Archäologische Denkmalpflege
Sonderband 2
Juli 2019
Raimund Karl
Rechtswidrige Denkmalpflege?
Eine (nicht nur österreichische) Realsatire
über archäologische NFG-Pflichten;
deren gesetzliche Grenzen;
und die staatliche Denkmalpflege
https://archdenk.blogspot.co.uk
Herausgegeben von Raimund Karl
ISSN 2516-4309
Impressum
Herausgeber:
Prof. PD Mag.Dr. Raimund Karl FSA FSAScot MCIfA
Prifysgol Bangor University
School of History, Philosophy and Social Sciences
College Road
Bangor, Gwynedd LL57 2DG
United Kingdom
r.karl@bangor.ac.uk
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Inhalt
VORWORT ZU EINER REALSATIRE .................................................................................................................... 1
EINLEITUNG ................................................................................................................................................ 2
DREI JÜNGERE ERKENNTNISSE AUS ÖSTERREICH ZUR NFG-PFLICHT...................................................................... 8
BVwG vom 11.9.2017 zu Zahl W183 2168814-1/2E ...........................................................................................8
VwGH vom 23.2.2017 zu Zahl Ro 2016/09/0008..............................................................................................10
Gut ist es gegangen, nichts ist geschehen!?!....................................................................................................13
BVwG vom 19.9.2018, W 195 2197506-1/11E .................................................................................................15
Lektionen zur Anwendbarkeit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG .............................................................17
Die Grabungsgenehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ..........................................................................18
Die Vorab-Grabungsgenehmigungsmöglichkeit des § 11 Abs. 1 DMSG .......................................................19
Konsequenzen für die Anwendungspraxis ................................................................................................22
Fehlen einer Grabungsgenehmigungspflicht und -möglichkeit gem. § 11 Abs. 1 DMSG .............................24
Realitätsverweigerung ......................................................................................................................................26
IN DEUTSCHLAND KÖNNTE SO ETWAS NIE VORKOMMEN… ................................................................................ 28
Honi soit qui mal y pense .................................................................................................................................28
ZIELE UND MOTIVE .................................................................................................................................... 33
Das RP Stuttgart und die Raubgräber ...............................................................................................................33
Wann wird eine Handlung strafbar fahrlässig? ...........................................................................................35
Wann besteht überhaupt eine NFG-Pflicht? .................................................................................................36
Öffentliche Vermittlung und die Motive der Denkmalpflege .......................................................................38
Unbestimmte Rechtsbegriffe............................................................................................................................41
Schödingers Bürger in Baden-Württemberg ................................................................................................41
Schrödingers Bodendenkmale in Hessen ......................................................................................................42
Im Landeanflug auf den Flughafen Frankfurt am Main ...............................................................................45
Das Schuldverständnis des Durchschnittsbürgers ............................................................................................49
Kavaliersdelikt Metallsuche? ........................................................................................................................50
In die Landschaft schauen ............................................................................................................................54
Damned if you do, damned if you don’t? .....................................................................................................56
Konstitutives vs. deklaratorisches Prinzip ........................................................................................................58
„Besonderheiten“ des Denkmalschutzrechtes .................................................................................................59
Das unlösbare Problem des Ziels der Denkmalpflege ...................................................................................60
Die schwere Wahl zwischen unterschiedlichen Schutzzugängen .................................................................62
Die denkmalpflegerischen Vor- und Nachteile der Lösungsmöglichkeiten...................................................65
Die Entscheidungsunwilligkeit der (staatlichen) Denkmalpflege .................................................................68
Lost in translation .........................................................................................................................................70
Schrödingers Katze in der Anwendungspraxis ..............................................................................................73
Die Reichweite von NFG-Pflichten (und anderen Schutzbestimmungen) .....................................................75
Erfolge der Auslegung der Denkmalbehörden vor Gericht ...........................................................................79
Denkmalpflegerische Willkürherrschaft ...........................................................................................................82
WAS DER GESETZGEBER WIRKLICH VORGESEHEN HAT ...................................................................................... 85
Die Beurteilung des archäologischen Denkmalwerts um 1925 ........................................................................85
Die Struktur der Denkmalschutzgesetze ..........................................................................................................87
Die „archäologischen“ Schutzbestimmungen ..............................................................................................88
Die seltsame Regelung von Funden zuvor gänzlich unbekannter Denkmale ...............................................89
§§ 9-11 DMSG in der Fassung BGBl. 533/1923 ............................................................................................90
Reaktive vs. präventive Gesetzgebung .............................................................................................................93
Präventiver Denkmalschutz ..........................................................................................................................94
Sachliche, präventive Legaldefinitionen .......................................................................................................96
Die Nachteile von präventiven Denkmalverträglichkeitsprüfungsgesetzen .................................................97
i
Inhalt
Die Vorteile von reaktiven Denkmalschutzgesetzen .................................................................................... 99
Was der Gesetzgeber – und was die Denkmalpflege – wirklich wollte und will ............................................ 101
Schon wieder: die Wünsche der Denkmalpflege........................................................................................ 102
Die DMSG-Novelle 1990 ............................................................................................................................ 104
Die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG als archäologisches Denkmalschutzinstrument............................ 106
Selbstwidersprüche und schädliche Wirkungen ........................................................................................ 108
Ein Gesetz, die man gar nicht mehr rechtmäßig anwenden kann ................................................................. 111
Der lange Ast des Gesetzgebers..................................................................................................................... 114
DER DENKMALWERT MATERIELLER HINTERLASSENSCHAFTEN DER VERGANGENHEIT ............................................ 118
Wann wird etwas zu Archäologie?................................................................................................................. 119
Das Problem der Erforderlichkeit absoluter Zeitgrenzen ........................................................................... 121
Die zur Gegenwart offene Neuzeitarchäologie.......................................................................................... 122
Was macht eine archäologische Sache bedeutend? ..................................................................................... 125
Kleine Anfänge, große Fortschritte ............................................................................................................ 125
Gegenwartsvergessene Besessenheit mit der (unbestimmten) Zukunft.................................................... 127
Das positivistische Bedeutungsbeurteilungsproblem .................................................................................... 129
Das erkenntnislogisch-methodische Programm von Moriz Hoernes ......................................................... 130
Die Folgen von Hoernes‘ Programm für die Denkmalwertbeurteilung...................................................... 131
Die Folgen für eine positivistisch geprägte archäologische Denkmalpflege.............................................. 133
Ein Alternativvorschlag: generalisierende Denkmalwertbestimmung .......................................................... 135
Archäologische vs. andere Denkmalpflege ................................................................................................ 136
Wissenschaftliche Bedeutung .................................................................................................................... 138
Eine kleine denkmalpflegerische Typologie archäologischer Sachen ........................................................ 141
Typ 1: der bewegliche Kleinfund und seine Fragmente ......................................................................... 141
Typ 2: unbewegliche Einzelbefunde samt (allenfalls) in ihnen enthaltene bewegliche Kleinfunde ....... 144
Typ 3: zusammenhängende Befundkomplexe (samt allen ihrer Bestandteile) bzw. Stratifikationen ... 147
Typ 4: zusammengehörende Befundkomplexe (vulgo: Fundstellen bzw. Fundplätze) .......................... 150
Typ 5: zusammengehörende Befundlandschaften ................................................................................ 153
Generalisierte Bedeutungsbestimmungskriterien für die archäologische Denkmalpflege ........................ 156
Die Entwicklung einer Forschungs- bzw. Unterschutzstellungsstrategie....................................................... 158
BELASSUNG IN SITU UND ZUKUNFTSORIENTIERTE DENKMALPFLEGE .................................................................. 161
Für die Erforschung durch künftige Generationen ........................................................................................ 161
Kompartmentalisiertes denkmalpflegerisches Denken ................................................................................. 162
Synchrones denkmalpflegerisches Denken ................................................................................................... 164
Zukunftsorientiertes denkmalpflegerisches Denken ..................................................................................... 166
Verfallsgeschwindigkeit der Denkmalsubstanz von archäologischen Denkmalen .................................... 168
Spezifische Verfallsgeschwindigkeit ...................................................................................................... 168
Durchschnittliche Verfallsgeschwindigkeit ............................................................................................ 168
Erhaltungswahrscheinlichkeit von archäologischen Denkmalen ............................................................... 170
Wahrscheinlichkeit der unveränderten Erhaltung in situ ...................................................................... 171
Erhaltungswahrscheinlichkeit durch fachgerechte Dokumentation ..................................................... 172
Erhaltungswahrscheinlichkeit durch unsachgemäße Bergung.............................................................. 173
Durchschnittliche Erhaltungswahrscheinlichkeit durch alle diese Erhaltungsmöglichkeiten ................ 175
Eine Zukunftsprognose für die archäologische Denkmalpflege ................................................................. 175
Vergangene und zukünftige Methodenentwicklung ............................................................................. 177
Ein anderer Umgang mit archäologischen Denkmalen und seine Konsequenzen................................. 179
Was Du heute kannst besorgen… .................................................................................................................. 182
Zukunftsorientierte archäologische Denkmalpflegepraxis ........................................................................ 185
WAS IST EIGENTLICH EINE RAUBGRABUNG? ................................................................................................. 188
Raubgrabungen: eine Begriffsdefinition ........................................................................................................ 188
Der fachliche Raubgrabungsbegriff im 19. Jahrhundert und heute........................................................... 188
Der Raubgrabungsbegriff in der Begründung von Denkmalschutzgesetzen ............................................. 190
ii
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Rechtswidrige Grabungen von Fachwissenschaftern? ...............................................................................190
Wie genau nehmen wir die Gesetze? .........................................................................................................191
Begriffliche Unterscheidung: rechtswidrige und unsachgemäße Grabungen ............................................192
Der derzeitige Lösungsversuch für das „Raubgrabungsproblem“ ..................................................................194
Probleme mit Genehmigungspflichten .......................................................................................................194
Die Vertrauenswürdigkeit des Antragstellers als relevantestes Kriterium .................................................195
Notwendige Genehmigungsverfahren: Schutz für die Zukunft ..................................................................197
Ein alternativer Lösungsvorschlag für das „Raubgrabungsproblem“ .............................................................199
Gesetzliche Mindeststandards für archäologisch sachgemäße Bodeneingriffe .........................................200
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von gestaffelten Mindeststandards ..........................................201
Gleichberechtigten Bürgern Verantwortung übertragen ...........................................................................202
Gestaffelte Sanktionen für Mindeststandardunterschreitung ...................................................................203
Verhaltenssteuerung durch gestaffelte Mindeststandards und Sanktionen ..............................................204
Keine perfekte, aber eine bessere Lösung ..................................................................................................207
Schlussfolgerungen .........................................................................................................................................207
FÜHRERSCHEIN ODER EINZELFAHRTERLAUBNIS?............................................................................................ 209
Die behördliche Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuglenker .................................................................................209
Archäologische Nachforschungsgenehmigungen ...........................................................................................211
Führerschein und Nachforschungsgenehmigung im Vergleich ......................................................................214
Ein Gedankenspiel: Fahrerlaubniserteilung entsprechend der NFG-Vergabepraxis ...................................216
Die Begründung von NFG-Pflichten ................................................................................................................217
L’état, c’est moi ..............................................................................................................................................219
Welcher Schutz vor welchem Schaden? .........................................................................................................221
Schlussfolgerungen .........................................................................................................................................223
Archäologische Nachforschungslizenz........................................................................................................224
ARCHÄOLOGISCHE NFG-PFLICHT UND WISSENSCHAFTSFREIHEIT IN ÖSTERREICH................................................ 226
Die intentionale Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit durch die NFG-Pflicht .........................................227
Zur (Un-)Verhältnismäßigkeit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG............................................................231
Zur Frage der Legitimität des vom Staat mit der NFG-Pflicht verfolgten Zweckes .....................................232
Zur Frage der Eignung des vom Staat eingesetzten Mittels der NFG-Pflicht ..............................................236
Nicht invasive Feldforschungsmethoden................................................................................................237
Invasive Feldforschungsmethoden .........................................................................................................240
Zur Frage der Erforderlichkeit des vom Staat eingesetzten Mittels der NFG-Pflicht ..................................241
Nicht invasive Feldforschungsmethoden................................................................................................242
Invasive Feldforschungsmethoden .........................................................................................................243
Zur Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen NFG-Pflicht im engeren Sinn ....................................................250
Allgemeine Erwägungen zur Gewichtung von Denkmalschutz und Wissenschaftsfreiheit ....................251
Nicht invasive Feldforschungsmethoden................................................................................................253
Invasive Feldforschungsmethoden .........................................................................................................257
Verletzung des Übermaßverbotes durch die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG .......................................274
Die NFG-Pflicht als Mittel zur Verhinderung unwissenschaftlicher Nachforschungen...................................278
Wissenschaftsfreiheit, Denkmalschutz und die Verwaltungspraxis ...............................................................282
Zur Verhältnismäßigkeit von NFG-Bescheidauflagen .................................................................................287
Die gravierende Fehlinterpretation des DMSG durch das BDA ..................................................................296
Schlussfolgerungen .........................................................................................................................................303
RECHTSWIDRIGE DENKMALPFLEGE IN (ÖFFENTLICHEN) MUSEUMSSAMMLUNGEN .............................................. 307
Denkmalschutzvergehen in österreichischen öffentlichen Museen ..............................................................307
Wege zur Lösung der rechtswidrigen musealen Denkmalpflege ...................................................................313
Spezifische Ausnahmeregelungen ..............................................................................................................314
Änderungen in den Legaldefinitionen und Anwendbarkeitsbestimmungen ..............................................314
Ein eigenes Archäologieschutzgesetz? .......................................................................................................316
iii
Inhalt
… ET RESPICE FINEM ................................................................................................................................. 319
Wem gehören denn eigentlich bewegliche Kleinfunde? ............................................................................... 319
Die Fundeigentumsregelung des ABGB ..................................................................................................... 321
Die Fundeigentumsregelung im DMSG ...................................................................................................... 324
Die archäologisch-denkmalpflegerischen und administrativen Nachteile der Neuregelung ..................... 328
Schon wieder derselbe denkmalrechtliche Denkfehler .............................................................................. 332
Wie motiviert man Bürger, sich denkmalgerecht zu verhalten? ................................................................... 334
Personen mit tatsächlicher („archäologischer“) Entdeckungsabsicht ....................................................... 335
Zur Umsetzung im DMSG........................................................................................................................... 342
Das Problem der Altsammlungen .......................................................................................................... 345
Voraussichtliche Auswirkungen: ein kleiner Vergleich mit dem PAS ..................................................... 347
Personen mit anderen Motiven für die Durchführung von Erdarbeiten .................................................... 353
ÄNDERUNGSVORSCHLÄGE FÜR ARCHÄOLOGISCHE BESTIMMUNGEN DES DMSG ................................................. 358
Archäologischer Denkmalschutz gemäß dem deklaratorischen Prinzip ........................................................ 359
Abgrenzung des archäologischen Denkmalbegriffs................................................................................... 359
Kriterium Unbrauchbarkeit ................................................................................................................... 361
Kriterium Herrenlosigkeit ...................................................................................................................... 364
Nachgeordnetes Kriterium Alter............................................................................................................ 365
Begriffs- und Anwendungsbereichsbestimmung: archäologisches Denkmal ........................................ 366
Ausnahmeregelung für archäologische Denkmale in Museumssammlungen ............................................... 369
Bewilligungspflichten bei archäologische Denkmale gefährdenden Maßnahmen ........................................ 370
§ 8 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut ........................................................................ 371
Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 8 DMSG ............................................. 373
Abs. 1 ..................................................................................................................................................... 374
Abs. 2 ..................................................................................................................................................... 378
Abs. 3 ..................................................................................................................................................... 383
Abs. 4 ..................................................................................................................................................... 386
Dokumentations- und Meldepflichten bei der Entdeckung archäologischer Denkmale ............................... 387
§ 9 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut ........................................................................ 387
Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 9 DMSG ............................................. 390
Abs. 1 ..................................................................................................................................................... 390
Abs. 1a (Übergangsbestimmung) .......................................................................................................... 391
Abs. 2 ..................................................................................................................................................... 392
Abs. 3 ..................................................................................................................................................... 398
Abs. 4 ..................................................................................................................................................... 399
Abs. 5 ..................................................................................................................................................... 400
Eigentumserwerb, Ankaufsrechte von Gebietskörperschaften ..................................................................... 400
§ 10 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut ...................................................................... 400
Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 10 DMSG ........................................... 401
Abs. 1 ..................................................................................................................................................... 403
Abs. 2 ..................................................................................................................................................... 407
Abs. 2a (Übergangsbestimmung) .......................................................................................................... 412
Abs. 3 ..................................................................................................................................................... 412
Abs. 4 ..................................................................................................................................................... 413
Maßnahmen zur Sicherung von Fundstellen und archäologischen Denkmalen ............................................ 414
§ 11 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut ...................................................................... 415
Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 11 DMSG ........................................... 416
Abs. 1 ..................................................................................................................................................... 416
Abs. 2 ..................................................................................................................................................... 417
Abs. 3 ..................................................................................................................................................... 418
Abs. 4 ..................................................................................................................................................... 418
Strafbestimmungen ....................................................................................................................................... 418
iv
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
§ 37 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut .......................................................................418
Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 37 DMSG ............................................420
Ersetzungen von Begriffen im Wortlaut anderer Bestimmungen des DMSG .................................................422
ABSCHLIEßENDE BEMERKUNGEN ................................................................................................................ 423
NACHWORT ZU EINER (NICHT NUR ÖSTERREICHISCHEN) REALSATIRE................................................................. 426
BIBLIOGRAFIE.......................................................................................................................................... 429
v
Inhalt
Über den Autor: Raimund Karl hat an der Universität Wien Ur- und Frühgeschichte studiert und ist
ebendort auch für „keltische Altertumskunde“ habilitiert. Er ist derzeit als Professor of Archaeology
and Heritage an der Prifysgol Bangor University in Wales im Vereinigten Königreich von
Großbritannien und Nordirland beschäftigt. Zu seinen primären Forschungsinteressen zählen neben
der Archäologie der späteren Urgeschichte und Frühgeschichte Mittel- und Westeuropas, der
Sozialarchäologie, der archäologischen (Erkenntnis-) Theorie und der Rolle der Archäologie in der
gegenwärtigen Gesellschaft insbesondere auch die mittel- und westeuropäische Rechtsgeschichte
sowie die archäologische Denkmalpflege, ihre Rechtsgrundlagen, und die öffentliche und private
Denkmalverwaltung. Er ist Berater des walisischen Ministers für Kulturdenkmale, berät mehrere
Denkmalämter und Denkmalpflege-Fachgesellschaften ebenso wie Denkmalpflege-NGOs. Zu seinen
wichtigeren monografischen Publikationen gehören seine Bücher Altkeltische Sozialstrukturen (2006),
Macht und Ohnmacht des positivistischen Denkens (2010) und Archäologischer Denkmalschutz in
Österreich – Praxis, Probleme, Lösungsvorschläge (2011). Der archäologischen Denkmalpflege widmet
er sich auch regelmäßig in seiner gleichnamigen Blogschrift (https://archdenk.blogspot.com/).
ORCID: 0000-0001-5832-8656
vi
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Vorwort zu einer Realsatire
Also wirklich, der Herr Karl schon wieder. Jetzt bezeichnet er Denkmalpflege sogar schon als
rechtswidrig! Dabei weiß er doch so gut wie wir alle, dass der Schutz und die Erhaltung der Denkmale
die erhabensten Aufgaben der staatlichen Verwaltung sind und daher dabei gar nichts rechtswidrig sein
kann; und dass die staatlichen Denkmalpfleger, wie sie es immer mit Bestimmtheit feststellen, ja nur
die Gesetze anwenden; dienstbeflissen, objektiv und strikt wie es ihnen der demokratisch legitimierte
Gesetzgeber aufgetragen hat.
Und schon wieder Nachforschungsgenehmigungen [NFG]! Hat er denn nichts Besseres, über das er
schreiben kann; oder könnte er nicht besser gleich ganz die Feder niederlegen und das Schreiben sein
lassen? Er weiß doch schließlich genauso gut wie wir alle, dass man für Nachforschungen – und
insbesondere Grabungen, mit dem Zweck Bodendenkmale zu entdecken – einer denkmalbehördlichen
Bewilligung bedarf. Er weiß auch genauso wie wir alle, dass das in Österreich und ganz Deutschland
so gut wie gleich geregelt ist; mit Variationen höchstens im Detail, wie dass man z.B. in Bayern gem.
Art. 7 Abs. 1 DSchG-BY nur für Grabungen (Eberl et al. 2016, 246-8), in Hessen hingegen gem. § 22
HDSchG auch schon für bloße Geländebegehungen (Viebrock 2007, 238) und in Österreich sogar schon
für die bloße „topografische und morphologische Beurteilung“ von Geländemerkmalen (BDA 2016a,
11) eine NFG von der gesetzlich zuständigen Denkmalbehörde braucht. Wenn es trotzdem noch
irgendwelche Unklarheiten geben sollte, hat diese zuständige Behörde die gesetzlichen Bestimmungen
notfalls in pflichtgemäßem Ermessen (wie das auf Amtsdeutsch so schön heißt) auszulegen; und tut das
auch; punktum! Was soll also das ganze Theater?
Und jetzt kommt er sicher gleich wieder mit den Metallsuchern und dass diese behaupten, dass diese
NFG-Pflicht für sie überhaupt nicht gilt, wenn sie nicht nach Bodendenkmalen, sondern nur nach alten
Metallfunden, suchen. Als ob nicht schon längst jeder wüsste, dass überall Bodendenkmale vorkommen
könnten und daher die NFG-Pflichten der DSchG und des DMSG schon allein deshalb auf alle
Metallsuchen angewendet werden können, weil der Eventualvorsatz in jedem Fall vorausgesetzt werden
kann. Das sind alles alte Hüte, warum lässt er (und die Metallsucher) es nicht endlich? Die sollen sich
gefälligst wie jeder andere auch an die geltenden Gesetze halten; und Schluss! Deutschland und
Österreich wollen ihre Bodendenkmale erhalten und daher gilt in allen flächendeckend die NFG-Pflicht.
Ende der Debatte!
Aber ist es denn wirklich so?
1
Einleitung
Einleitung
Anlass für die Verfassung dieses Buchs zum archäologischen Denkmalschutz und insbesondere dem in
Österreich, aber nicht nur da, besonders wichtigen Mittel der Nachforschungsgenehmigungs- bzw.
Grabungsgenehmigungspflicht (wobei in Österreich unter dem Begriff „Forschungsgrabung“ gemäß
dem relevanten Paragrafen 11 Abs. 1 DMSG sowohl die „Nachforschung durch Veränderung der
Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser (Grabung)“ als auch „sonstige Nachforschungen an Ort
und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale
unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ zu verstehen sind, die angeblich allesamt der als
Grabungsgenehmigungspflicht bezeichneten NFG-Pflicht unterliegen) war für mich ein ganz
grundlegendes ethisches Problem. Anfang April 2017 sollte ich auf Wunsch des Vorstandes des
österreichischen Vereins ArchaeoPublica, dem ich auch selbst angehöre, bei einem von diesem Verein
veranstalteten Workshop zur Ausbildung archäologieinteressierter Bürger für Feldbegehungen zur
Aufsammlung von Oberflächenfunden einen Vortrag zur geltenden Rechtslage halten.
Gerade zur ganz besonders relevanten Frage, ob man für Feldbegehungen zur Aufsammlung von
Oberflächenfunden einer NFG gem. § 11 Abs. 1 bedarf, bestand aber zwischen dem Wortlaut des
Gesetzes samt einschlägiger höchstgerichtlicher Judikatur einerseits und den Richtlinien für
archäologische Maßnahmen des BDA (2016a, 11-2) andererseits ein diametraler Widerspruch:
Gesetzeswortlaut und Judikatur schließen eine Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 11 Abs. 1
DMSG auf Aufsammlungen von Oberflächenfunden explizit aus, während die Richtlinien des BDA
(2016, 11) sie explizit der Bewilligungspflicht dieses Paragrafen unterwarfen. Das führte zu einem
ethischen Dilemma: ich wusste, dass die vom BDA in dieser Frage vertretene Rechtsansicht falsch sein
musste, aber wusste ebenso, dass das BDA seine falsche Rechtsmeinung in der Praxis zur Anwendung
brachte. Als Wissenschafter bin ich ethisch dazu verpflichtet, in meinem Forschungsgebiet
schonungslos die Wahrheit zu sagen; als Lehrender aber dazu, meinen Schülern nichts beizubringen,
was diesen zum Schaden gereicht. Dieses Problem war natürlich einigermaßen einfach lösbar: ich
machte mein Publikum einfach auf die Diskrepanz zwischen tatsächlicher Rechtslage und
Anwendungspraxis des BDA aufmerksam und empfahl ihm, sich an die zweifellos falsche Rechtsansicht
des BDA zu halten, um unnötige Schwierigkeiten zu vermeiden.
Dennoch: eine solche Situation – dass die zuständige Bundesbehörde das von ihr zu vollziehende
Gesetz einfach offensichtlich grob rechtswidrig anwendet – ist sowohl aus wissenschaftlicher, als auch
aus pädagogischer, als auch aus gesellschaftspolitischer Sicht höchst unbefriedigend. Das ist umso
mehr der Fall, als das Fehlverhalten der Behörde sowohl meinen FachkollegInnen, den interessierten
Mitgliedern der Öffentlichkeit, als auch der Archäologie als Disziplin und den archäologischen
Denkmalen selbst zum Schaden gereicht. Daher entschloss ich mich – nicht zuletzt, weil ich das BDA
schon vielfach darauf aufmerksam gemacht hatte, dass es das von ihm zu vollziehende Gesetz
rechtswidrig anwandte – die Frage, ob nun die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auch auf
Aufsammlungen von Oberflächenfunden anwendbar sei, rechtlich zu klären, indem ich (zwei Mal
nacheinander) eine Bewilligung für solche Grabungen und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle
beantragte und nach Erhalt der Bewilligungen dagegen Beschwerden bei der zuständigen
gerichtlichen Kontrollinstanz erhob. Das Ergebnis dieser Beschwerden bildete den unmittelbaren
Anlass dafür, das vorliegende Buch zu verfassen.
Das vorliegende Werk ist, inspiriert durch die Anlassfälle für seine Verfassung, teilweise bewusst als
Satire verfasst, hauptsächlich aus dem Grund, dass die in Österreich für den archäologischen
Denkmalschutz zuständige Behörde zwar stets behauptet hat, nur im besten Interesse von
Archäologie und Allgemeinwohl geltendes Recht streng dem Buchstaben des Gesetzes entsprechend
2
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
zu vollziehen, aber in ihrer Verwaltungspraxis seit langem Vieles falsch gemacht hat (siehe dazu auch
den einschlägigen Rechnungshofbericht; RH 2017); bzw. einfach gemacht hat, was sie will, ohne dabei
Rücksicht auf geltendes Recht zu nehmen. Nur deshalb musste ich überhaupt den Testfall vor Gericht
bringen, der letztendlich zu diesem Buch geführt hat. Die von der Behörde ausgeübte
Willkürherrschaft hat aber, wie in diesem Buch gezeigt wird, in Österreich letztendlich dazu geführt,
dass nicht nur ein bedeutender Teil der archäologischen Denkmalpflege gänzlich rechtswidrig
betrieben wird, sondern die staatliche archäologische Denkmalpflege auch maximal ineffizient
funktioniert (falls man überhaupt davon sprechen kann, dass sie funktioniert). Statt den eigentlichen
Zweck, den sie erfüllen sollte zu fördern – im konkreten Fall archäologische Denkmale als Quellen
wissenschaftlicher Forschung nutzbar zu machen und, wo möglich, auch langfristig nutzbar zu erhalten
– behindert oder verhindert das behördliche Verwaltungshandeln das Erreichen dieses Ziels.
Das Stilmittel der Satire erlaubt, bestehende Probleme deutlicher aufzuzeigen. Um jedoch LeserInnen,
die dieses Stilmittel nicht mögen, die Lektüre dieses Werks nicht zu sehr zu vergällen, sind bewusst
satirische Textteile in anderer Schriftart als der Rest des Textes gesetzt. Derart gesetzte Textteile
tragen zwar zum Inhalt des Buches bei, sind aber für sein Verständnis nicht erforderlich, und können
daher bei der Lektüre ausgespart werden. Die realsatirischen Aspekte, d.h. die absurden Folgen der
Versuche der staatlichen archäologischen DenkmalpflegerInnen und ihrer juristischen KollegInnen,
mit einer dafür ungeeigneten gesetzlichen Grundlage einen modernen archäologischen
Denkmalschutz zu erreichen, sind hingegen Thema dieses Werkes und durchziehen daher den ganzen
Text.
Die konkreten Anlassfälle, die mich dazu bewogen haben, dieses Werk zu verfassen, sind auch ein
Grund dafür, dass ich mich in diesem Buch überwiegend mit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG
(und ähnlichen NFG-Pflichten in deutschen Denkmalschutzgesetzen) befasse. Der hauptsächliche
Grund dafür ist jedoch der, dass das BDA dieses Rechtsinstrument inzwischen als hauptsächliches,
wenn nicht sogar als einziges Mittel dafür benutzt, jenen modernen archäologischen Denkmalschutz
in der Praxis zu erreichen zu versuchen, den die gesetzlichen Bestimmungen des DMSG eigentlich
gänzlich unmöglich machen. Dass ich in den konkreten Anlassfällen die eigentlich bereits vom
Gesetzgeber durch den Gesetzeswortlaut und die höchstgerichtliche Judikatur absolut eindeutig
geklärte Frage der Nichtanwendbarkeit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auf die Suche nach und
Aufsammlung von Oberflächenfunden und auf Nachforschungen auf Grundstücken, bezüglich derer
nicht einmal ein Verdacht besteht, dass dort Denkmale vorkommen, neuerlich klären musste, ist
unmittelbar der Tatsache geschuldet, dass das BDA die NFG-Pflicht als archäologischdenkmalpflegerisches Allheilmittel zu verwenden versucht.
Das vorliegende Buch ist daher sehr kritisch, insbesondere was die Verwaltungspraxis des BDA (und
der Denkmalämter in einigen zu Vergleichszwecken betrachteten deutschen Ländern) betrifft. Meine
Kritik ist dabei aber nicht auf das vom BDA verfolgte, archäologisch-denkmalpflegerische Ziel
gerichtet. Ganz im Gegenteil stimme ich mit dem BDA völlig überein, dass der archäologische
Denkmalschutz in Österreich (und auch sonst überall) präventiv statt reaktiv gestaltet werden muss.
Ich stimme ebenso mit dem BDA überein, dass es in der archäologischen Denkmalpflege nicht (nur)
um die körperliche Erhaltung der historisch gewachsenen Erscheinung und Substanz besonders
bedeutender archäologischer Denkmale (d.h. deren Erhaltung in situ), sondern vielmehr primär um
die Erhaltung möglichst aller – d.h. auch scheinbar oder tatsächlich völlig unbedeutenden –
archäologischen Denkmale durch sachgerechte (wissenschaftliche) Dokumentation bei ihrer
letztendlich unvermeidbaren körperlichen Zerstörung gehen muss. Ein archäologischer
Denkmalschutz, der nicht auf diesen beiden Grundprinzipien – die präventive Erhaltung der in
archäologischen Denkmalen gespeicherten historischen Information durch deren sachgerechte
3
Einleitung
Dokumentation – aufbaut, kann heutzutage aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht nicht mehr
als adäquat betrachtet werden, sondern muss als hochgradig veraltet und für gegenwärtige
Verhältnisse völlig ungeeignet betrachtet werden. Ich stimme daher mit dem BDA völlig überein, dass
ein solcher präventiver, dokumentationsfokussierter archäologischer Denkmalschutz in Österreich
unbedingt eingeführt werden muss.
Meine Kritik richtet sich also nicht gegen das Ziel, das vom BDA in seiner beratenden Funktion für
Ministerium und Gesetzgeber und seiner Verwaltungspraxis verfolgt wird, sondern gegen den Weg,
auf dem, und die Methoden, mit denen es dieses Ziel zu erreichen versucht. Der Weg ist dabei bisher
in erster Linie der gewesen, die geltenden gesetzlichen Bestimmungen zunehmend intransparenter zu
gestalten, sozusagen die rechtlichen Wässer im Bereich der archäologischen Denkmalpflege so weit
zu trüben, bis niemand mehr sagen kann, was eigentlich mit den gesetzlichen Bestimmungen genau
gemeint ist, und daher der Auslegungsspielraum für die Behörde so weit wird, dass sie scheinbar
rechtmäßig vollkommen willkürlich entscheiden kann, was ein archäologisches Denkmal und wie
dieses zu behandeln ist, wobei die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen retrospektiv wirksam werden
(sollen). Das Mittel hingegen war und ist in erster Linie die Ausdehnung des Anwendbarkeitsbereichs
von NFG-Pflichten auf praktisch alle Handlungen, durch die archäologische Denkmale gefährdet
werden könnten, bei gleichzeitiger zunehmender Einschränkung der Möglichkeit, eine NFG erteilt zu
bekommen, auf immer engere Personenkreise. Daraus folgt in letzter Konsequenz dann auch das
Postulat eines zwar offiziell als „staatlich“ bezeichneten, aber in der Praxis personalisierten,
Forschungsvorrechts für bei der Behörde beschäftigte archäologische Fachkräfte im Bereich der
archäologischen Feldforschung. Dieser Weg und dieses Mittel führen aber letztendlich zwingend zu
massiven Kollisionen mit Grundprinzipien unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung und
insbesondere auch mit bedeutenden Grundrechten aller Bürger; d.h. führen notwendigerweise zu
einer rechtswidrigen archäologischen Denkmalpflege, die auch ethisch nicht vertretbar ist.
Der einzige korrekte Weg, der uns zur Verfügung steht, jenen archäologischen Denkmalschutz auch
tatsächlich zu bekommen, den wir uns als professionelle ArchäologInnen wünschen würden – eben
einen archäologischen Denkmalschutz, der präventiv in Denkmalen gespeicherte archäologische
Informationen vor dem Verlust durch die undokumentierte Zerstörung oder Veränderung dieser
Denkmale schützt und somit die Primärquellen der archäologischen wissenschaftlichen Forschung
erhält – ist, unsere Denkmalschutzgesetze – d.h. in Österreich das DMSG – entsprechend fundamental
abzuändern; nicht den Gesetzgeber durch scheinbar harmlose Mikroänderungen, die eine rechtlich
nicht tragfähige behördliche Willkürherrschaft in der Verwaltungspraxis ermöglichen, zu täuschen zu
versuchen. Daher zielt dieses Buch letztendlich darauf ab, einen auch rechtlich tragfähigen
Änderungsvorschlag für das DMSG zu entwickeln, der es – sofern die vorgeschlagenen Änderungen
tatsächlich als Novelle des DMSG verabschiedet werden – ermöglichen sollte, sich diesem Ziel, einen
modernen, präventiven, dokumentationsfokussierten archäologischen Denkmalschutz zu erreichen,
so sehr als möglich anzunähern. Dieser Änderungsvorschlag findet sich am Ende dieses Buches als sein
abschließendes Kapitel (Seiten 358-422).
Am Weg zu diesem Änderungsvorschlag ist es aber notwendig, die Handhabungspraxis der derzeitigen
gesetzlichen Bestimmungen, diese Bestimmungen selbst und die aus diesen Bestimmungen und ihrer
behördlichen Anwendungspraxis resultierenden Probleme zu betrachten und daraus Lehren dafür zu
ziehen, wie man die gesetzlichen Bestimmungen reformieren könnte und müsste, um das, was die
Denkmalbehörden derzeit auf rechtswidrigem Weg zu erreichen versuchen, auch tatsächlich auf
rechtmäßigem Weg zu erreichen. Ich beginne daher das Buch mit einem kurzen Blick auf die
Anlassfälle, der mich zu seiner Verfassung animiert haben, und einen damit in unmittelbarem
Sinnzusammenhang stehenden, noch weitaus bedeutenderen anderen Fall, der 2017 von der
4
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
österreichischen Gerichtsbarkeit entschieden wurde (Seiten 8-28). Hauptsächliches Ziel dieses und
des unmittelbar folgenden Kapitels über einen Fall von eindeutig rechtswidriger Denkmalpflege durch
ein deutsches Landesamt für Denkmalpflege (Seiten 28-33) ist es, zu zeigen, dass es keineswegs so ist,
dass Denkmalämter immer nur in „pflichtgemäßem Ermessen“ die von ihnen zu vollziehenden Gesetze
vollziehen, sondern es vielmehr durchaus möglich und auch schon tatsächlich dazu gekommen ist,
dass Denkmalämter in ihrer Verwaltungspraxis geltendes Recht gravierend fehlinterpretiert oder
missachtet haben.
Das nächste Kapitel (Seiten 33-85) widmet sich – zu guten Teilen auf Basis deutscher
Vergleichsbeispiele – dem Thema, wie es dazu kommt, dass Denkmalämter und deren Juristen im
Wege der Einflussnahme auf die Gesetzgebung eine denkmalbehördliche Willkürherrschaft zu
errichten versuchen; und welche Probleme das im Bereich der Anwendbarkeit der dadurch
geschaffenen gesetzlichen Bestimmungen in der Praxis erzeugt. Dem folgt eine genauere Besprechung
der historischen Entwicklung der relevanten Bestimmungen des österreichischen DMSG (Seiten 85118), in der insbesondere gezeigt wird, wie durch sehr kleine und scheinbar unbedeutende
Veränderungen des Gesetzestextes – die primär mit dem Zweck vorgenommen wurden, den
Gesetzgeber darüber zu täuschen, dass das Ziel dieser Änderungen war, die Hobby-Metallsuche
möglichst verbieten und das Recht „archäologische Nachforschungen“ durchführen zu dürfen auf
einen möglichst engen Kreis graduierter ArchäologInnen zu beschränken – ein an sich rechtlich
durchaus funktionsfähiges, wenn auch nur den Verhältnissen um 1923 entsprechendes und daher zum
Zeitpunkt seiner ersten auch für die Archäologie signifikanten Änderung durch die Novelle BGBl.
473/1990 bereits hochgradig veraltetes, Gesetz in ein nicht mehr rechtmäßig anwendbares Gesetz
verwandelt wurde.
In den folgenden drei Kapiteln wird auf drei grundsätzliche Probleme der archäologischen
Denkmalpflege eingegangen, die ganz wesentlich dazu beitragen, dass die archäologische
Denkmalpflege in Österreich (und auch jenseits davon) sowohl beratungs- als auch
veränderungsresistent ist. Das erste davon ist das Problem der Bestimmung des (Denkmal-) Wertes
archäologischer Denkmale (Seiten 118-161), die unter dem derzeit in der österreichischen Archäologie
dominanten epistemologischen Paradigma notwendigerweise immer nur retrospektiv beantwortet
werden kann, was eine Unterscheidung zwischen „besonders“ bedeutenden und „weniger wichtigen“
archäologischen Denkmalen derzeit unmöglich macht. Im zweiten geht es um die Frage der
langfristigen Erhaltung archäologischer Denkmale (Seiten 161-188), wobei insbesondere gezeigt wird,
dass noch im Boden verborgene archäologische Denkmale und vor allem noch völlig unbekannte
archäologische Denkmale durch ihre derzeit in der archäologisch-denkmalpflegerischen Fachwelt
dogmatisch bevorzugte Belassung in situ überhaupt nicht langfristig erhalten werden, sondern ihre
dauerhafte Erhaltung ausschließlich durch ihre möglichst wissenschaftlich sachgerechte
Dokumentation erreicht werden kann. Im dritten Kapitel in diesem Block geht es schließlich um die
Frage, was – insbesondere aus archäologisch-fachlicher Sicht – eigentlich überhaupt eine
„Raubgrabung“ ist und wie das Problem mit diesen aus archäologischer Sicht unerwünschten
Grabungen effektiver als bisher gelöst werden könnte (Seiten 188-209).
Die beiden folgenden Kapitel betrachten die Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen NFG-Pflichten
genauer aus rechtspolitischer und verfassungsrechtlicher Sicht. Im ersten Kapitel dieses Blocks wird
ein breiterer Vergleich mit der Führerscheinpflicht zur Inbetriebnahme von Kraftfahrzeugen auf
öffentlichen Verkehrsflächen angestellt (Seiten 209-226), der verdeutlicht, wie viel restriktiver als
diese die gesetzliche Regelung der archäologischen NFG-Pflichten ist, obgleich die von
Nachforschungen für das im Gemeinwohlinteresse geschützte Rechtsgut Denkmale ausgehenden
Gefahren Großteils hypothetisch und jedenfalls viel geringer als die vom privaten Kraftfahrzeugführen
5
Einleitung
ausgehenden Gefahren für die viel hochrangigeren Schutzgüter von Leben, Gesundheit und Eigentum
sind. Im zweiten Kapitel in diesem Block wird hingegen die Verhältnismäßigkeit der NFG-Pflicht des §
11 Abs. 1 DMSG mit der dadurch verursachten Beschränkung der verfassungsgesetzlich durch Art. 17
Abs. 1 StGG garantierten Wissenschaftsfreiheit geprüft (Seiten 226-307); mit dem Ergebnis, dass schon
die gesetzliche Bestimmung selbst, aber noch viel mehr ihre exzessive Auslegung durch das BDA, das
Übermaßverbot der österreichischen Bundesverfassung gravierend verletzt und daher sowohl die
Bestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG als auch ihre Anwendungspraxis durch das BDA jedenfalls
verfassungswidrig sind.
Dem folgen schließlich noch zwei Kapitel, die sich zwei anderen wichtigen Problemen zuwenden, die
dadurch verursacht wurden, dass man im DMSG und insbesondere bei dessen jüngeren
Novellierungen nicht systematisch archäologische Denkmale mit bedacht und auch nicht über die
Konsequenzen nachgedacht hat, die diese Veränderungen nach sich ziehen könnten. Das erste dieser
Kapitel widmet sich dem Problem der automatisch gem. § 2 DMSG geschützten beweglichen
Kleinfunde in archäologischen Sammlungen bestimmter öffentlich-rechtlicher Körperschaften oder
deren Einrichtungen, das dazu führt, dass SammlungskuratorInnen und RestauratorInnen ihre
alltägliche Arbeit eigentlich gar nicht rechtmäßig durchführen können, ohne ununterbrochen
Genehmigungsanträge an das BDA stellen zu müssen (Seiten 307-319), weil man bei der
automatischen Unterschutzstellung Kraft gesetzlicher Vermutung einfach darauf vergessen hat, dass
praktisch alle archäologischen Funde in öffentlichen Sammlungen mehr als 100 Jahre alt und nicht
industriell gefertigt sind und daher automatisch unter Denkmalschutz stehen. Das letzte Kapitel vor
dem Änderungsvorschlag für das DMSG schließlich widmet sich der Frage, wie man durch die
rechtliche Gestaltung des Erwerbs der rechtlichen Verfügungsgewalt über bewegliche und
unbewegliche archäologische Denkmale auf Basis ihrer Behandlung zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung
sowohl Finder als auch Grundeigentümer maximal zu denkmalschutzförderlichen und
denkmalpflegerisch erwünschten Verhalten motivieren und somit einen möglichst effizienten
archäologischen Denkmalschutz erreichen kann (Seiten 319-358).
Die aus der Betrachtung dieser verschiedenen Einzelaspekte gewonnenen Erkenntnisse werden
schließlich in einen Vorschlag zur Abänderung der archäologischen Bestimmungen des DMSG
zusammengefasst (Seiten 358-423). Dieser Vorschlag – der auch in Form eines möglichen
Gesetzeswortlauts ausformuliert und jeweils auch noch einmal konkreter erläutert wird – soll dabei
selbstverständlich nur eine Diskussionsgrundlage bieten: ob man ihn, so wie er ist, auch tatsächlich
als Novelle zum DMSG verabschieden könnte oder nicht ist sowohl von der archäologischen Fachwelt,
als auch von Juristen, als auch von allfällig am archäologischen Denkmalschutz interessierten oder von
ihm betroffenen Bürgern und zivilgesellschaftlichen Interessensvertretungen zu diskutieren;
erforderlichenfalls ist er natürlich auch abzuändern. Ich denke allerdings, dass dieser Vorschlag für alle
betroffenen Interessensgruppen weit vorteilhafter wäre als die derzeitige gesetzliche Regelung des
archäologischen Denkmalschutzes und gleichzeitig einen weitaus besseren archäologischen
Denkmalschutz ermöglichen würde als bisher, der durch die vorgeschlagenen neuen Bestimmungen
auch rechtlich tragfähig geregelt wäre. Zumindest ein guter Teil der Vorarbeiten ist hiermit also
gemacht.
Dafür, dass ich diese Ideen entwickeln und dieses Buch auch schreiben konnte, bin ich vielen
Kolleginnen und Kollegen zu bedeutendem Dank verpflichtet; an erster Stelle meiner Frau, mit der ich,
wie üblich, meine Ideen ausgiebig diskutiert habe und die auch, wie üblich, das Manuskript
korrekturgelesen hat. Gleiches gilt für meine Kollegin Katharina Möller, die ebenfalls durch
Diskussionen und als Lektorin meines Manuskripts maßgeblich zu diesem Werk beigetragen hat.
Selbstverständlich sind alle verbleibenden Fehler im Manuskript trotzdem ausschließlich meine
6
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Schuld. Ebenfalls bedanken möchte ich mich gleichermaßen bei den graduierten und den nicht
graduierten ArchäologInnen des Vereins ArchaeoPublica, die ebenfalls maßgeblich zu den in dieser
Arbeit niedergeschriebenen Gedanken beigetragen haben, insbesondere Gerald Grabherr, Jutta
Leskovar, Stefan Traxler, Helmut Ardelt, Christian Steingruber, Christoph Baumgartner, Barbara
Kainrath, Sigrid Peter, Joris Coolen, Michael Bader und Fabian Benedikt. Besonderer Dank gilt auch
den MitarbeiterInnen des Bundesdenkmalamtes, allen voran dem Leiter der archäologischen
Abteilung Bernhard Hebert, die trotz meiner häufigen Kritiken an ihrer Arbeit dennoch immer
gesprächsbereit geblieben sind und mir auch wenigstens jene Informationen zukommen lassen, die
sie mit Dritten teilen dürfen; und die vor allem – wenigstens soweit ich das zu beurteilen können
glaube – ernsthaft und ehrlich bemüht sind, für einen einigermaßen effektiven archäologischen
Denkmalschutz in Österreich zu sorgen, auch wenn sie das meiner Meinung nach mit ungeeigneten
Mitteln auf dem falschen Weg versuchen. Den zahllosen weiteren Kolleginnen und Kollegen, die durch
Kommentare bei Tagungen oder in anderen Kontexten ebenfalls dazu beigetragen haben, meine
Gedanken in der Weise zu formen, die hier nun dargelegt wurde, kann ich nur kollektiv danken, den
die Nennung aller ihrer Namen würde den Rahmen dieser Einleitung sprengen. Dass viele davon
eventuell auch deutlich anderer Meinung sind als ich, versteht sich von selbst: wissenschaftlicher
Fortschritt entsteht schließlich zum Großteil aus dem Widerspruch gegen die und der Widerlegung
der Gedanken und Ergebnisse anderer ForscherInnen. Mein besonderer Dank gilt daher nicht zuletzt
all jenen, an deren Ansichten und Meinungen ich mich reiben und denen ich mit diesem Werk
widersprechen kann.
Raimund Karl
Bangor/Gwynedd, 18.6.2019
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Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht
Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht
Das österreichische Bundesdenkmalamt [BDA] besteht, wie ich tatsächlich ebenso gut weiß wie jeder
andere, tatsächlich seit Jahrzehnten darauf, dass die NFG-Pflicht (streng rechtlich gesehen heißt sie
dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 DMSG folgend eigentlich Grabungsgenehmigungspflicht, aber das
können wir hier vorerst beiseitelassen) für alle Grabungen und sonstigen Nachforschungen an Ort und
Stelle gilt, egal wo in Österreich sie durchgeführt werden sollen. In seinen amtlichen Richtlinien für
archäologische Maßnahmen drückte es das bis zur Fassung von 2016 mit aller wünschenswerten
Bestimmtheit und Eindeutigkeit wie folgt aus:
„Voraussetzung für die Aufnahme jeglicher Grabungstätigkeiten »und sonstiger
Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher
und unbeweglicher Denkmale« (§ 11 Abs. 1 DMSG) ist das Vorliegen eines bewilligenden
Bescheides des Bundesdenkmalamtes gemäß § 11 Abs. 1 DMSG.“ (BDA 2016a, 6).
Wirklich, was sollte es da noch weiter zu diskutieren geben?
Im konkreten Fall drei Erkenntnisse (wie im österreichischen Juristendeutsch Entscheidungen im
Instanzenzug der Gerichte des öffentlichen Rechts, d.h. in deutsches Juristendeutsch übersetzt Urteile
der Verwaltungsgerichtsbarkeit, genannt werden) der österreichischen Verwaltungsgerichte aus dem
Jahr 2017; und zwar zwei des Bundesverwaltungsgerichts ([BVwG]; 1. Instanz, d.h. für Beschwerden
gegen Verwaltungsentscheidungen zuständig, z.B. Bescheide einer Behörde) und eines des
Verwaltungsgerichtshofes ([VwGH]; 2. Instanz, d.h. für die Revision von z.B. Erkenntnissen der 1.
Instanz zuständig). Beide haben sich nämlich jüngst mit der Frage der NFG-Pflicht auseinandergesetzt.
BVwG vom 11.9.2017 zu Zahl W183 2168814-1/2E
In seinem Erkenntnis vom 11.9.2017 zu Zahl W183 2168814-1/2E hat das BVwG bezüglich einer von
mir selbst eingebrachten Beschwerde gegen den Bescheid gem. § 11 Abs. 1 DMSG des BDA vom
13.6.2017, GZ: BDA-61408.obj/0001-ARCHÄO/2017, mittels dessen mir das BDA die Bewilligung zur
Durchführung des von mir beantragten Rastersurveys (BDA 2016a, 12) zur Entdeckung von
Oberflächenfunden im Garten meiner Eltern in Wien unter zahlreichen Auflagen (darunter die
Einhaltung der Richtlinien) erteilt hatte, zu Recht erkannt, dass der von mir bekämpfte Bescheid des
BDA wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war. Zur Verfahrensbeschleunigung
angesichts völlig eindeutiger Rechtslage hat das BVwG in der Sache entschieden und meinen Antrag
auf Erteilung einer NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG zurückgewiesen. Ebenfalls aufgrund völlig eindeutiger
Rechtslage wurde die ordentliche Revision gem. § 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz [B-VG] nicht
zugelassen.
Als entscheidungswesentlich nannte das BVwG die folgenden Gründe:
1. spräche der Gesetzeswortlaut ausdrücklich von Nachforschungen zum Zwecke der
Entdeckung von „… Denkmalen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche …“ (§ 11 Abs. 1 DMSG
1999; Hervorhebung: RK), was auf Oberflächenfunde schon allein deshalb nicht zutreffen
könne, weil sich diese, wie schon ihr Name (und auch § 8 Abs. 1 DMSG) zweifelsfrei verrät,
ganz oder wenigstens teilweise auf der Erdoberfläche befinden.
2. habe bereits der VwGH in seinem Erkenntnis vom 24.6.1985 zu Zl. 84/12/0213 abschließend
zu Recht erkannt, dass das Aufsammeln von Oberflächenfunden der Bewilligungspflicht des §
11 Abs. 1 DMSG nicht unterliegen könne. Zwar sei dieses unter der noch etwas anderen
Rechtslage des § 11 Abs. 1 DMSG 1978 ergangen; da diese damals aber noch nicht einmal den
Beisatz „… unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ der derzeitigen Fassung enthalten habe,
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
habe sich die Rechtslage nicht in einer Weise geändert, die den Schluss zulassen würde, dass
das Erkenntnis des VwGH aus 1985 inzwischen überholt sei.
3. habe der VwGH auch in seinem Erkenntnis vom 23.2.2017 zu Zl. Ro2016/09/0008 ebenfalls zu
Recht erkannt, dass die NFG-Pflicht an die Voraussetzung geknüpft sei, dass am Ort der
Untersuchung zumindest Bodenfunde vermutet werden würden, was im gegenständlichen
Fall, wie aus meinem ursprünglichen Antrag eindeutig zu entnehmen gewesen sei, ebenfalls
nicht gegeben war.
Für den konkreten Fall zog das BVwG aus diesen Gründen den Schluss, „… dass der gegenständliche
Antrag keiner Bewilligungspflicht nach § 11 Abs. 1 DMSG unterliegt“ (BVwG 11.9.2017, W183
2168814-1/2E, 4; Hervorhebung: RK). Es führte weiter aus, dass, obwohl meinem Antrag stattgegeben
worden sei, ich dadurch insofern beschwert worden wäre, als mir „die beabsichtigte Maßnahme unter
zahlreichen Auflagen erteilt wurde. Auflagen können aber nur dann erteilt werden, wenn die
beabsichtigte archäologische Maßnahme grundsätzlich einer Bewilligungspflicht i.S.d. § 11 Abs. 1
DMSG unterliegt“ (ibid., 5). Seine Spruchbegründung zur Frage der Anwendbarkeit der NFG-Pflicht auf
den konkreten Fall schloss das BVwG wie folgt: „Das Bundesverwaltungsgericht gelangt somit
abschließend zu dem Ergebnis, dass dem angefochtenen Bescheid Rechtswidrigkeit i.S.d. Art. 130 Abs.
1 Z 1 B-VG anzulasten ist …“ (ibid.; Hervorhebung: RK).
Es schaut also so aus, als ob es mit der vom BDA in seinen amtlichen Richtlinien postulierten NFGPflicht für Begehungen (BDA 2016a, 11-2) nicht allzu weit her sein würde; wie ich es der Behörde
übrigens jetzt schon seit geraumer Zeit zu erklären versuche, nicht zuletzt aus den beiden zuerst vom
BVwG genannten entscheidungswesentlichen Gründen.
Zugegebenermaßen ist die korrekte Auslegung gesetzlicher Bestimmungen nicht die einfachste aller
Übungen, deren korrekte Erledigung daher einem bloßen Hobbyjuristen und Hobbyarchäologen (Karl
2017a) wie mir nicht unbedingt zugetraut werden kann; bloß, weil ich Universitätsprofessor für
Archäologie und Denkmalwissenschaft (oder wie auch immer man Professor of Archaeology and
Heritage gerne übersetzen möchte) bin und für meinen Brotberuf neben dem Doktoratsstudium eine
juristische Ausbildung erhalten habe, weil ich als Rechtsfürsorger unter anderem mit kleiner
Vertretungsbefugnis Mandanten vor Gericht zu vertreten hatte. Solche Dilettanten glauben dann doch
glatt, dass bloß, weil sie lesen können, dass der Gesetzeswortlaut explizit die NFG-Pflicht auf
Nachforschungen nach unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche gelegenen Gegenständen beschränkt und
die abschließende höchstgerichtliche Judikatur zu genau dieser Rechtsfrage die Anwendbarkeit der
gesetzlichen NFG-Pflicht auf Aufsammlungen von Oberflächenfunden explizit ausschließt, auch
tatsächlich die NFG-Pflicht für Aufsammlungen von Oberflächenfunden nicht gilt.
Dabei ist das doch völlig absurd, weil wir schließlich alle besser wissen, dass die NFG-Pflicht des § 11
Abs. 1 DMSG, wie es uns das BDA schließlich in seinen amtlichen Richtlinien gesagt hat, für jegliche
„Grabungstätigkeiten“ und sonstige „Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung
und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale« (§ 11 Abs. 1 DMSG)“ (BDA 2016a, 6)
gilt. Weil im Gegensatz zu Dilettanten wie mir weiß man im BDA, wo man den Gesetzestext zu lesen
aufhören muss, damit er das sagt, was uns auch aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht recht ist.
Dummerweise ist aber, was uns recht ist, scheinbar trotzdem nicht Recht, sondern vielmehr, wenigstens
in diesem Fall, leider rechtswidrig. Wirklich, so ein dummes Gesetz! Und erst all das dumme juristische
Geschwätz! Schwamm drüber, machen wir einfach weiter, als ob nichts geschehen wäre, weil wir
wissen schließlich alle, was richtig ist, auch wenn es nicht Recht sein sollte.
Weil wir schon beim einfach Weitermachen, als ob nichts geschehen wäre, sind, da war ja auch noch
Punkt 3 der Entscheidungsbegründung des BVwG. Was hat es eigentlich damit auf sich?
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Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht
VwGH vom 23.2.2017 zu Zahl Ro 2016/09/0008
In seinem Erkenntnis vom 23.2.2017 zu Zahl Ro 2016/09/0008 (den vollständigen Text siehe hier:
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Vwgh/JWT_2016090008_20170223J00/JWT_2016090008_20
170223J00.pdf) hat der VwGH in einem – durch eine Anzeige des BDA gegen einen unbewilligte
Ausgrabungen in einer prähistorischen Kupferbergbauhalde durchgeführt habenden citizen scientist
ausgelösten – Fall zu Recht erkannt, dass „[u]nabdingbare Voraussetzung für die Anwendung des
DMSG ist, dass ein Denkmal vorliegt (§ 1 Abs. 1 DMSG) bzw. im Falle des § 11 Abs. 1 DMSG, dass
zumindest Bodenfunde vermutet werden“ (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4). Spezifischer
erfordert die Annahme der Zweckgerichtetheit der Nachforschung dem VwGH zufolge „bei einer
bezweckten Entdeckung“ sogar wenigstens, dass „eine konkrete Vermutung oder Wahrscheinlichkeit
für ein Vorhandensein bzw. Auffinden denkmalschutzrelevanter Gegenstände gegeben“ (ibid.) ist. Er
nennt auch beispielhaft Anhaltspunkte, die eine derartige konkrete Vermutung begründen können,
nämlich „z.B. wissenschaftliche Befunde und Gutachten geeigneter Sachverständiger oder andere
allgemein zugängliche Quellen bzw. auch ein laufendes Unterschutzstellungsverfahren“ (ibid.). Zu
diesem Erkenntnis gelangt der VwGH letztendlich, weil er seiner abschließenden Auslegung der
Bestimmungen des DMSG ganz allgemein und des § 11 Abs. 1 DMSG speziell eine teleologische, d.h.
an der Zielsetzung des Denkmalschutzes orientierte, Interpretation (ibid., 3) der gesetzlichen
Bestimmungen zugrunde legt.
Glücklicherweise ist das Ziel des Denkmalschutzes wieder etwas, was wir alle wissen, nämlich iSd § 1
Abs. 1 DMSG die Bewahrung der Denkmale „vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins
Ausland“ (§ 1 Abs. 1 DMSG). Nicht wahr?
Dummerweise ist dem nicht ganz so. Es stimmt natürlich schon, dass das Ziel des Denkmalschutzes die
Bewahrung der Denkmale ist. Aber der Denkmalschutz ist keine Person, die irgendwelche Ziele haben
kann. Die Frage nach dem Ziel des Denkmalschutzes ist also unbeantwortbar, solange man nicht weiß,
wer dieses Ziel denn definiert hat und wie er es definiert hat.
Man könnte jetzt natürlich argumentieren, dass das eine Frage ist, deren Beantwortung man am besten
den ExpertInnen, also uns überlassen sollte, weil schließlich wissen wir am besten, was gut und richtig
für die Erhaltung der Denkmale ist. Das ist auch das, was wir gerne hätten; und von dem wenigstens
manche von uns auch glauben, dass es sich so verhält. In diesem Zusammenhang unpraktischerweise
für uns leben wir jedoch nicht in einer Meritokratie, in der die, die am besten wissen, was gut und richtig
ist, autokratisch entscheiden können, was z.B. das Ziel des Denkmalschutzes ist. Vielmehr leben wir in
repräsentativen Demokratien, in denen solche Entscheidungen nicht von uns, sondern vom
demokratisch legitimierten Gesetzgeber in Form seiner Gesetzgebung, festgelegt werden.
Die Frage nach dem Ziel des Denkmalschutzes ist also letztendlich die Frage nach dem Ziel, das der
Gesetzgeber durch die Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes zu erreichen versucht. Das hat er
glücklicherweise auch definiert, indem er gleich im ersten Satz des ersten Paragrafen des DMSG
sowohl den Begriff Denkmale definiert als auch den Geltungsbereich des DMSG bestimmt hat. Dieser
erste Satz lautet, vollständig zitiert:
„Die in diesem Bundesgesetz enthaltenen Bestimmungen finden auf von Menschen
geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände (einschließlich Überresten und Spuren
gestaltender menschlicher Bearbeitung sowie künstlich errichteter oder gestalteter
Bodenformationen) von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung
(„Denkmale“) Anwendung, wenn ihre Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen
Interesse gelegen ist.“ (§ 1 Abs. 1 DMSG; Hervorhebung: RK)
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Das Ziel, das der demokratisch legitimierte österreichische Gesetzgeber mit dem DMSG zu erreichen
versucht, ist also nicht etwa, alle Denkmale iSd Begriffsdefinition des § 1 Abs. 1 zu erhalten. Vielmehr
ist das Ziel, das er zu erreichen versucht, die Denkmale zu erhalten, deren Erhaltung im öffentlichen
Interesse gelegen ist. Der Gesetzgeber hat auch bestimmt, welche Kriterien dafür ausschlaggebend
sind, ob ein öffentliches Interesse an der Erhaltung von Denkmalen besteht, nämlich in § 1 Abs. 2
DMSG; und auch wodurch dieses öffentliche Interesse rechtswirksam wird, nämlich durch
Unterschutzstellung eines Denkmals in einem in § 1 Abs. 4 DMSG genannten Verfahren.
Er hat auch in der Regierungsvorlage zum DMSG 1999 vernünftig erklärt, was das Grundprinzip ist, das
dem DMSG zugrunde liegt:
„Das Denkmalschutzgesetz ging von vornherein von einer klaren Beschränkung durch
wissenschaftlich überlegte Auswahl aus. Nur in dieser Beschränkung kann der Denkmalschutz
auch jene Effizienz entfalten, deren er bei einer zu großen Anzahl von Unterschutzstellungen
verlustig gehen würde. Aus diesem Grund ist es eine der schwierigsten Aufgaben des
Bundesdenkmalamtes, jene Auswahl in jenem Umfang für die Unterschutzstellungen zu treffen,
die vom Fachlichen her erforderlich ist und vom Administrativen her bewältigt werden kann.“
(RV 1999, 39).
