Mitteilung des Endes einer Maßnahme ebenfalls sinnvoll und notwendig. 386 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Dokumentations- und Meldepflichten bei der Entdeckung archäologischer Denkmale Zentral für den hier vorgestellten Vorschlag einer grundlegenden Änderung und Anpassung des archäologischen Denkmalschutzes im DMSG sind die von mir als neuer § 9 vorgesehenen Dokumentations- und Meldepflichten, die im Wesentlichen die bisherigen, seit 1990 primär auf „Zufallsfunde“ beschränkten, Meldepflichten des § 8 DMSG igF ablösen bzw. in gewissen Sinn erweitern sollen. Wie bereits oben festgestellt, ist für – insbesondere bis zu ihrer Entdeckung noch unbekannte, aber auch bereits bekannte – archäologische Denkmale aus moderner archäologischer Sicht essentiell, dass sie bei ihrer Entdeckung bzw. Untersuchung sachgerecht dokumentiert und die dadurch aufgezeichneten Informationen der wissenschaftlichen Fachwelt in ihrer Gesamtheit, idealerweise im Wege eines staatlichen Zentralarchivs für archäologische Informationen, zur Verfügung gestellt werden, während die physische Erhaltung der archäologischen Denkmale in situ – vor allem wenn sie für den Durchschnittsbürger gar nicht sinnlich wahrnehmbar unter der Erdoberfläche bzw. dem Grund unter Wasser verborgen liegen – eigentlich sekundär (wenn auch, wo das tatsächlich möglich ist, wünschenswert) ist. Insbesondere für noch völlig unbekannte, aber – wenn sie durch invasive archäologische Maßnahmen untersucht oder durch sonstige Erdarbeiten in situ zerstört werden sollen – auch für bekannte archäologische Denkmale, ist letztendlich, wie oben (Seiten 166-182) gezeigt wurde, die Erhaltung durch Dokumentation nahezu immer die zu bevorzugende denkmalpflegerische Schutzmaßnahme. Denn nur durch sie kann sichergestellt werden, dass wenigstens jene Informationen, die man mit den Methoden des Zeitpunkts ihrer Untersuchung und Dokumentation aufzeichnen kann, dauerhaft oder wenigstens über ihre jedenfalls wenigstens langfristig gesehen unvermeidliche Zerstörung in situ, erhalten werden kann. Für eine wirklich moderne, langfristig nachhaltige, archäologische Denkmalpflege ist es also von absolut zentraler Bedeutung, dass die denkmalschutzgesetzlichen Regelungen, auf denen sie aufbaut, möglichst dafür sorgen, dass bei der Entdeckung bzw. Untersuchung bzw. bevorstehenden oder stattfindenden Zerstörung bzw. Veränderung archäologischer Denkmale so viele archäologisch derzeit als relevant betrachtete Informationen in so hochwertiger Qualität als sinnvoll möglich tatsächlich dokumentiert und die angefertigten Dokumentationsunterlagen für die zukünftige Verwendung durch die archäologische Wissenschaft so dauerhaft und sicher wie möglich archiviert werden. Die hier vorgeschlagenen Regelungen zu Dokumentations- und Meldepflichten bei der Entdeckung und Untersuchung archäologischer Denkmale versuchen dieser Notwendigkeit so gut als möglich gerecht zu werden, indem sie dem schon oben (Seiten 200-201) beschriebenen Muster folgen: es werden nach Eingriffsstärke in den Boden gestaffelte Mindestdokumentationsstandards vorgesehen, deren Einhaltung zur Motivation ihrer Finder mit den oben beschriebenen verhaltenssteuernden Eigentumsregelungen verknüpft werden. Zusätzlich werden Verpflichtungen für das BDA bezüglich der zeitgemäßen Archivierung und öffentlichen Zugänglichmachung der ihm in seiner hier vorgesehen Funktion als archäologisches Dokumentationszentralarchiv jedenfalls zu übermittelnden archäologischen Dokumentationsunterlagen vorgeschlagen. Im Folgenden wird neuerlich zuerst der Vorschlag für den neuen Gesetzeswortlaut gemacht und in der Folge genauer erläutert. § 9 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut „§ 9. (1) Werden archäologische Denkmale entdeckt, hat der Entdecker eine sachgemäße Dokumentation des Denkmals und seiner Fundumstände anzufertigen bzw. von entsprechend qualifizierten Personen anfertigen zu lassen. Diese Dokumentation hat wenigstens in einer Qualität entsprechend durch Verordnung des Bundesministers für [Name des zuständigen Ministeriums] 387 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG bestimmter Vorgaben (Mindeststandards) zu erfolgen und ist binnen angemessener Frist (Abs. 2) vom Entdecker oder den von ihm damit beauftragten Personen im Original oder originalidenter Kopie digital an das Bundesdenkmalamt zur Kenntnis und Archivierung zu übermitteln. (1a) (Übergangsbestimmung) Funde beweglicher archäologischer Denkmale, die vor der oder zur Zeit der Gültigkeit der zuvor geltenden Bestimmungen des § 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923, BGBl. 167/1978 und BGBl. 473/1990 oder § 8 Abs. 1 DMSG idF BGBl. I 170/1999 gemacht und, aus welchen Gründen auch immer, noch nicht nachweislich dem Bundesdenkmalamt in einer Weise gemeldet wurden, die ihre eindeutige Identifikation erlaubt, sind bis spätestens [Ende der Übergangsfrist] von ihrem derzeitigen Eigentümer bzw. Besitzer dem Bundesdenkmalamt in einer Weise anzuzeigen, die eine eindeutige Identifikation aller dabei angezeigten archäologischen Denkmale (z.B. durch aussagekräftige Fotografien, die der Anzeige beizufügen sind) ermöglicht, sofern dieser derzeitige Besitzer nicht das Bundesdenkmalamt, ein öffentliches Museum einer der Gebietskörperschaften, ein Universitätsinstitut, das österreichische Archäologische Institut oder die Österreichische Akademie der Wissenschaften ist. Soweit bezüglich solcher archäologischen Denkmale irgendwelche Dokumentationsunterlagen der Fundumstände bzw. des Fundortes verfügbar sind, sind diese dem Bundesdenkmalamt ebenfalls gemeinsam mit der Nachmeldung im Original oder originalgetreuer Kopie zu übermitteln. Liegen keine derartigen Dokumentationsunterlagen mehr vor und ist der Fundort des jeweiligen Denkmales nicht mehr bekannt, ist dies in der Nachmeldung zu vermerken und statt eines Fundortes der derzeitige Aufbewahrungsort des Denkmales anzugeben. Von einer Strafverfolgung des Meldenden wegen Verletzung der jeweils zur Zeit des Fundereignisses geltenden Fundmelde- und Grabungsbewilligungsbestimmungen, sofern diese Verletzung nicht ohnehin bereits verjährt ist, ist in allen Fällen abzusehen, in denen die Nachmeldung entsprechend dieser Übergangsbestimmung nicht vorsätzlich unrichtig erfolgt ist. (2) Spezifische Vorgaben zur sachgemäßen Dokumentation neu entdeckter archäologischer Denkmale sind vom Bundesminister für [Name des zuständigen Ministeriums] durch Verordnung zu erlassen. Dabei sind, soweit dies wissenschaftlich notwendig und sinnvoll ist, unterschiedliche Vorgaben zu erlassen für 1. Funde archäologischer Denkmale, die lediglich durch Ereignisse wie Regen, Pflügen, Erosion oder dergleichen zufällig teilweise oder vollständig an die Erdoberfläche oder auf den Grund unter Wasser gelangten („Oberflächenfunde“), die als unbewegliche archäologische Denkmale einen Teil der Erdoberfläche bilden („Bodenmerkmale“; z.B. Grabhügel, Erdwallanlagen, Hohlwege etc.) oder über diese bzw. den Grund unter Wasser hinausragen („Ruinen“) oder ohne im Verborgenen gelegen zu haben über der Erdoberfläche bzw. dem Grund unter Wasser entdeckt wurden („Überbodenfunde“; z.B. in einem Vogelnest aufgefundene bewegliche archäologische Denkmale). Von diesen ist wenigstens ein Foto der Fundstelle in ihrem weiteren landschaftlichen Kontext und ein möglichst aussagekräftiges Foto des Denkmales selbst (bei beweglichen Denkmalen idealerweise in Fundlage) anzufertigen und möglichst genaue topografische Koordinaten aufzuzeichnen. Die angefertigte Dokumentation ist binnen 14 Tagen digital dem Bundesdenkmalamt zu übermitteln, sofern sie nicht als Teil eines umfangreicheren systematischen Forschungs- oder Landesaufnahmeprojektes erzeugt wurde, in welchem Fall die in Abs. 2 Z 4 genannten Fristen zur Anwendung kommen. 2. Funde beweglicher und unbeweglicher archäologischer Denkmale, die sich vor ihrer Entdeckung im stark durch moderne Störungen veränderten Oberboden befunden haben („Oberbodenfunde“ und „Oberbodenbefunde“) oder in über die Erdoberfläche bzw. den Grund über Wasser hinausragenden Denkmalen verborgen waren („Versteckfunde“). Von diesen sind wenigstens ein Foto der Fundstelle in ihrem weiteren landschaftlichen Kontext und 388 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? aussagekräftige Fotos im Freilegungszustand in Fundlage, eine schriftliche Beschreibung der Fundumstände sowie möglichst genaue topografische Koordinaten aufzuzeichnen. Die angefertigte Dokumentation ist binnen 14 Tagen digital dem Bundesdenkmalamt zu übermitteln, sofern sie nicht als Teil eines umfangreicheren systematischen Forschungs- oder Landesaufnahmeprojektes erzeugt wurde, in welchem Fall die in Abs. 2 Z 4 genannten Fristen zur Anwendung kommen. 3. Funde beweglicher und unbeweglicher archäologischer Denkmale, unabhängig davon ob sie zufällig oder vorsätzlich entdeckt wurden, die sich vor ihrer Entdeckung in durch moderne Einflüsse weitgehend ungestörten tieferliegenden Bodenschichten befunden haben („Bodenfunde“ und „Bodenbefunde“). Diese sind entsprechend allgemeiner archäologischer Grabungsstandards zu dokumentieren. Die angefertigte Grabungsdokumentation ist binnen 6 Monaten ab ihrer Anfertigung gemeinsam mit einem aussagekräftigen Grabungsbericht digital dem Bundesdenkmalamt zu übermitteln, sofern sie nicht als Teil eines umfangreicheren systematischen Forschungs- oder Landesaufnahmeprojektes erzeugt wurde, in welchem Fall die in Abs. 2 Z 4 genannten Fristen zur Anwendung kommen. 4. Funde bei umfangreicheren systematischen Forschungs- oder Landesaufnahmeprojekten mit voraussichtlicher Dauer der Feldarbeiten von wenigstens 6 Monaten. Diese sind wenigstens gemäß den ihrer in Abs. 2 Z 1-3 bestimmten Art entsprechenden Standards zu dokumentieren. Die angefertigte Dokumentation ist binnen 6 Monate nach Ende der Feldarbeit gemeinsam mit einem aussagekräftigen Bericht, bei über ein Jahr dauernden, fortlaufenden Forschungs- oder Landesaufnahmeprojekten zusätzlich in Form eines Zwischenberichts einmal pro Jahr, spätestens 6 Monate nach Ende des Kalenderjahres, in dem sie erzeugt wurden, digital dem Bundesdenkmalamt zu übermitteln. (3) Das Bundesdenkmalamt hat sämtliche eingehenden Dokumentationen sachgerecht dauerhaft digital zu archivieren und das damit erzeugte Dokumentationsarchiv zu wissenschaftlichen Zwecken allgemein zugänglich zu machen. Innerhalb eines Kalenderjahres eingegangene Fundmeldungen, Grabungs- und sonstige Forschungsberichte sind, soweit sie wissenschaftlich relevant sind, im Rahmen einer jährlichen Open Access-Online Publikation als übersichtliche Gesamtdokumentation zusammenzufassen. Die Zeit bis zum Erscheinen dieser Publikation soll 2 Kalenderjahre ab Ende des dokumentierten Jahres nicht überschreiten. (4) Bei Vorliegen gewichtiger (z.B. wissenschaftlicher, wirtschaftlicher oder datenschutzrechtlicher usw.) Gründe, die das öffentliche Interesse an der öffentlichen Zugänglichkeit von Dokumentationsunterlagen überwiegen und die eine Geheimhaltung beim Bundesdenkmalamt archivierter Dokumentationsunterlagen erforderlich erscheinen lassen, kann das Bundesdenkmalamt amtswegig oder auf Antrag einer dazu berechtigten Partei (z.B. Eigentümer, Auftraggeber der Dokumentation, Entdecker von Funden oder Fundstellen usw.) entgegen der Bestimmungen des Abs. 3 den öffentlichen Zugang zu Teilen der oder zu allen ihm vorliegenden Dokumentationsunterlagen über einzelne oder miteinander in Zusammenhang stehende archäologische Denkmale auf eine Dauer von bis zu 5 Jahren beschränken oder verweigern. Diese Geheimhaltungsfrist ist amtswegig oder auf Antrag berechtigter Parteien in Intervallen von bis zu jeweils maximal 5 Jahren verlängerbar, so lange die Geheimhaltungsgründe weiterhin vorliegen. Archäologische Denkmale, die entsprechend der Bestimmungen dieses Absatzes der Geheimhaltung unterliegen, sind in geeigneter Weise im öffentlich zugänglichen Archiv und den in Abs. 3 genannten jährlichen Open Access-Online Publikationen des BDA auszuweisen (z.B. durch einen kurzen Hinweis in welchem Bezirk oder welchen Bezirken sich wie viele archäologische Denkmale bzw. Fundstellen welcher Zeitstellung befinden, zu denen der Geheimhaltung unterliegende Dokumentationen dem Bundesdenkmalamt vorliegen). 389 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG (5) Unabhängig von allen anderen rechtlichen Folgen gelten die Bestimmungen dieses Paragrafen auch für jene Funde beweglicher und unbeweglicher archäologischer Denkmale, die unter Nichtbeachtung der Bewilligungspflichtsbestimmungen (§§ 5, 8) dieses Gesetzes gemacht wurden oder keiner gesetzlichen Bewilligungspflicht unterlagen.“ Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 9 DMSG Die hier vorgeschlagene Neufassung des § 9 DMSG vollzieht, nicht anders als die oben vorgeschlagene Neufassung des § 8, eine fundamentale und bedeutende Wende weg von einem archäologischen Denkmalschutz, der davon ausgeht, dass die archäologische Dokumentationsarbeit im Feld in erster Linie durch eine staatliche Zentralstelle, das BDA, erledigt wird, hin zu einem archäologischen Denkmalschutz, der davon ausgeht, dass die archäologische Dokumentationsarbeit im Feld in erster Linie von diversen privaten Akteuren, seien es archäologieinteressierte Laien oder professionelle Archäologen, die für private Archäologieunternehmen oder andere Organisationen arbeiten oder auch selbstständig beschäftigt sind, durchgeführt wird, und bei der der staatlichen Denkmalschutzbehörde nur eine Archiv- und Kontrollfunkton zukommt. Dies entspricht auch der bereits derzeit gegebenen Realität in der archäologischen Denkmalpflege in Österreich und stellt somit eine wichtige Anpassung an derzeit real gegebene Verhältnisse dar. Die hier vorgeschlagene Neufassung des § 9 ersetzt und erweitert die Bestimmungen des derzeit geltenden § 8 DMSG zur Meldepflicht von „Bodendenkmalen“. Der tatsächlich bereits gegebenen Realität, dass die überwältigende Mehrheit aller derzeit in Österreich angefertigten archäologischen Dokumentationen nicht durch das BDA, sondern durch archäologische Privatunternehmen oder andere Organisationen oder Personen angefertigt werden, und dass die überwältigende Mehrheit aller archäologischen Denkmale, die in Österreich derzeit alljährlich archäologisch dokumentiert werden nicht aus „Zufallsfunden“ resultiert, sondern aus systematischen archäologischen Ausgrabungen und anderen (mehr oder minder systematischen archäologischen) Feldforschungen stammen, wird durch die Einführung einer allgemeinen Dokumentationspflicht für neu entdeckte archäologische Denkmale Rechnung getragen und vorgesehen, dass die gesamte angefertigte Dokumentation dem BDA in Original oder originalidenter Kopie zur Verfügung gestellt werden muss. Dadurch wird das bisher bestehende Problem, dass die Dokumentation archäologischer Denkmale, abgesehen von dem gemäß § 11 Abs. 6 DMSG igF beim BDA in regelmäßigen Abständen zu übermittelnden aussagekräftigen Grabungsbericht, vollständig im Eigentum des Auftraggebers der oder die archäologische Dokumentation anfertigenden Person verbleibt und daher – spätestens nach Abgabe des verpflichtenden Grabungsberichts – vernichtet werden kann, gelöst. Gleichzeitig werden bestehende Langzeit-Archivierungsprobleme in Bezug auf diese Dokumentation, z.B. im Fall des Scheiterns einer Grabungsfirma oder auch nur im Fall, dass diese eine regelmäßige Anpassung ihrer archivierten Datenfiles an neue Speicherformate unterlässt, dadurch gelöst, dass die Langzeitarchivierung der angefertigten Dokumentationen dem BDA als Zentralarchiv für archäologische Informationen in Österreich übertragen wird. Gleichzeitig ermöglicht und erfordert die gewählte Regelung die Einführung von Mindeststandards für archäologische Dokumentationen, die verbindliche Geltung haben und damit einen maßgeblichen Beitrag zur archäologischen Qualitätssicherung und Datenvergleichbarkeit leisten. Dies trägt ebenfalls maßgeblich zum Erreichen zahlreicher in der Valletta-Konvention (Europarat 1992) definierter Ziele und Verpflichtungen bei, insbesondere der der Art. 7 und 8 Z ii dieses Übereinkommens. Abs. 1 Der neu vorgeschlagene Abs. 1 bestimmt die Pflicht des Entdeckers eines archäologischen Denkmales, eine sachgemäße Dokumentation seiner Entdeckung anzufertigen oder – z.B. falls er selbst dazu nicht ausreichend kompetent ist – eine zur Anfertigung einer solchen Dokumentation ausreichend 390 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? kompetente Person damit zu beauftragen. Die Qualität der angefertigten Dokumentation hat dabei wenigstens den in einer Verordnung des zuständigen Bundesministers näher zu bestimmenden Mindeststandards zu entsprechen. Die Dokumentation ist anschließend an ihre Erzeugung binnen einer in Abs. 2 näher definierten Frist im Original oder originalidenter Kopie elektronisch dem BDA zu übermitteln. Durch die Verpflichtung zur Übermittlung der Dokumentation an das BDA wird die bisher vorgesehene Meldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG igF ungebrochen weitergeführt. Die Einführung einer den Entdecker treffenden Dokumentationspflicht entsprechend verbindlich vorgegebener Standards soll, insbesondere mit den Bestimmungen des neuen gefassten § 10 Abs. 2 und 3, eine Verhaltenssteuerwirkung erzielen, die Finder von archäologischen Denkmalen, ob sie diese nun zufällig oder vorsätzlich gefunden haben, zu deren sachgerechten Dokumentation anhalten soll, wie bereits weiter oben genauer erläutert wurde. Diese Dokumentation, nicht die bloße Kenntnis von der Existenz eines neu entdeckten archäologischen Denkmales, die durch die derzeit geltende Meldepflicht des § 8 Abs. 1 igF zu erreichen versucht wird, ist nämlich das, was die Entdeckung eines archäologischen Fundes überhaupt erst bedeutend macht. Wird eine sachgerechte Dokumentation archäologischer Funde erreicht und wird diese auch für die archäologische Wissenschaft verfügbar, ist es gleichgültig, von wem diese Dokumentation angefertigt wurde und weshalb das archäologische Denkmal, das sachgerecht dokumentiert wurde, entdeckt wurde. Dadurch, dass nicht nur eine Meldepflicht von Zufallsfunden, sondern eine Dokumentationspflicht aller Funde archäologischer Denkmale, unabhängig davon von wem sie aus welchen Gründen entdeckt wurden, eingeführt wird, geht die hier vorgeschlagene Regelung also weit über die derzeit bestehende Meldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG hinaus. Damit diese Verpflichtung nicht zufällige Finder von archäologischen Denkmalen unmäßig belastet oder durch eine Verpflichtung, die sie nicht erfüllen können, weil sie nicht die dazu notwendige Kompetenz haben, überlasten, sind die in der Folge erläuterten Bestimmungen des Abs. 2 notwendig. Abs. 1a (Übergangsbestimmung) Um eine möglichst vollständige Nachmeldung aller bereits vor Inkrafttreten der hier vorgeschlagenen Bestimmungen entdeckten Funde zu ermöglichen, wird in der Übergangsbestimmung des Abs. 1a vorgesehen, dass Nachmeldungen von Funden, deren Meldung bislang aus welchen Gründen auch immer unterlassen wurde, soweit die betreffenden Handlungen noch nicht verjährt sind mit strafbefreiender Wirkung, von ihrem derzeitigen Eigentümer bzw. Besitzer bis zum Ende einer genauer zu bestimmenden gesetzlichen Übergangsfrist (z.B. ca. 5 Jahre ab Inkrafttreten der hier vorgeschlagenen neuen Bestimmungen) dem BDA zu übermitteln sind. Bei einer derartigen Nachmeldung sind die nachgemeldeten Denkmale möglichst so zu dokumentieren (z.B. durch aussagekräftige Fotos), dass sie eindeutig identifizierbar sind, allfällig noch vorhandene Unterlagen, die ihren Fundort und ihre Fundumstände dokumentieren, der Meldung anzuschließen oder, wenn keine solchen Unterlagen mehr vorliegen und der Fundort des betreffenden Denkmals inzwischen in Vergessenheit geraten ist, dies entsprechend in der Meldung zu vermerken und stattdessen der derzeitige Aufbewahrungsort des Denkmals anzugeben (der damit zum mittelbaren Fundort des Denkmals wird). Ziel dieser Generalamnestie ist es, in Verbindung mit der zugehörigen Übergangsbestimmung des weiter unten neu vorgeschlagenen § 10 Abs. 2a Eigentümer bzw. Besitzer archäologischer Denkmale dazu zu motivieren, in ihrem Besitz befindliche archäologische Denkmale in ein soweit als möglich vollständiges Inventar aller bis zum Ende der gesetzlichen Übergangsfrist in Österreich bekannten archäologischen Denkmale einzutragen und damit die Eintragung eines Denkmals in diesem Inventar zu einem rechtmäßigen Eigentumserwerbs- und Herkunftsnachweis zu machen. Damit kann dann in weiterer Folge die unten vorgeschlagene neue Bestimmung des § 10 Abs. 3, dass alle nicht 391 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG gesetzeskonform dokumentierten und gemeldeten archäologischen Denkmale in das Eigentum der Republik Österreich übergehen, für alle nicht in dieses Inventar eingetragenen archäologischen Denkmale angewendet werden und somit allgemein greifen. Das Zusammenspiel der hier neu vorgeschlagenen Bestimmungen der §§ 9 Abs. 1, 1a und 2 und 10 Abs. 1, 2, 2a und 3 zielt darauf ab, die größtmögliche verhaltenssteuernde Wirkung zur sachgerechten Dokumentation und Meldung an das Bundesdenkmalamt