Das spricht nicht gerade dafür, dass der Gesetzgeber mit dem DMSG das Ziel verfolgt hat, ganz
Österreich zu einem archäologischen Nachforschungsschutzgebiet zu erklären, in dem man nicht ohne
Bewilligung des BDA nach Gegenständen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche suchen darf, die zwar
vielleicht so bedeutend sein könnten, dass Ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen wäre, aber
es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht sind und noch dazu so gut wie nirgendwo tatsächlich
vorkommen. Das trifft umso mehr zu, als er diese Erklärung in seinen Erläuterungen zu § 1 Abs. 5
DMSG abgibt, in dem er bestimmt, wie zu entscheiden ist, ob überhaupt ein öffentliches Interesse an
der Erhaltung eines Denkmals besteht.
Dieser Paragraf ist noch dazu auch die Stelle, an welcher der Gesetzgeber bestimmt, wie mit
Denkmalen zu verfahren ist, die noch nicht ausreichend erforscht sind, wie das „insbesondere bei nicht
ausgegrabenen Bodendenkmalen“ (§ 1 Abs. 5 DMSG) der Fall ist. Bei solchen noch unzureichend
erforschten Denkmalen gestattet er für die Unterschutzstellung ein geringeres als das normalerweise
anzulegende Beweismaß der Sicherheit; nämlich die bloße Wahrscheinlichkeit aufgrund des
wissenschaftlichen Erkenntnisstandes, dass die für die Unterschutzstellung erforderlichen Fakten
gegeben sind; macht ihre Unterschutzstellung also leichter, als sie es normalerweise wäre. Diese
Möglichkeit hat der Gesetzgeber in der Novelle des DMSG 1990 (damals als § 1 Abs. 2 DMSG)
eingeführt; und zwar aus einem ganz bestimmten Grund: als österreichische Lösung, um die sich aus
der von Österreich bereits 1974 ratifizierten Londoner Konvention (Europarat 1969) ergebende
Verpflichtung zur Einführung von Grabungsschutzgebieten bzw., wie das in der Diktion der
Regierungsvorlage zum DMSG 1990 ausgedrückt wurde, von „Fundhoffnungsgebieten“ (RV 1990, 102) zu erfüllen.
Natürlich können Denkmale, ob nun schon ausreichend oder noch unzureichend für eine normale
Unterschutzstellung erforscht, nicht einfach durch Zuruf unter Denkmalschutz gestellt werden.
Vielmehr bedarf es für die Unterschutzstellung eines Denkmals, wenn man es so ausdrücken möchte,
konkreter Hinweise, dass sie von derart beschaffener Bedeutung sind, dass ihre Erhaltung tatsächlich
im öffentlichen Interesse gelegen ist. Selbst bei noch unzureichend erforschten Denkmalen wíe noch
nicht ausgegrabenen Bodendenkmalen reicht trotz des geringeren Beweismaßes die bloße Tatsache,
dass irgendwo irgendwelche alten Scherben am Boden herumliegen, dafür nicht aus. Es reicht auch
z.B. keineswegs dafür aus, dass diese schon dem BDA gemeldet und von diesem z.B. in den
11
Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht
Fundberichten aus Österreich [FÖ] veröffentlicht wurden. Vielmehr bedarf es zur Feststellung der
wenigstens erforderlichen Wahrscheinlichkeit, dass aufgrund des wissenschaftlichen
Erkenntnisstandes die für eine Unterschutzstellung eines Fundhoffnungsgebiets notwendigen Fakten
gegeben sein dürften, wenigstens eines hinreichenden Beweises. Die Form für einen solchen ist die
der einen wissenschaftlichen Befund und ein Gutachten enthaltende Bewertung der in der Fachwelt
vorherrschenden Bedeutung des Denkmals durch einen geeigneten Sachverständigen, vorzugsweise
einen Amtsgutachter (Bazil et al. 2015, 22-3).
Sie sehen hier vielleicht ebenso wie ich ein gewisses Muster. Konkrete Erwartung – Fundhoffnung.
Wahrscheinlichkeit – geringeres Beweismaß als sonst erforderlich. Nicht ausgegrabene archäologische
Fundstellen bzw. Bodendenkmale – konkrete Hinweise, Gutachten, Sachverständige. Laufende
Unterschutzstellungsverfahren – Unterschutzstellung. Unterschutzstellung.
Man kann natürlich mit etwas juristischer Brachialgewalt und etwas Mühsal jetzt versuchen, dieses
Muster aufzusprengen. Das sind ja alles nur irgendwelche Spitzfindigkeiten! Beschränken wir uns
lieber auf konkrete Fakten: in § 11 Abs. 1 DMSG steht, dass die Suche zur Entdeckung von
Bodendenkmalen vom BDA bewilligt werden muss; Bodendenkmale sind gem. § 8 Abs. 1 DMSG
Sachen, die den Beschränkungen des DMSG unterliegen könnten. Bevor man sie nicht ordentlich
untersucht hat, weiß man ja von keiner Sache, ob sie nicht doch ein von Menschen geschaffener
Gegenstand von geschichtlicher oder sonst irgendeiner Bedeutung ist. Es könnte daher also jede Sache
den Beschränkungen des DMSG unterliegen. Und vermuten, dass irgendwelche Sachen am oder im
Boden gefunden werden könnten, muss man schließlich überall. Damit kann man dieses Erkenntnis des
VwGh doch irgendwie so auslegen, dass ganz Österreich ein Fundhoffnungsgebiet ist, das zwar nicht
unter Denkmalschutz steht, aber trotzdem ein Nachforschungsschutzgebiet ist. Ha!
Nein, kann man leider nicht.
Eventuell, mit viel Fantasie und noch viel mehr Bauchweh, kann man das hier besprochene Erkenntnis
des VwGH extrem großzügig so auslegen, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG schon dadurch
ausgelöst wird, dass über an einem bestimmten Ort vorkommende Funde bereits eine Fundmeldung
in den FÖ erschienen ist. Schließlich bestimmt ja § 11 Abs. 7 DMSG, dass das BDA alle bei ihm
eingegangenen, wissenschaftlich relevanten, Fundmeldungen in den FÖ veröffentlichen muss. Eine
Sache, die archäologisch wissenschaftlich relevant ist, hat schließlich jedenfalls eine geschichtliche,
künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung und ist damit wohl wenigstens tatsächlich ein
Denkmal iSd § 1 Abs. 1 DMSG; wenn auch noch lange keines, das von derart beschaffener Bedeutung
ist, dass seine Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Es ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich, dass diese extrem großzügige Interpretation des Erkenntnis
des VwGH zutrifft. Weitaus wahrscheinlicher ist in Anbetracht des durch die Bestimmungen des § 1
Abs. 1, 2, 4 und 5 und den zugehörigen Erläuterungen in den Regierungsvorlagen (RV 1990, 10-2; 1999,
39) doch recht eindeutig erkennbaren Willens des Gesetzgebers, dass die Bestimmungen des DMSG
nur auf solche Denkmale anzuwenden sein sollen, deren Erhaltung im durch Unterschutzstellung
rechtswirksam werdenden öffentlichen Interesse gelegen ist, wobei bei noch nicht ausgegrabenen
archäologischen Denkmalen das für die Unterschutzstellung erforderliche Beweismaß geringer als
sonst angesetzt ist, dass auch das Erkenntnis des VwGH weit enger interpretiert werden muss. Eine
solche strengere Interpretation würde bedeuten, dass alle Bestimmungen des DMSG, auch jene des §
11 Abs. 1, überhaupt nur auf geschützte oder sich in einem laufenden Unterschutzstellungsverfahren
befindliche Denkmale anwendbar sind.
Das würde jedoch bedeuten, dass die Rechtslage in Österreich in Bezug auf NFG-Pflichten keineswegs
auch nur annähernd der in Deutschland entspricht, wo, wie wir ja alle wissen, alle Nachforschungen
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
zur Entdeckung von Bodendenkmälern einer Bewilligung durch die zuständige Denkmalbehörde
bedürfen. Vielmehr entspräche die österreichische Rechtslage nahezu exakt jener in England und
Wales, wo bekanntermaßen eine Bewilligung für archäologische Nachforschungen nur dann
erforderlich ist, wenn sie ein durch einen separaten Verwaltungsakt geschütztes Denkmal betreffen
(siehe Cookson 2000, 63-205; Schofield et al. 2011, 84-8).
Was aber jedenfalls klar ist, ist, dass, selbst wenn man dieses Erkenntnis des VwGH so großzügig wie
nur irgend möglich auslegt, es immer noch jedenfalls ausschließt, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1
DMSG auf das ganze österreichische Bundesgebiet anwendbar ist, wie es das BDA jetzt seit
Jahrzehnten steif und fest behauptet und in seinen amtlichen Richtlinien auch schriftlich festgestellt
hat (BDA 2016a, 6). Selbst bei der großzügigsten Lesung gestattet dieses Erkenntnis nicht mehr, als die
NFG-Pflicht auf jene archäologischen Fundstellen anzuwenden, über die bereits Fundberichte in den
FÖ publiziert wurden. Das dürften, nachdem dem BDA derzeit ca. 52.000 (Farka 2008, 10; bzw. sogar
nur 19.550, Picker et al. 2016, 285) archäologische Fundstellen bekannt sind, jedenfalls nicht mehr als
das sein. Nimmt man für jede davon eine durchschnittliche Fläche von einem Hektar an, bedeutet das,
dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG gerade einmal auf ca. 0,5% der österreichischen
Gesamtbodenfläche anwendbar ist. Wenn die strengere Lesung zutreffen sollte, sind es sogar nur ca.
0,01%.
Auf die restlichen Bodenflächen Österreichs ist die NFG-Pflicht des § 11 DMSG hingegen nicht
anwendbar. Und damit meine ich: gar nicht anwendbar. Man darf auf diesen restlichen Bodenflächen
also nicht nur sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle durchführen, sondern auch graben, um
unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche bzw. dem Grund unter Wasser liegende Gegenstände zu
entdecken, ganz ohne irgendeine Genehmigung durch das BDA dafür zu benötigen.
Und zu diesen restlichen Bodenflächen in Österreich, wo jeder, der es will, frei nach Herzenslust
Grabungen und sonstige Nachforschungen durchführen darf, ob es jetzt nur ca. 99,5 oder gar 99,99%
sind, gehört auch der Garten meiner Eltern in Wien.
Gut ist es gegangen, nichts ist geschehen!?!
Aber ist nicht das Erkenntnis des VwGH schon am 23.2.2017 ergangen? Wurde mein Antrag auf
Bewilligung eines Surveys zur Aufsammlung von Oberflächenfunden im Garten meiner Eltern in Wien
nicht erst am 10.4.2017 gestellt?
Man muss sich tatsächlich die Frage stellen, wie das zusammengeht. Immerhin gab es gleich drei völlig
offensichtliche Gründe, weshalb mein Antrag vom 10.4.2017 vom BDA in Ermangelung einer
bestehenden gesetzlichen NFG-Pflicht für die von mir beantragten archäologischen Maßnahmen
wegen Unzuständigkeit der Behörde zurückgewiesen hätte werden müssen: den Wortlaut des
Gesetzes selbst, das Erkenntnis des VwGH vom 24.6.1985 zu Zl. 84/12/0213, das die Anwendbarkeit
der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG auf Oberflächenfundaufsammlungen ausdrücklich
ausgeschlossen hatte und das Erkenntnis des VwGH vom 23.2.2017 zu Zl. Ro 2016/09/0008, das die
Anwendbarkeit der gesetzlichen NFG-Pflicht auf Maßnahmen auf Bodenflächen, auf denen keine
durch Evidenz begründete Vermutung für das Vorkommen bedeutender Bodendenkmale besteht,
ebenfalls ausdrücklich ausgeschlossen hatte.
Insbesondere das letztgenannte Erkenntnis war zum Zeitpunkt des Eintreffens meines Antrags beim
BDA am 10.4.2017 gerade einmal 46 Kalendertage alt; und es muss – ob seiner Implikationen für die
Handhabungspraxis der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG durch das BDA – zu diesem Zeitpunkt bereits
sowohl allen FachbeamtInnen der Abteilung für Archäologie des BDA als auch der Rechtsabteilung des
BDA bekannt gewesen sein. Denn seine Implikationen für die Spruchpraxis der Abteilung für
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Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht
Archäologie sind wenigstens bedeutend, wenn nicht sogar massiv: nicht nur folgt, wie oben
ausgeführt, aus diesem Erkenntnis zwingend, dass die NFG-Pflicht für archäologische Maßnahmen auf
Bodenflächen, von denen noch keine Hinweise auf das Vorkommen von Bodenfunden bekannt sind,
nicht anwendbar ist. Es folgt daraus vielmehr ebenso zwingend, dass das BDA diese NFG-Pflicht auf
Maßnahmen auf derartigen Bodenflächen nicht anwenden darf. Denn als Verwaltungsbehörde des
Bundes ist es, wie alle anderen Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung in Österreich auch, an das
Legalitätsprinzip der österreichischen Bundesverfassung gebunden: „Die gesamte staatliche
Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden.“ (Art. 18 Abs. 1 B-VG).
Gerade weil dies bedeutet, dass die zuständigen BeamtInnen im BDA, die über NFG-Anträge zu
entscheiden haben, ihre Entscheidungspraxis im Vergleich zur vorher vom BDA geübten radikal
umstellen müssen, kann es nicht sein, dass sie dieses Urteil nicht kannten. Nämlich sogar, wenn sie es
tatsächlich nicht gekannt haben sollten: als FachbeamtInnen mit der Befugnis zu hoheitlichem
Verwaltungshandeln haben sie selbstverständlich für jene Aufgaben, in denen sie zur Ausübung der
staatlichen Exekutivgewalt befugt sind, über besonderen Sachverstand zu verfügen. Nachdem sie die
Staatsgewalt ausüben, müssen sie auch wissen, wie sie diese rechtlich korrekt auszuüben haben. Denn
tun sie das nicht, sondern gehen so grob fehlerhaft vor, dass ihr Vorgehen auf eine Stufe mit
Gesetzeslosigkeit zu stellen ist; z.B. indem sie die Rechtslage „in besonderem Maß“, „gehäuft“, „krass“
oder „völlig“ verkennen oder ein Gesetz in denkunmöglicher Weise anwenden; stellen ihre
Handlungen wenigstens objektive Willkür, wenn nicht sogar – wenn sie das Gesetz vorsätzlich falsch
angewendet haben sollten – subjektive Willkür dar (Berka 1999, 546-7).
Nun hatte ich jedoch in meinem Antrag vom 10.4.2017 und dem damit verbundenen, deutlichen und
mit ausführlichen Erklärungen versehenen Begleitschreiben an den Leiter der Abteilung für
Archäologie
des
BDA
(alle
Fallunterlagen
finden
Sie
bei
Interesse
hier:
https://www.academia.edu/34666435/BVwG_11.9.2017_W_183_2168814-1_2E) nicht nur alle
offensichtlich eine Anwendbarkeit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auf meinen Antrag
ausschließenden Gründe explizit ausgeführt, sondern auch ganz explizit und unter Anführung
konkreter Hinweise festgestellt, dass auf der geplanten Untersuchungsfläche nicht nur kein
Vorkommen irgendwelcher bedeutenden Bodenfunde, sondern nicht einmal ein Vorkommen
irgendwelcher Bodenfunde zu vermuten sei. Immerhin handelte es sich bei der beantragten
Untersuchungsfläche um den Garten meiner Eltern in Wien, d.h. ein teilweise mit verschiedenen wohl
gepflegten Gartenpflanzen und teilweise ebensolchem Rasen bewachsenes Grundstück. Wenn also
nicht zufällig meine Cousins und Cousinen, die dort gelegentlich spielen, irgendwelches Spielzeug
verloren haben sollten, liegen dort nicht einmal verlorene oder vergessene, von Menschen
geschaffene oder gestaltend veränderte, Gegenstände herum, geschweige denn irgendwelche
Bodendenkmale, die „lediglich durch Ereignisse wie Regen, Pflügen oder dergleichen zufällig teilweise
oder vollständig an die Oberfläche gelangten“ (§ 8 Abs. 1 DMSG).
Es muss also den zuständigen FachbeamtInnen des BDA in Anbetracht des völlig eindeutigen
Gesetzeswortlauts, der ebenso eindeutigen höchstgerichtlichen Judikatur zu den in diesem Fall
relevanten Rechtsfragen und den in meinem Antrag und Begleitschreiben explizit dargelegten
Eigenheiten des konkreten Einzelfalls vollkommen klar und für diese offensichtlich erkennbar gewesen
sein, wie dieser Fall rechtlich korrekt zu entscheiden war. Nicht nur das, ich hatte sie sogar in meinem
Begleitschreiben explizit dazu aufgefordert, meinen Antrag wegen Unzuständigkeit der Behörde
infolge des Nichtbestehens einer NFG-Pflicht für die von mir beantragte archäologische Maßnahme
zurückzuweisen; genau wie es abschließend das BVwG dann auch tatsächlich getan hat. Einfacher
kann man es für Denkmalfachbeamte nicht mehr machen, eine Entscheidung in einer Rechtsfrage, in
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
der sowohl die Rechtslage als auch der entscheidungswesentliche Sachverhalt vollkommen klar sind,
richtig zu treffen.
Selbst ein normal entwickelter Dreijähriger hätte es unter diesen Voraussetzungen problemlos schaffen
müssen, zu erkennen, dass ein rechteckiger Klotz nicht in ein rundes Loch passen kann, sondern er,
wenn er ihn einsortieren muss, auch tatsächlich in das rechteckige Loch stecken muss, in das er auch
passt.
Das BDA hat also im konkret betroffenen Einzelfall jedenfalls wenigstens objektive Amtswillkür geübt.
Es hat die Rechtslage so völlig verkannt, dass sein Vorgehen in diesem Fall tatsächlich auf einer Stufe
mit Gesetzeslosigkeit stand. Statt dass man einfach das getan hat, was in diesem Fall angebracht
gewesen wäre, nämlich einfach das eindeutige Gesetz so anzuwenden, wie es offensichtlich vom
Gesetzgeber vorgesehen war, hat man im BDA – trotzdem maximal ein paar Wochen, eventuell sogar
erst ein paar Tage zuvor ein neues Erkenntnis des VwGH bei dieser Behörde eingegangen war, das es
noch mehr als je zuvor erforderlich machte, den eckigen Klotz in ein eckiges Loch zu stecken – ob nun
bewusst oder unterbewusst beschlossen, das Erkenntnis des VwGH vom 23.2.2017 einfach ebenso zu
ignorieren wie schon zuvor den Wortlaut des Gesetzes und das Erkenntnis des VwGH vom 24.6.1985;
und einfach so zu tun als ob nichts geschehen wäre, was irgendeine Veränderung des
Verwaltungshandelns der Behörde erforderlich machen würde.
All das noch dazu in einem Fall, in dem es für das BDA und die archäologische Denkmalpflege absolut
überhaupt nichts zu gewinnen gab: der Fall war ein Testfall und dem BDA in meinem Begleitschreiben
auch ganz explizit als solcher angekündigt. Es ging darin auch nie um die tatsächliche Durchführung
der beantragten archäologischen Maßnahmen, die noch dazu völlig ungefährlich für irgendwelche
tatsächlich existierenden archäologischen Denkmale gewesen wären, sondern überhaupt nur um eine
Überprüfung des Verwaltungshandelns des BDA in dieser Angelegenheit. Es war noch dazu ein Testfall,
in dem ob der eindeutigen Rechtslage und Judikatur nie auch nur die geringste Aussicht bestand, dass
ihn das BDA tatsächlich gewinnen könnte.
BVwG vom 19.9.2018, W 195 2197506-1/11E
Aber selbst damit war es noch nicht getan. Denn das BDA änderte zwar infolge der Niederlage vor dem
BVwG den Anwendungsbereich seiner Richtlinien, allerdings so unmaßgeblich und vor allem so
intransparent formuliert, dass dadurch der Eindruck erweckt wird, als ob sich in Wirklichkeit
überhaupt nichts geändert hätte. Der relevante Satz, mit dem das BDA nunmehr den
Normunterworfenen erklärt, unter welchen Voraussetzungen sie eine Genehmigung gem. § 11 Abs. 1
DMSG beantragen müssen, lautet nun:
„Voraussetzung für die Aufnahme bewilligungspflichtiger archäologischer Tätigkeiten ist das Vorliegen
eines bewilligenden Bescheides des Bundesdenkmalamtes gemäß § 11 Abs. 1 DMSG.“ (BDA 2018, 6).
Na echt jetzt? Damit man bewilligungspflichtige Handlungen durchführen darf, braucht man eine
Bewilligung der zuständigen Behörde? Auf die Idee wäre ich nie gekommen, und sicher auch kein
anderer österreichischer Archäologe! Aber, wenn wir schon dabei sind, unter welchen Voraussetzungen
besteht denn jetzt diese Bewilligungspflicht überhaupt?
Diese Geltungsbereichsbestimmung ist so intransparent und so unverständlich, wie es nur irgendwie
geht: dass man für bewilligungspflichtige Handlungen eine Bewilligung braucht ist selbstverständlich
und, inhaltlich gesehen, eine Nullaussage, die den Eindruck erweckt, dass die Adressaten der
Richtlinien rechtlich korrekt informiert würden, ohne ihnen auch nur ansatzweise zu erklären, unter
welchen (anderen) Voraussetzungen (als bisher) ihre geplante Handlungen der gesetzlichen
Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG unterliegen. Blättert man hingegen in der jüngsten
15
Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht
Fassung der Richtlinien weiter (BDA 2018, 8-20), stellt man fest, dass das BDA im Vergleich zur
vorherigen Fassung (BDA 2016a, 9-21) als einzige maßgeblichere Änderung die früher als Teil der
„archäologisch-topografischen Vermessung“ unter den bewilligungspflichtigen Maßnahmen geführte
„archäologisch-topografische Geländedarstellung“ nun als nicht bewilligungspflichtig führt. Alles
andere schien gleichgeblieben zu sein und das BDA scheinbar weiterhin davon auszugehen, dass alle
archäologischen Grabungen und sonstigen Nachforschungen der Genehmigungspflicht des § 11 Abs.
1 DMSG unterworfen wären.
Um zu überprüfen, ob das BDA nun rechtlich korrekt Anträge auf die Erteilung von
Grabungsgenehmigungen zurückweisen würde, wo aus den bereits genannten Gründen keine
Genehmigungspflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG bestehen kann, stellte ich daher im Jänner 2018 einen
weiteren Antrag auf die Bewilligung archäologischer Maßnahmen im Garten meiner Eltern in Wien.
Dieser bezog sich nun auf eine Prospektion- und Grabungskampagne, beginnend mit einer
systematischen Begehung des Grundstücks mit einem Metallsuchgerät samt Ausflaggung und
Einmessung von Signalen, gefolgt von einer magnetometrischen und Bodenradarmessung und
schließlich der Ausgrabung eines maximal 10 mal 10 Meter messenden Schnittes in stratigrafischer
Grabungsmethode. Dem Antrag beigefügt war neuerlich eine ausführliche, unter anderem auf die
zuvor besprochenen Erkenntnisse und die unverändert bestehende Tatsache, dass vom betroffenen
Grundstück immer noch keinerlei konkrete Hinweise auf das Vorkommen irgendwelcher
denkmalschutzrelevanter Gegenstände vorliegen würden, verweisende Begründung, weshalb für die
beantragten Maßnahmen keine Genehmigungspflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG bestehen könne und
das BDA den Antrag daher aufgrund seiner Unzuständigkeit zurückzuweisen hätte. Ebenfalls deutlich
festgehalten wurde, dass es sich bei dem Antrag um einen Testfall handle, um zu überprüfen, ob das
BDA nunmehr entsprechende Anträge gesetzeskonform behandeln würde.
Trotzdem erteilte mir das BDA mit Bescheid von 25.4.2018, BDA-61408.obj/0003-ARCH/2018 die
beantragte Genehmigung, mit dem es wie üblich – gänzlich ohne die besonderen Umstände des
Einzelfalls einzugehen – die Einhaltung der Richtlinien (BDA 2018) sowie zahlreiche konservatorische
Pflichten als verbindlich einzuhaltende Auflagen verband. Besonders beachtenswert ist dabei, dass
diese Auflagen dem Inhaber des Bescheides Verpflichtungen zu aktiven Erhaltungsmaßnahmen für
„alle entdeckten Funde“ aufbürden, die nicht einmal dem vollständigen Eigentümer von gemäß §§ 2,
2a bzw. 3 DMSG aufgrund des tatsächlich rechtskräftig festgestellten Bestehens eines öffentlichen
Erhaltungsinteresses unter Schutz gestellten Denkmalen aufgetragen werden können oder auch nur
zumutbar wären, also weit über die „rein passive Erhaltungspflicht“ hinausgehen, die das DMSG
vorsieht und die überhaupt nur deshalb, weil sie nicht „über den an sich schon gegebenen
Erhaltungsaufwand“ hinausgehen, vom VfGH als verfassungsrechtlich unbedenklich betrachtet
wurden (Bazil et al. 2015, 7). Das BDA hat mir also durch die Verbindung seines Bescheides
Belastungen auferlegt, die es mir nicht einmal dann auferlegen hätte dürfen, wenn für meine
geplanten Maßnahmen eine Genehmigungspflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG bestanden und sich auf
dem betroffenen Grundstück tatsächlich bereits rechtskräftig denkmalgeschützte Gegenstände
befunden hätten.
Selbstverständlich erhob ich gegen diesen Bescheid neuerlich Beschwerde beim BVwG, das neuerlich
vollinhaltlich in meinem Sinne erkannte, dass auch in diesem Fall keine Genehmigungspflicht gem. §
11 Abs. 1 DMSG für die von mir geplanten Handlungen bestand (alle Fallunterlagen finden Sie bei
Interesse hier: https://www.academia.edu/38007978/BVwG_19.9.2018_W195_2197506-1_11E). Im
Erkenntnis verwies das BVwG neuerlich in aller Deutlichkeit auf das entscheidende Erkenntnis des
VwGH vom 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, sowie auf die Tatsache, dass vom betroffenen Grundstück
weder bei objektiver Betrachtung konkrete Hinweise auf das Vorkommen denkmalschutzrelevanter
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Gegenstände bekannt waren noch ich die subjektive Erwartung gehabt hätte, dass ich trotz Fehlens
derartiger Hinweise solche entdecken würde. Es folgte daher auch seiner eigenen Entscheidung
bezüglich des gleichen Grundstückes aus dem Vorjahr und hat meinen Antrag auf Erteilung einer NFG
gem. § 11 Abs. 1 DMSG aufgrund offensichtlicher Unzuständigkeit der Behörde ebenfalls
zurückgewiesen.
Dass das BVwG in diesem Fall nur so und nicht anders entscheiden konnte, muss dabei von Vornherein
jedem vernünftigen Menschen vollkommen klar gewesen sein: schließlich hatte es bereits in BVwG
11.9.2017, W183 2168814-1/2E, unter Verweis auf VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, festgestellt,
dass das Bestehen einer NFG-Pflicht an die Voraussetzung geknüpft sei, dass am Ort der Untersuchung
zumindest Bodenfunde vermutet werden würden. Genau diese „unabdingbare Voraussetzung“
(VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4) war jedoch im gegenständlichen Fall, wie aus meinem Antrag
neuerlich eindeutig zu entnehmen war, wieder völlig eindeutig nicht gegeben. Es war also von Anfang
an völlig klar dass, vollkommen egal welche Handlungen ich durchzuführen plante, dafür keine
Genehmigungspflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG bestehen konnte.
Das BDA hatte mir also neuerlich rechtswidriger Weise einen mich schwer mit Verpflichtungen, die es
nicht einmal dem vollständigen Eigentümer eines rechtskräftig unter Schutz stehenden Denkmals
auferlegen kann, als verpflichtend einzuhaltenden Auflagen verbundenen Genehmigungsbescheid für
überhaupt nicht genehmigungspflichtige Handlungen erteilt, obwohl es wusste oder wenigstens
wissen hätte müssen, dass es das überhaupt nicht darf, weil es grob verfassungswidrig ist. Diese
Vorgehensweise liegt daher nicht mehr nur im Bereich der objektiven Willkür, sondern man muss
davon ausgehen, dass mir die Behörde absichtlich Unrecht angedeihen hat lassen, also tatsächlich
subjektive Willkür vorliegt (Berka 1999, 546-7).
Hier fällt dem BDA übrigens potentiell etwas auf den Kopf, auf das sich Denkmalämter gerade im
Kontext der Anwendbarkeit von denkmalrechtlichen NFG-Pflichten ausnehmend gern berufen: der
Eventualvorsatz. Weil es musste in Anbetracht der beiden zuvor besprochenen Erkenntnisse – von
denen sich eines sogar auf das gleiche Grundstück wie der zuletzt besprochene Antrag bezog – wissen,
dass die Gefahr hoch war, dass sie das Gesetz falsch anwenden und mich daher – insbesondere durch
die Erteilung von weit über die von Gesetz für geschützte Denkmale vorgesehenen passiven
Erhaltungspflichten hinausgehende Auflagen – in meinen Rechten schädigen könnte. Das hat sie
billigend in Kauf genommen und somit eventualvorsätzlich gehandelt. Und da im österreichischen
Recht der Eventualvorsatz bei Vorsatzdelikten stets inkludiert ist (§ 5 Abs. 1 StGB), ist das BDA in
diesem Fall gefährlich nahe an die Verwirklichung relevanter Straftatbestände herangekommen.
Das BDA könnte also echt Glück gehabt haben, dass ich nur den archäologischen Denkmalschutz
verbessern will und daher nur Testfälle vor Gericht gebracht habe, in denen es in Wirklichkeit außer
um die Klärung der Rechtslage um nichts geht; und vor allem, dass ich meinen KollegInnen im BDA
helfen und keinesfalls schaden will. Weil wäre das anders, wer weiß ob der Fall nicht dem für den
Bescheid verantwortlichen Organ des BDA einen unfreiwilligen Wechsel auf ein nicht von IKEA
vertriebenes Gardinenmodell beschert hätte.
Lektionen zur Anwendbarkeit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG
Tatsächlich war im zuletzt besprochenen Fall die Rechtslage so eindeutig, dass mich das BVwG in
seinem Erkenntnis sogar gewissermaßen dafür gerügt hat, den zu ihm führenden
Genehmigungsantrag überhaupt gestellt und somit letztendlich sowohl die Zeit der Behörde als auch
des Gerichts verschwendet zu haben: „Da der Beschwerdeführer keinerlei Hinweise darauf hat, dass
es im gegenständlichen Gartengrundstück Bodendenkmäler gäbe und auch selbst keine diesbezügliche
Erwartungshaltung hat, fehlte dem Antrag auch jeder inhaltliche Substanzwert“ (BVwG 19.9.2018, W
195 2197506-1/11E, 10). Dennoch war es enorm wichtig, dieses Erkenntnis zu erstreiten, denn es
17
Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht
lassen sich aus ihm in Verbindung mit den beiden zuvor besprochenen wesentliche Lektionen dazu
lernen, unter welchen Voraussetzungen der Anknüpfungstatbestand des § 11 Abs. 1 DMSG erfüllt
wird. Daraus lässt sich wiederum genauer ableiten, unter welchen konkreten Umständen in jedem
beliebigen Einzelfall für geplante „archäologische Maßnahmen“ die darin geregelte behördliche
Genehmigungspflicht besteht; unter welchen eine Genehmigung beantragt werden darf, aber nicht
unbedingt beantragt werden muss; und unter welchen überhaupt kein Genehmigungsantrag gestellt
werden sollte (bzw. darf), weil dieser so offensichtlich unnötig ist, dass dadurch nur die – nur in sehr
beschränktem Maß verfügbare – Zeit des BDA (und, wenn dieses dann auch noch falsch entscheidet
und gegen seine Entscheidung Beschwerde erhoben wird, auch des BVwG) nicht verschwendet wird
(siehe dazu schon im Detail Karl 2018a).
Dass es diese drei Möglichkeiten gibt, liegt daran, dass der Anknüpfungstatbestand des § 11 Abs. 1 auf
zwei verschiedene Arten bzw. unter zwei unterschiedlichen Umständen erfüllt werden kann, und
natürlich unter gewissen Umständen überhaupt nicht erfüllt wird, was unterschiedliche Folgen hat.
Diese drei Möglichkeiten sind:
1) der Anknüpfungstatbestand wird objektiv erfüllt, d.h. es liegen dem Nachforschungen
Planenden (im Sinne von VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4) konkrete Hinweise auf das
Vorkommen denkmalgeschützter oder wahrscheinlich denkmalschutzwürdiger Gegenstände
unter der Erd- bzw. Wasserüberfläche des von geplanten Grabungen oder sonstigen
Nachforschungen betroffenen Areals vor und er will diese denkmalschutzrelevanten
Gegenstände auch tatsächlich entdecken bzw. untersuchen. Ist dies der Fall, besteht eine
behördliche Genehmigungspflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG.
2) der Anknüpfungstatbestand wird nicht objektiv, sondern nur subjektiv erfüllt; d.h. es fehlen
konkrete Hinweise auf das Vorkommen denkmalschutzrelevanter Gegenstände vom
betroffenen Areal, aber der Nachforschungen Planende hat die subjektive Erwartung, dort
dennoch welche zu entdecken und will diese auch entdecken bzw. untersuchen. In diesem Fall
hat er (wenn er die weiteren Vorsausetzungen für die Erteilung einer solchen erfüllt, d.h. er
eine natürliche Person ist, die einschlägiges Universitätsstudium abgeschlossen hat) das
Recht, („präventiv“) eine Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG zu beantragen, ist dazu aber
nicht gesetzlich verpflichtet.
3) der Anknüpfungstatbestand wird weder objektiv noch subjektiv erfüllt; d.h. es liegen weder
objektive Hinweise auf das Vorkommen denkmalgeschützter oder wahrscheinlich
denkmalschutzwürdiger unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche vom von seinen geplanten
Grabungen oder sonstigen Nachforschungen betroffenen Areal noch die subjektive Erwartung
und/oder der Wille des Nachforschenden vor, bei seinen geplanten Handlungen solche zu
entdecken. In diesem Fall hat er weder die Pflicht dazu, eine Genehmigung gem. § 11 Abs. 1
DMSG zu beantragen, noch sollte er eine solche Genehmigung beantragen, um nicht die Zeit
der zuständigen Behörde zu verschwenden. Wird in seinem derart gelagerten Fall dennoch
ein Antrag gestellt, muss nämlich das BDA jedwede inhaltliche Entscheidung über den Antrag
ob der Unzuständigkeit der Behörde verweigern und diesen daher zurückweisen.
Die Grabungsgenehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG
Wird wie im Fall 1) der Anknüpfungstatbestand des § 11 Abs. 1 objektiv erfüllt, besteht klarerweise
eine gesetzliche Genehmigungspflicht für die geplanten archäologischen Maßnahmen: der sie
Planende weiß schließlich, dass er, wenn er sie durchführt, aller Voraussicht nach bewegliche und
unbewegliche Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche entdecken wird, handelt also im Sinne
des Gesetzes und der einschlägigen höchstgerichtlichen Judikatur zweckgerichtet. Derartiges, die
Entdeckung und Untersuchung von derartigen Denkmalen bezweckendes Handeln ist aber ohne
18
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Genehmigung des BDA gem. § 11 Abs. 1 DMSG gesetzlich verboten und er muss daher, eher er seine
geplanten Handlungen rechtmäßig durchführen kann, die erforderliche Genehmigung beantragen und
erteilt bekommen.
Eine Genehmigungspflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG besteht jedenfalls, wenn der Grabungen zum
Zwecke der Entdeckung und Untersuchung von solchen Planende tatsächlich weiß, dass auf dem von
ihm ins Auge gefassten Areal unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche rechtskräftig denkmalgeschützte
bzw. wenigstens wahrscheinlich denkmalschutzwürdige, bewegliche und/oder unbewegliche
Gegenstände vorkommen (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4). Denn wenn er das tatsächlich weiß,
kann er voraussehen, dass er bei seinen geplanten Handlungen den (ohne Vorliegen einer
denkmalbehördlichen Genehmigung verbotenen) Taterfolg herbeiführen wird und will diesen daher
entweder vorsätzlich herbeiführen oder nimmt sein Eintreten wenigstens eventualvorsätzlich in Kauf.
Eine Genehmigungspflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG kann darüber hinaus auch dann bestehen, wenn
der auf einem bestimmten Areal Grabungen oder sonstige Nachforschungen Planende zwar nicht
tatsächlich weiß, dass dort unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche rechtskräftig denkmalgeschützte
bzw. wenigstens wahrscheinlich denkmalschutzwürdige, bewegliche und/oder unbewegliche
Gegenstände vorkommen (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4), aber dennoch subjektiv mit der
Entdeckung solcher Gegenstände rechnet. Denn auch in diesem Fall beabsichtigt er die Herbeiführung
des (ohne Vorliegen einer denkmalbehördlichen Genehmigung verbotenen) Taterfolgs oder nimmt
diese zumindest billigend in Kauf und handelt somit eventualvorsätzlich.
Leugnet im zuletzt genannten Fall der (mutmaßliche) Täter, bei seinen Handlungen den (verbotenen)
Taterfolg herbeizuführen beabsichtigt zu haben, kann seine diesbezügliche Behauptung dann dadurch
objektiv überprüft werden, indem ermittelt wird, ob die für das Vorkommen denkmalschutzrelevanter
Gegenstände sprechenden, konkreten (objektiven) Hinweise ausreichend öffentlich bekannt bzw.
hinreichend leicht zugänglich sind, um davon ausgehen zu können, dass der (mutmaßliche) Täter bei
Wahrung der gewöhnlichen Sorgfaltspflicht sie kennen hätte müssen. Hätte er das aufgrund der
besonderen Umstände des Einzelfalls wissen müssen, kann davon ausgegangen werden, dass er es
auch tatsächlich gewusst, eventualvorsätzlich und – wenn er keine Genehmigung gem. § 11 Abs. 1
DMSG beantragt und erteilt bekommen hat – daher auch gem. § 37 Abs. 2 Z 2 strafbar gehandelt hat.
In der Praxis bedeutet das, dass eine Grabungsgenehmigungspflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG in
Österreich nur besteht, wenn die vom Grabungen oder sonstige Nachforschungen Planenden ins Auge
gefasste archäologische Fundstelle entweder bereits rechtskräftig gem. §§ 2a, 3 oder 9 Abs. 3 DMSG
unter Denkmalschutz gestellt wurde, ein Unterschutzstellungsverfahren bereits (bekanntermaßen)
am Laufen ist bzw. z.B. von der UNESCO als Welterbestätte oder bereits (bekanntermaßen) durch
veröffentlichte wissenschaftliche Gutachten als ein mutmaßlich schützenswertes Denkmal
ausgewiesen wurde (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4). Das dürften in Österreich derzeit
zwischen ca. 1.100 und – wenn es hochkommt – ca. 2.000 archäologischen Fundstellen sein, die
insgesamt wohl kaum mehr als 0,1% der österreichischen Landesfläche einnehmen.
Die Vorab-Grabungsgenehmigungsmöglichkeit des § 11 Abs. 1 DMSG
Fehlen hingegen wie im Fall 2) objektiv konkrete Hinweise auf das Vorkommen rechtskräftig
denkmalgeschützter bzw. wenigstens wahrscheinlich denkmalschutzwürdiger, beweglicher und/oder
unbeweglicher Gegenstände unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche von einem bestimmten Areal,
muss das bei Wahrnehmung seiner behördlichen Aufgaben an das allgemeine Sachlichkeitsgebot
(Berka 1999, 504-5, 546-8; Karl 2018b) gebundene BDA (und gegebenenfalls auch die
Strafverfolgungsbehörden) zum Schluss gelangen, dass am betroffenen Areal tatsächlich keine
denkmalschutzrelevanten Gegenstände vorkommen, weil ihm jedweder sachliche Grund zur
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Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht
Annahme des Gegenteils fehlt. Damit müsste normalerweise aber die – bei Einlangen eines solchen
jedenfalls immer erforderliche – Antragsprüfuing schon in ihrem ersten Schritt, nämlich bei der
formalen Prüfung, aufgrund der offensichtlich nicht gegebenen Zuständigkeit der Behörde scheitern.
Schließlich muss die Behörde unter diesen Umständen zum Schluss kommen, dass eine
„[u]nabdingbare Voraussetzung für die Anwendung des DMSG […], dass ein Denkmal vorliegt (§ 1 Abs.
1 DMSG) bzw. im Falle des § 11 Abs. 1 DMSG, dass zumindest Bodenfunde vermutet werden“ (VwGH
23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4) objektiv nicht gegeben ist und daher keine einzige Bestimmung des
DMSG zur Anwendung gebracht werden kann, selbstverständlich auch nicht die des § 11 Abs. 1. Kann
aber keine Bestimmung des DMSG zur Anwendung gebracht werden, kommt dem BDA keinerlei
Entscheidungskompetenz über Antrag zu und es muss sich daher jedweder Entscheidung in der Sache
enthalten und den Antrag somit notwendigerweise zurückweisen.
Unter den unter 2) genannten Umständen kann dem BDA allerdings dennoch eine
Entscheidungskompetenz in der Sache erwachsen. Dies ist dann der Fall, wenn der Grabungen und
sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle Planende trotz Fehlens objektiver Hinweise auf das
Vorkommen von denkmalschutzrelevanten Gegenständen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche des
betroffenen Areals diese mit der Absicht und der subjektiven Erwartungshaltung (BVwG 19.9.2018, W
195 2197506-1/11E, 10), dennoch welche zu entdecken, durchführen will.
Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn die planende Person ein professioneller Archäologe ist, der
aufgrund von ihm selbst oder KollegInnen erstellten wissenschaftlichen Prognosen oder
durchgeführten Untersuchungen zum Schluss gelangt ist, dass trotz bisherigen Fehlens objektiver
Hinweise auf deren Vorkommen an dem konkret betroffenen Ort dennoch unter der Erd- bzw.
Wasseroberfläche denkmalschutzrelevante Gegenstände vorkommen dürften und diese
wissenschaftliche Hypothese nun durch Grabungen oder sonstige Nachforschungen überprüfen
möchte. Die Gründe dafür, dass der Betreffende diese Hypothese aufgestellt hat, können dabei
mannigfaltig sein:
So z.B. kann er in historischen Quellen Hinweise darauf gefunden haben, die es seiner Ansicht nach
wahrscheinlich erscheinen lassen, dass am betroffenen Ort ein besonders bedeutendes
geschichtliches Ereignis stattgefunden hat, das aufgrund seiner Natur mutmaßlich archäologische
Spuren im Boden hinterlassen hat. Das könnte z.B. eine Richtstätte sein, auf der im Boden Überreste
von Galgen oder anderen Hinrichtungseinrichtungen und die Überreste verscharrter Hingerichteter zu
erwarten sind; oder ein bislang nicht genau lokalisiertes historisches Schlachtfeld, auf dem im Boden
sowohl im Schlachtgeschehen verlorengegangene bewegliche Gegenstände als auch Stellungen und
natürlich eventuell auch die Überreste von in der Schlacht Gefallenen zu erwarten sind.
Oder er kann durch Anwendung prognostischer archäologischer Methoden, wie z.B.
Computersimulationen, GIS-Analysen etc. zum Schluss gekommen sein, dass an einem bestimmten
Ort mit bedeutenden archäologischen Überresten zu rechnen ist. So z.B. kann sich auf diese Art die
genaue Lage noch „fehlender“ römischer Straßenstationen, der Verlauf von (wichtigeren) Altstraßen
etc. vorhersagen lassen, auch wenn von dem prognostizierten Ort noch keinerlei konkrete Hinweise
auf das dortige tatsächliche Vorkommen von denkmalschutzrelevanten Gegenständen im Boden
vorliegen.
Will nun der betreffende Wissenschafter seine Hypothese einer wissenschaftlichen Überprüfung
unterwerfen, d.h. durch Durchführung von Grabungen bzw. sonstigen Nachforschungen an Ort und
Stelle einen Falisfikationsversuch (Popper 1994, 3-22) unternehmen, hat er selbstverständlich die
subjektive Erwartung, dass er denkmalschutzrelevante Gegenstände finden wird, auch wenn von dort
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
noch gar keine objektiven Hinweise auf deren tatsächliches Vorkommen bekannt sind. Ob seine
Hypothese allerdings tatsächlich zutrifft oder nicht, lässt sich in Ermangelung konkreter Hinweise, die
für ihr Zutreffen sprechen, bis zu ihrer Überprüfung durch Grabungen bzw. sonstige Nachforschungen
an Ort und Stelle zum Zwecke ihrer Entdeckung nicht beurteilen. Daher lässt sich bis dahin auch nicht
beurteilen, ob die für eine Unterschutzstellung erforderlichen Fakten auf Grund des
wissenschaftlichen Erkenntnisstandes wenigstens wahrscheinlich sind, und somit auch kein
öffentliches Interesse an der Erhaltung irgendwelcher (dort schließlich bloß hypothetisch vorkommen
könnender, potentiell denkmalschutzrelevanter) Gegenstände feststellen.
Der seine Hypothese überprüfen wollende Wissenschafter bedarf daher für seine geplanten
Grabungen bzw. sonstigen Nachforschungen auch keinerlei Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG
durch das BDA. Schließlich kann seine Hypothese völlig falsch sein und an der betreffenden Stelle
überhaupt keine archäologischen Überreste, geschweige denn irgendwelche denkmalschutzwürdigen
Gegenstände, im Boden vorkommen; sei es, weil es dort nie welche gab oder, wenn doch, sie dort
inzwischen völlig zerstört wurden; oder sei es, wenn dort tatsächlich irgendwelche archäologischen
Überreste im Boden vorkommen, dass diese nicht von derart beschaffener Bedeutung sind, dass ihre
Erhaltung iSd § 1 Abs. 1-2 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen wäre. Und nachdem das BDA
normalerweise davon ausgehen müsste, dass seine Hypothese falsch ist, weil schließlich jedweder
objektive Grund für die Annahme des Gegenteils fehlt, müsste es seinen Antrag zurückweisen.
Das würde nun allerdings ein bedeutendes praktisches Problem verursachen, wenn sich, trotzdem
zuvor keine konkreten Hinweise auf ihr Zutreffen vorlagen, die Hypothese des Wissenschafters bei
ihrer Überprüfung durch Grabungen bzw. sonstige Nachforschungen am prognostizierten Ort
bestätigt, d.h. dort tatsächlich bewegliche und unbewegliche Gegenstände von derart beschaffener
Bedeutung entdeckt werden, dass deren Erhaltung iSd § 1 Abs. 1-2 im öffentlichen Interesse gelegen
ist oder wenigstens offensichtlich im öffentlichen Interesse gelegen sein könnte. Denn die derartigen
an Ort und Stelle entdeckten, beweglichen und unbeweglichen Gegenstände sind dann rechtlich als
Zufallsfunde von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG zu betrachten und zu behandeln, samt aller
sich daraus ergebenden Rechtsfolgen.
Das würde aber bedeuten, dass der Wissenschafter, der seine Hypothese durch seine Grabungen bzw.
sonstigen Nachforschungen an Ort und Stelle zu überprüfen versucht, gem. § 8 Abs. 1 DMSG die
entdeckten Bodendenkmale unmittelbar, spätestens jedoch am dem Tag der Auffindung folgenden
Werktag, dem BDA anzuzeigen hätte. Er würde dadurch des Weiteren gem. § 9 Abs. 1 DMSG dazu
verpflichtet, die Fundstelle und alle dort aufgefundenen (möglicherweise denkmalschutzrelevanten)
Gegenstände bis zum Ablauf von 5 Werktagen ab erfolgter Meldung unverändert zu belassen, falls
nicht zuvor ein Organ des oder ein vom BDA Beauftragter diese Beschränkung aufhebt; und alle
aufgefundenen Bodendenkmale stünden vom Zeitpunkt der Auffindung bis längstens 6 Wochen nach
Abgabe der Fundmeldung gem. § 9 Abs. 3 DMSG automatisch Kraft gesetzlicher Vermutung unter
Denkmalschutz (mit allen sich aus der Unterschutzstellung durch Bescheid gem. § 3 Abs. 1 DMSG
ergebenden Rechtsfolgen), wenn das BDA diese Unterschutzstellung nicht zuvor per Bescheid aufhebt.
Der betreffende Wissenschafter müsste also die Überprüfung seiner Hypothese durch Grabungen
bzw. sonstige Nachforschungen unmittelbar ab- und eventuell für bedeutende Zeit unterbrechen,
sobald er die ersten konkreten Hinweise darauf entdeckt, dass sie sich tatsächlich bewahrheiten
könnte. Dies ist einer sinnvollen archäologischen Feldforschung jedenfalls nicht gerade zuträglich.
Schlimmer noch, sollte das BDA binnen der zuletzt genannten 6 Wochen Frist per Bescheid feststellen,
dass an der Erhaltung der entdeckten Gegenstände kein öffentliches Interesse besteht oder diese Frist
einfach ungenutzt verstreichen lassen, könnte der betroffene Wissenschafter seine Nachforschungen
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Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht
an Ort und Stelle wieder (gänzlich ohne Genehmigung durch das BDA) wiederaufnehmen, weil das,
was er bis dahin gefunden hatte, als nicht denkmalschutzwürdig beurteilt wurde. Diese
wiederaufgenommenen Nachforschungen müsste er aber wieder unmittelbar einstellen, wenn er die
nächsten Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG entdeckt, wieder mit allen Rechtsfolgen und
Fristenläufen, usw. Das würde die Feldforschungen des betroffenen Wissenschafters aber so sehr
behindern, dass ihre Durchführung de facto in der Praxis vereitelt würde.
Genau dieses Problem hatte offensichtlich auch schon der ursprüngliche Gesetzgeber von 1923
gesehen und daher eine Lösung dafür gefunden, nämlich die Möglichkeit einer Vorabgenehmigung
von wissenschaftlichen Ausgrabungen durch das BDA (siehe dazu noch genauer 88-93). Denn die
Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG gestattet ihrem Inhaber – inzwischen auch explizit so geregelt
durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 5 igF – „die Veränderungen und Zerstörungen an
Bodendenkmalen […] in jenem Ausmaß […], als dies durch eine wissenschaftliche Grabungsarbeit
unvermeidlich und daher notwendig ist“ (§ 11 Abs. 5 DMSG igF). Damit können sich
Grabungsgenehmigungsinhaber und BDA das Grabungseinstellungs-DenkmalschutzaufhebungsPingpong ersparen, das bei der Überprüfung wissenschaftlicher Hypothesen über das Vorkommen
mutmaßlich denkmalschutzrelevanter Gegenstände an einem bestimmten Ort, von dem noch keine
konkreten Hinweise darauf bekannt sind, die seine dauerhafte Unterschutzstellung gem. §§ 2a bzw. 3
DMSG erforderlich erscheinen haben lassen, ansonsten unweigerlich erforderlich würde.
Es folgt daher, dass in § 11 Abs. 1 (iVm Abs. 5) DMSG für Fälle der Kategorie 2) (auch) eine VorabGrabungsgenehmigungsmöglichkeit angelegt ist (die, wie wir noch genauer sehen werden, die
ursprüngliche Funktion des § 11 insgesamt war). Liegen zum Zeitpunkt der Planung von
wissenschaftlichen archäologischen Ausgrabungen bzw. sonstigen Nachforschungen an Ort und Stelle
dem sie Planenden noch keine hinreichenden, konkreten Hinweise darauf vor, dass am Ort der
geplanten Maßnahmen tatsächlich denkmalgeschützte oder wenigstens wahrscheinlich
denkmalschutzwürdige (archäologischen) Gegenstände vorkommen dürften, besteht für ihn keine
gesetzliche Verpflichtung, eine Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG zu beantragen, ehe er mit deren
Durchführung beginnt. Hat er jedoch den (wissenschaftlich begründeten) Verdacht, dass er bei ihrer
Durchführung – sozusagen wider objektives, aber nicht wider sein subjektives, Erwarten –
denkmalschutzrelevante Gegenstände entdecken wird, kann er vorausschauend eine Genehmigung
gem. § 11 Abs. 1 DMSG beantragen, um im Fall, dass sich seine Erwartung bestätigt, seine Grabungen
bzw. sonstigen Nachforschungen nicht unmittelbar einstellen und bürokratisches Pingpong mit dem
BDA spielen muss, sondern diese im vorab bewilligten Rahmen soweit wissenschaftlich erforderlich
weiterführen und fertigstellen kann. Hat er hingegen keine derartige Vorabgenehmigung seiner
geplanten wissenschaftlichen Grabungen beantragt, darf er sie auch ohne Genehmigung durchführen,
muss sich jedoch, wenn er wider objektives Erwarten (d.h. „zufällig“ im Sinne des Gesetzes) doch
Gegenstände entdeckt, die iSd § 8 Abs. 1 DMSG „infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit
offenkundig den Beschränkungen dieses Bundesgesetzes unterliegen könnten“, die
Zufallsfundbestimmungen der §§ 8-9 DMSG befolgen, d.h. gegebenenfalls alle seine Arbeiten an Ort
und Stelle auf bis zu 6 Wochen einstellen.
Konsequenzen für die Anwendungspraxis
Für die Anwendungspraxis bedeutet das, dass, wenn der solche Planende die subjektive Erwartung
hat, dass er bei der Durchführung von Grabungen bzw. sonstigen Nachforschungen an einem
bestimmten Ort denkmalschutzrelevante Gegenstände entdecken wird, er einen Antrag auf Erteilung
einer Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG an das BDA stellen darf. In diesem muss er jedoch – damit
dem BDA überhaupt Entscheidungskompetenz erwächst und es daher in der Sache entscheiden darf
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
– seine subjektive Erwartungshaltung wenigstens deutlich zum Ausdruck bringen und idealerweise
auch nachvollziehbar begründen.
Zumindest muss er in seinem Antrag angeben, was er (warum) zu finden erwartet und warum er
vermutet, dass die von ihm erwarteten Funde – trotz Fehlens hinreichender Hinweise darauf – von
derart beschaffener Bedeutung sein dürften, dass an ihrer Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht
oder wenigstens wahrscheinlich bestehen dürfte. Fehlt eine derartige Begründung nämlich, muss das
BDA aufgrund der bekannten Faktenlage – eben dem objektiven Fehlen von konkreten Hinweisen auf
das Vorkommen irgendwelcher denkmalschutzrelevanter Gegenstände am betroffenen Areal –
entscheiden und muss daher den eigegangenen Antrag wegen sachlicher Unzuständigkeit der
Behörde zurückweisen.
Für das BDA hingegen bedeutet es, dass es, wenn ihm ein nachvollziehbar subjektiv begründeter
Antrag vorliegt, zwar in der Sache entscheiden darf. Es muss allerdings bei dieser Sachentscheidung
dennoch in erster Linie auf die tatsächliche Faktenlage – d.h. das objektive Fehlen von konkreten
Hinweise auf das Vorkommen irgendwelcher denkmalschutzrelevanter Gegenstände am betroffenen
Areal – abstellen und kann die vom Antragsteller vorgebrachten Gründe für seine subjektive
Erwartungshaltung nur insoweit berücksichtigen, als dies unter der Voraussetzung der (immerhin
möglichen) Richtigkeit seiner – dennoch vorerst noch hypothetisch bleibenden – Vermutungen
zulässig ist.
Das bedeutet insbesondere, dass es die beantragte Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG erteilen
muss, wenn der Antragsteller die formellen Voraussetzungen (die ihrerseits allerdings wohl
wenigstens teilweise verfassungswidrig sein dürften, dazu noch später mehr, siehe Seiten 226-307)
für die Erteilung einer derartigen Genehmigung erfüllt. Dies ist trotz der expliziten Feststellung im
letzten Satz des § 11 Abs. 1 der Fall, dass ein „Rechtsanspruch auf Erteilung einer
Grabungsgenehmigung auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes“ nicht besteht. Denn es
können aufgrund des objektiven Fehlens konkreter Hinweise darauf, dass am betroffenen Areal
überhaupt irgendwelche denkmalschutzrelevanten Gegenstände vorkommen, keine sachlich
begründeten denkmalfachlichen Bedenken gegen die Erteilung der beantragten Genehmigung
sprechen. Damit scheidet die Möglichkeit zur Erteilung eines abweisenden Bescheides
notwendigerweise aus, was nur die Möglichkeit eines bewilligenden Bescheides übriglässt.
Einzig was mit dem Bescheid verbundene Auflagen betrifft, kann das BDA die Begründung der
subjektiven Erwartungshaltung des Antragsstellers berücksichtigen. Auch dabei muss es sich allerdings
auf Auflagen beschränken, die dem Gebot der Verhältnismäßigkeit staatlicher Reaktion entsprechen
(Berka 1999, 156-67) und darf daher nur das jeweils gelindeste Mittel wählen, das zur Erreichung des
im konkreten Fall legitimen Eingriffsziels – der Erhaltung von Denkmalen, deren Erhaltung tatsächlich
im öffentlichen Interesse gelegen ist – geeignet ist. Das bedeutet z.B., dass es für den Fall der – objektiv
unerwarteten – Entdeckung von Bodendenkmalen bei der Grabung bzw. sonstigen Nachforschungen
die Anwendung wissenschaftlich anerkannter Grabungsmethoden und die Anfertigung einer
wissenschaftlichen Dokumentation und die unmittelbare Meldung und – allerdings nur passive –
Erhaltung geborgener beweglicher Bodendenkmale vorschreiben kann. Es bedeutet auch, dass es z.B.
bei der – dann tatsächlich rein zufälligen – Entdeckung auch subjektiv vom Antragsteller unerwarteter
Bodendenkmale, z.B. solcher deutlich anderer als der vom Antragsteller subjektiv erwarteten
Zeitstellung, Art (z.B. Gräbern statt Siedlungsbefunden) etc., als Auflagen eine unmittelbare Meldeund Einstellungspflicht (entsprechend der des § 9 Abs. 1 DMSG) erteilen kann.
Was das BDA hingegen sicherlich nicht darf, ist detaillierte Vorgaben wie in den Richtlinien (BDA 2018)
als verbindlich generell einzuhaltende Auflagen mit einem solchen Bescheid zu verbinden. Denn es
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Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht
muss schließlich eigentlich davon ausgehen, dass der Genehmigungsinhaber gar keine
Bodendenkmale entdecken wird, geschweige denn Denkmale, deren Erhaltung tatsächlich im
öffentlichen Interesse gelegen ist, und darf ihm daher bezüglich aller seiner Handlungen, bei denen er
bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise voraussichtlich keine Denkmale iSd § 1 Abs. 1-2
DMSG entdecken wird, eigentlich gar keine Auflagen erteilen.
Konkret gesagt bedeutet das, dass auf allen bekannten und vermuteten archäologischen Fundstellen
in Österreich, die nicht unter Denkmalschutz stehen, als Welterbestätte ausgewiesen sind oder zu
denen schon veröffentlichte Fachgutachten vorliegen, die ihre zeitnahe Unterschutzstellung durch das
BDA wenigstens wahrscheinlich erscheinen lassen keine Genehmigungspflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG
für dort geplante Grabungen und sonstige Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung von
Denkmalen besteht, aber auf solchen Fundstellen Nachforschungen planende ArchäologInnen
vorausschauend für den Fall der Entdeckung von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG bei ihren dort
durchgeführten Arbeiten eine Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG beim BDA beantragen können,
die das BDA dann – gegebenenfalls auch nur unter gewissen, milden, den Umständen des Einzelfalls
spezifisch angepassten Auflagen – bewilligen muss. Diese Genehmigungsmöglichkeit besteht
jedenfalls auf den – wohl so um die 20.000 – dem BDA bereits bekannten archäologischen Fundstellen
in Österreich, die es nicht unter Denkmalschutz gestellt hat, weil noch keine ausreichend konkreten
Hinweise zur Feststellung ihrer Denkmalschutzwürdigkeit vorliegen, sowie alle anderen Areale in
Österreich, bezüglich derer aus wissenschaftlich nachvollziehbaren Gründen glaubhaft gemacht
werden kann (siehe dazu z.B. die Merkmale, die vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege zur
prognostischen Ausweisung von Bodendenkmalverdachtsflächen verwendet werden, BayLfD 2016),
dass auf ihnen mit der Entdeckung von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG zu rechnen ist. Die
Genehmigungsmöglichkeit dürfte also – bei einigermaßen großzügiger Beurteilung der
Nachvollziehbarkeit von Gründen für die subjektive Bodendenkmalsentdeckungserwartung – auf etwa
5-10% der österreichischen Landesfläche bestehen.
Fehlen einer Grabungsgenehmigungspflicht und -möglichkeit gem. § 11 Abs. 1 DMSG
Liegen hingegen wie in Fall 3) weder objektiv konkrete Hinweise auf das Vorkommen von
denkmalschutzrelevanten Gegenständen im betroffenen Areal noch eine subjektive
Erwartungshaltung der dort Grabungen und sonstige Nachforschungen durchführen wollenden
Person vor, dass sie dabei denkmalschutzrelevante Gegenstände entdecken wird, scheidet eine
Genehmigungspflicht ebenso wie eine Genehmigungsmöglichkeit gem. § 11 Abs. 1 DMSG hingegen
notwendigerweise aus; und zwar selbst dann, wenn diese Person tatsächlich beabsichtigt, Denkmale
unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche zu entdecken bzw. untersuchen. Voraussetzung für die
Erfüllung des Anknüpfungstatbestandes der Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ist nämlich
eben, dass die Entdeckung von Denkmalen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche vorsätzlich erfolgt;
und für die Ausbildung des Vorsatzes im rechtlichen Sinn ist es wenigstens erforderlich, dass der Täter
nicht nur den verbotenen Taterfolg verwirklichen will, sondern das Erreichen des Taterfolges mittels
der gesetzten Handlung ernsthaft für möglich hält.
Damit kann aber notwendigerweise immer dann, wenn bezüglich eines bestimmten Ortes objektiv
keine konkreten Hinweise für das dortige Vorkommen von Denkmalen unter der Erd- bzw.
Wasseroberfläche sprechen und der dort Grabungen bzw. sonstige Nachforschungen Planende keine
vernünftigen Gründe nennen kann, warum er dennoch dort mit deren Entdeckung rechnet, der
Entdeckungsvorsatz nicht angenommen und somit die Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 11
Abs. 1 DMSG nicht ausgelöst werden.
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Denn leugnet ein Tatverdächtiger unter diesen Umständen den Entdeckungsvorsatz, ist es in einem
allfällig gegen ihn angestrengten Strafverfahren erforderlich – nachdem man nicht wissen kann, was
er bei der umstrittenen Handlung ernsthaft für möglich gehalten hat – zu bestimmen, ob ein
beliebiger, vernünftiger Dritter unter den gleichen Umständen die zur Ausbildung des Vorsatzes
wenigstens erforderliche, subjektive Erwartungshaltung ausgebildet hätte, dass er am Tatort
Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche entdecken würde. Das kann jedoch nur dann der Fall
sein, wenn dem diese Frage ex ante bestimmen zu Habenden konkrete Hinweise darauf bekannt
waren, dass am Tatort tatsächlich Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche vorkommen
(VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4) dürften, denn nur dort hat ein unvoreingenommener Dritter
Grund, ernsthaft mit deren Entdeckung zu rechnen.
Das gleiche gilt aber auch unter den umgekehrten Voraussetzungen: behauptet eine Person
gegenüber dem BDA in einem Antrag auf Erteilung einer Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG den
subjektiven Entdeckungsvorsatz, darf sich das BDA bei der Beurteilung der Frage, ob der
Anknüpfungstatbestand des § 11 Abs. 1 DMSG erfüllt wird und der Behörde daher
Entscheidungskompetenz in der Sache zukommt, nicht einfach auf das Wort des Antragsstellers
verlassen. Es kann schließlich durchaus sein, dass zwar der Antragsteller subjektiv ehrlich glaubt, dass
er bei seinen geplanten Nachforschungen an einem bestimmten Ort Denkmale entdecken wird, das
BDA aber positiv weiß, dass die Verwirklichung des verbotenen Taterfolgs an genau dieser Stelle – z.B.
weil dort gerade erst eine vollständige archäologische Ausgrabung abgeschlossen wurde – objektiv
unmöglich ist. Es kann sogar so sein, dass der Antragsteller geisteskrank ist und eine Genehmigung für
archäologische Maßnahmen an einem imaginären Ort beantragt, an dem er zwar durchaus subjektiv
ernsthaft mit der Entdeckung von Denkmalen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche rechnet, diese
aber objektiv vollkommen unmöglich ist, weil es den betreffenden Ort eben real gar nicht gibt.
Vielmehr hat das BDA jeden Genehmigungsantrag objektiv zu prüfen und ihn, wenn sich aus den
objektiv bekannten und den vom Antragsteller geltend gemachten (subjektiven) Gründen nicht
nachvollziehbar ergibt, dass am geplanten Ort wenigstens wahrscheinlich mit der Entdeckung von
Bodendenkmalen zu rechnen ist, aufgrund Unzuständigkeit der Behörde zurückzuweisen. Denn es ist
nicht die Aufgabe des BDA, aller Voraussicht nach Denkmale nicht betreffende archäologische
Nachforschungen zu genehmigen oder zu versagen, geschweige denn deren wissenschaftliche
Qualität zu kontrollieren – die wissenschaftliche Selbstkontrolle ist eine autonome Aufgabe der
Wissenschaft selbst und nicht eine des Staates oder irgendeiner seiner Verwaltungsbehörden –
sondern seine Aufgabe ist es, Denkmale zu schützen, deren Erhaltung ihrer besonderen Bedeutung
wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist. Wo also nicht damit zu rechnen ist, dass solche Denkmale
sind oder voraussichtlich entdeckt werden dürften, hat sich das BDA nicht in die verfassungsgesetzlich
durch Art. 17 StGG vorbehaltlos gewährte Wissenschaftsfreiheit irgendwelcher StaatsbürgerInnen
einzumischen, sondern sich jedwedes Amtshandelns zu enthalten, bis nicht tatsächlich wenigstens ein
Bodendenkmal zu Tage gekommen ist oder auch vernünftigen Dritten nachvollziehbare Gründe das
Vorhandensein eines schutzwürdigen Denkmals am Untersuchungsort nahelegen (VwGH 23.2.2017,
Ro 2016/09/0008, 4).
In der Praxis bedeutet das, dass die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG auf etwa 90-95% der
österreichischen Landesfläche nicht anwendbar sind, weil von dort weder konkrete Hinweise auf das
Vorkommen von Bodendenkmalen gem. § 8 Abs. 1 DMSG bekannt sind noch aller Wahrscheinlichkeit
nach nachvollziehbare Gründe für die Annahme einer subjektiven Denkmalentdeckungserwartung
angeführt werden könnten. Bei vielen davon ist das offensichtlich der Fall, so z.B. auf erst jüngst
maßgeblich veränderten Bodenflächen wie neuen Straßen, Autobahnen oder anderen vergleichbaren
linearen Bauprojekten, oder jüngeren Tagbauten wie z.B. Schottergruben etc., wo die Entdeckung von
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Drei jüngere Erkenntnisse aus Österreich zur NFG-Pflicht
Denkmalen unter der Erdoberfläche mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen
ist. Bei den meisten anderen Bodenflächen ist es hingegen weniger offensichtlich, aber die
Wahrscheinlichkeit eines Vorkommens auch nur von Bodendenkmalen gem. § 8 Abs. 1 DMSG,
geschweige denn Denkmalen iSd § 1 Abs. 1-2 DMSG, so verschwindend gering, dass dem BDA
bezüglich dieser Bodenflächen einfach keine Genehmigungskompetenz gem. § 11 Abs. 1 DMSG
zukommt.
Realitätsverweigerung
Warum das BDA überhaupt riskiert hat, so offensichtlich aussichtslose Fälle überhaupt vor Gericht
kommen zu lassen, ist zwar nur schwer vernünftig, aber trotzdem erklärbar; nämlich dadurch, dass es
sich, ebenso wie viele andere Denkmalämter im deutschen Sprachraum, einbildet alle archäologischen
Quellen schützen zu müssen und alle archäologischen Feldforschungen einer strengen
wissenschaftlichen Qualitätskontrolle unterwerfen zu dürfen, weil es vom Staat insbesondere zum
Letzteren befugt worden ist. Das ist zwar Unsinn, weil der Staat das wie gesagt aufgrund der
verfassungsgesetzlich vorbehaltlosen Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit gar nicht darf und
auch kein Wissenschafter, auch nicht wenn er vom Staat zum Verwaltungsbeamten in einem der
Forschung nahestehenden Bereich ernannt wurde, einem anderen Wissenschafter die von diesem zu
stellenden Forschungsfragen, die von ihm zu verwendenden Methoden und von ihm zu vertretenden
Fachmeinungen vorschreiben darf. Aber das bedeutet ja noch lange nicht, dass das der einzelne, als
Verwaltungsbeamter bestellte, Wissenschafter nicht trotzdem tun will und daher die ihm vom Staat
für ganz bestimmte Aufgaben übertragenen Machtbefugnisse anders als vom Staat vorgesehen
gebraucht.
Gerade weil man in der Abteilung Archäologie im BDA zu glauben scheint, vom Staat dazu befugt
worden zu sein, anderen ArchäologInnen Vorschriften darüber zu machen, wie diese ihre
wissenschaftliche Forschung gestalten, hatte ich das BDA mit meinen Anträgen in eine unmögliche,
nämlich eine lose-lose-Situation gebracht. Weil es gab, nicht zuletzt, weil ich explizit angekündigt
hatte, dass diese Fälle dem Zweck der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der
Gesetzesanwendungspraxis durch das BDA dienen sollten, für das BDA nur noch zwei Optionen:
Entweder meine Anträge, wie von mir gefordert, wegen Unzuständigkeit der Behörde für die
Bewilligung der von mir beantragten Maßnahmen zurückzuweisen und damit offiziell und vor allem
sich selbst einzugestehen, dass § 11 Abs. 1 DMSG auf den meisten Bodenflächen in Österreich gar
nicht anwendbar sei. Damit hätte das BDA jedoch sein archäologisch-denkmalpflegerisches Gesicht
verloren, weil man sich ausrechnen konnte, dass ich diesen Ausgang des Falles wissenschaftlich
ausgeschlachtet hätte. Vielleicht noch schlimmer, das BDA hätte damit von sich aus zugegeben, dass
nicht es, sondern ich recht gehabt hatte und damit seinen fachlichen Autoritätsanspruch aufgeben
müssen. Nicht wir alle, sondern der, der schon seit langem gesagt hatte, dass es anders ist, als wir alle
glaubten, hätte recht gehabt. Das hätte aber bedeutet, dass man sich die Frage stellen hätte müssen,
ob er nicht vielleicht auch mit anderen seiner schon zuvor geäußerten Kritiken nicht nur recht, sondern
vielleicht auch tatsächlich Recht hat. Das ging also gar nicht.
Oder über meine Anträge in der Sache zu entscheiden, egal ob positiv oder negativ, obwohl
offensichtlich erkennbar war, dass man das rechtlich gar nicht durfte; wie es das BDA dann ja auch
tatsächlich getan hat. Idealerweise natürlich positiv, weil das schwächte meine Position im
Beschwerdeverfahren wenigstens insofern, als ich ja nicht durch eine rechtswidrige Abweisung
meines gar nicht bewilligungspflichtigen Antrags beschwert war und daher eine – wenn auch nur
winzige – Chance bestand, dass ich die Fälle aufgrund einer Formsache verlieren würde, selbst wenn
ich in der Sache offensichtlich Recht habe.
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Damit nahm man zwar das durchaus gewaltige Risiko in Kauf, diese in der Sache offensichtlich nicht
gewinnbaren Fälle vor Gericht erst recht zu verlieren. Aber selbst wenn, wie es dann ja auch
tatsächlich geschehen ist, man die Fälle vor Gericht verliert; man muss wenigstens nicht, vor allem
nicht vor sich selbst, zugeben, dass man, wenigstens aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht,
tatsächlich unrecht, und nicht nur aus rechtlicher Sicht Unrecht hatte. Man kann damit die Schuld an
der vielleicht rechtlich richtigen, aber archäologisch-denkmalpflegerisch falschen, Entscheidung des
Gerichts anderen in die Schuhe schieben.
Dem bösen Herrn Karl zum Beispiel, der nicht einsehen will, dass es für die Archäologie weit wichtiger
ist, dass er nicht mit freiem Auge im Garten seiner Eltern in Wien auf den Boden schauen oder Löcher
graben darf, ohne davor eine NFG beim BDA beantragt und von diesem erteilt bekommen zu haben,
als dass er das darf; dem unverständigen Gericht, das nicht verstanden hat, dass man sich in der
archäologischen Denkmalpflege nicht mit so unnötigen Details wie der Beachtung irgendwelcher
gesetzlicher Details aufhalten kann, wie ob eine NFG-Pflichtbestimmung auf eine bestimmte Handlung,
die man aus Sicht der FachbeamtInnen einer denkmalpflegerischen Kontrolle unterwerfen sollte,
überhaupt anwendbar ist; oder wenigstens dem unwissenden und unfähigen Gesetzgeber, der, statt ein
ordentliches DMSG zu verfassen, das es uns ermöglicht, Denkmale so effektiv zu schützen, wie wir das
wollen und ihm zufolge auch sollen, ein absolut unbrauchbares Gesetz erlassen hat. Man kann sein
archäologisch-denkmalpflegerisches Gesicht wahren und seine fachliche Autorität erhalten, weil man
hat zwar vielleicht juristisch Unrecht gehabt, aber trotzdem wenigstens fachlich recht. Daher hat man
diese geringfügig bessere von zwei grottenschlechten Optionen dann auch tatsächlich gewählt.
Weil wir wissen ja alle, dass die NFG-Pflicht im österreichischen DMSG im Wesentlichen genauso
geregelt ist wie in allen deutschen DSchG – oder wenigstens so geregelt sein sollte, weil das für die
archäologischen Denkmale viel besser wäre als das schlechte Gesetz, das wir tatsächlich haben – und
wissen es vor allem besser als so ewige Querulanten wie der Herr Karl, die dauernd nur darüber
meckern, dass (wenigstens) die (österreichischen) (archäologischen) Denkmalpfleger nicht wissen, was
sie tun und noch viel weniger was sie eigentlich tun sollten und von Gesetzes wegen tun müssen oder
so unverständige Verwaltungskontrollorgane wie der österreichische Rechnungshof, der nahezu zur
exakt gleichen Zeit das BDA in seinem einschlägigen Kontrollbericht für ähnliche Inkompetenz in
nahezu allen anderen seiner Aufgabenbereiche vernichtend kritisiert hat (RH 2017). Weil, sind wir uns
ehrlich: was wissen diese archäologisch unverständigen Toren schon?
Auch wenn man, wie man das auf gut Altwienerisch ausdrücken würde, im BDA jetzt „den Scher’m
auf hod“ (d.h. auf Deutsch: den Nachttopf wie einen Hut aufgesetzt hat), Hauptsache ist, dass man nicht
vor sich selbst zugeben muss, das man etwas falsch gemacht hat.
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In Deutschland könnte so etwas nie vorkommen…
In Deutschland könnte so etwas nie vorkommen…
Aber genug mit den viel zu langen und nicht besonders lustigen Österreicher-Witzen. Glücklicherweise
ist das ja in Deutschland alles nicht so. Da herrschen noch Zucht und Ordnung und die rechtschaffenen
Denkmalschutzbeamten würden nie auch nur auf die Idee kommen, die ihnen vom Gesetzgeber
übertragenen Kompetenzen soweit zu überschreiten, dass das Gesetzeslosigkeit gleichkommt. Die
machen nur ordentlich ihre Arbeit und, wie sie gelegentlich im Brustton der Überzeugung feststellen,
wenden nur das an, was Gesetz ist; das sie, weil sie das müssen, stets nur in pflichtgemäßen Ermessen
auslegen. Darüber braucht man auch gar nicht weiterreden, weil wir wissen ja schließlich alle, was das
Gesetz sagt.
Was archäologische Grabungen und andere Nachforschungen betrifft, haben auch die deutschen
Landesdenkmalämter Richtlinien, die denen des österreichischen BDA (2016) grundsätzlich nicht
unähnlich sind und sich letztendlich meist an den vom Verband der Landesarchäologen in der
Bundesrepublik Deutschland herausgegebenen orientieren (VLA 2006). Je nach Bedarf für das
jeweilige Bundesland und der in diesem bestehenden, spezifischen Rechtslage und administrativen
Erfordernisse angepasst, werden auch diese, nicht anders als das die Praxis des BDA in Österreich war
und ist, normalerweise als Auflagen an NFG-Bescheide angeschlossen und somit zu für
Genehmigungsinhaber rechtlich verbindlich einzuhaltenden Vorgaben. Als offizielle Emanationen und
– qua Erteilung als Auflagen in Bescheiden – Teil des hoheitlichen Verwaltungshandelns der Behörden
sind sie, wie wir selbstverständlich auch alle wissen – übrigens auch nicht anders als die Richtlinien des
BDA (2016) – von den Rechtsabteilungen der jeweiligen Behörden – die sicher nicht so tief und fest
geschlafen oder auf gut österreichische Manier geschlampt haben wie die des BDA – auf Herz und
Nieren geprüft und enthalten daher mit absoluter Sicherheit garantiert nichts, was auch nur entfernt eine
Rechtswidrigkeit darstellen könnte. Vielmehr kleben sie so eng am Buchstaben des jeweiligen Gesetzes,
dass man selbst beim besten Willen und mit Gewaltanwendung nicht einmal ein Graphen-Blatt
dazwischen bringen könnte. In Deutschland ist die Welt halt noch in Ordnung!
Jo eh…
Honi soit qui mal y pense
Wie wir alle ebenfalls sehr gut wissen, ist Archäologie ein Allgemeingut, das sich niemand privat
aneignen darf, auf keinem Weg. Glücklicherweise ist es in allen deutschen Bundesländern so, dass
daher staatliche Schatzregale bestehen, die dafür sorgen, dass die Archäologie auch tatsächlich im
Eigentum der Allgemeinheit bleibt. Ok, außer bei den Bayern, aber die sind ja eh halbe Österreicher
und daher nicht ganz für voll zu nehmen; einmal abgesehen davon, dass sich die bayerischen
Archäologen ja brav bemühen, dass auch in ihrem schönen Land endlich das Schatzregal für
Bodendenkmale eingeführt wird, damit es endlich in ganz Deutschland nicht mehr möglich ist, dass
sich einfach irgendwelche Privatpersonen Archäologie eigennützig aneignen. Es war bisher einfach nur
der dumme bayerische Landtag, der, wie wir seit dem Bullen von Tölz auch alle wissen, ohnehin nur
aus korrupten konservativen Kadern besteht, der noch nicht davon überzeugt werden konnte, das
Allgemeinwohl vor private Aneignungsinteressen zu stellen und endlich das Gesetz richtig zu
formulieren/konstruieren.
Aber abgesehen von Bayern ist es so, dass man sich nirgendwo in Deutschland als Privatperson mir
nix, dir nix Archäologie einfach aneignen kann; und das ist auch gut so! Wie es Friedrich Lüth so schön
ausgedrückt hat, ist es schließlich die Aufgabe des Staates, die Archäologie „…qua Gesetz im Interesse
aller … vor dem Zugriff aller…“ (Lüth 2006, 102) zu schützen; und recht hat er, der gute Mann! Wir
wissen schließlich alle, dass das so ist.
Scheinbar wusste das auch das Landesamt für Denkmalpflege für Hessen [LfDH], das diese
archäologische Grundwahrheit bis zu ihrem logischen Ende weitergedacht und auch gleich umgesetzt
28
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
hat. Die NFG-Pflicht ist in Hessen durch § 22 HDSchG (bis zur Novelle des HDSchG Ende 2016 als § 21
nummeriert) geregelt, dessen Wortlaut dem des § 11 Abs. 1 DMSG gar nicht so unähnlich ist. Er lautet:
„Nachforschungen, insbesondere Grabungen, mit dem Ziel, Bodendenkmäler zu entdecken,
bedürfen der Genehmigung der Denkmalfachbehörde.“ (§ 22 HDSchG 2016).
Die Denkmalfachbehörde ist die Abteilung A des LfDH, auch hessenARCHÄOLOGIE genannt. Auch
diese hatte und hat, nicht anders als das BDA (2016), Richtlinien, die sie auch brav auf ihrer Webseite
veröffentlicht (LfDH 2015; 2017a; 2017b). Die damals noch auf der Webseite der hessenARCHÄOLOGIE
stehende Fassung dieser Richtlinien vom 1.8.2015 habe ich mir Anfang Januar 2017 etwas genauer
angeschaut, weil sich ein paar hessische Querulanten bei mir über, nun, nennen wir es
„Besonderheiten“, in diesen und erteilten NFG-Bescheiden ausgeweint hatten. Dabei stieß ich auf die
folgende interessante Passage im Kapitel „I. Geltungsbereich der Richtlinien“ (LfDH 2015, 4):
„Bei Grabungen im Land Hessen, die auf einer Nachforschungsgenehmigung nach § 21 HDSchG
bzw. einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis nach § 16 HDSchG beruhen, liegen die
Fundbearbeitungs- und Publikationsrechte beim Landesamt für Denkmalpflege Hessen.“ (LfDH
2015, 4).
Eine im Wesentlichen inhaltsgleiche, separat von der Verpflichtung zur Einhaltung der Richtlinien
(LfDH 2015) aufgelistete, Auflage fand sich auch in allen NFG-Bescheiden für professionelle
archäologische Untersuchungen, die mir in Form von Scans von den hessischen Querulanten
übermittelt worden waren. Das LfDH hat also sicherheitshalber gleich doppelt dafür gesorgt, dass
Genehmigungsinhaber auch wirklich rechtlich dazu verpflichtet waren, für eventuell von ihnen
geplante Publikationen ihrer archäologischen Forschungsergebnisse eine Publikationserlaubnis vom
LfDH einzuholen. Mir mutete diese „Besonderheit“, gelinde gesagt, doch einigermaßen seltsam an.
Schließlich sind Publikationsrechte meines Wissens auch in Deutschland gemäß Urheberrechtsgesetz
[UrHG] Teil der Nutzungs- und Verwertungsrechte urheberrechtlich geschützter Werke der Literatur,
Wissenschaft und Kunst. Zu diesen gehören jedenfalls auch Darstellungen wissenschaftlicher oder
technischer Art wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen, etc. (§ 2 Abs. 1 Z 7), d.h. auch alle
Dokumentationsunterlagen, die bei einer Feldforschungsmaßnahme erzeugt werden. Gem. § 11
schützt das Urheberrecht den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk
und in der Nutzung des Werkes und dient zugleich der Sicherung seiner angemessenen Vergütung für
dessen Nutzung durch Dritte; es handelt sich dabei also um vermögenswerte Rechte. Zu entscheiden,
ob und wie sein Werk veröffentlicht wird, d.h. das Veröffentlichungs- bzw. Publikationsrecht, steht
gem. § 12 Abs. 1 dem Urheber zu. Gem. § 15 Abs. 1 und 2 hat dieser das ausschließliche Recht, sein
Werk zu verwerten und öffentlich wiederzugeben, wobei §§ 16-22 Vervielfältigungsrecht,
Verbreitungsrecht, Ausstellungsrecht, etc. genauer regeln. Gem. § 31 können Dritten durch Vertrag
einfache oder ausschließliche Nutzungsrechte gegen angemessene Vergütung eingeräumt werden,
auf die der Urheber gem. § 32 selbst dann Anspruch hat, wenn vertraglich eine geringere Summe als
angemessen vereinbart wurde und auf die er auch gem. § 63 nicht im Voraus verzichten kann.
Damit werden alle bei archäologischen Maßnahmen angefertigten Dokumentationsunterlagen
zweifelsfrei zum geistigen Eigentum ihres Urhebers. Zwar kann dieser – z.B. durch einen Dienstvertrag
mit seinem Arbeitgeber, z.B. einer privaten Grabungsfirma – durchaus seine Nutzungsrechte an seinen
während der Arbeitszeit erzeugten geistigen Leistungen diesem – eben gegen seinen Lohn als
angemessene Vergütung iSd § 32 UrHG – implizit oder explizit vertraglich bereits in Voraus übertragen.
Aber sie entstehen grundsätzlich vorerst einmal jedenfalls nur ihm als sein geistiges Eigentum und
genießen daher als vermögenswerte Rechte auch den Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.
29
In Deutschland könnte so etwas nie vorkommen…
Es scheint daher unmöglich, irgendjemandes Publikationsrechte – noch dazu möglicherweise die einer
dritten Person, die im Bewilligungsverfahren nicht einmal Parteienstellung hatte – im Wege einer
Bescheidauflage, ob nun als Teil von Richtlinien wie jener des LfDH (2015) oder eigens separat
aufgelistet, auf die entscheidende Behörde selbst (oder einen beliebigen anderen Dritten) zu
übertragen. Dies wäre nämlich eine Enteignung des geistigen Eigentümers durch den Staat, was
diesem, wenigstens grundsätzlich, durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG verboten ist. Zwar ist
eine Enteignung gem. Art. 14 Abs. 3 GG zum Wohle der Allgemeinheit durchaus zulässig. Sie darf
jedoch der gleichen Verfassungsbestimmung zufolge ausschließlich nur durch Gesetz oder aufgrund
eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt.
Das HDSchG enthält aber keine Bestimmungen, die als eine Enteignung von Publikationsrechten
ermöglichende gesetzliche Grundlage betrachtet werden können. Die Bestimmungen von § 25 Abs. 1
Z 2 (bzw. nunmehr § 26 Abs. 1 Z 2) in Verbindung mit § 26 (§ 27) HDSchG, dass eine Enteignung
zugunsten des Landes, eines Landkreises, einer Gemeinde oder einer rechtsfähigen Stiftung, soweit
erforderlich, zulässig ist, damit ein Bodendenkmal wissenschaftlich ausgewertet (oder der
Allgemeinheit zugänglich gemacht) werden kann, die man womöglich als solche interpretieren könnte,
bezieht sich offenkundig nur auf die Enteignung von Grundeigentum.
Aber auch wenn man diese Bestimmungen als auch für eine Publikationsrechtsenteignung geeignete
gesetzliche Grundlage auslegen möchte, ist nicht erkennbar, warum damit – sie ist ja nur für den Fall
der tatsächlichen Erforderlichkeit vorgesehen – in den Richtlinien und NFG-Bescheiden standardmäßig
die Publikationsrechte dem LfDH (2015, 4) übertragen werden. Dies wäre eventuell möglich, wenn der
Urheber der Werke deren Publikation langfristig unterlässt bzw. seine Absicht erklärt, diese gar nicht
publizieren zu wollen. Damit ließe sich die Erforderlichkeit der Enteignung eventuell nach Ablauf einer
gewissen Frist sachlich begründen, in der der Urheber seinem Publikationsrecht nicht nachgekommen
ist. Eine automatische Enteignung vorab ist aber jedenfalls unverhältnismäßig. Darüber hinaus wird
die durch Art. 14 Abs. 3 GG, § 26 (§ 27) HDSchG und die einschlägigen Bestimmungen des UrhG
vorgesehene finanzielle Entschädigung des geistigen Eigentümers für die Übertragung seiner
Publikationsrechte weder in den genannten Dokumenten erwähnt oder erläutert, noch scheint sie –
wenigstens soweit das für mich nachvollziehbar ist – tatsächlich erfolgt zu sein.
Damit scheint für die durch das LfDH vorgenommene Enteignung der Urheber an ihren
Publikationsrechten jedwede Rechtsgrundlage gefehlt zu haben; oder aber die bestehenden
Rechtsgrundlagen der §§ 25 und 26 (bzw. §§ 26 und 27) HDSchG durch Unterlassung der
Entschädigung des geistigen Eigentümers durch das LfDH nicht korrekt zur Anwendung gebracht
worden zu sein. Beides wäre jedoch rechtswidrig.
Ich habe daher dem hessischen Landesarchäologen am 12.1.2017 einen ebenso deutlichen Brief
geschrieben wie etwa drei Monate später dann auch dem „österreichischen Bundesarchäologen“ –
wenn man den Leiter der Abteilung für Archäologie des BDA so nennen möchte – und ihn dazu
aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass diese mutmaßlich grob rechtswidrige Praxis des LfDH
abgestellt werde. Tatsächlich hat mir dieser schon in seiner Antwort vom 18.1.2017 mitgeteilt, dass
man meine Argumentation am LfDH nicht nachvollziehen könne und selbstverständlich niemals
irgendwelches rechtswidrige Verwaltungshandeln vorgenommen hätte. Indes habe das LfDH ohnehin
aufgrund der kürzlich erfolgten Novellierung des HDSchG ganz von sich aus eine Neufassung seiner
Richtlinien (LfDH 2017a) vorgenommen, die seit 1.1.2017 Gültigkeit habe und die die von mir monierte
Formulierung zu den Publikationsrechten ohnehin nicht mehr enthalte.
Also wirklich, es gibt schon glückliche Zufälle, man glaubt es kaum!
30
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Betrachtet und vergleicht man diese – allerdings tatsächlich erst am 17.1.2017 auf den Webseiten des
LfDH veröffentlichten – neuen Richtlinien (LfDH 2017a) mittels der Versionsvergleichsfunktion von
Adobe Acrobat mit jenen, die ich, natürlich nur rein sicherheitshalber, um dem LfDH auch nichts
Falsches zu unterstellen, am 12.1.2017 noch einmal von dort heruntergeladen hatte (LfDH 2015),
findet man tatsächlich insgesamt 45 Änderungen. Die überwältigende Mehrheit davon – nämlich 31 –
sind Ersetzungen, durch die Nennungen von Paragrafennummern des HDSchG 2012 auf die diesen im
HDSchG 2016 entsprechenden, der „hessenARCHÄOLOGIE“ auf „LfDH – hessenARCHÄOLOGIE“, und
des für die Gültigkeit der Richtlinien relevanten Datums auf 1.1.2017 abgeändert wurden. Weitere 12
sind kleine redaktionelle Anpassungen wie z.B. die Ersetzung von „o.ä.“ durch „…“ (LfDH 2015, 10;
2017a, 10) oder der Funktionsbezeichnung „Stellvertretender Landesarchäologe“ auf
„Landesarchäologe“ (LfDH 2015, 20; 2017a, 20). An einer Stelle wurde die erforderliche
Mindestqualifikation von wissenschaftlichen GrabungsleiterInnen durch Einfügung von „(Promotion,
M.A., Master, Dipl. Arch.)“ (LfDF 2017a, 3) genauer spezifiziert. Ach ja, und der von mir monierte
Passus war gestrichen und mit dem (teilweise mit dem Folgesatz der oben zitierten Passage in LfDH
2015, 4 verbundenen) Satz „Bei Ausgrabungen im Land Hessen, die auf einer
Nachforschungsgenehmigung nach § 22 HDSchG beruhen, ist die Fundbearbeitung einschließlich der
Publikation mit dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen – hessenARCHÄOLOGIE – abzustimmen.“
(LfDH 2017a, 4) ersetzt worden. Zusätzlich scheint an dieser Stelle vielleicht auch erwähnenswert, dass
diese, sicherlich lange und sorgfältig vorbereiteten, Änderungen zwar vorgenommen wurden, aber die
Person, die sie vorgenommen hatte, scheinbar trotzdem vergessen hatte, den Filenamen des am
17.1.2017 auf den Webseiten der hessenARCHÄOLOGIE online veröffentlichten Dokuments,
„hA_Grabungs-Dokurichtlinien_2015.pdf“, abzuändern, d.h. die darin enthaltene Jahresangabe auf
2017 anzupassen.
Nun mag es natürlich neben der tatsächlich durch die Novellierung des HDSchG am 28.11.2016
erforderlich gewordenen Anpassung der Richtlinien (LfDH 2017a) zahlreiche Gründe geben, warum
das LfDH mit Stand vom 1.1.2017 den von mir am 12.1.2017 monierten, ohnehin schon nicht mehr
gültigen, Passus bezüglich der Publikationsrechte (LfDH 2015, 4) aus diesen herausgenommen hat
(LfDH 2017a, 4; b, 4) und die Neufassung zufällig erst – wohl aufgrund der Weihnachtsfeiertage und
der Überlastung der IT-Abteilung des LfDH – online gestellt worden ist. Solche glücklichunglücklichen Verkettungen von Umständen, dass sich ein notorischer Querulant 12 Tage nachdem
man etwas ganz von sich aus geändert hat über etwas, das gar nicht mehr zutrifft, beschwert, nur, weil
die IT-Abteilung, noch dazu zur Weihnachtszeit, etwas über 2 Wochen gebraucht hat, um diese
Änderungen auch online zu stellen, kommen ja, wie wir alle wissen, ununterbrochen vor. So gesehen:
ein Schuft wer Übles dabei denkt!
Man muss sich aber dennoch die Frage stellen, warum das LfDH, ob jetzt ganz von sich aus oder doch
auch wenigstens ein wenig durch irgendwelche Anstöße von außen dazu veranlasst, nun die zuvor
wenigstens eineinhalb Jahre lang, potentiell sogar viel länger, qua Richtlinien (LfDH 2015) und separat
aufgelisteten Auflagen in NFG-Bescheiden an das LfDH gezogenen Publikationsrechte an den
wissenschaftlichen Werken Dritter nicht mehr haben will. Man muss sich durchaus fragen, was sich in
der hessischen archäologischen Denkmalpflege geändert hat, dass es dem LfDH zuvor erforderlich
erschienen ist, nun aber nicht mehr erforderlich erscheint, sich diese vermögenswerten Rechte Dritter
anzueignen. Die denkmalschutzrechtlichen Grundlagen scheinen es jedenfalls nicht gewesen zu sein,
weil im HDSchG hat sich, wenigstens in dieser Beziehung, durch dessen Novellierung vom 28.11.2016
überhaupt nichts geändert.
Dass die Verwaltungspraxis des LfDH eventuell doch rechtswidrig gewesen sein könnte und die
Änderung der Richtlinien vielleicht doch etwas dringlicher als geplant notwendig geworden ist, weil
man im LfDH die von mir vorgebrachten Argumente eventuell doch etwas besser nachvollziehen
31
In Deutschland könnte so etwas nie vorkommen…
konnte, als man nach außen hin zugeben konnte und wollte, kann es ja wohl nicht gewesen sein. Weil
wir wissen ja alle, dass in der deutschen archäologischen Denkmalpflege Rechtswidrigkeiten, wie es
sie vielleicht bei den weniger genau arbeitenden österreichischen KollegInnen geben mag, nicht
vorkommen.
Wobei sich mir allerdings weiterhin die Frage stellt, auf welche Rechtsgrundlage sich die nunmehr in
den Richtlinien des LfDH (2017a, 4; b, 4) zu findende Verpflichtung von NFG-InhaberInnen stützt, dass
bei Ausgrabungen im Land Hessen auf Basis von NFG-Bescheiden nicht etwa nur die Fundbearbeitung,
sondern auch die Publikation, mit dem LfDH abzustimmen ist. Ich meine, ich kenne mich ja
zugegebenermaßen nicht so genau aus; aber wenigstens mir scheint das Recht von
WissenschafterInnen, frei von staatlichen Eingriffen in „den Prozess der Gewinnung und Vermittlung
wissenschaftlicher Erkenntnisse“ (Pieroth et al. 2015, 176) ebendiese Erkenntnisse so wie es ihnen
richtig erscheint zu publizieren, ein integraler Bestandteil des Kernbereichs der verfassungsgesetzlich
durch Art. 5 Abs. 3 GG garantierten Wissenschaftsfreiheit zu sein. Es scheint mir also immer noch
einigermaßen ungewöhnlich, diesen im Wege von Bescheidauflagen auch nur verbindlich
vorzuschreiben, ihre geplanten Publikationen mit irgendeiner Behörde in irgendeiner Weise
„abstimmen“ zu müssen; was auch immer das konkret bedeutet.
Vielleicht ist es ja doch so, dass das LfDH bei Publikationen mitreden will, ohne dafür irgendeine
Rechtsgrundlage zu haben, und daher zwar die offenkundig rechtswidrige alte Formulierung aus seinen
Richtlinien (LfDH 2015, 4; 2017a; 4; b, 4) herausgenommen hat, aber dafür halt etwas anderes
hineingeschrieben hat, was nahezu die gleichen Folgen hat, oder wenigstens so ausgelegt werden kann,
wenn man es grade zu brauchen scheint. Aber nein, das kann sicher nicht sein; so etwas würde ein
deutsches Denkmalamt, wie wir alle wissen, sicher nie tun. Also Schwamm drüber!
32
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Ziele und Motive
Wie dem auch sei, wenigstens wissen wir, dass die NFG-Pflicht in ganz Deutschland gilt; wenn es denn
in Österreich nicht so sein sollte; oder wenigstens eine Grabungsgenehmigungspflicht, wo es schon
keine volle NFG-Pflicht ist. In Deutschland sind ja Bodendenkmale in der Regel nach dem
deklaratorischen Prinzip (DGUF 2013, 1-2) geschützt, nicht – wie bei den unfähigen Österreichern –
nach dem konstitutiven (DGUF 2013, 2). OK, außer in Bayern, wo Bodendenkmale zwar auch nach
dem deklaratorischen Prinzip geschützt sind, aber die Bewilligungspflicht des Art. 7 Abs. 1 DSchGBY nur auf Grundstücken gilt, auf denen mit dem Vorkommen von Bodendenkmalen zu rechnen ist.
Aber die Bayern sind ja, wie schon gesagt, halbe Österreicher und daher vernachlässigbar; außerdem
liegt dort das Problem bekanntermaßen an der ungeschickten Formulierung des Gesetzeswortlauts, der
bloß dringend geändert gehört und nur bisher aus den schon oben genannten Gründen vom bayerischen
Landtag noch nicht geändert wurde.
Sonst überall gilt die NFG-Pflicht aber flächendeckend, weil, wie wir wissen, gemäß dem
deklaratorischen Prinzip ein Denkmal ja nur die im Gesetz genannten Bedingungen für die
Schutzwürdigkeit erfüllen muss und eine Aufnahme in eine Denkmalliste daher gar nicht notwendig
ist, damit es den gesetzlichen Schutzbestimmungen unterliegt. Damit gelten die jeweiligen gesetzlichen
NFG-Pflichten glücklicherweise nicht nur dann, wenn der, der Nachforschungen zum Zweck der
Entdeckung von Bodendenkmalen anstellen will, schon tatsächlich weiß, dass sich dort, wo er nach
diesen suchen will, auch wirklich geschützte Bodendenkmale befinden, oder? Vielmehr ist allein der
Zweck der Nachforschung relevant, d.h. ob dabei Bodendenkmale entdeckt werden sollen (so z.B. in
Baden-Württemberg; siehe explizit Strobl und Sieche 2010, 264; wenngleich das Regierungspräsidium
[RP] Stuttgart z.B. in seiner Pressemitteilung vom 30.9.2016, Nr. 341/2016, etwas anderes zu behaupten
scheint, nämlich, dass die unbewilligte Metallsuche in Baden-Württemberg generell eine
Ordnungswidrigkeit gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 DSchG-BW darstellen würde). In archäologischdenkmalpflegerisch noch fortschrittlicheren deutschen Bundesländern wie z.B. Hamburg ist es sogar
so, dass – nachdem gem. § 14 Abs. 3 DSchG-HH auch Eventualvorsatz und Fährlässigkeit
eingeschlossen sind – die NFG-Pflicht auch dann gilt, wenn gar nicht nach Bodendenkmalen gesucht,
sondern bei der Suche nach beliebigen Gegenständen die Entdeckung von Bodendenkmalen billigend
oder sogar nur fahrlässig in Kauf genommen wird. Nachdem wir aber alle wissen, dass Bodendenkmale
überall vorkommen können, bedeutet das doch wohl, dass demzufolge auch die NFG-Pflicht überall im
Land gilt; und daher z.B., wie das das RP Stuttgart unter Berufung auf die Strafbestimmung des § 27
Abs. 1 Nr. 1 DSchG-BW, welche die Fahrlässigkeit im Ordnungswidrigkeitstatbestand inkludiert,
behauptet hat, alle unbewilligten Metallsuchen generell verboten sind. Wenigstens in der Beziehung ist
also alles gut!
Aber ist es das wirklich? Weil, ich meine ja nur, genau das hat das österreichische BDA auch
jahrzehntelang geglaubt und behauptet, bis es der VwGH und das BVwG auf den bitteren Boden der
rechtlichen Realität zurückgeholt haben.
Das RP Stuttgart und die Raubgräber
Schauen wir uns das also z.B. für Baden-Württemberg an, weil ich ja den vorletzten Absatz in diesem
Bundesland enden gelassen habe. Die NFG-Pflicht in Baden-Württemberg ist nahezu exakt identisch
zur schon oben zitierten hessischen gestaltet:
„Nachforschungen, insbesondere Grabungen, mit dem Ziel, Kulturdenkmale zu entdecken,
bedürfen der Genehmigung“ (§ 21 DSchG-BW).
Das DSchG-BW basiert dabei auf dem deklaratorischen Prinzip: der Begriff Kulturdenkmale wird in § 2
Abs. 1 als unbestimmter Rechtsbegriff definiert und unterwirft somit alle (aber dafür auch nur die)
Objekte, die dieser Definition tatsächlich entsprechen, den sonstigen Schutzbestimmungen dieses
33
Ziele und Motive
Gesetzes (Strobl & Sieche 2010, 55-6), somit auch Nachforschungen iSd § 21, mit denen das Ziel der
Entdeckung von Kulturdenkmalen verfolgt wird. Das Gesetz bestimmt auch, was eine
Ordnungswidrigkeit ist:
„Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. ohne Genehmigung der
Denkmalschutzbehörde die in § 8, § 15 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Sätze 1 und 2, § 21, § 22 Abs.
2 Satz 1 bezeichneten Handlungen vornimmt oder den in Genehmigungen enthaltenen
vollziehbaren Auflagen zuwiderhandelt, …“ (§ 27 Abs. 1 DSchG-BW).
Wir haben also genau die schon oben geschilderte Situation: wer nicht gem. § 21 DSchG-BW bewilligte
Nachforschungen anstellt, um Kulturdenkmale zu entdecken, oder auch nur bei Nachforschungen zu
anderen Zwecken so fahrlässig handelt, dass es bei diesen zur Entdeckung von Kulturdenkmalen
kommen könnte, handelt ordnungswidrig. Und nachdem, wie wir alle wissen, Kulturdenkmale überall
vorkommen können, kann ebendiese Fahrlässigkeit bei allen Nachforschungen angenommen werden,
bei denen Kulturdenkmale entdeckt werden könnten; also z.B. bei allen Metallsuchen. Nicht wahr?
Naja, bestenfalls: jein. Bzw. eigentlich: nein.
Klar ist zuerst einmal, dass die Bestimmungen des § 21 DSchG-BW jedenfalls nur Nachforschungen mit
dem Ziel bzw. dem Motiv, Kulturdenkmale zu entdecken, einer Bewilligungspflicht unterwerfen. Die
Nachforschung nach anderen Sachen als Kulturdenkmalen und Grabungen zu anderen Zwecken als zu
deren Entdeckung (inklusive der Untersuchung, Ausgrabung, Freilegung, Bergung, etc. bereits
bekannter Kulturdenkmale; siehe dazu Strobl & Sieche 2010, 263; obwohl der Gesetzeswortlaut selbst
das nicht explizit feststellt) unterliegt der NFG-Pflicht dieses Paragrafen hingegen sicher nicht. Das
sieht nicht nur der einschlägige Gesetzeskommentar so, der explizit ausführt, dass, wenn keine
Entdeckung bezweckt wird, eine NFG auch dann nicht erforderlich ist, wenn bei der betreffenden
Handlung „die Entdeckung von Kulturdenkmalen möglich oder sogar wahrscheinlich ist“ (Strobl &
Sieche 2010, 264), sondern das muss auch zwingend so sein.
Letzteres liegt dabei genau daran, dass Kulturdenkmale überall vorkommen könnten. Die
Begriffsdefinition des § 2 Abs. 1 DSchG-BW ist nämlich ungünstigerweise so unbestimmt, dass
Kulturdenkmale wenigstens hypothetisch bei jeder Nachforschung entdeckt werden könnten, egal
welcher Zweck mit ihr verfolgt wird:
„Kulturdenkmale im Sinne dieses Gesetzes sind Sachen, Sachgesamtheiten und Teile von Sachen,
an deren Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimatgeschichtlichen Gründen
ein öffentliches Interesse besteht.“ (§ 2 Abs. 1 DSchG-BW).
Nachdem ein öffentliches Interesse an der Erhaltung einer jeden beliebigen Sache aus den genannten
Gründen bestehen kann – man denke nur an die „Müllhaldenarchäologie“ des „Garbage“-Projekts der
University of Arizona (Rathje & Murphy 2001), dessen Forschungsgegenstand unter anderem die
damals noch aktive „Fresh Kills“ Mülldeponie auf Staten Island, New York, war – kann sogar der soeben
weggeworfene Müll interessant sein und somit aus wissenschaftlichen Gründen ein öffentliches
Interesse an seiner Erhaltung bestehen. Nachdem das DSchG-BW auch keine weitere Einschränkung
auf z.B. nur solche Sachen vornimmt, die sich noch unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche befinden,
würde damit, wenn die Bewilligungspflicht des § 21 DSchG-BW auf jede Nachforschung ausgedehnt
werden könnte, bei der bloß eine – wie auch immer geringe – Möglichkeit besteht, dass dabei ein
Kulturdenkmal entdeckt werden könnte, jede Suche nach jeder beliebigen Sache in BadenWürttemberg der NFG-Pflicht unterliegen. Weil eine Sache, an deren Erhaltung aus den genannten
Gründen im öffentlichen Interesse gelegen ist, könnte ja überall vorkommen, selbst im Bücherregal
an Ihrer Wand, in dem Sie nach einem Buch zu einer bestimmten archäologischen Fundstelle suchen.
34
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Allen Menschen in Baden-Württemberg zu verbieten, ohne Bewilligung des badenwürttembergischen Landesamts für Denkmalpflege [BWLfD] im eigenen Bücherregal nach einem Buch
zu suchen, weil sie dabei hypothetisch ein Kulturdenkmal entdecken könnten, an dessen Erhaltung ein
öffentliches Interesse besteht, geht aber nicht, weil das wäre eklatant unverhältnismäßig.
Es folgt also zwingend, dass die Handlung, die einer NFG gem. § 21 DSchG-BW bedarf, eine solche sein
muss, die tatsächlich die Entdeckung von Kulturdenkmalen bezweckt; d.h. bei welcher der Handelnde
nicht nur irgendeine beliebige, sondern eine ganz bestimmte Art von, Sache(n) entdecken will: eben
Kulturdenkmale.
Wann wird eine Handlung strafbar fahrlässig?
Damit kommen wir zur Ordnungswidrigkeitsbestimmung des § 27 Abs. 1 Z 1 DSchG-BW: laut dieser
wird der Ordnungswidrigkeitstatbestand tatsächlich auch bereits durch bloße Fahrlässigkeit erfüllt.
Das bedeutet aber in Verbindung mit dem soeben zu § 21 DSchG-BW Gesagten gleich zweierlei:
1. dass nicht die Durchführung einer fahrlässigen Nachforschung die Ordnungswidrigkeit
darstellt, sondern die fahrlässige Durchführung einer NFG-pflichtigen Nachforschung ohne die
dafür erforderliche Genehmigung.
Das ist ein bedeutender Unterschied, denn, wie soeben gezeigt wurde, unterliegt nicht jede
Nachforschung der NFG-Pflicht des § 21 DSchG-BW, sondern eben nur solche Nachforschungen, die
vorsätzlich mit dem Ziel, Kulturdenkmale zu entdecken, durchgeführt werden. Es ist daher auch völlig
belanglos, ob ein Nachforschender fahrlässig vernachlässigt hat, dass er bei seiner Nachforschung zu
einem anderen als diesem Zweck dennoch Kulturdenkmale entdecken könnte, weil diese ja überall
vorkommen könnten.
Relevant ist nur, ob er eine Nachforschung zum Zweck der Entdeckung von Kulturdenkmalen fahrlässig
durchgeführt hat, ohne die dafür – und zwar nur dafür – notwendige Genehmigung erteilt bekommen
zu haben. Dieser Fall könnte z.B. eintreten, wenn jemand Nachforschungen zum Zweck
Kulturdenkmale zu entdecken durchgeführt hat, ohne sich davor kundig zu machen, ob er dafür nicht
eventuell einer NFG bedürfen würde; oder, obwohl er wusste, dass er auf die Erteilung der NFG zu
warten hatte, in der Erwartung, diese sowieso erteilt zu bekommen, mit deren Durchführung
begonnen hat.
Damit eine Handlung entsprechend der Strafbestimmungen eines Gesetzes ordnungswidrig und somit
strafbar sein kann, ist es eine unabdingbare Voraussetzung, dass sie den Bestimmungen dieses
Gesetzes unterliegt. Das gilt auch für Denkmalschutzgesetze. Der Grundsatz nulla poena sine lege ist
schließlich nicht nur in Art. 103 Abs. 2 GG (Pieroth et al. 2015, 313-7), sondern auch in Art. 7 Abs. 1
EMRK und Art. 11 Abs. 2 AEMR verankert.
Das ist genau das Problem, an dem letztendlich die Auslegung des § 11 Abs. 1 DMSG durch das BDA in
den hier diskutierten Fällen und schon im Fall VwGh vom 24.6.1985 zu Zl. 84/12/0213 gescheitert ist:
ist eine gesetzliche Genehmigungspflicht auf eine bestimmte Handlung grundsätzlich nicht
anwendbar, kann die für deren Vollzug zuständige Behörde weder eine Genehmigung dafür erteilen
noch eine beliebige Person für ihre Durchführung ohne NFG bestraft werden.
2. dass, nachdem ein Ordnungswidrigkeitstatbestand nur dann erfüllt ist, wenn der Täter
wenigstens fahrlässig gehandelt hat, wenigstens konkrete Hinweise auf das Vorkommen von
Kulturdenkmalen am Ort der Durchführung der Nachforschung vorliegen müssen, damit die
NFG-Pflicht besteht.
35
Ziele und Motive
Selbst wenn man glaubt, dass man das soeben unter Pkt. 1 erläuterte Problem irgendwie umschiffen
kann und damit auch Nachforschungen zu anderen Zwecken, bei denen fahrlässig die Möglichkeit der
Entdeckung von Kulturdenkmalen missachtet wird, irgendwie unter das Nachforschungsverbot des §
21 DSchG-BW bringen kann, kommt man damit nämlich immer noch nicht weiter. Denn selbst für die
Erfüllung des Fahrlässigkeitstatbestandes reicht es nicht aus, dass ein im konkreten Einzelfall völlig
unbegründeter Generalverdacht besteht, dass überall Kulturdenkmale vorkommen könnten:
Fahrlässigkeit liegt nur vor, wenn der Täter die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
Die erforderliche Sorgfalt kann jedoch nicht die grundsätzliche Unterlassung jedweder
Nachforschungen zu egal welchen Zwecken überall im ganzen Land sein. Hätte der badenwürttembergische Gesetzgeber das gewollt, hätte er auch tatsächlich alle Nachforschungen, egal zu
welchen Zwecken, gesetzlich verbieten müssen, nicht nur Nachforschungen mit dem Ziel,
Kulturdenkmale zu entdecken. Das hat er aber nicht getan, also wohl auch nicht gewollt. Die Schwelle,
um die Sorgfaltspflicht verletzt haben zu können, muss also höher angesetzt werden. Das aber macht
es erforderlich, dass ein Nachforschender, um die erforderliche Sorgfalt tatsächlich walten zu lassen,
irgendwelche ihm auch zumutbaren Ermittlungen anstellen kann, die ihm zu erkennen erlauben, dass
seine nicht genehmigungspflichtige Nachforschung, obgleich er das nicht beabsichtigt, voraussichtlich
zur Entdeckung von Kulturdenkmalen führen wird und daher der NFG-Pflicht unterliegt.
Das bedeutet aber wiederum, dass es, damit er überhaupt fahrlässig handeln kann, irgendwelche
konkreten Hinweise darauf geben muss, wo er mit der Entdeckung von Kulturdenkmalen rechnen und
wo er nicht mit dieser rechnen muss. Denn nur wenn es solche konkreten Hinweise gibt, kann er es
schuldhaft unterlassen haben, die erforderliche Sorgfalt walten zu lassen. Was solche konkreten
Hinweise genau sind, kann natürlich diskutiert werden; d.h. ob es erforderlich ist, dass Bodenflächen,
auf denen mit der Entdeckung von Kulturdenkmalen zu rechnen ist in einem öffentlich zugänglichen
geografischen Informationssystem – wie z.B. dem bayerischen Denkmalatlas – oder auch durch an Ort
und Stelle gut sichtbar Schilder als Verdachtsfläche ausgewiesen werden; oder es bereits genügt, dass
veröffentlichte Fundberichte über eine bestimmte Bodenfläche vorliegen. Aber gibt es gar keine
konkreten Hinweise, anhand deren der Nachforschende wenigstens bei Beachtung der erforderlichen
Sorgfalt wissen hätte können, dass er einer NFG bedarf, kann auch Fahrlässigkeit nicht vorliegen.
Wann besteht überhaupt eine NFG-Pflicht?
Das ist letztendlich genau das Problem, an dem die Auslegung des § 11 Abs. 1 DMSG durch das BDA
als allgemeine NFG-Pflicht, egal ob irgendwelche Hinweise auf das Vorkommen von Bodendenkmalen
am Untersuchungsort bekannt sind, in den im ersten Kapitel diskutierten Fällen vor dem BVwG und
VwGH gescheitert ist. Konnte ein Tatverdächtiger, selbst wenn er die erforderliche Sorgfalt hat walten
lassen, nicht wissen, dass er am von ihm gewählten Untersuchungsort mit dem Vorkommen von
Bodendenkmalen zu rechnen hat, kann diese NFG-Pflicht für seine Nachforschungshandlungen auch
nicht bestanden haben.
Das ist insbesondere dann der Fall, wenn man die Schuldhaftigkeit der Handlung letztendlich allein an
ihrem Zweck festmacht: es bedarf dann eines wenigstens objektivierbaren Maßstabes, um beurteilen
zu können, ob ein Tatverdächtiger über das Motiv seiner Nachforschungen die Unwahrheit sagt. Das
kann man jedoch weder rein auf Basis seiner eigenen Aussage noch auf Basis einer
Durchschnittsbetrachtung. Letzteres ist schon allein deshalb so, weil man sonst auf Basis eines sich
selbst bestätigenden Vorurteils urteilt: der Einzelne wird aufgrund der Annahme verurteilt, dass
Verdächtige „normalerweise“ nach Kulturdenkmalen suchen, womit der Einzelfall zu einer weiteren
Bestätigung für die Annahme wird, dass Verdächtige das „normalerweise“ tun. So darf das aber nicht
geschehen.
36
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Damit bedarf es eines objektiven oder wenigstens objektivierbaren Kriteriums, anhand dessen das
Motiv eines Tatverdächtigen wenigstens abschätzbar ist; und dafür bietet sich natürlich an, zu
überprüfen, ob es konkrete Hinweise darauf gibt, dass dort, wo er nachgeforscht hat, auch tatsächlich
bekanntermaßen Kulturdenkmale vorkommen. Denn das Ziel des Denkmalschutzgesetzes ist es ja
schließlich nicht, Nachforschungen zu verhindern, sondern Kulturdenkmale zu schützen. Gibt es solche
an einem bestimmten Ort mutmaßlich nicht, ist man beim gleichen Problem wie mit der Fahrlässigkeit
angelangt: es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Schutzbestimmungen eines
Denkmalschutzgesetzes an dem Ort gelten, an dem Nachforschungen durchgeführt werden sollen,
weil ja – wie gerade bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt offenkundig ist – der gesetzliche
Schutzgegenstand dort überhaupt nicht vorzukommen scheint. Hinzu kommt, dass man dem das
Motiv der Entdeckung von Kulturdenkmalen leugnenden Tatverdächtigen, nachdem er keinen Grund
hatte, dort die Entdeckung von Kulturdenkmalen zu erwarten, keinen Widerspruch zwischen seinen
Behauptungen und seinem Handeln nachweisen kann und daher von der Wahrheit seiner Behauptung
ausgehen muss.
Damit bleibt, unter dem Strich, nur sehr wenig übrig: Nachforschungen unterliegen, wie dies auch der
österreichische VwGH gesehen hat, nur dann den denkmalschutzrechtlichen NFG-Pflichten, wenn sie
auf Bodenflächen durchgeführt werden, bezüglich derer bereits allgemein zugängliche, konkrete
Hinweise darauf vorliegen, dass auf ihnen wenigstens wahrscheinlich (Kultur-) Denkmale vorkommen,
die den Bestimmungen des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes unterworfen sind; und zwar nicht nur
in Österreich, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach auch in Baden-Württemberg. Dabei bleibt es
völlig unerheblich, ob man die Verletzung der Genehmigungspflicht nun als reinen Vorsatz- oder auch
als Fahrlässigkeitstatbestand betrachtet: damit der Tatverdächtige auch nur fahrlässig gehandelt
haben kann, hätte er wenigstens bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt ex ante wissen müssen,
dass er voraussichtlich (Kultur-) Denkmale entdecken wird, damit die von ihm geplante Handlung der
denkmalschutzrechtlichen NFG-Pflicht unterliegt. Liegen aber keine konkreten Hinweise auf das
Vorkommen von relevanten Denkmalen von der betroffenen Bodenfläche vor, kann der
Tatverdächtige nicht gewusst haben, dass er für eine ansonsten genehmigungslos gestattete
Nachforschung einer denkmalschutzrechtlichen NFG bedarf. Damit hat er nicht fahrlässig gehandelt.
Für die Vorsatzbildung hingegen ist es erforderlich, dass der Täter Voraussicht vom künftigen Verlauf
von Tathandlung und Taterfolg hatte, d.h. das Eintreten des Taterfolgs wenigstens im Sinne des dolus
eventualis für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Selbst letzteres setzt jedoch
sicherlich ebenfalls wenigstens das Vorliegen konkreter Hinweise darauf voraus, dass dort, wo eine
Nachforschung durchgeführt werden soll, Kulturdenkmale tatsächlich auch vorkommen dürften; nicht
nur, dass diese, rein hypothetisch gesprochen, überall vorkommen könnten. Wäre dem nämlich nicht
so und könnte der Eventualvorsatz auf alle Handlungen ausgedehnt werden, durch die, und sei es auch
nur rein hypothetisch vorhersehbar, irgendeine gesetzliche Bestimmung übertreten werden könnte,
wäre nämlich auch das Autofahren vollständig verboten. Schließlich kann auch hypothetisch überall
ein temporäres Fahrverbot erlassen worden sein, auf dessen erkenntliche Ausweisung jedoch
vergessen wurde; weswegen sich alle, weil sie ja bei jeder Inbetriebnahme ihres Fahrzeugs billigend
in Kauf nehmen würden, solche hypothetisch bestehen könnenden, nicht gekennzeichneten
Fahrverbote zu missachten, des Autofahrens im Zweifel komplett enthalten müssten. Auch für die
Ausbildung des Eventualvorsatzes muss es daher wenigstens allgemein erkennbare, konkrete
Hinweise darauf geben, dass das Eintreten des Taterfolges nicht nur rein hypothetisch möglich,
sondern auch tatsächlich wenigstens wahrscheinlich ist.
37
Ziele und Motive
Öffentliche Vermittlung und die Motive der Denkmalpflege
Damit ist aber nicht nur davon auszugehen, dass auch in Baden-Württemberg keineswegs z.B. die
ungenehmigte Metallsuche generell eine Ordnungswidrigkeit gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 DSchG-BW
darstellt, wie das das RP Stuttgart in seiner Pressemitteilung (vom 30.9.2016, Nr. 341/2016, 3)
behauptet hat; sondern auch, dass man auch in Baden-Württemberg Personen, die bei der
Metallsuche ohne Genehmigung des BWLfD ertappt wurden, sofern sie nicht den Vorsatz der
Kulturdenkmalsentdeckung gestehen, praktisch nur dann gem. § 27 Abs. 1 Z 1 DSchG-BW bestrafen
kann, wenn sie auf Bodenflächen angetroffen wurden, auf denen allgemein bekanntermaßen bzw.
offensichtlich erkennbar mit dem Vorkommen von Kulturdenkmalen zu rechnen ist; und selbst das
vermutlich nur dann, wenn man ihnen den Vorsatz, Kulturdenkmale zu entdecken, nachweisen kann.
Denn strafbar scheint in Baden-Württemberg gem. § 27 Abs. 1 Z 1 DSchG-BW nur die fahrlässige
Durchführung einer NFG-pflichtigen Nachforschung ohne die dafür erforderliche Genehmigung zu
sein, nicht die fahrlässige Durchführung einer Nachforschung zu anderen Zwecken als den der
Entdeckung von Kulturdenkmalen. Schließlich unterwirft das DSchG-BW nur die vorsätzliche
Nachforschung zum Zweck der Entdeckung von Kulturdenkmalen der NFG-Pflicht (siehe sinngemäß
auch Strobl & Sieche 2010, 264) und der Nachweis des Entdeckungsvorsatzes iSd § 21 ist daher für
eine Bestrafung erforderlich, wie schwer auch immer sein Erbringen sein mag (ibid., 311).
Schlimmer noch, es scheint sogar so zu sein, als ob die Nachforschung, inklusive der Grabung, zum
Zwecke der Entdeckung anderer Sachen als von Kulturdenkmalen selbst auf Bodenflächen gestattet
ist, auf denen solche zwar tatsächlich bekanntermaßen, aber eben nicht allgemein bekanntermaßen
vorkommen. Denn gem. § 27 Abs. 1 ist nur die vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung jedweder
Bestimmungen des DSchG-BW, also auch der allgemeinen Schutzbestimmungen für Kulturdenkmale
gem. § 8 – d.h. das Verbot, diese ohne Genehmigung zu zerstören, beseitigen, in ihrem
Erscheinungsbild zu verändern oder auch nur aus ihrer Umgebung zu entfernen – eine
Ordnungswidrigkeit. Ist also an Ort und Stelle nicht durch offensichtlich augenfällige Merkmale zu
erkennen, dass sich auf einer Bodenfläche archäologische Kulturdenkmale befinden – wie das wohl
bei den meisten archäologischen Fundstellen der Fall sein dürfte – darf dort jeder zu anderen Zwecken
als der Entdeckung von Kulturdenkmalen beliebig – und zwar auch zu Nachforschungszwecken –
Löcher in den Boden graben, so lange er dafür die Zustimmung des Grundeigentümers hat.
Man sollte also annehmen, dass es das BWLfD als essentiell betrachten würde, die Bevölkerung
möglichst umfassend darüber zu informieren, auf welchen Bodenflächen sich solche, mit dem freien
Auge durch den Laien zumeist nicht erkennbare, archäologische Kulturdenkmale befinden. Dem
scheint aber nicht der Fall zu sein, wie gerade der Fall zeigt, zu dem das RP Stuttgart in seiner
Pressemitteilung als Reaktion auf eine irreführende Pressemitteilung der Deutschen SondengängerUnion [DSU] öffentlich Stellung genommen hat.
In ihrer tatsächlich in manchen Belangen irreführenden Pressemitteilung vom 20.8.2016 hatte die DSU
einen Fall geschildert, in dem ein DSU-Mitglied vor dem Verwaltungsgericht [VG] Stuttgart gegen das
BWLfD auf Einsichtnahme in das Denkmalbuch und die Denkmallisten geklagt hatte. Der Kläger hatte
behauptet (ob nun wahrheitsgemäß oder nicht sei dahingestellt, weil mir das nicht zu beurteilen
obliegt), als Hobby mit dem Metalldetektor nach DM- und Euromünzen zu suchen. Die Einsichtnahme
in die amtlichen Denkmalverzeichnisse hatte er beantragt, weil er nach eigenen Angaben (s.o.)
denkmalschutzrechtlich geschützte Gebiete von seiner Suche aussparen wolle, um nicht
unbeabsichtigt eine Ordnungswidrigkeit iSd § 27 Abs. 1 Z 1 begehen zu können. Nachdem ihm das
BWLfD diese Einsichtnahme verweigert hatte, klagte er. Das Gericht betrachtete die Klage als
aussichtslos und empfahl dem Kläger sie zurückzuziehen, was dieser auch tatsächlich tat; woraufhin
das Gericht das Verfahren einstellte (VG Stuttgart vom 5.8.2016, Az. 13 K 935/15).
38
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Diesen Fall verkaufte die DSU in ihrer Pressemitteilung irreführenderweise als hervorragenden Erfolg
(http://dsu-online.de/20-08-2016-pressemitteilung-dsu-erzielt-hervorragenden-erfolg-vor-gericht
[29.9.2017]); allerdings natürlich nicht aus dem Grund, dass dem Kläger die Einsichtnahme in die
amtlichen Denkmalverzeichnisse verweigert worden war. Vielmehr behauptete die DSU in ihrer
Pressemitteilung, dass der zuständige Richter im Fall klargestellt habe, dass das Suchen mit dem
Metalldetektor grundsätzlich erlaubt sei. Der Vorsatz entfalle bei solchen Tathandlungen, wenn der
Metallsucher nicht wisse, dass es sich bei dem, was er sucht, um ein Kulturdenkmal handle. Die
Fahrlässigkeit entfalle ebenfalls, wenn bei verständiger Betrachtung ein Kulturdenkmal nicht erkannt
werden konnte. Könne kein Kulturdenkmal erkannt werden, begehe der Metallsucher daher auch
keine Ordnungswidrigkeit. Die Einsichtnahme in die amtlichen Denkmalverzeichnisse sei daher für den
Kläger nicht erforderlich. Sie erkennen das Argument vielleicht: es ist im Wesentlichen genau das, das
der österreichische VwGH in Bezug auf die Anwendbarkeit des § 11 Abs. 1 DMSG geführt hat, und das
ich soeben in Bezug auf die geltende Rechtslage in Baden-Württemberg ausgeführt habe.