aller archäologischen Denkmale zu erzielen und, spätestens ab Ende der Übergangsfrist dieses Absatzes, das gesetzeskonforme und denkmalschützerisch erwünschte Verhalten konsistent durch den rechtmäßigen Eigentumserwerb des Finders bzw. Grundeigentümers an entdeckten archäologischen Denkmalen zu belohnen und die Unterlassung dieses erwünschten Verhaltens ebenso konsistent durch Verlust jedweder Eigentumsansprüche zu bestrafen. Damit das auch wirklich konsistent möglich ist, muss aber Findern von archäologischen Denkmalen die Möglichkeit genommen werden, im Fall, dass bei ihnen archäologische Denkmale entdeckt werden, die nicht sachgerecht dokumentiert und gemeldet wurden, zu behaupten, dass sie diese Denkmale vor Inkrafttreten der hier vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung gefunden hätten und diese daher der „neuen“ gesetzlichen Dokumentationsund Meldepflicht gar nicht unterliegen würden, oder sie diese von ihrem Vater, Großvater, Urgroßvater usw. geerbt hätten und diese daher gar nicht melden mussten. Die hier vorgeschlagene Übergangsbestimmung ermöglicht es den derzeitigen Eigentümern bzw. Besitzern archäologischer Denkmale, alle archäologischen Denkmale, die sich derzeit in ihrem Besitz befinden, straffrei dem BDA zu melden, selbst wenn sie diese Funde ursprünglich widerrechtlich erworben haben, und dadurch iVm den unten neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 10 Abs. 2a das alleinige Eigentum an diesen Funden zu erwerben. Jeder Eigentümer bzw. Besitzer noch nicht im rechtmäßigen Eigentum Dritter stehender archäologischer Denkmale, der diese auch tatsächlich dauerhaft seinem Eigentum einverleiben möchte, kann dies also durch die den hier vorgeschlagenen Bestimmungen entsprechende „Nachmeldung“ aller sich derzeit in seinem Besitz befindlichen archäologischen Denkmale erreichen, muss dies dafür aber auch tun, wenn er sich nicht der Gefahr aussetzen will, durch die unterlassene Nachmeldung nach Ende der hier gesetzlich vorgesehenen Übergangsfrist gemäß dem unten neu vorgeschlagenen § 10 Abs. 3 jedweden Eigentumsanspruch an diesen Denkmalen an die Republik Österreich zu verlieren. Damit wird sozusagen „reiner Tisch“ geschaffen: alles, was schon früher dem BDA in einer Weise gemeldet wurde, dass es eindeutig identifizierbar ist, gehört bereits eindeutig jemandem; alles, was bis zum Ende der hier gesetzlichen Übergangsfrist dem BDA ebenso „nachgemeldet“ wurde, dass es eindeutig identifizierbar ist, gehört dann eindeutig dem, der die Nachmeldung vorgenommen hat; alles, was legal neu gefunden und ordnungsgemäß dokumentiert wird, gehört dann eindeutig jenen, die in den unten neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 10 Abs. 1 und 2 bestimmt werden; und alles andere gehört ebenso eindeutig der Republik Österreich. „Ausreden“ sind dann in Hinkunft nicht mehr möglich und jedes archäologische Denkmal, das nicht einen dieser Herkunftsnachweise aufweist, wird automatisch Eigentum des Staates. Abs. 2 In diesem Absatz werden etwas genauere Vorgaben für die vom zuständigen Bundesminister zu erlassende Verordnung zur Dokumentationspflicht neu entdeckter archäologischer Denkmale gemacht. Dabei ist die wichtigste und hauptsächliche Vorgabe für diese Verordnung die, dass – soweit dies wissenschaftlich notwendig und sinnvoll ist – unterschiedliche Vorgaben für die Dokumentation unterschiedlicher Arten archäologischer Denkmale zu machen sind, die auch mit unterschiedlich langen bzw. kurzen Dokumentationsabgabe- bzw. -meldefristen verbunden sind. 392 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Die erste, in Z 1 ausgewiesene, Art archäologischer Denkmale, für deren Dokumentation jedenfalls per Verordnung konkretere Vorgaben zu erlassen sind, sind solche archäologischen Funde, die in der überwiegenden Anzahl der Fälle die Art von Funden sind, die auch unter den heutigen Bedingungen tatsächlich noch als „Zufallsfunde“ gemacht werden. Dazu gehört zuerst die große Gruppe der sogenannten „Oberflächenfunde“, also jene in der Regel beweglichen archäologischen Denkmale, die durch Ereignisse wie Regen, Pflügen, Erosion oder dergleichen zufällig teilweise oder vollständig an die Erdoberfläche oder auf den Grund unter Wasser gelangt sind, die, soweit es sich dabei um Funde auf der Erdoberfläche handelt, gelegentlich auch tatsächlich rein zufällig von Laien, z.B. beim Spazierengehen oder Wandern bzw. am Grund unter Wasser von Tauchern, entdeckt werden. Ebenfalls dazu gehört die kleinere, aber dennoch nicht gänzlich unbedeutende, Gruppe der unbeweglichen archäologischen Denkmale, die sich entweder als mehr oder minder deutliche „Bodenmerkmale“, also z.B. leichte, annähernd kreisrunde Hügel, die auf Grund ihrer Form als mutmaßliche (prä-) historische Grabhügel interpretiert werden können, Erdwallanlagen oder Hohlwege erkennbar abzeichnen, oder die z.B. als Reste ehemaligen Mauerwerks oder anderer Bauelemente wie Holzpfähle von Pfahlbauten, Stegen, Brücken usw. oder Schiffs- bzw. Bootwracks über die Erdoberfläche bzw. den Grund unter Wasser hinausragen, die hier als „Ruinen“ bezeichnet werden. Auch derartige, zuvor noch unbekannte, unbewegliche archäologische Denkmale werden noch heute, wenn auch aufgrund des über mehrere Jahrhunderte angewachsenen Kenntnisstandes über oberflächlich erkennbare archäologische Denkmale weit seltener als die zuerst genannten „Oberflächenfunde“, zufällig von Spaziergängern, Wanderern, Tauchern oder anderen sich in freier Natur bewegenden Menschen zufällig neu entdeckt. Und schließlich, als kleinste Gruppe, gehören dazu bewegliche archäologische Denkmale die über der Erdoberfläche bzw. dem Grund unter Wasser entdeckt werden, die hier als „Überbodenfunde“ bezeichnet werden. Derartige Funde sind auf trockenem Boden über der Erdoberfläche ausnehmend selten und sind, wenn sie doch auftreten, gewöhnlich ursprünglich „Oberflächenfunde“ gewesen, die durch Tiere oder seltener Menschen vertragen wurden, wie z.B. von einem Vogel in sein Vogelnest. Unter der Wasseroberfläche kommen solche „Überbodenfunde“, also bewegliche archäologische Denkmale, die sich niemals unter oder auch nur auf dem Grund unter Wasser befunden haben, hingegen deutlich häufiger vor, z.B. auf und in Schiffswracks, wo sie von Tauchern zufällig entdeckt werden können. Nachdem diese Funde gewöhnlich (ob nun zufällig oder vorsätzlich) von nicht archäologisch vorgebildeten Bürgern gemacht werden und sich auch (mit Ausnahme der beweglichen archäologischen Gegenstände auf Schiffswracks unter Wasser) in der Regel nicht mehr in einer weitgehend ungestörten Fundlage befinden, sondern eben in der überwiegenden Mehrheit der Fälle durch Ereignisse der jüngeren und jüngsten Vergangenheit verlagert und oft auch teilweise zerstört wurden, ist es jenen, die diese Gegenstände am ehesten finden, weder zumutbar noch aus archäologisch-fachlicher Sicht sinnvoll, besonders genaue Dokumentationsvorgaben zu erlassen. Vielmehr genügt es in Fällen solcher Funde in der Regel völlig, ein aussagekräftiges Foto des betreffenden Gegenstandes, bei beweglichen Denkmalen idealerweise in Fundlage, anzufertigen und möglichst genaue topografische Koordinaten des Fundorts aufzuzeichnen und dies als Dokumentation an das BDA zu übermitteln. Die Aufzeichnung dieser Dokumentationsunterlagen ist auch heute, da die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung moderne Mobiltelefone mit sich trägt, die sowohl über eine eingebaute Digitalkamera als auch eine GPS-Lokalisierungsfunktion verfügen, dem durchschnittlichen Staatsbürger, der zufällig ein archäologisches Denkmal entdeckt, zumutbar, ebenso wie man die notwendige Kompetenz dazu von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung durchaus erwarten kann. Nötigenfalls könnte das BDA sogar die Entwicklung einer „Funddokumentationsapplikation“ für 393 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG moderne Mobiltelefonbetriebssysteme in Auftrag geben, mittels derer sich die Fotografie anfertigen, die GPS-Koordinaten der Fundstelle automatisch aufzeichnen und die Dokumentation durch eine einfache Sendefunktion direkt und praktisch sofort an das BDA weiterleiten lässt; damit vergleichbare Systeme sind z.B. in Wales im Vereinigten Königreich bereits seit mehreren Jahren (siehe http://www.cofiadurcahcymru.org.uk/arch/archwilio_pages/english/app.html [26.10.2017]) und seit Kurzem auch in Dänemark erfolgreich in Betrieb. Die Dokumentationspflicht solcher Funde entspricht also im hier vorgeschlagenen Gesetzestext im Großen und Ganzen der bisherigen Meldepflicht für „Zufallsfunde“ des § 8 DMSG igF, nur an moderne Verhältnisse und Möglichkeiten angepasst. Nicht anders als bisher, ist die „Meldung“ eines echten Zufallsfundes leicht möglich und mit nur geringem Aufwand verbunden und die Dokumentationspflicht so gering, dass jedem Zufallsfinder auch die Kompetenz zur Anfertigung der notwendigen Dokumentation zugetraut werden kann. Die wesentlichsten Unterschiede zur bisherigen Meldepflicht sind, dass von Findern neben der Meldung des Fundortes auch die Anfertigung einer digitalen Fotografie erwartet wird und dass die Meldefrist im Gegensatz zur bisherigen Regelung, die die Abgabe einer Fundmeldung binnen eines Werktages ab der Auffindung des Gegenstandes vorgeschrieben hat, auf 14 Tage ab Auffindung des Gegenstandes ausgedehnt wurde. Die Ausdehnung der Meldefrist auf 14 Tage gegenüber der bisherigen Frist von einem Werktag des § 8 Abs. 1 DMSG igF erscheint angebracht, weil diese Frist deutlich praktikabler ist und die Notwendigkeit der unmittelbaren Meldung unter den Bestimmungen der hier vorgeschlagenen Neufassung der archäologischen Paragrafen des DMSG nicht mehr notwendig erscheint. Wie bereits ausgeführt, ging das DMSG bisher – und inzwischen fälschlicherweise – davon aus, dass die meisten archäologischen Denkmale zufällig im Rahmen von Bauarbeiten entdeckt werden, die keiner Bewilligung durch das BDA bedürfen und die nicht systematisch archäologisch begleitet werden, und davon, dass das BDA die meisten archäologischen Dokumentations- bzw. „Rettungsmaßnahmen“ im Feld selbst durchführt. Unter diesen bisher geltenden gesetzlichen Voraussetzungen war es also, wenn ein archäologisches Denkmal wie vom Gesetzgeber angenommen „zufällig“ bei Bauarbeiten entdeckt wurde, notwendig, dass das BDA gem. § 8 Abs. 1 DMSG igF möglichst rasch informiert wurde und möglichst rasch notwendige „Rettungsmaßnahmen“ vornehmen konnte, bevor die in § 9 Abs. 1 DMSG igF geltende Frist von fünf Werktagen, für die die Fundstelle unter der derzeit geltenden Gesetzeslage unverändert belassen werden muss, auslief. Unter den in diesem Entwurf neu vorgeschlagenen Bestimmungen der §§ 8 und 9 DMSG, unter denen vom BDA nicht bewilligte und archäologisch nicht überwachte Bauarbeiten nicht mehr vorkommen sollten, fällt also der Zeitdruck, dass das BDA rasch von Zufallsfunden auf Baustellen erfahren muss, damit es zeitgerecht Rettungsmaßnahmen durchführen kann, weitestgehend weg, weil die meisten Baustellen ohnehin entsprechend archäologisch voruntersucht und Bauarbeiten, wo notwendig, archäologisch begleitet werden sollten. Sollte aber dennoch wider Erwarten und entgegen derzeitiger Wahrscheinlichkeiten bei Bauarbeiten, vor denen archäologische Voruntersuchungen auf der geplanten Baustelle darauf hingewiesen haben, dass keine archäologischen Denkmale zu erwarten sind, bedeutendere archäologische Denkmale auftreten, bewirkt überdies die Dokumentationspflicht der Z 3 und 4 (siehe weiter unten), dass der Entdecker zu einer sachgemäßen archäologischen Dokumentation dieser zufällig entdeckten Denkmale verpflichtet ist. Selbst im Fall eines solchen „Zufallsfundes“ bei archäologisch unbegleiteten Bauarbeiten gibt es also keine Notwendigkeit, das BDA unmittelbar zu informieren, damit es entsprechende „Rettungsmaßnahmen“ an Ort und Stelle binnen einer bestimmten Frist durchführen kann, sondern der Entdecker – im Fall einer Baustelle die Bauarbeiten durchführende Baufirma – hat selbst für die sachgerechte Dokumentation dieser archäologischen Denkmale zu sorgen, was er – vorausgesetzt er hat die ausreichende Kompetenz dazu 394 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? – entweder selbst durchführen oder womit er ein archäologisches Dienstleistungsunternehmen beauftragen kann, damit dieses die notwendige Dokumentation so rasch als möglich vornimmt. Eine kurze gesetzliche Meldefrist an das BDA für „Zufallsfunde“ ist daher unter den hier neu vorgeschlagenen Bestimmungen nicht mehr nötig, sondern man kann den Findern von Zufallsfunden, insbesondere von Zufallsfunden der Art, die unter die Bestimmungen des Abs. 2 Z 1 fallen, eine längere Frist zur Meldung des Fundes und zur Übermittlung der Dokumentation einräumen. Die zweite, in Z 2 ausgewiesene, Art archäologischer Denkmale, für deren Dokumentation jedenfalls per Verordnung konkretere Vorgaben zu erlassen sind, sind solche archäologischen Denkmale, die nur durch Veränderungen der Erdoberfläche oder des Grundes unter Wasser oder über den Boden hinausragender Denkmale entdeckt werden können. Dazu gehören die sogenannten „Oberbodenfunde“, d.h. bewegliche archäologische Denkmale, wie sie heute überwiegend durch Metallsucher (d.h. intentionell, nicht zufällig) gefunden werden, die sogenannten „Oberbodenbefunde“, d.h. unbewegliche archäologische Denkmale im stark durch moderne Störungen veränderten Oberboden (z.B. Reste von Mauerwerk), sowie die sogenannten „Versteckfunde“, d.h. Gegenstände, die in anderen Denkmalen intentionell verborgen waren (z.B. Münzschätze in zugemauerten Nischen in noch stehenden Gebäuden oder Ruinen). Die Entdeckung archäologischer Denkmale dieser Art kann zwar auch ein Zufallsereignis sein, z.B. wenn bei Umbauarbeiten Mauerwerk entfernt wird, das eine Nische, in der ein Münzschatz versteckt wurde, verschlossen hat, erfolgt heute aber in der überwältigenden Mehrzahl als Resultat intentioneller Nachsuchen, insbesondere durch Laien, die ein Metall- oder sonstiges Bodensuchgerät benutzen. Nachdem solche Funde aus einem, wenn auch in der Regel bereits mehr oder minder stark gestörten, Kontext stammen, wird durch die Bestimmung des Abs. 2 Z 2 eine genauere Dokumentation gefordert. Als Mindestdokumentationsstandard wird für derartige Denkmale die Anfertigung aussagekräftiger Fotos im Freilegungszustand in Fundlage, eine schriftliche Beschreibung der Fundumstände sowie die Aufzeichnung möglichst genauer topografischer Koordinaten vorgesehen. Diese Dokumentationsweise sollte aus archäologisch-fachlicher Sicht bei derartigen Funden, wenigstens in der überwältigenden Mehrheit aller Fälle, ausreichend sein (siehe dazu das oben ausgeführte Beispiel des britischen PAS; Lewis 2016a) und ist, nachdem wie erwähnt die meisten dieser Funde durch intentionell nach ihnen suchenden Personen gemacht werden, den Entdeckern in der Regel auch zumutbar: wer als Hobby intentionell nach archäologischen Denkmalen sucht, von dem kann durchaus auch erwartet werden, dass er die für die ausreichend qualitative fachliche Dokumentation notwendigen Techniken erlernt und diese dann auch bei einer Entdeckung anwendet. Auch kann die Kompetenz zur Anfertigung fachlich ausreichend qualitativer Dokumentationen solcher Funde einigermaßen leicht und rasch erlernt werden (wobei nötigenfalls Kurse durch das BDA oder private archäologische Dienstleistungsunternehmen zur Vermittlung der notwendigen Kompetenzen angeboten werden könnten). Ebenso wie für die Meldung reiner Zufallsfunde wäre es auch möglich, eine Mobiltelefonapplikation für die Dokumentation und Meldung von Funden der Kategorie Z 2 zu entwickeln, um den Dokumentations- und Meldeprozess zu standardisieren und automatische Meldungen an das BDA zu ermöglichen. Die Meldefrist für Funde der Kategorie Z 2 entspricht der für Funde der Kategorie Z 1, aus den gleichen Gründen. Besonders zu beachten ist bei den hier vorgeschlagenen Bestimmungen des Z 2, dass diese, gemeinsam mit den Bestimmungen des neu vorgeschlagenen § 8 Abs. 2 und des weiter unten genauer erläuterten neu vorgeschlagenen § 10 Abs. 2 einen verhaltenssteuernden Effekt insbesondere auf jene Personen entfalten sollten, die – wie es schon derzeit mehrere tausende ÖsterreicherInnen tun – als Hobby der Suche nach archäologischen Funden mit Metall- oder anderen Bodensuchgeräten nachgehen. Diese sollen durch das Zusammenwirken der genannten neu vorgeschlagenen 395 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG Bestimmungen stark dazu motiviert werden, Funde, die sie machen, auch tatsächlich sachgerecht zu dokumentieren und dem BDA zu melden. Dies ist nicht zuletzt deshalb notwendig, weil sich – wie nunmehr bald 50 Jahre erfolgloser Kampf der archäologischen Fachwelt durch immer schärfere Verbote und Strafandrohungen gegen diese Bevölkerungsgruppe zeigt (Karl 2016b) – diese Personengruppe auch nicht durch noch so scharfe, aber praktisch nicht exekutierbare, gesetzliche Verbote von der Ausübung ihres Hobbies abhalten lässt; während die gesetzlichen Verbote und Strafandrohungen in erster Linie dazu führen, dass Fundmeldungen durch Mitglieder dieser Bevölkerungsgruppe weitgehend unterlassen werden und Dokumentationen der Fundumstände so gut wie regelhaft nicht angefertigt werden, weil diese – im Fall, dass wider Erwarten ein Metallsucher doch einmal „erwischt“ oder Ziel einer Hausdurchsuchung wird – derzeit als Beweis für widerrechtliches Handeln gegen den Metallsucher verwendet werden kann. Die derzeitige Gesetzeslage erzeugt also eine starke Motivation für Metallsucher, ihre Funde möglichst nicht zu dokumentieren. Die hier vorgeschlagene Lösung kehrt hingegen diese durch die derzeitigen gesetzlichen Vorschriften erzeugte Motivation in ihr Gegenteil um, indem sie, wie in den Erläuterungen zu § 10 Abs. 2 und 3 neu noch genauer ausgeführt werden wird, die sachgerechte Dokumentation archäologischer Denkmale belohnt und stattdessen das Unterlassen der Dokumentation bestraft. Gleichzeitig ist besonders zu beachten, dass die hier vorgeschlagene Dokumentationspflicht eine Überprüfbarkeit von Angaben, die von Dokumentierenden gemacht werden, erzeugt: bei Vorliegen einer Dokumentation, zu der Fotos, Beschreibung der Fundumstände und topografische Koordinatenangaben gehören, lässt sich sowohl einigermaßen eindeutig überprüfen, ob eine zur Fundbergung durchgeführte Grabung die gesetzlichen Maße des § 9 Abs. 2 überschritten hat (und die Grabung somit der dort vorgesehenen Bewilligungspflicht unterworfen gewesen wäre), als auch einigermaßen leicht objektiv nachprüfen – und sei es durch Nachgrabungen am durch die angegebenen Koordinaten bestimmten Ort – ob das betreffende archäologische Denkmal tatsächlich am angegebenen Ort aufgefunden worden sein kann. Diese Nachweisbarkeit ist derzeit aufgrund der durch die geltende Gesetzeslage starken Motivation für Finder, ihre Funde nicht zu dokumentieren, praktisch niemals gegeben, d.h. selbst wenn bei einer Hausdurchsuchung bei einer Person, von der vermutet wird, dass sie die Bestimmungen des DMSG verletzt hat, archäologische Denkmale entdeckt werden, ist der Nachweis, dass diese tatsächlich aus illegalen Grabungen stammen, praktisch unmöglich. Wird hingegen, wie hier in Verbindung von Z 2 und § 10 Abs. 2 neu vorgeschlagen, der legale Eigentumserwerb an archäologischen Denkmalen an deren ordentliche Dokumentation gebunden, wird dem intentionell handelnden Entdecker archäologischer Denkmale eine starke Motivation gegeben, seine Entdeckungen sachgerecht zu dokumentieren und damit seinen Eigentumsanspruch an entdeckten archäologischen Denkmalen abzusichern. Die Pflicht, beweisen zu können, wo und unter welchem Umständen ein archäologisches Denkmal entdeckt wurde, wird durch die hier vorgeschlagene Lösung auf dessen Entdecker verlagert, statt wie bisher die Beweislast dem Staat bzw. seiner Denkmalschutzbehörde aufzubürden. Die dritte, in Z 3 ausgewiesene, Art archäologischer Denkmale, für deren Dokumentation per Verordnung konkretere Vorgaben zu erlassen sind, sind solche archäologischen Denkmale, die aus durch moderne Einflüsse weitgehend ungestörten, tieferliegenden Bodenschichten stammen, die hier – sofern es sich um bewegliche archäologische Denkmale handelt – als „Bodenfunde“ und – wenn es sich um unbewegliche archäologische Denkmale handelt – als „Bodenbefunde“ bezeichnet werden. Derartige Funde treten heute in der Regel nur noch bei Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen auf, die entsprechend der weiter oben vorgeschlagenen Neufassung des § 8 Abs. 1 und 396 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? 