Natürlich hat das RP Stuttgart in seiner Pressemitteilung vom 30.9.2016 recht, wenn es feststellt, dass
die DSU den Fall völlig verzerrt darstellt, denn, wie auch das Gericht in einer Reaktion auf die
Pressemitteilung der DSU ganz richtig festgestellt hat: der Kläger hatte vor Gericht selbstverständlich
keinen Erfolg erzielt und die Frage, wann eine Ordnungswidrigkeit gem. § 27 Abs. 1 Z 1 DSchG-BW
vorliege, sei gar nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen (RP Stuttgart vom 30.9.2016, Nr.
341/2016, 2). Seine Klage hatte schließlich keinen Erfolg: er hatte nicht die ihm vom BWLfD
verweigerte Einsichtnahme in die amtlichen Denkmalverzeichnisse gewährt bekommen.
Na also, was will der Herr Karl jetzt damit? Die Klage wurde also abgewiesen! Recht geschieht es dem
Raubgräber! Wir haben gewonnen!
Haben wir gewonnen?
Nun, den Fall in der Streitsache, die Gegenstand des Verfahrens war: ja. In der Sache, die aber eigentlich
die wirklich relevante ist: nun, tja, wie soll ich das jetzt diplomatisch sagen? Nein.
Tatsächlich konnte das BWLfD durch diesen Sieg verhindern, dass ein Metallsucher – also einer der
bösen Menschen, von denen wir wissen, dass sie normalerweise nach Kulturdenkmalen suchen – Recht
auf Einsichtnahme in die amtlichen Denkmalverzeichnisse bekam; auch wenn der in diesem konkreten
Einzelfall betroffene Metallsucher behauptet hatte, dass er die Einsicht in diese gerade deshalb wollte,
um nicht unabsichtlich bei seinen genehmigungslos zu anderen Zwecken als der Entdeckung von
Kulturdenkmalen durchgeführten Nachforschungen auf Bodenflächen Löcher in den Boden zu graben,
auf denen sich wahrscheinlich bedeutende Kulturdenkmale befinden. Das BWLfD scheint
angenommen zu haben, dass der Kläger trotzdem ein böser Metallsucher ist, der sicher gelogen hat und
nur wissen wollte, wo sich Fundstellen befinden, auf denen sich die Suche nach Kulturdenkmalen auch
so richtig auszahlt! Ich nehme an, man hat sich im BWLfD über diesen gloriosen Sieg sehr gefreut.
Nur, dass es dummerweise ein Pyrrhussieg war. Weil die DSU hat scheinbar recht gehabt, was die von
ihr dem Richter im genannten Verfahren zugeschriebene Rechtsmeinung zur eigentlich weit
wichtigeren Frage betrifft, wann eine Nachforschung den Ordnungswidrigkeitstatbestand des § 27 Abs.
1 Z 1 DSchG-BW erfüllt, egal ob dieser sie jetzt tatsächlich in diesem Verfahren geäußert hat und egal
ob ihre Beantwortung Gegenstand dieses konkreten Verfahrens war oder nicht. Darauf scheinen
wenigstens mehrere weitere Pressemitteilungen auf ihrer Webseite hinzudeuten (http://dsuonline.de/pressemitteilung-vom-07-01-2017-unwissenheit-schuetzt-vor-strafe; http://dsu-online.de/2sondengaenger-kommen-vor-gericht-frei-dsu-gewinnt-naechsten-prozess [29.9.2017]) – auch wenn
diese natürlich genauso irreführend wie die oben Besprochene sein können –, die zu zeigen scheinen,
dass die DSU inzwischen genau dieses Argument bereits wenigstens zweimal erfolgreich zur
Anwendung gebracht hat, sowohl in Baden-Württemberg, als auch in Rheinland-Pfalz. Au weh!
39
Ziele und Motive
Vielleicht noch verwunderlicher ist, dass das RP Stuttgart in seiner Pressemitteilung (vom 30.9.2016,
Nr. 341/2016, 3) mit derartiger Bestimmtheit darauf bestanden hat, dass die Durchführung von
Nachforschungen mit Metallsonden ohne NFG in Baden-Württemberg eine Ordnungswidrigkeit gem.
§ 27 Abs. 1 Z 1 DSchG-BW darstellt; denn das ist, wie hier gezeigt wurde, zweifelsfrei rechtlich falsch.
Das muss man auch im RP Stuttgart gewusst haben, weil die Rechtslage ist eigentlich – nicht anders
als in Österreich – vollkommen eindeutig. Nachforschungen, auch solche mittels eines
Metallsuchgerätes, sind in Baden-Württemberg nur dann NFG-pflichtig, wenn sie vorsätzlich mit dem
Ziel, Kulturdenkmale zu entdecken, durchgeführt werden. Besteht dieser Vorsatz nicht, oder kann er
nicht nachgewiesen werden, dann besteht entweder keine NFG-Pflicht oder kann wenigstens keine
Ordnungswidrigkeitsstrafe verhängt werden; wie auch der einschlägige Kommentar zum DSchG-BW
feststellt (Strobl & Sieche 2010, 264, 311).
Paul Watzlawick hat in seinem sehr empfehlenswerten Buch Vom Schlechten des Guten darüber
geschrieben, dass zu viel des Guten zu wollen normalerweise nicht zu guten, sondern wenigstens zu
schlechten, wenn nicht sogar schrecklichen Lösungen führt. Solche Patendlösungen – der Begriff ist
intentional aus den Begriffen Patent- und Endlösung zusammengesetzt (Watzlawick 2001, 7-8) – sind
Lösungen, die ein Problem so total lösen, dass sie „nicht nur das Problem, sondern auch alles damit
Zusammenhängende aus der Welt schaffen“ (ibid., 8). Eine solche Lösung scheint das BWLfD für das
Problem der unbewilligt verbotenen Metallsuche durch Laien gesucht und gefunden geglaubt zu
haben; exakt übrigens wie das österreichische BDA. Die klassischste Patendlösung, so schreibt
Watzlawick (ibid, 102-3) auch, ist die, die schon Plato für die Lösung aller Probleme des
Allgemeinwohls vorgeschlagen hat, die autokratische Herrschaft des Besten, des „PhilosophenKönigs“ (ibid.). Für Plato ist der Philosoph laut Watzlawick nicht mehr der sokratische Sucher nach
Wahrheit, sondern vielmehr der, der die Wahrheit schon weiß. Diese gilt es, um das Allgemeinwohl
auch tatsächlich über die abträglichen Einwände Unwissender hinweg durchzusetzen, nicht nur zu
vermitteln, sondern sie den Unwissenden notfalls auch aufzuzwingen, „wenn nötig auch gegen deren
Willen. Das berechtigt den Philosophen-König, auch Unwahrheiten in den Dienst der Wahrheit zu
stellen.“ (ibid.).
Der Philosophen-König im BWLfD; der, wie wir ja alle, schon um die ewige Wahrheit weiß, dass alle
ungenehmigten Nachforschungen von Metallsuchern durchgeführt werden (weil NFG nur an
professionelle Archäologen ausgestellt werden, wenn überhaupt), alle Metallsucher notorische
Raubgräber sind, alle Raubgräber notorische Lügner, Betrüger und Rechtsbrecher, und daher zum
Schutz des Allgemeinwohlgutes der Erhaltung der Kulturdenkmale alle Nachforschungen zu egal
welchen Zwecken verboten werden müssen; muss sich mit so Kleinigkeiten wie dem Willen des
unverständigen Gesetzgebers oder der tatsächlich geltenden Rechtslage nicht abgeben. Vielmehr muss
er der ewigen Wahrheit zum Wohle der Allgemeinheit zum Durchbruch verhelfen, im Notfall auch mit
dem Mittel der Unwahrheit, wenn es denn sein muss, auch gegen den durch den demokratischen
Gesetzgeber in Form der geltenden Gesetze festgeschriebenen Willen der Allgemeinheit. Weil es wäre
ja noch schöner, wenn uns um die Wahrheit schon Wissenden irgendwelche ungebildeten und
unverständigen Dummköpfe einfach anschaffen könnten, das zu tun, was sie wollen und als für das
Allgemeinwohl erforderlich halten!
Dass das im Endeffekt dazu führt, dass Kulturdenkmale nicht etwa besser, sondern vielmehr schlechter
als eigentlich möglich wäre geschützt werden, weil die Philosophen-Könige in den Denkmalämtern
nicht – wie es übrigens ihre gesetzliche Pflicht wäre – die geltenden Gesetze möglichst effektiv zur
Anwendung bringen, sondern stattdessen lieber die Gesetze in einer Weise anzuwenden versuchen, in
der das nicht geht, ist ja egal. Statt den Metallsuchern, die wirklich mit dem Zweck, Kulturdenkmale zu
entdecken, ihr tatsächlich illegales Tun dadurch zu erschweren, dass wir bekanntgeben, wo sie mit der
Entdeckung von Kulturdenkmalen zu rechnen haben und sie somit, wenn wir sie auf solchen erwischen,
40
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
wenigstens qua Eventualvorsatz, wenn schon nicht anders, ihrer gerechten Bestrafung zuführen können,
halten wir lieber geheim, wo mit Funden von Kulturdenkmalen zu rechnen ist. Auch wenn das bedeutet,
dass sie als Folge dieser, unserer eigenen, unendlichen Dummheit ganz ungeniert auf diesen nach
Kulturdenkmalen graben können, weil sie ja, weil wir ihnen verschweigen, wo mit solchen zu rechnen
ist, nicht wissen können, wo sie mit deren Entdeckung rechnen hätten müssen und deshalb nicht einmal
wegen Fahrlässigkeit bestraft werden können.
Indem wir zu viel des Guten zu erreichen versuchen – nämlich das, was sich mit den bestehenden
Gesetzen nicht erreichen lässt, nämlich ein Totalverbot der zielgerichteten Nachforschung durch andere
Personen als professionelle ArchäologInnen –, erreichen wir nicht den bestmöglichen Schutz der
archäologischen Kulturdenkmale, sondern ganz im Gegenteil – indem wir die gesetzlichen
Schutzmechanismen, die uns zur Verfügung stehen, aber uns zu schwach sind, durch ihre nicht
tragfähige Interpretation völlig wirkungslos machen – dass die Archäologie de facto und de jure
jedweden gesetzlichen Schutzes beraubt wird. Denn es ist besser, wenigstens für unser
Selbstverständnis und unser Selbstwertgefühl, dass wir, die wir schon um die Wahrheit wissen, den
totalen Schutz der Archäologie zu erreichen versucht haben – sei es auch indem wir gelogen und
rechtswidrig gehandelt haben – und damit wenigstens moralisch recht behalten, auch wenn wir Unrecht
tun und dadurch die Archäologie mehr Schaden erleidet als notwendig.
Bravo!
Unbestimmte Rechtsbegriffe
Weil wir schon beim zu viel des Guten Wollen sind: reden wir gleich auch noch über die völlig
unbestimmten Rechtsbegriffe, die so breit ausgelegt werden können, dass niemand mehr auch nur
annähernd verlässlich bestimmen kann, was denn nun tatsächlich ihr Inhalt sein soll; nicht einmal wir
selbst. Die sind nämlich Teil unseres Problems, insbesondere des Problems mit dem deklaratorischen
Prinzip des Kulturgüterschutzes.
Schödingers Bürger in Baden-Württemberg
Baden-Württemberg ist an sich auch dafür ein gutes Beispiel, auch wenn ich dort nun eigentlich nicht
länger verweilen möchte und daher nur ganz kurz darauf eingehe. Der Kulturdenkmalbegriff wird im
DSchG-BW als unbestimmter Rechtsbegriff wie folgt „definiert“:
„Kulturdenkmale im Sinne dieses Gesetzes sind Sachen, Sachgesamtheiten und Teile von Sachen,
an deren Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimatgeschichtlichen Gründen
ein öffentliches Interesse besteht.“ (§ 2 Abs. 1 DSchG-BW)
Zwar sagt der einschlägige Kommentar (Strobl & Sieche 2010, 55), dass aus den Besonderheiten des
Denkmalschutzrechtes folgt, dass das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit der Gesetze dadurch
nicht verletzt werde; man muss sich aber doch ein wenig darüber wundern. Schließlich kann aus
wissenschaftlichen Gründen an der Erhaltung einer jeden Sache ein öffentliches Interesse bestehen,
insbesondere wenn es dafür schon ausreicht, dass „die Sache als Gegenstand wissenschaftlicher
Forschung in Betracht kommt“ (Strobl & Sieche 2010, 68; cf. Rathje & Murphy 2001); und diese
Forschung auch nicht etwa nur solche kulturhistorischer bzw. altertumswissenschaftlicher Disziplinen
sein muss, sondern die Forschung einer jeden beliebigen wissenschaftlichen Disziplin sein kann (Strobl
& Sieche 2010, 67).
Das macht es in Anbetracht der „prinzipiellen Unbegrenztheit wissenschaftlicher Fragestellungen“
(ibid., 68) einigermaßen schwierig, festzustellen, ob eine beliebige Sache nun ein „Kulturdenkmal“ iSd
§ 2 Abs. 1 DSchG-BW ist; insbesondere, wenn der Beurteilungsmaßstab für die Beantwortung dieser
Frage „der Kenntnis- und Wissensstand sachverständiger Fachleute“ (ibid. 73) ist. Weil selbst ein
Fachmann für, sagen wir, Archäologie, wie z.B. ich, kann nicht wissen, ob nicht irgendeine beliebige
41
Ziele und Motive
Sache für die Wissenschaft der gartenbaulichen Phytotechnologie, die man an der Beuth Hochschule
für Technik in Berlin studieren kann (http://www.beuth-hochschule.de/b-gpt/ [29.9.2017]), von
solcher Bedeutung für deren Forschungen ist, dass an ihrer Erhaltung ein öffentliches Interesse
besteht.
Mit anderen Worten: der Bedeutungsgehalt des Begriffs „Kulturdenkmal“ iSd § 2 DSchG-BW umfasst
jede und ist damit gleichwertig mit dem rechtlichen Begriff der „Sache“ an sich. Wenn das also schon
ein aufgrund der Besonderheiten des Denkmalschutzrechts hinreichend bestimmter unbestimmter
Rechtsbegriff ist, möchte ich nicht wissen, was im Denkmalschutzrecht ein nicht hinreichend
bestimmter unbestimmter Rechtsbegriff wäre.
Wie dem auch sei, das wäre soweit ja noch kein Problem, weil ja, damit die Erhaltung einer beliebigen
Sache im öffentlichen Interesse gelegen sein kann, Voraussetzung ist, dass „die Denkmaleigenschaft
einer Sache und die Notwendigkeit zu ihrer Erhaltung in das Bewusstsein der Bevölkerung“ (Strobl &
Sieche 2010, 73) eingegangen ist. Oder wenigstens in das „eines breiteren Kreises von
Sachverständigen“ (ibid.).
Denn sind wir uns ehrlich, was die Bevölkerung weiß, ist ohnehin egal, weil was wissen die schon?
Wir breiter Kreis von Fachleuten wissen z.B., dass auch schon irgendwelche alten Scherben auf dem
nächsten Acker wichtig sind; auch wenn das wenigstens die österreichische Bevölkerung noch nicht
wirklich verstanden hat (Karl et al. 2014, 8-13). Aber das ist ja soweit noch kein Problem, als das
ohnehin alles im Notfall der Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt (Strobl & Sieche
2010, 59), die das ja dann auf Basis von Sachverständigengutachten beurteilen können.
Haben Sie sich übrigens solche Sachverständigengutachten schon einmal durchgelesen? Deren
Argumentation ist auch nicht immer gerade das Gelbe vom Ei; gerade wenn es um solche Fragen geht,
wie ob Wissen tatsächlich schon in das Bewusstsein der Bevölkerung eingegangen ist; mit dem wir uns
ja immer schon extrem intensiv wissenschaftlich auseinandergesetzt haben…
Es wird allerdings zum Problem, wenn man, wie oben gezeigt die Denkmalämter, vom
Durchschnittsbürger einerseits verlangt, dass er von sich aus erkennt, ob eine Sache einen derartigen
wissenschaftlichen Bedeutungsgrad erreicht hat, dass ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt
und daher weiß, dass er nach Sachen, die Kulturdenkmale sind, nicht suchen darf; was offensichtlich
besonderen Sachverstand voraussetzt, der dem Durchschnittsbürger per Definition fehlt; aber ihm
gleichzeitig eben diesen Sachverstand, der für die selbstständige Beantwortung der Frage erforderlich
ist, ob er an einem Ort Nachforschungen durchführen darf, weil dort keine als Kulturdenkmale
erkennbaren Sachen vorkommen, abspricht. Wenigstens die archäologische Denkmalpflege,
wenigstens in Baden-Württemberg, scheint also anzunehmen, dass die Denkmalschutzgesetzgebung
von einem schrödingerischen Durchschnittsbürger ausgeht, der gleichzeitig über einen immensen
Sachverstand in allen vorstellbaren Wissenschaften verfügt und auch nicht; und zwar,
günstigsterweise für die archäologische Denkmalpflege, im Gegensatz zur bekannten Katze des
entsprechenden Herrn, immer dann, wenn man in die juristische Black Box hineinschaut, in der er sich
befindet, über diesen Sachverstand verfügt, wenn er gerade gemäß dem ipsa lege-Prinzip über ihn
verfügen sollte, und immer dann nicht, wenn man ihm den Sachverstand gerade nicht zuerkennen
will.
Schrödingers Bodendenkmale in Hessen
In Hessen, um endlich aus Baden-Württemberg herauszukommen, ist das scheinbar auch nicht
wesentlich anders. Das HDSchG definiert zwar den Begriff Bodendenkmale, auf deren Entdeckung die
42
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
schon oben im Wortlaut zitierte Bestimmung seines § 22 abstellt, deutlich enger, aber immer noch
enorm weit:
„Bodendenkmäler sind Kulturdenkmäler, die Zeugnisse menschlichen, tierischen oder
pflanzlichen Lebens von wissenschaftlichem Wert darstellen und die im Boden verborgen sind
oder waren oder aus urgeschichtlicher Zeit stammen.“ (§ 2 Abs. 2 HDSchG).
Das beschränkt den Begriff wenigstens nur auf Sachen, die Zeugnisse irgendwelches Lebens von
irgendeinem wissenschaftlichem Wert sind. Aber eine großartige Einschränkung ist das auch wieder
nicht, denn diese können ja wiederum überall vorkommen, da sie gerade nicht im Boden verborgen
sein müssen, sondern nur irgendwann einmal in diesem verborgen gewesen sein müssen. Wie soll
man, vor allem als Durchschnittsbürger, bei einer weitgehend beliebigen Sache (ok, außer
unbearbeitete Geologie und Meteoriten), die man nicht selbst geschaffen hat, wissen, ob sie sich nicht
doch irgendwann einmal in ihrer Objektbiografie im Boden befunden hat? Nehmen wir als Beispiel
einen beliebigen mittelalterlichen Goldring her, der derzeit an einem beliebigen Ort über der
Erdoberfläche herumliegt: hat sich dieser seit seiner Erzeugung vor, sagen wir, 800 Jahren,
irgendwann einmal im Boden befunden? Oder ist er seit seiner Erzeugung von Generation zu
Erbengeneration wenigstens zuerst oder sogar in ungebrochener Stammlinie in der Familie, für die er
erzeugt wurde, weitergegeben worden, ohne dabei jemals unter die Erdoberfläche gelangt zu sein?
Selbst ein archäologischer Sachverständiger wird sich ziemlich schwer dabei tun, diese Frage mit
einiger Sicherheit zu beantworten; wenigstens, wenn er nicht noch nahezu vollständig in einen
bodenfrischen Erdklumpen eingeschlossen ist.
Selbst die Nennung der urgeschichtlichen Zeit als wenigstens eine nähere Spezifikation des Begriffs
sagt dem Durchschnittsbürger nicht viel. Ok, eine römische Münze vermag vielleicht auch der
Durchschnittsbürger als solche zu erkennen, obgleich auch das fraglich ist - vor allem, wenn sie ein
frischer Bodenfund und einigermaßen abgenutzt ist. Aber urgeschichtliches Fundmaterial, wie z.B. ein
korrodiertes Fragment einer früheisenzeitlichen Fibel?
Wenn die ein jeder erkennen kann, wofür haben wir dann eigentlich jahrelang studiert?
Erschwerend kommt in Hessen noch dazu, dass nicht unbedingt jeder Fundgegenstand überhaupt ein
Bodendenkmal sein muss. Die Bodendenkmalsbegriffsdefinition des § 2 Abs. 2 leitet sich ja ihrerseits
aus der Definition des Kulturdenkmalsbegriffs des § 2 Abs. 1 HDSchG ab, der nicht anders als § 2 Abs.
1 DSchG-BW verlangt, dass an der Erhaltung der betreffenden Sache aus wissenschaftlichen oder
anderen dort genannten Gründen ein öffentliches Interesse besteht. D.h. es ist auch in Hessen nicht
jeder Bodenfund automatisch ein Bodendenkmal, das den Schutzbestimmungen des HDSchG
unterliegt, sondern nur manche Bodenfunde, nämlich die, die wissenschaftlich so bedeutend sind,
dass ihre Erhaltung auch tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist. Ob eine Sache dieses
Kriterium erfüllt, ist aber nun wiederum im Zweifelsfall durch Sachverständigenbeweis zu ermitteln,
nicht anders als in Baden-Württemberg oder auch in Österreich.
Nun gibt aber selbst das LfDH offen zu, dass es wenigstens manche Funde – nämlich die, die nicht von
ausreichendem wissenschaftlichen Wert sind, um der Bestimmung des hessischen Schatzregals für
Bodendenkmäler des § 25 Abs. 1 Z 1 HDSchG zu unterliegen – ihren Findern zurückgibt, die damit zu
deren Eigentümern werden und dann wohl damit auch machen können, was auch immer sie wollen.
Ich kann zwar in Ermangelung ausreichender Kenntnis der Handhabungspraxis des LfDH in dieser
Beziehung nicht mit Sicherheit sagen, dass sich darunter auch urgeschichtliche Funde finden; aber
wenigstens irgendwelche Sachen, die der Begriffsdefinition des § 2 Abs. 2 HDSchG genügen, werden
wohl schon dabei sein, weil sonst wären diese Funde ja gar nicht der Melde- und Überlassungspflicht
43
Ziele und Motive
des § 21 Abs. 1 und 4 unterlegen. Denn auch die letztgenannte Bestimmung gilt natürlich nur für
solche Sachen, die ipsa lege Schutzgegenstände des HDSchG sind. Offenkundig besteht in Hessen also
nach Ansicht des LfDH kein öffentliches Interesse an der Erhaltung mancher Sachen, deren Erhaltung
ihres wissenschaftlichen Wertes wegen so sehr im öffentlichen Interesse gelegen ist, dass man nicht
einmal dort nach beliebigen anderen Sachen suchen darf, wo man nicht einmal Grund zu Annahme
hat, dass dort überhaupt erhaltenswerte Sachen vorkommen.
Damit beißt sich Schrödingers Katze in ihrer denkmalschutzrechtlichen Black Box in Hessen wohl auch
noch in den Schwanz. Arme Katze, wirklich!
Das wiederum führt aber nun auch in Hessen mit seinem schon etwas genauer als in BadenWürttemberg eingegrenzten Bodendenkmalbegriff dazu, dass es nicht etwa schon genügt, dass
irgendwer, ob nun mit oder ohne Metallsuchgerät, irgendwelche Nachforschungen mit dem Zweck
der Entdeckung irgendwelcher (alten) Sachen anstellt, damit er dafür einer NFG durch das LfDH
bedarf. Es genügt nicht einmal, dass er nach irgendwelchen nicht näher bestimmten archäologischen
Funden sucht; weil § 22 HDSchG ja nicht die Nachforschung zum Zweck der Entdeckung irgendwelcher
Sachen, die möglicherweise Bodendenkmale sein könnten, der NFG-Pflicht unterwirft, sondern nur
die Nachforschungen mit dem Vorsatz, Bodendenkmale zu entdecken; d.h. ganz konkret solche
Sachen zu entdecken, deren wissenschaftlicher Wert so beschaffen ist, dass an ihrer Erhaltung ein
öffentliches Interesse besteht.
Kann der Durchschnittsbürger aber nicht beurteilen, ob eine Sache ein Bodendenkmal ist oder nicht,
helfen auch Eventualvorsatz oder auch nur bloße Fahrlässigkeit nichts, denn beide erfordern immer
noch als Voraussetzung für die Strafbarkeit einer ungenehmigten Nachforschung, dass für den Täter
ex ante absehbar war oder wenigstens bei Wahrung der erforderlichen Sorgfalt absehbar gewesen
sein müsste, dass er dabei vermutlich eine Sache finden wird, die der Schutzbestimmung des § 22
HDSchG unterliegt. Wenn aber deren wissenschaftliche Bedeutung und damit Erhaltungswürdigkeit
überhaupt erst ex post von wissenschaftlichen Fachgutachtern festgestellt werden kann, die über
besonderen Sachverstand verfügen, kann der Durchschnittsbürger von sich aus gar nicht ex ante
wissen, ob das, wonach er sucht, ein Bodendenkmal sein wird oder nicht. Um das wissen zu können,
müsste er ja ex ante eine zukünftige ex post-Beurteilung durch einen Fachwissenschafter korrekt
vorhersagen können, dessen Kenntnis- und Wissensstand er per Definition nicht hat und dessen
sachverständige Beurteilung er daher auch gar nicht abschätzen können kann. Man muss also
voraussetzen, dass der Durchschnittsbürger der Hellseherei mächtig ist, damit man irgendwelche
seiner Handlungen auf Bodenflächen, von denen noch gar keine Hinweise auf das Vorkommen von
Bodendenkmalen bekannt sind, der NFG-Pflicht unterwerfen zu können.
Damit kann aber in Hessen eine beliebige Person, selbst wenn sie ganz konkret nach einer Kategorie
von Sachen sucht, deren Denkmaleigenschaft und Erhaltungswürdigkeit tatsächlich ins Bewusstsein
der Bevölkerung eingegangen ist, wie z.B. römischen Münzen (Karl et al. 2014, 9), für eine
Nachforschung nach diesen nicht bestraft werden: nachdem gemäß der Legaldefinition des
Bodendenkmalbegriffs im HDSchG nicht jede, sondern nur manche, römische Münzen
Bodendenkmale sind, kann er auch nicht wissen, ob seine Nachforschung nach römischen Münzen die
NFG-Pflicht des § 22 auslöst. Es folgt schließlich keineswegs allein aus der Tatsache, dass er römische
Münzen finden will, dass er auch ex ante vorhersehen kann, dass er mit seiner Nachforschung an
einem bestimmten Ort eine tatsächlich so bedeutende römische Münze entdecken kann, dass diese
ein Bodendenkmal im Sinne der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 1 ist und somit den Taterfolg
herbeiführt. Vielmehr muss er wenigstens auch wissen, dass dort, wo er sucht, auch tatsächlich solche
– und nicht nur irgendwelche – römische Münzen vorkommen dürften, oder dies, wenn man auch die
Fahrlässigkeit mit einschließen will, wenigstens wahrscheinlich ist.
44
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Das ist genauso wie die Tatsache, dass ich mir irgendeine Wurstsemmel kaufen will und dafür mit dem
nötigen Kleingeld in den nächsten beliebigen Laden gehe, für sich allein noch lange nicht bedeutet, dass
ich voraussehen kann, dass ich dort eine Wurstsemmel bekommen kann, geschweige denn eine, die
vergiftet ist und die ich daher nicht essen darf. Schließlich kann das beliebige Geschäft, das ich betrete,
auch ein Schuhgeschäft sein; und in solchen werden normalerweise keine Wurstsemmeln verkauft.
Schon gar nicht kann ich vorhersehen, dass ich, selbst wenn ich ein Lebensmittelgeschäft betreten habe,
um mir dort meine Wurstsemmel zu kaufen, eine kaufen werde, die vergiftet ist; eine Tatsache, die
dummerweise erst nachdem ich die Wurstsemmel gegessen habe, von einem sachverständigen
Gutachter festgestellt werden kann. Gut, zugegebenermaßen ist es im Fall, dass ich mir eine
Wurstsemmel kaufen will, aber weiß, dass Wurstsemmeln oft vergiftet sind, gescheiter, mir erst gar
keine Wurstsemmel kaufen zu wollen bzw. wenn ich trotzdem ungeheure Lust dazu habe, diese zu
unterdrücken und darauf zu verzichten, mir eine zu kaufen. Ich kann ja auch ein Käsebrot essen, d.h.
meinen Hunger kann ich auch auf anderem Weg stillen.
Allerdings erwarte ich schon, dass der Staat, wenn er weiß, dass bestimmte Wurstsemmeln vergiftet
sind, aber trotzdem grundsätzlich den Kauf von Wurstsemmeln erlaubt, mir auch sagt, welche
Wurstsemmeln jetzt tatsächlich vergiftet sind, oder wenigstens, wie ich selbstständig erkennen kann,
welche Wurstsemmeln vergiftet sind. Eine Legaldefinition des unbestimmten Rechtsbegriffs „vergiftete
Wurstsemmel“, die mir nur sagt, dass ich von allen existierenden Wurstsemmeln die nicht essen darf,
die ex post von irgendeinem Wissenschafter als vergiftet identifiziert werden, reicht sicher nicht dafür
aus, dass ich vorhersehen kann, welche konkrete Wurstsemmel ich essen darf und welche nicht.
Die Gestaltung der Legaldefinition des relevanten Denkmalbegriffs im HDSchG und DSchG-BW ist
daher vollkommen nutzlos: sie sagt nämlich dem Bürger nur, dass von allen existierenden Sachen jene
durch das jeweilige DSchG geschützt sind, die irgendein Wissenschafter im jeweils konkreten Einzelfall
ex post sachverständig als so bedeutend identifiziert, dass an ihrer Erhaltung ein öffentliches
Interesse besteht. Das kann aber unmöglich mit NFG-Pflichten zusammengehen, die vom
Durchschnittsbürger verlangen, ohne den dafür erforderlichen Sachverstand ex ante aus diesem
inhaltlich völlig unbestimmten Rechtsbegriff das Wissen abzuleiten, welche Sachen er nicht ohne
vorab eingeholte Genehmigung des jeweils zuständigen LfD zu entdecken versuchen darf.
Wir haben hier also einen unauflösbaren Widerspruch: die NFG-Pflichten der §§ 22 HDSchG und 21
DSchG-BW können überhaupt erst dann anwendbar werden, wenn der, der eine Nachforschung
unternehmen will, schon vorab weiß (oder wenigstens gewusst haben müsste), dass er etwas finden
würde, das den gesetzlichen Schutzbestimmungen unterliegt. Um aber wissen zu können, ob eine
Sache derart beschaffen ist, dass sie den gesetzlichen Schutzbestimmungen unterliegt, muss sie ex
post sachverständig als schutzwürdig beurteilt worden sein, also schon gefunden worden sein.
Damit eine ungenehmigte Nachforschung verboten sein kann, muss sie also schon durchgeführt worden
sein; und das ist unmöglich.
Im Landeanflug auf den Flughafen Frankfurt am Main
Die unendlich weit auslegbaren unbestimmten Rechtsbegriffe beschränken sich aber nicht nur auf die
Denkmalsbegriffsdefinitionen selbst; sondern finden sich auch an anderen Orten in den Gesetzen. Ein
weiteres gutes Beispiel dafür sind die beiden anderen wesentlichen Begriffe in den NFG-Pflichten,
nämlich „Nachforschung“ und „Entdeckung“. Weil was ist eigentlich eine „Nachforschung“? Ist das
jede Suche, bei der man irgendeine beliebige Sache auf irgendeine beliebige Weise zu finden
versucht? Und was ist eigentlich eine „Entdeckung“? Schon das bloße Auffinden einer jeden beliebigen
Sache oder gar nur Idee, die man subjektiv noch nicht gekannt hat? Oder bedarf es dafür (jeweils)
mehr?
45
Ziele und Motive
Ja, ich bin mir sicher, Sie glauben schon zu wissen, wie ja wir alle, was eine „Nachforschung“ und was
eine „Entdeckung“ in archäologisch-denkmalpflegerischen Kontexten ist. Nachdem Sie das sicher
schon wissen, weil das ja auch jeder halbwegs kompetente Archäologe weiß, vielleicht können Sie mir
ja beantworten, ob die im folgenden Beispiel geschilderte Situation eine „Nachforschung“ zum Zweck
der „Entdeckung“ von „Bodendenkmalen“ war oder nicht. Die Situation ist real vorgekommen, d.h. wir
spielen hier nicht nur ein bloßes Gedankenexperiment durch.
Am 3.7.2015 befand ich mich um ca. 13 Uhr Ortszeit auf dem Weg aus Bangor zum 9. deutschen
Archäologenkongress in Mainz vom Zwischenstopp aus Hamburg kommend im Anflug auf den
Flughafen Frankfurt am Main in einem Flugzeug der Lufthansa, also im hessischen Luftraum auf einem
deutschen Binnenflug. Während das Flugzeug gerade eine majestätische Kurve zog, um die Landebahn
anzusteuern, machte ich mit der Kamera meines Mobiltelefons aus dem Fester neben meinem Sitz
mit dem expliziten Motiv Bodendenkmale zu entdecken Fotos des hessischen Bodens.
Selbstverständlich hatte ich für diese Nachforschungen keine Genehmigung durch das LfDH.
Es stellt sich also nun die Frage: habe ich mit dieser vorsätzlichen Handlung eine Nachforschung mit
dem Ziel, Bodendenkmäler zu entdecken, unternommen, für die ich gem. § 22 HDSchG einer
Genehmigung durch das LfDH bedurft hätte, und somit die Bußgeldbestimmungen des § 28 Abs. 1 Z 1
HDSchG verletzt; oder habe ich das nicht?
Was noch viel wichtiger ist, kann ich dafür vom LfDH, wenn Sie mich jetzt deswegen anzeigen oder
dort jemand diesen Text liest, gem. § 28 Abs. 2 HDSchG mit einer Geldbuße von bis zu € 25.000 belegt
werden; und noch schlimmer, gem. § 28 Abs. 4 vom LfDH die zur Vorbereitung und Begehung dieser
Ordnungswidrigkeit gebrauchten Gegenstände, d.h. jedenfalls mein Mobiltelefon, aber wohl auch das
Flugzeug der Lufthansa, ohne das ich diese Tat überhaupt nicht begehen hätte können, einziehen?
Ich meine: so ein Flugzeug, das ist einen Haufen Geld wert.
Nachdem ich hiermit eingestandenerweise absichtlich Bodendenkmale zu finden versucht habe, ist
der subjektive Vorsatz, den § 22 HDSchG voraussetzt, jedenfalls gegeben. Die Frage, ob ich damit eine
Ordnungswidrigkeit begangen habe, hängt daher primär von der Beurteilung der Fragen ab, ob ich
dadurch, dass ich aus dem Flugzeugfenster mit der Kamera meines Handys ein Foto gemacht habe
Nachforschungen iSd § 22 durchgeführt habe, die zu einer Entdeckung iSd § 22 von Bodendenkmalen
führen hätte können. Nachdem die Kamera meines Mobiltelefons 12 Megapixel Auflösung hat und die
Luftbildarchäologie bekanntermaßen eine anerkannte archäologische Prospektionsmethode ist, d.h.
eine Methode, mittels derer sich Bodendenkmale tatsächlich entdecken lassen sollten, besteht auch
jedenfalls rein fachlich betrachtet die Möglichkeit – wenigstens vorausgesetzt, ich habe das Bild nicht
verwackelt, die Scheibe des Flugzeugfensters war nicht zu sehr verschmutzt oder beschlagen, etc. –,
dass ich auf dem von mir angefertigten Luftbild tatsächlich irgendwelche Bodendenkmale erkennen
könnte.
Laut dem einschlägigen Kommentar zum HDSchG unterliegen der NFG-Pflicht dieses Paragrafen auch
„archäologische und paläontologische Geländebegehungen, z.B. auf Ackerflächen und in Steinbrüchen
mit oder ohne Zuhilfenahme von technischen Geräten (z.B. Metallsonden)“ (Davydov 2018, 287).
Nachforschungen iSd § 22 sind also keineswegs nur in den Boden eingreifende Maßnahmen oder gar
auch nur am Boden stattfindende Maßnahmen, sondern können wohl fraglos auch die Verwendung
luftfahrzeuggestützter Prospektionsmethoden beinhalten. Dass das auch tatsächlich der Fall zu sein
scheint, zeigt sich an der NFG 183/2012 des LfDH vom 24.4.2012, mit der die Durchführung einer
„Luftbildprospektion … via Multikopter“ genehmigt wurde. Man muss also wohl davon ausgehen, dass
meine oben geschilderte Handlung eine Nachforschung iSd § 22 HDSchG war.
46
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Aus dem Kommentar lässt sich auch ableiten, dass mit dem Begriff „Entdeckung“ nicht der Akt der
objektiv ersten (Wieder-) Entdeckung eines Bodendenkmals gemeint sein kann, d.h. der Akt, bei dem
eine zuvor noch allgemein unbekannte (bzw. seit Menschengedenken in Vergessenheit geratene)
Sache entdeckt wird, sondern jedenfalls auch die in anderen Denkmalschutzgesetzen manchmal
separat genannte „Untersuchung“ bereits (wenigstens dem Nachforschenden selbst) bekannter
Denkmale miteingeschlossen ist (Viebrock 2007, 238; Davydov 2018, 287). Das muss natürlich auch so
sein, weil sonst hätte die Bestimmung des § 22 HDSchG überhaupt keinen Sinn: es wären sonst
dadurch ja nur Nachforschungen zur Entdeckung bislang unbekannter Bodendenkmale verboten;
nicht hingegen die Erforschung bereits zuvor (wieder-) entdeckter, z.B. durch archäologische
Ausgrabungen. Die Bestimmung des § 22 stellt also jedenfalls wenigstens auf den subjektiven
Entdeckungsakt ab; d.h. wenigstens das erstmalige Auffinden eines Bodendenkmals durch eine
Person, der dieses zuvor noch nicht bekannt war.
Man muss aber wohl sogar davon ausgehen, dass der Begriff der „Entdeckung“ noch weiter gefasst ist
als das, weil selbst die Beschränkung auf den subjektiven Erstentdeckungsakt es Nachforschenden
immer noch gestatten würde, ein bereits zuvor von ihnen selbst rechtmäßig (d.h. zufällig oder mit
NFG) entdecktes Denkmal, z.B. eine noch obertägig erkennbare prähistorische Wallanlage, ein zweites
etc. Mal gänzlich ohne weitere Genehmigung durch das LfDH durch Nachforschungen (inklusive
Grabungen) zu untersuchen oder von seinem Fundort zu bergen. „Entdeckung“ iSd § 22 muss also
zwingend sowohl die subjektive (Erst-) Entdeckung als auch alle dieser folgenden Untersuchungen und
Bergungen von Bodendenkmalen miteinschließen, damit die Bestimmung dieses Paragrafen ihren
offensichtlichen Primärzweck – die Verhinderung der Zerstörung (oder Veränderung) von
Bodendenkmalen durch beliebige Nachforschungshandlungen – überhaupt auch nur einigermaßen
sinnvoll erfüllen kann.
Das bedeutet, dass man den Begriff „Entdeckung“ im HDSchG offensichtlich so extrem weit auslegen
muss, dass er jedes „Finden“ im umgangssprachlichen Sinn umfasst. Dass ich durch meine oben
geschilderte Handlung tatsächlich Bodendenkmale zu finden versucht habe, steht schon durch mein
obiges Eingeständnis dieser Tatsache völlig außer Frage, es hat sich dabei also wohl auch um den
Versuch einer Entdeckung iSd § 22 gehandelt.
Damit wäre also meine oben geschilderte Handlung tatsächlich eine Nachforschung mit dem Ziel,
Bodendenkmäler iSd § 22 HDSchG zu entdecken gewesen, für deren Durchführung ich wohl eine
Genehmigung durch das LfDH bedurft hätte. Nachdem ich diese Genehmigung weder beantragt noch
erteilt bekommen hatte, habe ich also – noch dazu tatsächlich vorsätzlich – die Bußgeldbestimmung
des § 28 Abs. 1 Z 1 HDSchG verletzt. Wenn Sie mich also jetzt beim LfDH für diesen unglaublich frechen
Verstoß gegen das HDSchG anzeigen zu müssen glauben, sollten Sie das umgehend tun.
Wie Sie sich wohl in Anbetracht des schon weiter oben Ausgeführten und der Tatsache, dass ich meine
Tat hier so offen zugebe, denken können, blicke ich einem allfällig möglichen Bußgeldbescheid des
LfDH äußerst gelassen entgegen. Ganz im Gegenteil, ich würde mich wirklich freuen, wenn das LfDH
dumm genug wäre, mir ein Bußgeld aufzubrummen (und noch besser: das Flugzeug der Lufthansa, in
dem ich dabei gesessen bin, gem. § 28 Abs. 4 HDSchG einzuziehen) zu versuchen: wie Sie wohl aus
meinem Verfahren gegen das BDA im ersten hier geschilderten Fall schließen können, machen mir
Gerichtsverfahren, die ich nicht verlieren kann, durchaus einigen Spaß; und ich schätze sie vor allem
auch deshalb, weil sie es gestatten, offensichtlich rechtswidrige Auslegungen von
Denkmalschutzgesetzen durch die mit ihrer Exekution betrauten Denkmalbehörden wenigstens
zeitweilig abzustellen. Aus diesem Grund können wir uns auch alle sicher sein, dass das LfDH sich hier
nicht auf ein Verfahren einlassen wird; und ich mich damit auch darauf, dass ich völlig ungeschoren
davonkomme.
47
Ziele und Motive
Denn was wären die Konsequenzen, wenn tatsächlich – wie man den § 22 HDSchG auf
Nichtjuristendeutsch übersetzen müsste – in Hessen jedwede Suche (= „Nachforschung“) mit dem Ziel,
irgendeine beliebige Sache, die irgendeiner Wissenschaft so wichtig sein könnte, dass deren Erhaltung
deshalb im öffentlichen Interesse gelegen ist (= „Bodendenkmal“), zu finden (= „entdecken“), ohne
jeweils separat zu beantragende Genehmigung durch das LfDH verboten wäre? Die Folgen wären gar
noch extremer, wenn zutrifft, wie der Kommentar es einen glauben ließe, wenn er, um auch
Eventualvorsatz und Fahrlässigkeit unter die Bestimmungen dieses Paragrafen zu bekommen,
behauptet, dass es auch „Unerheblich ist, aus welchen Motiven die Suche erfolgt…“ (Viebrock 2007,
238): also jede Handlung, egal zu welchem Zweck sie erfolgt, bei der man sucht bzw. Ausschau hält (=
„Nachforschung“), um irgendeine beliebige Sache, die irgendeiner Wissenschaft so wichtig sein
könnte, dass ihre Erhaltung deshalb im öffentlichen Interesse gelegen ist (= „Bodendenkmal“), zu
finden (= „entdecken“), ohne jeweils separat zu beantragende Genehmigung durch das LfDH verboten
wäre.
Wäre dies der Fall, müsste ja auch der Pilot des Flugzeugs, der die Landebahn des Flughafens
Frankfurt/Main ansteuert und deshalb zwingend auch nach ihr Ausschau hält, d.h. sie sucht (=
„Nachforschungen“ anstellt), um irgendeine Sache, z.B. die Landebahn (= „Bodendenkmal“), zu finden
(= „entdecken“), zuvor eine NFG gem. § 22 HDSchG beim LfDH beantragt haben, die er, nachdem er
aller Wahrscheinlichkeit nach kein Archäologiestudium absolviert haben wird, wohl eher nicht erteilt
bekommen wird. Landungen am Flughafen Frankfurt/Main wären also, wenn überhaupt, nur noch im
Blindflug per Autopilot möglich, wenn nicht alle Fluglinien der Welt, die diesen Flughafen anfliegen,
wenigstens alle ihrer Piloten, die sie dorthin fliegen lassen könnten, ein Archäologiestudium
absolvieren lassen und für jede Landung in Frankfurt eine NFG beantragen. Weil natürlich kann man
nicht ausschließen, dass der Pilot bei seiner Suche nach der Landebahn nicht unabsichtlich nicht nur
diese, sondern auch irgendein Bodendenkmal findet.
Viel Spaß, kann ich da nur sagen; der Flughafen München wird sich freuen.
Ebenso dürfte in Hessen niemand auf eine Landkarte schauen, um irgendeinen Ort zu finden, ohne
vorher eine NFG beim LfDH beantragt zu haben. Schließlich könnten auf dieser Landkarte ja
Bodendenkmale eingezeichnet sein, von deren Existenz der Kartenleser noch nicht weiß und die er
daher unbeabsichtigt durch das Kartenlesen subjektiv entdecken könnte. Ach ja, und ich hoffe auch, in
Hessen liest niemand irgendwelche archäologische Fachliteratur über Hessen ohne NFG. Weil die
Lektüre archäologischer Fachliteratur ist wohl auch eine „Nachforschung“, bei der die
Wahrscheinlichkeit, dass man subjektiv irgendetwas, was man vorher über irgendein „Bodendenkmal“
noch nicht gewusst hat, herausfinden und somit „entdecken“ wird, wohl extrem nahe an 100% liegt.
Davon abgesehen: welche Gefahr geht durch irgendwelche solche „Nachforschungen“ eigentlich für
die „Bodendenkmale“ aus, die tatsächlich irgendwo in Hessen zu „entdecken“ sind? Selbst wenn man
bei meinem vorsätzlichen Foto davon ausgehen will, dass die Bestimmung des § 22 iVm § 28 Abs. 1 Z
1 HDSchG verletzt wurde, bestand jemals eine auch nur halbwegs realistische Gefahr, dass dadurch
irgendeines der sicherlich unzählig vielen Bodendenkmäler, die auf meinem Foto sind, durch meine
Handlung selbst (und ihre wahrscheinlichen Folgehandlungen) auch nur irgendeinen bemess- oder
bemerkbaren Schaden erleiden? Selbstverständlich nicht!
Das ist also natürlich alles Schwachsinn, weil es fällt spätestens vor dem Bundesverfassungsgericht;
weil es so absolut unverhältnismäßig ist, schon nur mit dem dadurch erzeugten Eingriff in die
allgemeine Handlungsfreiheit, dass es verfassungsrechtlich völlig unhaltbar ist.
Daraus ergibt sich jedoch bei der umgekehrten Betrachtung ein ernsthaftes Problem. Denn was ist der
Unterschied zwischen einer gewöhnlichen „Suche“ mit dem Ziel der „Entdeckung“ irgendeiner
48
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
gewöhnlichen „Sache“, die man ganz ohne NFG durchführen darf, und einer „Nachforschung“ mit dem
Ziel der „Entdeckung“ von „Bodendenkmalen“, wenn man ex ante gar nicht zwischen normalen
Suchen und „Nachforschungen“, normalen „Sachen“ und „Bodendenkmalen“ sowie normalem
„Finden“ und „Entdeckungen“ unterscheiden kann, weil alle spezifisch unbestimmten
denkmalschutzrechtlichen Begriffe in ihrem Bedeutungsgehalt soweit ausgedehnt wurden und
werden, dass sie de facto mit den allgemeinen Begriffen bedeutungsgleich sind? Und wie soll
insbesondere der zum schuldhaft handelnden Täter werden könnende Durchschnittsbürger bei der
von ihm selbstständig durchzuführenden Beurteilung der Frage, ob er eine bestimmte Handlung
setzen darf oder nicht, bevor er sie setzt, auf einer solchen Basis zu einer Entscheidung kommen
können, ob er aller Wahrscheinlichkeit nach rechtmäßig oder rechtswidrig handelt, wenn er eine
bestimmte Handlung setzt?
Es ist für die Strafbarkeit einer verbotenen Handlung schließlich nicht nur notwendig, dass die Justiz
bei der Fallbetrachtung ex post zum Urteil kommt, dass der Tatverdächtige tatsächlich durch die von
ihm vorgenommene Handlung alle Tatbestandsmerkmale objektiv erfüllt und den strafbaren Taterfolg
auch herbeigeführt hat oder ihn auch, wenn schon der Versuch strafbar ist, nur herbeiführen hätte
können. Es ist vielmehr dafür, dass ein Beschuldigter überhaupt strafbar gehandelt haben kann, auch
erforderlich, dass der Tatverdächtige schon ex ante die Rechtswidrigkeit seiner geplanten Tat erkannt
hat oder wenigstens erkennen hätte müssen, wenn er die erforderliche Sorgfalt walten hätte lassen,
und er daher die verbotene Handlung unterlassen hätte können. Kann aber der Tatverdächtige selbst
beim besten Willen und der größtmöglichen Sorgfalt nicht herausfinden, wodurch sich nun eine
verbotene von offensichtlich erlaubten Handlungen unterscheidet, befindet er sich notwendigerweise
wenigstens in einem unvermeidbaren und damit jedenfalls schuldbefreienden Verbotsirrtum.
Die Möglichkeit für den Durchschnittsbürger, zwischen einer verbotenen und einer erlaubten
Handlung unterscheiden zu können, wird umso geringer, desto weiter eine Verbotsbestimmung, die
nur manche, aber nicht alle Handlungen einer bestimmten Art umfasst, ausgelegt werden kann und
vor allem auch ausgelegt wird. Denn je weiter eine solche Verbotsbestimmung ausgelegt wird, desto
geringer wird der auch allgemein erkenntliche Bezug des Verbots zum gesetzlichen Schutzziel.
Das Schuldverständnis des Durchschnittsbürgers
Der Durchschnittsbürger vermag durchaus zu erkennen, dass der Sinn eines denkmalschutzrechtlichen
Grabungsverbotes auf in geeigneter Weise öffentlich ausgewiesenen Bodendenkmalen der ist, dass
diese nicht durch in die Substanz dieser Denkmale eingreifende Handlungen gefährdet bzw. zerstört
werden. Dass wenigstens eine unsachgemäß durchgeführte, wenn nicht sogar jede, Grabung auf
einem solchen bekanntermaßen „wichtigen“ Bodendenkmal jedenfalls vermieden werden sollte, ist
daher auch dem Durchschnittsbürger unmittelbar einsichtig. Nachdem auch allgemein bekannt ist
(egal ob das jetzt stimmt), das professionelle Ausgrabungen mit besonderer Vorsicht mit
Zahnarztbesteck und Pinseln durchgeführt werden und dabei niemals Geräte wie Spaten, Schaufeln
etc. zum Einsatz kommen würden (siehe dazu z.B. auch VwGH 24.6.1985 zu Zl. 84/12/0213, 4),
versteht der Durchschnittsbürger auch vollständig, dass eine Grabung, die er selbst mit dem Spaten
durchführt, aller Wahrscheinlichkeit nach keine sachgemäße Grabung werden wird. Damit weiß er
auch, dass er Grabungen auf „besonders wichtigen“ und daher „geschützten“ Bodendenkmalen
tatsächlich unterlassen sollte (außer vielleicht als freiwilliger Mitarbeiter auf einer von professionellen
ArchäologInnen geleiteten und durchgeführten Grabung, die aufpassen, dass er nichts kaputt macht).
Das notwendige Schuldverständnis des Durchschnittsbürgers bei Zuwiderhandlungen kann also nicht
nur vorausgesetzt werden, wenn man Grabungen auf geschützten Bodendenkmalen einem
gesetzlichen Verbot mit Genehmigungsvorbehalt unterwirft (wie das z.B. die Bayern tun), sondern es
49
Ziele und Motive
besteht auch erfahrungsgemäß tatsächlich. Hat man dann noch eine Liste mit geschützten
Bodendenkmalen einfach öffentlich zugänglich gemacht (wie das z.B. die Bayern tun), kann sich auch
niemand mehr darauf ausreden, dass er nicht wissen konnte, dass dort, wo er trotz Schuldverständnis
ein Loch gegraben hat, keines graben hätte dürfen; denn selbst wenn er es tatsächlich nicht weiß,
hätte er es bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt wissen müssen (wie z.B. in Bayern). Natürlich
gibt es dann immer noch Leute, die sich auch dadurch nicht abhalten lassen (auch z.B. in Bayern). Aber
die, die man dann dort erwischt, kann man auch wirklich bestrafen und zwar nicht nur völlig verdient,
sondern – was wenigstens ebenso wichtig ist – auch rechtlich korrekt. Soll heißen: Entscheidungen
der Denkmalbehörden halten rechtlich auch dann, wenn gegen sie geklagt wird.
Wobei Strafen letztendlich ohnehin weitgehend egal sind: nicht nur ist das Strafrecht, wie Udo Löhr
das ausgedrückt hat, „immer nur eine Krücke“, mit der „gesellschaftliche Probleme […] kaum gelöst
werden können“ (Löhr 2006, 134), sondern es nutzt der Erhaltung der Bodendenkmale auch herzlich
wenig, wenn die, die sie kaputt machen, bestraft werden (können); wenigstens so lange diese
Bestrafung keine nennenswerte Präventionswirkung entfaltet, worauf derzeit alles hinweist (Karl &
Möller 2016). Diese lässt sich noch dazu auch durch zusätzlich verschärfte Strafen kaum vergrößern,
weil erstens selbst die drakonischste Strafe nichts nutzt, wenn ein Täter damit rechnen kann ohnehin
nie erwischt zu werden und, selbst wenn, wahrscheinlich ungestraft davonzukommen, weil das Gesetz
gar nicht so anwendbar ist, wie wir das glauben, und zweitens Strafen für „Raubgrabungen“ in einem
allgemein als angemessen betrachteten Verhältnis mit denen für gesellschaftlich weit schädlicher
betrachteten Straftaten stehen müssen, weil sonst die Leute, die Täter in flagranti erwischen, noch
weniger geneigt sind, diese anzuzeigen.
Es stößt also die Staatsgewalt, wie mächtig sie auch immer in anderen Fällen sein mag, recht rasch an
ihre Grenzen, wenn sie übertrieben wird, sowohl an ihre rechtlichen als auch ihre gesellschaftlichen.
Will man Schaden an der Archäologie präventiv abwehren, müssen sich die Leute weitgehend freiwillig
von sich aus, nicht nur aus Angst vor Strafe für Zuwiderhandlung, an die archäologischen
Schutzbestimmungen der Denkmalschutzgesetze halten. Dazu ist aber das Schuldverständnis
essentiell.
Kavaliersdelikt Metallsuche?
Je breiter aber die Schere zwischen tatsächlich auch für Durchschnittsbürger erkennbarem
Gefährdungspotential und Restriktivität der denkmalschutzrechtlichen Regelung (bzw. deren
Auslegung) auseinandergeht, desto geringer wird das Schuldverständnis des Durchschnittsbürgers.
Das sieht man schon an der ambivalenten gesellschaftlichen Bewertung der Metallsuche.
Bei der Metallsuche lässt sich tatsächlich noch – wenigstens, wenn sie auf wirklich bekanntermaßen
bedeutenden und daher spezifisch geschützten Bodendenkmalen stattfindet – ein einigermaßen
enger Bezug zwischen der davon ausgehenden Gefährdung und der rechtlichen Regelung herstellen.
Wo es als Folge der Metallsuche tatsächlich zu Eingriffen in die eigentliche Substanz von allgemein als
„Bodendenkmal“ verstandenen Fundstellen kommt – wobei man aber bedenken muss, dass die über
dem eigentlichen Bodendenkmal selbst entstandene Humusschicht streng genommen nicht zu dessen
Substanz gehört (siehe auch VwGH vom 23.2.2017 zu Zl. Ro2016/09/0008, 4) –, richtet diese
wenigstens mittelbar durch die dem Signal des Metalldetektors folgende Grabung tatsächlich Schaden
am betroffenen Bodendenkmal an.
Aber selbst hier stellt sich schon für den Durchschnittsbürger, der diesen mittelbaren Zusammenhang
durchaus versteht, die Frage, weshalb zur Verhinderung der die tatsächliche Gefährdung des
Denkmals darstellenden Grabung schon die bloße Suchhandlung, die ja per se keinen Schaden
anrichtet, mit einem Verbot belegt ist bzw. sein soll? Selbst wenn man, dem üblichen archäologischen
50
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Argument dazu folgend, einen Kausalzusammenhang zwischen erfolgreichem Ortungsversuch und
darauffolgender Ausgrabung des georteten Objektes akzeptiert, tut sich der Durchschnittsbürger
schon schwer zu akzeptieren, dass die zweite Handlung eine zwingende Folge der ersten ist.
Denn die Annahme, dass eine solche Kausalität zwingend gegeben ist, setzt das (Vor-) Urteil voraus,
dass Metallsucher suchtkrank sind (Prokisch 2011, 149) und daher ihre Impulskontrolle so
eingeschränkt ist, dass sie sich, wenn der Detektor piept, des Grabens einfach nicht enthalten können
(sinngemäß so etwa Brunecker 2008, 19). Das mag aus dem Blickwinkel des archäologischen
Sachverständigen sogar tatsächlich im Sinne einer Durchschnittsfallbetrachtung zutreffen; wenigstens
in dem Sinn, dass tatsächlich statistisch signifikant gehäuft, wenn auch keineswegs zwingend, der
Ortung eines Gegenstandes durch einen Metallsucher dessen Ausgrabung durch ebendiesen folgt.
Aus dem Blickwinkel des Durchschnittsbürgers widerspricht jedoch die Annahme einer zwingenden
Kausalität der allgemeinen Lebenserfahrung: selbst den meisten tatsächlich Drogensüchtigen, die sie
kennen – und jeder kennt Drogensüchtige, und seien es nur Raucher und Alkoholiker – fehlt es nicht
derart vollständig an jedweder Impulskontrolle, wenn sie ihre Droge sehen. Das Rauchen ist hier
übrigens eine besonders gute Analogie: Raucher brauchen tatsächlich ihr Nikotin und haben daher
eine deutlich reduzierte Impulskontrolle, was den Genuss ihres Suchtmittels betrifft. Sie halten sich
aber dennoch in der Regel an Rauchverbote, auch wenn sie ihre Zigaretten einstecken haben, sie
gerade unbeobachtet sind und daher das Rauchverbot sicher straffrei missachten könnten.
Der Durchschnittsbürger tut sich nun aber – und zwar durchaus berechtigt – sehr schwer dabei, sich
vorzustellen, dass auch nur ein signifikanter Anteil der Metallsucher eine psychische Suchtkrankheit
hat, die ihre Impulskontrolle weit stärker reduziert als die – tatsächlich zumeist wenigstens auch
teilweise körperliche – Abhängigkeit von Nikotin die von Rauchern. Das senkt die Nachvollziehbarkeit
und Akzeptanz von Such- statt Grabungsverboten unter Durchschnittsbürgern bedeutend; egal was
Gesetzgeber, Denkmalämter oder die Fachwelt behaupten mögen: kommen solche Behauptungen mit
der gewöhnlichen Lebenserfahrung des Durchschnittsbürgers in Konflikt, neigen heutzutage
Durchschnittsbürger dazu, eher ihrer eigenen Lebenserfahrung als Dritten zu glauben.
Dehnt man den Anwendungsbereich gesetzlicher Verbote der Metallsuche über bekanntermaßen
bedeutende Denkmale hinaus aus, senkt das ihre gesellschaftliche Akzeptanz nur noch weiter. Gerade
weil der Durchschnittsbürger durchaus intuitiv versteht, dass denkmalschutzrechtliche Bestimmungen
dem Schutz von Denkmalen dienen, aber gleichzeitig als Denkmal nur tatsächlich in wenigstens
irgendeiner Weise besonders bedeutende Sachen versteht (Karl et al. 2014, 8-13), kann er schon gar
nicht mehr nachvollziehen, warum denkmalschutzrechtliche Verbote auch dort gelten (sollten), wo
man noch gar keine Denkmale kennt, geschweige denn besonders bedeutende.
Daran ändern auch wiederholte Behauptungen der Denkmalämter und/oder Fachwelt nichts, dass die
Metallsuche maßgeblichen Schaden an noch unbekannten Befunden (die der Durchschnittsbürger gar
nicht als eigenständiges Denkmal betrachtet) anrichtet; selbst wenn diese Behauptungen aus
fachlicher Sicht korrekt sein sollten, vor allem, wenn sie, wie das die Regel ist, nicht mit harten Fakten
untermauert sind, die wir auch gar nicht erheben (siehe dazu noch weiter unten); weil wir den
Durchschnittsbürger auch gar nicht zu überzeugen versuchen, sondern stattdessen erwarten, dass er
unserer Expertise einfach blind vertraut. Welcher Prozentsatz aller im vergangenen Jahr professionell
ausgegrabenen archäologischen Befunde wurde durch beobachtbare und auch dokumentierte,
moderne „Raubgrabungslöcher“ beschädigt? 10%? Oder doch weniger? Und wie groß war der
dadurch an betroffenen Denkmalen (nicht an einzelnen Befunden) angerichtete Schaden quantitativ?
Waren es durchschnittlich 1% der Denkmalsubstanz? Oder weniger? Und wie war der Schaden an den
betroffenen Denkmalen qualitativ zu werten? Wurde der Denkmalwert des Denkmals, oder
51
Ziele und Motive
wenigstens sein Quellenwert, tatsächlich (und nicht etwa nur hypothetisch) maßgeblich gesenkt? Und
falls ja, wie maßgeblich? Um die Hälfte? Um ein Viertel? Ein Zehntel? Die Antworten auf diese Fragen
sind für uns unerfreulich, wenn sie tatsächlich erhoben werden; Karl 2018c).