2 bewilligungspflichtig sind. Die einzige Möglichkeit, wie solche Funde unter den hier neu vorgeschlagenen Bestimmungen noch zufällig entdeckt werden können, ist als Folge größerer Erosionsereignisse (Murenabgänge, Starkregenbodenerosion, Windbruch von Bäumen durch den Baumstrünke samt dem an den Wurzeln anhaftenden Erdreich aus dem Boden gerissen wurden, etc.) oder wenn bei archäologischen Voruntersuchungen vor gem. § 8 Abs. 1 und 2 bewilligungspflichtigen Maßnahmen tatsächlich im Boden vorhandene archäologische Denkmale nicht erkannt wurden. Das bedeutet, dass davon ausgegangen werden kann, dass in der überwiegenden Mehrheit aller Fälle, in denen derartige archäologische Denkmale entdeckt werden, sie im Rahmen systematischer archäologischer Grabungen oder archäologisch begleiteter Maßnahmen zu Tage treten. Daher ist in Z 3 vorgesehen, dass archäologische Denkmale dieser Kategorie durchgehend entsprechend allgemeiner archäologischer Grabungsstandards, die in der genannten ministeriellen Verordnung zu definieren wären, zu dokumentieren sind. Nachdem in der Regel davon auszugehen ist, dass unter den hier vorgeschlagenen Bestimmungen bei ihrer Entdeckung professionelle Archäologen anwesend oder wenigstens zeitnah verfügbar sind, kann vom Entdecker erwartet werden, dass er entweder selbst die ausreichende Kompetenz zur sachgerechten archäologischen Grabungsdokumentation verfügt oder, falls nicht, Personen mit ausreichender Kompetenz verfügbar hat, die er mit der Durchführung dieser sachgerechten Dokumentation beauftragen kann. Aber selbst wenn bei Bauarbeiten, die aufgrund einer Fehldiagnose bei der archäologischen Vorerkennung nicht archäologisch begleitet werden, überraschend doch Zufallsfunde archäologischer Denkmale auftreten und keine Archäologen vor Ort anwesend sind, ist eine sachgerechte Dokumentation leicht zu beschaffen, indem die die Arbeiten durchführende Baufirma ein archäologisches Dienstleistungsunternehmen mit der Durchführung der notwendigen Dokumentationsarbeiten beauftragt. Dies wird in der Regel – nachdem die Baufirma vermutlich bereits für die archäologischen Voruntersuchungen, die für die Beantragung der Bewilligung gem. § 8 Abs. 1 oder 2 notwendig waren, mit einem archäologischen Dienstleistungsunternehmen zusammengearbeitet bzw. ein solches mit der Durchführung dieser Vorerkundungen beauftragt gehabt hat – rasch möglich sein und die sachgemäße Dokumentation und Bergung der zufällig entdeckten archäologischen Denkmale schneller als in den derzeit gesetzlich vorgesehenen 5 Tagen ermöglichen und damit auch Stehzeiten auf der Baustelle minimieren. Ähnliches gilt bei größeren Erosionsereignissen, bei denen noch dazu aller Wahrscheinlichkeit im Gegensatz zu unerwarteten Zufallsfunden bei Bauarbeiten auch weit weniger Zeitdruck besteht: in einem solchen Fall kann vom Grundeigentümer oder einem beliebigen sonstigen Entdecker der archäologischen Denkmale ein archäologisches Dienstleistungsunternehmen für die sachgerechte Dokumentation der angetroffenen Denkmale beigezogen werden. In diesem letztgenannten Fall ist selbstverständlich eine Förderung der notwendigen Maßnahmen gemäß § 32 Abs. 1 DMSG igF angebracht, um wirtschaftliche Härtefälle abzufangen, insbesondere dann, wenn der Entdecker rein zufällig an der auserodierten Fundstelle vorbeigekommen ist und daher weder der Eigentümer des Grundstücks noch Verursacher der notwendig werdenden archäologischen Maßnahmen ist. Nötigenfalls wären in solchen Fällen auch archäologische Rettungsmaßnahmen direkt vom BDA selbst durchzuführen bzw. bei geeigneten Dritten in Auftrag zu geben. Die Meldefrist bzw. Abgabefrist für Dokumentationen für archäologische Funde gemäß Z 3 wurde auf 6 Monate ab ihrer Anfertigung festgesetzt, weil davon auszugehen ist, dass die zur Entdeckung derartiger archäologischer Denkmale notwendigen Grabungen oder sonstigen Maßnahmen längere Zeit, oft mehrere Wochen, Monate oder sogar Jahre dauern und eine 14-tägige Meldefrist daher deutlich zu kurz gegriffen erscheint. Die hier gewählte Sechsmonatsfrist gestattet es den die archäologischen Maßnahmen Durchführenden, Dokumentationsunterlagen über längere Zeit zu 397 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG sammeln und dann als Sammelbericht auf einmal abzugeben, z.B. bei tatsächlich mehrere Monate dauernden Grabungen einmal alle drei bis vier Monate. In dieser Zeit sollte sich für die Durchführenden auch ausreichend Zeit für die Anfertigung des ebenfalls geforderten aussagekräftigen Grabungsberichtes einplanen lassen, bei längerdauernden Maßnahmen gegebenenfalls auch in Form eines Zwischenberichts über die z.B. in den vergangenen 4 Monaten durchgeführten Arbeiten (zu dessen Anfertigung dann bis zum Fristende für die Übermittlung der zu Beginn der 4 Monate angefertigten Dokumentationsunterlagen immer noch 2 Monate verbleiben). Z 4 sieht schließlich noch Sonderregelungen für Funde bei umfangreichen archäologischen Forschungs- oder Landesaufnahmeprojekten in Bezug auf die Berichtspflichten und Meldefristen vor. Als umfangreiche archäologische Projekte sind solche Projekte zu betrachten, bei denen bereits vor ihrem Beginn damit zu rechnen ist, dass die dafür nötigen Feldarbeiten mehr als 6 Monate in Anspruch nehmen werden. Bei derartigen umfangreichen Projekten endet die Frist für die Übermittlung der Dokumentation samt aussagekräftigem Bericht erst sechs Monate nach Ende der Feldarbeit. Bei Projekten von über einem Jahr Dauer ist darüber hinaus zur Sicherung der Dokumentationsunterlagen einmal pro Jahr, spätestens 6 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese angefertigt wurden, die Dokumentation in Form eines Zwischenberichts (gesammelte Dokumentation des Vorjahres mit zum Verständnis notwendigen Erläuterungen) dem BDA zu übermitteln. Alle in diesem Absatz getroffenen Bestimmungen gelten selbstverständlich vollinhaltlich auch für alle archäologischen Voruntersuchungen mit nicht invasiven oder invasiven Methoden, sofern bei diesen archäologische Denkmale entdeckt wurden. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass alle relevanten archäologischen Dokumentationsunterlagen im Original oder originalgetreuer Kopie in einem archäologischen Zentralarchiv im BDA gesammelt werden können und damit auch langfristig für zukünftige Forschungen zur Verfügung stehen. Dies löst das bereits oben genannte Problem, dass bei der derzeitigen Rechtslage die angefertigten Dokumentationsunterlagen im Eigentum des Auftraggebers oder Durchführenden der archäologischen Untersuchungen verbleiben, der nur gem. § 11 Abs. 6 igF zur Ablieferung eines aussagekräftigen Berichtes an das BDA verpflichtet ist, die Originaldokumentationsunterlagen aber jederzeit vernichten darf, wenn er das möchte, ohne dass auch nur wenigstens eine Kopie davon langfristig erhalten bleibt. Nachdem aber Originaldokumentationsunterlagen regelhaft mehr Informationen enthalten als ein – wie auch immer detailliert ausgeführter – zusammenfassender Bericht, gerade diese zusätzlichen Informationen in den Originaldokumentationsunterlagen aber für die langfristige Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen essentiell sind, stellt dies ein bedeutendes Problem für die langfristige Nutzbarkeit der aufgenommenen Daten dar. Dadurch, dass gemäß der hier vorgeschlagenen Neufassung Dokumentationsunterlagen im Original oder in originalgetreuer Kopie dem BDA zur Archivierung überlassen werden müssen, ist die langfristige Nachvollziehbarkeit archäologischer Feldforschungen hingegen gesichert. Die hier vorgeschlagene Dokumentationspflicht stellt daher auch in dieser Beziehung eine deutliche Verbesserung der denkmalschützerischen Bestimmungen des DMSG im Sinne insbesondere des Art. 8 der Valletta-Konvention (Europarat 1992) dar. Abs. 3 Dieser neu vorgeschlagene Absatz bestimmt die Pflichten des BDA als archäologisches Zentralarchiv und entspricht im Wesentlichen, modernen Verhältnissen angepasst, den bereits bisher geltenden Bestimmungen des § 11 Abs. 7 DMSG. Die wesentlichste Veränderung zu den derzeit geltenden Bestimmungen ist die verstärkte Verpflichtung für das BDA, die von ihm als archäologisches 398 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Zentralarchiv gesammelten Daten auch öffentlich zugänglich zu machen. Diese Änderung gegenüber den derzeit geltenden Bestimmungen ist im Sinne der Art. 7-9 der Valletta- (Europarat 1992) und der Art. 4 lit a., 5 lit. b-d, 12 lit. a und d, 13 lit. a und 14 lit. c und d der Faro-Konvention (Europarat 2005). Im gleichen Sinn ist die Änderung zur bisherigen Situation zu verstehen, dass die Fundberichte aus Österreich als jährliche Open Access-Publikation zu veröffentlichen sind. Beide vorgeschlagenen Änderungen dienen der breiteren öffentlichen Verbreitung des Wissens über und der Verbesserung der Möglichkeit zur Teilhabe am archäologischen Kulturerbe Österreichs. Abs. 4 Der neu vorgeschlagene Abs. 4 trägt der Tatsache Rechnung, dass gewichtige Gründe bestehen können, die für eine Geheimhaltung von archäologischen Dokumentationsunterlagen sprechen, nicht zuletzt auch wissenschaftliche und wirtschaftliche Interessen (z.B. geistige Eigentumsrechte, die gemäß Art. 14 lit. c der Faro-Konvention parallel zur Überwindung von Zugangshürden zum kulturellen Erbe zu schützen sind; Europarat 2005). Geheimhaltungsinteressen können aus verschiedenen Gründen bestehen, so zum Beispiel ein Interesse an der Geheimhaltung der Ergebnisse archäologischer Voruntersuchungen, die von einer Baufirma in Auftrag gegeben wurden, um die Entwicklung neuer Bauprojekte voranzutreiben, und die daher nicht allfälliger Konkurrenz des planenden Bauunternehmens kostenlos zur Verfügung stehen sollen; aber auch um z.B. eine Fundstelle, an der besonders reiche Funde zu erwarten sind, vor bei Bekanntgabe der Dokumentationsunterlagen von an dieser Fundstelle bereits durchgeführten archäologischen Untersuchungen zu befürchtenden Plünderungen durch illegale Grabungen zu schützen. Gleichermaßen kann das wissenschaftliche Interesse, eine Erstpublikation wesentlicher Erkenntnisse, die der Dokumentierende selbst gewonnen hat, nicht durch verfrühte Veröffentlichung der Datengrundlagen zu gefährden, auf deren Basis KollegInnen die Erkenntnisse des Dokumentierenden bereits vor diesem publizieren können, eine Grundlage für eine Geheimhaltungsnotwendigkeit sein. Liegen derartige Gründe vor, kann das BDA amtswegig oder auf Antrag einer dazu berechtigten Partei (z.B. dem geistigen Eigentümer der Dokumentationsunterlagen, dem archäologische Voruntersuchungen in Auftrag gegeben habenden Bauunternehmen usw.) die betreffenden Dokumentationen ganz oder teilweise auf maximal fünf Jahre (in gleich langen Intervallen verlängerbar, solange die Gründe dafür weiterhin vorliegen) der Geheimhaltung unterstellen und die betroffenen Dokumentationen und Berichte nicht öffentlich im Open Access zugänglich machen. Um dennoch sicherzustellen, dass die Verlässlichkeit und Nachvollziehbarkeit wissenschaftlicher Studien gewährleistet ist, die sich mit Themen befassen, für die vom BDA der Geheimhaltung unterlegte archäologische Denkmale von wissenschaftlicher Relevanz sein könnten, aber aufgrund der Geheimhaltung der Dokumentationsunterlagen nicht berücksichtigt werden können, ist vom BDA in geeigneter Weise öffentlich auszuweisen, dass und wie viele archäologische Denkmale der Geheimhaltung unterliegen. Dies kann z.B. ein kurzer Hinweis in den Archivunterlagen und den Fundberichten aus Österreich sein, in welchem politischen Bezirk bzw. welchen politischen Bezirken wie viele archäologische Denkmale bzw. Fundstellen welcher Zeitstellung der Geheimhaltung unterliegen, oder auch nur – wenn die Angabe eines politischen Bezirkes bereits potentiell zu viele Informationen über die betreffenden archäologischen Denkmale preisgeben würde – wie viele archäologische Denkmale bzw. Fundstellen welcher Zeitstellung der Geheimhaltung unterliegen. Auf diese Weise können wissenschaftliche Untersuchungen archäologischer Denkmale darauf verweisen, dass zum Zeitpunkt ihrer Durchführung eine gewisse Anzahl potentiell relevanter Daten nicht berücksichtigt werden konnte, weil sie zu dieser Zeit der Geheimhaltung unterlagen. Darüber hinaus lässt sich anhand dieser veröffentlichten Informationen auch jederzeit feststellen, welcher Anteil der 399 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG bekannten und dokumentierten archäologischen Denkmale in Österreich der Geheimhaltung unterliegt und daher nicht öffentlich zugänglich ist. Die dem BDA verfügbaren Daten stehen selbstverständlich dem BDA für seine eigene denkmalpflegerische Tätigkeit, z.B. für Unterschutzstellungsverfahren, auch dann zur Verfügung, wenn sie der Geheimhaltung unterliegen. Das BDA hat jedoch in diesem Fall zu beachten, dass bei eigenen wissenschaftlichen Forschungen des BDA und daraus erwachsenden Publikationen die Einhaltung der Geheimhaltung gewahrt bleibt. Abs. 5 Absatz 5 bestimmt, dass die Bestimmungen dieses Paragrafen unabhängig von anderen rechtlichen Folgen auch für jene Funde beweglicher und unbeweglicher archäologischer Denkmale gelten, die unter Nichtbeachtung der Bewilligungsbestimmungen dieses Bundesgesetzes gemacht wurden. Die Dokumentations- und Meldepflichten gelten also auch bei widerrechtlich durchgeführten Maßnahmen und bei archäologischen Maßnahmen (z.B. nicht invasiven geophysikalischen Prospektionen), die den Bewilligungspflichten des DMSG gar nicht unterliegen. Eigentumserwerb, Ankaufsrechte von Gebietskörperschaften Wie bereits weiter oben ausgeführt, ist das zentrale Motivationsmittel, mittels dessen Finder archäologischer Denkmale und Eigentümer von Grundstücken, auf denen sich archäologische Denkmale befinden, zur denkmalgerechten Behandlung dieser Denkmale angespornt werden sollten, die Regelung der rechtlichen Verfügungsgewalt, d.h. der Erwerb von Eigentumsrechten, an den betroffenen Denkmalen. Die Frage des Erwerbs bzw. Verlust des Eigentumsrechts an archäologischen Denkmalen, die im neu gefassten § 10 DMSG geregelt werden soll, ist daher also ebenfalls ganz zentral dafür, dass die hier vorgeschlagene gesetzliche Regelung des archäologischen Denkmalschutzes auch tatsächlich effektiv funktionieren kann. Die hier vorgeschlagenen Regelungen setzen die Idee um, die bereits weiter oben ausführlicher diskutiert wurde (Seiten 332-358), dass „verlässliche“ Finder und Eigentümer von Grundstücken, die archäologische Denkmale, die sie entdecken oder die sich auf ihren Grundstücken befinden, denkmalgerecht behandeln (eben z.B. entsprechend den im neu vorgeschlagenen § 9 vorgesehenen Dokumentationspflichten sachgerecht dokumentieren und auch die dort angeführten Meldepflichten beachten), mit dem vollständigen Eigentum an den von ihnen denkmalgerecht behandelten, beweglichen (bei Findern) und unbeweglichen (bei Grundeigentümern) Sachen belohnt werden. Umgekehrt werden „unzuverlässige“ Finder und Grundeigentümer dadurch bestraft, dass die beweglichen (bei Findern) und unbeweglichen (bei Grundeigentümern) archäologischen Denkmale, die sie nicht denkmalgerecht behandelt haben, in das Eigentum der Republik übergehen. Dies erzeugt im jeweils relevanten Handlungskontext zum jeweils relevanten Handlungszeitpunkt – nämlich wenn ihre Handlungen archäologische Denkmale entweder denkmalgerecht oder nicht denkmalgerecht behandeln könnten – die maximale Motivation für Finder von archäologischen Denkmalen bzw. Grundeigentümer von Grundstücken, auf denen sich archäologische Denkmale befinden, sich auf die vom Gesetzgeber erwünschte Weise und nicht anders zu verhalten. Auch hier wird zuerst wieder der neu vorgeschlagene Gesetzeswortlaut vorgestellt und dann genauer erläutert. § 10 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut „§ 10. (1) Unbewegliche archäologische Denkmale gehen mit ihrer Entdeckung in das Eigentum des Grundeigentümers des Grundstückes über, auf dem sie sich befinden; sofern dieser nicht die Bestimmungen zur Bewilligungspflicht von Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen des § 8 400 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Abs. 1 oder 2 oder die Dokumentationspflicht gemäß § 9 Abs. 1 und 2 verletzt hat. Hat der Grundeigentümer bei der Entdeckung der unbeweglichen archäologischen Denkmale eine oder mehrere der Bestimmungen der §§ 8 Abs. 1 oder 2 oder 9 Abs. 1 oder 2 verletzt, gehen diese unbeweglichen archäologischen Denkmale in das Eigentum der Republik Österreich über. (2) Werden, aus welchen Gründen auch immer, bewegliche archäologische Denkmale entdeckt, deren vormaliger Eigentümer nicht mehr ermittelt werden kann, gehen diese Denkmale in das Eigentum der Person über, die ihre Dokumentation entsprechend der Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und 2 in Auftrag gegeben oder aber in Ermangelung eines solchen Auftraggebers selbst durchgeführt hat. Hat diese Person bei der Entdeckung der beweglichen archäologischen Denkmale vorsätzlich oder fahrlässig die Bestimmungen zur Bewilligungspflicht von Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen des § 8 Abs. 1 verletzt, gehen diese Denkmale in das Eigentum der Republik Österreich über. (2a) (Übergangsbestimmung) Sofern es sich bei beweglichen archäologischen Denkmalen um solche handelt, die vor Inkrafttreten dieser Bestimmung gefunden und erst danach gemäß der Bestimmungen des § 9 Abs. 1a nachgemeldet wurden, gehen diese entgegen der vor Inkrafttreten dieser gesetzlichen Bestimmungen geltenden hadrianischen Fundeigentumsteilungsregel in das ungeteilte Eigentum der Person über, die ihre Meldung an das Bundesdenkmalamt vorgenommen hat. (3) Werden bewegliche archäologische Denkmale entdeckt, deren rechtmäßiger Eigentümer nicht (mehr) ermittelt werden kann, die nicht entsprechend der Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und 2 DMSG dokumentiert wurden, gehen diese Denkmale in das Eigentum der Republik Österreich über. (4) Die Gebietskörperschaften haben das Recht bewegliche und unbewegliche archäologische Denkmale anzukaufen, wenn die Erhaltung und öffentliche Zugänglichkeit dieser Denkmale nur durch den Eigentumserwerb durch die Gebietskörperschaften langfristig gesichert werden kann. Dieses Ankaufsrecht muss binnen drei Jahren, nachdem die Entdeckung des Denkmals oder die Tatsache, dass ein privater Eigentümer die langfristige Erhaltung und öffentliche Zugänglichkeit nicht mehr sicherstellen kann, dem Bundesdenkmalamt mitgeteilt wurde, schriftlich geltend gemacht werden. Der Eigentümer des Denkmals hat im Falle der gänzlichen oder teilweisen Ausübung des Ankaufsrechts Anspruch auf einen im redlichen Verkehr üblichen Preis in Höhe des im Inland voraussichtlich erzielbaren höchsten Verkaufspreises einschließlich Umsatzsteuer an den Letztkäufer (Verkehrswert). Kosten der Grabung oder sonstiger Arbeiten oder Maßnahmen, die zur Entdeckung des betreffenden Denkmales geführt haben oder zu seiner Reinigung oder Restaurierung notwendig waren, die dem Eigentümer nicht entstanden sind, können bei der Berechnung des Preises nicht aufgerechnet werden und auch eine durch Reinigung oder Restaurierung erfolgte Wertsteigerung des Denkmales kann von dem, der die Kosten der Restaurierung nicht getragen hat, nicht geltend gemacht werden. Soweit eine Einigung nicht zustande kommt, ist das Ankaufsrecht im Zivilrechtsweg geltend zu machen, andernfalls erlischt das Ankaufsrecht fünf Jahre nach der Bekanntgabe der Entdeckung des Denkmals oder der Tatsache, dass ein privater Eigentümer die langfristige Erhaltung und öffentliche Zugänglichkeit nicht mehr sicherstellen kann, an das Bundesdenkmalamt.“ Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 10 DMSG Die hier vorgeschlagene Neufassung des § 10 DMSG stellt ebenfalls eine fundamentale Neuregelung, in diesem Fall der Eigentumserwerbsbestimmungen in Bezug auf Funde beweglicher und unbeweglicher archäologischer Denkmale, die bisher primär in §§ 397-401 ABGB in Verbindung mit den Bestimmungen des § 10 DMSG igF geregelt wurden. Unter der bisher geltenden Rechtslage gelten gemäß § 397 ABGB für verborgene Gegenstände sinngemäß die Bestimmungen der §§ 388-396 ABGB für verlorene oder vergessene Gegenstände, d.h. wenn sich der vormalige Eigentümer der verborgenen Gegenstände nicht binnen eines Jahres ermitteln lässt, gehen diese gem. § 395 ABGB zur 401 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG Gänze in das ungeteilte Eigentum des Finders über. Bewegliche archäologische Bodendenkmale sind hingegen gemäß der Bestimmungen des § 10 Abs. 1 DMSG igF iVm §§ 398-401 ABGB als Schatzfunde zu behandeln, d.h. es gilt – sofern sich der Finder bei der Entdeckung keiner unerlaubten Handlung schuldig gemacht hat – die hadrianische Fundteilungsregel, nach der Schatzfunde jeweils zur Hälfte in das Eigentum von Finder und Grundeigentümer übergehen. Die hier vorgeschlagene Regelung sieht hingegen vor, dass bewegliche archäologische Denkmale, deren vormaliger Eigentümer sich nicht mehr feststellen lässt, in das Eigentum dessen übergehen, der ihre gemäß § 9 sachgemäße Dokumentation vorgenommen oder in Auftrag gegeben hat. Dadurch werden durch die hier vorgeschlagene Neuregelung die Bestimmungen der §§ 397-401 ABGB obsolet und können gestrichen werden. Allgemein ist dazu zu bemerken, dass die §§ 398-401 ABGB schon derzeit außer als Rechtsgrundlage für den Eigentumserwerb von beweglichen archäologischen Funden iVm § 10 Abs. 1 DMSG igF, weitgehend obsolet geworden sind, denn Schatzfunde im Sinne des § 398 ABGB, also „Geld, Schmuck oder andern Kostbarkeiten, die so lange im Verborgenen gelegen haben, daß man ihren vorigen Eigenthümer nicht mehr erfahren kann“ sind in allen Fällen, in denen solche „Schätze“ im Boden entdeckt werden, schon derzeit normalerweise auch Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG igF. Außer im ausnehmend seltenen Fall, dass ein „Schatz“ iSd § 398 ABGB also als „verborgener Gegenstand“ iSd zweiten und dritten Falles des § 397 ABGB eingemauert oder sonst verborgen und nicht vergraben gewesen ist, gibt es also unter der derzeitigen Rechtslage eigentlich keine „Schatzfunde“ iSd § 398 ABGB mehr, sondern nur noch Funde von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG igF. Dass die Eigentumserwerbsbestimmungen für „Schatzfunde“ im ABGB zu finden, sind hat also nur noch historische Gründe, während sie inzwischen sinngemäß viel besser in das DMSG passen würden, weil schon derzeit praktisch alle Schatzfunde und, gemäß der hier in § 9 DMSG neu vorgeschlagenen Bestimmungen, auch alle „verborgenen“ Gegenstände iSd § 397 ABGB igF als bewegliche archäologische Denkmale zu betrachten sind, die den Bestimmungen des DMSG unterliegen und daher die Regelung des Eigentumserwerbs an derartigen Gegenständen im DMSG viel naheliegender ist. Will man im AGBG weiterhin eine Bestimmung zu Gegenständen enthalten wissen, die so lange im verborgenen gelegen sind, dass sich ihr vormaliger Eigentümer nicht mehr feststellen lässt, wäre es weit sinnvoller, diese so zu formulieren, dass diese darauf verweist, dass der Eigentumserwerb derartiger Gegenstände durch die einschlägigen Bestimmungen des DMSG neu geregelt wird. Zentral ist für die hier neu vorgeschlagenen Bestimmungen zum Eigentumserwerb an beweglichen und unbeweglichen archäologischen Denkmalen die Bindung des Eigentumserwerbs an die sachgerechte Dokumentation der an Ort und Stelle vorhandenen beweglichen und unbeweglichen archäologischen Denkmale iSd oben erläuterten § 9. Wie bereits weiter oben erläutert, ist diese Dokumentation aus archäologisch-fachwissenschaftlicher Sicht essentiell, um die langfristige Erforschbarkeit des archäologischen Erbes sicherstellen zu können. Die Bindung des Eigentumserwerbs an die sachgerechte Dokumentation dient in diesem Zusammenhang dem Zweck, den Entdecker eines archäologischen Denkmales möglichst stark dazu zu motivieren, dieses auch tatsächlich sachgerecht zu dokumentieren und die Dokumentation, wie im oben besprochenen § 9 Abs. 1 und 2 vorgesehen, dem BDA zur Archivierung und öffentlichen Zugänglichmachung zu übermitteln. Sie dienen also der Verhaltenssteuerung in einer bestimmten, vom Gesetzgeber gewünschten Richtung, im konkreten Fall dazu, Finder von archäologischen Denkmalen dazu zu bewegen, den Bestimmungen des oben besprochenen § 9 Abs. 1 und 2 DMG entsprechend zu handeln. Wer entsprechend handelt, wird dafür dadurch belohnt, dass ihm das Eigentum an den im Sinne des Gesetzes dokumentierten und gemeldeten Denkmalen zuerkannt wird. 402 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Dieses Prinzip ist auch derzeit schon gut etabliert und liegt sowohl der ursprünglich im ABGB in seiner Erstfassung 1812 eingeführten Regelung des Eigentumserwerbs von „Schatzfunden“, der zu Folge dem Finder, dem Grundeigentümer und dem Staat jeweils ein Dritteleigentumsanspruch zukommt, als auch der Aufgabe des Dritteleigentumsanspruchs des Staates mit Hofkanzleidekret vom 15. Juni 1846, JGS Nr. 970/1846, zu Grunde, wie bereits oben (Seiten 319-334) genauer erläutert wurde: dadurch, dass dem Finder ein bedeutender, und nach der Aufgabe des Eigentumsdrittels des Staates sogar noch größerer Anteil, nämlich eben die Hälfte, des Eigentums an von ihm gefundenen Schätzen zuerkannt wird, sollen „ehrliche“ Finder dazu motiviert werden, den Fund von „Schätzen“ zu melden, damit der Staat von ihrer Existenz Kenntnis erlangt. Diese „Belohnung“ des Finders wurde zwar ursprünglich wenigstens teilweise auch aus fiskalischen Erwägungen eingeführt – ein gemeldeter Schatz, von dessen Wert der Staat ein Drittel erhält oder, später, dessen Verkaufserlös er wenigstens besteuern kann, bringt dem Staat jedenfalls mehr Einkünfte, als wenn alle Schätze von ihren Findern vor dem Staat verheimlicht werden und dieser daher weder aus ihrem Verkauf noch aus ihrer Besteuerung Einnahmen lukrieren kann – aber wurde wohl schon anfänglich, aber sicherlich ab 1846, als den Schatzfundbestimmungen des ABGB immer größere denkmalpflegerische Bedeutung zugewiesen wurde, auch aus dem Grund so geschaffen oder wenigstens so belassen, damit die Finder beweglicher archäologischer Denkmale zu deren Meldung motiviert werden. Dies zeigt sich nicht zuletzt an der entgegengesetzten „Strafbestimmung“ des § 400 ABGB, dass dem Finder bzw. Grundeigentümer, der den Fund vorsätzlich verheimlicht, sein gemäß § 399 ABGB etablierter Eigentumsanteil an dem Schatz zugunsten jener Person verloren geht, die diesen Schatz an seiner Statt gemeldet hat. Es wird also schon durch die derzeit geltenden Bestimmungen der §§ 399 und 400 ABGB eine Verhaltenssteuerung versucht, indem die Fundmeldung durch die Zuerkennung eines Eigentumsanteils am Fund an den Meldenden belohnt und die Verheimlichung des Fundes durch die Aberkennung jedweden Eigentumsanteilsanspruches am Fund bestraft wird. Die im hier vorgeschlagenen neuen § 10 DMSG vorgenommene Verhaltenssteuerung durch Bindung des Eigentumserwerbs an archäologischen Denkmalen folgt also dem gleichen, durch die derzeit bereits bestehende Regelung dieser Frage wohletablierten, Prinzip und baut dies nur zeitgemäß weiter aus und verstärkt den heute hauptsächlichen Zweck der Eigentumserwerbsregeln für „Schatzfunde“ der §§ 399-400 ABGB igF, nämlich die Sicherstellung eines möglichst effektiven (archäologischen) Denkmalschutzes. Die fundamentale Änderung in den hier neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 10 ist also nicht, dass durch die hier vorgeschlagene Eigentumserwerbsregelung in Bezug auf neu entdeckte archäologische Denkmale eine Verhaltenssteuerung hin zu einem dem Denkmalschutz zuträglichen Verhalten bewirkt werden soll, sondern wodurch der Eigentumserwerb ausgelöst und wie dieser auf unterschiedliche Personenarten, nämlich insbesondere Finder und Grundeigentümer, verteilt wird. Abs. 1 Der hier neu vorgeschlagene Absatz 1 regelt den Eigentumserwerb an neu entdeckten unbeweglichen archäologischen Denkmalen. Dieser wurde bisher nicht gesondert geregelt, sondern unbewegliche archäologische Denkmale wurden generell als Teil des Grundes betrachtet, in dem sie sich befinden, und standen damit automatisch im Eigentum des Grundeigentümers. Davon wird in der hier vorgeschlagenen Fassung insofern, wie schon oben (Seiten 353-358) genauer erläutert, abgegangen, als unbewegliche archäologische Denkmale zwar auch weiterhin in das Eigentum des Grundeigentümers übergehen, allerdings nur, wenn dieser bei ihrer Entdeckung nicht gegen die Bestimmungen der hier neu vorgeschlagenen §§ 8 Abs. 1 oder 2 oder 9 Abs. 1 oder 2 verstoßen hat. Dass der Eigentumserwerb von unbeweglichen archäologischen Denkmalen – die im DMSG igF generell sehr stiefmütterlich behandelt werden – bisher nicht näher geregelt worden ist, hat neuerlich 403 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG in erster Linie historische Gründe und seine Ursache darin, dass das DMSG 1923 erstmals erlassen und seitdem nicht maßgeblich neu überdacht oder geändert wurde. Generell sind die archäologischen Bestimmungen des DMSG 1923 sehr stark „fundzentriert“, weil, wie ebenfalls bereits weiter oben (Seiten 85-87) ausgeführt, 1923 die Bergung beweglicher Kleinfunde noch das hauptsächliche Ziel aller archäologischen Maßnahmen war, während unbewegliche archäologische Denkmale – wenn überhaupt – bestenfalls kursorisch dokumentiert und oftmals kaum weiter beachtet wurden: der bewegliche Kleinfund als historisches und potentiell auch kunstgeschichtlich wichtiges Denkmal stand damals noch im Zentrum der überwältigenden Mehrheit aller archäologischen Forschungen, während unbewegliche archäologische Denkmale – sofern es sich nicht gerade um römische, mittelalterliche oder spätere Bauten oder deren aussagekräftige oder kunstgeschichtlich wertvolle Überreste handelte – noch weitgehend als bedeutungslos betrachtet wurden. Diese Fundzentriertheit zeigt sich bis heute z.B. an den Bestimmungen des § 9 Abs. 1, 3 und 4 DMSG igF, die nur wenig Wert auf die Erhaltung der Fundumstände, die gemäß § 9 Abs. 1 DMSG igF nur bis zum Ablauf von 5 Werktagen ab Abgabe der Fundmeldung unverändert erhalten bleiben müssen, weit größeren Wert hingegen auf den Schutz der beweglichen Kleinfunde legen, die gemäß § 9 Abs. 3 DMSG igF automatisch vom Zeitpunkt ihrer Auffindung bis zum Abschluss ihrer wissenschaftlichen Auswertung und Dokumentation entsprechend er Bestimmungen des § 9 Abs. 4 DMSG igF, längstens aber auf die Dauer von 6 Wochen ab Abgabe der Fundmeldung, unter Denkmalschutz stehen. Dass mit den in § 9 Abs. 3 DMSG igF genannten „Bodendenkmalen“ tatsächlich primär bewegliche Kleinfunde und nicht unbewegliche archäologische Denkmale gemeint sein müssen, geht eindeutig aus der Tatsache hervor, dass sie „bis zum Abschluss der in Abs. 4 genannten Arbeiten“, die sich aber ausschließlich auf die wissenschaftliche Auswertung und Dokumentation von beweglichen Bodenfunden beziehen, unter Denkmalschutz stehen, nicht etwa bis zum Abschluss von Grabungsund Dokumentationsarbeiten auf der Fundstelle, die ja gemäß Abs. 1 überhaupt nur für bis zu 5 Werktage ab Abgabe der Fundmeldung unverändert belassen werden muss. Dies widerspricht weitgehend heute üblichen archäologisch-wissenschaftlichen Erfordernissen für die Dokumentation der Fundumstände auf archäologischen Fundstellen, die oftmals nicht in 5 Tagen, sondern nur in einem viel längeren Zeitraum möglich sind, weil es heute der Archäologie eben nicht mehr nur um die rasche Bergung beweglicher Kleinfunde und die höchstens kursorische Dokumentation ihrer Fundumstände geht, sondern heute die Bergung der Funde oft nur wenige Minuten, die zuvor notwendige Dokumentation der Fundumstände hingegen oftmals viele Stunden, wenn nicht sogar Tage oder Wochen in Anspruch nimmt. Hinzu kommt, dass 1923 tatsächlich die überwiegende Mehrheit jener archäologischen Denkmale, die traditionell als „unbewegliche“ archäologische Denkmale betrachtet und bezeichnet werden, in der Praxis tatsächlich so gut wie unbeweglich war, weil bei Bau- oder sonstigen Grabungsmaßnahmen so gut wie ausschließlich mit menschlicher Arbeitskraft das Auslangen gefunden wurde. Heute ist das, dank schwerer moderner Baumaschinen und moderner Bergetechniken, hingegen in der Regel nicht mehr der Fall: auch sogenannte „unbewegliche“ archäologische Denkmale sind heute, wenngleich auch meist nur mit enorm hohem Aufwand, dank moderner technischer Möglichkeiten sehr wohl beweglich, sei es in Form von Blockbergung im Gesamten oder Bergung in Teilstücken. Das wohl prominenteste Beispiel für ein archäologisches Denkmal, das 1923 noch praktisch vollkommen unbeweglich gewesen wäre, aber bereits 1968 in Teilstücken etwa 200 Meter in der Horizontalen und etwa 65 Meter in der Vertikalen verlagert wurde, ist die ursprünglich in den anstehenden Fels gehauene ägyptische Tempelanlage von Abu Simbel, die im Zusammenhang mit dem Bau des NasserStaudammes in durchschnittlich 20 Tonnen schwere Blöcke zersägt und an neuem Ort wieder errichtet wurde. 404 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? 1923 stellte sich daher die Frage, ob und wie man das Eigentum an unbeweglichen archäologischen Denkmalen regeln sollte oder könnte, gar nicht: sie galten wissenschaftlich als weitgehend uninteressant und mussten – sofern sie bei Grabungen oder anderen Erdarbeiten nicht zerstört wurden – gezwungenermaßen an dem Ort und der Stelle verbleiben, an der sie angetroffen worden waren. Damit war, wenn man – wie das auch tatsächlich der Fall war und weiterhin ist – die Unverletzlichkeit des Grundeigentums nicht antasten wollte, vollkommen klar, dass unbewegliche archäologische Denkmale als untrennbar mit dem Grundstück, auf dem sie angetroffen wurden, verbundene Teile auch automatisch Teil des Grundeigentums des Grundstückseigentümers und damit auch sein Eigentum waren. Heute stellt sich jedoch in Anbetracht der Tatsache, dass der wissenschaftliche Wert unbeweglicher archäologischer Denkmale – seien es jetzt Mauerreste oder „nur“ archäologisch aussagekräftige Bodenschichten – viel höher bewertet wird als 1923, diese „unbeweglichen“ archäologischen Denkmale heute an sich durchaus beweglich sind und es auch im Gegensatz zu 1923 Methoden gibt, mit denen man die Präsenz solcher unbeweglichen Denkmale erkennen kann, ohne dass man dazu überhaupt durch Grabungen in den Erdboden eingreifen muss, die Frage nach dem Eigentum dieser unbeweglichen archäologischen Denkmale sehr wohl. Es ist heute weder praktisch notwendig noch unbedingt auch rechtlich die beste Lösung, unbewegliche Denkmale einfach aufgrund der Tatsache, dass sie auf einem bestimmten Grundstück angetroffen werden, auch ins Eigentum des Grundeigentümers übergehen zu lassen, auch wenn man keineswegs die Unverletzlichkeit des Eigentums antasten möchte. Hinzu kommt, dass heute im Gegensatz zu den 1920ern das archäologische Erbe deutlich verstärkt als Allgemeingut betrachtet wird, wie ja auch in den jüngsthin von Österreich ratifizierten Konventionen von Valletta (Europarat 1992) und Faro (Europarat 2005) festgehalten wird, und weit weniger als das ausschließliche Privateigentum jener betrachtet wird, die entweder den Grund und Boden, auf dem sich archäologische Denkmale befinden, oder diese Denkmale selbst als ihr Eigentum besitzen wollen. Eine – auch eigentumsrechtliche – Trennung zwischen dem Eigentum am Grund und Boden, auf dem sich ein unbewegliches archäologisches Denkmal befindet, und dem Eigentum am unbeweglichen archäologischen Denkmal selbst, ist also sehr wohl möglich und ist auch in anderen europäischen Staaten, wie z.B. Italien, durchaus üblich, wie ebenfalls schon weiter oben erwähnt wurde. Die Möglichkeit einer eigentumsrechtlichen Trennung zwischen dem Eigentum am Grund und Boden, auf dem sich unbewegliche archäologische Denkmale befinden, und dem Eigentum an diesen archäologischen Denkmalen selbst, bedingt andererseits aber noch keineswegs, dass diese Trennung auch vorgenommen werden muss. Ganz im Gegenteil ist es, nicht zuletzt aus praktischen Gründen, in vielen Fällen sogar durchaus sinnvoll, das Eigentum an den unbeweglichen archäologischen Denkmalen, die sich auf einem bestimmten Grundstück befinden, auch tatsächlich jener Person zuzusprechen, die schon der Eigentümer des betreffenden Grundstückes ist; insbesondere dann, wenn sich diese Person durch ihr Verhalten im Umgang mit unbeweglichen archäologischen Denkmalen, die auf ihrem Grund und Boden entdeckt wurden, als verantwortungsvoll erwiesen hat. Hat der Grundeigentümer also seine Verantwortlichkeit dadurch bewiesen, dass er die zum Schutz und zur Erhaltung von auf seinem Grund und Boden angetroffenen Allgemeingut, eben den unbeweglichen archäologischen Denkmalen, notwendigen Handlungen, eben die sachgerechte Dokumentation dieser Denkmale und deren Übermittlung an das BDA, sachgerecht unternommen und verbotene Handlungen unterlassen hat, spricht nichts dagegen, ihm auch das Eigentumsrecht an diesen Denkmalen zuzusprechen. Dem wird durch die hier vorgeschlagene Bestimmung entsprochen, dass unbewegliche archäologische Denkmale, die auf einem Grundstück entdeckt werden, in das 405 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG Eigentum des Grundeigentümers übergehen, wenn er nicht gegen die Bestimmungen der §§ 8 Abs. 1 oder 2 oder 9 Abs. 1 oder 2 verstoßen hat. Für den umgekehrten Fall, dass nämlich der Grundeigentümer seiner Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit, die auf seinem Grundstück vorkommenden unbeweglichen archäologischen Denkmale nicht entgegen der Bestimmungen des hier vorgeschlagenen § 8 Abs. 1 oder 2 ohne Bewilligung des BDA durch Grabungen, Arbeiten oder sonstige Maßnahmen zu gefährden und diese nach ihrer Entdeckung gemäß der Bestimmungen des hier vorgeschlagenen § 9 Abs. 1 und 2 zu dokumentieren, nicht nachgekommen ist, ist er hingegen nicht auch noch durch den Eigentumserwerb an den von ihm fahrlässig gefährdeten oder nicht dokumentierten unbeweglichen Denkmalen zu belohnen; sondern eben eine Trennung des Eigentums am Grund und Boden, auf dem sich diese Denkmale befinden, und dem Eigentum an diesen Denkmalen selbst vorzunehmen. Diese Denkmale fallen in einem solchen Fall stattdessen an den Staat als Vertreter der Interessen der Allgemeinheit, damit dieser in Hinkunft als Eigentümer dieser Denkmale im Falle ihrer neuerlichen Gefährdung durch den Grundeigentümer effektiver einschreiten kann. Dies stellt dennoch keinen Eingriff in die Unverletzlichkeit des Grundeigentums dar, sondern ist analog zu einer Servitut zu sehen: so wie die auf Basis einer Servitut über einen fremden Grund verlegte Wasserleitung nicht dem Eigentümer dieses fremden Grundes, sondern dem Eigentümer der Servitut gehört, gehört dann eben auch die unter dem Erdboden über den Grund eines fremden Eigentümers laufende römische Wasserleitung dem Staat. Der Staat kann dieses „unbewegliche“ archäologische Denkmal dann entweder, weil dies heute ja technisch durchaus möglich ist, vom Grund und Boden des Grundeigentümers auf eigene Kosten entfernen, wodurch die durch das rechtwidrige Handeln des Grundeigentümers entstandene Servitut dann selbstverständlich erlischt, oder aber an Ort und Stelle im Boden belassen, um es dort – wie auch von der Valletta-Konvention (Europarat 1992) als bevorzugte Erhaltungsmaßnahme vorgesehen – ungestört zu erhalten, wodurch die Servitut weiter besteht, weil sie ja durchgehend genutzt wird. Nachdem Grundeigentümer in der Regel wohl vermeiden werden wollen, dass aufgrund ihres DMSGwidrigen Handelns Servituten auf einem oder gar mehreren ihrer Grundstücke entstehen, stellt diese Bestimmung eine starke Motivation für Grundeigentümer dar, nicht entgegen den hier neu vorgeschlagenen Bestimmungen des DMSG unbewilligte Grabungen, Arbeiten oder sonstige Maßnahmen zu unternehmen, durch die unbewegliche archäologische Denkmale auf ihrem Grund und Boden gefährdet werden könnten, und, falls sie solche unbeweglichen archäologischen Denkmale auf ihrem Grund entdecken, diese sachgerecht zu dokumentieren und die Dokumentation dem BDA zu übermitteln. Das zur Erreichung dieser Verhaltenssteuerung verwendete Prinzip entspricht exakt dem bei beweglichen archäologischen Denkmalen: gesetzeskonformes Handeln zum Schutze und der Erhaltung archäologischer Denkmale an Ort und Stelle wird durch den Eigentumserwerb an der geschützten Sache belohnt, gesetzeswidriges Handeln, das dem Schutz- und Erhaltungsziel des Gesetzes entgegenläuft, wird hingegen durch Entzug des Eigentumsanspruchs an der zu schützenden Sache bestraft. Sobald ein archäologisches Denkmal durch die gesetzeskonforme Erstbehandlung bei seiner Entdeckung durch den Grundeigentümer sein Eigentum und gleichzeitig bekannt geworden ist, ist es – wenn dies dem BDA aufgrund der besonderen Bedeutung dieses Denkmals erforderlich erscheint – wie auch schon bisher gem. § 3 DMSG (gegebenenfalls auch im Sinne der Bestimmungen des § 1 Abs. 5 DMSG für noch nicht ausreichend erforschte Denkmale bei Gefahr im Verzug) auch unter Denkmalschutz zu stellen. Eine Enteignung eines Grundeigentümers zu späterer Zeit, z.B. weil er sich später dazu entschließt, das infolge seines denkmalgerechten Verhaltens bei der Erstentdeckung in sein Eigentum übergegangene archäologische Denkmal nicht mehr denkmalgerecht behandeln zu 406 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? wollen, ist daher nicht erforderlich. Tritt dieser Fall ein, besteht offenkundig Gefahr im Verzug und das BDA kann, wenn es dafür ausreichend bedeutend ist, eine Unterschutzstellung des Denkmals veranlassen. Ist es hingegen nicht ausreichend bedeutend dafür, ist sein Verlust vermutlich auch archäologisch zu verschmerzen. Abs. 2 Absatz zwei setzt das gleiche Prinzip in Bezug auf bewegliche archäologische Denkmale um, nur noch deutlich radikaler als die bisher bestehende hadrianische Teilungsregel des § 399 ABGB. Dabei ist die derzeit geltende gesetzliche Regelung neuerlich in erster Linie aus ihrer historischen Entstehung zu erklären, die bereits weiter oben dargestellt wurde, und den heutigen Realitäten und Notwendigkeiten nicht mehr angemessen. Heute ist es so, dass die überwältigende Mehrheit beweglicher archäologischer Denkmale, die – ob zufällig, bei vorsätzlichen Nachforschungen durch Metallsucher oder bei systematischen archäologischen Ausgrabungen – gefunden werden, keineswegs im Sinne der Bestimmungen des § 398 ABGB „Geld, Schmuck oder andere Kostbarkeiten“ sind, sondern zu weit über 99% wirtschaftlich nahezu vollkommen oder gänzlich wertlos und auch wissenschaftlich in der Regel nur von geringer Bedeutung: zerscherbte Keramik, Tierknochen und stark fragmentierte und korrodierte Metallobjekte, die selbst als Sammlerstücke weniger als 1 Euro wert sind, machen die überwältigende Mehrzahl aller beweglichen archäologischen Denkmale aus, die tagtäglich in Österreich gefunden werden. Die Entdeckung von Gegenständen, die tatsächlich im Sinne des § 398 ABGB als „Schatzfunde“ zu betrachten wären, ist hingegen kaum wahrscheinlicher als