Selbst einigermaßen eindrucksvolle anekdotische Beispiele wie der Fall der Himmelsscheibe von
Nebra (z.B. Otten 2012, 21-4) nutzen wenig, um zu zeigen, dass durch ungenehmigte Metallsuchen
abseits geschützter Denkmale wirklich ernsthafter Schaden am Allgemeinwohl entsteht: im Endeffekt
kam die Scheibe ja nicht nur in ein öffentliches Museum, sondern es konnten auch professionelle
Nachgrabungen am ursprünglichen Fundort durchgeführt werden, durch die der Befund (inklusive des
deutlich erkennbaren „Raubgrabungsloches“; Abb. 1) wenigstens teilweise – eben abzüglich des von
der unsachgemäßen Grabung der Finder gestörten Volumenanteils – sachgerecht dokumentiert und
somit wissenschaftlich gesichert wurde. Mehr noch: dem allgemeinen Tenor der breit öffentlich
zugänglichen Informationen über das „Bodendenkmal“, dessen Bestandteil die Himmelsscheibe ist,
scheint es ohnehin die Scheibe selbst zu sein, die wichtig ist; denn der Grabungsbefund und aus
diesem gewinnbare Informationen scheinen in populären Medien – z.B. im Internet – praktisch
überhaupt keine Rolle zu spielen. Was also – aus Sicht des Durchschnittsbürgers gesehen – genau der,
noch dazu erhebliche, Schaden gewesen sein soll, der dadurch entstanden ist, dass die Scheibe nicht
sachgerecht bei einer genehmigten professionellen Grabung geborgen wurde, ist nicht wirklich klar.
Abb. 1: Nachgrabungen am Fundort der Himmelsscheibe von Nebra mit deutlich im Profil erkennbarem „Raubgrabungsloch“
(Otten 2012, 22 Abb. 14).
Ebenso wenig nutzen rein hypothetische „was wäre wenn“-Beispiele wie das sowohl von Otten (2012,
10-6) als auch davor schon von Kriesch et al. (1997, 8-15) angeführte, unter einem 6 Meter hohen
Hügel und 50 Tonnen Steinen (sic!) verborgene und daher von „Raubgräbern“ verschont gebliebene
(ibid. 8-9) Grab des „Keltenfürsten von Hochdorf“. Das ist umso mehr der Fall wenn, wie in den
genannten Texten, neuerlich praktisch keine Rede davon ist, welche bedeutenden neuen Erkenntnisse
seit seiner Ausgrabung Ende 1978 aus dem – ja gerade nicht von „Raubgräbern“ unsachgemäß
ausgebuddelten – Befund gewonnen werden konnten, sondern der unique selling point, auf dem
52
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
herumgeritten wird, erst recht wieder spektakuläre Fundgegenstände sind (Kriesch et al. 1997, 8-15;
Otten 2012, 10-6). Dass auch sonst normalerweise nicht erhaltene Textilreste und andere organische
Materialien gefunden wurden (z.B. Kriesch et al. 1997, 13-5; Otten 2012, 14-6), ist natürlich für uns
ArchäologInnen extrem spannend, aber wird vom Durchschnittsbürger sicher nicht als bedeutende
Erkenntnis aus dem ungestörten Befund wahrgenommen, sondern bestenfalls als mehr oder minder
interessantes „Beiwerk“ zu Kline, Löwenkessel und sonstigen hochwertigen „Schätzen“ aus Metall.
So interessant solche „Fundgeschichten“ auch sein mögen – auch für den Durchschnittsbürger –,
bleiben alle Erkenntnisse, die durch diese anekdotischen Beispiele vermittelt werden, nicht nur streng
fundobjektbezogen, sondern vor allem auch letztendlich trivial. Der Durchschnittsbürger – und solche
sind ja auch wir Archäologen in Bezug auf die Erkenntnisse der meisten anderen Wissenschaften als
unserer eigenen – findet Wissen zwar durchaus auch um seiner selbst Willen interessant und hält es
damit auch bis zu einem gewissen Grad für wertvoll; aber für besonders bedeutend erachtet er in der
Regel nur solches Wissen, das auch irgendeinen Nutzwert hat, und zwar idealerweise für ihn selbst,
wenigstens mittelbar. Aber welchen Nutzwert haben die Erkenntnisse, die wir aus „ungestörten“
archäologischen Befunden ziehen können, und sei es nur mittelbar, für ihn?
Brutal in Form einer wenigstens in Österreich gängigen Redewendung ausgedrückt; was kann sich Otto
Normalverbraucher um die Information, dass der „Keltenfürst von Hochdorf“ haufenweise Schätze ins
Grab mitbekommen hat, die noch dazu in Textilien eingewickelt waren, jetzt kaufen? Wenn es hoch
kommt, 3 Minuten Unterhaltung; sonst nichts. Und die 3 Minuten Unterhaltung sind, weil er sich auch
auf Milliarden andere Weisen unterhalten kann, praktisch nichts wert.
Geht also solche Information dadurch verloren, dass sich tatsächlich irgendwer irgendwo, wo noch
niemand weiß, dass dort etwas ist, durch einen 6 Meter hohen Hügel und 50 Tonnen Steine gräbt, um
an die Metallfunde in der darunterliegenden Grabkammer zu kommen – eine Verkettung von
Umständen, die dem Durchschnittsbürger ohnehin völlig berechtigterweise enorm unwahrscheinlich
erscheint, weil wie oft kommt eine solche Verkettung von Umständen wirklich vor – ist der aus Sicht
des Durchschnittsbürgers dabei entstehende Schaden tatsächlich so groß, dass das für ihn ein
generelles Metallsuchverbot überall im Land zu rechtfertigen erscheint? Wenigstens für den
Durchschnitt aller DurchschnittsbürgerInnen natürlich nicht. Ganz im Gegenteil, das ist kaum mehr als
der Schaden, der möglicherweise entstehen könnte, wenn ein Sack Reis in China umfällt, und das ist
ja bekanntermaßen nicht nur ein typisches Beispiel für ein Ereignis, das eigentlich vollkommen egal
ist, sondern sogar für eines, aus dem sich im populären Diskurs sogar die Frage ableitet ob es, wenn
es niemand bemerkt, überhaupt passiert ist.
Es ist daher gar nicht überraschend, dass, wenn die Schere zwischen der auch allgemein, nicht nur von
einer Handvoll Fachleuten, wahrgenommenen Gefährdung tatsächlich als besonders hochwertig
betrachteter Allgemeinwohlgüter und den gesetzlichen Regelungen zu deren Schutz auch nur so weit
aufgeht wie im Fall eines generellen, landesweiten Verbots einer bestimmten, als normalerweise
weitgehend harmlos betrachteten Handlung, eben der Metallsuche – selbst wenn, wie bei dieser, noch
wenigstens ein mittelbarer Bezug zwischen der von ihrer Durchführung ausgehenden Gefahr und den
gesetzlichen Schutzmechanismen zur Reduzierung ebendieser auch vom Durchschnittsbürger
hergestellt werden kann – das Übertreten der gesetzlichen Verbote dieser Handlung von den meisten
Durchschnittsbürgern als Kavaliersdelikt betrachtet wird. Das ist etwa so, wie selbstverständlich ein
jeder den Sinn des Verbots, als Fußgänger eine geregelte Kreuzung bei Rot zu überqueren, durchaus
versteht; aber dennoch niemand jemand anderen auch nur anzeigt, geschweige denn direkt
einschreitet, wenn er diesen, zu nachtschlafender Zeit, an eine solche kommen und sie trotzdem bei
Rot überqueren sieht, wenn weit und breit kein sich bewegendes Fahrzeug zu bemerken ist. Wird ein
geltendes Verbot, auch eines, dessen Sinn durchaus jedem einsichtig ist, als in einer bestimmten
53
Ziele und Motive
Situation unnötig empfunden, dann kümmert es die Bevölkerung auch nicht, wenn es jemand in einer
solchen Situation übertritt. Ja eh, es ist verboten, aber das ist den meisten Menschen egal.
In die Landschaft schauen
Geht die Schere zwischen der von einer bestimmten Handlung ausgehenden Gefährdung für ein
Allgemeinwohlgut und der Restriktivität ihrer gesetzlichen Regelung noch weiter auseinander als das,
schwindet jedwedes Schuldverständnis des Durchschnittsbürgers bei und für ihre Übertretung
praktisch vollständig. Das ist z.B. bei einem Verbot der Aufsammlung von Oberflächenfunden der Fall;
selbst dann, wenn es tatsächlich nur die vorsätzliche, gezielte Suche mit dem Zweck solche zu
entdecken ist und nicht etwa gar jede Suchhandlung zu beliebigen Zwecken, bei der man
unbeabsichtigt auch obertägig erkennbare Bodendenkmale finden könnte, die einem gesetzlichen
Verbot unterworfen ist.
Neuerlich spielt es dabei – sogar noch weniger als bei den obigen Beispielen – überhaupt keine Rolle,
was irgendwelche Experten wie wir diesbezüglich denken, weil hier jedwede gegenteilige Behauptung
von Experten unmittelbar und direkt im Widerspruch mit der eigenen Lebenserfahrung der meisten
Durchschnittsbürger steht. Jeder Durchschnittsbürger weiß nämlich aus seiner eigenen
Lebenserfahrung, dass einfach irgendwo frei und offen herumliegende Sachen – egal ob das jetzt
Denkmale oder beliebige andere Sachen sind – jedenfalls massiv durch eine nahezu unendliche Anzahl
möglicher Ursachen durch Zerstörung oder wenigstens Abhandenkommen gefährdet sind. Sind die
Sachen noch dazu klein und fragil, wie das bei den meisten archäologischen Oberflächenfunden der
Fall ist, reichen zu ihrer Zerstörung, wie jeder weiß, schon rein natürliche Einflüsse wie die von Wind
und Wetter, die man einfach nicht verhindern kann; einmal abgesehen davon, dass – und sei es nur
völlig unbeabsichtigt – ein zufällig vorbeikommendes, größeres Lebewesen auf sie treten und sie
zertrampeln oder ein unehrlicher Mensch sie stehlen könnte. Jeder weiß daher, dass man, wenn man
etwas findet, was offensichtlich von seinem Eigentümer verloren oder vergessen wurde, oder auch
nur etwas, das immer noch für andere wertvoll sein könnte – ob es nun irrtümlich fallengelassen oder
absichtlich weggeworfen wurde –, es an sich und somit in sicheren Gewahrsam nimmt.
Hier kann man zwar durchaus mit dem Verständnis der Allgemeinheit für Fundmeldepflichten an
irgendeine Fundbehörde rechnen, wie sie ja auch z.B. in § 8 DMSG, § 21 HDSchG oder § 20 DSchG-BW
vorgesehen sind. Schließlich weiß nicht nur jeder, dass man Funde von nicht völlig geringwertigen
Gegenständen bei irgendeiner Behörde anzeigen muss, weil es ja sein könnte, dass sie ihr Eigentümer
nur unabsichtlich vergessen, verloren oder weggeworfen hat; sondern jeder will auch, dass wenn er
etwas, was in seinem Eigentum steht, unabsichtlich vergessen, verloren oder weggeworfen hat, eine
andere gute Seele, die diese Sache gefunden hat, sie der Fundbehörde vorbeibringt, damit er sich ihrer
wieder bemächtigen kann. Damit ist allerdings dann auch gleichzeitig – sowohl als Finder als auch als
seines Eigentums unbeabsichtigt verlustig Gegangener – die Vorstellung verbunden, dass der ehrliche
Finder Anspruch auf einen gerechten Finderlohn hat bzw. wenn sich herausstellt, dass die Fundsache
herrenlos geworden ist, der Finder Anspruch auf den vollständigen oder wenigstens hälftigen
Eigentumserwerb an dieser Sache hat. Das ist schon allein so, weil das in Deutschland durch die
Bestimmungen der §§ 971, 973 und 984 BGB und in Österreich der §§ 393, 395, 397 und 399 ABGB so
geregelt ist und daher so auch in das natürliche Rechtsempfinden der Bevölkerung eingegangen ist.
Nicht das geringste Verständnis findet man hingegen dafür, dass die gezielte Suche nach
Oberflächenfunden von archäologischen Gegenständen, die eben allgemein bekanntermaßen (und in
Österreich auch explizit laut § 8 Abs. 1 DMSG) aufgrund ihres schon erwähnten schlechten
Erhaltungszustands besonders zerstörungs- und verlustgefährdet sind, wenn sie einfach offen
herumliegen, einem generellen denkmalschutzrechtlichen Verbot unterliegt bzw. unterliegen sollte.
54
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Dies gilt umso mehr, wenn man annimmt, dass sich tatsächlich bedeutende „Bodendenkmale“ unter
diesen bereits an die Erdoberfläche gelangten Sachen befinden; denn diese sind dadurch ja nicht
weniger gefährdet als gewöhnliche Fundsachen, sondern jedenfalls genauso; und die
Wahrscheinlichkeit, dass sie – ob nun zufällig oder absichtlich – von irgendwelchen ArchäologInnen
bei deren professionellen Nachforschungen entdeckt werden, für jedermann offensichtlich so
verschwindend gering, dass man sie de facto als inexistent betrachten muss. Das bedeutet aber
wiederum, dass, wenn Ziel und auch offensichtlicher Sinn von Denkmalschutzgesetzen der Schutz
bedeutender Denkmale vor deren Zerstörung ist, ein Verbot der gezielten Suche nach
Oberflächenfunden ebenso offensichtlich kontraproduktiv ist: die Wahrscheinlichkeit, dass bereits auf
die Erdoberfläche gelangte „Bodendenkmale“ zerstört werden, ehe sie von irgendjemandem
entdeckt, in sicheren Gewahrsam genommen und somit wenigstens potentiell längerfristig erhalten
werden können, wird ja vollkommen offensichtlich durch ein Verbot, gezielt nach ihnen zu suchen,
maßgeblich verringert, nicht etwa vergrößert.
Der Durchschnittsbürger muss also, wenn er auch nur ein paar Sekunden über ein solches Verbot
nachdenkt, zum Schluss kommen, dass es sinnlos und sogar schädlich für das Erreichen des
gesetzlichen Schutzzieles ist. Nichts, was wir (selbsternannten) ExpertInnen dazu sagen, kann
irgendetwas daran ändern, weil es eben nicht nur in der eigenen Lebenserfahrung, sondern auch dem
natürlichen Rechtsempfinden jedes Durchschnittsbürgers tief verankert ist. Ganz im Gegenteil: sagen
wir irgendetwas anderes, muss sich der Durchschnittsbürger sogar, nachdem das, was wir sagen,
seiner eigenen Lebenserfahrung und seinem natürlichen Rechtsempfinden diametral widerspricht,
darüber wundern, warum wir etwas so offensichtlich Falsches behaupten. Daraus folgt aber dann,
dass er auch wenigstens entweder unsere Expertise oder unsere Ehrlichkeit anzweifeln muss – oder
sogar beides –, und von dort ist es dann bis zur (ob nun berechtigten oder unberechtigten)
Unterstellung unlauterer Motive nicht mehr weit.
Geht die Schere noch weiter auf und werden sogar (Such-) Handlungen, bei denen die Entdeckung von
„Bodendenkmalen“ gar nicht beabsichtigt wird, mit einem denkmalschutzgesetzlichen Verbot belegt,
nur weil bei diesen – rein hypothetisch – auch unbeabsichtigt irgendwelche entdeckt und dann extrem
mittelbar dadurch gefährdet werden könnten, bleibt dem Durchschnittsbürger eigentlich gar nichts
mehr anderes übrig, als nicht nur unsere Expertise zu bezweifeln, sondern uns ExpertInnen auch
unlautere Motive zu unterstellen. Denn es fehlt bei so weitreichenden Verboten – und zwar nicht nur
aus der Sicht des Durchschnittsbürgers – jedweder Bezug zwischen der von den verbotenen
Handlungen ausgehenden Gefahren für das gesetzliche Schutzgut und den gesetzlichen
Bestimmungen zu seinem Schutz. Ein solcher Bezug kann nämlich – und zwar auch aus fachlicher Sicht
– nur noch höchst hypothetisch unter Voraussetzung so vieler jeweils für sich und noch mehr in
Kombination enorm unwahrscheinlicher Annahmen bzw. Vorurteilen erzeugt werden, dass das nicht
einmal mehr bei freundlichster Interpretation als realistische Betrachtung der Wirklichkeit betrachtet
werden kann.
Natürlich kann es theoretisch sein, dass jemand, wenn er etwas ganz anderes an einem Ort sucht oder
auch nur macht, an dem es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass dort überhaupt irgendwelche
„Bodendenkmale“ vorkommen, dennoch ein solches findet, weil ja, wie wir alle wissen,
„Bodendenkmale“ überall vorkommen könnten. Aber wenigstens dafür (wenn nicht sogar für noch
viel mehr, siehe dazu noch weiter unten) gibt es ohnehin andere denkmalschutzrechtliche
Bestimmungen, nämlich die für Zufallsfunde (eben z.B. in § 8 DMSG, § 21 HDSchG oder § 20 DSchGBW). Natürlich geht, nachdem, wie wir alle wissen, „Bodendenkmale“ überall vorkommen können,
von jeder beliebigen Handlung, die ein Mensch setzen kann, stets eine gewisse Gefahr für die
Erhaltung von „Bodendenkmalen“ aus, weil natürlich als ungewollte und unvorhersehbare
55
Ziele und Motive
Handlungsfolge auch ein noch völlig unbekanntes „Bodendenkmal“ durch sie betroffen und damit
auch möglicherweise zerstört werden kann. So etwas nennt man aber ein unvermeidbares Restrisiko;
und unvermeidbare Restrisiken kann man auch nicht gesetzlich verbieten, weil sie eben unvermeidbar
sind.
Eine tatsächlich von der Handlung ausgehende Vergrößerung der bei jeder Handlung stets
bestehenden unvermeidbaren Gefahr lässt sich nämlich nur dann postulieren, wenn man davon
ausgeht, dass selbst jemand, der etwas ganz anderes tut, als „Bodendenkmale“ zu suchen, und dabei
zufälligerweise auf ein solches stößt, weil er ja ein unbändiges, absolut unkontrollierbares
Suchtbefriedigungsbedürfnis oder eine ebensolche kriminelle Energie hat, sich dieses zum Schaden
der Allgemeinheit privat anzueignen oder gar zu zerstören, das jeweils gerade gefundene auch unter
Vernachlässigung jedweder Vernunft und Ausschaltung jeder Selbstkontrollfähigkeit tatsächlich
unmittelbar an sich reißen muss. Man muss also davon ausgehen, dass alle anderen Menschen (außer
– vielleicht – andere professionelle ArchäologInnen) suchtkranke kriminelle Irre sind, deren einziges
Lebensziel es ist die Archäologie allen anderen (und vor allem einem selbst) wegzunehmen. Diese
Annahme ist, freundlich gesagt, verrückt.
Dass sich der Durchschnittsbürger nicht selbst als einen solchen suchtkranken kriminellen Irren
betrachtet und auch gar nicht betrachten kann, versteht sich von selbst. Damit kann er aber auch
keinen wie auch immer gearteten Bezug zwischen von seiner Handlung ausgehendem
Gefährdungspotential und gesetzlichem Schutzobjekt herstellen. Ganz im Gegenteil, er muss davon
ausgehen, dass nicht sein Handeln, sondern vielmehr das Gesetz falsch ist bzw. wenigstens
vollkommen falsch ausgelegt worden sein muss.
Das ist umso mehr der Fall, als ein solches „generelles (Such-) Handlungsverbot“ nicht nur
offensichtlich der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG diametral widerspricht, sondern
auch jeden ganz unmittelbar persönlich betrifft, aber gleichzeitig auch offensichtlich völlig sinnlos und
nicht umsetzbar ist. Es kann schließlich niemand vermeiden, eine Handlung zu setzen, von der er zwar
weder weiß, noch will, noch bei deren Planung und Durchführung vorhersehen kann, dass sie zum
„Taterfolg“ der „Entdeckung“ eines Bodendenkmales führen wird, noch sein Handeln entsprechend
so anders gestalten, dass er dadurch das Eintreten dieses „Taterfolgs“ verhindern kann. Denn um das
zu können, müsste der Handelnde ja mit paranormalen Mitteln die Zukunft vorhersagen können
müssen; und das kann bekanntermaßen niemand.
Wenn aber nun jemand – ob Experte oder Behörde – dem Durschnittsbürger gegenüber behauptet,
dass er nicht einmal aus anderen Gründen als der Entdeckung von „Bodendenkmalen“ mit freiem
Auge in die Landschaft schauen darf (oder aus dem Fenster des landenden Flugzeugs die Landschaft
fotografieren darf), ohne dafür vorab eine Genehmigung von einer Denkmalbehörde erteilt
bekommen zu haben, weil er dabei ja theoretisch ein „Bodendenkmal“ entdecken könnte, dann muss
der Durchschnittsbürger, wenn er sonst keinen Grund zur Annahme hat, dass der, der ihm das grade
sagt, vollkommen verrückt ist, zwangsweise annehmen, dass ihn der, der das ihm gegenüber
behauptet, anlügt. Damit bleibt ihm auch gar nichts anderes übrig als anzunehmen, dass der, der ihm
das sagt, ihn aus irgendwelchen unlauteren Motiven anlügt, weil ein lauterer Grund für diese Lüge
wird für ihn nicht erkennbar sein.
Damned if you do, damned if you don’t?
Je weiter sich also die Schere zwischen der von einer bestimmten Handlung ausgehenden Gefährdung
der Erhaltung von Denkmalen und der Restriktivität der denkmalschutzrechtlichen Regelung dieser
Handlung öffnet, desto mehr nimmt das Schuldverständnis des Durchschnittsbürgers ab und desto
weniger wird er strafbar, wenn er ein diese Handlung betreffendes Verbot übertritt. Gleichermaßen
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
kann er sich auch umso weniger freiwillig an dieses Verbot halten, desto weitreichender es wird, weil
er rasch an dem Punkt ankommt, an dem er den Eindruck gewinnt, dass er ohnehin nichts tun kann,
was nicht verboten wäre; womit das Verbot in seiner Gesamtheit gleichgültig wird: wenn egal was er
tut, verboten ist, kann er gleich tun, was er will. Er kann der Strafe entweder ohnehin nicht entgehen,
wenn er „erwischt“ wird, egal was er tut, oder diese wird einfach zu einem immer gegebenen
Restrisiko, um das er sich nicht weiter kümmern muss, weil es immer eintreten kann.
Der Grundsatz „damned if you do, damned if you don’t“ kann aber in einem Rechtsstaat nicht gelten;
und tut es in Deutschland auch nicht. Legt man nämlich all die oben genannten, unbestimmten
Rechtsbegriffe so weit aus, dass jede Suche (oder gar jede Handlung) zu egal welchen Zwecken, bei
denen egal welche Sachen entdeckt werden könnten, der gesetzlichen NFG-Pflicht unterliegen, kann
man zwar jeden, den man will, für jede beliebige seiner Handlungen wegen einer möglichen
Verletzung dieser NFG-Pflichten anzeigen und vielleicht auch in der administrativen Praxis mit einer
Geldbuße belegen; aber dass diese Strafe vor den Verwaltungsgerichten hält, ist höchst
unwahrscheinlich.
Denn in der Überprüfung des jeweiligen Einzelfalls kann das Gericht, wenn es zu einem Urteil kommen
will, selbst wenn es alle diese unbestimmten Rechtsbegriffe so weit auslegt wie oben in meinem
Beispiel meiner „Nachforschung“ im Landeanflug auf den Flughafen Frankfurt/Main angenommen,
nur auf Basis zweier Kriterien entscheiden: einerseits dem rein subjektiven Kriterium des Zwecks der
Suche und andererseits dem objektiven Kriterium der davon tatsächlich ausgehenden Gefahr für
davon betroffene Bodendenkmale. Es braucht schließlich seinerseits irgendwelche Kriterien, um
zwischen gesetzlich erlaubten und gesetzlich verbotenen Handlungen zu unterscheiden, weil nicht alle
Handlungen gleichermaßen verboten sein können. Diese Unterscheidung muss in irgendeiner Weise
sachlich begründbar sein, weil sonst das sich aus dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung abgeleitete
Sachlichkeitsgebot verletzt würde (Karl 2018b). Wäre alles verboten, müsste schließlich jedermann
gleichermaßen für jede Handlung bestraft werden, und das ist undurchführbar. Es muss daher
zwingend eine sachliche Begründung der Unterscheidung her.
Nachdem – außer in den seltenen Fällen, in denen ein Täter gesteht oder man ihm aufgrund anderer
Hinweise nachweisen kann, dass er tatsächlich mit der Absicht „Bodendenkmale“ zu entdecken
gesucht hat – der Nachweis des Vorsatzes des Täters nur sehr schwer zu erbringen ist, bleibt damit
meist nur das objektive (und daher, wenn man die Tat nicht als Vorsatzdelikt betrachtet, ohnehin zu
bevorzugende) Kriterium der tatsächlichen Gefährdung des gesetzlichen Schutzzieles durch die vom
Tatverdächtigen vorgenommene Handlung. Hätte seine Handlung bei vernünftiger Betrachtung durch
einen unabhängigen Dritten tatsächlich ernsthaften Schaden an einem tatsächlich bedeutenden
Denkmal anrichten können, auch wenn dieser Schaden nicht tatsächlich eingetreten ist, oder hätte sie
das nicht können? Ist durch eine gesetzliche Bestimmung jede Handlung – wenigstens theoretisch –
möglicherweise verboten, ist eine teleologische Auslegung der Bestimmungen des anzuwendenden
Gesetzes zur sachlichen Unterscheidung zwischen von diesem Gesetz verbotenen und durch es
erlaubten Handlungen zwingend erforderlich, weil das Gesetz ja nicht tatsächlich jede Handlung
verbieten kann. Lässt sich die Anwendbarkeit einer konkreten gesetzlichen Bestimmung auf eine
bestimmte Handlung nicht aus ihr selbst und die in ihr verwendeten Begriffe erschließen, muss die
sachliche Unterscheidung zwischen erlaubtem und verbotenen Handeln aus dem Zweck erschlossen
werden, den der Gesetzgeber mit seiner Erlassung verfolgt hat.
Und dieser Zweck ist und bleibt bei Denkmalschutzgesetzen letztendlich der Schutz bedeutender
Denkmale vor Zerstörung (inklusive maßgeblicher Veränderung). Damit ist im Zweifel, um zu
beurteilen, ob eine Handlung, die möglicherweise verboten sein könnte, auch tatsächlich verboten ist,
zu ermitteln, ob dieses gesetzliche Schutzziel durch die vorgenommene Handlung ernsthaft gefährdet
57
Ziele und Motive
werden konnte oder nicht. Denn wenn er sich im Zweifel befindet, muss auch der Tatverdächtige, der
ein Durchschnittsbürger ist, wenn es nicht anders geht, letztendlich fragen: was wollte der
Gesetzgeber mit diesem Gesetz eigentlich erreichen, in dem die konkrete Bestimmung drinnen steht,
die mir – wenigstens scheinbar – jede beliebige Handlung verbietet?
Damit kommt man aber letztendlich genau an denselben Punkt zurück, von dem man ganz zu Beginn
ausgegangen ist: verboten können nur jene Handlungen sein, von denen tatsächlich bereits bei
vorausschauender Betrachtung eine ernstzunehmende Gefahr für tatsächlich bedeutende Denkmale
ausgeht. Das können aber letztendlich nur solche Nachforschungen sein, die mittels Eingriffen in die
Substanz des Denkmals durchgeführt werden oder die als zwingende Folgehandlung zu solchen
Eingriffen führen. Denn eine Handlung, die nicht in die Substanz des Denkmals eingreift und deren
erfolgreichem Abschluss auch nicht zwingend ein solcher Eingriff folgen muss, kann das betroffene
Denkmal auch gar nicht gefährden. Denn um eine Sache zerstören oder auch nur verändern zu
können, ist wenigstens irgendeine physische Interaktion mit ihrer Substanz erforderlich.
Gerade bei noch unbekannten, noch im Boden verborgenen „Bodendenkmalen“ führt das aber bei
der gebotenen sachlichen Betrachtung zwingend zum Schluss, dass eine Handlung nur dann
vorhersehbarerweise zu deren Zerstörung führen und daher durch Unterlassung oder Abänderung der
(ansonsten erlaubten) Handlung verhindert werden kann, wenn dabei auch tatsächlich irgendwie der
Erdboden (oder Grund unter Wasser) verändert wird und auch vom Tatverdächtigen damit zu rechnen
war, dass dort, wo er die Handlung gesetzt hat, auch tatsächlich „Bodendenkmale“ vorkommen. Oder
anders gesagt: der Tatverdächtige muss gewollt und gewusst haben (oder hätte wenigstens gewusst
haben müssen), dass er dort, wo er die Handlung durchführt, mutmaßlich „Bodendenkmale“
entdecken wird. Er musste also wenigstens einen begründeten Verdacht haben, d.h. muss Hinweise
gekannt haben (oder hätte sich kundig machen können müssen, ob es solche gibt, die einen solchen
Verdacht begründen), dass dort, wo er sucht, tatsächlich Bodendenkmale vorkommen.
Konstitutives vs. deklaratorisches Prinzip
Damit bleibt es sich jedoch, egal wie man die Sache dreht oder wendet, weitgehend gleich, ob in einem
Land die „Bodendenkmale“ (oder sogar alle „Denkmale“) nach konstitutiven oder deklaratorischen
Prinzip (DGUF 2013) geschützt werden, wenn es um die Anwendbarkeit von gesetzlichen NFGPflichtbestimmungen geht. Das ipsa lege-Prinzip mag zwar de jure bedeuten, dass es keines eigenen
Rechtsaktes (wie einer „Unterschutzstellung“ wie in Österreich oder einer Eintragung in eine öffentlich
zugängliche Denkmalliste) bedarf, um ein bestimmtes Objekt den denkmalschutzgesetzlichen
Schutzbestimmungen zu unterwerfen, sondern jeder selbst aus der Definition des gesetzlichen
Schutzbegriffs ableiten muss, welche Sachen nun den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegen und
welche nicht.
De facto ist das jedoch praktisch vollkommen egal, wenn der gesetzliche Schutzbegriff in einem dem
deklaratorischen Prinzip folgenden Denkmalschutzgesetz so definiert ist, dass die Entscheidung, ob
eine Sache den gesetzlichen Schutzbestimmungen unterliegt, jeweils im konkreten Einzelfall erst ex
post auf Basis von Sachverständigengutachten getroffen werden kann. Denn damit eine
denkmalschutzgesetzliche NFG-Pflicht überhaupt auf eine (geplante) Nachforschungshandlung
anwendbar ist, bei welcher der Nachforschende die Entdeckung einer wenigstens ihm subjektiv noch
unbekannten Sache bezweckt, muss dieser bereits ex ante vorhersehen können, dass er mit seiner
Handlung diesen Zweck auch tatsächlich erreichen wird bzw. zumindest vermutlich erreichen dürfte.
Daraus folgt aber nun wiederum zwingend, dass auch unter einem nach deklaratorischen Prinzip
funktionierenden Denkmalschutzgesetz die denkmalschutzrechtlichen NFG-Pflichten de facto nur auf
Nachforschungen an solchen Orten angewendet werden können, bezüglich derer schon behördlich
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
(selbstverständlich ex post auf Basis dort bereits entdeckter Hinweise auf das Vorkommen tatsächlich
der Legaldefinition des gesetzlichen Schutzobjektes entsprechender Sachen) festgestellt wurde, dass
dort der Legaldefinition des gesetzlichen Schutzobjektes entsprechende Sachen tatsächlich
vorkommen oder deren Vorkommen wenigstens wahrscheinlich ist. Mehr noch, es folgt ebenfalls
zwingend daraus, dass diese behördliche Feststellung – z.B. durch Eintragung in ein amtliches
Verzeichnis bekannter und vermuteter (Boden-) Denkmale – auch allgemein öffentlich zugänglich sein
muss, damit die NFG-Pflicht an solchen Orten greifen kann, an denen solche bekanntermaßen der
Legaldefinition des gesetzlichen Schutzbegriffs entsprechenden Sachen vorkommen (könnten). Denn
der Planende kann selbstverständlich bei der ex ante-Planung seiner Nachforschungen nur solche
konkreten Hinweise berücksichtigen (müssen), zu denen er auch Zugang hat bzw. sich, ohne
unverhältnismäßigen Aufwand treiben zu müssen, Zugang verschaffen hätte können. Hat er also bei
Wahrung der erforderlichen Sorgfalt subjektiv ex ante keine solchen Hinweise gefunden – z.B. weil
diese nur in einem von der Denkmalbehörde unter Verschluss gehaltenen Denkmalverzeichnis zu
finden sind – spielt es auch keine Rolle, ob sich objektiv tatsächlich Dritten (z.B. der Denkmalbehörde)
bekanntermaßen am Ort der Untersuchung Sachen befinden, die der Legaldefinition des gesetzlichen
Schutzgegenstandes entsprechen oder deren Vorkommen wenigstens wahrscheinlich erscheinen
lassen.
Damit Nachforschungen der NFG-Pflicht eines Denkmalschutzgesetzes unterliegen können, ist es also
erforderlich, dass der Ort, an dem sie durchgeführt werden sollen, schon durch Eintragung in ein
öffentlich einsehbares Denkmalverzeichnis als ein solcher ausgewiesen wird, an dem mit dem
Vorkommen bedeutender Denkmale zu rechnen ist; egal ob dieses Verzeichnis nun nach konstitutivem
oder deklaratorischen Prinzip erstellt worden ist. Das, wovon man nicht wissen kann, dass es
denkmalgeschützt ist, ist auch nicht durch die Schutzbestimmungen der Denkmalschutzgesetze
geschützt, gleichgültig nach welchem Prinzip das Gesetz nun funktioniert. Das DSchG-HH gibt das in
seinem § 6 Abs. 1 sogar explizit zu, wenn es feststellt, dass der Schutz durch das Gesetz nicht von der
Eintragung in die Denkmalliste abhängig ist, aber dennoch die Einhaltung der gesetzlichen
Schutzpflichten von Verfügungsberechtigten erst ab der Eintragung in diese verlangt werden kann.
Die Schutzpflichten des DSchG-HH sind also scheinbar schrödingerische Schutzpflichten, die
gleichzeitig gelten und nicht gelten, solange man die gesetzliche Black Box nicht öffnet.
Das soll nun keineswegs bedeuten, dass es keine Unterschiede zwischen konstitutiven und
deklaratorischen Prinzip gibt, nicht einmal im Kontext von NFG-Pflichten: so mag es z.B. erheblich
einfacher sein, gemäß dem deklaratorischen Prinzip Denkmale, die der Legaldefinition dieses Begriffes
entsprechen, in ein öffentliches Denkmalverzeichnis aufzunehmen und somit der NFG-Pflicht des
betreffenden Denkmalschutzgesetzes zu unterwerfen, als sie konstitutiv in einem jeweils separaten
Rechtsakt unter Denkmalschutz stellen zu müssen, um das gleiche Ergebnis zu erreichen. Wie viel
leichter ist allerdings diskutierbar (Karl 2019a). So gesehen, ehe hier jetzt jemand den armen
Österreichern nahelegen will, doch auf das deklaratorische Prinzip umzusatteln, ich weiß nicht, ob das
viel bringen wird, wenigstens nicht, so lange die Legaldefinition der relevanten Begriffe so
unverständlich ist, dass zu ihrer richtigen Beurteilung ein sachverständiges Gutachten ex post
erforderlich ist.
„Besonderheiten“ des Denkmalschutzrechtes
Es scheint also so zu sein als ob, deklaratorisches oder konstitutives Prinzip hin oder her, in Bezug auf
NFG-Pflichten wenigstens auch in den hier besprochenen deutschen Bundesländern im Wesentlichen
das Gleiche gilt, das auch der VwGH für Österreich zu Recht erkannt hat: dass Nachforschungen zum
Zweck oder mit dem Ziel, Kultur- oder auch nur Bodendenkmale zu entdecken, nur dann der jeweiligen
gesetzlichen NFG-Pflicht unterliegen, wenn sie vorsätzlich an Orten durchgeführt werden, von denen
59
Ziele und Motive
der sie Planende schon weiß oder wenigstens – weil die Tatsache, dass an diesen Orten (ob nun
deklaratorisch oder konstitutiv) geschützte Denkmale vorkommen dürften, schon wenigstens in
öffentlich zugänglichen Verzeichnissen ohne unverhältnismäßigen Aufwand ermittelt werden kann –
wissen hätte müssen, dass er dort mit der Entdeckung gesetzlich geschützter Denkmale rechnen muss.
All die ausufernden Auslegungen durch Denkmalämter, die rechtlich vielleicht für eine ex postAnwendung des deklaratorischen Prinzips hinreichend bestimmten, aber um eine Schuldeinsicht des
Durchschnittsbürgers bei der Betrachtung ex ante zu erzeugen viel zu unendlich unbestimmten,
Rechtsbegriffe und die versuchte Ausdehnung der Strafbarkeit von NFG-Pflichtverletzungen bis hin
zur bloßen Fahrlässigkeit bei jeder beliebigen Suche oder gar Handlung nutzen also im Endeffekt gar
nichts: letztendlich kommt man am Kernproblem nicht vorbei, das Denkmalschutzgesetze nicht nur
dem Zweck dienen, schützenswerte Denkmale vor vermeidbarem Schaden zu bewahren, sondern
auch nur Handlungen einer gesetzlichen Bewilligungspflicht unterwerfen können, von denen der
Durchschnittsbürger auch bei Wahrung der erforderlichen Sorgfalt absehen hätte können, dass sie
tatsächlich schützenswerte Denkmale gefährden.
Was all diese ausufernden Auslegungen, hinreichend bestimmt unbestimmten Rechtsbegriffe und
Versuche, die Anwendbarkeit der gesetzlichen NFG-Pflichten so unendlich weit auszudehnen, dass
man ihnen letztendlich wenigstens hypothetisch nahezu jede beliebige Handlung unterwerfen könnte,
hingegen bewirken, ist, dass es für die Denkmalämter, die sie anwenden sollen, nahezu unmöglich
wird, sie konsistent gleichheitsgrundsatzgemäß anzuwenden; wenigstens nicht, wenn sich diese nicht
auf die Minimalauslegung (das Gesetz gilt in seiner Gesamtheit nur für bekanntermaßen geschützte
Denkmale) beschränken wollen, sondern annehmen, dass ihnen der Gesetzgeber den breiten
Auslegungsspielraum, den er ihnen mit den unendlich weit gefassten unbestimmten Rechtsbegriffen
„Denkmale“ (und deren ebenfalls vorgegebenen Unterbegriffen, wo er, wie z.B. in Hessen, welche
definiert hat), „Nachforschungen“ und „Entdeckung“ eingeräumt hat, dafür gegeben hat, dass sie ihn
auch irgendwie ausnutzen können, wo das erforderlich ist. Tatsächlich äußern sich die einschlägigen
Kommentare dazu auch gern rechtfertigend dahingehend, dass diese Unbestimmtheit aus den
„Besonderheiten des Denkmalschutzrechtes“ (Strobl § Sieche 2010, 55) folgen würde; womit natürlich
implizit gemeint ist, dass es für das Denkmalschutzrecht notwendig wäre, dass diese Begriffe so
unbestimmt sind, weil die Eigenheiten der Materie des Denkmalschutzes das erforderlich machen;
oder, anders gesagt: dass letztendlich aus denkmalschützerischer Sicht jede beliebige Sache ein
schützenswertes Denkmal sein könnte und man daher vorab nicht genauer generalisierend definieren
kann, was tatsächlich eines ist; sondern sich das immer erst bei der sachverständigen Betrachtung der
konkreten Sache im Einzelfall bestimmen lässt.
Das unlösbare Problem des Ziels der Denkmalpflege
Aus denkmalschützerischer Sicht betrachtet ist das auch tatsächlich vollkommen richtig: ob eine Sache
so bedeutend ist, dass es (wenigstens vorerst für beliebige, nicht näher bestimmte, Individuen und
damit wenigstens in diesem Sinn) „für die Allgemeinheit“ wichtig ist, dass sie nicht der
Handlungsfreiheit eines beliebigen Einzelnen – und damit möglicherweise dessen individueller (lies:
privater) Entscheidung, sie zu beschädigen oder gar zu zerstören – überlassen bleiben kann, hängt
ausschließlich davon ab, ob dieser Sache von irgendwem (d.h. normalerweise irgendwelchen Dritten,
die sich vom Handelnden unterscheiden) ein hoher Wert zugemessen wird (siehe z.B. Krischok 2016,
63-94; Carman 1996, 21-44; cf. die Definition in Art. 2b der Konvention von Faro, Europarat 2005). Der
„Wert“, der das „Denkmal“ von einer „gewöhnlichen“ Sache unterscheidet, wohnt ihm also nicht –
wie das früher auf Basis romantischer Vorstellungen gerne angenommen wurde – inhärent inne,
sondern wird ihm sozial zugeschrieben. Nachdem nun aber ungünstigerweise jeder Sache oder
Kategorie von Sachen von irgendwem sozial besonderer Wert zugeschrieben werden kann und es so
unendlich viele Möglichkeiten gibt, wie welche Individuen oder Personengruppen welchen Sachen
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
oder Kategorien von Sachen einen für sie subjektiv besonders bedeutenden Wert zuschreiben können,
lässt sich tatsächlich nicht in Form einer präziseren Definition vorausschauend abgrenzen, welche
Sachen oder Kategorien von Sachen nun einen solchen „besonderen“ Wert haben können und welche
nicht.
Tatsächlich ist diese Möglichkeit zur sozialen Wertzuschreibung, wie sich die Denkmalpflege
inzwischen weitgehend einig ist (siehe https://ich.unesco.org/ [2.10.2017]), nicht einmal auf Sachen
im materialrechtlichen Sinn beschränkt, also auf Dinge, die man (wenigstens theoretisch) körperlich
angreifen kann, sondern umfasst auch immaterielle Kulturgüter, d.h. z.B. überhaupt keinen
materiellen Niederschlag hinterlassende Verhaltensweisen und reine Ideen. Letzteres ist zwar für die
staatliche Denkmalpflege im herkömmlichen Sinn irrelevant, was aber nichts daran ändert, dass auch
„immaterielle Sachen“ aus denkmalpflegerischer Sicht erhaltenswert sein können.
Ziel der Denkmalpflege – hier verstanden als kulturelle Praxis, nicht (nur) als staatliche
Verwaltungsaufgabe – aus ihrer Eigensicht ist es nun, alle diese wertvollen Kulturgüter bzw. Denkmale
(§ 1 Abs. 11 bestimmt, dass diese Begriffe in Österreich im rechtlichen Sinn ihrer Verwendung im
DMSG gleichbedeutend sind) vor dem Verlorengehen (ob nun bei materiellen Sachen durch
Zerstörung oder auch nur signifikante Veränderung oder bei immateriellen durch Vergessen oder
Unterlassen) zu bewahren, d.h. sie für gegenwärtige und zukünftige Generationen von Menschen, die
ihnen Wert zuweisen und sie daher im weitesten Sinn „haben“ wollen, zu erhalten. Das führt aber
zwingend zu dem unlösbaren Problem, dass man, nachdem man ja nicht a priori wissen kann, ob nicht
irgendwelche Menschen jedweder beliebigen materiellen und immateriellen Sache derzeit einen
besonderen Wert zuweisen oder irgendwann einmal in der Zukunft zuweisen werden, eigentlich jede
Sache dauerhaft erhalten muss. Aber das ist natürlich nicht möglich; nicht einmal theoretisch; weil wir
ja aufgrund von biologischen Notwendigkeiten wenigstens irgendwelche Sachen konsumieren, d.h.
essen müssen, wodurch diese Sachen unweigerlich wenigstens signifikant verändert, wenn nicht sogar
vollständig zerstört werden; und wir natürlich überleben müssen, damit den Kulturgütern von
irgendjemandem überhaupt irgendein Wert zugemessen werden kann, der ihre Erhaltung erforderlich
machen würde.
Schon gar nicht ist es rechtlich möglich, wenigstens soweit materielle Sachen betroffen sind, die ja in
unserer Rechtsordnung in der Regel irgendjemandes Eigentum sind. Ihr Eigentümer muss nämlich,
damit das Konzept des „Eigentums“ überhaupt den Sinn haben kann, den es hat, mit den konkreten
Sachen, die sein Eigentum sind, eigentlich (wenn auch potentiell mit gewissen Einschränkungen)
machen können, was er will; d.h. sie gegebenenfalls auch willkürlich signifikant verändern oder gar
zerstören dürfen; weil die rechtlich verbindliche Verfügungsgewalt über das Schicksal einer Sache ist
ja genau das, was das Eigentumsrecht überhaupt erst ausmacht. Genau das – die willkürliche
Ausübung des Eigentumsrechts durch den Einzelnen zur signifikanten Veränderung oder gar
Zerstörung von Denkmalen, also von Sachen, die jetzt oder in der Zukunft irgendjemand anderem so
wichtig sind oder werden könnten, dass sie erhalten werden müssen – gilt es jedoch aus
denkmalpflegerischer Sicht zu verhindern. Diese beiden Prinzipien bzw. Ziele schließen einander aber
gegenseitig aus.
Hinzu kommt noch das Problem, dass, damit ein Rechtssystem überhaupt als solches funktionieren
kann (und nicht eine Willkürherrschaft ist), Rechtssicherheit bestehen muss; d.h. der einzelne
Normunterworfene wissen (können) muss, was nun rechtmäßig und was rechtswidrig ist, damit er
überhaupt sein Verhalten entsprechend vernünftig gestalten, also rechtmäßige (erlaubte und
gebotene) Handlungen setzen und rechtswidrige (verbotene) Handlungen unterlassen kann. Das muss
er natürlich, wie schon mehrfach erwähnt, ex ante wissen; d.h. der rechtmäßige Eigentümer muss
vorab wissen, was er mit Sachen, die in seinem Eigentum stehen, sowohl – sozusagen aktiv von sich
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Ziele und Motive
aus – tun darf oder sogar tun muss, als auch – sozusagen passiv – nicht tun darf, weil er sein Verhalten
sonst unmöglich so gestalten kann, dass er das geltende Recht nicht, und sei es nur unbeabsichtigt,
verletzt. Genau das kann ihm aber nun die Denkmalpflege eigentlich nicht vorab generell sagen, weil
sie eigentlich überhaupt nur ex post beurteilen kann, ob durch eine schon gesetzte Handlung nun eine
Sache, die, weil sie irgendjemand anderer für wertvoll betrachtet, nicht der uneingeschränkten
Eigentümerwillkür überlassen bleiben darf, so zerstört oder so maßgeblich verändert worden ist, dass
der Eigentürmer die Handlung nicht so setzen hätte dürfen, wie er es gewollt und gemacht hat. Man
kann aber nicht von jemandem verlangen, dass er ex ante etwas weiß, was erst ex post bestimmt
werden kann, weil sich das – wie gesagt – ebenfalls gegenseitig ausschließt.
Wenn es also zur Situation kommt, dass der Staat den Konflikt zwischen dem berechtigten
Eigentumsinteresse des Einzelnen, mit seinen Sachen machen zu dürfen, was er will – inklusive sie
gegebenenfalls zu zerstören oder signifikant zu verändern – und dem ebenfalls berechtigten
Denkmalschutzinteresse der „Allgemeinheit“, dass er genau das nicht tun darf, damit diese Sachen
eben nicht zerstört oder signifikant verändert werden, entscheiden muss, muss er sich entweder dafür
entscheiden, das Eigentumsinteresse des Einzelnen oder das Denkmalschutzinteresse der
„Allgemeinheit“ vor dem jeweils anderen zu schützen. Einen Mittelweg, der beide Interessen zu
wahren erlaubt, gibt es nicht, weil sich diese gegenseitig ausschließen. Genau diese Entscheidung zu
treffen, ist schon im Einzelfall jedenfalls unangenehm für die Seite, gegen deren Interessen der Staat
entscheidet. Sie generell treffen zu müssen wäre jedoch noch viel unangenehmer, nicht nur für den
Staat, der dadurch ja gezwungen wäre, entweder die Eigentumsgarantie oder aber den
Denkmalschutz ganz aufzugeben, was beides bis zu einem gewissen Grad unpopulär wäre; sondern
mehr noch für die Seite, deren Interessen der Staat durch seine Entscheidung zu rechtlich irrelevanten
Interessen erklären würde.
Die Frage, welche Seite das wäre, brauchen wir hier erst gar nicht weiter zu diskutieren. Schließlich ist
das Konzept des Privateigentums eines, das derart zentral und fundamental nicht nur für unsere
Rechts-, sondern für unsere Gesellschaftsordnung insgesamt ist, dass wir uns eine funktionierende
Gesellschaft ohne Privateigentum fast gar nicht vorstellen können; geschweige denn dass
irgendjemand, nicht einmal wir selbst, sein eigenes Privateigentum aufgeben wollen würde. Nicht nur
ist der Denkmalschutz weit weniger wichtig für unser Gesellschaftssystem, man braucht sogar nicht
einmal allzu weit in die Vergangenheit zurückschauen, um zu sehen, dass es eine rechtliche Regelung
des Denkmalschutzes überhaupt nur dann braucht, wenn der Staat eine solche will: schließlich hat es
vor 100 Jahren in den meisten unserer Länder noch gar keine Denkmalschutzgesetze im heutigen Sinn
gegeben, sondern der Denkmalschutz war weitgehend eine Privatinitiative, die den Eigentümern von
Sachen selbst überlassen geblieben ist. Hier ist es bis zum Schluss, dass das damals ja auch irgendwie
funktioniert hat – schließlich sind ja noch viele Denkmale da – nicht gerade weit. So gesehen fiele eine
generelle Entscheidung des Staates sicherlich gegen uns und unsere denkmalpflegerischen Interessen
aus, nicht gegen die der Eigentümer.
Die schwere Wahl zwischen unterschiedlichen Schutzzugängen
Es ist also ein Abwägungsprozess notwendig, wenn man den Denkmalschutz auch nur in irgendeiner
Weise im Rechtssystem verankern will, bei dem Denkmalschutz- gegen Eigentümerinteressen
abgewogen werden, um in jedem Einzelfall zu einem Schluss zu kommen, welches Interesse jetzt in
diesem konkreten Fall überwiegt und daher das andere aufgegeben werden muss. Diesen Prozess
muss der Staat gesetzlich regeln und auch dafür Sorge tragen, dass die jeweils im Einzelfall zu
treffenden Entscheidungen auch tatsächlich getroffen werden. Dafür, wie er diesen Prozess im Detail
regelt, gibt es nahezu unzählige verschiedene Möglichkeiten.
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Wie er diesen Prozess aber – stets bedenkend, dass er dadurch Rechtssicherheit für die
Normunterworfenen, also den Durchschnittsbürger, der eben vorab wissen (können) muss, was er mit
seinem Eigentum machen darf und muss, und was er mit ihm keinesfalls machen darf, herstellen muss
– grundsätzlich regelt, dafür hat er nur zwei Möglichkeiten, zwischen denen er, wenn er das Problem
sauber lösen will (und das muss er eigentlich), wählen muss. Diese beiden grundsätzlichen
Lösungsmöglichkeiten sind:
1. Der Gesetzgeber bestimmt vorab – eben durch Legaldefinitionen – hinreichend genau, welche
Sachen solche sind, bei denen die Allgemeinwohlinteressen des Denkmalschutzes die privaten
Interessen des Einzelnen überwiegen und ersteren daher vor letzteren der Vorrang
einzuräumen ist.
2. Der Gesetzgeber bestimmt, dass jeweils im Einzelfall auf Basis der sachverständigen
Beurteilung gesetzlich als relevant ausgewiesener (z.B. wissenschaftlicher, künstlerischer,
etc.) Werte bezüglich der konkreten Sache zu bestimmen ist, ob diese konkrete Sache eine
solche ist, bei der die Allgemeinwohlinteressen des Denkmalschutzes die privaten Interessen
des Einzelnen überwiegen und ersteren daher vor letzteren der Vorrang einzuräumen ist.
Entscheidet sich der Gesetzgeber für die erste Variante, muss er, weil ja der Durchschnittsbürger in
diesem Fall ex ante, also bevor er irgendetwas mit ihnen macht, von sich aus schon allein anhand der
Legaldefinition erkennen (können) muss, welche der Sachen, die seinem Eigentum angehören, jetzt
derart beschaffen sind, dass er mit ihnen machen darf, was er will (inklusive sie zerstören oder
maßgeblich verändern) und welche so beschaffen sind, dass er mit ihnen nur das machen darf, was
sie nicht zerstören oder so maßgeblich verändern kann, dass sie nicht erhalten bleiben, eine
Legaldefinition erlassen, die eindeutig und allgemeinverständlich ist. Denn der Gesetzgeber muss ja
für einen solchen Schutz von Denkmalinteressen auf Basis des deklaratorischen Prinzips dafür sorgen,
dass auch der durchschnittlich gebildete und vernünftige Bürger, wenn er eine in seinem Eigentum
stehende Sache mit dieser Legaldefinition vergleicht, wenigstens in der überwältigenden Mehrheit
aller Fälle (besonders komplexe Grenzfälle, die nicht eindeutig entscheidbar sind, kann man natürlich
durch keine noch so genaue Definition ausschließen) selbstständig korrekt entscheiden kann, ob sie
der Legaldefinition entspricht.
Natürlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie eine derartige Legaldefinition gestaltet werden
kann; so z.B. durch Festsetzung eines absoluten Mindestalters, das so weit in der Vergangenheit liegt,
dass auch dem Durchschnittsbürger nahezu immer unmittelbar klar sein muss, dass eine konkrete
Sache dieser Legaldefinition entspricht. Sagt man z.B. „wenigstens ungefähr 500 (+/- 100) Jahre alt“,
kann man wenigstens in der Regel davon ausgehen, dass alle Sachen, die tatsächlich so alt sind, sich
von (deutlich) jüngeren Gegenständen so maßgeblich in Form, Material, Erhaltungszustand und
anderen offensichtlichen Eigenschaften unterscheiden, dass das auch der Durchschnittsbürger
wenigstens in nahezu allen Fällen korrekt erkennen und danach dann auch sein Handeln ausrichten
kann. Eine andere Möglichkeit wäre es z.B. zu bestimmen, dass eine Sache offensichtlich so lange aus
dem Gebrauch gekommen sein muss, dass ihre ursprüngliche Funktion nicht ohne unverhältnismäßig
großen Aufwand wiederhergestellt werden kann. Ob etwas so kaputt ist, dass man es nicht mehr wie
gedacht benutzen und auch nicht mehr recht billig reparieren kann, kann auch jeder
Durchschnittsbürger in nahezu allen Fällen einigermaßen korrekt selbstständig erkennen.
Sind die gewählten Legaldefinitionen hingegen nicht genau genug, dass der Bürger die Entscheidung,
ob eine Sache der Legaldefinition entspricht, selbst treffen kann, bricht der Denkmalschutz nach
diesem Modell in sich zusammen, weil der Bürger dann ja gerade nicht wissen kann, bei welchen
konkreten Sachen er die denkmalschutzgesetzlichen Rechtsvorschriften zu beachten und bei welchen
er diese ignorieren kann. Kann er das aber nicht wissen, braucht er sich an gar keine der geltenden
63
Ziele und Motive
denkmalschutzgesetzlichen Rechtsvorschriften halten, weil ihm notwendigerweise die für Strafbarkeit
jedenfalls notwendige Einsicht fehlt, damit Unrecht zu tun, wenn er sie missachtet: er befindet sich
zwingend im für ihn unvermeidbaren und somit schuldbefreienden Verbotsirrtum.
Entscheidet er sich für die zweite Lösungsmöglichkeit, kann sich der Gesetzgeber hingegen ersparen,
eine genaue und allgemeinverständliche Legaldefinition für den bzw. die zentralen gesetzlichen
Begriffe wie Denkmal, Bodendenkmal etc. zu erlassen, sondern stattdessen einen mehr oder minder
unbestimmten Rechtsbegriff definieren, wie z.B. „von Menschen geschaffene Sachen von
wissenschaftlichem Wert (= „Denkmal“)“, der dann erst in der Vollziehung von der damit betrauten
Behörde mit genauerem Inhalt gefüllt wird. Nachdem in diesem Fall ja die Entscheidung, ob eine ganz
bestimmte Sache ein Denkmal ist, im jeweils konkreten Einzelfall der Behörde überlassen bleibt, ist es
vollkommen gleichgültig, ob der Durchschnittsbürger den unbestimmten Rechtsbegriff kennt,
versteht, oder auch nur in irgendeinem beliebigen konkreten Einzelfall korrekt auslegen kann. Er muss
das nicht wissen, weil ja eben gerade nicht er selbst, sondern die Behörde zu entscheiden hat, ob eine
konkrete Sache, die ihm gehört, nun derart beschaffen ist, dass sie der Legaldefinition entspricht und
daher seine Eigentümerwillkür in Bezug auf diese Sache eingeschränkt ist oder ob sie dieser nicht
entspricht und er daher mit der Sache (wenigstens aus denkmalrechtlicher Sicht) tun und lassen kann,
was er will.
Wie Gesetzgeber und/oder Behörde diesen Entscheidungsprozess nun genau gestalten, bleibt ihnen
selbst überlassen und kann neuerlich im Detail variieren. So z.B. kann die Behörde sachverständiges
Personal beschäftigen, das diese Entscheidung trifft; d.h. wenn es um Bodendenkmale geht,
graduierte ArchäologInnen als Amtssachverständige beschäftigen, die sowohl im konkreten Einzelfall
die sachverständige Beurteilung vornehmen als auch entscheiden, ob irgendeine konkrete Sache, die
ihnen vorgelegt wird, ein Denkmal im Sinne der Legaldefinition des Begriffs ist. Oder sie kann z.B. nur
Juristen beschäftigen, die vom archäologisch-wissenschaftlichen Wert der Sachen, die der Behörde
vorgelegt werden, nicht die geringste Ahnung haben und die z.B. auf Basis von extern zugekauften
Sachverständigengutachten entscheiden.
Aber wie auch immer dieser Prozess zum Schutz der Denkmalinteressen nach dem konstitutiven
Prinzip genau gestaltet ist, es ist unter diesem Zugang unabdingbar, dass zuerst einmal die Behörde
im konkreten Einzelfall entschieden hat, ob eine Sache ein schützenswertes Denkmal ist, bevor die
denkmalschutzgesetzlichen Rechtsvorschriften auf sie angewendet werden können. Denn bis die
Behörde diese Entscheidung getroffen hat, kann der Durchschnittsbürger nicht wissen, ob die
konkrete Sache, um die es geht, nun ein Denkmal ist, das er als solches zu behandeln hat, oder nicht.
Nachdem er ex ante, d.h. bevor er mit der konkreten Sache irgendetwas macht, wissen (können) muss,
was er mit ihr nun überhaupt machen darf; aber die Behörde entscheidet, welche Art von Sache –
Denkmal oder kein Denkmal – eine konkrete Sache nun ist; können die Bestimmungen des jeweiligen
Denkmalschutzgesetzes bezüglich jeder konkreten Sache immer erst dann greifen, wenn die Behörde
auch tatsächlich schon entschieden und ihre Entscheidung dem Bürger auch mitgeteilt hat.
Der Gesetzgeber kann sich nun, nachdem beide diese grundsätzlichen Lösungsmöglichkeiten für das
Problem der Abwägung zwischen privaten Eigentums- und öffentlichen Denkmalschutzinteressen
rechtlich zulässig sind, wie er es für richtig hält frei zwischen diesen beiden Zugängen entscheiden. Er
kann sie sogar bis zu einem gewissen Grad kombinieren, z.B. indem er für eine bestimmte Art von
Denkmalen – z.B. Bodendenkmale – einen Schutz nach dem deklaratorischen, für alle andere Arten
von Denkmalen – z.B. Bau- und Kunstdenkmale – einen Schutz nach dem konstitutiven Prinzip
vorsieht. Solche Kombinationen verkomplizieren die Sache zwar zumeist maßgeblich (schon allein aus
Gründen der Zuordnung von Sachen in die eine oder andere Kategorie), aber wenigstens theoretisch
ist das möglich.
64
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Was der Gesetzgeber aber nicht machen kann, ist diese beiden verschiedenen Zugänge mischen, weil
sie nicht nur nicht miteinander vereinbar sind, sondern sich sogar ganz direkt gegenseitig
ausschließen. Muss bei der ersten Variante der Staatsbürger selbst wissen (können), welche Sachen
Denkmale im Sinne des Gesetzes sind und dies daher auch ohne besonderen Sachverstand bestimmen
können, setzt die zweite Variante eine Beurteilung auf Basis besonderen Sachverstands voraus, den
man vom Durchschnittsbürger per Definition nicht erwarten kann, und es muss ihm daher die
zuständige Behörde erst einmal sagen, welche konkreten Sachen überhaupt Denkmal im Sinne des
Gesetzes sind. Mischt man die beiden Zugänge also, kommt man entweder unweigerlich bei der
Annahme des schrödingerischen Bürgers an, der gleichzeitig über besonderen Sachverstand verfügen
muss aber diesen nicht haben kann; oder bei einem schrödingerischen Gesetz wie dem DSchG-HH,
dessen Schutzvorschriften automatisch auch für alle die Denkmale gelten, die die Denkmalbehörde
noch nicht zu solchen erklärt hat, aber beim Umgang mit einer konkreten Sache nicht beachtet werden
müssen, bevor die Denkmalbehörde diese Sache zu einem Denkmal erklärt hat.
Die denkmalpflegerischen Vor- und Nachteile der Lösungsmöglichkeiten
Aus denkmalpflegerischen Sicht haben diese beiden unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten
ungünstigerweise jeweils unterschiedliche und einander sogar diametral entgegengesetzte Vor- und
Nachteile.
Die erste Variante hat den bedeutenden Vorteil, dass ein gesetzlicher Schutzautomatismus greift und
daher der Staat bzw. dessen zuständige Behörde (wenn es denn überhaupt eine gibt; unbedingt
notwendig ist eine solche nämlich unter diesem Zugang nicht) von der Existenz einer schützenswerten
Sache überhaupt nicht wissen (und theoretisch sogar nie erfahren) muss, damit diese (wenigstens
theoretisch) geschützt ist: der Bürger kann (wiederum wenigstens theoretisch, wenn die
Legaldefinition präzise genug dafür ist) und muss sogar selbst erkennen, ob eine konkrete Sache ein
schützenswertes Denkmal ist, und diese daher – natürlich vorausgesetzt er hat sie richtig erkannt und
hält sich an das Denkmalschutzgesetz – dann auch unmittelbar entsprechend der denkmalrechtlichen
Schutzvorschriften behandeln. Der Staat bzw. seine Organe haben daher unter diesem Zugang nur im
Bedarfsfall – z.B. wenn sie einen begründeten Verdacht haben, dass ein Einzelner die
denkmalrechtlichen Schutzbestimmungen, ob nun irrtümlich, fahrlässig oder vorsätzlich, bezüglich
eines konkreten, schützenswerten Denkmals nicht beachtet – nachzuprüfen, ob der Einzelne in einem
konkreten Einzelfall, in dem er die relevanten Schutzvorschriften mutmaßlich zu beachten gehabt
hätte, sie auch tatsächlich einzuhalten gehabt hätte und, falls ja, auch wirklich (nun in der Praxis)
eingehalten hat. Für diese Nachprüfung bedarf es sogar eventuell gar keiner eigenen
Denkmalbehörde, sondern sie kann auch z.B. der normalen Gerichtsbarkeit auf Basis extern
zugekaufter Sachverständigengutachten überlassen werden.
Das ist von großem Vorteil für die Erhaltung von Denkmalen, die zwar so beschaffen sind, dass ihre
Erhaltung aufgrund ihres Werts tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist, aber die – aus
welchen Gründen auch immer – dem Staat bzw. seinen zuständigen Organen noch nicht bekannt
geworden sind. Nachdem damit auch (einer allfällig bestehenden Denkmalbehörde) noch unbekannte
Sachen geschützt werden können, kann man bei oberflächlicher Betrachtung sogar, wenngleich auch
nur irrtümlich, zum Schluss kommen, dass auf diesem Weg sogar noch gänzlich (d.h. jedermann)
unbekannte Denkmale geschützt werden können. Tatsächlich geht das natürlich auch unter dieser
Variante nicht, weil ja auch der Einzelne, der die Entscheidung im konkreten Einzelfall treffen muss,
sie erst treffen kann, wenn er die konkrete Sache kennt, um die es geht: das wirklich (noch jedermann)
unbekannte Denkmal lässt sich also auch damit nicht schützen.
65
Ziele und Motive
Der wirkliche Vorteil dieser Lösungsmöglichkeit ist also der, dass der Zeitpunkt, ab dem die
gesetzlichen Schutzbestimmungen greifen, wenigstens direkt an den Punkt vorverlegt wird, an dem
auch dem Durchschnittsbürger erkennbar wird, dass die betreffende Sache der Legaldefinition des
Denkmalbegriffs entspricht und sie daher von diesem Moment an so behandelt werden muss, wie es
die gesetzlichen Schutzbestimmungen vorsehen. Das bedeutet übrigens nicht nur bei zuvor noch
jedermann gänzlich unbekannten Sachen eine Vorverlegung des Wirksamwerdens des Schutzes an
den Zeitpunkt ihrer (erstmaligen) Entdeckung, sondern auch, wenn sich die Bewertung einer
konkreten, gegebenenfalls auch schon seit langem, bekannten Sache verändert, eine Vorverlegung
des Wirksamwerdens des Schutzes an den Zeitpunkt dieser Bewertungsänderung.
Das hilft, wenigstens soweit es praktisch möglich ist, enorm dabei, das Wunschziel der Denkmalpflege
zu erreichen, alle Denkmale zu schützen, die es gibt: man kann zwar natürlich trotzdem Sachen, denen
erst durch zukünftige Generationen Denkmalwert zugeschrieben werden wird, nicht den gesetzlichen
Schutzbestimmungen unterwerfen, weil man das ja nicht wissen kann. Aber man kann wenigstens
jede Sache den gesetzlichen Schutzbestimmungen unterwerfen, sobald ihr Denkmalwert
zugeschrieben oder dieser erstmalig (z.B. durch ihre Entdeckung) erkennbar wird.
Der große Nachteil dieses Zugangs ist aber, dass er keinen fein nuancierten Denkmalschutz ermöglicht.
Schließlich obliegt die Entscheidung der Frage, ob eine Sache nun ein Denkmal ist, in jedem Einzelfall
dem einzelnen Durchschnittsbürger, dem besonderer Sachverstand per Definition fehlt. Es ist also
unter diesem Zugang eine einfache, allgemeinverständliche Legaldefinition der zentralen Begriffe des
Denkmalschutzgesetzes unumgänglich notwendig, die auch der Durchschnittsbürger wenigstens
normalerweise richtig in der Praxis anwenden kann. Damit erhält man aber entweder zwingend ein
sehr grobes Denkmalbestimmungsnetz, durch dessen große Maschen viele Sachen fallen, die bei
sachverständiger Betrachtung als wertvolle Denkmale erkannt werden würden, oder aber einen
Denkmalbestimmungsvorschlaghammer, der zahllose Sachen trifft, die bei sachverständiger
Betrachtung niemals als wertvolle Denkmale betrachtet werden würden, oder, am
wahrscheinlichsten, sogar beides zugleich, d.h. einen Denkmalfilter, durch den viele Sachen mit
Denkmalwert fallen, der aber gleichzeitig viele Sachen ohne erfasst.
Um das kurz an den oben genannten Beispielen für auch für Durchschnittsbürger brauchbare
Definitionen zu zeigen: der Legaldefinition „so kaputt, dass die Reparatur zur Wiederherstellung der
Verwendbarkeit unrentabel ist“ entsprechen zwar die meisten „Bodendenkmale“. Aber z.B. gut
erhaltener prähistorischer Goldschmuck – der bei sachverständiger Betrachtung mutmaßlich als
Denkmal betrachtet werden würde – entspricht ihr nicht, weil man ihn meist überhaupt nicht
reparieren muss, um ihn wieder als Schmuckstück tragen zu können. Der normale Hausmüll, den wir
alle tagtäglich produzieren, entspricht ihr hingegen nahezu vollständig. Wendet der
Durchschnittsbürger diese Legaldefinition also rechtlich korrekt an, muss er seinen Hausmüll als
Denkmal behandeln, aber darf mit prähistorischem Goldschmuck alles machen, was er will. Ein
ähnliches Resultat würde auch durch jede andere vorstellbare Legaldefinition des Denkmalbegriffs
erreicht, auch wenn die Selektion der Sachen, die einem anders definierten Denkmalbegriff
entsprechen, natürlich bis zu einem gewissen Grad anders ausfallen würde. Die oben genannte
absolute Altersgrenze würde z.B. den prähistorischen Goldschmuck jedenfalls, aber nicht den
modernen Hausmüll, zu einem Denkmal machen; aber dafür auch alle neuzeitlichen, inklusive z.B.
Sachen aus der NS-Zeit, aus dem Denkmalbegriff ausschließen, die man aus denkmalpflegerischen
Gründen durchaus erhalten wollen würde.
Letztendlich greift der Denkmalschutz unter diesem Zugang immer nur extrem grob; und mag zwar in
der Theorie „automatisch“ agil bei Änderungen in der Beurteilung des Denkmalwerts von bestimmten
Sachen „sofort“ greifen, tut das aber in der Praxis aufgrund ebendieser Grobheit erst recht nicht. Denn
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
es reicht ja unter diesem Zugang eben gerade nicht, dass sich die sachverständige Beurteilung des
Denkmalwertes einer bestimmten (Art von) Sache ändert, die der Durchschnittsbürger eben gar nicht
wissen kann, sondern man muss bei einer solchen Änderung erst einmal die allgemeinverständliche
Legaldefinition des Denkmalbegriffes so abändern, dass auch jeder Durchschnittsbürger erkennen
kann, dass manche Sachen, die zuvor nicht der Legaldefinition des Begriffs entsprachen, es nun doch
tun.
Man kann also auf diesem Weg zwar auch solche Sachen „sofort“ den denkmalrechtlichen
Schutzvorschriften unterwerfen, von deren Existenz eine allfällig existierende Denkmalbehörde nicht
das mindeste weiß, und somit viele Denkmale, die andernfalls nicht geschützt wären, auf gesetzlichem
Weg (zu) erhalten (versuchen). Dafür muss man aber einen groben Klotz auf einen ebenso groben Keil
setzen und verliert damit zwingend immer auch eine ganze Menge von Sachen, denen
Sachverständige durchaus einen Denkmalwert zuweisen würden.
Die denkmalpflegerischen Vor- und Nachteile der zweiten Lösungsvariante sind diesen exakt
entgegengesetzt. Der große Vorteil der zweiten Variante ist, dass diese einen sehr nuancierten
Denkmalschutz zulässt, weil ja eben die Beurteilung der Frage, ob eine Sache ein Denkmal ist, über
besonderen Sachverstand verfügenden Experten überlassen ist. Das ermöglicht es – bei ausreichend
breiter Legaldefinition des Denkmalbegriffs, wie z.B. „alle heimatgeschichtlich besonders wichtigen
Sachen“ – auch solche Sachen den denkmalschutzrechtlichen Schutzbestimmungen zu unterwerfen,
bei denen der Durchschnittsbürger niemals auch nur im Entferntesten auf die Idee kommen könnte,
dass es sich dabei um ein Denkmal handeln könnte. Denn der alte, abgenutzte, stark korrodierte und
nach nichts besonderem ausschauende Metallknopf, den er auf seinem Acker gefunden hat und den
er für bloßen Mist hält, kann ja – z.B., weil man das bei einer Untersuchung aufgrund von auf ihm noch
erhaltenen DNA-Spuren und deren Vergleich mit erhaltenen DNA-Proben ermitteln kann – der
Jackenknopf sein, der von Napoleons Jacke abgerissen ist, als er gerade am Weg zu einer bedeutenden
Schlacht war.
Auch das Umgekehrte gilt: weil eben die Beurteilung, welche Sachen im Allgemeinwohl erhaltenswert
sind, Experten überlassen ist, wird nicht völlig unnötig auch haufenweise „alter Mist“ den
Schutzvorschriften des Denkmalschutzgesetzes unterworfen. Man spart sich somit – was rechtlich
enorm wichtig ist – unnötige Eingriffe in die Eigentumsrechte privater Eigentümer und kann noch dazu
die dem Denkmalschutz zur Verfügung stehenden Ressourcen effektiver – weil gezielt – für die
Erhaltung wirklich wichtiger Denkmale verwenden.
Man kann auf diesem Weg auch viel eher auf feine Veränderungen in der Beurteilung des
Denkmalwertes von bestimmten (Arten von) Sachen reagieren. Es genügt unter diesem Zugang
schließlich vollständig, dass von sachverständigen Kreisen erkannt wird, dass etwas, was zuvor als
nicht so wichtig beurteilt wurde, nun plötzlich doch als wichtig zu betrachten ist, um von diesem
Moment an auch solche Sachen zu Denkmalen erklären zu können, die dann auch den gesetzlichen
Schutzbestimmungen unterworfen sind. Im Notfall – kommt man z.B. drauf, dass es Sachen gibt, die
für die gartenbauliche Phytotechnologie so bedeutend sind, dass ihre Erhaltung deswegen im
öffentlichen Interesse gelegen ist – kann man entsprechende Sachverständige bei der
Denkmalbehörde anstellen und somit auch die für diese Wissenschaft wichtigen Sachen unter
Denkmalschutz zu stellen beginnen.
Das alles hilft dabei, das Wunschziel der Denkmalpflege zu erreichen, alle Sachen unter Denkmalschutz
zu stellen, die so bedeutend sind, dass sie erhaltenswert sind.
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Ziele und Motive
Der große Nachteil dieses Zugangs ist es allerdings, dass der gesetzliche Schutz erst zu greifen beginnt,
sobald wenigstens ein Sachverständiger eine konkrete, möglicherweise ein Denkmal sein könnende,
Sache begutachtet und dabei festgestellt hat, dass sie tatsächlich ein Denkmal ist. Nachdem eine
solche Begutachtung durch einen Sachverständigen aber ein sowohl zeitaufwändiger als auch (schon
allein aufgrund des dafür nötigen Zeitaufwandes) kostenintensiver Prozess ist und der
Denkmalbehörde stets nur (und das zumeist noch sehr strikt) beschränkte Zeit- und Geldressourcen
zur Verfügung stehen; und man sich daher die meisten Sachen, die es gibt, nicht anschauen kann; kann
man nur einen verschwindend geringen Teil aller Sachen, die es gibt, derartig begutachten.
Schlimmer noch, die Begutachtung kann in der Regel überhaupt erst dann erfolgen, wenn die konkrete
Sache, die der Denkmalwürdigkeit verdächtig ist, der zuständigen Behörde bekannt und zugänglich
wird. Das ist aber bei der überwältigenden Mehrheit aller Sachen, die es gibt, niemals der Fall; schon
allein weil deren Eigentümer (oder Entdecker) überhaupt nicht auf die Idee kommt, dass es sich bei
dem „alten Mist“ (oder auch „jungen Mist“), den er aufgrund seines fehlenden besonderen
Sachverstandes für absolut wertlos hält, um ein Denkmal handeln könnte. Wenn er aber gar nicht auf
die Idee kommt, dass etwas ein Denkmal sein könnte, kommt er natürlich auch nicht auf die Idee, dass
er diese Sache vielleicht erst einmal, bevor er irgendetwas mit ihr tut, der Denkmalbehörde vorlegen
sollte, damit die entscheiden kann, ob das, was er für absolut wertlos hält, nicht doch vielleicht so
wertvoll ist, dass es als Denkmal geschützt sein sollte.
Man kann auf diesem Weg also eine Menge von Sachen, die zwar der Sachverständige, aber niemals
der Durchschnittsbürger, als bedeutende Denkmale erkennen kann, den denkmalrechtlichen
Schutzvorschriften unterwerfen und somit viele Denkmale auf gesetzlichem Weg (zu) erhalten
(versuchen). Man verliert dabei aber viele mehr, zu deren Beurteilung die Denkmalbehörde nicht
rechtzeitig kommt oder von deren Existenz sie niemals erfährt, weil der gesetzliche Schutz eben nicht
„automatisch sofort“ greift, sondern erst nachdem die Denkmalbehörde den Denkmalwert einer
konkreten Sache beurteilt hat.
Damit verliert man aber auf jeden Fall, egal für welche der beiden Optionen man sich entscheidet,
wenigstens manche Denkmale, die man aus denkmalpflegerischer Sicht erhalten sollte. Die Frage ist
nur, auf welche man lieber verzichtet: auf alle Denkmale, zu deren Beurteilung eine dafür zuständige
Behörde wenigstens noch nicht gekommen ist oder sogar nie kommen wird, oder auf alle Denkmale,
die nicht auch für den Durchschnittsbürger leicht erkennbar einer allgemeinverständlichen
Legaldefinition des Denkmalbegriffes entsprechen. Man muss sich also entscheiden.
Die Entscheidungsunwilligkeit der (staatlichen) Denkmalpflege
Das Problem ist: genau diese Entscheidung will die Denkmalpflege (und ich meine hier jetzt ganz
bewusst nicht primär die staatliche, sondern die Gesamtheit der Denkmalpfleger und
Denkmalpflegeinteressierten) nicht treffen (Rüsch 2004, insbesondere 4). Wenigstens bis zu einem
gewissen Grad ist das sogar verständlich: es gibt schließlich keine Möglichkeit, zu unterscheiden, durch
welche der beiden Lösungsmöglichkeiten mehr bedeutende Denkmale verloren gehen (würden), weil
das ja – vor allem aus denkmalpflegerischer Sicht mit dem Blick (zumindest auch) auf die
Denkmalinteressen zukünftiger Generationen, die sich überhaupt nicht bestimmen lassen – die
Quantifizierbarkeit des Unbekannten erfordern würde. Die Denkmalpflege in ihrer Gesamtheit muss
und kann diese Entscheidung zu ihrem Glück auch gar nicht treffen, denn sie ist dazu von niemandem
(außer vielleicht sich selbst) befugt.
Der Gesetzgeber hingegen hat diesen Luxus nicht, weil er ja schließlich – weil er zwischen den privaten
Eigentumsinteressen und den, angeblich einem mehr oder minder diffus im Raum schwebenden
Allgemeinwohl dienenden, Denkmalinteressen irgendwie abwägen muss – den Prozess, wie diese
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Abwägung vorzunehmen ist, irgendwie regeln muss. Nur hat er leider von der Materie nicht allzu viel
Ahnung und fragt daher Experten.
Solche beschäftigt er wenigstens heutzutage auch, und zwar – nachdem es ja um die rechtliche
Regelung einer Materie geht, die fachlichen Sachverstand zu erfordern scheint – sowohl
Denkmalschutzjuristen als auch professionelle Denkmalpfleger, d.h. Fachwissenschafter, die Studien
abgeschlossen haben, die traditionell als besonders denkmalpflegerelevant betrachtet werden.
Erstere haben normalerweise in erster Linie juristische Fachkompetenz, selbst wenn sie sich, schon
ehe sie in der staatlichen Denkmalpflege zu arbeiten begonnen haben, auch für Denkmalpflege
interessiert haben sollten, und sind daher ihrerseits, was die inhaltliche Ausgestaltung der von ihnen
zu entwerfenden Denkmalschutzgesetze betrifft, auf die fachliche Beratung durch die professionellen
Denkmalpfleger angewiesen. Die Zweitgenannten haben hingegen gewöhnlich hauptsächlich
fachliche Expertise in den wissenschaftlichen Fächern, die sie studiert haben und sind daher, selbst
wenn sie sich schon bevor sie im Denkmalamt zu arbeiten begonnen haben für juristische Fragen
interessiert haben (was meiner Wahrnehmung nach eher selten der Fall zu sein scheint), was die
juristische Umsetzung der von ihnen vorzugebenden, fachlich notwendig erscheinenden,
Erfordernisse des Denkmalschutzes (siehe dazu schon Karl 2016a) betrifft, auf die Expertise ihrer
Juristenkollegen angewiesen. Das führt schon ganz automatisch – wie stets in solchen
interdisziplinären Kollaborationsprojekten – zu Übersetzungsschwierigkeiten, die leicht dazu führen
können, dass das Endprodukt auf die eine oder andere Weise problembehaftet ist.
Das bringt nun die staatlichen Denkmalpfleger in eine äußerst unangenehme Position: de facto
müssten sie für den Gesetzgeber die fachliche Entscheidung treffen, die an dieser Stelle erforderlich
ist; d.h. entscheiden, ob es aus denkmalpflegerischer Sicht besser ist, auf die Denkmale zu verzichten,
zu deren Beurteilung die dafür zuständige Behörde noch nicht gekommen ist oder nie kommen wird,
oder auf jene, die nicht auch für den Durchschnittsbürger leicht erkennbar einer – im Rahmen des
Gesetzgebungsprozesses nun auch konkret in einfache Worte zu fassenden – allgemeinverständlichen
Legaldefinition des Denkmalbegriffes entsprechen. Nachdem sie aber primär Denkmalpfleger sind,
wollen sie das nicht.
Schlimmer noch, weder ihre fachliche Ausbildung noch ihre FachkollegInnen helfen ihnen bei dieser
Entscheidung, sondern machen sie ganz im Gegenteil nur noch schwieriger. Schließlich haben die
staatlichen Denkmalpfleger in der Regel während ihres Studiums den Fachkonsens eingetrichtert
bekommen, der die Denkmalpflege seit etwa 200 Jahren dominiert (Pollak 2011, 227; cf. Smith 2006,
29-34), dass das Ziel der Denkmalpflege der Schutz aller Denkmale ist, und glauben das daher in der
Regel auch selbst. Ihre außerbehördlichen FachkollegInnen glauben das nicht nur aus denselben
Gründen auch, sondern verstehen normalerweise nicht einmal – weil sie sich ja in der Regel überhaupt
nicht mit der nicht unmittelbar den Denkmalschutz betreffenden Gesetzgebung und den generellen
Schranken, die dieser auferlegt sind, auskennen, weil sie darüber nie wirklich etwas gelernt haben,
schon gar nicht in ihrem Studium – warum überhaupt irgendjemand diese Entscheidung treffen sollen
müsste. Die Chance ist sogar recht gut, dass die außerbehördlichen FachkollegInnen der staatlichen
Denkmalpfleger nicht einmal wissen, dass es in dieser Frage überhaupt verschiedene, sich gegenseitig
ausschließende Möglichkeiten gibt, zwischen denen man sich entscheiden kann; bzw. dass sich die
Frage nach dieser Entscheidung überhaupt stellen kann: wir wissen schließlich alle, dass man auf kein
einziges Denkmal verzichten kann.
Die staatlichen Denkmalpfleger stehen also vor dieser unangenehmen Entscheidung, die sie eigentlich
treffen müssten, während sie praktisch alles, sowohl ihre eigenen denkmalpflegerischen Ziel-,
Wunsch- und Wertvorstellungen, als auch ihre Ausbildung, und erst recht ihre FachkollegInnen, dazu
drängen, genau diese Entscheidung nicht zu treffen. Es ist daher äußerst verständlich, dass in dieser
69
Ziele und Motive
wohl sehr einsamen und äußerst unbequemen Situation, in der die, die in sie geraten, nicht einmal
einer externen Kontrolle unterliegen, weil ja außer ihnen selbst überhaupt niemand das Problem
versteht, das sie haben (falls sie es überhaupt selbst verstehen), viele derer, die diese Entscheidung
zwar theoretisch treffen müssten, aber weder treffen wollen noch auf Basis irgendeiner verlässlichen
Entscheidungsgrundlage, die ihnen sagen könnte, welche die bessere Entscheidung ist, treffen
können, ob nun bewusst oder unbewusst nach irgendeinen Ausweg suchen, der es ihnen gestattet,
dieser Zwickmühle zu entkommen, ohne die Entscheidung wirklich treffen zu müssen (siehe in
ähnlichem Sinn, wenn auch anderem Kontext, auch schon Rüsch 2004, 4).
Lost in translation
An dieser Stelle kommen nun wieder die Denkmaljuristen ins Spiel (ob im Denkmalamt oder dem ihm
vorgesetzten Ministerium, oder beides), denn diese sind ja die anderen Personen, die auch in der
Situation sind, gezwungen zu sein, jetzt irgendetwas auf Papier zu bringen, das der Gesetzgeber
wenigstens als Entwurf eines Denkmalschutzgesetzes in das dafür zuständige Gremium, d.h.
normalerweise das für den Beschluss des Gesetzesvorschlags zuständige Parlament oder den Landtag,
bringen kann, damit es von dem (wie das normalerweise der Fall ist) mehr oder minder so wie es
vorgeschlagen wird (aber eventuell mit ein paar kleinen Änderungen auf Grund von Lobbying von
interessierten Dritten oder politischen Präferenzen, vor allem wenn das Gesetz irgendjemanden etwas
kosten soll) durchgewunken wird. Die Denkmaljuristen – einmal abgesehen davon, dass sie durch ihre
Arbeit, selbst wenn sie sich davor nicht dafür interessiert haben, wohl ein gewisses Interesse am
Denkmalschutz entwickelt haben und damit auch vom autorisierten Denkmalpflegediskurs (Smith
2006, 29-34) beeinflusst wurden – kommt nun die Aufgabe zu, juristische Lösungen für
denkmalfachliche Erfordernisse zu finden. Diese finden sie in der Regel dann auch.
Nachdem die Denkmalpfleger sich zumeist nicht wirklich zwischen den beiden oben dargestellten
Lösungsmöglichkeiten entscheiden können und wollen, erklären sie den Juristen daher wohl am
ehesten – wie es ja auch in gewissem Sinn ihre Aufgabe ist – das, was aus fachlicher Sicht erforderlich
erscheint, um das Ziel der Denkmalpflege zu erreichen. Das ist aber nun, in der Regel, dass möglichst
alle Denkmale geschützt werden sollen, so sehr das und auf welchem Weg auch immer das möglich
ist. Das bedeutet im Endeffekt aus denkmalpflegerischer Sicht, aufgebrochen in zwei Schritte, dass
1. jedes Denkmal, das so bedeutend ist, dass seine Erhaltung deswegen im öffentlichen Interesse
gelegen ist, auch tatsächlich durch das Gesetz geschützt werden muss, und zwar – weil ja die
Denkmalbehörde von der Existenz vieler möglicher Denkmale gar nichts weiß und eventuell
nicht einmal wissen kann (weil sie noch gänzlich unentdeckt sind) – ganz automatisch kraft
Gesetzes, damit der Schutz nicht erst dann einsetzt, wenn die Denkmalbehörde im konkreten
Einzelfall den Denkmalwert einer Sache beurteilt hat; und...
an dieser Stelle unterbrechen die Denkmaljuristen die professionellen Denkmalpfleger. Immer schön
eins nach dem anderen, bitte. Aus dieser Erläuterung der fachlichen Notwendigkeiten der
Denkmalpflege folgt nämlich schon zwingend, dass man das Gesetz – wenigstens in den Teilen, die
jene denkmalpflegerisch relevanten Bereiche regeln sollen, in denen man mit einer großen Menge
von Sachen zu tun hat, die zwar möglicherweise Denkmale, aber oft nicht öffentlich sichtbar oder
sogar noch völlig unbekannt (weil z.B. noch unter der Erdoberfläche verborgen) sind – nach dem
deklaratorischen Prinzip aufbauen muss. Schließlich kann man nur dadurch sicherstellen, dass die
Schutzbestimmungen des geplanten Gesetzes nicht erst dann zu greifen beginnen, wenn die
Denkmalbehörde eine Sache vorgelegt bekommen und beurteilt hat, sondern unmittelbar wirken,
ohne dass die Behörde dazu von sich aus irgendetwas tun oder sogar entscheiden muss. Es bedarf
70
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
daher einer Legaldefinition des Denkmalbegriffes, mit der man alle jene Sachen, die so bedeutend
sind, dass sie erhalten werden sollten, automatisch miterfasst.
Es gilt nun also zuerst einmal den Denkmalsbegriff in einer Weise zu definieren, die rechtlich möglich
ist und gleichzeitig dem Bürger erlaubt, auch zu erkennen, dass eine konkrete Sache nicht nur eine
gewöhnliche, sondern so bedeutend ist, dass sie ein Denkmal ist. Die Juristen, die ja in der Regel selbst
nicht genau wissen, was jetzt so bedeutend ist, dass es ein Denkmal ist, fragen also nun die
professionellen Denkmalpfleger, wie man so einen Begriff definieren kann.
Die sagen darauf, dass das natürlich sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich ist, weil, was ohnehin
ihr zweiter Punkt gewesen wäre, was aus denkmalpflegerischer Sicht ebenfalls erforderlich ist, ist,
dass
2. jede Sache, so unbedeutend sie auch auf den ersten Blick erscheinen mag, aufgrund
irgendwelcher besonderer Eigenschaften so bedeutend sein kann, dass sie ein Denkmal ist,
dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist. Um zu beurteilen, ob eine Sache ein
Denkmal ist, braucht es daher besonderen Sachverstand, weil man nur damit sagen kann, ob
die Sache so bedeutend ist, dass man sie im öffentlichen Interesse erhalten muss.
Verallgemeinern könne man das nicht, sondern das müsste man jeweils im Einzelfall
entscheiden.
Aufmerksame Juristen sehen an dieser Stelle zwar ein gewisses Problem, weil das macht nun
eigentlich einen Zugang gemäß dem konstitutiven Prinzip notwendig. Sie drängen daher an dieser
Stelle eventuell darauf, dass man das Gesetz dann also wohl doch eher nach dem konstitutiven Prinzip
gestalten sollte, auch wenn das bedeuten würde, dass damit dann nur solche Sachen durch das Gesetz
geschützt werden würden, deren Denkmalcharakter von der Behörde schon festgestellt worden sei.
Aber das wollen die professionellen Denkmalpfleger nicht und drängen daher ihrerseits darauf, dass
die Juristen, die dieses Problem bemerkt haben, eine rechtliche Lösung finden, mit der man es
wenigstens umgehen, oder noch besser, lösen kann. Die suchen und finden diese Juristen gewöhnlich
dann auch.
Einigermaßen gefinkelte, aufmerksame Juristen sehen eine mögliche Lösung für dieses Problem
sofort, ohne dass man sie dazu drängen muss, eine zu finden. Unaufmerksame Juristen, die das
Problem gar nicht bemerkt haben, weil sie für das geplante Gesetz nur die fachlichen Erfordernisse
Punkt für Punkt abarbeiten (die soll es ja auch geben), kommen allein aufgrund der Nennung der
Einzelfallentscheidung und der Feststellung der fachlichen Unmöglichkeit, vorab allgemein zu
bestimmen, was nun ein Denkmal ist, letztendlich zur gleichen Lösung: die des möglichst breit
gefassten, unbestimmten Rechtsbegriffs als Legaldefinition des Denkmalbegriffs. Das ist umso mehr
der Fall, wenn schon in anderen Ländern der Gesetzgeber auf die gleiche Art vorgegangen ist und
damit Erfolg gehabt zu haben scheint, weil dann kann man sich zur Rechtfertigung dieser Lösung auf
den Parallelfall berufen, in dem das ja auch funktioniert hat.
Der möglichst breit gefasste, unbestimmte Rechtsbegriff ist hier sehr praktisch: er erlaubt es nämlich,
einerseits so zu tun, als ob man gesetzlich hinreichend genau definiert hätte, was mit diesem Begriff
jetzt eigentlich gemeint ist, ohne ihn aber wirklich auch so definieren zu müssen, dass irgendjemand
seinen Bedeutungsgehalt versteht. Schließlich ist der Begriff ja erst später, durch Auslegung durch die
Vollzugsbehörde in ihrer Handhabungspraxis, mit Inhalt zu füllen; d.h. man kann damit, um Fußballund Golfmetaphern zu mischen, den Ball am Gesetzgeber vorbei ins lange Gras spielen bzw. wie das
Eckart Rüsch (2004, 4) als generell beliebte Taktik der Denkmalpflege beschreibt, die Entscheidung
darüber, was der Begriff denn wirklich bedeutet, in eine unbestimmte Zukunft vertagen.
71
Ziele und Motive
Selbst wenn das bei vorausschauender Betrachtung potentiell Schwierigkeiten für die Anwendbarkeit
des Gesetzes verursachen kann – wie eben, dass ein nach deklaratorischem Prinzip funktionieren
sollendes Gesetz das nicht wirklich tut, wenn der Durchschnittsbürger aufgrund der Unbestimmtheit
der Definition des zentralen Schutzbegriffs dieses Gesetzes nicht wissen kann, wann er sich an das
Gesetz halten muss und wann nicht – ist das zu diesem Zeitpunkt im Gesetzesentwicklungsprozess
noch einigermaßen gleichgültig: schließlich gilt es zuerst, das, was man in der Sache erreichen möchte,
irgendwie ins Gesetz hinein und gegebenenfalls auch an Entwurfsprüfungsinstanzen vorbei zu
bringen, damit es überhaupt erst einmal Gesetz wird. Wie man das dann in der Praxis konkret
anwenden kann, darum kann man sich dann Sorgen machen, wenn das Gesetz beschlossen und in
Kraft getreten ist.
Wenn sich die Frage überhaupt stellt, wie man einen ipsa lege-Denkmalschutz umsetzen kann, wenn
man eine Legaldefinition hat, die so vollkommen unbestimmt ist wie (vereinfacht gesagt) „alle Sachen,
die irgendeiner Wissenschaft wichtig sind“, wie das ja z.B. im DSchG-BW der Fall ist (Strobl & Sieche
2010, 54-82) – und das ist nicht garantiert, weil sowohl die Juristen als auch die Denkmalpfleger zwar
jeweils eine konkrete Vorstellung (die sich nicht unbedingt mit der der jeweils anderen Gruppe deckt)
davon haben, was (für sie offensichtlich) ein „Denkmal“ ist, aber nicht unbedingt miteinander darüber
reden – beruhigt man sich hier dann wohl sowohl selbst als auch gegenseitig. Die Juristen beruhigen
die Denkmalpfleger, indem sie feststellen, dass man das dann tatsächlich so weit auslegen kann, dass
damit alle wirklich wichtigen Denkmale automatisch geschützt sind, und sich selbst, indem sie die
Warnung hinzufügen, dass die Regelung auch konsistent angewendet werden und (wenigstens
dadurch) auch dem Durchschnittsbürger erkenntlich sein muss, was jetzt solche wichtigen Denkmale
sind. Die Denkmalpfleger wiederum beruhigen die Juristen und sich selbst damit, dass sie feststellen,
dass sie ja eh hauptsächlich so Sachen meinen wie z.B. römische Münzen oder mittelalterliche Burgen
oder prähistorische Grabhügel, von denen (angeblich) selbstverständlich auch der
Durchschnittsbürger weiß, dass es sich dabei um wichtige Denkmale handelt. Damit scheint das
Problem tatsächlich gelöst zu sein.
Aus der Sicht des Durchschnittsbürgers betrachtet das Problem an dieser Stelle natürlich niemand;
solche sind ja bei solchen Gesprächen gar nicht anwesend; es ist der Durchschnittsbürger an diesem
Punkt auch sowohl Juristen als auch Denkmalpflegern völlig egal. Schließlich haben die Juristen vorerst
das Problem zu lösen, wie sie das, was die Denkmalpfleger wollen, in Form eines Gesetzesvorschlags
in Worte fassen können, den man tatsächlich durch die üblichen Prüfungen und das
entscheidungsbefugte politische Gremium bringen kann; die Denkmalpfleger hingegen konzentrieren
sich zuerst einmal auf das Problem, das, was ihnen fachlich betrachtet für die Erhaltung der Denkmale
notwendig erscheint, in diesen Gesetzesvorschlag hineinzubringen.
Daher denkt an diesem Punkt niemand daran, dass der Durchschnittsbürger zwar durchaus wirklich
weiß, dass z.B. eine schöne römische Münze, die in einer Museumsvitrine liegt, eine gut erhaltene
mittelalterliche Burg, die man sich nur gegen Entrichtung eines Eintrittspreises anschauen darf, oder
auch ein als solcher durch entsprechende Beschilderung ausgewiesener prähistorischer Grabhügel in
der Landschaft, ein Denkmal ist, das so wichtig ist, dass seine Erhaltung im Interesse der Allgemeinheit
ist; aber eine stark abgenutzte und korrodierte Münze im Feld, eine nahezu oder tatsächlich
vollständig eingeebnete Burg auf irgendwelchen Äckern oder Weiden und irgendwelche
prähistorische Grabhügel seiende, annähernd runde, kaum merkliche Bodenerhebungen in
irgendeinem Wald keineswegs von selbst als Sachen erkennen kann, die der Legaldefinition
„wissenschaftlich so wichtig, dass man sie erhalten sollte“, auch tatsächlich genügen. Die Bürger, und
vor allem deren Sichtweise, gehen im Übersetzungsprozess von denkmalpflegerischen Wünschen in
denkmalschutzgesetzliche Bestimmungen vollkommen verloren, weil sie an dem
72
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Übersetzungsprozess auch gar nicht beteiligt sind und ihre Probleme in diesem Prozess auch
niemanden wirklich interessieren, weil die, die an dem Prozess beteiligt sind, d.h. die Denkmaljuristen
und Denkmalpfleger, schon mehr als genug andere Sorgen haben, als sich auch noch den Kopf des
Durchschnittsbürgers zu zerbrechen.
Das Ergebnis dieses Übersetzungsprozesses segelt dann selbstverständlich auch einigermaßen
problemlos durch alle Prüfungen und das zuständige politische Entscheidungsgremium; wenngleich
es vielleicht durch Lobbying durch einflussreichere Interessensgruppen noch geringfügig in Details
geändert wird. Selbst wenn sich an irgendeinem Punkt im weiteren Gesetzgebungsprozess die Frage
stellt, ob die gewählte Legaldefinition des Denkmalbegriffs jetzt hinreichend genau bestimmt ist, dass
der Durchschnittsbürger damit auch etwas anfangen kann (und es ist eher unwahrscheinlich, dass sich
diese Frage stellt, weil ja jeder, der den Gesetzesvorschlag liest, selbst eine vage Vorstellung davon
hat, was jetzt ein „Denkmal“ ist, und daher in der Regel die im Gesetzesvorschlag niedergelegte, noch
viel vagere Legaldefinition so auslegt, dass sie seiner eigenen vagen Vorstellung davon, was nun ein
„Denkmal“ ist, entspricht), werden im Fall des Falles die professionellen Denkmalpfleger gefragt, was
damit jetzt genau gemeint ist. Diese bringen dann natürlich wieder dieselben Beispiele, mit denen sie
schon ihre Juristenkollegen beruhigt haben, eben die römischen Münzen, mittelalterlichen Burgen
und prähistorischen Grabhügel, unter denen sich jeder etwas vorstellen kann. Damit sind alle
möglichen Fragen beantwortet, weil dass es rechtlich möglich ist, ein Gesetz direkt anwendbar zu
machen, so lange jeder Durchschnittsbürger versteht, wann er die gesetzlichen Schutzbestimmungen
zu beachten hat und wann nicht, steht ja nicht in Frage, weil es unzählige Gesetze gibt, die nach dem
ipsa lege-Prinzip funktionieren; und das Gesetz wird erlassen.
Damit hat man nun aber den Salat: man hat damit ein Gesetz generiert (ohne dass das irgendjemand
im Gesetzgebungsprozess tatsächlich vorsätzlich gewollt hat), das nach dem deklaratorischen Prinzip
zu funktionieren scheint bzw. funktionieren soll, aber bei dem es de facto erforderlich ist, dass der
durchschnittliche Normunterworfene über den speziellen Sachverstand von graduierten Experten
verfügt, um korrekt erkennen zu können, wann er das Gesetz nun anzuwenden hat und wann er es
ignorieren kann, d.h. es nicht nach dem deklaratorischen Prinzip funktionieren kann. Es hat einfach
niemand die Entscheidung getroffen, die notwendig gewesen wäre, weil die, die sie treffen hätten
können und müssen, die professionellen Denkmalpfleger, sie nicht treffen wollten oder konnten; und
das in der Folge allen anderen Beteiligten im weiteren Gesetzgebungsprozess nicht aufgefallen ist,
weil sie alle davon ausgegangen sind, dass ohnehin ein jeder weiß, was wichtige Denkmale sind, und
das auch problemlos erkennen kann.
Schrödingers Katze in der Anwendungspraxis
Tatsächlich braucht man aber nun für die Anwendung dieses Gesetzes entweder Schrödingers
Durchschnittsbürger, der gleichzeitig keinerlei und besonderen Sachverstand in allen existierenden
Wissenschaften hat; oder man hat stattdessen – wie das in Hamburg irgendwelche Juristen doch
zustandegebracht zu haben scheinen – Schrödingers Denkmalschutzgesetz erzeugt, das gleichzeitig
automatisch für alle Denkmale gilt, egal ob sie amtlich als solche ausgewiesen wurden, und an das
man sich bei solchen, die noch nicht amtlich als Denkmale ausgewiesen wurden, nicht halten muss.
Man hat eben dadurch, dass man die notwendige Entscheidung, auf welche Denkmale man nun
verzichten will – die, die durch den groben Rechen einer allgemeinverständlichen Legaldefinition
fallen, oder die, die der Behörde noch nicht bekannt geworden sind – nicht getroffen hat, eine
juristische Black Box generiert (Abb. 2), in der sich jeder konkrete Einzelfall so lange befindet, bis
irgendjemand diese Black Box öffnet und hineinschaut. Bis das nicht passiert ist, hängt der Einzelfall
in der Schwebe, d.h. es könnte gleichermaßen sein, dass das Gesetz auf den konkreten Einzelfall
anwendbar ist oder nicht.
73
Ziele und Motive
Abb. 2: Erinnerungsplakette, die English Heritage am Ort angebracht und nicht angebracht hat, an dem Erwin Schrödinger
zwischen 1940 und 1956 lebte und nicht lebte (via https://www.facebook.com/thomas.f.king.9/posts/10156049670386162
[4.10.2017]).
Das macht gravierende Fehlinterpretationen des Gesetzes durch die Vollzugsbehörden nun aber nicht
nur möglich, sondern lädt nachgerade zur Fehlinterpretation ein – ja, erzwingt diese sogar beinahe.
Zwar müsste – bei sauberer rechtlicher Betrachtung der Strafbarkeit von Verstößen gegen die
Schutzbestimmungen eines derartigen Gesetzes – eigentlich klar sein, dass die in jedem sich noch in
der Black Box befindlichen, konkreten Einzelfall theoretisch gleichermaßen bestehenden
Möglichkeiten, dass das Gesetz auf diesen Einzelfall anwendbar oder nicht anwendbar ist, in der Praxis
bei der Öffnung der Black Box immer zur Feststellung kollabieren müssen, dass in diesem konkreten
Einzelfall keine Strafbarkeit besteht, egal ob die denkmalschutzgesetzlichen Bestimmungen im
Einzelfall nun anzuwenden oder nicht anzuwenden gewesen wären. Schließlich hätte, damit seine
allfällig mögliche Missachtung denkmalrechtlicher Schutzbestimmungen strafbar sein kann, der
Durchschnittsbürger ja bereits ex ante, also bevor die Black Box des konkreten Einzelfalls geöffnet
wurde, wissen müssen, dass bei der Öffnung dieser konkreten Black Box festgestellt werden wird, dass
die Schutzbestimmungen des Denkmalschutzgesetzes in diesem konkreten Einzelfall anzuwenden
waren. Das kann aber gar nicht sein, weil das ja überhaupt erst ex post beurteilt werden kann, d.h.
nachdem die Black Box geöffnet wurde. Nachdem man aber vom Durchschnittsbürger die
paranormale Fähigkeit zur Vorhersage eines noch gar nicht eingetretenen Ereignisses, das mit gleicher
Wahrscheinlichkeit zu exakt gegenteiligen Ergebnissen führen kann, rechtlich nicht erwarten kann,
scheidet jede mögliche Straffähigkeit seiner Handlung notwendigerweise aus.
Aber das sagt nur etwas über die (Un-) Möglichkeit aus, Verstöße gegen das derart gestaltete
Denkmalschutzgesetz zu ahnden. Zwar ergibt sich in Bezug auf die Strafbarkeit von Verstößen gegen
das derart gestaltete Gesetz bei korrekter Anwendung im Endeffekt de facto das Gleiche, als wenn die
Schutzbestimmungen des Gesetzes nur nach dem konstitutiven Prinzip anwendbar wären: d.h.
74
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Verstöße gegen das Gesetz können erst geahndet werden, nachdem die zuständige Behörde – ob das
nun die Eintragung eines konkreten Denkmals in ein öffentlich zugängliches Denkmalverzeichnis ohne
Durchführung eines separaten Unterschutzstellungsverfahrens oder seine Unterschutzstellung in
einem eigenen Verfahren zu diesem Zweck ist, in dem z.B. der Eigentümer der betroffenen Sache
Parteienstellung hat – eine ihr bereits bekannt gewordene Sache zu einem Denkmal im Sinne des
Gesetzes erklärt und damit dessen Schutzbestimmungen unterworfen hat. Aber de jure ist es eben
nicht das Gleiche, weil das nach dem deklaratorischen Prinzip funktionierende Gesetz keinen
separaten Verwaltungsakt verlangt. D.h. rechtlich gesehen gilt ein nach deklaratorischem Prinzip
funktionierendes Gesetz zwar völlig unabhängig davon, ob eine Eintragung des Denkmals in eine
öffentlich zugängliche Liste vorgenommen wurde; aber es kann von Verfügungsberechtigten die
Einhaltung der gesetzlichen Schutzbestimmungen erst „verlangt“ werden (d.h. die Zuwiderhandlung
gegen sie erst geahndet werden), nachdem eine solche Eintragung vorgenommen wurde – genau wie
das eben in § 6 Abs. 1 DSchG-HH dann auch ausgedrückt wird.
Dass das nicht nur den Durchschnittsbürger, sondern auch die professionellen Denkmalpfleger und
sogar die Denkmaljuristen massiv verwirrt, die dieses Kuddelmuddel dann in der Praxis anwenden
bzw. Rechtsauskünfte darüber erteilen sollen, unter welchen Umständen das Gesetz nun gilt und
anzuwenden ist und unter welchen Umständen nicht, kann daher auch nicht im mindesten
verwundern. Denn das Gesetz scheint ja (oder, im österreichischen Fall, schien wenigstens dann, wenn
man in die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 hineinlas, dass diese für Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 und
nicht etwa nur für Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG gelten würden, bzw. im letzteren Fall die
Bestimmungen dieses Paragrafen unvollständig las) zu sagen, dass die Schutzbestimmungen immer
gelten und anzuwenden sind, wenn die betroffene Sache tatsächlich ein Denkmal ist (oder sogar nur
„sein könnte“, wie das bei Fehllesung des Wortlauts des § 11 Abs. 1 bei Bodendenkmalen iSd § 8 Abs.
1 DMSG der Fall wäre), nicht erst dann, wenn bereits durch einen eigenen Verwaltungsakt festgestellt
wurde, dass die Sache, die von einer (geplanten) Handlung betroffen wird (bzw. werden würde), ein
Denkmal im Sinne des jeweiligen Gesetzes ist. Ob und dass es eventuell nicht strafbar ist, sich nicht an
die Schutzbestimmungen des Gesetzes zu halten, bis nicht durch eine Eintragung der Sache in eine
Denkmalliste festgestellt wurde, dass sie ein Denkmal ist, spielt dafür ja keinerlei Rolle.
Sowohl die professionellen Denkmalpfleger als auch die Juristen der Behörde müssen sogar unter
diesen Voraussetzungen sowohl zum Schluss kommen als auch, wenn sie gefragt werden, wann das
Gesetz jetzt gelte und anzuwenden sei, die Rechtsauskunft erteilen, dass es automatisch gelte und
daher immer dann anzuwenden sei, wenn eine Handlung gesetzt oder geplant würde, bei der davon
auszugehen sei, dass sie Sachen betreffen werde, die im Sinne des Gesetzes als Denkmale zu
betrachten seien. Denn das ist nicht nur, was das Gesetz zu sagen scheint, sondern auch das, was sie
wollen, sowie die Aufgabe, für die sie – wenigstens in dem Sinn, dass sie das Gesetz zu vollziehen
haben – tatsächlich vom Staat angestellt und beauftragt wurden. Aus ihrer Sicht kann man daher nicht
nur, sondern muss sogar das Gesetz so weit auslegen, als das irgendwie möglich zu sein scheint. Dann
scheint es auch durchaus möglich zu sein, es so auszulegen, dass tatsächlich davon auszugehen ist,
dass das Gesetz nicht nur für durch eigenen Verwaltungsakt spezifisch geschützte Denkmale
betreffende, sondern für alle möglichen Denkmale möglicherweise betreffende Handlungen gilt.
Welchen Sinn hätte es sonst gehabt, dass der Gesetzgeber das Gesetz nach dem deklarativen statt
dem konstitutiven Prinzip gestaltet hat?
Die Reichweite von NFG-Pflichten (und anderen Schutzbestimmungen)
Hat man nun ein Gesetz, das tatsächlich für alle Denkmale gilt bzw. wenigstens zu gelten scheint,
unabhängig davon, ob sie der zuständigen Behörde schon bekannt sind – und die Behörde kann, ja
muss eventuell sogar das Gesetz so interpretieren, vor allem wenn das Gesetz tatsächlich irgendwo in
75
Ziele und Motive
seinen Bestimmungen explizit sagt, dass seine Schutzbestimmungen ipsa lege anzuwenden sind (wie
z.B. das HDSchG und das DSchG-BW tun; im Gegensatz zum z.B. DMSG, bei dem die Situation etwas
komplizierter ist, weil ein ipsa lege-Schutz nur bei Zufallsfunden von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1
besteht, dazu noch später mehr) – dann kann die Behörde zur Ansicht kommen, dass sie die
einschlägigen gesetzlichen Schutzbestimmungen auch so auch auszulegen hat, dass sie auch
vorausschauend auf alle – d.h. auch auf noch unbekannte – Denkmale angewendet werden können.
Im archäologischen Denkmalschutz wirkt sich das insbesondere bei der gesetzlichen NFG-Pflicht aus,
die nicht nur als Rechtsinstrument erscheint, das aktiv vorausschauend zum Schutz von Denkmalen
verwendet werden kann, die die Behörde noch gar nicht kennt, sondern auch tatsächlich – wenigstens
in gewissem Sinn – für einen solchen vorausschauenden Einsatz gedacht ist: es geht dabei schließlich
um Genehmigungen, die man vor der Durchführung bestimmter, geplanter Handlungen erteilt
bekommen haben muss, damit man diese überhaupt durchführen darf. Gilt das Gesetz und damit auch
die NFG-Pflicht ipsa lege für alle Denkmale, d.h. muss der die Handlung Planende (wenigstens
anscheinend) von selbst wissen, dass seine geplante Handlung dieser Genehmigung bedarf, scheint
die Denkmalbehörde nichts über allfällig davon betroffene Denkmale wissen zu müssen, um sie mittels
dieses Rechtsinstruments dennoch schützen zu können.
Damit unterscheiden sich NFG-Pflichten maßgeblich von (fast) allen anderen, (speziell) der
archäologischen Denkmalpflege zur Verfügung stehenden Rechtsinstrumenten, wie der Ausweisung
von Grabungsschutzgebieten (bzw. in Österreich der Unterschutzstellung als „Fundhoffnungsgebiet“
iSd § 1 Abs. 5 DMSG) und den Schutzbestimmungen für Zufallsfunde. Denn für die Ausweisung von
Grabungsschutzgebieten bedarf es offensichtlich eines separaten Verwaltungsaktes, d.h. dieses
Instrument wird erst anwendbar, wenn die zu schützende Fundstelle der Behörde bekannt wurde;
und Zufallsfunde treten eben – wie ihr Name schon sagt – zufällig zu Tage, was notwendigerweise jede
aktive behördliche Gestaltung der Umstände, unter denen ein Zufallsfund auftritt, absolut unmöglich
macht.
Will also eine Denkmalbehörde (auch) möglichst alle ihr noch unbekannten archäologischen Denkmale
schützen, bieten ihr nur die NFG-Pflichten einen Spielraum zur aktiven Gestaltung dieses Schutzes.
Das macht es enorm verlockend, die Reichweite der gesetzlichen NFG-Pflichten so weit auszudehnen
zu versuchen, als es irgendwie geht, weil natürlich die Behörde umso mehr denkmalschützerischen
Gestaltungsspielraum gewinnt, desto weiter solche Genehmigungspflichten greifen.
Dabei begünstigen die historisch gewachsenen Formulierungen der NFG-Pflichten – diese finden sich
ja bereits seit etwa einem Jahrhundert in den meisten Denkmalschutzgesetzen –, die ebenso historisch
gewachsene Vorstellung vom Zweck, den sie erfüllen sollen, und die Legaldefinition des (Boden-)
Denkmalbegriffs Missverständnisse. NFG-Pflichten werden in der archäologischen Denkmalpflege
traditionell als Mechanismus zur behördlichen Kontrolle von Nachforschungshandlungen
verstanden, weil das schon immer so war. Ursprünglich dienten sie – wenigstens in Österreich in einer
von zwei gleichermaßen wichtigen Funktionen, zur zweiten komme ich weiter unten noch – dem
Zweck, archäologische Ausgrabungen, d.h. (mehr oder minder entsprechend einer wissenschaftlichen
Methodik durchgeführte) Erdarbeiten zur Dokumentation archäologischer Befunde und zur Bergung
beweglicher Kleinfunde, die zu dieser Zeit noch in erster Linie von archäologischen Autodidakten und
Dilettanten durchgeführt wurden, einer gewissen fachlichen Aufsicht durch die ersten universitär
ausgebildeten Fachleute zu unterwerfen. Daher heißt die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG in
Österreich bis heute auch tatsächlich Grabungsgenehmigungspflicht. Mittelbar mag es mit den NFGPflichten der Fachwelt auch um die Verhinderung sogenannter „Raubgrabungen“ gegangen sein, aber
das war, wie ich später noch zeigen werde, wenn überhaupt, nur eine erwünschte Nebenwirkung,
nicht der primäre Zweck.
76
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Weil es bei NFG-Pflichten (wenigstens der Denkmalpflege) immer schon wenigstens teilweise um die
Kontrolle wissenschaftlicher Ausgrabungen gegangen ist, ist z.B. in Österreich das BDA niemals
ernsthaft auf die Idee verfallen, dass man die Grabungsgenehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG
auch auf Handlungen ausdehnen könnte, bei denen es nicht um das „Finden“ irgendwelcher Sachen
geht. Dabei hätte eigentlich, wenn man wie das BDA (wie oben Seiten 8-26 gezeigt fälschlich) davon
ausgegangen ist, dass diese Genehmigungspflicht auf alle Suchhandlungen angewendet werden
könnte, bei denen Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG – auch nur unabsichtlich – entdeckt werden
könnten, auch nicht das mindeste dagegengesprochen, dass z.B. auch die Erdarbeit bei Bauarbeiten
der Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 unterworfen werden könnte. Denn diese ist natürlich auch
eine Grabung (iSd Legaldefinition des § 11 Abs. 1 „Veränderung der Erdoberfläche bzw. des Grundes
unter Wasser“), bei der es zwar nicht um die Entdeckung von Denkmalen geht, aber bei der dennoch
Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 entdeckt werden könnten. Kann man also Nachforschungen zu anderen
Zwecken als der Entdeckung von Denkmalen der Grabungsgenehmigungspflicht des § 11 Abs. 1
unterwerfen, warum dann nicht auch Grabungen zu anderen Zwecken? Das BDA hätte in diesem Fall
wohl also die gesetzliche Grabungsgenehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG insofern
missverstanden und gleichheitswidrig angewendet, weil es sachlich unbegründet zwischen
Nachforschungen und Grabungen zu anderen Zwecken unterschieden hätte, bei denen gleichermaßen
die Entdeckung von Denkmalen billigend in Kauf genommen wurde.
Besonders begünstigt jedoch die Kombination von spezifischer Zweckbindung der NFG-pflichtigen
Handlungen – das Entdecken von Denkmalen – und (scheinbarer) ipsa lege-Anwendbarkeit der
gesetzlichen Schutzbestimmungen Missverständnisse im Hinblick auf den möglichen Wirkungsbereich
solcher NFG-Pflichten. Schließlich bedeutet Letzteres ja, aus Sicht der Behörde gesehen, dass das
Gesetz auch auf solche Denkmale anwendbar ist, die der Behörde noch unbekannt sind. Angesichts
dieser Tatsache kann die Behörde sehr leicht irrtümlich zur Ansicht gelangen, dass es für die
Anwendbarkeit der gesetzlichen NFG-Pflicht auf eine bestimmte (Nachforschungs-) Handlung nicht
nur gleichgültig ist, ob der Behörde das betroffene Denkmal noch unbekannt ist, sondern auch
gleichgültig ist, ob das betroffene Denkmal noch gänzlich unbekannt ist.
Die Anwendbarkeit der NFG-Pflicht scheint ihrem eigenen Wortlaut zufolge ja bereits dadurch
ausgelöst zu werden, dass die geplante Handlung den dort genannten Zweck verfolgt: lässt man in den
Bestimmungen von z.B. § 22 HDSchG das Wort Bodendenkmäler weg, ergibt sich der immer noch
gänzlich sinnvolle Satz „Nachforschungen, insbesondere Grabungen, mit dem Ziel, […] zu entdecken,
bedürfen der Genehmigung der Denkmalfachbehörde“. Das scheint zu implizieren, dass es
Nachforschungshandlungen an sich sind, die einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigungspflicht
unterworfen werden – wohl, weil durch sie Bodendenkmale, die ja überall vorkommen können,
gefährdet werden könnten – nicht beliebige Handlungen, die (Boden-) Denkmale in irgendeiner Weise
gefährden könnten. Ginge es bei den Genehmigungspflichten der jeweiligen NFG-Bestimmungen um
die Vermeidung jedweder Gefährdung von Denkmalen, hätten diese ja nicht als NFG-Pflichten,
sondern als allgemeinere Genehmigungspflichten gestaltet werden müssen; wie z.B. jene des Art. 7
Abs. 1 DSchG-BY, die alle Bodeneingriffe auf Grundstücken, auf denen (bekanntermaßen)
Bodendenkmale vorkommen, genehmigungspflichtig machen.
Damit scheint es also aus Sicht der Bodendenkmalpflege egal zu sein, ob dort, wo die Nachforschung
durchgeführt werden soll, auch tatsächlich irgendwelche Denkmale vorkommen. Relevant ist bei
dieser Betrachtungsweise der NFG-Pflichten vielmehr nur, ob die geplante Nachforschung die
Entdeckung von Denkmalen bezweckt; selbst wenn noch gar nicht absehbar ist, ob dort, wo die
Nachforschung durchgeführt werden soll, überhaupt eine Chance darauf besteht, dass ein Denkmal
entdeckt werden kann.
77
Ziele und Motive
Man scheint daher an dieser Stelle aus Sicht der Behörde den Einzelfall nicht betrachten zu müssen:
den kann man schließlich in dieser Situation gar nicht beurteilen, weil es ist ja noch gänzlich
unbekannt, ob an dem geplanten Ort der Nachforschung überhaupt irgendetwas gefunden werden
kann, geschweige denn ob Sachen gefunden werden (können), die Denkmale im Sinn der
Legaldefinition des Gesetzes sind. Der die Nachforschungen Planende hat ja schließlich noch gar nicht
gesucht, sondern muss, bevor er überhaupt zu suchen beginnt, eine Genehmigung bei der dafür
zuständigen Behörde beantragen und von dieser erteilt bekommen haben, wenn er etwas finden
möchte, was im Sinn der Legaldefinition des Denkmalbegriffs ein Denkmal ist.
Es scheint daher möglich, ja eventuell sogar notwendig, zu sein, die Frage ob eine Nachforschung der
NFG-Pflicht des jeweiligen Paragrafen unterliegt auf Basis einer Auslegung der Legaldefinition des
jeweils relevanten Denkmalsbegriffs zu beantworten. Das stellt aber nun ein gewisses Problem dar,
weil was tatsächlich ein Denkmal ist kann ja nur im Einzelfall entschieden werden, was wiederum die
Kenntnis des konkret betroffenen Objekts voraussetzt. Die kann man aber nicht haben, bevor man die
betreffende Sache gesucht und gefunden hat. Das scheint nun, wieder aus Sicht der Behörde, zu
implizieren, dass nicht darauf abzustellen ist, ob die Sache (oder Sachen), die der die Nachforschungen
Planende zu entdecken versucht, tatsächlich ein Denkmal im Sinne der Legaldefinition des
entsprechenden Begriffs ist, sondern nur darauf abzustellen ist, ob diese Sache ein Denkmal in Sinne
dieser Legaldefinition sein könnte, bzw. sogar nur – wenn man Eventualvorsatz oder gar Fahrlässigkeit
ebenfalls inkludieren will oder sogar muss –, dass der Planende bei seinem geplanten
Entdeckungsversuch billigend in Kauf nimmt oder sogar nur wissen hätte müssen, dass er Sachen
finden könnte, die im Sinne der Legaldefinition des relevanten Begriffs im jeweiligen Gesetz Denkmale
sein könnten.
Damit kommt man dann nahezu zwingend bei einer extrem weiten Auslegung der Reichweite der NFGPflichten an: nachdem ja die Legaldefinitionen der relevanten Denkmalbegriffe in den hier
diskutierten Gesetzen gerade so gestaltet ist, dass – wenigstens hypothetisch – jede Sache ein
Denkmal sein könnte, scheint es, als ob jedwede Nachforschung zum Zweck der Entdeckung jeder
beliebigen Sache eine Nachforschung wäre, die der NFG-Pflicht des NFG-Pflichtparagrafen des
jeweiligen Gesetzes unterliegen würde. Es kommt unter dieser Betrachtungsweise also nicht darauf
an, ob man „eine bedeutende römische Münze“ oder auch nur „römische Münzen“ oder gar nur
„Münzen“ sucht: nachdem jede Münze, wenigstens theoretisch, ein seiner Bedeutung wegen
schützenswertes Denkmal sein könnte, auch wenn natürlich so gut wie keine Münze tatsächlich eines
ist, reicht schon die Tatsache, dass eine Nachforschungen planende Person irgendwelche Münzen
finden will, dass sie dafür einer NFG bedarf.
Wie weit dann der Nachforschungsbegriff ausgelegt wird, d.h. ob nur Grabungen und andere
Bodeneingriffe oder auch Prospektionen mit „technischen Suchgeräten“ an Ort und Stelle oder auch
die Anfertigung von Luftbildaufnahmen oder sogar die bloße Inaugenscheinnahme der Landschaft zur
Entdeckung obertägig erkennbarer Hinweise auf die mögliche Präsenz von Denkmalen im Sinne der
Legaldefinition des jeweils relevanten Begriffs der NFG-Pflicht unterworfen werden, hängt dann bis zu
einem gewissen Grad vom Gesetzeswortlaut ab (wenn dieser, wie z.B. in § 11 Abs. 1 DMSG verlangt,
dass die Nachforschung an Ort und Stelle durchgeführt werden muss, um genehmigungspflichtig zu
sein), aber mehr als das von den jeweiligen subjektiven individuellen und fachlichen Vorlieben und
dem sowohl subjektiv als auch teilweise objektivierbar wahrnehmbaren Gefährdungspotential, das
von einer bestimmten Art von Nachforschungen für archäologische Denkmale auszugehen scheint.
Die Verwendung eines Metallsuchgeräts durch Laien – seit Jahrzehnten fachlich als völlig oder
wenigstens nahezu gänzlich inakzeptabel angesehen – wird daher regelhaft als
Nachforschungshandlung betrachtet, die der jeweiligen gesetzlichen NFG-Pflicht unterliegt. Damit
78
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
muss man natürlich dann auch, um nicht allzu offensichtlich gegen den Gleichheitsgrundsatz der
Verfassung zu verstoßen, auch die Anwendung wenigstens aller an Ort und Stelle durchzuführenden
archäologischen Prospektionsmethoden der NFG-Pflicht unterwerfen. Und damit kommt man dann
bei der derzeitigen Handhabungspraxis der Behörden an.
Wenn also das RP Stuttgart in einer Pressemitteilung wie der vom 30.9.2016, Nr. 341/2016, behauptet,
dass die unbewilligte Metallsuche in Baden-Württemberg generell eine Ordnungswidrigkeit gem. § 27
Abs. 1 Nr. 1 DSchG-BW darstellen würde und auch das BWLfD auf seiner Webseite
(https://www.denkmalpflege-bw.de/denkmale/projekte/archaeologische-denkmalpflege/
metallsondenprospektion/ [5.10.2017]) im Wesentlichen dasselbe behauptet und Zeugen, die
Metallsucher bei der Ausübung ihres Hobby antreffen, dazu auffordert, diese anzuzeigen; oder sich
auch das LfDH auf seinen Webseiten (https://lfd.hessen.de/hessenarch%C3%A4ologie/gefahrf%C3%BCr-das-kulturelle-erbe-hessens [5.10.2017]) im gleichen Sinne äußert; dann glauben die
behördlichen Denkmalpfleger oder ihre juristisch gebildeten Kollegen, auf deren Kappe solche
Behauptungen gehen, dass sie die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen tatsächlich richtig
interpretieren. Es kann sogar argumentiert werden, dass sie in gewissem Sinn mit diesen
Behauptungen auch tatsächlich Recht haben; weil das Gesetz ja potentiell tatsächlich so gilt, nur eben
– außer in besonderen Einzelfällen, in denen der Täter tatsächlich seine Nachforschungen mit dem
Zweck angestellt hat, Denkmale im Sinne der jeweils relevanten Legaldefinition zu entdecken und auch
weiß oder wissen hätte müssen, dass er solche mutmaßlich entdecken wird – keine Strafbarkeit für
Verstöße gegen die NFG-Pflichtbestimmungen des Gesetzes besteht, weil der Verdächtige gar keine
Schuldeinsicht entwickeln konnte. Das ist dann eben eine Folge davon, dass man Schrödingers
Denkmalschutzgesetz hat, das gleichzeitig gilt und nicht gilt.