ein Gewinn in der Lotterie, selbst bei der Verwendung von Metall- oder anderen Bodensuchgeräten. Der normale archäologische Fund gleicht also in seiner Natur heute weit eher dem Fund „verlorener oder vergessener Gegenstände“ iSd § 388 bzw. „verborgener Sachen“ iSd § 397 ABGB als „Schatzfunden“ im Sinne des § 398 ABGB. Auch der Zweck, zu dem die Bestimmungen des § 10 Abs. 1 DMSG iVm § 399 ABGB zur Eigentumsregelung von beweglichen archäologischen Funden heute verwendet werden, entspricht nicht mehr dem primär wirtschaftlichen Zweck der 1812 bzw. wohl bis zu einem gewissen Grad auch noch 1846 der Regelung des „Schatzfundeigentums“ im ABGB zugrunde lag, sondern diese Eigentumsregelungen dienen heute in erster Linie einem denkmalschützerischen Zweck: eben dem Zweck, Finder beweglicher archäologischer Denkmale dazu zu motivieren, ihre Funde auch tatsächlich dem BDA zu melden, damit dieses davon Kenntnis erhält, an welchen Stellen in Österreich mit bedeutenden archäologischen Denkmalen zu rechnen ist, bei denen geprüft werden muss, ob sie im öffentlichen Interesse zu erhalten und daher unter Denkmalschutz zu stellen sind; und damit die archäologische Wissenschaft nicht wichtiger archäologischer Quellen verlustig geht, die sie zur Erforschung der Vergangenheit zum Vorteil der Allgemeinheit braucht; statt sie heimlich am Schwarzmarkt zu verkaufen oder ebenso heimlich daheim in einem Keller oder auf einem Dachboden zu horten. Darüber hinaus ist heute auch der großgrundbesitzende Adel (und Klerus) für das Fortbestehen und Funktionieren der Republik Österreich nicht mehr wichtig; ganz im Gegenteil, der Adel ist abgeschafft und der Klerus nicht mehr rechtlich privilegiert. Es gibt also keinen gewichtigen Grund mehr, ein wirtschaftliches Profitinteresse des Großgrundbesitzes (das im frühen 19. Jahrhundert auch bis zu einem gewissen Grad mit einem Interesse am privaten Sammeln beweglicher archäologischer Denkmale verbunden war) an auf seinem Grund und Boden gemachten „Schatzfunden“ dadurch zu befriedigen, dass man dem Eigentümer eines Grundstückes, auf dem ein Schatz gefunden wurde, einen Eigentumsanteil an dem Schatz zuspricht. Tatsächlich gibt es sogar, wenn man davon ausgeht, dass es sich bei beweglichen (und unbeweglichen) archäologischen Denkmalen ganz grundsätzlich 407 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG entweder um Allgemeingut oder aber um herrenloses Gut handelt, oder wenigstens um Gut handelt, dessen vormaliger Eigentümer (und damit auch dessen allfällig noch lebender Rechtsnachfolger) sich nicht mehr ermitteln lässt, überhaupt keinen Grund dem Grundeigentümer, der nichts zur Entdeckung eines beweglichen archäologischen Gegenstandes beigetragen hat, einen Eigentumsanteil an auf seinem Grund und Boden gefundenen archäologischen Denkmalen zuzuerkennen. Vielmehr ist es so, dass es – ganz parallel zu den Bestimmungen der §§ 388-397 ABGB – der österreichischen Rechtstradition viel besser entsprechen würde, dem Finder beweglicher archäologischer Denkmale ein freies Aneignungsrecht an diesen verlorenen, vergessenen oder verborgenen Gegenständen zuzusprechen. Der hier neu vorgeschlagene Abs. 2 greift diesen Gedanken in Verbindung mit dem Argument auf, dass der größte verhaltenssteuernde Effekt, wenn man den Finder zur sachgemäßen Dokumentation und Meldung beweglicher archäologischer Funde motivieren möchte, dann erreicht wird, wenn man dem Finder, der die sachgemäße Dokumentation und Meldung des Fundes selbst durchführt oder in Auftrag gibt, dafür auch mit dem alleinigen Eigentum an dem rechtmäßig gefundenen und sachgemäß dokumentierten und gemeldeten Fund belohnt. Bindet man also, wie hier vorgeschlagen, den Erwerb des Eigentums an beweglichen archäologischen Funden an deren sachgemäße Dokumentation und Meldung, bewegt man Finder, gleichgültig ob sie ihre Funde nun behalten oder gewinnbringend verkaufen wollen, am ehesten dazu ihre Funde auch tatsächlich sachgerecht zu dokumentieren und dem BDA zu melden. Um gleichzeitig sicherzustellen, dass Personen, die nach archäologischen Funden suchen, nicht um diese zu finden Grabungen vornehmen, die gegen die hier neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 8 Abs. 1 verstoßen, d.h. tatsächlich denkmalgeschützte archäologische Denkmale betreffen, ist es aber auch wichtig vorzusehen, dass als Bestandteile eines bereits geschützten Denkmals automatisch mitgeschützte bewegliche archäologische Gegenstände, die bei ohne die notwendigen Bewilligungen gem. § 5 Abs. 1 und 8 Abs. 1 DMSG durchgeführten Grabungen entdeckt wurden, nicht in das Eigentum ihres – in diesem Fall ja rechtswidrigen – Finders übergehen, selbst wenn dieser sie sachgemäß dokumentiert hat. Daher wird im hier neu vorgeschlagenen Abs. 2 vorgesehen, dass Funde, die bei Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen entdeckt wurden, die entgegen der genannten Bewilligungspflichtbestimmung durchgeführt wurden, in das alleinige Eigentum der Republik übergehen. Dem liegt neuerlich, wie schon bei den Bestimmungen des Abs. 1 der Gedanke zu Grunde, dass, falls sich der Entdecker eines archäologischen Denkmales bei dessen Entdeckung verantwortungslos verhalten hat, der Staat als Vertreter der Interessen der Allgemeinheit jene Rechtsperson ist, die am besten zur Wahrung der Interessen der Allgemeinheit an der Erhaltung und dem Schutz der betroffenen archäologischen Denkmale geeignet ist. Darüber hinaus sorgt die Regelung, dass der Staat zum ungeteilten Eigentümer all jener Funde wird, die bei ohne Bewilligung des BDA durchgeführten Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen, die der Bewilligungspflicht des hier neu vorgeschlagenen § 8 Abs. 1 unterlegen hätten, entdeckt wurden, dazu, dass auch im Falle der Existenz einer Dokumentation die Eigentumsrechtslage völlig klar ist und der Staat sich nicht weiter darum bemühen muss herauszufinden, welcher Grundeigentümer nun potentiell unter hadrianischer Teilungsregel durch den mit illegalen Grabungen oft verbundenen Eigentumsentzug geschädigt wurde; und auch kein Grundeigentümer einen Anspruch auf Funde erheben kann, die von Dritten illegal auf seinem Grund und Boden ausgegraben wurden. Dass durch diese Bestimmungen bewegliche Kleinfunde, die bei zwar gem. § 8 Abs. 2 bewilligungspflichtigen, aber ohne Vorliegen der erforderlichen Bewilligung durchgeführten, Grabungen oder sonstigen Erdarbeiten entdeckt, aber sachgerecht entsprechend der Bestimmungen 408 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? des § 9 Abs. 1 und 2 dokumentiert wurden, dennoch ins Eigentum ihres Finders übergehen, liegt daran, dass es keinen Sinn hat, den Finder für die zwar rechtswidrige, aber dennoch sachgerecht durchgeführte und dokumentierte Entdeckung durch den Fundeigentumsverlust zu bestrafen. Ziel der hier vorgeschlagenen Neuregelung der archäologischen Bestimmungen ist es schließlich, Handelnde möglichst stark dazu zu animieren, sich in ihrem eigenen Interesse möglichst denkmalgerecht zu verhalten; und zwar in erster Linie dadurch, dass sie von ihnen entdeckte bewegliche und unbewegliche archäologische Denkmale möglichst sachgerecht dokumentieren und ihre Dokumentation auch dem BDA als staatlichem Zentralarchiv für derartige Dokumentationen übermitteln. Ist nun eine Grabung sachgerecht durchgeführt und sind dabei entdeckte bewegliche und unbewegliche Denkmale auch tatsächlich sachgerecht dokumentiert worden, ist wenigstens dieses Ziel wenigstens in diesem konkreten Fall auch ganz ohne Einhaltung der Bewilligungspflicht des § 8 Abs. 2 erreicht worden, die ja ihrerseits primär dem Zweck dient, vorab präventiv möglichst dafür sorgen zu können, dass das betreffende Denkmal nicht unsachgemäß ausgegraben wird. Nachdem die nun schon einmal durchgeführte Grabung auch nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, ist es auch retrospektiv gesehen einigermaßen gleichgültig, dass sie ohne Bewilligung durchgeführt wurde, selbst wenn sich vielleicht bei der präventiven Prüfung von Voruntersuchungsergebnissen herausgestellt hätte, dass es vielleicht besser gewesen wäre, wenn das betreffende archäologische Denkmal in situ erhalten worden wäre. Das einzige Ergebnis, dass man also erreichen würde, wenn man den Finder von beweglichen Kleinfunden nicht mit deren Eigentum belohnt, sondern ihn vielmehr mit Strafe bedroht, ist, dass er seine rechtswidrig ohne Genehmigung durchgeführte Grabung einfach gänzlich verheimlich und daher auch gleich ihre sachgerechte Dokumentation unterlassen kann. Damit wäre man aber bei der Situation zurück, die wir jetzt schon haben. Nachdem es – nachdem der Schaden nun schon einmal eingetreten ist bzw. am Eintreten ist, immer noch besser ist, das zerstört oder wenigstens maßgeblich verändert werdende archäologische Denkmal wird dabei sachgerecht dokumentiert und die Dokumentation auch anschließend dem BDA übermittelt, ist daher die einzig mögliche, logische Konsequenz, dass man dennoch dem Finder das Eigentumsrecht an den entdeckten beweglichen Denkmalen überträgt, um ihn damit wenigstens zum halbwegs sachgerechten Vorgehen zu motivieren. Für Grundeigentümer verschlechtert die hier vorgeschlagene Regelung zwar bis zu einem gewissen Grad die Rechtslage im Falle eines wirklichen Zufallsfundes eines echten Schatzes iSd § 398 ABGB igF durch eine dritte Partei – z.B. im Fall, dass ein Spaziergänger vollkommen zufällig einen Topf voll römischer Gold- und Silbermünzen auf ihrem Grund erspäht und diesen dann auch sachgemäß dokumentiert und meldet, an dem dann dem Grundeigentümer nicht mehr wie bisher ein Hälfteeigentumsanteil zusteht, sondern der dann zur Gänze seinem Finder gehört – allerdings kaum die Realität, was geschieht, wenn tatsächlich auf ihrem Grund und Boden bewegliche archäologische Denkmale entdeckt werden. Derartige Schatzfundereignisse unter solchen Fundumständen sind nämlich in der Wirklichkeit so außergewöhnlich selten, dass die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens so gering ist, dass sie praktisch vernachlässigbar ist; einmal abgesehen davon, dass bei der derzeit geltenden hadrianischen Teilungsregel die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Finder einen solchen Schatzfund einfach heimlich aneignet, nicht unbedeutend ist. Daher ist es auch schon bei der derzeitigen Rechtslage so, dass, selbst wenn ein solches ohnehin schon extrem unwahrscheinliches Ereignis eintritt, der Grundeigentümer vermutlich niemals seinen Hälfteeigentumsanteil am entdeckten Schatz erhalten wird, weil er von diesem niemals Kenntnis erlangt und der Finder – wissend, dass er den Schatz mit dem Grundeigentümer teilen müsste, wenn er den Schatzfund korrekt meldet – entweder gar keine Angaben zum Fundort aufzeichnet oder diese so fälscht, dass er selbst zum Alleineigentümer des Schatzes wird. Dies gereicht dem damit in seinem 409 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG ihm gesetzlich zustehenden Eigentumsanteil am Schatzfund geschädigten Grundeigentümer nicht zum Vorteil, dem archäologischen Denkmalschutz und der archäologischen Wissenschaft, die entweder keine oder falls doch aller Wahrscheinlichkeit nach gefälschte Daten zu den Fundumständen des Schatzfundes erhält, hingegen zum Nachteil. In allen anderen Fällen des Fundes beweglicher archäologischer Denkmale, also bei Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen, die entweder durch Personen, die mit Metall- oder anderen Bodensuchgeräten oder – da sie entsprechend der hier vorgeschlagenen Bestimmungen des § 8 Abs. 1 und 2 DMSG bewilligungspflichtig sind – von professionellen Archäologen durchgeführt werden, verschlechtert hingegen die hier vorgeschlagene Eigentumsregelung bezüglich beweglicher archäologischer Funde die Rechtsstellung des Grundeigentümers im Vergleich zur derzeitigen Rechtslage gar nicht, sondern verbessert sie sogar eher, weil in diesem Fall die hier vorgeschlagenen neuen Regelungen ebenfalls ihre verhaltenssteuernde Wirkung in einer Weise entfalten, die dem Grundeigentümer nützt. Nicht anders als derzeit ist es bei den hier neu vorgeschlagenen Regelungen weiterhin so, dass Grabungen oder sonstige in den Erdboden eingreifende Arbeiten oder Maßnahmen ebenso wie das bloße Betreten zu Suchzwecken des fremden Grundes nur dann gestattet sind, wenn sie der Grundeigentümer dem Durchführenden erlaubt hat; schließlich bleibt die rechtliche Verfügungsgewalt des Grundeigentümers über sein Grundeigentum durch die hier neu vorgeschlagenen Regelungen vollkommen unangetastet. Personen, die auf fremden Grund bewegliche archäologische Denkmale suchen und bergen wollen, bedürfen also in jedem Fall der Erlaubnis des Grundeigentümers. Suchen Personen hingegen ohne die Zustimmung des Grundeigentümers auf seinem Grund und Boden nach beweglichen archäologischen Denkmalen, machen sie sich jedenfalls der Besitzstörung und, wenn sie vom Grundeigentümer nicht gestattete Grabungen durchführen, jedenfalls auch der Sachbeschädigung schuldig. Bei der derzeit geltenden Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG, bei der ein Finder bloß einen Fundort angeben, diesen aber nicht entsprechend sachgerecht dokumentieren muss, um einen Eigentumsanspruch am gemeldeten Fund zu erwerben, ist es für Finder, wie bereits ausgeführt, jederzeit möglich, Fundortangaben zu fälschen und statt dem Grundstück, auf dem sie den Fund tatsächlich entdeckt haben, ein eigenes Grundstück oder das eines Verwandten, Freundes, Bekannten usw., der bei diesem Betrug mitzumachen bereit ist, anzugeben. Der Nachweis, dass der Fundort gefälscht wurde, kann in einem solchen Fall in der Regel überhaupt nicht oder, wenn doch, nur mit gewaltigem Aufwand geführt werden, geschweige denn, dass sich nachweisen ließe, wo der Fund tatsächlich herkommt, wenn der Finder diese Information verschweigt. Die hier neu vorgeschlagenen Regelungen für den Eigentumserwerb in Verbindung mit den weiter oben erläuterten Bestimmungen zur Dokumentationspflicht machen es hingegen für den Finder, der rechtmäßig das Eigentum an den von ihm gemachten Funden erwerben will, notwendig, eine sachgerechte Dokumentation anzufertigen und dem BDA zu übermitteln die, wie im oben vorgeschlagenen neuen Wortlaut des § 9 Abs. 2 Z 1 und 2 vorgesehen, wenigstens ein Foto der Fundstelle in ihrem weiteren landschaftlichen Kontext, der getätigten Funde, idealerweise in Fundlage, sowie einigermaßen genaue topografische Koordinaten der Fundstelle beinhalten muss. Damit wird die Fälschung von Fundortangaben erheblich erschwert, weil der Aufwand dafür maßgeblich größer wird als unter der derzeitigen Rechtslage, bei der eine bloße grobe Lokalisierung des Fundorts für den Eigentumserwerb durch den Finder genügt, und gleichzeitig die Überprüfbarkeit der Richtigkeit der gemachten Angaben deutlich erhöht: gegebenenfalls können bei Nachgrabungen am vom Finder angegebenen Ort Bodenproben entnommen und auf ihre chemische Zusammensetzung untersucht werden, woraus sich mit guter Wahrscheinlichkeit rückschließen lässt, 410 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? ob sich der betreffende Fund tatsächlich längere Zeit an Ort und Stelle im Boden befunden hat, wie z.B. die Nachuntersuchungen am Fundort der sogenannten Himmelsscheibe von Nebra gezeigt haben, oder ob das nicht der Fall war. Diese erhöhte Nachprüfbarkeit der Fundortangaben des Finders wiederum macht es für Finder, die tatsächlich einen rechtmäßigen Eigentumstitel an den von ihnen gemachten Funden erwerben wollen, notwendig korrekte Fundortangaben zu machen und, damit sie diese auch tatsächlich machen können, ihre Untersuchungen an Ort und Stelle tatsächlich nicht ohne Erlaubnis durch den Grundeigentümer vorzunehmen. Dieser muss diese Erlaubnis aber selbstverständlich nicht bedingungslos erteilen, sondern kann privatrechtlich mit der Person, die auf seinem Grund und Boden bewegliche archäologische Funde suchen möchte, entweder eine finanzielle Entschädigung für die Erlaubnis auf seinem Grund und Boden der Suche nach beweglichen archäologischen Funden nachzugehen oder aber eine Teilung des Eigentums an allfällig vom Suchenden entdeckten und sachgerecht dokumentierten und gemeldeten Funden vereinbaren, z.B. entsprechend der hadrianischen Teilungsregel. Tatsächlich werden, wenigstens wenn man Gerüchten aus der Szene der Metallsucher glauben kann, schon derzeit solche Vereinbarungen zwischen Metallsuchern und Eigentümern von Grundstücken, auf denen mit guter Wahrscheinlichkeit interessante und auch potentiell wirtschaftlich wertvolle bewegliche archäologische Funde entdeckt werden können, geschlossen und von den betreffenden Grundeigentümern „Sucherlaubnisgebühren“ eingehoben oder eine Realteilung der Funde entsprechend der hadrianischen Teilungsregel zwischen Grundeigentümern und Finden vorgenommen; derzeit allerdings all das natürlich ohne Kenntnis des BDA und ohne Abgabe der eigentlich gesetzlich verpflichtend vorgeschriebenen Fundmeldungen gemäß § 8 Abs. 1 DMSG igF. Damit würden durch die hier vorgeschlagenen Regelungen die Grundeigentümer im Unterschied zur derzeitigen Lage also ebenfalls besser gestellt: zwar verlieren sie durch diese Regelungen ihren „automatischen“, gesetzlichen Anspruch auf einen Hälfteeigentumsanteil an allen gemachten Funden, können diesen aber entweder am Weg privatrechtlicher Vereinbarungen wieder erwerben, wenn sie das wollen, oder aber völlig rechtmäßig mit an der Suche nach beweglichen archäologischen Denkmalen auf ihren Grundstücken interessierten Dritten Gebühren vereinbaren, die ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach mehr wirtschaftliche Profite bescheren als ihnen ein Hälfteeigentum an den – normalerweise eben weitgehend wertlosen – entdeckten beweglichen archäologischen Funden einbringen würde. Vergleichbares gilt schließlich bei der Entdeckung beweglicher archäologischer Denkmale bei systematischen archäologischen Ausgrabungen auf fremden Grund: nachdem diese keinesfalls ohne Zustimmung des Grundeigentümers stattfinden dürfen, normalerweise auch im Rahmen von Erdarbeiten oder anderen Maßnahmen, die der Grundeigentümer in Auftrag gegeben hat, stattfinden, und der Grundeigentümer in diesem Fall aller Wahrscheinlichkeit nach ohnehin auch Auftraggeber der archäologischen Arbeiten und damit auch der dabei angefertigten Dokumentation ist, werden Grundeigentümer in diesem Fall gewöhnlich ohnehin als „Finder“ im Sinne der hier vorgeschlagenen Regelungen zum Eigentümer der bei den von ihnen in Auftrag gegebenen Arbeiten dokumentierten und gemeldeten beweglichen archäologischen Funde. Die hier vorgeschlagene Regelung des Eigentumserwerbs an sachgerecht dokumentierten und legal geborgenen beweglichen archäologischen Funden ist also aufgrund des dadurch erwartungsgemäß zu erzielenden verstärkten Verhaltenssteuerungseffektes sowohl für den archäologischen Denkmalschutz und die archäologische Wissenschaft als auch für den Finder von derartigen Funden sowie den Eigentümer des Grundstückes, auf dem sie gefunden wurden, eine deutlich bessere Lösung als die derzeitige Rechtslage. 411 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG Abs. 2a (Übergangsbestimmung) Absatz 2a setzt das gleiche Prinzip wie der vorhergehende Absatz auf gem. dem oben neu vorgeschlagenen § 9 Abs. 1a „nachgemeldete“ bewegliche archäologische Denkmale um, die vor dem Inkrafttreten der hier vorgeschlagenen gesetzlichen Bestimmungen gefunden wurden. Ziel davon ist, wie schon in den Erläuterungen zu § 9 Abs. 1a ausgeführt, alle derzeitigen Eigentümer bzw. Besitzer möglicherweise rechtwidrig erworbener und jedenfalls rechtswidrig verheimlichter archäologischer Funde zu deren nachträglicher Meldung zu bewegen, indem ihnen das Eigentum an diesen Funden zuerkannt wird, wenn sie diese melden; und auf diesem Weg ein „vollständiges“ Archiv aller derzeit in Österreich vorhandenen archäologischen Denkmale zu schaffen, das ab Ende der gesetzlichen Übergangsfrist des oben neu vorgeschlagenen § 9 Abs. 1a erlaubt, alle danach im Besitz von Personen entdeckten beweglichen archäologischen Gegenstände, die nicht entsprechend der hier vorgeschlagenen oder bereits früher geltenden gesetzlichen Bestimmungen dem BDA gemeldet wurden, den Bestimmungen des § 10 Abs. 3 zu unterwerfen und zum Eigentum der Republik Österreich zu machen. Auf diese Weise wird das den hier neu vorgeschlagenen gesetzlichen Bestimmungen unterliegende Prinzip der Belohnung des gesetzestreu handelnden, von ihm gefundene archäologische Denkmale sachgerecht dokumentierenden und dem BDA meldenden Finders durch den rechtmäßigen Erwerb des alleinigen Eigentums an den von ihm gefundenen Denkmalen im Sinne eines freien Aneignungsrechtes für verlorene, vergessene oder verborgene Sachen, deren vormaliger Eigentümer sich nicht mehr ermitteln lässt, und Bestrafung des rechtswidrig diese Dokumentation und Meldung unterlassenden Finders durch Aberkennung dieses freien Aneignungsrechtes konsistent umsetzbar. Das erzeugt einen maximal verhaltenssteuernden Effekt hin zum denkmalpflegerisch und archäologisch-wissenschaftlich erwünschten Handeln, nämlich eben der sachgerechten Dokumentation der gemachten archäologischen Funde und ihrer Meldung an das Bundesdenkmalamt. Abs. 3 Der hier vorgeschlagene neue Absatz 3 zielt in Verbindung mit den Bestimmungen des Abs. 2 und 2a darauf ab, den erläuterten Verhaltenssteuerungseffekt auch tatsächlich zu erreichen, indem in ihm bestimmt wird, dass bewegliche archäologische Funde, die nicht sachgerecht dokumentiert und dem Bundesdenkmalamt gemäß der Bestimmungen des neu vorgeschlagenen § 9 Abs. 1, 1a und 2 gemeldet wurden, automatisch in das Eigentum der Republik Österreich übergehen. Die Bestimmung des Abs. 3 ist also das Gegenstück zu den Bestimmungen des Abs. 2 und 2a, das dazu führt, dass der Finder, der bei der Neuentdeckung eines beweglichen archäologischen Fundes nach Inkrafttreten der hier vorgeschlagenen gesetzlichen Bestimmungen die gesetzlich vorgeschriebene Dokumentation und Meldung unterlässt, dadurch bestraft wird, dass ihm kein Eigentumsanspruch an den entdeckten Funden erwächst. Ein weiterer Vorteil der hier vorgeschlagenen Bestimmungen ist es, dass im Sinne der Verbindung der Bestimmungen der §§ 9 Abs. 1, 1a und 2 und 10 Abs. 2, 2a und 3 die sachgerechte Dokumentation und Meldung von Funden beweglicher archäologischer Denkmale (inklusive der Nachmeldung bereits entdeckter aber bisher noch nicht gemeldeter Funde) an das BDA gleichzeitig einen eindeutigen Eigentumserwerbs- und Herkunftsnachweis für bewegliche archäologische Funde darstellt; der für Funde, unabhängig davon ob sie vor oder nach Inkrafttreten dieses Gesetzes entdeckt wurden, von nun an verpflichtend vorgesehen ist. Damit kann ab Ende der gesetzlichen Übergangsfrist des oben vorgeschlagenen § 9 Abs. 1a davon ausgegangen werden, dass sich alle beweglichen archäologischen Funde, für die ihr Besitzer keinen derartigen oder anderen rechtmäßigen Eigentumserwerbs- und 412 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Herkunftsnachweis vorweisen kann (z.B. einen Kaufnachweis), eigentlich im Eigentum der Republik Österreich befinden und daher beschlagnahmt werden können, wenn Ihre Existenz bekannt wird. Damit wird dann auch ab Ende der gesetzlichen Übergangsfrist des oben neu vorgeschlagenen § 9 Abs. 1a die unzulässige Ausfuhr und Übereignung von Kulturgütern im Sinne des Übereinkommens über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut, http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00456, das Österreich ebenfalls ratifiziert hat, bedeutend erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht: hat der Verkäufer keinen eindeutigen Eigentumserwerbs- und Herkunftsnachweis für ein archäologisches Denkmal aus Österreich, der auch anhand des vom BDA geführten, weitestgehend öffentlich zugänglichen archäologischen Archivs jederzeit überprüfbar ist, dann versucht er illegalerweise ein archäologisches Denkmal zu verkaufen, das eigentlich im Eigentum der Republik Österreich steht. Nur wenn ein archäologische Denkmal nachweislich nicht aus Österreich stammt – also z.B. durch einen auch entsprechend dokumentierten Ankauf aus dem Ausland nachweislich rechtmäßig erworben wurde (siehe dazu auch die Bestimmungen des KGRG) – ist die Bestimmung des hier vorgeschlagenen Absatzes nicht anwendbar: die reine Behauptung, das Denkmal würde aus dem Ausland stammen, genügt nicht, weil gemäß der Begriffsdefinition des hier neu vorgeschlagenen § 1 Abs. 1a iVm den Dokumentations- und Meldepflichten und den Eigentumserwerbsregeln der §§ 9 Abs. 2 Z 2 und 10 Abs. 2 und 2a auch archäologische Denkmale, die in Österreich über der Erdoberfläche aufgefunden wurden und deren vormaliger Eigentümer sich nicht mehr ermitteln lässt, als in Österreich gefundene bewegliche archäologische Denkmale zu betrachten sind, selbst wenn ihre Entdeckung im Lager oder Verkaufsraum eines Händlers gemacht wurde. Kann also der derzeitige Besitzer eines archäologischen Denkmals in Ermangelung eines rechtmäßigen Eigentumserwerbsnachweises nicht nachweisen, dass er tatsächlich der rechtmäßige Eigentümer des betreffenden Denkmals ist, und in Ermangelung eines rechtmäßigen Herkunftsnachweises auch nicht nachweisen, dass es nicht auf österreichischem Bundesgebiet entdeckt wurde, unterliegt dieses Denkmal vollständig den hier neu vorgeschlagenen Bestimmungen und geht somit automatisch in das Eigentum der Republik Österreich über. Dies hat im Fall, dass sich später herausstellt, dass dieses Denkmal widerrechtlich im Ausland entdeckt und aus diesem nach Österreich verbracht wurde, z.B. wenn ein anderer Staat einen Eigentumsanspruch auf das betreffende Denkmal im Sinne der Bestimmungen des Übereinkommens über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut, http://www.parlament.gv.at/ PAKT/VHG/XXV/I/I_00456, oder nach dem KGRG erhebt, den bedeutenden Vorteil, dass die in diesem Übereinkommen geforderte und im KGRG gesetzlich vorgesehene Rückerstattung an diesen ausländischen Staat einfach und rasch möglich ist. Die hier vorgeschlagenen Bestimmungen sind also sowohl aufgrund ihres verhaltenssteuernden Effektes in Hinblick auf die möglichst sachgerechte Dokumentation neu entdeckter archäologischer Denkmale und ihre Meldung an das Bundesdenkmalamt als auch deshalb, weil sie eine effektive Unterbindung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut im Sinne des einschlägigen internationalen Übereinkommens, das Österreich ratifiziert hat, den derzeit geltenden Bestimmungen eindeutig überlegen und diesen daher vorzuziehen. Abs. 4 Dieser Absatz dehnt das derzeit schon bestehende Recht der Gebietskörperschaften gemäß § 10 DMSG igF, dem anderen Teileigentümer bewegliche archäologische Denkmale, die bereits aufgrund der hadrianischen Teilungsregel des § 399 ABGB igF im Teileigentum der betreffenden Gebietskörperschaft stehen, für deren inländischen Verkehrswert abzulösen, auf alle in Österreich 413 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG entdeckten beweglichen und unbeweglichen archäologischen Denkmale aus, unabhängig davon, ob diese bereits zum Teil im Eigentum der betreffenden Gebietskörperschaft stehen oder nicht. Dies ist unter den Bedingungen der hier vorgeschlagenen Änderung der archäologischen Bestimmungen des DMSG schon alleine deshalb sinnvoll und notwendig, weil aufgrund der hier vorgeschlagenen Neuregelung des Eigentumserwerbs an beweglichen archäologischen Denkmalen die Gebietskörperschaften nur noch dann zum Eigentümer – und dann ohnehin zum Alleineigentümer – solcher Denkmale werden, wenn diese entweder bei archäologischen Maßnahmen, die die betreffende Gebietskörperschaft in Auftrag gegeben hat, dokumentiert wurden oder im Falle des Staates auch, wenn – und weil – diese bei ihrer Entdeckung überhaupt nicht dokumentiert wurden. Dadurch können allerdings bedeutende bewegliche oder unbewegliche Funde verloren gehen, weil sie ihr Eigentümer – selbst wenn sie unter Denkmalschutz gestellt werden – nicht langfristig erhalten und öffentlich zugänglich machen kann; z.B. weil diesen die dafür notwendigen Mittel und Möglichkeiten fehlen. In einem solchen Fall, und zwar nur in einem Fall, in dem die Erhaltung und öffentliche Zugänglichkeit der betreffenden archäologischen Denkmale nur durch den Eigentumserwerb durch die Gebietskörperschaften und nicht durch den privaten Eigentümer langfristig gesichert werden kann, kann durch eine Gebietskörperschaft das Ankaufsrecht geltend gemacht werden. Die Geltendmachung des Ankaufsrecht muss schriftlich und binnen drei Jahren ab der Mitteilung der Entdeckung bzw. dem Bekanntwerden der Tatsache, dass ein privater Eigentümer die langfristige Erhaltung und öffentliche Zugänglichmachung des betroffenen archäologischen Denkmales nicht mehr sicherstellen kann, an das Bundesdenkmalamt erfolgen. Die restlichen Bestimmungen dieses Absatzes entsprechen den bereits bisher geltenden Bestimmungen des § 10 DMSG igF. Auf diese Weise können Gebietskörperschaften archäologische Denkmale oder sonstige Denkmale, die durch Zerstörung durch Unzumutbarkeit der Instandhaltung durch ihren Eigentümer gefährdet sind oder deren öffentliche Zugänglichkeit im Sinne der Faro-Konvention (Europarat 2005) nicht sichergestellt werden kann, solange sie sich im privaten Eigentum befinden (z.B. weil der private Eigentümer sich weigert, sie öffentlich zugänglich zu machen) unter Voraussetzung einer angemessenen wirtschaftlichen Entschädigung ihres privaten Eigentümers zum Vorteil und Nutzen der Allgemeinheit erwerben. Gleichzeitig können die Gebietskörperschaften aber nicht einem privaten Eigentümer archäologischer Denkmale einfach deshalb das Eigentum an diesen Sachen entziehen, weil sie selbst einen Vorteil daraus ziehen wollen, der sonst dem privaten Eigentümer entstehen würde, z.B. indem er einen besonders prominenten archäologischen Fund gewinnbringend in einem öffentlich zugänglichen, aber nur gegen Eintrittsgeld zu besichtigenden Privatmuseum ausstellt und sich eine Gebietskörperschaft diesen Fund für eines ihrer (eventuell ebenfalls nur gegen Eintrittsgeld zu besichtigenden) Museen sichern möchte. Auch in diesem Fall bleibt also die Unverletzlichkeit des Eigentums gesichert, solange die Ausübung der privaten Eigentumsrechte des Eigentümers nicht seine privaten Eigentumsinteressen überwiegende öffentliche Interessen gefährdet. Maßnahmen zur Sicherung von Fundstellen und archäologischen Denkmalen Zusätzlich zu den zuvor vorgeschlagenen Bestimmungen ist es auch noch notwendig, Bestimmungen für Maßnahmen zur Sicherung von Fundstellen und (anderen) archäologischen Denkmalen vorzusehen, die dem BDA als staatliche Kontrollbehörde ermöglichen, im Bedarfsfall einzuschreiten und unbedingt erforderliche Maßnahmen selbst zu setzen oder Dritte setzen lassen zu können. Diese Bestimmungen finden sich im neu für § 11 DMSG vorgeschlagenen Gesetzeswortlaut. 414 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Insbesondere ist hier vorzusehen, dass – nach dem hier vorgelegten Vorschlag ja möglichst präventiv und wenigstens teilweise ohne Erfordernis einer vorherigen Genehmigung durch das BDA durchzuführenden archäologischen Feldforschungsmaßnahmen – das BDA solche archäologischen Feldarbeiten, deren unsachgemäße bzw. nicht denkmalgerechte Durchführung ihm während deren Durchführung bekannt wird, unmittelbar – wegen Gefahr im Verzug – einstellen und nötigenfalls selbst durchführen oder von geeigneteren Personen als die, die nicht denkmalgerecht gearbeitet haben, entsprechend denkmalgerecht durchführen lassen kann. Ebenfalls ist hier vorzusehen, dass, nachdem das Eingreifen der staatlichen Kontrollbehörde ja überhaupt nur deshalb notwendig wird, weil sich jemand nicht entsprechend denkmalgerecht verhält, der Verursacher und nicht etwa die Republik zur Kostentragung heranzuziehen ist. Schließlich ist noch die im neuen Vorschlag fehlende Möglichkeit für das BDA vorzusehen, bewegliche archäologische Denkmale, deren wissenschaftliche Auswertung durch ihren Finder unterlassen wird oder nicht ausreichend gesichert scheint, zum Zweck der für ihre wissenschaftliche Nutzbarmachung erforderlichen Bearbeitung dem BDA zeitweilig zu überlassen sind. Auch hier wird wieder zuerst der Vorschlag für den neuen Gesetzeswortlaut vorgestellt, ehe genauere Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen dieses Paragrafen folgen. § 11 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut „§ 11. (1) Unbeschadet der Bestimmungen des § 30 Abs. 1 ist das Bundesdenkmalamt berechtigt, alle Grabungen, Arbeiten und sonstige Maßnahmen, die archäologische Denkmale gefährden könnten, jederzeit fachlich zu kontrollieren oder zu beaufsichtigen und nötigenfalls, auch wenn die Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen zuvor gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 bewilligt wurden, die Weiterführung von unsachgemäß durchgeführten Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen, die archäologische Denkmale tatsächlich gefährden, einzustellen. Die gefährdeten Denkmale unterliegen im Fall einer derartigen Einstellung bis zum Abschluss der in Abs. 2 und 3 beschriebenen Arbeiten, längstens aber auf die Dauer von sechs Wochen ab dem Tag der Einstellung, den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, und zwar während dieser Zeit einheitlich gemäß den Bestimmungen bei Unterschutzstellung durch Bescheid (§ 3 Abs. 1). Bis zum Ende dieser Frist hat das Bundesdenkmalamt zu entscheiden, ob diese archäologischen Denkmale weiterhin den Beschränkungen dieses Bundesgesetzes (in allen Fällen nach den Rechtsfolgen für Unterschutzstellungen durch Bescheid gemäß § 3 Abs. 1) unterliegen; einem Rechtsmittel gegen diesen Bescheid kommt keine aufschiebende Wirkung zu. Soweit hinsichtlich archäologischer Denkmale bereits vor ihrer konkreten Auffindung (Ausgrabung) gemäß einem in § 1 Abs. 4 genannten Verfahren festgestellt wurde, dass die Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist, erübrigt sich eine neuerliche bescheidmäßige Entscheidung des Bundesdenkmalamtes gemäß den Bestimmungen dieses Absatzes. (2) Besteht die Gefahr, dass archäologische Denkmale in Folge der gemäß Abs. 1 vorgenommenen Einstellung von Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen zu Schaden kommen, kann das Bundesdenkmalamt geeignete Rettungsgrabungs- oder sonstige Ersatzmaßnahmen in Auftrag geben oder selbst durchführen. Die Kosten für aufgrund einer Einstellung unsachgemäß durchgeführter Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen notwendig werdende archäologische Rettungsgrabungs- oder sonstige Ersatzmaßnahmen hat der Verursacher dieser Maßnahmen zu tragen. (3) Unbeschadet der Bestimmungen des § 30 Abs. 1 sind Finder, Eigentümer, dinglich Verfügungsberechtigte oder unmittelbare Besitzer des Fundgrundstückes verpflichtet, die auf diesem aufgefundenen beweglichen archäologischen Denkmale über Verlangen des Bundesdenkmalamtes – 415 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG befristet auf längstens zwei Jahre – diesem zur wissenschaftlichen Auswertung und Dokumentation zur Verfügung zu stellen. (4) Unabhängig von allen anderen rechtlichen Folgen gelten die Bestimmungen dieses Paragrafen auch für jene Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen, die entgegen den Bestimmungen der §§ 8 Abs. 1 oder 2 durchgeführt werden oder überhaupt keiner Bewilligungspflicht unterliegen.“ Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 11 DMSG Der abschließende neu vorgeschlagene Paragraf der „archäologischen“ Bestimmungen des DMSG betrifft Maßnahmen zur Sicherung von Fundstellen und archäologischen Denkmalen und übernimmt – wenn auch teilweise deutlich aufgrund der Änderung der anderen Paragrafen modifiziert – im Wesentlichen Bestimmungen, die schon bisher im DMSG igF enthalten waren. Die wesentlichsten Änderungen zur bisherigen Situation sind das nun auch explizit gefasste Recht des BDA, unsachgemäß durchgeführte archäologische Maßnahmen einzustellen, sofern durch ihre Weiterführung archäologische Denkmale tatsächlich gefährdet werden und das Recht im Falle einer solchen Einstellung von unsachgemäßen Arbeiten, sofern durch diese Einstellung eine Beschädigung archäologischer Denkmale zu befürchten ist, Ersatz- bzw. Rettungsmaßnahmen anzuordnen oder selbst durchzuführen, für deren Kosten der Verursacher der Einstellung aufzukommen hat. Diese Sicherungsmaßnahmen waren bisher im § 9 DMSG igF zu finden und betrafen in erster Linie Zufallsfunde von archäologischen Denkmalen. Nachdem aber, wie bereits oben ausgeführt wurde, Zufallsfunde von archäologischen Denkmalen inzwischen seit langem die Ausnahme und nicht mehr wie bei der Einführung des DMSG 1923 die Regel sind, wurden sie in der hier vorgeschlagenen Neufassung der archäologischen Bestimmungen des DMSG an deren Ende gereiht, weil sie sich nunmehr durchgehend auf in der Neufassung zuvor erläuterte Maßnahmen beziehen und daher nur in der hier gewählten Reihenfolge wirklich verständlich sind. Abs. 1 Der hier neu vorgeschlagene Absatz 1 übernimmt im Wesentlichen die bereits bisher geltenden Bestimmungen des § 9 Abs. 3 DMSG igF, passt sie an den Rahmen, den die hier vorgeschlagene Neufassung des DMSG setzt, an und erweitert sie so, dass sie auch die in diesem Rahmen notwendige Wirkung entfalten können. Wie bereits mehrfach erwähnt, sind besondere Schutzbestimmungen von archäologischen Zufallsfunden im Kontext der hier in den oben erläuterten §§ 8 und 9 DMSG eingeführten Bewilligungs- und Dokumentationspflichten nicht mehr notwendig, weil Zufallsfunde schon derzeit und unter den hier vorgeschlagenen Neuregelungen praktisch überhaupt nicht mehr vorkommen können und, wenn sie wider Erwarten doch auftreten, nicht anders zu dokumentieren und melden sind, als wenn sie nicht zufällig entdeckt worden wären. Was jedoch im DMSG igF bisher weitgehend fehlt und insbesondere im Zusammenhang mit der hier vorgeschlagenen Neuregelung des archäologischen Denkmalschutzes notwendig erscheint, ist eine auch explizit im Gesetz geregelte Möglichkeit für das BDA, unsachgemäß durchgeführte Grabungen, Arbeiten oder sonstige Maßnahmen, ob diese nun gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 bewilligt wurden oder nicht, bei denen die notwendige sachgerechte Dokumentation gemäß den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und 2 gefährdet erscheint, einzustellen und eine sachgemäße Durchführung und Dokumentation der durchgeführten Maßnahmen sicherzustellen. Dies wird in diesem Absatz durch die Übernahme und Ausweitung der bisher für Zufallsfunde vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen des § 9 Abs. 3 DMSG igF erreicht. Gemäß der hier neu vorgeschlagenen Bestimmungen wird dem BDA – wie ohnehin auch schon bisher vorgesehen und unbeschadet der Bestimmungen des § 30 Abs. 1 DMSG – das Recht eingeräumt, alle Grabungen, Arbeiten und sonstige Maßnahmen, die archäologische Denkmale gefährden könnten, 416 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? unbeachtlich ob diese bereits zuvor gemäß der Bestimmungen des neuen § 8 Abs. 1 und 2 bewilligt wurden, jederzeit fachlich zu kontrollieren oder zu beaufsichtigen sowie, wenn aufgrund ihrer unsachgemäßen Durchführung die Erhaltung und sachgerechte Dokumentation tatsächlich an Ort und Stelle vorhandener archäologischer Denkmale gefährdet wird, diese Grabungen, Arbeiten und sonstigen Maßnahmen auch jederzeit einzustellen. Eine aus diesen Gründen erfolgte Einstellung durch das BDA zieht dann die Rechtsfolgen nach sich, die bisher im Fall von Zufallsfunden vorgesehen waren, nämlich die automatische Unterschutzstellung des betroffenen archäologischen Denkmales (und zwar nunmehr gleichgültig ob es beweglich oder unbeweglich ist) auf die Dauer von bis zu 6 Wochen ab der Einstellung, um das betroffene archäologische Denkmal nötigenfalls in einem beschleunigten Verfahren auch dauerhaft unter Denkmalschutz stellen zu können und Zeit für in Abs. 2 vorgesehene, allfällig notwendige Ersatzmaßnahmen bzw. Rettungsgrabungen zu gewinnen. Damit wird dem BDA die Möglichkeit gegeben, im akuten Notfall, wenn archäologische Denkmale durch Zerstörung oder Veränderungen gefährdet sind, entsprechend einzugreifen und die unmittelbare Gefährdung vorerst einmal abzuwenden. Nachdem aber im Gegensatz zur derzeitigen Situation die Bestimmungen dieses Absatzes nicht jedes Mal automatisch greifen, wenn archäologische Denkmale entdeckt werden, sondern erst zu greifen beginnen, wenn das BDA befürchten muss, dass akut Schaden an archäologischen Denkmalen entstehen könnte, ist die hier vorgeschlagene Bestimmung weniger invasiv als die bisherige Bestimmung des § 9 Abs. 3 DMSG igF. Bedenkt man, dass entsprechend der hier vorgeschlagenen Neufassung der archäologischen Paragrafen des DMSG die meisten Grabungen, Arbeiten und sonstigen Maßnahmen, bei denen archäologische Denkmale gefährdet werden könnten, ohnehin einer Bewilligung des BDA gem. § 8 Abs. 1 oder 2 bedürfen und daher in der Regel von professionellen Archäologen sachgemäß durchgeführt werden dürften, ist davon auszugehen, dass diese Eingriffsmöglichkeit des BDA nur in den seltensten Fällen genutzt werden wird und daher Grabungen, Arbeiten oder sonstige Maßnahmen die archäologische Denkmale gefährden könnten weit seltener eingestellt werden müssen, als das derzeit der Fall ist. Unerwartete Verzögerungen, z.B. von Bauarbeiten, durch die gemäß der Bestimmungen dieses Absatzes verfügte Einstellung von Arbeiten an Ort und Stelle, sollten also durch diese Neuregelung im Vergleich zur derzeitigen Situation deutlich abnehmen. Abs. 2 Der hier neu vorgeschlagene Absatz 2 führt das neu geschaffene Recht des BDA ein, Rettungsgrabungen oder sonstige notwendig werdende Ersatzmaßnahmen anzuordnen oder selbst durchzuführen, wenn durch die notwendig gewordene Einstellung von Arbeiten gemäß den Bestimmungen des Abs. 1 an Ort und Stelle vorkommende archäologische Denkmale zu Schaden kommen könnten. Die Kosten für diese notwendig werdenden Maßnahmen hat ihr Verursacher zu tragen, d.h. jene Person, die eine Einstellung notwendig machenden unsachgemäß durchgeführten Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen in Auftrag gegeben oder selbst durchgeführt hat, d.h. in der Regel bei Bauarbeiten der Bauträger. Dabei ist dieses Recht des BDA so gefasst, dass es möglichst wenig in vom Verursacher archäologischer Maßnahmen getroffene Arrangements oder