Erfolge der Auslegung der Denkmalbehörden vor Gericht
Tatsächlich kommen die Denkmalbehörden mit ihrer – wenigstens in Bezug auf die Strafbarkeit von
ohne Genehmigung durchgeführten Nachforschungen unrichtigen und unrechten – Auslegung ihrer
jeweiligen gesetzlichen NFG-Pflichten, und das sogar gar nicht allzu selten, zum „Erfolg“ – auch in
höheren Instanzen –, obwohl eine Strafbarkeit in vielen dieser Fälle gar nicht bestehen kann. Das zeigt
aber nicht etwa, dass ihre Auslegung doch rechtmäßig wäre, sondern nur, dass Gerichte auch sehr
leicht irren können, vor allem, wenn das Gesetz, das sie anwenden sollen, letztendlich
selbstwidersprüchlich ist.
Der erste dieser Gründe ist der, dass Gerichte normalerweise zu viele Fälle entscheiden müssen, um
wirklich in jedem einzelnen Fall das Gesetz, auf dessen Basis sie entscheiden sollen, von vorne bis
hinten genau zu durchdenken. Muss es schnell gehen und interessiert sich der (oder auch die) Richter
nicht wirklich für den Fall, wird, wenigstens so lange die Verteidigung kein sauberes Argument führt,
weshalb der Beschuldigte überhaupt nicht strafbar gehandelt haben kann, gewöhnlich der
Rechtsmeinung der zuständigen Behörde gefolgt. Denn das Gericht muss nachgerade davon
ausgehen, dass die Behörde das von ihr zu vollziehenden Gesetz richtig auslegt: schließlich ist die
Behörde vom Gesetzgeber damit beauftragt worden, das Gesetz zu vollziehen und hat auch eigene
Juristen, die in der betreffenden Gesetzesmaterie besonders kompetent zu sein haben. Zeigt also die
Gegenseite nicht in aller Eindeutigkeit, dass die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen durch die
Behörde nicht Recht sein kann, neigt das Gericht, wenn es nicht selbst das Gesetz genau analysieren
will, in der Regel dazu, der Rechtsmeinung der Behörde zu folgen.
Mehr noch, Gerichte nehmen regelhaft an, dass Behörden objektiv und distanziert an die Materie
herangehen, mit der sie sich befassen, also in der Sache desinteressiert und unparteiisch sind, und
müssen das auch, weil das Behörden sein müssen: es ist schließlich nicht Aufgabe der Behörde,
79
Ziele und Motive
jemanden, der unschuldig ist, zu Abschreckungszwecken für etwas zu bestrafen, das gar nicht
verboten ist; das zu tun ist Behörden auch strengstens verboten. Was den Beschuldigten und
gegebenenfalls auch dessen Anwalt betrifft, geht das Gericht hingegen vom genauen Gegenteil aus,
und muss das auch: der Beschuldigte will schließlich nicht bestraft werden, auch wenn er schuldig ist,
und sein Anwalt hat die Aufgabe, ihn vor Strafe zu bewahren, selbst wenn er schuldig ist. Auch das
führt Gerichte dazu, im Zweifelsfall eher der Behörde als dem Beschuldigten bzw. dessen Anwalt
glauben.
Der zweite Grund ist, dass das Gericht praktisch immer nur den Einzelfall betrachtet: grundlegende
Rechtsfragen zu beantworten ist, wenn überhaupt, nur Aufgabe der Gerichte im Rahmen ihrer
Normenkontrollkompetenz; und diese nehmen sie gewöhnlich nur dann wahr, wenn sie von
irgendjemandem, der das Recht dazu hat, dazu aufgefordert wurden. Ob das Gesetz überhaupt in der
gelebten Praxis und nicht nur der juristischen Theorie funktioniert oder überhaupt funktionieren kann,
beschäftigt die Gerichte daher normalerweise nicht, sondern sie gehen, wenn es keine unmittelbar
offensichtlichen Widersprüche zwischen juristischer Theorie und der Wirklichkeit gibt, davon aus, dass
das Gesetz auch tatsächlich so anwendbar ist, wie es am Papier steht.
Bei der Einzelfallbetrachtung gibt es nun aber jedenfalls immer wieder einmal auch Fälle, in denen der
Täter tatsächlich den hier relevanten strafbaren Tatbestand erfüllt hat: die Suche nach Bodenfunden
unter der Erdoberfläche auf besonders geschützten Bodenflächen (wie z.B. in
Grabungsschutzgebieten oder in zugänglichen Denkmalverzeichnissen eingetragenen Fundstellen) ist
ja tatsächlich nur mit NFG erlaubt, weil der Nachforschende dabei jedenfalls damit rechnen muss,
Teile der denkmalgeschützten Sache zu entdecken (siehe dazu für Österreich auch schon Seiten 1819). Wer tatsächlich gegen das Verbot, ohne Genehmigung des zuständigen Denkmalamtes auf
geschützten Bodenflächen nach noch im Boden verborgenen Bodenfunden zu suchen, verstoßen hat,
wird natürlich auch vor Gericht in der Regel seiner verdienten Strafe nicht entgehen. Wer auf einer
denkmalgeschützten römischen Villa mit dem Metallsuchgerät nach römischen Münzen sucht, ist
selbst schuld, wenn er tatsächlich eine empfindliche Strafe aufgebrummt bekommt; auch wenn er es
nicht einsehen will und daher den Instanzenzug durchläuft. Die Tatsache, dass in solchen Fällen
Strafen auch durch den Instanzenzug halten, liegt aber nicht daran, dass die Auslegung der NFGPflichtbestimmungen durch die Denkmalämter generell richtig ist, sondern nur daran, dass NFGPflichten für invasive (und potentiell sogar nicht invasive) Nachforschungen auf geschützten
Bodenflächen tatsächlich gelten, auch wenn die Denkmalbehörden das als Erfolg ihrer Auslegung
betrachten würden.
Es gibt allerdings bei der Einzelfallbetrachtung immer wieder einmal auch Fälle, in denen tatsächlich
die Auslegung der Denkmalbehörde obsiegt, obwohl bei genauerer Analyse eigentlich Strafbarkeit gar
nicht gegeben gewesen sein sollte. Häufig sind das solche Fälle, bei denen z.B. ein Tatverdächtiger,
der nachweislich zumeist gezielt nach „archäologischen“ Bodenfunden sucht, bei Nachforschungen
auf nicht denkmalgeschützten Bodenflächen mit bodenfrischen Funden angetroffen wurde, die bei
allgemeiner Betrachtung unter den Denkmalbegriff des jeweiligen Gesetzes zu fallen scheinen, wie
beispielsweise römische Münzen. Nachdem es in solchen Fällen unmittelbar einsichtig erscheint, dass
das Gesetz die gezielte Suche nach allgemein als bedeutend angesehenen Sachen wie römischen
Münzen verbieten würde, irrt sich in solchen Fällen auch gerne einmal das Gericht; vor allem wenn
der Beschuldigte selbst bzw. sein Anwalt nicht deutlich vermitteln, dass der Beschuldigte ex ante gar
nicht wissen konnte, dass er bei einer Suche nach beliebigen Bodenfunden abseits von Flächen, auf
denen bekanntermaßen Denkmale vorkommen, Funde machen würde, die eventuell von solcher
Bedeutung sind, dass er bei seiner Suche nach anderen Sachen ihre Entdeckung nicht in Kauf nehmen
hätte dürfen. Hier lässt sich dann auch das Gericht gern und leicht durch im Brustton der Überzeugung
80
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
vorgebrachte Argumente der Denkmalbehörde täuschen, dass jeder wisse, dass römische Münzen
wichtige Denkmale sein könnten und daher nicht ohne Genehmigung der Behörde gesucht werden
dürften, und vergisst darob, dass der Beschuldigte gar nicht nach römischen Münzen gesucht hat, oder
glaubt seinem Vorbringen, dass er das gar nicht getan habe, wenigstens nicht. Die Rechtsansicht der
Denkmalbehörden obsiegt in solchen Fällen also, was sie zu bestätigen scheint.
Oft liegen solche Erfolge der Auslegung der Denkmalbehörden im Instanzenzug auch keineswegs
daran, dass ihre Auslegung tatsächlich rechtmäßig ist, sondern weit mehr daran, dass aufgrund der
Verfahrensregeln durch die Gerichte nur noch auf Basis des Parteienvorbringens strittige Fragen zu
klären sind, während alles (scheinbar) Unstrittige nicht weiter beachtet werden muss. Geht es also um
eine Ordnungswidrigkeitsstrafe für die Entdeckung einer römischen Münze bei ungenehmigten
Nachforschungen abseits denkmalgeschützter Flächen und der Beschuldigte bestreitet im Verfahren
nicht die von der Denkmalbehörde vorgebrachte Behauptung, dass sowohl römischen Münzen
generell Denkmale sind als auch die von ihm entdeckte, konkrete Münze ein solches ist, dann geht das
Gericht davon aus, dass sich Denkmalbehörde und Beschuldigter darüber einig sind, dass sie
tatsächlich ein Denkmal ist. Bestreitet der Beschuldigte auch nicht, dass er, wie ihm die
Denkmalbehörde wenigstens unterstellt, bereits ex ante gewusst hat, dass er wahrscheinlich bei
seiner Nachforschung Denkmale im Sinne der relevanten Legaldefinition entdecken wird, betrachtet
das Gericht auch diesen Punkt als unstrittig und beschäftigt sich nicht weiter damit. Kennt sich also
der Beschuldigte nicht gut aus, bzw., wenn er sich nicht selbst vertritt, passt sein Anwalt nicht (allzu)
genau auf, kann es leicht passieren, dass der Fall rein auf Basis von faktisch falschen, aber im Verfahren
unbestritten gebliebenen, Behauptungen der Behörde entschieden wird.
Gute Beispiele dafür finden sich im schon mehrfach zitierten, aber hier noch nicht detaillierter
besprochenen, Erkenntnis des VwGH vom 24.6.1985, 84/12/0213. Dieses Erkenntnis beruhte auf
einem Fall, in dem ein Metallsucher von einem Polizisten in flagranti mit 8 bodenfrischen römischen
Münzen erwischt und von erster und zweiter Instanz bestraft worden war. Deswegen hatte er den
VwGH angerufen, der die über ihn verhängte Verwaltungsstrafe letztendlich deshalb aufhob, weil der
Beschuldigte konsistent durch den gesamten Instanzenzug behauptet hatte, nicht nach diesen
Münzen gegraben zu haben, ohne dass die Gegenseite das jemals ernsthaft bestritten hatte. Damit
musste der VwGH diese Behauptung als unstrittige Tatsache betrachten und die Strafe aufheben, weil
das österreichische Recht, wie schon erwähnt, das Aufsammeln von Oberflächenfunden der NFGPflicht des § 11 Abs. 1 DMSG nicht unterwirft (siehe Seiten 8-10) und nulla poena sine lege gilt. Der
Fall ging also für den Denkmalschutz deshalb verloren, weil die Juristen in den Behörden verschlafen
hatten, dass sie dem Metallsucher die Grabung und nicht nur das Suchen nachweisen mussten, um
ihn bestrafen zu können.
Umgekehrt hatte aber der Metallsucher bzw. sein Anwalt in diesem Fall zahlreiche Behauptungen der
Behörde unbestritten gelassen, die daher in die höchstgerichtliche Judikatur eingeflossen sind und
daher bis heute auch die Interpretation des DMSG stark beeinflussen, obwohl sie den Tatsachen nicht
oder höchstens sehr bedingt entsprechen (siehe dazu schon Karl 2016a, 8-10). So z.B. scheint in
diesem Erkenntnis der VwGH – der vom Beschuldigten unbestrittenen Argumentation der Behörden
folgend – festgestellt zu haben, dass die 8 aufgefundenen römischen Münzen jedenfalls Kulturgüter
seien, „die den Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes unterlägen, ungeachtet ihres materiellen
Wertes, ihres Erhaltungszustandes und der Häufigkeit ihres Vorkommens.“ (VwGH 24.6.1985,
84/12/0213, 3); eine Feststellung, die seither auch folgende Judikatur beeinflusst hat, obwohl sich der
VwGH in diesem Fall eigentlich überhaupt nicht zu dieser Frage geäußert, sondern nur die
Entscheidungsbegründungen der vorhergehenden Instanzen referiert hat. Das BDA hatte und hat
allerdings keine der in diesem Fall zentralen 8 Münzen gem. § 3 Abs. 1 DMSG unter Denkmalschutz
81
Ziele und Motive
gestellt, woraus zwingend folgt, dass die Bestimmungen des DMSG gerade nicht auf sie anwendbar
sind. Das hat aber das Gericht im Verfahren nicht beachtet, weil der Beschuldigte nicht bestritten
hatte, dass die 8 Münzen, die er gefunden hatte, überhaupt den Bestimmungen des DMSG unterlagen.
Ebenso wurde durch den Beschuldigten in diesem Verfahren die Behauptung der Behörden nicht
bestritten, dass bereits das auch nur ganz geringfügige Eindringen in den Erdboden, und sei es nur mit
den Händen, eine „Ausgrabung“ im Sinne des Gesetzes darstelle, weil „… die Verwendung von
„Grabinstrumenten (Bagger, Schaufel, etc.)“ erscheine bei vermuteten Kleingegenständen für einen
Facharchäologen geradezu atypisch, weil diesfalls die Gefahr einer Zerstörung des Gegenstandes
gegeben wäre.“ (VwGH 24.6.1985, 84/12/0213, 4). Daher gilt seither in Österreich auch das mit der
bloßen Hand gegrabene Loch als „Forschungsgrabung“ (Bazil et al. 2015, 64), obwohl das weder der
fachlichen Definition dieses Begriffs entspricht, noch die Vorstellung des VwGH, wie eine
archäologische Ausgrabung abläuft, der tatsächlichen Realität archäologischer Ausgrabungen
entspricht (auf denen Bagger und Schaufel selbstverständlich zumeist auch dann zum Einsatz
kommen, wenn Kleingegenstände im Boden vermutet werden), noch der Eingriff in den modern
gewachsenen Humus einen Eingriff in die Substanz eines archäologischen Denkmals darstellen kann,
weil der Humus weder eine von Menschen geschaffene Bodenformation noch deren
denkmalschutzfähige Überreste sein kann (vgl. VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4 RN 21).
Verabsäumt ein Beschuldigter oder dessen Anwalt es also, im den Einzelfall betreffenden Verfahren
vor Gericht alle relevanten Tatsachenbehauptungen der Gegenseite zu bestreiten und auch
tatsächlich gute Gründe dafür vorzubringen, weshalb die Rechtsansicht der Behörde falsch ist, kann
es sehr leicht dazu kommen, dass die Behörde selbst dann das Gerichtsverfahren gewinnt, wenn sie
eigentlich in der Sache falsch liegt und eine unrichtige Rechtsansicht vertritt. Alles, was dafür nötig ist,
ist ein Beschuldigter bzw. ein Anwalt eines solchen, die ihre Interessen schlecht verteidigen, und schon
gewinnt die Denkmalbehörde selbst dann den einen oder anderen Fall, wenn sie eigentlich gar nicht
gewinnen hätte dürfen. Dass das die Denkmalbehörde – nicht so wie ich hier – dann als Bestätigung
ihrer Rechtsansicht sieht, verwundert nicht, denn sie glaubt ja, dass sie recht hat; ja muss das sogar
glauben, weil sie sonst gar nicht so handeln dürfte, wie sie es tut.
Endergebnis ist also ein Gesetz, das keiner wirklich versteht, auch keiner wirklich korrekt anwenden
kann und über dessen richtige Anwendung selbst die Gerichte in einer nicht unbedeutenden Zahl von
Fällen irren. Das führt letztendlich dazu, dass nicht wenige Täter, die eigentlich tatsächlich bestraft
werden sollten, ungeschoren davonkommen; während gleichzeitig Unschuldige, die gar nichts
Verbotenes getan haben, bestraft werden, weil sie sich nicht den teuren Anwalt geleistet haben, der
sie freibekommen hätte, sondern sich selbst zu verteidigen versucht haben, ohne zu verstehen, wie
das geht und welchen falschen Behauptungen der Denkmalbehörden sie im Gerichtsverfahren
besonders stark widersprechen müssen.
Denkmalpflegerische Willkürherrschaft
Im Endeffekt sind es nicht die Ziele und Motive der Nachforschenden, um die es bei gesetzlichen NFGPflichten geht und die an all dem Kuddelmuddel, das in diesem Rechtsbereich nicht nur in Österreich,
sondern eben auch z.B. in Hessen und Baden-Württemberg besteht, schuld sind; sondern die Ziele
und Wünsche der Denkmalpfleger. Letztendlich wollen diese nämlich – selbst wenn sie sich dessen
nicht bewusst sind – nichts weniger als eine totale rechtliche Willkürherrschaft der Denkmalpfleger
über das, was sie ebenso willkürlich als „ihre Sachen“, d.h. als Denkmale, betrachten. Sie wollen nicht,
dass Eigentümer oder sonstige Verfügungsberechtigte mit Sachen, die den Denkmalpflegern bzw.
Wissenschaftern aus ihrem Fachgebiet („für die [mögliche zukünftige Belehrung der] Allgemeinheit“)
wichtig sind, einfach tun und lassen können, was diese Verfügungsberechtigten damit tun wollen;
82
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
sondern wollen, dass die Eigentümer bzw. sonstigen Verfügungsberechtigten dafür zahlen und darauf
aufpassen müssen, dass diese Sachen für die Erforschung durch die Denkmalpfleger bzw. wenigstens
Wissenschafter aus ihrem jeweiligen Fachbereich erhalten bleiben. Dies gilt nicht etwa nur für eine
nach wissenschaftlichen Kriterien vorgenommene Auswahl der Denkmale (i.e. Sachen), die aus
heutiger Sicht besonders bedeutend erscheinen, sondern für absolut alle Sachen.
Sie wollen daher, dass niemand irgendwo ohne ihre Genehmigung Nachforschungen anstellen darf,
weil man ja bei jeder geplanten Nachforschung nach Sachen, von denen man noch gar nicht weiß, ob
es sie gibt, immer auch solche Sachen finden kann, die den Denkmalpflegern wichtig sind (ob diese
jetzt die vom Nachforschenden gesuchten oder ganz andere Sachen sind). Sie wollen daher auch, dass
Eigentümer und sonstige Verfügungsberechtigte ohne ihre Genehmigung keinerlei Handlungen
bezüglich jedweder beliebigen Sache setzen dürfen sollen, die den Denkmalpflegern wichtig sein
könnte, egal ob die Denkmalpfleger schon von der Existenz dieser Sache wissen oder nicht. Sie wollen,
ganz vereinfacht gesagt, die sein, die über das Schicksal aller Sachen, an denen sie interessiert sein
könnten, entscheiden dürfen, und sich auch jederzeit, auch rückwirkend, willkürlich anders
entscheiden dürfen, als sie es zuvor getan haben, weil sich ihre Wünsche und ihr Wille geändert haben.
Die, die die Rechnung dafür zahlen sollen – d.h. die rechtmäßigen Eigentümer der Sachen, um die es
geht – sollen gefälligst von selbst auf magischem Weg richtig erkennen, welche das sind, die
irgendeiner von uns irgendwann einmal wollen könnte, damit sie die für uns auch brav erhalten.
Das ist einfach eine Besonderheit des Denkmalschutzes, dass das so sein muss, und das ist auch kein
unverhältnismäßiger Eingriff in irgendwelche staatsbürgerlichen Grundrechte, weil der Bürger ja eh
mit allem, was keine Denkmale sind, tun und lassen darf, was er will.
Das geht aber auf rechtlichem Weg nicht, weil man dafür eben Staatbürger brauchen würde, die
magische Fähigkeiten haben, die es nicht gibt; oder man einfach das Eigentumsrecht aufheben müsste
und die Denkmalpfleger zu den Alleineigentümern aller Sachen machen müsste; bzw. zumindest die
Denkmalpfleger zu den Verwaltern aller Sachen machen müsste, die dafür alle im Allgemeineigentum
stehen müssen; weil mit dem Konzept des Privateigentums ist das nicht vereinbar.
Nachdem das aber auf rechtlichem Weg nicht geht, werfen wir rechtliche Nebelkerzen. Wir tun das
mit dem ZIel, dass der Bürger möglichst nicht erkennen kann, was jetzt eigentlich Sachen sind, auf die
er die Bestimmungen des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes anzuwenden hat, in der verfehlten
Hoffnung, dass er, weil er sich immer im Zweifel befinden muss, um Rechtssicherheit zu erhalten bei
jeder Sache und Handlung die Rechtsvorschriften des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes so lange
einhalten muss, bis wir ihm im konkreten Einzelfall erlaubt haben, dass er das nicht muss. Wir hoffen
darauf, dass er, wenn er nicht riskieren will, von uns willkürlich bestraft zu werden, weil er etwas getan
hat, von dem sich erst im Nachhinein herausstellen kann, dass er es nicht tun hätte dürfen, wenn er
schon vorher gewusst hätte, dass er es nicht tun darf, rein sicherheitshalber von Anfang an gar nichts
tut. Das geht zwar rechtlich auch nicht, aber man kann wenigstens so lange damit davonkommen, so
lange man die Gerichte halbwegs erfolgreich durch so verwirrende Rechtsinstrumente so sehr
täuschen kann, dass ihnen nicht auffällt, dass das alles eigentlich höchstgradig rechtswidrig ist.
Darum haben wir so unbestimmte Rechtsbegriffe in die Gesetze schreiben lassen und drehen und
wenden das Gesetz in jedem Einzelfall so, wie wir es gerade dafür brauchen, dass wir das Ergebnis
erzielen können, das wir erzielen wollen: man kann sich hier als Denkmalpfleger schließlich wunderbar
hinter dem Gesetz verstecken. Das österreichische BDA hat genau das seit Jahren, wenn nicht
Jahrzehnten, getan: jedesmal, wenn ein Bürger versucht, vom Amt zu erfahren, welche Sachen er jetzt
wo suchen darf, verweist das Amt darauf, dass es das nicht genauer spezifizieren kann und sich der
Bürger ohnehin dadurch Rechtssicherheit verschaffen kann, dass er – im Zweifel – einfach
83
Ziele und Motive
sicherheitshalber davon ausgeht, dass er sich an die gesetzlichen Bestimmungen halten muss. Als
Beispiel dafür sei hier die Antwort des BDA vom 13.3.2012 auf eine Anfrage um Rechtsauskunft durch
einen interessierten Bürger zitiert:
„Ziel des Denkmalschutzes ist, alle von Menschen geschaffenen beweglichen und unbeweglichen
Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer und kultureller Bedeutung für die Zukunft zu
erhalten. … Der im Denkmalschutzgesetz normierte Denkmalbegriff setzt allerdings kein
bestimmtes Alter des Gegenstandes voraus, sodass eine Spezifizierung von Fund- und
Befundarten, welche eine Einschränkung des gesetzlichen Denkmalbegriffes bedeuten würde,
vom Bundesdenkmalamt nicht vorgenommen werden kann. Eine Rechtssicherheit für
BürgerInnen ist bei einer – an sich einfachen – Anzeige ohnedies gegeben“ (BDA 13.3.2012, GZ
841/12/2012).
Dem armen Amt wurde ja vom Gesetzgeber gar nicht die Kompetenz dafür gegeben, den relevanten
Rechtsbegriff genauer zu bestimmen, weil damit würde man ja eine gesetzliche Bestimmung in
pflichtwidriger Weise enger fassen, als vom Gesetzgeber vorgesehen. Der Bürger, der sich an die
Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG halten will, braucht einfach nur alles, das er findet, dem BDA
anzuzeigen; auch wenn sich dann im Endeffekt herausstellt, dass das, was er gefunden hat, gar kein
anzeigepflichtiger Fund war. Wobei das BDA natürlich dann bei Informationsveranstaltungen für
interessierte Laien sagt, dass sie natürlich keinesfalls alles, was sie finden, der Behörde melden sollen,
sondern einfach auf Basis ihres gesunden Menschenverstandes entscheiden sollen, was anzeigepflichtig
ist und was nicht; also so tut, als ob der Bürger ohnehin Rechtssicherheit dadurch erreichen könnte,
dass er einfach alles anzeigt, was er findet, aber gleichzeitig bitte nicht alles anzeigen soll, was er findet,
weil sonst viel zu viele vollkommen unnötige Meldungen beim BDA eingehen, die niemand bearbeiten
will. Er soll also auch hier Schrödingers Bürger sein, der gleichzeitig weiß aber nicht wissen kann, was
jetzt das BDA von ihm vorgelegt haben will. Und wenn er daraufhin falsch entscheidet, dann versucht
es, ihn dafür zu bestrafen, dass er falsch entschieden hat.
Und dann wundern wir uns, wenn sich niemand darum kümmert, was wir sagen, weil man sich ohnehin
nicht so verhalten kann, dass man nicht doch bestraft werden kann. If you’re damned if you do, damned
if you don’t, you may as well do as you please, because it doesn’t matter anyway.
84
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat
Der Gesetzgeber wollte das alles natürlich nicht, weil er das so gar nicht wollen darf. Am
allerwenigsten wollte er ein Gesetz, das nur anwendbar ist, wenn man es so verbiegt und wendet,
dass es auf Situationen passt, für die es eigentlich überhaupt nicht vorgesehen war; und für dessen
Übertretung man Bürger auch dann bestrafen kann, wenn sie es gar nicht übertreten konnten, weil
sich selbst die Richter nicht auskennen, wo das Gesetz nun überhaupt anwendbar ist. Denn ein solches
Gesetz bewirkt nicht, dass wirklich wichtige Denkmale geschützt werden, sondern nur, dass die
Behördenwillkür zum rechtlichen Regelungsprinzip erhoben wird und jedwede Rechtssicherheit
verloren geht.
Vielmehr wollte er, wie das der österreichische Gesetzgeber auch ganz explizit in seiner RV zur DMSGNovelle von 1999 festgestellt hat, dass die Denkmalpfleger die schwierige Aufgabe übernehmen, zu
entscheiden, was aus wissenschaftlichen Gründen so bedeutend ist, dass es im öffentlichen Interesse
zu erhalten aber auch aus administrativer Sicht bewältigbar ist (RV 1999, 39); natürlich nicht nur in
Bezug auf Unterschutzstellungen, sondern in Bezug auf alle denkmalschutzrechtlichen Eingriffe in
verfassungsgesetzlich garantierte Bürgerrechte – ob das nun die Eigentumsgarantie, die
Wissenschaftsfreiheit, oder ein beliebiges anderes Grundrecht ist –; und natürlich auch nicht nur in
Österreich, sondern auch den verschiedenen deutschen Ländern. Dabei hat er natürlich durchaus
erkannt – und sei es nur, weil unsere disziplinären Ahnen ihn ausreichend darüber informiert haben –
dass das, gerade in der archäologischen Denkmalpflege, bis zu einem gewissen Grad problematisch
ist: schließlich sind die meisten archäologischen Funde und Befunde noch im Boden verborgen und
daher nicht nur den Denkmalbehörden, sondern jedermann, noch gänzlich unbekannt; auch wenn sie
tatsächlich so bedeutend sein sollten, dass ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen wäre,
wenn man sie denn nur schon kennen würde.
Aber das sich daraus ergebende denkmalpflegerische Problem – dass es Sachen gibt, die man gern vor
Zerstörung geschützt hätte, wenn man sie gekannt hätte, bevor sie zerstört wurden – ist weder auf
rechtlichem Weg noch praktisch lösbar, weil man etwas, von dessen Existenz man noch nichts weiß,
nun einmal auch nicht schützen kann. Das geht nicht einmal, wenn man allen Menschen gleichzeitig
jede Handlung sowie deren Unterlassung verbietet, die sich zurückblickend betrachtet als falsch
erwiesen hat; weil man die Vergangenheit auch dadurch nicht ändern und vorab nicht wissen kann,
was sich nachher als falsche Handlung erweist, wenn die Handlung eine noch völlig unbekannte Sache
betrifft, die überall vorhanden sein könnte aber es fast überall nicht ist. Daher hat der jeweilige
Gesetzgeber, als er in seinem Wirkungsbereich ein Denkmalschutzgesetz erstmals erlassen hat – d.h.
in unserem Raum in der Regel im frühen 20. Jahrhundert – dieses Problem auch nicht zu lösen
versucht, sondern einen anderen Weg gewählt.
Die Beurteilung des archäologischen Denkmalwerts um 1925
Die Archäologie als Fach sah im frühen 20. Jahrhundert ihre Materie noch deutlich anders als heute,
auch und insbesondere im Bereich der Bewertung archäologischer Funde und Befunde. Auch und
gerade graduierte Archäologen unterschieden damals noch sehr deutlich zwischen 1) archäologischen
Sachen und 2) anderen Sachen und bewerteten unterschiedliche archäologische Sachen auch relativ
zueinander stark unterschiedlich.
Dabei wurden als für unsere Wissenschaft relevante archäologische Sachen in der Regel nur solche
verstanden, die tatsächlich von erheblichem Alter waren. Neuzeitliche, mittelalterliche, ja teilweise
sogar auch noch frühmittelalterliche, Sachen wurden nicht als Archäologie, sondern entweder als
„Volkskunde“ oder sogar als unwichtiger alter Mist betrachtet. Die Begriffsdefinitionen in deutschen
Denkmalschutzgesetzen bestimmten daher und bestimmen sogar teilweise bis heute den Begriff
85
Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat
„Bodendenkmal“ als solche Gegenstände, die aus Zeiten stammen, „für die Ausgrabungen und Funde
eine der Hauptquellen wissenschaftlicher Erkenntnis sind“ (§ 4 Abs. 5 DSchG-HH), wenn sie sich nicht
sogar noch expliziter auf urgeschichtliche Zeiten beschränkten. Materielle Hinterlassenschaften aus
Zeiten, die bereits durch ausgiebige historische Quellen beleuchtet wurden, wurden als archäologisch
weitgehend bis völlig uninteressant betrachtet: schließlich wurde die Archäologie im Geiste der Zeit
Großteils noch als historische Hilfswissenschaft verstanden, die man dazu benutzen konnte, Zeiten
historisch zu erforschen, über die nicht ausreichend historische Informationen vorlagen; oder
eventuell auch minder bedeutende Aspekte des Lebens in einer geschichtlichen Epoche, die in den
historischen Quellen aus dieser nicht Zeit nicht ausreichend beleuchtet wurden (wie z.B. die
Lebensumstände von Leibeigenen im Mittelalter) näher zu beleuchten, wobei Letztere generell als
wenig wertvoll betrachtet wurden, weil sie ja wenig Einfluss auf die wirklich bedeutenden historischen
Persönlichkeiten und politischen Ereignisse hatten, die als wirklich wichtige Teile der Geschichte
betrachtet wurden. Auf die Idee, eine Industrieanlage als Denkmal zu betrachten, geschweige denn
deren Reste als „Bodendenkmal“, wäre damals kein professioneller Archäologe und schon gar nicht
der Durchschnittsbürger verfallen.
Auch galten keineswegs alle „Bodendenkmale“ als erhaltenswürdig und gleichwertig. Gerade zu
Beginn des 20. Jh. waren es z.B. in Österreich noch sehr stark gut erhaltene, auch künstlerisch
wertvolle, für die museale Präsentation geeignete bewegliche Kleinfunde, die als archäologisch
wirklich bedeutend eingestuft wurden; ganz in der Tradition von Riegl (1901) und Hoernes (1898).
Nicht besonders präsentable Kleinfunde und noch mehr stark fragmentierte oder beschädigte Sachen
betrachtete man hingegen als wissenschaftlich weitgehend wertlos; bis hin zu dem Punkt, dass selbst
in den 1930ern noch von Museen wie dem NHM in Wien von (mehr oder minder) in ihrem Auftrag
durchgeführten Grabungen nur die schönen und chronologisch sensitiven Metallfunde angekauft
wurden, während man den Ausgräber als Nebenverdienst weniger bedeutende Funde, darunter auch
gut erhaltene Tongefäße, am Kunstmarkt verkaufen ließ (siehe z.B. Nebehay 1993, 28-30). Den
unbeweglichen „Befunden“ wurde hingegen in der Regel noch praktisch überhaupt kein Wert als
erhaltungswürdiges Bodendenkmal beigemessen; einzig bauliche Strukturen wie noch obertägig
erkennbare Ruinen, Wallanlagen und Grabhügel betrachtete man als potentiell erhaltenswert, am
ehesten entsprechend der Erhaltung von Baudenkmalen, als welche solche Bauwerke auch tatsächlich
wenigstens teilweise verstanden wurden.
Die in der Fachwelt vorherrschende Wertschätzung archäologischer Sachen entsprach somit,
wenigstens grosso modo, der Wertschätzung, die man auch Bau- und Kunstdenkmalen anderer Art
entgegenbrachte: allgemein wurden archäologische Sachen als wertvoll betrachtet, die man auch der
Öffentlichkeit so präsentieren konnte, dass sich die „Besonderheit“ der präsentierten Sachen auch
dem über keinen besonderen Sachverstand verfügenden Betrachter mehr oder minder unmittelbar
erschloss, wenigstens wenn man die kurze und prägnante Erklärung hinzufügte, dass die betreffende
Sache sehr alt, für ihre Epoche charakteristisch und sowohl außergewöhnlich selten als auch
besonders gut erhalten sei. Diese Art der Bewertung entsprach auch weitgehend der subjektiven und
objektiven Bewertung von Denkmalen durch die meisten Bürger und entspricht dieser bis heute (siehe
dazu Karl et al. 2014, 8-13): spätestens nach einer kurzen Erklärung, dass eine Sache über ca. 500-1000
Jahre alt ist, sind etwa die Hälfte aller Bürger der Ansicht, dass es sich bei dieser um ein (vermutlich
schützenswertes) Denkmal handelt, vor allem, wenn es eine einigermaßen eindrucksvolle oder
ansprechende Erscheinung hat und allgemein nachvollziehbarerweise wichtig für die Erforschung der
Vergangenheit sein dürfte. Fachliche und öffentliche Denkmalwertbestimmung deckten sich also
einigermaßen; auch wenn die fachliche Denkmalwertbestimmung selbstverständlich bereits weit
nuancierter war als die öffentliche.
86
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Die Struktur der Denkmalschutzgesetze
Nachdem noch gänzlich unbekannte Sachen nicht effektiv geschützt werden können, ohne das
moderne Leben vollständig zum Erliegen zu bringen, gaben daher die frühen
Denkmalschutzgesetzgeber im deutschen Sprachraum, Empfehlungen aus der damaligen Fachwelt
folgend, ihren Denkmalschutzgesetzen alle eine im Wesentlichen gleiche Struktur.
In den notwendigen, einleitenden allgemeinen Bestimmungen beschränkten sie zuerst den
Anwendungsbereich des jeweiligen Gesetzes auf Sachen, die – primär von der die Materie nuancierter
betrachtenden Fachwelt, aber zur Zeit ihrer ersten Erlassung auch vom Durchschnittsbürger – in der
Regel als so bedeutend betrachtet wurden, dass ihre Erhaltung aufgrund dieser Bedeutungszuweisung
durch die wissenschaftliche Fachwelt tatsächlich im öffentlichen Interesse zu liegen schien. Dann
setzten sie fest, wie und durch wen wann festzustellen ist, was ein Denkmal im Sinne des Gesetzes ist,
das daher seinen Schutzbestimmungen unterliegt; und in der Regel in ihren Erstfassungen auch, dass
Sachen, die als Denkmale im Sinne des jeweiligen Gesetzes identifiziert wurden, gemäß dem
konstitutiven Prinzip (DGUF 2013, 2) in einem Denkmalverzeichnis (und gegebenenfalls auch in
anderen öffentlichen Verzeichnissen wie dem Grundbuch) zu verzeichnen sind; zumeist wird
entweder explizit bestimmt oder wenigstens stillschweigend vorausgesetzt, dass dieses Verzeichnis
auch öffentlich einsehbar ist.
In den darauffolgenden eigentlichen Schutzbestimmungen befassten sie sich dann zuerst mit
Schutzvorschriften, die für alle Denkmale gleichermaßen gelten, d.h. insbesondere dem Verbot der
ungenehmigten Veränderung und Zerstörung von Denkmalen. Diese allgemeinen Schutzvorschriften
setzen selbstverständlich jedenfalls voraus, dass die Sache, um die es geht, schon bekannt und korrekt
als Denkmal im Sinne der Anwendungsbereichsbestimmungen des jeweiligen Gesetzes identifiziert
worden ist.
Diesen allgemeinen Schutzvorschriften folgten dann spezielle Schutzvorschriften für zuvor noch
unbekannte Sachen, die man – ob nun zufällig oder absichtlich – entdecken kann und die Denkmale
im Sinne der Legaldefinition des jeweiligen Gesetzes sind oder wenigstens sein könnten. Damit sind
natürlich regelhaft ausschließlich oder wenigstens vorwiegend „archäologische“ Funde (und Befunde)
gemeint, weil diese eben jene Kategorie von Sachen sind, die sich insbesondere dadurch von anderen
Sachen abgrenzen lässt, dass die meisten der ihr angehörenden Objekte noch im Erdboden verborgen
und damit unbekannt sind. Auch diese „speziell archäologischen“ Schutzvorschriften sind dabei nach
dem allgemeinen Muster des jeweiligen Gesetzes organisiert, wobei von allgemeineren zu
spezielleren Schutzvorschriften vorgegangen wird (dazu noch gleich mehr). Ganz deutlich ist dabei
gerade den frühen Fassungen der Denkmalschutzgesetze anzumerken, dass es ihnen jeweils primär
um den wissenschaftlichen Quellenschutz und höchstens sekundär um den Schutz anderer, wie z.B.
identitätsstiftender und touristischer, Funktionen der Denkmale geht: es geht primär darum, Sachen
zu erhalten, aus denen die „historischen“ Wissenschaften Erkenntnisse über die Vergangenheit
gewinnen können; wobei selbst die Vermittlung dieses Wissens an die Öffentlichkeit bereits als
weitgehend belanglos betrachtet wird.
Dem folgten dann entweder noch andere spezielle Schutzvorschriften für Materien, die sich von
anderen Aspekten des Denkmalschutzes maßgeblich unterscheiden (wie z.B. im österreichischen
DMSG solche zu Archivalien) oder es wurde gleich zu den Strafbestimmungen für Verletzungen der
Schutzvorschriften und abschließenden Durchführungsbestimmungen übergegangen, mit denen das
Gesetz in der Regel abschließt.
87
Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat
Dieser grundlegenden Struktur folgen die meisten deutschsprachigen Denkmalschutzgesetze bis
heute, wie man auch an den in dieser Arbeit genauer besprochenen Gesetzen, also dem
österreichischen DMSG, dem DSchG-BW und dem HDSchG deutlich erkennen kann.
Die „archäologischen“ Schutzbestimmungen
Wie bereits angedeutet, folgen auch die speziell „archäologischen“ Schutzbestimmungen dem
allgemeinen Muster des jeweiligen Gesetzes, vom Allgemeineren zum Spezielleren voranschreitend.
Daher beginnen sowohl das österreichische DMSG mit den heute als §§ 8 und 9 DMSG als auch das
DSchG-BW mit den heute als § 20 und das HDSchG mit den heute als § 21 nummerierten allgemeinen
Vorschriften, die bei der („zufälligen“) Entdeckung von zuvor noch unbekannten Fundgegenständen
zu beachten sind. Diese sehen zuerst einmal regelhaft eine Fundmeldepflicht vor (§ 8 DMSG; § 20 Abs.
1 DSchG-BW; § 21 Abs. 1 HDSchG); wobei Funde von Gegenständen, die der Legaldefinition des
relevanten Begriffs im jeweiligen Denkmalschutzgesetz entsprechen oder wenigstens entsprechen
könnten, normalerweise unmittelbar (z.B. binnen eines Werktages) vorzugsweise direkt der örtlich
zuständigen Denkmalbehörde, potentiell aber auch anderen zulässigen Meldestellen, anzuzeigen sind.
Dieser Meldepflichtbestimmung folgend schreiben diese Schutzbestimmungen für Zufallsfunde aber
dann auch regelhaft vor, dass die Fundstelle für einige Tage ab Abgabe der Fundmeldung unverändert
zu belassen und nötigenfalls auch zu sichern ist, um der örtlich zuständigen Denkmalbehörde
Gelegenheit zur Feststellung der Fundumstände und erforderlichenfalls genaueren archäologischen
Untersuchung der Fundstelle zu geben (§ 9 Abs. 1 DMSG; § 20 Abs. 1 DSchG-BW; § 21 Abs. 3 HDSchG).
Dem schließlich folgen Bestimmungen, die es dem jeweils örtlich zuständigen Denkmalamt gestatten,
die Fundstelle zu untersuchen, Funde zu bergen und letztere auch zeitlich befristet zur
wissenschaftlichen Bearbeitung einzuziehen, selbst wenn die entdeckten Funde aufgrund
denkmalschutz- oder anderer gesetzlicher Gründe Privatpersonen als Eigentum erwachsen (§ 9 Abs. 4
DMSG; § 20 Abs. 2 DSchG-BW; § 21 Abs. 4 HDSchG).
In heutigen Gesetzen, die wie das österreichische DMSG wenigstens grundsätzlich noch nach dem
konstitutiven Prinzip funktionieren sollen, finden sich zusätzlich noch Bestimmungen, die solche
Neufunde von „Bodendenkmalen“ kraft Gesetzes zeitweilig unter Denkmalschutz stellen, um der
Denkmalbehörde zu gestatten, die Fundstelle nötigenfalls in einem beschleunigten Verfahren unter
(dauernden) Denkmalschutz zu stellen (§ 9 Abs. 3 DMSG). In heute generell nach dem ipsa lege -Prinzip
funktionierenden Gesetzen wie dem DSchG-BW und dem HDSchG ist dies hingegen nicht nötig, da
ohnehin alle Sachen, die der Legaldefinition des relevanten Denkmalbegriffs im jeweiligen Gesetz
entsprechen, automatisch unbefristet unter Denkmalschutz stehen.
Diesen allgemeinen Bestimmungen für Funde zuvor noch gänzlich unbekannter Denkmale folgen dann
die spezielleren Schutzvorschriften, die bei gezielten Nachforschungen nach Denkmalen im Sinne der
jeweils relevanten Legaldefinition dieses Begriffs beachtet werden müssen (§ 11 DMSG; § 21 DSchGBW; § 22 HDSchG). Dies sind normalerweise die hier schon genauer diskutierten NFG-Pflichten (§ 11
Abs. 1 [und 8] DMSG; § 21 DSchG-BW; § 22 HDSchG) und gegebenenfalls erforderlich erscheinende
Nebenbestimmungen, was bei Nachforschungen ebenfalls zu beachten ist (wie z.B. die explizite
Ausnahme von Nachforschungen der Behörde in § 11 Abs. 2 und die Anzeige-, Fundmelde- und
Berichtspflichten von Genehmigungsinhabern an die samt der daraus folgenden
Fundberichtsveröffentlichungspflicht der Behörde in § 11 Abs. 3-4 und 6-7 DMSG).
Teilweise dazwischen eingeschoben (wie in Österreich durch § 10 DMSG) oder den NFGPflichtbestimmungen folgend (§ 23 DSchG-BW; § 25 HDSchG), finden sich dann heutzutage auch noch
Bestimmungen zur von den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen des ABGB bzw. BGB zum
Fundeigentumserwerb abweichenden Regelungen der Eigentumsfrage an entdeckten
88
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Fundgegenständen. Diese kann in Form der von den Bestimmungen der §§ 388-397 ABGB
abweichenden Regelung des § 10 DMSG, dass alle Funde von Bodendenkmalen als Schatzfunde iSd §§
398-401 ABGB zu behandeln sind, oder aber auch in Form eines von den Bestimmungen der §§ 965984 BGB abweichenden (kleinen oder großen) staatlichen Schatzregals (§ 23 DSchG-BW; § 25 HDSchG)
erfolgen. Zusätzlich finden sich in Ländern, deren Denkmalschutzgesetz nach dem ipsa lege-Prinzip
funktioniert, an dieser Stelle heutzutage auch noch Bestimmungen zum Schutz von „Fundhoffnungs-“
bzw. „Grabungsschutzgebieten“ (§ 22 DSchG-BW; §§ 23-24 HDSchG), die sich z.B. im österreichischen
DMSG schon im Kontext der Definition von Unterschutzstellungen im einleitenden, allgemeinen Teil
des DMSG in § 1 Abs. 5 finden.
Die seltsame Regelung von Funden zuvor gänzlich unbekannter Denkmale
Diese Struktur und insbesondere die Progression von Bestimmungen zu Funden von zuvor noch
unbekannten, aber möglicherweise denkmalschutzrelevanten, Gegenständen zu Bestimmungen zur
Genehmigungspflicht von gezielten Nachforschungen zur Entdeckung solcher Funde ist besonders
interessant, wenn man kurz darüber nachdenkt und sie nicht einfach als (gott- oder) naturgegebene
Unterscheidung zwischen zufälligen und absichtlichen Entdeckungen betrachtet, von denen man die
ersten selbstverständlich nicht, die zweiten hingegen schon, einer vorab-Genehmigungspflicht
unterwerfen kann. Betrachtet man die gesetzliche Regelung der Entdeckung von Fundgegenständen
nämlich ausschließlich aus dem Blickwinkel des Schutzes von Denkmalen vor Zerstörung und
Veränderung (und Verbringung an einen anderen Ort), ist eine Aufteilung von Entdeckungen in
„zufällige“ und „absichtliche“ und deren unterschiedliche Regelung überhaupt nicht erforderlich.
Um zu erreichen, dass Funde von möglichen Denkmalen nicht vor ihrer sachgerechten Untersuchung
durch die Wissenschaft und insbesondere die staatliche Denkmalbehörde zerstört werden, genügen
die allgemeinen Fundbestimmungen der §§ 8 und 9 DMSG, 20 DSchG-BW und 21 HDSchG nämlich
bereits vollständig. Denn diese sehen ja jeweils vor, dass, wenn ein zuvor noch gänzlich unbekannter
Gegenstand entdeckt wird, welcher der jeweils relevanten Legaldefinition des jeweiligen
Denkmalschutzgesetzes entspricht bzw. sogar nur entsprechen könnte, dieser und seine Fundstelle
unverändert zu belassen sind, bis die im konkreten Einzelfall zuständige Denkmalbehörde, die auch
sofort vom Fund zu informieren ist, Gelegenheit zur Untersuchung von Fundstelle und
Fundumständen hatte und dass die Behörde diese Funde – auch wenn sie im Privateigentum von
Dritten stehen – auch wenigstens zeitweilig zur wissenschaftlichen Untersuchung einziehen darf.
Die in darauf folgenden Abschnitten behandelten NFG-Pflichten der §§ 11 Abs. 1 [und 8] DMSG, 21
DSchG-BW und 22 HDSchG erscheinen also eigentlich komplett redundant: man muss schließlich
entsprechend der allgemeinen Fundbestimmungen ohnehin alle Arbeiten – und damit natürlich auch
Nachforschungen – an der Fundstelle einstellen, an der man eine Sache entdeckt hat, die
möglicherweise ein Denkmal im Sinne der relevanten Legaldefinition des Begriffes sein kann und
darauf warten, dass die Denkmalbehörde sich das, was man gefunden hat, anschaut und eventuell
selbst sachgerecht bergen und dokumentieren und dann zur wissenschaftlichen Bearbeitung gleich
auch noch einziehen kann. Wozu also eine NFG-Pflicht? Welche besondere Gefährdung für Denkmale
geht von Nachforschungen aus, bei denen gezielt Denkmale entdeckt werden sollen, die dem Denkmal
nicht sonst auch durch eine unzählige Menge anderer Ursachen droht – wie z.B. durch natürliche
Erosion und Pflügen oder beliebige andere, nicht genehmigungspflichtige Erdarbeiten – und die man
durch die speziellen NFG-Pflichten abwehren kann?
Will man nicht in völlig absurder Weise davon ausgehen, dass durch die NFG-Pflichten Schaden
verhindert werden soll, der durch die Nichtbeachtung der Rechtsfolgen der Entdeckung von
Fundgegenständen – d.h. des Veränderungsverbots der Fundstelle gem. § 9 Abs. 1 DMSG, § 20 Abs. 1
89
Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat
DSchG-BW, bzw. § 21 Abs. 3 HDSchG – entstehen kann – d.h. im Sinne von „doppelt hält besser“ ein
gesetzliches Verbot die Verletzung eines anderen gesetzlichen Verbots verhindern soll –, haben die
NFG-Pflichten der hier besprochenen Denkmalschutzgesetze also überhaupt keinen
denkmalschützerischen Sinn. Warum also hat der Gesetzgeber solche NFG-Pflichten überhaupt für
erforderlich gehalten und sie daher ins Gesetz aufgenommen, statt sie sich und seinen Bürgern einfach
ganz zu ersparen und damit das Gesetz wenigstens ein klein wenig weniger kompliziert zu machen?
§§ 9-11 DMSG in der Fassung BGBl. 533/1923
Eine Antwort auf die Frage, warum der Gesetzgeber dennoch eine „NFG-Bestimmung“ ins
Denkmalschutzgesetz aufgenommen hat, ist glücklicherweise sehr einfach zu finden, wenn man die
archäologischen Schutzbestimmungen des Gesetzes in der Erstfassung des österreichischen DMSG in
BGBl. 533/1923 etwas genauer betrachtet. Dort finden sich die den heutigen §§ 8-9 und 11 DMSG
strukturell exakt entsprechenden Bestimmungen in den §§ 9-11, die sich allerdings inhaltlich – wenn
auch nur geringfügig, so doch essentiell – von den heute geltenden Bestimmungen unterscheiden.
Unterscheiden heute §§ 8 und 11 DMSG zwischen „zufälligen“ und „vorsätzlichen“ Entdeckungen 1 von
Bodendenkmalen, die unterschiedlich gesetzlich geregelt sind („Zufallsfunde“ in §§ 8-9, „vorsätzliche
Funde“ in § 11), kennt § 9 DMSG idF BGBl. 533/1923 genau diese Unterscheidung nicht. Vielmehr ist
in § 9 Abs. 1 idF BGBl. 533/1923 von Funden von Gegenständen die Rede, „die Infolge ihrer Lage, Form
oder Beschaffenheit offenkundig den Beschränkungen dieses Gesetzes unterliegen“. Wurden solche
Gegenstände gefunden, wurde die Meldepflicht an die zuständige Behörde und alle sich daraus
ergebenden Rechtsfolgen des § 10 idF BGBl. 533/1923 ausgelöst; d.h. die Fundstelle musste
unverändert belassen werden, bis das BDA sie untersuchen konnte und gegebenenfalls in einem
beschleunigten Verfahren unter Denkmalschutz stellen konnte. Das galt grundsätzlich einmal für alle
Entdeckungen, egal aus welchem Grund es zu diesen gekommen ist. Ob „Bodendenkmale“ (der Begriff
wird im DMSG idF BGBl. 533/1923 überhaupt nicht verwendet) entdeckt wurden, weil man zufällig
1
An dieser Stelle ist besonders zu beachten, dass § 11 DMSG igF eben nicht das Vorgehen bei „absichtlichen“,
sondern nur das bei „vorsätzlichen“ Entdeckungsversuchen regelt. Vorsatz im rechtlichen (im Unterschied zum
umgangssprachlichen) Sinn des Wortes kennzeichnet sich im österreichischen (und auch im deutschen Recht)
stets dadurch, dass der Täter bei der Planung seines Handelns „Wissen und Wollen der
Tatbestandsverwirklichung“ vereint; d.h. einen bestimmten Tatbestand absichtlich herbeiführen will und auch
weiß (oder es wenigstens im Sinne des Eventualvorsatzes ernsthaft für möglich hält; § 5 Abs. 1 österreichisches
StGB), dass die von ihm geplanten Handlungen diesen Tatbestand voraussichtlich herbeiführen werden. Daher
ist die objektive oder wenigstens subjektive Vorhersehbarkeit der Entdeckung von Denkmalen auch
Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG (VwGH 23.2.2017, Ro
2016/09/0008, 4; siehe auch schon Seiten 8-26). Die unvorhergesehene und auch tatsächlich bei vernünftiger
Betrachtung durch einen unvoreingenommenen Dritten unvorhersehbare Entdeckung von Denkmalen bei einer
beliebigen Handlung – selbst wenn es sich dabei um eine Nachforschung handelt, mit deren Durchführung der
Handelnde die Entdeckung von Denkmalen beabsichtigt hat – ist also im rechtlichen Sinn keine vorsätzliche
Entdeckung bzw. Untersuchung eines Denkmals, sondern ein „Zufallsfund“, weil der Handelnde den Erfolg seiner
Nachforschung gerade nicht vorhersehen konnte und hat.
Das ist exakt so, wie man zwar durchaus „absichtlich“, aber eben gerade nicht „vorsätzlich“ (auch nicht einmal
eventualvorsätzlich), in der Lotterie gewinnen kann, indem man eine bestimmte Zahlenkombination spielt, auch
nicht, wenn man subjektiv ehrlich davon überzeugt ist, dass diese Zahlenkombination gewinnen wird: es ist
nämlich für einen vernünftigen, unvoreingenommenen Dritten nicht vorhersehbar, dass man dadurch, dass man
gerade diese bestimmte Zahlenkombination spielt, den (in diesem Fall erwünschten) Tatbestand (des
Lottogewinns) verwirklichen kann. Im rechtlichen Sinn vorsätzlich kann man in der Lotterie nur gewinnen, indem
man die Ziehung so manipuliert, dass man vorhersehen kann, welche Zahlenkombination man spielen muss,
damit man (voraussichtlich) gewinnen wird. Hat man die Ziehung nicht manipuliert, sondern nur ein Los mit
einer bestimmten Zahlenkombination gekauft, hat man auch dann nicht vorsätzlich gewonnen, wenn dieses Los
dann tatsächlich gewinnt, sondern nur absichtlich.
90
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
beim Spazierengehen über sie gestolpert ist oder weil man sie absichtlich zu finden versucht hat, blieb
unerheblich: fand man etwas, was offenkundig ein Denkmal war, musste man das melden und durfte
das Gefundene und seine Fundstelle vorerst nicht mehr verändern.
Dennoch folgte auf diese Bestimmungen, die ja zum Schutz der bis zu ihrer Entdeckung unbekannten
Denkmale völlig genügen würden, auch schon im DMSG idF BGBl. 533/1923 die Bestimmung des
damaligen § 11 Abs. 1: „Ausgrabungen behufs der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und
unbeweglicher Denkmale dürfen nur mit Zustimmung des Bundesdenkmalamtes vorgenommen
werden“, das gem. § 11 Abs. 2 idF BGBl. 533/1923 auch berechtigt war, „Ausgrabungen fachmännisch
zu überwachen“. Das erscheint auf den ersten Blick wenig Sinn zu ergeben: § 9 idF BGBl. 533/1923
behandelt eben gerade nicht nur zufällige Funde von zuvor noch unbekannten Denkmalen, sondern
alle Entdeckungen von solchen; daher sind alle Arbeiten an Ort und Stelle selbstverständlich gem. §
10 Abs. 1 idF BGBl. 533/1923 unmittelbar einzustellen, wenn eine solche Sache angetroffen wird.
Die Bestimmung des § 11 Abs. 1 idF BGBl. 533/1923 ergibt hingegen sehr viel Sinn, wenn man sie unter
Kenntnis der Realitäten der österreichischen Denkmalpflege um 1920 und der zwischen 1918 und
1929 einigermaßen intensiv geführten Debatte um die Gestaltung der Bundesverfassung der 1.
Republik betrachtet. Als das DMSG beschlossen wurde, beschäftigte die junge 1. Republik gerade
einmal einen graduierten Archäologen, Georg Kyrle, im BDA in Wien (Brückler & Nimeth 2001, 149).
Dieser hätte nun also in ganz Österreich, wenn etwas gefunden wurde, binnen 4 Tagen ab Abgabe der
Fundmeldung gem. § 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923 – die aller Wahrscheinlichkeit vom örtlichen
Bürgermeister postalisch dem BDA übermittelt wurde und daher mit guter Wahrscheinlichkeit
überhaupt erst frühestens am 2., wenn nicht sogar erst am 3. Tag nach der Abgabe der Fundmeldung
bei diesem einlangte – die noch unveränderte Fundstelle in Augenschein nehmen und allfällig
erforderliche Grabungen vor Ort durchführen müssen, um die dort entdeckten archäologischen
Überreste sachgerecht zu dokumentieren und zu bergen. Das war natürlich praktisch unmöglich,
schon gar nicht, wenn zufälligerweise am gleichen Tag Funde irgendwo im Südburgenland, im
oberösterreichischen Mühlviertel und in Vorarlberg gemacht worden wären.
Aber glücklicherweise konnte damals ja das BDA noch auf das einigermaßen dicht gewebte Netz von
Korrespondenten der k.k. Zentralkommission zurückgreifen (siehe dazu Brückler & Nimeth 2001), das
diese Vorläuferorganisation des BDA über die vorherigen ca. 70 Jahre erfolgreich aufgebaut hatte.
Kyrle konnte also ein Telegramm an einen halbwegs nahe des Fundorts wohnhaften Korrespondenten
schicken oder diesen anrufen (falls der schon ein Telefon hatte) und diesen als Organ des BDA mit der
Begutachtung und nötigenfalls auch Bergung des Fundes, der Dokumentation der Fundumstände und
nötigenfalls auch erforderlich werdenden Grabungen betrauen. Damit konnte also das BDA seine
Aufgaben einigermaßen erfolgreich erledigen, ohne dass Kyrle dauernd um teures Geld im ganzen
Land umherfahren hätte müssen und dennoch nicht an 3 Orten gleichzeitig sein hätte können, um
Funde bergen und Fundumstände dokumentieren zu können, die bloß 4 Werktage unverändert
belassen werden mussten, ehe sie zerstört werden durften.
Nun war es aber so, dass die Korrespondenten des BDA oft auch stark an Archäologie interessiert
waren, ja sich darunter sogar Universitätsprofessoren der Archäologie befanden, und daher immer
wieder einmal Korrespondenten des BDA von sich aus wissenschaftliche archäologische
Ausgrabungen durchführen wollten, um neue archäologische Erkenntnisse gewinnen zu können. Das
schien im Sinne der Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Staatsgrundgesetz von 1867, das die junge
Republik, weil man sich über die Grundrechte nicht wirklich einigen hatte können, einfach 1920 als
Verfassungsgesetz über die Grundrechte der Staatsbürger mit minimalen Veränderungen aus dem
Kaiserreich übernommen hatte, auch durchaus sinnvoll und wohl kaum gänzlich zu verbieten; schon
gar nicht, weil das BDA gar nicht die Kapazität gehabt hätte selbst größere Mengen an archäologischen
91
Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat
Ausgrabungen durchzuführen. Gerade diese erschienen aber in den 1920ern, in denen die Archäologie
noch eher mit Materialmangel als mit einem Überschuss an Fundmassen zu kämpfen hatte, auch
dringend notwendig, um wissenschaftlichen Fortschritt erzielen zu können.
Das hätte nun aber in der Praxis um 1925 herum aufgrund der Bestimmungen der §§ 9-10 DMSG idF
BGBl. 533/1923 zu der absurden Situation geführt, dass ein Universitätsprofessor der Archäologie an
der Universität Innsbruck, der z.B. eine archäologische Ausgrabung im römischen Bregenz
durchführen wollte, mit dieser zwar beginnen hätte dürfen, aber sobald er den ersten Fund gemacht
hätte diese Grabung unmittelbar einstellen und zur örtlich zuständigen Fundmeldestelle gehen hätte
müssen, um seinen Fund anzuzeigen. Diese Fundmeldestelle hätte dann einen Brief an das BDA in
Wien – also an das andere Ende von Österreich – zu schicken gehabt, der dort vermutlich frühestens
am 3. Tag nach Abgabe der Fundmeldung angekommen wäre, wo ihn Kyrle geöffnet und festgestellt
hätte, dass Handlungsbedarf bestünde. Kyrle hätte daraufhin einen (wenigstens aktuell) nahe der
Fundstelle wohnhaften Korrespondenten, z.B. den Universitätsprofessor für Archäologie an der
Universität Innsbruck, der gerade zu Forschungszwecken in Bregenz weilen würde, per Telegramm
ersuchen müssen, die Fundstelle und den Fund in Augenschein zu nehmen und gegebenenfalls alle
aus archäologischer Sicht notwendigen Grabungs-, Dokumentations- und Bergemaßnahmen zu
setzen. Daraufhin hätte dieser Universitätsprofessor seine Grabung, nun aber als Organ des BDA,
wiederaufnehmen und wie geplant durchführen können, ohne weiter durch das Gesetz behindert zu
werden.
Das wäre ein selbst für das kafkaeskeste Österreich hochgradig sinnloser bürokratischer Umweg
gewesen, der allen nur unnötige Arbeit gemacht und niemandem etwas genutzt hätte. Es erschien
daher zwingend notwendig, eine Regelung in das DMSG einzubauen, die es den archäologischen
Wissenschaftern und anderen denkmalschützerisch vertrauenswürdigen Personen (wie eben den
Korrespondenten des BDA) ermöglichen würde, ihre archäologische Ausgrabungen auch tatsächlich
sinnvoll fachgerecht durchzuführen; statt jedes Mal, wenn sie etwas fanden, die Arbeit für 4 Tage
einstellen zu müssen, nur damit sie das BDA in Wien wieder damit beauftragen können würde, nun
als Organ des BDA ihre eigene Grabung fortzuführen.
Die Regelung, die dafür eingeführt wurde, war die der Grabungsgenehmigung des § 11 Abs. 1 DMSG
idF BGBl. 533/1923: das BDA wurde damit ermächtigt, Personen, die wissenschaftliche archäologische
Ausgrabungen durchführen wollten, gleich von Anfang an zu erlauben, diese Grabungen auch
tatsächlich durchzuführen und nicht wegen jedes Einzelfundes wieder eine Fundmeldung gem. § 9
Abs. 1 idF BGBl. 533/1923 samt allen sich daraus ergebenden Rechtsfolgen nach § 10 idF BGBl.