Vereinbarungen eingreift: das BDA kann Rettungsgrabungen oder sonstige Ersatzmaßnahmen nur dann anordnen oder selbst durchführen, wenn durch die Einstellung der Arbeiten an Ort und Stelle, also bereits dadurch, dass dort vorerst einmal keine weiteren Arbeiten unternommen werden, eine Gefahr für die dort vorhandenen archäologischen Denkmale entsteht. Genügt also die bloße Einstellung der Arbeiten an Ort und Stelle bereits, um die archäologischen Denkmalen drohende Gefahr der Beschädigung abzuwenden, kann das BDA nicht Rettungsgrabungen oder sonstige Ersatzmaßnahmen anordnen. Vielmehr kann in einem solchen Fall der Verursacher der Einstellung der Arbeiten, also z.B. ein Bauträger, der die 417 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG Ausgrabung und Dokumentation an Ort und Stelle vorkommender archäologischer Denkmale selbst vorzunehmen versucht hat, dazu aber nicht ausreichend kompetentes Personal beschäftigt und diese daher nicht ausreichend sachgemäß ausgegraben und dokumentiert hat, selbst z.B. ein ausreichend kompetentes archäologisches Dienstleistungsunternehmen damit beauftragen, die sachgemäße Ausgrabung und Dokumentation der angetroffenen archäologischen Denkmale durchzuführen, oder selbst ausreichend kompetentes Personal dafür anstellen, wie es ihm besser gefällt und zu den Konditionen, die er mit diesem Unternehmen oder diesen Mitarbeitern vereinbart. Nur dann, wenn bereits das bloße „Nichtstun“ an Ort und Stelle wahrscheinlich dazu führen würde, dass die dort vorkommenden archäologischen Denkmale beschädigt werden, kann das BDA zu seinen eigenen Konditionen die an Ort und Stelle notwendigen Arbeiten entweder selbst durchführen oder – z.B. bei einem ausreichend kompetenten archäologischen Dienstleistungsunternehmen – in Auftrag geben und dem Verursacher die dadurch entstehenden Kosten in Rechnung stellen. Ziel der in Abs. 1 und 2 neu vorgeschlagenen Regelungen ist die ausreichende Qualitätssicherung archäologischer Arbeiten im Sinne der Bestimmungen des Art. 3 Z ii der Valetta-Konvention (Europarat 1992). Durch die Möglichkeit der Einstellung von Arbeiten, die nicht in der notwendigen Qualität durchgeführt werden, und die Möglichkeit, diese nötigenfalls auf Kosten des Verursachers selbst durchzuführen oder von ausreichend kompetenten Dritten durchführen zu lassen, soll dafür gesorgt werden, dass Personen, die archäologische Arbeiten selbst durchführen oder in Auftrag geben müssen, nicht dadurch Schaden an archäologischen Denkmalen erzeugen, dass sie die notwendigen Arbeiten durch billige aber nicht ausreichend kompetente Anbieter durchführen lassen. Abs. 3 Übernimmt weitgehend wörtlich, nur sprachlich angepasst, die bereits bisher geltenden Bestimmungen des § 9 Abs. 4 DMSG igF. Abs. 4 Übernimmt wörtlich, nur in Bezug auf die Paragrafennummern der Bewilligungsparagrafen der hier vorgeschlagenen Neufassung angepasst, die Bestimmungen des § 9 Abs. 5 DMSG igF. Strafbestimmungen Durch die hier vorgeschlagenen Änderungen ergibt sich auch zwingend die Notwendigkeit, die Strafbestimmungen des § 37 DMSG entsprechend anzupassen. § 37 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut „§ 37. (1) Wer entgegen den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 ein Einzeldenkmal oder ein als Einheit unter Denkmalschutz gestelltes Ensemble oder eine als Einheit unter Denkmalschutz gestellte Sammlung zerstört, ist, wenn die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer gerichtlicher Strafe bedroht ist, vom Gericht mit einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Neben der Geldstrafe ist für den Fall, dass die in § 36 vorgesehene Wiederherstellung nicht verfügt oder die zwar verfügte Wiederherstellung vorsätzlich trotz förmlicher Mahnung nicht vorgenommen wird, auf eine Wertersatzstrafe zu erkennen. Unter diesen Voraussetzungen ist auf eine Wertersatzstrafe auch dann zu erkennen, wenn die Tat nach einer anderen Bestimmung mit strengerer gerichtlicher Strafe bedroht ist. Die Höhe der Wertersatzstrafe hat entweder den Kosten, die zur Wiederherstellung oder zur Herstellung eines gleichwertigen Gegenstandes aufgewendet hätten werden müssen, oder dem höheren durch die Tat erzielten Nutzen zu entsprechen. Die Wertersatzstrafe ist allen an der Tat Beteiligten unter Bedachtnahme auf die Grundsätze der Strafbemessung (§§ 32 bis 35 StGB) anteilsmäßig aufzuerlegen. Das Strafverfahren obliegt den Gerichtshöfen erster Instanz. 418 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? (2) 1. Wer vorsätzlich entgegen den Bestimmungen – – des § 4 Abs. 1 und 2 bzw. § 5 Abs. 1 ein Denkmal verändert oder der §§ 17, 18, 19 und 22 bzw. entgegen der Verordnung (EG) Nr. 116/2009 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1081/2012 zu der Verordnung (EG) Nr. 116/2009, ABl. Nr. L 324 vom 22.11.2012 S. 1 Kulturgut widerrechtlich ins Ausland verbringt oder widerrechtlich belässt, ferner – wer die gemäß §§ 31 oder 36 angeordneten Maßnahmen verhindert oder zu erschweren sucht, ist, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis 50 800 Euro zu bestrafen. 2. Wer vorsätzlich entgegen den Bestimmungen des § 6 Abs. 5 ein Denkmal aus einer Sammlung veräußert, belastet oder erwirbt, ist, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, mit Geldstrafe bis 25 400 Euro zu bestrafen. Auch können die aus einer Sammlung gemäß § 1 Abs. 5 letzter Satz ohne Bewilligung gemäß § 6 Abs. 5 veräußerten Gegenstände für verfallen erklärt werden. 3. Wer vorsätzlich entgegen der Bestimmungen des § 8 Abs. 1 oder 2 Grabungen, Arbeiten oder sonstige Maßnahmen ohne die dafür vorgesehene Genehmigung durchführt, ist, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, mit Geldstrafe bis zur Höhe des mutmaßlichen wirtschaftlichen Gesamtwertes der geplanten Arbeiten (z.B. des Bauprojekts), zu deren Durchführung die Missachtung der Bewilligungspflicht beigetragen hat, bzw. bei Maßnahmen zur Bergung von wirtschaftlich wertvollen Fundgegenständen mit Geldstrafe bis zur Höhe des wahren wirtschaftlichen Wertes (Verkehrswertes) der dabei entdeckten Fundgegenstände, zu bestrafen. 4. Die Bestimmungen des Abs. 1 hinsichtlich der Verhängung einer Wertersatzstrafe gelten gleichermaßen für Strafverfahren aufgrund dieses Absatzes. (3) Wer vorsätzlich 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. die sachgerechte Dokumentation und deren Übermittlung an das Bundesdenkmalamt gemäß § 9 Abs. 1 und 2 unterlässt oder unrichtige Angaben macht, nach einer Einstellung von unsachgemäßen Arbeiten durch das Bundesdenkmalamt ohne dessen Erlaubnis den Zustand einer Fundstelle oder der aufgefundenen Gegenstände entgegen den Bestimmungen des § 11 Abs. 1 verändert, die Durchführung von durch das Bundesdenkmalamt in Auftrag gegebenen oder selbst vorgenommenen Grabungen oder sonstigen Ersatzmaßnahmen gemäß § 11 Abs. 2 unterlässt oder zu vereiteln sucht, Fundgegenstände entgegen den Bestimmungen des § 11 Abs. 3 nicht zur Verfügung stellt, die Möglichkeit der Geltendmachung und Durchsetzung des Ablöserechtes gemäß § 10 Abs. 4 verhindert, die Kennzeichnung als geschütztes Denkmal (§ 12) oder gemäß der Haager Konvention (§ 13 Abs. 6) missbräuchlich verwendet oder die bescheidmäßig angeordneten Kennzeichnungen unterlässt, die in § 30 vorgesehenen Auskünfte und Meldungen nicht oder unrichtig erstattet, die gemäß § 30 vorgesehene Besichtigung und wissenschaftliche Untersuchung von Denkmalen und vermuteten Bodenfunden sowie die vorgesehene Überwachung durch das Bundesdenkmalamt zu behindern oder zu vereiteln sucht, 419 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG ist, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bietet, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis 5 000 Euro zu bestrafen. Die Bestimmungen des Abs. 1 hinsichtlich der Verhängung einer Wertersatzstrafe gelten gleichermaßen für Strafverfahren aufgrund dieses Absatzes. (4) Wer vorsätzlich 1. 2. 3. eine Meldung über die Unmöglichkeit der Vornahme notwendiger geringfügiger Instandsetzungsmaßnahmen gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 unterlässt, ohne Bewilligung gemäß § 6 Abs. 1 ein Denkmal veräußert, die gemäß § 6 Abs. 4 vorgesehene Verständigung des Bundesdenkmalamtes von der Veräußerung eines Denkmals oder die Inkenntnissetzung des Erwerbers von der Tatsache, dass dieses unter Denkmalschutz steht oder ein Unterschutzstellungsverfahren eingeleitet wurde, unterlässt, ist, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis 2 100 Euro zu bestrafen. Die Bestimmungen des Abs. 1 hinsichtlich der Verhängung einer Wertersatzstrafe gelten gleichermaßen für Strafverfahren aufgrund dieses Absatzes. (5) Bei den Entscheidungen gemäß den Abs. 2 bis 4 sind Kriterien der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit zu berücksichtigende Umstände. (6) Soweit das Bundesdenkmalamt in Fällen, in denen ein Strafverfahren bereits läuft, eine nachträgliche Bewilligung erteilt oder bescheidmäßig feststellt, dass ein öffentliches Interesse an der Erhaltung eines Denkmals in situ oder durch Dokumentation tatsächlich nicht besteht oder bestanden hat, ist dieses einzustellen. (7) Die Verjährungsfrist gemäß § 31 Abs. 2 VStG beginnt bei den in den Abs. 2 bis 4 aufgezählten Delikten erst ab dem Zeitpunkt, zu dem das Bundesdenkmalamt von den unerlaubt vorgenommenen Handlungen oder Unterlassungen Kenntnis erlangt hat und die schuldtragende Person ausgeforscht ist; die Frist endet jedenfalls fünf Jahre nach Beendigung der Tat. (8) In Strafverfahren gemäß Abs. 1 bis 4 sind Äußerungen des Bundesdenkmalamtes einzuholen. (9) Die gemäß § 37 eingehenden Gelder fallen dem Bund zu und sind für Ausgaben im Rahmen des Denkmalfonds zweckgebunden.“ Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 37 DMSG Als eine Folge der oben vorgeschlagenen Neuregelungen und insbesondere der Umstellung der Reihenfolge der „archäologischen“ Paragrafen sind einige kleinere Folgeänderungen in den Strafbestimmungen des § 37 DMSG erforderlich. Dabei handelt es sich mit Ausnahme einer Änderung nur um Anpassungen von Paragrafen- und Absatznummern sowie sprachliche Änderungen, nicht um inhaltliche Änderungen. Die Strafbestimmungen des § 37 Abs. 2 Z 6 und 7 igF werden, weil obsolet, gestrichen. Die eine erwähnte, bedeutendere inhaltliche Änderung findet sich im neu vorgeschlagenen Abs. 2 Z 3, in dem der Strafrahmen für entgegen der Bewilligungspflichten des § 8 Abs. 1 und 2 in der hier vorgeschlagenen Fassung durchgeführte Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen bestimmt wird. Diese ersetzt die bisher in Abs. 2 Z 2 igF enthaltene (und aus diesem nun ausgegliederte) Strafbestimmung für Verstöße gegen die Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 igF, die einen Strafrahmen von bis zu € 25.400 vorgesehen hat. 420 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Der bisher vorgesehene Strafrahmen ist jedoch aus gleich zweierlei Gründen höchst problematisch: er ist für Verwaltungsübertretungen durch gewöhnliche Bürger, die z.B. bei der Metallsuche irgendwelche weitgehend wertlosen Fundstücke entdeckt haben, viel zu hoch (und wird daher auch in der Praxis durch die Anwendung der Bestimmungen des Abs. 3 igF normalerweise auf durchschnittlich € 250-500 reduziert) und daher auch als Verhaltenssteuerungsmaßnahme für den Durchschnittsbürger, der das Gesetz liest, vollkommen sinnlos. Denn der Bürger, der diese Zahl sieht und diese mit seinem Einkommen vergleicht, glaubt, dass die Strafe für die Verletzung des § 11 Abs. 1 igF etwa zwei Drittel seines Jahreseinkommens beträgt (oder wenigstens betragen könnte), was den Durchschnittsbürger unmittelbar ruinieren würde. Das macht die angedrohte Strafe für seine weiteren Erwägungen weitgehend irrelevant, weil es für ihn nur noch darauf anzukommen scheint, ob er überhaupt erwischt wird. Das führt einerseits dazu, dass die Meldewilligkeit von Bürgern, die entgegen der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 igF nach Funden gesucht haben, noch weiter sinkt und andererseits dazu, dass die Fundumstände nur noch weniger dokumentiert werden, weil ja, solange ein Loch im Boden erkenntlich ist, die Chance erwischt und auch bestraft werden zu können am größten ist. Umgekehrt ist die Strafhöhe für Bauunternehmen und andere größere Erdarbeiten durchführende Personen, deren potentiell archäologische Denkmale im Boden gefährden könnende Handlungen ja im hier vorgelegten Änderungsvorschlag ebenfalls den denkmalschutzrechtlichen Bewilligungspflichten des § 8 Abs. 1 und vor allem 2 unterworfen werden sollen, (übrigens ebenso wie die € 50.800, die die Maximalstrafe für die Zerstörung eines geschützten Denkmals darstellen) oftmals viel zu gering, vor allem wenn es sich um größere Bauvorhaben handelt. Gerade bei Großbauvorhaben, deren Wert oftmals im Bereich mehrerer 10 Millionen, wenn nicht sogar mehrerer 100 Millionen oder sogar über 1 Milliarde Euro liegen kann, sind Strafen bis zu € 25.400 nicht einmal erwähnenswert, weil sie das Bauunternehmen, das die Grabungsgenehmigungspflichten missachtet, auch locker aus der Portokasse bezahlen kann. Folglich ist die abschreckende Wirkung solcher Strafen marginal, wenn nicht gleich Null. Um beiden diesen Problemen entgegenzutreten, wird – ganz im Sinne des oben schon zu gestaffelten Strafhöhen entsprechend des wirtschaftlichen Wertes der Arbeiten Gesagten, deren denkmalgerechte Durchführung durch die Strafbestimmungen gefördert werden soll – hier vorgeschlagen, die Strafhöhe vom wirtschaftlichen Wert der geplanten Arbeiten abhängig zu machen, zu deren Durchführung die Missachtung der Bewilligungspflicht beigetragen oder die sie sogar überhaupt erst ermöglicht hat. Es wird daher vorgeschlagen, dass bei geplanten wirtschaftlich motivierten Handlungen wie z.B. Bauarbeiten als Obergrenze des Strafrahmens der wirtschaftliche Gesamtwert des geplanten Bauprojektes, bei Handlungen, die auf wirtschaftlichen Gewinn z.B. aus dem Verkauf der bei den entgegen der gesetzlichen Bewilligungspflichten entdeckten beweglichen archäologischen Denkmale ausgerichtet sind, hingegen der wahre Wert (Verkehrswert im Inland) der entdeckten Gegenstände herangezogen wird. Dadurch, dass man wirtschaftlich motivierte, vorsätzliche Verstöße gegen die denkmalrechtlichen Genehmigungspflichten wirklich empfindlichen, am erzielten (oder zu erzielen beabsichtigten) wirtschaftlichen Vorteil orientierten, Strafen unterwirft, wird jenen, die durch die eine Verhaltenssteuerung in Richtung möglichst denkmalgerechtes Handeln bezweckenden Belohnungen nicht dazu motiviert werden, sich freiwillig wie vom Gesetzgeber gewünscht zu verhalten, der von ihnen durch ihr nicht denkmalgerechtes, rechtswidriges Handeln zu erzielen versuchte Vorteil genommen. Damit werden auch die, die das Gesetz vorsätzlich zu brechen bereit sind – also unverantwortliche Bauunternehmer, Land- und Forstwirte etc. und „Schatz-“ bzw. „Raubgräber“ – nun eben mittels der gesetzlichen Peitsche, zum denkmalgerechten Verhalten animiert, weil sie – wenigstens, wenn sie erwischt werden – den angestrebten Vorteil für sich nicht mehr erzielen können, 421 Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG sondern im Gegenteil mit empfindlichen Schaden rechnen müssen. Der Schatzsucher, der damit rechnen muss, nicht nur den Gewinn, den er am Schwarzmarkt aus dem Verkauf seiner rechtswidrig ausgegrabenen Funde lukriert hat, als Strafe für die rechtswidrige Missachtung ihn treffender denkmalrechtlicher Genehmigungs- und/oder Dokumentationspflichten zu bezahlen, sondern deren wahren Wert, wird sich das weit eher überlegen. Der Bauunternehmer, der den Gesamtwert des Bauvorhabens als Strafe zahlen muss, bei dem er sich durch Missachtung der denkmalrechtlichen Genehmigungspflicht ein paar Promille dieses Gesamtwerts als zusätzlichen Gewinn zu verschaffen versucht oder den Zuschlag als Billigstbieter dadurch bekommen hat, dass er sich die notwendigen archäologischen Untersuchungen erspart hat, wird sich das auch mehr als zweimal überlegen. Derartige Strafen und vor allem ein solcher flexibler Strafrahmen sind also auch dafür geeignet und tragen dazu bei, dass Handelnde, die ihr Verhalten entweder möglichst denkmalgerecht oder nicht denkmalgerecht gestalten können, so stark als möglich dazu motiviert werden, sich so zu verhalten, dass das gesetzliche Schutzziel so sehr als möglich erreicht wird. Ersetzungen von Begriffen im Wortlaut anderer Bestimmungen des DMSG Die hier vorgeschlagenen Änderungen machen eine Ersetzung des Begriffs „Bodendenkmal“ durch „archäologisches Denkmal“ in § 1 Abs. 5, § 5 Abs. 5 und § 32 Abs. 2 nötig. Gegebenenfalls könnten auch Anpassungen von Verweisen auf Paragrafennummern archäologischer Bestimmungen in anderen Paragrafen des DMSG notwendig werden, mir sind allerdings bei einer Durchsicht des Gesetzeswortlautes des DMSG igF keine aufgefallen. Es wird dennoch keine Gewährleistung dafür übernommen, dass ich nicht den einen oder anderen Querverweis oder weitere Nennungen des Begriffs Bodendenkmal in anderen als den oben genannten Paragrafen übersehen habe. 422 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Abschließende Bemerkungen Ändert man die Bestimmungen des DMSG wie im vorigen Kapitel vorgeschlagen, sollten sich die meisten Probleme der archäologischen Denkmalpflege in Österreich, bzw. wenigstens die, die durch die inzwischen vollkommen unbrauchbar gewordenen Bestimmungen des DMSG igF ergeben, einigermaßen effektiv lösen lassen. Der archäologische Denkmalschutz in Österreich würde von der bisherigen, reaktiven und rein konstitutiven Lösung, die man als „fundzentrierte“ Lösung des archäologischen Denkmalschutzes bezeichnen kann und die ausschließlich bereits bekannte, bereits unter Denkmalschutz gestellte archäologische Denkmale schützen kann; auf eine präventive und nach dem deklaratorischen Prinzip (DGUF 2013) funktionierende Lösung umgestellt, die man als „gefahrenzentrierte“ Lösung des archäologischen Denkmalschutzes bezeichnen kann, mit der sich tatsächlich alle – d.h. auch die noch unbekannten – archäologischen Denkmale einigermaßen effektiv schützen lassen. Eine solche, präventive Lösung ist auch dringend notwendig, wenn es dem Denkmalschutz tatsächlich darum gehen soll, Allgemeinwohlinteressen zu fördern und er gleichzeitig so wenig als möglich in die ebenfalls berechtigten Interessen der gegenwärtig lebenden Menschen eingreifen soll, ihr Leben und Handeln so zu gestalten, wie sie es wollen. Brutal gesagt ist die bisher gewählte Lösung für die archäologische Denkmalpflege in Österreich kaputt; und zwar irreparabel. Man kann zwar durchaus versuchen, sich weiter irgendwie daran zu klammern und damit dennoch irgendwie – wenn auch eher schlecht als recht – etwas zu tun, was bei gutmütiger und nicht allzu genauer Betrachtung nach innen wie nach außen als etwas, was so ähnlich wie ein archäologisch-denkmalpflegerisches Feigenblatt wirkt, das einen vor vollständiger nationaler und internationaler Blamage schützt, verkauft werden kann. Wirklichen Sinn hat das aber nicht, weil man damit nur irgendwelche, noch dazu weitgehend willkürlich ausgewählten, angeblich „besonders“ bedeutenden alten Sachen erhält, die weder der archäologischen Wissenschaft noch der Allgemeinheit wirklich etwas nutzen und Staat wie Gesellschaft nur weitgehend unnötig Geld kosten, das man sich ebenso gut sparen oder besser verwenden könnte. Denn alles, was man damit erreicht, ist, bei genauerer Betrachtung, nicht einmal besser als gar nichts; sondern es wäre weit besser, wenn man sich die gesetzlichen Regelungen und die Behörde spart, die in erster Linie die archäologische Wissenschaft behindern, während die tatsächlich gefährdeten, bedeutenden archäologischen Denkmale dadurch weder erhalten noch effektiv zur Förderung des Allgemeinwohls genutzt werden. Eine Denkmalverwaltung, die zum bürokratischen Selbstzweck verkommen ist – und das ist die archäologische Denkmalpflege in Österreich derzeit – hat keinen Sinn und bringt niemandem etwas; außer vielleicht den drei Handvoll Beamten, die dadurch, dass sie sich als Fachbeamte in dieser Behörde ihren Lebensunterhalt verdienen können, vor der Arbeitslosigkeit geschützt sind. Aber ehrlich gesagt und so sympathisch mir die meisten der KollegInnen, die das Glück hatten, im BDA einen Job zu bekommen, auch sind: wenn es nur darum geht, diese ca. 15 AkademikerInnen vor der Arbeitslosigkeit zu bewahren, wäre es weit sinnvoller, sie dafür zu bezahlen, dass sie das machen können, was die meisten von ihnen wenigstens meiner Wahrnehmung nach viel lieber tun wollen würden als irgendwelche Genehmigungsverfahren durchzuführen, Unterschutzstellungsverfahren vorzubereiten, und tausend andere bürokratische Aufgaben zu erledigen, nämlich dafür, archäologische wissenschaftliche Forschung zu betreiben. Denn das würde nicht nur der archäologischen Wissenschaft weit mehr bringen, sondern auch einem besseren Schutz der archäologischen Denkmale bewirken; und, was am wichtigsten ist, am meisten das Allgemeinwohl fördern, weil dann wenigstens die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse dieser 15 KollegInnen der Öffentlichkeit vermittelt werden und damit dieser nützlich sein könnten. 423 Abschließende Bemerkungen Letztendlich ist das Problem mit dem DMSG igF, dass es für moderne Erfordernisse nicht mehr geeignet ist. Das heißt nicht, dass es immer ein schlechtes Gesetz war: in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in dem die Grundlagen, auf denen es beruht, geschaffen wurden, wäre es ein nahezu perfektes Gesetz gewesen, seiner Zeit in gewissem Sinn sogar noch voraus. 1923, als es schließlich erlassen wurde, war es wenigstens immer noch einigermaßen gut geeignet, um den mit ihm angestrebten Zweck zu erreichen, damals als wirklich „bedeutend“ betrachtete archäologische Denkmale zu schützen und die noch in ihren akademischen Kinderschuhen steckende archäologische Wissenschaft ausreichend zu fördern, ohne das damalige Leben und die damalige Wirtschaft zu sehr zu beschädigen. Heute ist es jedoch für nichts mehr geeignet, weder für die Erhaltung der überwältigenden Mehrheit der archäologischen Denkmale, sei es nun durch ihre wissenschaftliche Dokumentation bei ihrer Entfernung ex situ oder durch ihre „unveränderte“ physische Erhaltung in situ, noch für die archäologische Wissenschaft, die durch es heute weit mehr behindert als gefördert wird, noch für die moderne Gesellschaft und Wirtschaft. Denn der Gesellschaft bringt es praktisch nichts, wenn irgendwo unter der Erdoberfläche, wo niemand einen Nutzen davon hat, etwas über tausend archäologische Denkmale etwas langsamer vor sich hin verfallen als die hunderttausenden noch gänzlich unbekannten archäologischen Fundstellen, die zig Millionen von zusammenhängenden Befundkomplexen, die sich in diesen befinden, die hunderten Millionen Einzelbefunde, aus denen sich diese zusammensetzen, und die Milliarden an beweglichen Kleinfunden, die in und zwischen diesen herumliegen, die es sonst überall im Lande gibt. Und die Wirtschaft wird durch ein reaktives Gesetz wie das DMSG igF bestenfalls behindert, wenn sie das tun will, wofür sie da ist, nämlich den heute lebenden Menschen das Einkommen und die Güter zu verschaffen, die sie sich wünschen. Die archäologische Fachwelt, und nicht nur die, ist daher auch völlig unzufrieden damit; so sehr dass sich die archäologische Denkmalpflege – die ja de facto von professionellen ArchäologInnen, die als Fachbeamte tätig sind, betrieben wird – dazu genötigt fühlt, die gesetzlichen Regelungen so zu beugen und notfalls auch zu brechen, dass das mit einer auf dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip beruhenden, ordnungsgemäßen staatlichen Verwaltung nicht mehr das Entfernteste zu tun hat, um wenigstens ansatzweise einen halbwegs funktionierenden – und zwar einigermaßen präventiven – archäologischen Denkmalschutz zu erreichen; statt nur Verwalter des unaufhaltsamen Verfalls der archäologischen Denkmalsubstanz zu sein, dem sie nur weitgehend tatenlos zusehen kann. Die grob rechtswidrige archäologische Denkmalpflege, die in Österreich, wenigstens in den letzten Jahrzehnten, von BDA betrieben wurde – und die in dieser Realsatire, die dann doch weit ernster geendet hat, als sie begonnen wurde, dargestellten Probleme sind in dieser Beziehung bei weitem nicht die einzigen Vorkommnisse (siehe dazu schon Karl 2011a; 2016a), sondern vieles habe ich nicht einmal richtig erwähnt – ist eine zwingende Folge davon. Denn den Denkmalpflegern – insbesondere den archäologischen Denkmalpflegern – bleibt in Wahrheit gar nichts anderes übrig, als sich das Gesetz zu hinzubiegen zu versuchen, dass es doch irgendwie zu funktionieren scheint, bis es irgendwann so überbogen wurde, dass man es, ohne es wirklich zu bemerken, schon gebrochen hat, dass sie die Aufgabe wenigstens irgendwie erledigen können, die ihnen der Staat vorgeblich aufgetragen hat: nämlich (archäologische) Denkmale in wenigstens einigermaßen zeitgemäßer Weise zu schützen, zu erhalten und auch das Allgemeinwohl fördernd zu nutzen. Denn das geht nur – weil sich die archäologische Wissenschaft, die Gesellschaft, die Wirtschaft und natürlich auch die Gefahren, welchen die Archäologie da draußen in der Landschaft ausgesetzt ist, seit 1923 so maßgeblich verändert haben, dass heute nichts mehr so ist, wie es damals war – indem man präventive Denkmalpflege statt reaktivem Denkmalschutz betreibt. Eine präventive Denkmalpflege gibt das derzeitige DMSG aber beim besten Willen nicht her. 424 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Gleichzeitig hatte und hat die archäologische Denkmalpflege aber auch seit Jahrzehnten zunehmende Angst vor jeder Gesetzesänderung, denn man glaubt, dass das Gesetz mit jeder weiteren Änderung nur noch schlechter wird und noch weniger funktioniert als je zuvor. Damit hat man auch bis zu einem gewissen Grad recht: einerseits, weil sich eben die Welt seit 1923 zunehmend geändert hat und daher ein nicht fundamental überarbeitetes Gesetz auch jedes Jahr – völlig unabhängig davon, ob es nun (ein klein wenig) geändert wurde oder nicht – wenigstens ein wenig schlechter funktioniert als noch im Jahr davor; und andererseits, weil das Herumdoktern an den gesetzlichen Bestimmungen, wenn es denn einmal dazu gekommen ist, stets zu noch mehr Problemen geführt hat, als durch die versuchten Verbesserungen (letztendlich zumeist gar nicht) gelöst wurden. Ob Letzteres jetzt tatsächlich, wie das in der archäologischen Denkmalpflege gerne geglaubt wird, dadurch verursacht wurde, dass die unverständige Politik lieber auf die nur an ihren eigennützigen Interessen und an mehr Gewinn und einer Kostensenkung interessierten Wirtschafts- und Grundeigentümerlobbys hört, die jede Verbesserung des DMSG sabotiert haben, weil das weit bequemer als die Alternative ist, soll dahingestellt bleiben. Ob es nicht viel mehr daran liegt, dass der zuständige Ministerialrat, der für alle drei größeren Novellen des Denkmalschutzgesetzes 1978, 1990 und 1999 als Autor verantwortlich war, entweder von sich aus so inkompetent war, dass er ein Gesetz, das durch äußere Umstände ohnehin schon zunehmend obsolet wurde, durch jeden seiner Verbesserungsversuche nur noch schlechter gemacht hat, oder von selbst nicht tief genug nachgedacht habenden, auf bestimmte Themen übermäßig konzentrierten oder ihrerseits hochgradig inkompetenten ehemaligen MitarbeiterInnen der Abteilung „für Bodendenkmale“ des BDA einfach schlecht beraten wurde, oder den Gesetzgeber durch zunehmend kreative juristische Tricks und Ablenkungsmanöver über die wahren Absichten und Bedürfnisse der archäologischen Denkmalpflege zu täuschen versucht hat und damit den Salat verursacht hat, den wir nun haben; ist eine andere Frage. Aber letztendlich sind die Ursachen auch egal: Tatsache ist und bleibt, dass sich entweder die archäologische Fachwelt und Denkmalpflege damit anfreunden muss, dass der österreichische Gesetzgeber kein ordentliches, modernes DMSG will, mit dem man auch modernen Anforderungen und Bedürfnissen genügende archäologische Denkmalpflege betreiben kann, sondern mit etwa 1.100 archäologischen Denkmalen genug hat, die auch gar nicht wirklich erhalten, sondern bloß in situ belassen werden, damit sie dort langsam und weitgehend unbeachtet vor sich hin verfallen können. Kultur ist in Österreich schließlich Mozart und Sisi, nicht Archäologie. Dann kann man das BDA aber auch gleich ganz abschaffen, oder wenigstens seine archäologische Abteilung zusperren, weil das ist dann auch schon egal. Oder der Gesetzgeber muss sich dazu entschließen oder von uns ArchäologInnen, den archäologischen DenkmalpflegerInnen und den BürgerInnen, die sich für Archäologie und den archäologischen Denkmalschutz interessieren, dazu bewegt werden, ein neues, verbessertes und vor allem den gegenwärtigen Anforderungen und Bedürfnissen einer nachhaltigen archäologischen Denkmalpflege genügendes Gesetz zu schaffen; ein Gesetz, dass auch die Verpflichtungen erfüllt, die Österreich durch die Ratifikation internationaler Konventionen wie jenen von Valletta (Europarat 1992) und Faro (Europarat 2005) eingegangen ist. Mit einem solchen Gesetz – und einen Vorschlag für ein solches habe ich hier vorgestellt – kann ein von der Regierung auch mit den dafür notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen ausgestattetes BDA dann auch tatsächlich rechtmäßig die einigermaßen moderne, nachhaltige archäologische Denkmalpflege betreiben und umsetzen, die sich Österreich und seine Archäologie, aber vor allem die österreichische Bevölkerung, auch tatsächlich verdient hat. 425 Nachwort zu einer (nicht nur österreichischen) Realsatire Nachwort zu einer (nicht nur österreichischen) Realsatire Also wirklich, der Herr Karl schon wieder! Warum kann der nicht einmal seine viel zu große Klappe halten? Es war doch eh alles in Ordnung mit der archäologisch-denkmalpflegerischen Welt in Österreich! Wir wissen doch eh alle, dass es das eine oder andere Problem gibt, einen wirklich effektiven archäologischen Denkmalschutz umzusetzen; vor allem, weil ja alle anderen so gemein zu uns sind und nicht verstehen, dass wir uns tagtäglich im Schweiße unseres Angesichts abrackern, dass wir so viel von den archäologischen Denkmalen retten, als man nur irgendwie retten kann; und nicht verstehen, dass und warum Archäologie wichtig ist und man sie erhalten muss. Aber wenn dem so ist, dass alle anderen so gemein und so unverständig sind, an wem liegt das? Sind nur wir so schlau, so weltgewandt und so gebildet, dass nur wir, die Philosophen-Könige der Archäologie, die Wahrheit kennen und sie daher allen anderen aufzwingen müssen, zu ihrem eigenen Wohl, auch wenn sie das gar nicht wollen? Und wenn wir das sind, warum haben wir all den anderen, unverständigen und ungebildeten Toren nicht schon längst erfolgreich erklärt, warum wir recht haben und sie nicht? Liegt es daran, dass einfach alle anderen schlicht und einfach zu dumm sind, zu verstehen, was wir schon lange verstanden und schon immer gewusst haben? Oder liegt es nicht viel mehr daran, dass wir seit zwei Jahrhunderten das Gleiche tun und argumentieren; und uns jedes Mal, wenn wir damit wieder keinen Erfolg haben, darüber wundern, warum es denn diesmal schon wieder nicht funktioniert hat? Albert Einstein soll angeblich gesagt haben, dass es Wahnsinn sei, „wenn man immer wieder das Gleiche tut, aber andere Resultate erwartet“, obwohl dieses Zitat, soweit sich das nachvollziehen lässt, wohl eher von der amerikanischen Schriftstellerin Rita Mae Brown (1990) geprägt worden sein dürfte. Egal von wem das Zitat nun wirklich stammt, es beschreibt nahezu exakt den Zustand der archäologischen Denkmalpflege in Österreich: wir tun seit Jahrzehnten immer das Gleiche, aber erwarten andere Resultate. Und wenn sich diese nicht einstellen, dann ist das nie unsere Schuld, sondern schuld ist immer wer anderer. Die archäologische Denkmalpflege verhält sich seit Jahrzehnten so, als ob die Probleme, die wir haben, nur unbedeutende Ausnahmen von der Regel sein würden; frei nach dem Motto: Fehler passieren vereinzelt überall einmal, das kann man nicht verhindern. Man tut so, als ob Mängel, deren Existenz man anerkennen muss, weil sie inzwischen so augenfällig geworden sind, dass man sie nicht einmal beim besten Willen mehr ableugnen kann, ohne sich vollkommen lächerlich zu machen, nur ein temporäres Problem wären, an dessen Behebung man ohnehin schon mit aller Kraft arbeiten würde und das in baldiger Zukunft vollkommen aus der Welt geschafft sein würde, weil man die Lösung für alle Probleme ohnehin schon kennt und es nur derzeit, gerade in diesem Augenblick, noch an irgendeiner Kleinigkeit fehlt, die leider im Bereich von jemand anderem als uns liegt, damit endlich das archäologische Paradies auf Erden erreicht ist. Weil wir wissen ja schließlich alle, was wahr, gut und richtig für die Archäologie und die archäologische Denkmalpflege ist! Was es braucht ist, wie wir alle wissen, nur noch ein ganz kleines bisserl mehr von dem, was wir schon immer versucht haben: ein noch ein bisserl strengeres Gesetz, eine noch ein bisserl weitreichende Auslegung des Gesetzes, nur noch ein ganz kleines bisserl (oder mehr als ein kleines bisserl) strengere Verbote, Strafen und rechtliche Möglichkeiten, die Archäologie „…qua Gesetz im Interesse aller … vor dem Zugriff aller…“ (Lüth 2006, 102) zu schützen. Was es braucht ist, dass wir nur noch das kleine Eitzerl mehr Kontrolle über die Archäologie und die archäologischen Denkmale an uns reißen, die wir noch brauchen, damit endlich nicht mehr jeder dahergelaufene Dolm unsere heiligen Kühe gefährden kann; damit sie künftigen Generationen unversehrt erhalten bleiben, die sie dann mit besseren Methoden als wir heute erforschen können. Und weil wir die Wahrheit ja schon kennen, brauchen wir uns auch gar nicht mehr mit der Suche nach ihr aufzuhalten, brauchen keine Evidenzen zu sammeln und uns Gedanken darüber zu machen, wie man 426 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? das, was auch bei der hunderttausendsten Wiederholung noch immer nicht funktioniert, vielleicht so verbessern könnte, dass es wenigstens ein bisserl besser funktioniert als der Blödsinn, den wir schon seit Jahrzehnten erfolglos versuchen. Wir setzen lieber unseren Willen durch; und wenn es dafür notwendig ist, die Gesetze, die wir an allererster Stelle befolgen sollten, zu biegen und zu brechen, dass es nur so kracht, dann ist das halt so; weil wo gehobelt wird, da fliegen halt Späne! Dass die Mängel, die wir weitgehend ignorieren, und Fehler, die wir dabei begehen, zu guten Teilen gravierend, systembedingt, aber vor allem hauptsächlich von uns selbst und unserem gleichermaßen wiederholt wahnsinnigen Verhalten verursacht werden, habe ich in diesem Buch anhand der rechtswidrigen Denkmalpflegepraktiken, die in Österreich – aber, wie ich anhand einiger Vergleichsbeispiele aus Deutschland gezeigt habe, nicht nur da – die letzten Jahrzehnte gang und gäbe waren, wie ich hoffe einigermaßen eindeutig gezeigt. Die Probleme, mit denen wir kämpfen, sind zwar selbstverständlich nicht nur, aber doch hauptsächlich, von uns selbst und unserem dogmatischen Beharren auf ungeeigneten Lösungsmethoden verursacht, weil wir Fehler immer bei anderen suchen, nicht selbstkritisch über unsere Praktiken und deren Grundlagen reflektieren und schon gar nicht darüber nachdenken, geschweige denn systematische Forschungen darüber anstellen, was denn die Allgemeinheit, zu deren Wohl wir vorgeblich handeln wollen, aber die wir nur als Ausrede dafür benutzen, um jeden Einzelnen von dem, was wir als „unseres“ betrachten, ausschließen zu können, wirklich von uns und der Archäologie, die wir angeblich für sie und überhaupt nicht für uns schützen und erhalten wollen, will und erwartet. Dass wir, und wie wir, unsere Position als „die Experten“ für archäologische Denkmale und archäologisches Wissen, unsere Machtposition, die wir sowohl aufgrund unseres fachlichen Wissensvorsprungs als auch der uns vom Staat übertragenen Gewaltbefugnisse im Bereich der archäologischen Denkmalverwaltung, seit inzwischen weit über eineinhalb Jahrhunderten haben, dazu ausgenutzt haben und immer noch ausnutzen, unseren Glauben – weil es nichts anderes als ein solcher ist, weil das, was wir in der archäologischen Denkmalpflege tun, mit Wissenschaft wenigstens schon seit langem nichts mehr zu tun hat – mit fundamentalistischem Eifer allen anderen aufzuzwingen zu versuchen, wirft kein gutes Licht auf uns, unsere Disziplin, und unseren Berufsstand. Die „bösen“ Raubgräber sind wenigstens – zumindest in der überwältigenden Mehrheit – vor sich selbst ehrlich genug um sich einzugestehen, dass sie die laut uns geltenden Gesetze brechen, weil das, was wir behaupten, offensichtlich selbstwidersprüchlich, kontraproduktiv und eigeninteressiert ist und sie sich deshalb nicht daran zu halten brauchen, was wir sagen. Wir hingegen lügen uns seit Ewigkeiten selbst in die Tasche und tun mit abscheulicher Scheinheiligkeit so, als ob wir überhaupt nichts für uns selbst und alles nur für die anderen tun würden, während wir ja von überhaupt niemanden irgendetwas anderes erwarten, als dass er sich an die Gesetze hält, während wir ungeniert diese Gesetze biegen und brechen, wie und weil uns das selbst zum Vorteil gereicht und uns erlaubt, unsere Interessen auf Kosten aller anderen zu befriedigen. Gesetze, die wir so kompliziert und so unverständlich als möglich gemacht haben, weil wir damit unsere Position als die einzigen, die wahren, Experten rechtfertigen können, die es dafür braucht, dass man sagen kann, was denn nun ein archäologisches Denkmal ist, das so bedeutend ist, dass man es zum Wohl der Allgemeinheit erhalten muss, und auch die einzigen sind, die richtig bestimmen können, was denn das Schicksal der archäologischen Denkmale sein soll, nämlich dass niemand außer uns damit irgendetwas machen darf, weil es ja alle anderen, ob unabsichtlich oder vorsätzlich, nur kaputt machen würden. Weil wir wissen ja schließlich alle, was im Allgemeinwohl mit archäologischen Denkmalen zu geschehen hat: sie sind von uns, und ausschließlich uns, für alle anderen aufzuheben und von diesen ja nicht in irgendeiner Weise anzurühren, damit wir, wenn wir sie in unsere Herrschaftsgewalt bekommen, sie hegen und pflegen und wie den Schatz, den sie für uns darstellen, in unseren großen Schatzkammern horten können, die wir bewachen wie der sprichwörtliche Drache, damit uns ja niemand auch nur eine kleine Scherbe von unserem Schatz stiehlt. Das ist deshalb notwendig, weil wir diesen Schatz ja schließlich, wenn wir irgendwann einmal irgendeinen Teil davon erforschen wollen, noch absolut dringend brauchen, weil uns ja sonst der letzte Ring, mit dem wir die Kette der wissenschaftlichen 427 Nachwort zu einer (nicht nur österreichischen) Realsatire Erkenntnis endlich schließen könnten, sonst fehlen könnte. Und er ist ja so schön, der eine Ring, so wertvoll. My precioussssss…. Gehen’s Herr Karl, jetzt sind sie aber gemein! Wir bemühen uns doch alle so, und auch wirklich ehrlich! Was Sie uns da unterstellen, stimmt alles nicht! Jein. Wir bemühen uns wirklich alle ehrlich: Archäologie und archäologische Denkmalpflege sind nicht nur Berufe, sondern vor allem Berufung. Wir alle wissen, dass man nicht reich davon wird, dass man Archäologie betreibt; und auch nicht berühmt wird, wenn man nicht gerade das zweite TutanchamunGrab oder das zweite Troja oder etwas Vergleichbares findet (und dann noch kräftig die Werbetrommel in eigener Sache rührt). Ganz im Gegenteil, die meiste Zeit kämpfen wir wie Don Quixote, nur unbedankt und unbesungen, gegen Windmühlenflügel und bemühen uns tatsächlich redlich, unser Bestes zu tun. Und wir glauben auch tatsächlich, die meisten von uns ehrlich und aus tiefster Seele, dass wir nur das Beste für das Allgemeinwohl tun und zu erreichen versuchen. Das Problem damit, vor dem schon Paul Watzlawick (2001, 23-30, 101-6) gewarnt hat, ist, dass man, wenn man das Gute zu viel, oder auch nur zu viel des Guten will, meist nicht das Bessere, sondern das Schlechteste erreicht. Nicht unsere Motive und Absichten sind das Problem, die tatsächlich wirklich, wenigstens in den meisten Fällen, so hehr und edel sind, wie wir es glauben. Unser Problem – das Problem, das dazu geführt hat, dass wir in Österreich die archäologische Denkmalpflege seit Jahrzehnten so vergeigt haben, wie man sie nur vergeigen kann – ist, dass wir uns stets aufgrund unserer hehren und edlen Motive und aufgrund unseres Glauben, auch wirklich schon zu wissen, was denn nun nicht nur unserem Geschmack nach für uns, sondern auch für alle anderen das Beste ist, eingeredet haben, dass wir nur noch mehr desselben tun müssen, um unser angestrebtes Ziel zu erreichen; statt uns die Konsequenzen unseres Handelns selbstkritisch anzuschauen und herauszufinden zu versuchen, ob und wenn ja was wir nicht vielleicht doch falsch machen oder besser machen könnten. Darob haben wir, in der besten Absicht dem Allgemeinwohl so förderlich zu sein, wie wir nur können, vergessen, dass das, was unserer Ansicht nach das Beste (für uns und die Archäologie) wäre, nicht unbedingt auch tatsächlich das Beste für alle ist, nicht unbedingt das ist, was dem Allgemeinwohl am besten dient, und nicht einmal unbedingt das ist, was das Beste für die Archäologie wäre. Wir sind, wie Platon, hochmütig geworden und haben, wie Platon es empfohlen hat (Watzlawick 2001, 102), ebenso hochmütig versucht, das was wir für am besten für alle halten auch allen anderen aufzuzwingen, im Notfall auch gegen ihren Willen und im Notfall auch wider das Gesetz; statt wie Sokrates bescheiden zu bleiben und uns einzugestehen, dass wir, in Wahrheit, nicht wissen, und uns daher so redlich als möglich bemühen müssen, das Beste überhaupt erst zu finden. Wir haben vergessen, dass auch wir Fehler machen können; und es daher unsere erste und wichtigste Pflicht ist, nach diesen Fehlern zu suchen und aus ihnen zu lernen zu versuchen. Deshalb braucht die österreichische archäologische Denkmalpflege nicht nur dringlich ein neues DMSG, sondern vor allem am dringlichsten einen Selbstreinigungsprozess. 428 Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege? Bibliografie Achleitner, N. 2011. Auswertung zum Fragebogen Sondengänger & Archäologie. Unpubl. Bericht. 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