533/1923 vornehmen zu müssen. Zweck der Einführung einer Grabungsgenehmigungsmöglichkeit
war also nicht etwa, unerwünschte Ausgrabungen zu verhindern, sondern ganz im Gegenteil der,
erwünschte (nämlich wissenschaftlich sachgerecht durchgeführte) archäologische Ausgrabungen so
bürokratisch reibungslos als irgendwie möglich durchführbar zu machen, um den wissenschaftlichen
Fortschritt nicht unnötig durch allgemeine Fundvorschriften zu behindern, die der Verhinderung von
Schaden an den wissenschaftlichen Quellen der Forschung und nicht der Verhinderung von Forschung
dienen sollten.
Wenn aber nun das BDA seine Zustimmung zu Grabungen seinen eigenen Korrespondenten bereits
vorab erteilen konnte, musste man – im Sinne des für die junge Republik durchaus nicht unwichtigen
Gleichheitsgrundsatzes der Bundesverfassung – die gleiche Möglichkeit auch jedem anderen
Staatsbürger einräumen: schließlich konnte der ja auch wissenschaftliche Forschungsinteressen im
Bereich der Archäologie verfolgen (schließlich waren auch viele Korrespondenten fachliche Laien, es
war also nicht anrüchig, als Laie archäologische Feldforschung betreiben zu wollen), womit ihm auch
die Forschungsfreiheit zustehen musste. Nachdem es aber durchaus auch um 1920 bekanntermaßen
92
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
bereits ein „Raubgräberproblem“ gab, wollte und konnte die Fachwelt die Kontrolle über
Ausgrabungen auch nicht ganz aufgeben; was die Bestimmung des § 11 Abs. 2 idF BGBl. 533/1923
erforderlich machte, die dem BDA das Recht und die Pflicht zur fachmännischen Überwachung solcher
vorab genehmigten Ausgrabungen einräumte und auferlegte.
Somit hatte man eine „doppelte“ Lösung: die Fundmeldepflichten des § 9 samt den daraus
resultierenden Rechtsfolgen gem. § 10 galten für alle Entdeckungen von Funden; es sei denn, die
Person, die gezielt und absichtlich Ausgrabungen zur Entdeckung und Untersuchung von bedeutenden
archäologischen Denkmalen machen wollte, hatte sich schon vorab gem. § 11 DMSG idF BGBl.
533/1923 vom BDA eine Erlaubnis dazu geholt. Damit hatte man die weitgehend freie
wissenschaftliche Forschung ermöglicht, aber gleichzeitig die noch gänzlich unbekannten Denkmale,
die man jederzeit überall finden konnte, so gut es geht – nämlich eben ab dem Zeitpunkt ihrer
erstmaligen Entdeckung – geschützt, bis das BDA oder ein von diesem beauftragter Sachverständiger
(wie der Inhaber einer Grabungsgenehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG) festgestellt hatte, ob dieser
Schutz dauerhaft notwendig wäre oder wieder gänzlich aufgehoben werden könne.
Reaktive vs. präventive Gesetzgebung
Die Struktur, die der österreichische Gesetzgeber seinem DMSG 1923 gegeben hat, ist also
durchgehend reaktiv: er wollte, dass bedeutende Denkmale geschützt werden. Das setzt zwingend
voraus, dass erst einmal einigermaßen eindeutig bestimmt worden ist, dass eine bestimmte Sache
auch tatsächlich ein solches, bedeutendes Denkmal ist (oder wenigstens höchstwahrscheinlich eines
sein dürfte), ehe die Schutzbestimmungen des Gesetzes auf diese konkrete Sache überhaupt
angewendet werden können. Der baden-württembergische und der hessische Gesetzgeber haben
übrigens exakt dasselbe getan, d.h. das gilt auch für das DSchG-BW und das HDSchG.
Es bleibt sich nämlich bei einer reaktiven Gestaltung des Gesetzes völlig gleich, ob das jeweilige Gesetz,
ob nun generell oder im für uns besonders relevanten Bereich der archäologischen Denkmalpflege,
nach dem konstitutiven oder dem deklaratorischen Prinzip funktioniert: der Unterschied zwischen den
beiden Prinzipien ist nämlich nur, ob eine staatliche Behörde in einem eigenen Verwaltungsakt
(konstitutiv) bestimmen oder der Bürger auf Basis der (deklaratorischen) Legaldefinition des
Denkmalbegriffs selbst erkennen muss, ob eine konkrete Sache nun (wenigstens aller
Wahrscheinlichkeit nach) ein Denkmal ist. Wer aber nun auf welche Art und Weise bestimmen muss,
welche Sache ein Denkmal ist (oder wahrscheinlich sein dürfte), ändert nicht das Geringste daran, dass
immer noch zuerst bestimmt werden muss, dass eine konkrete Sache ein Denkmal ist (oder sein
dürfte), bevor man irgendeine der Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes auf sie (und sie
betreffende Handlungen) anwenden kann. Abb. 3 zeigt in Form eines Flussdiagramms, welche
Handlungen bzw. Ereignisse bei einer reaktiven Gesetzgebung in welcher Abfolge gesetzt werden bzw.
eintreten müssen, ehe die Bestimmungen des betreffenden Gesetzes anwendbar werden.
Bei einer derartigen Art der reaktiven Gesetzgebung ist es also zwingend unmöglich, die
Bestimmungen des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes auf alle jene Handlungen bzw. Ereignisse
anzuwenden, die stattfinden bzw. eintreten, bevor bestimmt wurde, dass eine bereits bekannt
gewordene, konkrete Sache tatsächlich ein Denkmal ist (bzw. wenigstens wahrscheinlich ein solches
sein dürfte). Nachdem sich die Anwendbarkeit der Schutzbestimmungen eines derart gestalteten
Gesetzes immer erst daraus ergibt, dass eine konkrete Sache (korrekt) als (wahrscheinliches) Denkmal
bestimmt wurde (wen auch immer die rechtliche Verantwortung zur korrekten Bestimmung dieser
Wahrscheinlichkeit trifft) müsste man den Zeitpfeil umkehren, um bereits davor stattgefunden
habende Ereignisse bzw. Handlungen den Schutzbestimmungen dieses Gesetzes unterwerfen zu
können. Nachdem eine Umkehr des Zeitpfeiles aber weder praktisch möglich noch mit dem
93
Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat
Erfordernis der Rechtssicherheit vereinbar ist, kann das derart gestaltete Gesetz nicht auf Handlungen
bzw. Ereignisse angewendet werden, die der Bestimmung einer Sache als Denkmal vorhergehen.
Abb. 3: Flussdiagramm der Ereignisse, die eintreten bzw. Handlungen die gesetzt werden müssen, ehe Bestimmungen eines
reaktiven Denkmalschutzgesetzes auf beliebige Sachen zur Anwendung gebracht werden können.
Präventiver Denkmalschutz
Man könnte natürlich die Gesetzgebung anders gestalten, nämlich präventiv, damit man die
Bestimmungen eines solchen Gesetzes tatsächlich schon auf Handlungen anwenden könnte, die zur
Zerstörung oder Veränderung noch gänzlich unbekannter Denkmale führen könnten. Ein solches
Denkmalverträglichkeitsprüfungsgesetz müsste man jedoch ganz anders aufbauen, weil man zwar
damit letztendlich dasselbe Ziel zu erreichen versucht, aber auf einem ganz anderen Weg. Bei einer
derartigen Form der gesetzlichen Regelung des Denkmalschutzes ist es nämlich rechtlich sekundär,
was genau jetzt ein Denkmal ist und wie man das in Anbetracht einer konkreten Sache bestimmt.
Primär ist hingegen von Bedeutung, welche Handlungen ein Denkmal gefährden könnten, d.h. welche
konkreten Handlungen Denkmale zerstören oder verändern könnten.
Der präventive Prozess setzt bei der Planung beliebiger Handlungen ein und an. Geplante Handlungen
sind dabei in Bezug auf die von ihnen potentiell ausgehende Gefährdung (bekannter und noch
unbekannter) Denkmale zu prüfen und jene konkreten, geplanten Handlungen zu identifizieren, von
denen eine signifikante Gefahr für potentiell überall vorkommen könnende Denkmale ausgehen
dürfte. Auf alle konkreten Handlungen, die in die letztgenannte Kategorie fallen, sind dann die
Schutzbestimmungen des jeweiligen Denkmalverträglichkeitsprüfungsgesetzes unmittelbar
anwendbar, egal welche Sachen von diesen Handlungen tatsächlich betroffen werden dürften. Bevor
die konkreten, geplanten Handlungen umgesetzt werden können, ist in einem nächsten Schritt zu
ermitteln, welche (noch unbekannten und bekannten) konkreten Sachen tatsächlich von den
geplanten, potentiell denkmalgefährdenden Handlungen betroffen sein werden. Soweit noch
unbekannte, am Ort, an dem die geplanten Handlungen stattfinden sollen, möglicherweise
vorkommende Sachen betroffen sind, sind an diesem Ort mit geeigneten Mitteln durchzuführende
Versuche zu unternehmen, alle dort tatsächlich noch vorkommenden, bislang unbekannten Sachen zu
entdecken und somit in konkrete, bekannte Sachen zu verwandeln.
Alle am betreffenden Ort vorkommenden, konkreten Sachen sind dann in einem weiteren Schritt im
Hinblick auf die Frage zu beurteilen, ob es sich bei ihnen mutmaßlich um Denkmale handelt, die
tatsächlich vor Schaden bewahrt werden sollen, oder um ganz gewöhnliche Sachen, bei denen das
nicht der Fall ist. Der letztgenannte Schritt kann gegebenenfalls ausfallen, wenn das
Denkmalverträglichkeitsprüfungsgesetz nicht die unveränderte Erhaltung besonders bedeutender
Denkmale in situ vorsieht, sondern stattdessen eine Erhaltung durch Dokumentation (aller an Ort und
94
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Stelle vorkommender Sachen) als präferierte Schadenspräventionsmethode festgesetzt hat. In diesem
Fall braucht im Gesetz nicht einmal der Denkmalsbegriff definiert werden, weil man ihn aus
legistischer Sicht gar nicht braucht; das Gesetz ist ja einfach auf alle Sachen anzuwenden, die von
potentiell denkmalgefährdenden Handlungen betroffen werden. Sinnvollerweise wird allerdings ein
solcher Beurteilungsschritt sehr wohl durchgeführt (und auch der Denkmalbegriff im Gesetz definiert)
werden, weil dadurch aller Wahrscheinlichkeit nach unnötiger Aufwand sowohl für den Handelnden
als auch die Denkmalbehörden vermieden wird.
Nun erst können die geplanten, denkmalgefährdenden Handlungen umgesetzt werden, wenn und wie
dies die denkmalverträglichkeitsprüfungsgesetzlichen Schutzvorschriften gestatten. Dies kann
bedeuten, dass die Umsetzung ipsa lege entsprechend bestimmter, gesetzlicher Vorgaben zu erfolgen
hat, z.B. eine Untersuchung und Dokumentation der betroffenen Denkmale entsprechend dem Stand
wissenschaftlicher Technik zum Zweck ihrer Erhaltung durch Dokumentation und eine sachgerechte
Bergung beweglicher Denkmale vorzunehmen ist; aber auch, dass diese Umsetzung der geplanten
Handlungen entsprechend im Einzelfall durch mit Auflagen verbundenem Bescheid einer zuständigen
Behörde
festgelegten
Vorgaben
zu
erfolgen
hat.
Abb.
4
zeigt
den
Denkmalverträglichkeitsprüfungsprozess ebenfalls in Form eines Flussdiagramms.
Abb. 4: Flussdiagramm der Ereignisse und Handlungen, die eintreten bzw. gesetzt werden müssen, dass ein präventiver
archäologischer Denkmalschutz anwendbar und umgesetzt wird.
Eine präventive Gesetzgebung ermöglicht es also problemlos, Schutzvorschriften des Gesetzes auf
geplante Handlungen anzuwenden, auch wenn noch gar nicht bekannt ist, ob durch ihre Umsetzung
tatsächlich irgendwelche bedeutenden Denkmale betroffen sein werden. Dies inkludiert
selbstverständlich auch geplante Handlungen, die auf die Entdeckung beliebiger bislang noch
unbekannter Sachen abzielen, sofern durch deren Umsetzung Denkmale gefährdet werden könnten.
Wie bereits gesagt, ist es sogar – wenn man ein solches Gesetz so gestaltet, das es (wenigstens
normalerweise) nicht die Erhaltung von Denkmalen in situ bezweckt – möglich, dass man für ein
solches Gesetz nicht einmal den Denkmalbegriff gesetzlich bestimmen muss. Was man bei einem
solchen Gesetz jedoch sehr genau definieren muss, sind die Arten von Handlungen, durch die
95
Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat
Denkmale signifikant gefährdet werden, weil ja die Anwendbarkeit der Schutzvorschriften eines
solchen Gesetzes dadurch ausgelöst wird, dass eine geplante Handlung solcherart ist, dass sie
Denkmale signifikant gefährdet.
Tatsächlich kennen wir bereits solche präventiven Gesetzgebungen auch im Bereich des
(archäologischen) Denkmalschutzes: dies ist, dem Sinn der Valletta-Konvention (Europarat 1992, Art.
5.i-iii) folgend, einerseits im Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren [UVP] der Fall, andererseits
aber auch, wenn die archäologische Denkmalpflege präventiv in Bau- und Raumplanungsverfahren
einbezogen wird, wie es in Deutschland bereits regelhaft, in Österreich allerdings nur sehr bedingt
(durch Eintragung geschützter Denkmale ins Grundbuch und Stellungnahmen des BDA in
Raumplanungsverfahren) der Fall ist. Bei der Regelung dieser Rechtsbereiche wird davon
ausgegangen, dass Baumaßnahmen jeder Art archäologische Denkmale signifikant gefährden können
und daher bereits in der Planungsphase zu berücksichtigen ist, dass bei der Umsetzung der Pläne
archäologische Denkmale gefährdet werden könnten. Inwieweit allerdings die Ermittlungspflichten
von Bauwerbern ausreichend weit gefasst sind, um eine wirklich effektive präventive Denkmalpflege
zu ermöglichen, ist diskutierbar, da die reaktiven Grundlagen der jeweiligen Denkmalschutzgesetze
und deren Handhabung durch die Behörden hier blockierend wirken, weil sie die eigentlich
notwendigen Versuche, Denkmale schon in der Planungsphase zu entdecken, eher behindern denn
fördern. Dennoch: es handelt sich dabei um Ansätze einer präventiven Lösung, bei der es primär
darum geht, Handlungen zu identifizieren, die Denkmale gefährden könnten, nicht primär darum,
Denkmale zu identifizieren, die durch bestimmte Handlungen gefährdet werden könnten.
Sachliche, präventive Legaldefinitionen
Um eine wirklich effektive präventive Lösung zu ermöglichen, muss natürlich dennoch die
Legaldefinition
der
Art
von
Handlungen,
die
den
Bestimmungen
des
Denkmalverträglichkeitsprüfungsgesetzes unterliegen, auch sachlich gerechtfertigt sein; d.h. nur
solche Handlungen umfassen, durch die Denkmale tatsächlich signifikant gefährdet werden (könnten).
Einfach alle Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung von irgendetwas als solche Handlungen zu
definieren, reicht nicht aus, weil es viele Nachforschungsmethoden gibt, von deren Durchführung
nicht die mindeste Gefahr für Denkmale ausgeht, ja von denen gar keine Gefahr ausgehen kann, selbst,
wenn die tatsächlich zur Untersuchung eines bereits bekannten, besonders bedeutenden Denkmals
verwendet werden.
Betrachte ich mit freiem Auge eine Bodenformation, um zu beurteilen, ob es sich dabei um einen
Grabhügel oder einen Rest einer Wallanlage handeln könnte, gefährdet diese
Nachforschungshandlung diese Bodenformation nicht im mindesten. Das bloße Anschauen gefährdet
nicht einmal eine Bodenformation, die sicherlich ein besonders bedeutendes Denkmal ist, wie z.B. den
Großmugl in Niederösterreich, auch wenn ich ihn mit dieser Nachforschungsmethode beim ersten
Besuch subjektiv zu entdecken und danach durch genauere Betrachtung auch zu untersuchen
versuche. Davon, dass ich einen späthallstattzeitlichen Riesentumulus anschaue, kann er nicht
kaputtgehen. Ebenso wenig können Denkmale in der Regel dadurch signifikant gefährdet werden,
dass man sie mit nicht-invasiven Nachforschungsmethoden untersucht: diese Methoden greifen nicht
in die Substanz der Sache ein, die mit ihnen untersucht werden soll, und können daher nach
derzeitigem Kenntnisstand tatsächlich auch keinen Schaden an Denkmalen anrichten, auch dann
nicht, wenn sich unter den untersuchten Sachen tatsächlich bedeutende Denkmale befinden.
Erdarbeiten aller Art (inklusive in den Boden eingreifende archäologische Nachforschungsmethoden
wie Ausgrabungen) können hingegen sehr wohl den Schutzbestimmungen eines solchen Gesetzes
unterworfen werden: unbekannte archäologische Denkmale können schließlich tatsächlich überall im
96
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Boden vorkommen. Auch wenn es an den meisten Orten eher unwahrscheinlich ist, dass dort
tatsächlich archäologische Denkmale vorkommen, ist schließlich die Gefahr, die von Erdarbeiten für
archäologische Denkmale ausgeht, die sich tatsächlich unbekannterweise zufällig am betroffenen Ort
befinden, durchaus hoch signifikant: ein solches wird, wenn es dort ist, durch Erdarbeiten jedenfalls
signifikant verändert und mit hoher Wahrscheinlichkeit gänzlich zerstört werden. Selbst wenn die
Eintrittswahrscheinlichkeit relativ gering ist, erreicht man damit immer noch ein bedeutendes Risiko,
dessen Verringerung durchaus im öffentlichen Interesse erforderlich sein kann, d.h. eine gesetzliche
Beschränkung dieser Handlungen rechtfertigt.
Auch dabei ist aber abzuschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Erdarbeit tatsächlich ein
bedeutendes Denkmal signifikant gefährdet. So z.B. kann es durchaus als unverhältnismäßig
angesehen werden, jede beliebige Erdarbeit, wie geringfügig auch immer diese in den Erdboden
eingreifen mag, gesetzlichen Beschränkungen zu unterwerfen: Erdarbeiten, die sich rein auf den
modern gestörten Oberboden beschränken, im dem in der Regel nur noch aus ihrer ursprünglichen
Lage bereits verbrachte bewegliche Kleinfunde enthalten sind, nicht jedoch die von der
archäologischen Fachwelt derzeit als besonders signifikant betrachteten Funde in ihrem (ungestörten)
Befund (siehe z.B. Kriesch et al. 1997, 26), werden normalerweise selbst dann keinen signifikanten
Schaden an besonders bedeutenden archäologischen Denkmalen anrichten, wenn sich dortselbst
welche befinden. Selbst wenn sich tatsächlich irgendwelche beweglichen Kleinfunde am Ort ihrer
Durchführung befinden, werden diese derzeit bei professionellen archäologischen Ausgrabungen
gemeinsam mit dem gesamten „modern gestörten“ Oberboden regelhaft abgeschoben, d.h. ohne
Rücksicht auf ihren Verlust zerstört (Karl 2018c, 396-7). Da kann man nicht sachlich argumentieren,
dass alle Oberbodenfunde so bedeutend sind, dass man nicht einmal eine 5 cm tiefe Pflanzgrube für
ein
paar
Blumenzwiebeln
graben
darf,
ohne
der
vollen
Wirkung
des
Denkmalschadenspräventionsgesetzes unterworfen zu sein. Verhältnismäßig erscheint es in einem
solchen Fall eher, erst Erdarbeiten, die ein bestimmtes Bodenvolumen und/oder eine bestimmte
Eingriffstiefe überschreiten, als denkmalrelevante Handlung zu definieren; wie es ja z.B. die Holländer
inzwischen mit einer 30cm-Tiefenbeschränkung tun (Koninkrijk der Nederlanden 2016).
Was ein Denkmal im Sinne eines solchen präventiven Gesetzes ist, wird hingegen nur relevant, wenn
man die Anwendbarkeit mancher oder aller gesetzlicher Schutzbestimmungen – nun aber reaktiv –
weiter einschränken will; z.B. soweit bereits bekannte Sachen betroffen sind, nur auf die, die als
Denkmale zu betrachten sind. So mag es z.B. durchaus sinnvoll erscheinen, bei großflächigen
Erdarbeiten, wie z.B. auf Baustellen, nicht eine vollständige Dokumentation aller dabei angetroffenen
Sachen vorzuschreiben, sondern eine spezifische archäologische Dokumentationspflicht nur für solche
Sachen vorzusehen, die als mutmaßlich archäologische Funde und Befunde erkannt wurden; z.B.
durch vorab durchgeführte Entdeckungsversuche mittels nicht invasiver, geophysikalischer
Prospektionsmethoden. Selbst bei diesen mag selektiv entschieden werden, welche man wirklich
braucht und auf welche man einigermaßen verzichten kann: auf die Siedlungsfundstelle selbst mag
man vielleicht nicht verzichten, aber von den Pfostenlöchern der Zäune der die Siedlung umgebenden
Felder, die man schon auf den Geomagnetikplänen eindeutig erkennen kann, muss vielleicht nicht
jedes einzelne komplett fachgerecht ausgraben und im Detail dokumentiert werden. Das ist derzeit
z.B. eben in Planungsverfahren im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfungen ja auch mehr oder
minder tatsächlich der Fall.
Die Nachteile von präventiven Denkmalverträglichkeitsprüfungsgesetzen
Die großen Nachteile solcher präventiver im Vergleich zu reaktiven Lösungen des Schutzes noch
unentdeckter (archäologischer) Denkmale sind, dass eine vollständig präventive Lösung einerseits
97
Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat
enorm aufwändig und andererseits mit einer Präferenz für die unveränderte Erhaltung von
Denkmalen in situ (siehe dazu aber Seiten 161-188) nur sehr schwer vereinbar ist.
Selbst wenn man eine Legaldefinition der möglicherweise signifikant denkmalgefährdenden
Handlungen sehr eng fasst und nur invasive Nachforschungsmethoden zum Zweck der Entdeckung
zuvor noch unbekannter Sachen und bei Baumaßnahmen vorgenommene Erdarbeiten und andere
massivere Eingriffe in die Substanz von Sachen (wie z.B. das Abbrechen von Mauerwerk, etc.) den
gesetzlichen Schutzbestimmungen unterwirft – also z.B. ebenfalls signifikant invasive Handlungen wie
das Pflügen und die Bebauung von Feldern, das Anpflanzen und der Ausriss von Bäumen, etc. entgegen
den Tatsachen (siehe dazu z.B. die diversen Beiträge in Trow et al. 2010) und „insignifikante“
Handlungen wie die Gartenarbeit, das Stemmen in Mauern und Abschlagen von Putz etc. gar nicht zu
den Denkmale signifikant gefährden könnenden Handlungen rechnet –, erzeugt man bei einer enorm
großen Menge von alltäglich stattfindenden Handlungen bedeutenden Zusatzaufwand. Denn das
würde immer noch bedeuten, dass vor jeder Bauarbeit, bei der in den Erdboden eingegriffen oder ein
Gebäude abgerissen werden soll, eine Voruntersuchung durchgeführt werden muss, ob dort, wo diese
Handlung stattfinden soll, nicht etwa doch irgendwelche bislang noch unbekannten Sachen
vorkommen könnten, die schutzwürdig sind. Eine reine Archivanalyse, was denn schon
bekanntermaßen da ist, genügt schließlich nicht, um noch unbekannte Sachen zu entdecken. Man
muss vielmehr wenigstens mit irgendwelchen nicht-invasiven (z.B. geophysikalischen)
Nachforschungsmethoden untersuchen, ob nicht irgendetwas an Ort und Stelle verborgen ist, das im
Zuge der Handlung, die gesetzt werden soll, zerstört und verändert werden könnte. Und solche
Untersuchungen kosten sowohl Zeit als auch Geld.
Zwingt man nun aber einen Planenden auf gesetzlichem Weg, dafür Zeit und Geld aufzuwenden,
unbekannte Sachen zu suchen, die man dann möglichst in situ zu erhalten versuchen möchte, sind
nicht nur Reibungswiderstände vorprogrammiert, sondern es kann auch durchaus argumentiert
werden, dass das hochgradig unverhältnismäßig wäre. Schließlich ist sein Interesse ja, die geplanten
Maßnahmen auch tatsächlich – nötigenfalls mit gewissen Einschränkungen, aber doch – durchführen
zu können. Das gestattet es, ihn im Sinne des Verursacherprinzips innerhalb eines verhältnismäßigen
Rahmens dazu zu verpflichten, Kosten zu tragen, die dadurch entstehen, dass er sein Interesse
verwirklichen kann. Wählt man nun aber einen wirklich vollständig präventiven Zugang, führen die
dann notwendigerweise durchzuführenden Voruntersuchungen immer dann, wenn sie zur
Entdeckung zuvor noch unbekannter Denkmale und als Folge davon deren Erhaltung in situ führen,
dazu, dass der Planende (und Zahlende) seine Interessen (wenigstens am geplanten Ort) gerade nicht
verwirklichen kann, sondern sie aufgeben muss. Ihm auch noch die Kosten dafür aufzubürden, seine
Pläne vereiteln zu können, scheint unzulässig.
Will man also dem Planenden diese Untersuchungskosten auftragen, muss man ihm dann auch im
Gegenzug erlauben, seine Interessen zu verwirklichen. Zwar kann man ihm potentiell dann durchaus
weitere Auflagen erteilen, wie dass er entdeckte Denkmale auf denkmalgerechte Weise behandeln
muss, wenn er seine Pläne umsetzt; d.h. sie z.B. entsprechend wissenschaftlicher Standards
dokumentieren und – sofern es sich um bewegliche Denkmale handelt – sachgerecht bergen lässt.
Aber die Erhaltung neu entdeckter Denkmale in situ lässt sich kaum mehr erreichen, wenn sich diese
nicht einigermaßen problemlos mit seinen Plänen vereinbaren lässt. Will man also eine durchgehend
„verursacherfinanzierte“ präventive Lösung, muss man weitestgehend auf die in situ-Erhaltung von
neu entdeckten Denkmalen verzichten.
Will man hingegen eine aus öffentlichen Mitteln finanzierte präventive Lösung, durch die auch zuvor
noch unbekannte Denkmale geschützt werden sollen, kostet das den Staat enorme Summen. In
diesem Fall muss die öffentliche Hand die notwendigen Ressourcen – Personal, Equipment und
98
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Logistik – bereitstellen, die dafür erforderlich sind, die als notwendig erachteten Untersuchungen –
d.h. die archäologische Landesaufnahme – ausreichend rasch durchzuführen, dass Planende nicht
unverhältnismäßig lange von der Umsetzung ihrer Pläne abgehalten werden. Nachdem aber sowohl
der Bedarf für solche öffentlichen Planungsvorleistungen deutlichen Fluktuationen unterworfen sein
dürfte, als auch – man sucht schließlich nach unbekannten Sachen – wenigstens anfänglich gar nicht
vorhersehbar ist, wieviel Arbeit durch jedes einzelne Projekt verursacht werden wird, muss man einen
hohen Grad an Redundanz einplanen, um nicht durch Ressourcenmangel lange Verzögerungen zu
generieren. Das wäre zwar für ArchäologInnen sehr fein – hier gibt es dann sehr viele Posten für
Fachleute, die vielleicht zeitweilig, wenn gerade viel Bedarf besteht, recht arbeitsaufwändig sein
können, aber wo es auch viele Stehzeiten gibt, wenn der Bedarf gerade niedrig ist – aber für die
moderne öffentliche Hand unvorstellbar und politisch unerwünscht.
Die Vorteile von reaktiven Denkmalschutzgesetzen
Aus denkmalpflegerischer Sicht haben reaktive Denkmalschutzgesetze praktisch keine Vorteile im
Vergleich zu präventiven Regelungen. Selbst wenn man eine reaktive Regelung weit problemloser so
gestalten kann, dass eine Erhaltung von bereits bekannten oder auch zufällig entdeckten Denkmalen
möglich wird – schließlich muss hier niemand für irgendetwas zahlen, bis nicht feststeht, dass etwas
ein erhaltenswertes Denkmal ist –, ist man stets auf den Zufall angewiesen, dass man von der Existenz
eines Denkmales schon weiß oder es wenigstens zufällig bemerkt wird, dass es überhaupt geschützt
werden kann. Ob das besser ist als eine systematische präventive Erfassung und Erforschung aller
tatsächlich vorhandenen Denkmale (oder wenigstens aller, die man mit modernen Methoden
entdecken kann), ist wenigstens stark diskutierbar.
Reaktive Denkmalschutzgesetze haben aber gegenüber präventiven eine ganze Reihe von praktischen
Vorteilen bzw. haben zahlreiche bedeutende Nachteile nicht, die präventive Regelungen haben. Der
größte Nutzen, der sowohl für die Politik als auch für Wirtschaftstreibende von immenser Bedeutung
ist, ist, dass sie – wenigstens im Normalfall – weit weniger kosten als echte präventive Regelungen.
Man muss eben als Planender nicht Zeit und Geld dafür einsetzen, dass man erst einmal – bevor man
irgendetwas tun kann, was man eigentlich tun will – mehr oder minder intensiv danach sucht, ob dort,
wo man das machen will, irgendetwas ist, auf das man besonders aufpassen und Rücksicht nehmen
muss. Diese Zeit und dieses Geld dafür aufzuwenden kann zwar durchaus bei vorausschauender
Planung sinnvoll sein, z.B., wenn man Folgeschäden (wie z.B. durch zeitweilige Einstellungen der
Bauarbeiten für die Ausgrabung einer zufällig entdeckten Fundstelle) vermeiden will; aber man kann,
wenn man das will, die spätere zufällige Entdeckung von so bedeutenden Denkmalen, dass deren
Erhaltung in situ wichtiger ist als das schon begonnene Bauprojekt, auch als – sozusagen
unkalkulierbares – Risiko in Kauf nehmen. Mehr noch, nachdem es ja Großteils um noch gänzlich
unbekannte Denkmale geht – weil die bekannten kann man ja ohnehin einplanen – deren zufällige
Entdeckung durch Dritte ohnehin sehr unwahrscheinlich ist, kann man sich sogar darauf verlassen,
dass man diese – wenn sie doch zufällig vorhanden sein sollten – einfach heimlich wegbaggern kann;
weil was niemand weiß, macht bekanntermaßen auch niemanden heiß.
Aber auch die öffentliche Hand spart sich durch ein reaktives System einen Haufen Geld: nimmt man
einen präventiven Denkmalschutz ernst, braucht man schließlich wenigstens – selbst wenn man die
Kosten für die Durchführung der präventiven Vorerkundungsmaßnahmen dem Antragsteller
aufbürdet, der eine Bau- oder sonstige erforderliche Genehmigung will – eine ganze Menge
qualifizierter Sachverständiger, die Anträge auf ihre Denkmalschutzgerechtigkeit überprüfen, und
eine große Anzahl Beamte, die wenigstens irgendwelche Auflagen erteilen, wenn nicht sogar noch
arbeitsintensivere Aufgaben, wie die Überprüfung der Einhaltung der denkmalschutzrechtlichen
99
Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat
Bestimmungen, erfüllen können. Für diese braucht man auch Büroräumlichkeiten, Equipment und
Logistik, was auch alles nicht gratis ist; umso mehr, je mehr Handlungen präventiv den
denkmalschutzrechtlichen Bestimmungen unterworfen sind.
Hinzu kommt, dass im Sinne einer Kosten-Nutzen-Rechnung die Effizienz eines präventiven
Denkmalschutzsystems umso geringer wird, je mehr Handlungen als denkmalschutzrelevant
betrachtet und daher dem Denkmalverträglichkeitsprüfungsgesetz unterworfen werden. Schließlich
gibt es nur eine beschränkte Anzahl von Denkmalen, die so bedeutend sind, dass ihre Erhaltung
tatsächlich einen Allgemeinwohlnutzen hat. Diese können zwar überall vorkommen, kommen aber
tatsächlich fast nirgends vor. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer konkreten denkmalschutzrechtlich
relevanten Handlung zuvor unbekannte, bedeutende Denkmale entdeckt werden, sinkt also umso
mehr, je mehr präventive Untersuchungen vorgenommen werden, weil zunehmend mehr der
vorgenommenen Untersuchungen zu einem negativen Ergebnis kommen – d.h. keine zuvor
unbekannten, allgemeinwohlnützlichen Denkmale durch sie entdeckt werden. Die Kosten pro
Untersuchung bleiben jedoch weitgehend gleich, weil ja dennoch weiterhin bei jeder geplanten
denkmalschutzrelevanten Handlung überprüft werden muss, ob nicht doch Denkmale, die bis dahin
unbekannt waren, von ihr betroffen werden könnten; d.h. die Kosten steigen umso mehr, je mehr
solche Untersuchungen durchgeführt werden müssen. Das Kosten zu Nutzen-Verhältnis wird also
umso schlechter, je mehr Handlungen als denkmalschutzrelevant betrachtet werden und daher
präventive Untersuchungen erforderlich machen.
Im Wesentlichen das Gleiche gilt auch für die Einschränkung diverser staatsbürgerlicher Grundrechte,
die der Staat bei der Gesetzgebung ebenfalls bedenken muss. Je mehr Handlungsarten generell als
denkmalschutzrelevant betrachtet und daher den Schutzvorschriften eines präventiven Gesetzes
unterworfen werden, desto größer wird die Gefahr, dass dadurch signifikant in Grund- und
Menschenrechte eingegriffen wird. Gleichzeitig sinkt auch hier der wahrscheinliche Nutzen in jedem
Einzelfall umso mehr, je mehr Handlungen als denkmalschutzrelevant betrachtet werden.
Ein reaktives System hat alle diese Nachteile nicht. Eingriffe in Bürgerrechte sind zwar auch unter
einem reaktiven System notwendig, aber immer erst dann, wenn tatsächlich bekanntermaßen ein
öffentliches Erhaltungsinteresse an der konkret betroffenen Sache aufgrund deren besonderer
Bedeutung vorliegt, das diese Eingriffe auch rechtfertigt. Ebenso ist das wirtschaftliche KostenNutzen-Verhältnis optimiert: es hat schließlich niemand signifikante Kosten, ehe nicht feststeht, dass
die konkrete Sache, um die es geht, tatsächlich so bedeutend ist, dass ihr Nutzen für das
Allgemeinwohl die für ihre Erhaltung notwendigen Kosten überwiegt; was auch unmittelbar
rechtfertigt, dass (wenigstens von irgendjemandem, sei es ein Privater oder die öffentliche Hand) die
Kosten für ihre Erhaltung getragen werden müssen.
Am unmittelbar bedeutendsten für die öffentliche Hand ist schließlich, dass sie die ihr anfallenden
Kosten für die Verwaltung eines reaktiven Systems recht gut planen und steuern kann: sie braucht
schließlich nur so viel Personal und Ressourcen, als zur Verwaltung der bereits bekannten und
durchschnittlich jährlich durch (mehr oder minder zufällige) Neuentdeckungen hinzukommenden
signifikanten Denkmale notwendig ist, und kann dadurch, dass sie nur ein absolutes Minimum an
personellen und anderen erforderlichen Ressourcen für die Beurteilung neu entdeckter,
möglicherweise bedeutend sein könnender Denkmale bereitstellt, den jährlichen Zuwachs an
erhaltenswerten Denkmalen gering halten.
Wenn der österreichische Gesetzgeber also feststellt, es sei eine der „schwierigsten Aufgaben des
Bundesdenkmalamtes, jene Auswahl in jenem Umfang für die Unterschutzstellungen zu treffen, die
vom Fachlichen her erforderlich ist und vom Administrativen her bewältigt werden kann“ (RV 1999,
100
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
39; Hervorhebung: RK), dann meint er genau das: das BDA hat nur so viele Denkmale unter Schutz zu
stellen, als es mit den ihm von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellten Ressourcen auch
tatsächlich verwalten kann. Stellt der Staat für die archäologische Denkmalpflege, wie bisher, dann
durchschnittlich nur ca. 12-15 FachbeamtInnen ein, denen er auch nur ein sehr beschränktes Budget
gibt, dann bringt er damit zum Ausdruck, wie viel archäologische Denkmalpflege seiner Meinung nach
dafür ausreicht, um dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung archäologischer Denkmale gerecht
zu werden. Diese Personalressourcen scheinen auch durchaus für die Verwaltung der etwa 1.100
bekannten, aufgrund ihrer besonderen Bedeutung schon unter Schutz gestellten und jährlich maximal
etwa 500-700 zusätzlich (mehr oder minder zufällig) neu entdeckten und daher iSd § 9 Abs. 3 DMSG
auf ihre Denkmalschutzwürdigkeit hin zu prüfenden archäologischen Denkmale ausreichend zu sein.
Was der Gesetzgeber – und was die Denkmalpflege – wirklich wollte und will
Es steht also außer Frage, dass der (und nicht nur der) österreichische Gesetzgeber keinen wirklich
präventiven archäologischen Denkmalschutz will und wollte, sondern einen reaktiven Denkmalschutz.
Denn er hat dem BDA ja nicht einmal ausreichende Mittel gegeben, um eine systematische
archäologische Landesaufnahme durchzuführen, um wenigstens auf diesem Wege noch unbekannte,
aber eventuell besonders bedeutende, archäologische Denkmale entdecken und somit einer
Unterschutzstellung zuführen zu können. Mehr noch, er wollte und will bis heute nicht, dass alle
archäologischen Funde und Befunde, egal wie bedeutend oder unbedeutend sie sind, um jeden Preis
für ihn und die Allgemeinheit erhalten werden; nicht einmal alle bereits bekannten archäologischen
Funde und Befunde, geschweige denn alle archäologischen Funde und Befunde die es gibt, inklusive
aller noch unbekannten. Er wollte und will, dass sich die staatliche Denkmalpflege auf die Verwaltung
und Erhaltung der wirklich besonders bedeutenden archäologischen Denkmale beschränkt; jener
Denkmale, die derart bedeutend sind, dass ihre Erhaltung tatsächlich im öffentlichen Interesse
gelegen ist; was nicht dasselbe ist wie das Interesse der (archäologischen) Denkmalpflege, alle
archäologischen Funde und Befunde zu erhalten.
Der Gesetzgeber hat aber auch nicht darauf vergessen, dass es durchaus auch Denkmale gibt bzw.
geben kann, die (derzeit noch) unbekannt, aber dennoch so bedeutend sind, dass es, sobald sie
bekannt werden, erforderlich wird, sie ebenfalls im öffentlichen Interesse zu erhalten. Daher hat er
ursprünglich im DMSG 1923 Vorkehrung dafür getroffen, dass zuvor (wenigstens ihrem Finder) noch
unbekannte Sachen, die – ob nun zufällig oder absichtlich – neu (wieder-) entdeckt werden und
offenkundig derart beschaffen sind, dass sie – für jedermann erkennbar – bedeutende Denkmale sein
dürften, dem BDA bekanntgemacht werden müssen, damit dieses in einem beschleunigten Verfahren
beurteilen kann, ob diese neu entdeckten Sachen tatsächlich Denkmale sind. Daher hat er 1923 (in §
10 idF BGBl. 533/1923) bestimmt, dass die Fundstelle für ein paar Werktage (damals 4, heute 5)
unverändert zu belassen ist und alle entdeckten (potentiellen) Denkmale vom Zeitpunkt ihrer
Entdeckung an für ein paar Wochen (damals 4, heute 6) automatisch unter Denkmalschutz stehen,
damit das BDA diese Beurteilung auch vornehmen kann.
Nachdem er damit aber die von ihm durchaus erwünschte wissenschaftliche Erforschung noch
unbekannter archäologischer Denkmale gravierend behindert hätte, hat er damals auch gleich
zusätzlich (in § 11 BGBl. 533/1923) vorgesehen, dass Personen, die mit wissenschaftlichem
Forschungszweck noch unbekannte Denkmale durch Ausgrabung zu entdecken versuchen (und damit
dem BDA Arbeit abnehmen), vor Beginn ihrer Feldarbeit eine Erlaubnis vom BDA erhalten können.
Eine solche Grabungserlaubnis ermächtigt(e) ihre Inhaber, ihre wissenschaftlichen Grabungen im
geplanten Rahmen durchzuführen, ohne diese jedes Mal, wenn sie einen Fund mach(t)en, der ein
besonders bedeutendes Denkmal sein könnte, für Tage, wenn nicht sogar Wochen, unterbrechen zu
müssen.
101
Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat
Diese grundsätzlich reaktive Lösung erschien und erscheint sicherlich bis heute dem Gesetzgeber als
ausreichend, um den archäologischen Denkmalschutz zu erreichen, der aus Sicht des Gesetzgebers
geeignet ist, um das öffentliche Interesse an der Erhaltung besonders bedeutender Denkmale
ausreichend zu schützen. Er wollte und will nicht alle archäologischen Denkmale, inklusive aller noch
unbekannten, unverändert in situ erhalten; sondern will, dass archäologische Denkmale entdeckt und
erforscht werden; damit dann das BDA auf Basis gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse über
diese – dann bereits bekannten – Denkmale beurteilen kann, ob jedes beliebige konkrete davon einen
derart großen Nutzen für das Allgemeinwohl bringt, dass man es erhalten sollte, oder ob es das nicht
tut und man es daher willkürlich zerstören darf. Dass das bedeutet, dass noch gänzlich unbekannte
Denkmale erst dann geschützt werden können (und sollen), wenn sie entdeckt worden sind, folgt
ebenso zwingend wie, dass jede solche Entdeckung, sofern sie nicht bei einer systematischen,
präventiven archäologischen Landesaufnahme durch das BDA erfolgt, eine – aus Sicht des Staates –
zufällige Entdeckung ist. Denn selbst der Wissenschafter, der eine geplante archäologische
Ausgrabung durchführt, zu deren Durchführung er nicht vom BDA beauftragt wurde, folgt (wenigstens
in der Regel) nicht einem staatlichen Plan zur präventiven Entdeckung bedeutender Denkmale zum
Zweck ihrer Unterschutzstellung, sondern hat sich aus Sicht der staatlichen Planung zufällig dafür
entschieden, seinen Forschungen dort nachgehen zu wollen, wo er ihnen eben nachgehen will (selbst
wenn er darauf hofft, mit seinen Grabungen besonders bedeutende Denkmale zu entdecken, mittels
derer er ihn besonders interessierende Forschungsfragen beantworten kann).
Die grundsätzlich seit 1923 unverändert reaktive Struktur des DMSG erzwingt diesen Willen auch
(ebenso wie die gleichartige Struktur des DSchG-BW und des HDSchG); wenigstens solange man das
Rechtsstaatlichkeitsprinzip nicht außer Acht lässt und so tut, als ob Schrödingers Bürger
Schrödingerische Gesetze in jedem konkreten Einzelfall richtig anwenden kann, weil er auf
paranormalem Weg eine noch gar nicht feststehende zukünftige Einzelfallentscheidung korrekt
vorhersagen kann. Dass das – Rechtsstaatlichkeit vorausgesetzt – auch zwingend bedeutet, dass nicht
nur manche, sondern viele archäologische Funde und Befunde nicht nur durch das Gesetz nicht
geschützt werden, sondern der Gesetzgeber ihren Verlust – auch wenn sie tatsächlich so bedeutend
(gewesen) sein sollten, dass, hätte man sie rechtzeitig entdeckt und beurteilt, ihre Erhaltung im
öffentlichen Interesse gelegen wäre – sozusagen als niemals ausschließbares Restrisiko in Kauf nimmt,
versteht sich von selbst.
Schon wieder: die Wünsche der Denkmalpflege
1923 hatte die österreichische archäologische und allgemeinere denkmalpflegerische Fachwelt mit
ihrer selektiven Sichtweise, was überhaupt ein besonders bedeutendes (archäologisches) Denkmal ist,
das tatsächlich schutzwürdig ist, damit auch überhaupt kein Problem. Ganz im Gegenteil, unter den
Umständen von 1923, mit einem Fachbeamten im BDA und der Angewiesenheit dieser damals noch
jungen Behörde auf das Korrespondentennetz, das die k.k. Zentralkommission aufgebaut hatte,
erschien dies der denkmalpflegerischen Fachwelt sicherlich als sehr geeignete Lösung (nicht zuletzt,
weil das Gesetz ja auch tatsächlich auf Vorschlägen der Kommission aus dem späten 19. Jahrhundert
beruhte; Pollak 2010, 84-5).
Erst nach dem zweiten Weltkrieg kam es zu maßgeblichen Veränderungen, sowohl was die Umstände
betraf, unter denen die archäologische Denkmalpflege operierte, als auch, was ihre Wünsche, Ziele
und die Selektivität ihrer Bestimmung des Denkmalwertes archäologischer Denkmale betraf. Es
änderte sich also (wenigstens zuerst selbst in Details) nicht das Gesetz (und schon gar nicht, bis heute
nicht, seine grundsätzliche Struktur), es änderte sich, was wir wollten.
102
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Zum einen begann das BDA nach dem zweiten Weltkrieg das Korrespondentennetz nicht mehr aktiv
zu pflegen bzw. langsam auslaufen zu lassen bzw. mehr oder minder gezielt abzubauen. Zwar blieben
Reste davon erstaunlich lange erhalten: durch Korrespondenten des BDA – ob man sie jetzt noch so
nannte oder nicht – durchgeführte Ausgrabungen, auch große, gab es durchaus noch bis in die 1970er
Jahre. So z.B. stammt der mit Abstand längste Fundbericht in den Fundberichten aus Österreich 10,
der über die Ausgrabung von 249 Bestattungen im Gräberfeld Mödling „goldene Stiege“ berichtet, von
Hermann und Lotte Schwammenhöfer, zwei solchen kooperationswilligen BürgerInnen ohne
einschlägigen Studienabschluss (BDA 1971, 102-27). Wohl nicht auch zuletzt aus diesem Grund sah
man scheinbar in der ersten großen DMSG-Novelle von 1978 noch keinen wirklichen Bedarf dafür, von
der 1923 gefundenen Regelung auch nur in Details abzugehen.
Zum anderen verstand man nun aus Sicht der Archäologie aufgrund der Weiterentwicklung der
Wissenschaft nicht mehr nur solche Sachen, die jedermann auch tatsächlich einigermaßen leicht als
solche erkennen konnte, wie Burgruinen und anderes noch aufgehend erhaltenes, uraltes Mauerwerk,
offensichtlich Jahrhunderte alte Wallburgen, Riesengrabhügel und außergewöhnlich gut erhaltene,
museal ausstellungstaugliche Fundgegenstände, sondern alle beweglichen Kleinfunde – selbst wenn
es nur völlig unspektakuläre Scherben grober, handgemachter Gebrauchskeramik oder auch absolut
gängige römische Münzen waren – und Befunde – also die oftmals nur schwer erkennbare
Schichtzusammensetzung des Erdbodens – ebenso wie ohne Sachverstand gar nicht als von Menschen
geschaffene Bodenformationen erkennbare, unmerkliche Erhebungen oder Senkungen des Bodens
als möglicherweise schützenswerte Denkmale. Es schien nun daher aus fachlicher Sicht erforderlich,
auch all diese Sachen und auch die obertägig überhaupt nicht und selbst bei professionellen
Ausgrabungen nicht immer einfach erkennbaren Befunde, in denen diese möglicherweise steckten
(die man um 1920 noch praktisch überhaupt nicht als in situ erhaltenswerte Denkmale, sondern eben
als wissenschaftlich interessante und daher soweit aussagekräftig zu dokumentierende
Fundumstände erachtet hatte) zu schützen und zu erhalten; selbst wenn das, was der
Durchschnittsbürger oberflächlich wahrnehmen konnte, nichts anderes als ein ganz gewöhnliches Feld
war, das sich durch nichts von beliebigen anderen in seiner Umgebung unterscheiden ließ. Hinzu kam,
dass (dem moderneren Fachverständnis zufolge) bedeutende archäologische Funde und Befunde
überall vorkommen können, auch dort, wo man gar nichts davon bemerken kann. Es schienen nun
also aus denkmalpflegerischer Sicht die reaktiven allgemeinen Schutzvorschriften für Funde von zuvor
unbekannten Gegenständen nicht mehr ausreichend.
Das war umso mehr so, als seit Beginn der 1970er das Hobby der Metallsuche zunehmend populär zu
werden begann (Karl 2016b), und daher auch Personen, die über keinerlei fachlichen Sachverstand
verfügten, nun einigermaßen leicht Metallfunde nicht nur von der Erdoberfläche aufsammeln,
sondern auch unter der Erdoberfläche orten und damit auch aus dem Boden (und den Befunden, in
denen sie womöglich noch steckten) bergen konnten. Damit schien es aus fachlicher Sicht nun auch
nicht mehr zu genügen, dass der Bürger, der bei beliebigen Arbeiten aus beliebigen Gründen –
inklusive Ausgrabungen zur Entdeckung von zuvor verborgenen Denkmalen – ein mögliches Denkmal
entdeckte, diese Arbeiten einzustellen und das BDA von seiner Entdeckung zu informieren hatte. Denn
eine zunehmende Anzahl von Bürgern führte nun Grabungen zur Entdeckung von Sachen aus, die zwar
der Durchschnittsbürger nicht, die denkmalpflegerische Fachwelt jedoch sehr wohl, als mögliche
Denkmale betrachtete, bei denen der Bürger auf Sachen – nämlich die Befunde – stoßen konnte, die
die Fachwelt ebenfalls als möglicherweise schützenswerte Denkmale betrachtete, die der
Durchschnittsbürger aber oft aufgrund seines fehlenden Sachverstandes gar nicht bemerkte und
daher auch nicht entdecken und wie ein mögliches Denkmal behandeln konnte.
103
Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat
Es schien also aus fachlicher Sicht einer präventiven Lösung der archäologischen Denkmalpflege zu
bedürfen. Dafür schien sich das ursprünglich eigentlich zu einem ganz anderen Zweck, nämlich der
Ermöglichung möglichst unbehinderter wissenschaftlicher Forschung, geschaffene Rechtsinstrument
der vorausschauend erteilten Genehmigung geplanter archäologischer Bodeneingriffe des § 11 Abs. 1
DMSG, als probates Mittel anzubieten. Man musste schließlich nur die vorausschauende
Genehmigungsmöglichkeit von wissenschaftlichen Ausgrabungen, bei denen die Entdeckung
archäologisch bedeutender Denkmale zu erwarten war, zu einer allgemeinen Genehmigungspflicht
aller Entdeckungsversuche umdeuten, bei denen archäologische Denkmale gefunden werden
könnten. Damit schien es – wenigstens solange man das Rechtsstaatlichkeitsprinzip außer Acht ließ –
möglich zu sein, den Zeitpunkt, an dem der gesetzliche Schutz für noch unbekannt im Verborgenen
gelegene archäologische Denkmale zu greifen begann, vom Moment nach ihrer Entdeckung durch den
Bürger, der Dinge übersehen kann, vor den Augenblick zu verschieben, an dem die Durchführung eines
geplanten Entdeckungsversuchs begann, bei dem es zur – ob nun vorsätzlichen oder auch nur
unbeabsichtigten – Zerstörung noch unbekannter archäologischer Denkmale kommen konnte.
Um das zu erreichen, musste man nun aber das gesetzliche Pferd von hinten aufzäumen versuchen:
präventiv kann man noch unbekannt im Verborgen liegende Denkmale nur vor geplanten Handlungen
schützen, indem man eben alle Handlungen verbietet, durch die die Denkmale gefährdet werden
könnten; wie ja schon oben gezeigt wurde. Das kann aber mit einem grundsätzlich nach dem reaktiven
Prinzip aufgebauten Gesetz niemals funktionieren; wie ebenfalls schon oben gezeigt wurde. Eine
grundsätzliche Änderung des Gesetzes zu einer wirklich präventiven Lösung wird man vom
Gesetzgeber aus den ebenfalls schon oben genannten Gründen nie erwarten können; weil das den
Gesetzgeber (und Private) eine Unmenge an Geld kostet und weder wirtschaftlich noch grundrechtlich
ausreichend Kosten-Nutzen-effizient ist. Also musste man versuchen, es am Gesetzgeber so vorbei zu
schummeln, dass er das nicht bemerkte.
Die DMSG-Novelle 1990
Im österreichischen Recht hat man das in der „archäologischen“ Novelle des DMSG BGBl. 473/1990
zu erreichen versucht; und zwar indem man zwei kleine, kaum bemerkbare und auch auf den ersten
Blick unverfängliche Veränderungen im Bereich der gesetzlichen Schutzvorschriften vorgenommen
hat. Diese Veränderungen machten scheinbar aus einer allgemeinen Fundschutzbestimmung in
Kombination mit einer forschungsermöglichenden Folgebestimmung zwei einander ergänzende
„Fundschutzbestimmungen“; nämlich eben eine für „Zufallsfunde“ von Bodendenkmalen und eine für
bei „absichtlichen“ Grabungen und sonstigen Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zweck ihrer
Entdeckung und Untersuchung aufgefundenen Denkmalen.
Die erste dieser beiden Änderungen ist die Einführung des neuen, maximal unbestimmten
Rechtsbegriffs „Bodendenkmale“ im Wortlaut des § 9 Abs. 1 idF BGBl. 473/1990. Diese Bestimmung
hatte, wie schon weiter oben ausgeführt, bis dahin seit 1923 unverändert von „bisher verborgene[n]
Gegenstände[n]“ gesprochen, „die infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit offenkundig den
Beschränkungen dieses Gesetzes unterliegen“ (§ 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923, Hervorhebung:
RK); hatte also eindeutig auf Sachen abgestellt, die für jedermann erkennbar zweifelsfrei Denkmale
iSd § 1 Abs. 1 DMSG waren.
Nun wurde diese Bestimmung dahingehend abgeändert, dass sie den Anschein einer Legaldefinition
erweckte, die alle „Gegenstände, die infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit offenkundig den
Beschränkungen dieses Gesetzes unterliegen könnten (Bodendenkmale)“ (§ 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl.
473/1990) umfasste. Ich sage hier Anschein einer Legaldefinition, weil sie, wenn sie tatsächlich eine
wäre, systematisch nichts im Bereich der Schutzvorschriften des Gesetzes verloren hat, sondern in
104
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
den Teil der Begriffsbestimmungen und der damit verbundenen Abgrenzung des Geltungsbereichs des
DMSG gehört hätte; aber dort dann auch viel eher als massive Erweiterung des Anwendungsbereichs
des DMSG aufgefallen wäre. In den Schutzvorschriften wirkt sie hingegen nur wie eine geringfügige
sprachliche Neufassung dessen, was ohnehin schon vorher im Gesetz gestanden ist, und wird daher
auch in der Regierungsvorlage überhaupt nicht weiter erwähnt (RV 1990, 19).
Tatsächlich stellt sie jedoch nicht nur eine kleine, sondern eine massive Änderung dar. Denn diese
Bestimmung stellt nun eben nicht mehr nur auf solche Sachen ab, die für jedermann erkennbar
zweifelsfrei Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG sind, sondern auf nahezu alle Sachen schlechthin:
schließlich könnten alle Sachen Denkmale iSd § 1 Abs. 1 sein; es ist also gerade nicht mehr für
jedermann weitgehend zweifelsfrei erkennbar, ob eine beliebige, konkrete Sache tatsächlich ein
Denkmal ist, auf das iSd § 1 Abs. 1 die Bestimmungen des DMSG Anwendung finden, weil es zur
Bestimmung dieser Tatsache besonderen Sachverstandes bedarf (Karl et al. 2017, 111-2), der vom
Durchschnittsbürger nicht erwartet werden kann. Man hat also durch diese kleine, unauffällige und
nicht einmal in der Regierungsvorlage näher erläuterte, „sprachliche Anpassung“ des Wortlautes des
§ 9 Abs. 1 idF BGBl. 473/1990 scheinbar – wenn auch nur unter Aufgabe des
Rechtsstaatlichkeitsprinzips – die Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 9 idF BGBl. 473/1990 und
seiner Rechtsfolgen von Sachen, die jeder weitgehend zweifelsfrei als Denkmale erkennen konnte, auf
welche iSd § 1 Abs. 1 die Bestimmungen des DMSG Anwendung finden, auf nahezu alle Sachen
ausgedehnt.
Die zweite, scheinbar ebenso kleine und ebenso unauffällige – und daher ebenfalls in der
Regierungsvorlage (RV 1990, 19) nicht einmal erläuterte –, Änderung war die Einfügung des Begriffs
„Zufallsfunde“ nahezu unmittelbar nach Ende der scheinbaren Legaldefinition des Begriffs
Bodendenkmale. Das diente offensichtlich zweierlei Zweck: erstens wurde dadurch scheinbar eine
Definition des Anwendungsbereichs der Bestimmungen des § 9 DMSG idF BGBl. 473/1990 und seiner
Rechtsfolgen gem. § 10 vorgenommen, der eben auf zufällig entdeckte Funde beschränkt wurde;
zweitens wurde damit eine offensichtliche Gesetzeslücke generiert, die aber scheinbar ohnehin durch
die ebenfalls schon zuvor im Gesetz enthaltenen Bestimmungen des § 11 Abs. 1 gefüllt wurde, nämlich
die Genehmigungspflicht für die absichtliche Entdeckung von Funden bei Grabungen „und sonstige[n]
Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung von beweglichen und unbeweglichen Denkmalen unter
der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ (§ 11 Abs. 1 idF BGBl. 473/1990).
Das wird nun auch in der Regierungsvorlage – wenn auch nur kurz – genauer erläutert, um auch ja
keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, warum diese NFG-Pflichtbestimmung auch wirklich
parallel zu den Bestimmungen der §§ 9 und 10 erforderlich ist: nachdem §§ 9 und 10 hauptsächlich,
wenn auch nicht ausschließlich, für Zufallsfunde gelten würden, würden die Bestimmungen des § 11
das Vorgehen bei wissenschaftlichen Grabungen regeln und daher nun auch – erstmals im Gegensatz
zu früheren Fassungen des Gesetzes – Bestimmungen zu Melde-, Berichts- und sonstigen Pflichten bei
der Durchführung solcher Grabungen regeln (RV 1990, 20). Dafür bestand natürlich unter früheren
Fassungen des Gesetzes überhaupt kein Bedarf, weil diese früheren Fassungen eben gerade nicht
zwischen zufälligen und absichtlichen Funden von Denkmalen unterschieden und daher völlig klar war,
dass die Meldepflichten des § 9 Abs. 1 idF BGBl. 533/1923 und BGBl. 167/1978 samt deren
Rechtsfolgen nach § 10 auch für Funde bei wissenschaftlichen Grabungen wenigstens sinngemäß
anzuwenden waren; weil die Grabungserlaubnis bzw. ab 1978 -bewilligung gem. § 11 Abs. 1 nur die
im Fall der Entdeckung von Denkmalen erforderliche Erlaubnis zur Fortsetzung der Arbeiten gem. § 10
Abs. 1 vorweg erteilte. Aber nachdem das konkrete Ziel dieser geringfügigen Wortlautanpassungen
war, aus einer forschungsermöglichenden Vorabgenehmigungsmöglichkeit eine die archäologische
„Forschung“ staatlicher Kontrolle unterwerfende Bewilligungspflicht zu machen (siehe dazu noch
105
Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat
genauer weiter unten Seiten 226-307), musste verschleiert werden, dass hier neuerlich eine massive
Gesetzesänderung vorgenommen wurde; und das ging wohl am besten dadurch, dass man durch
Kontrastierung mit den Schutzbestimmungen für Zufallsfunde der §§ 9 und 10 scheinbar
nachvollziehbar erläuterte, warum man die Bestimmungen des § 11 brauchte.
Dabei ging es allerdings eigentlich gar nicht um eine staatliche Kontrollmöglichkeit wissenschaftlicher
Ausgrabungen, die man schließlich schon gem. § 11 Abs. 2 DMSG idF BGBl. 533/1923 gehabt hatte.
Worum es eigentlich ging, verraten vielmehr erst die nächsten beiden Sätze in den Erläuterungen zur
Regierungsvorlage der Novelle 1990, die sich nun konkret auf die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 idF
BGBl. 473/1990 beziehen: „Zu den "Nachforschungen" gehört auch die Verwendung eines
Metallsuchgerätes. Die Möglichkeit der Verleihung von Grabungsgenehmigungen wird von einer
entsprechenden Vorbildung abhängig gemacht.“ (RV 1990, 20). Es ging nicht um die ohnehin schon
zuvor bestanden habende Kontrollmöglichkeit wissenschaftlicher Ausgrabungen. Es ging um bzw.
gegen die „Raubgräber“.
Der Grund für das alles war, wie schon erwähnt, dass das BDA versucht hatte, einen Metallsucher
wegen eines vermuteten Verstoßes gegen die Bestimmungen der Grabungsgenehmigungspflicht des
§ 11 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 167/1978 bestrafen zu lassen; aber damit in der letzten Instanz gescheitert
war, weil der Tatverdächtige konsistent behauptet hatte, gar nicht nach den 8 römischen Münzen
gegraben, sondern diese vielmehr von der Erdoberfläche aufgelesen zu haben (VwGH 24.6.1985,
84/12/0213). Sie beginnen zu sehen, wie sich der Kreis schließt.
Die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG als archäologisches Denkmalschutzinstrument
Man hatte mit diesen Änderungen nun also scheinbar eine Rechtslage konstruiert, bei der die –
numerisch vernachlässigbaren – Zufallsfunde auf reaktive Art, die – extrem häufig vorkommenden –
gezielten Nachforschungen zur Entdeckung von Bodenfunden hingegen auf präventive Art geregelt
worden waren.
Nur um dieses Verhältnis zu illustrieren: soweit sich das aus den FÖ 53 (BDA 2014) ableiten lässt, gab
es 2014 insgesamt 14 einigermaßen eindeutig als echte Zufallsfundmeldungen identifizierbare
Fundmeldungen, von denen aber 6 solche waren, bei denen der Zeitpunkt der Entdeckung teilweise
schon mehrere Jahrzehnte zurücklag. Soweit sich das von mir feststellen ließ, wurde kein einziger der
dabei entdeckten beweglichen Kleinfunde unter Denkmalschutz gestellt, d.h. keinem davon scheint
eine derartige Bedeutung zugekommen sein, dass seine Erhaltung im öffentlichen Interesse gewesen
wäre.
Von den insgesamt 212 im Jahr 2014 beim BDA eingegangenen Fundmeldungen, die nicht aus gem. §
11 Abs. 1 DMSG genehmigten archäologischen Maßnahmen hervorgingen, stammten wenigstens 68
eindeutig erkennbarerweise, mutmaßlich aber deutlich mehr, aus mehr oder minder systematischen,
teilweise durch Mitarbeiter des BDA selbst durchgeführten, Begehungen zur Entdeckung von
Oberflächenfunden, bei denen offenbar keine Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 beantragt worden war,
die aber das BDA dennoch nicht bei den Strafverfolgungsbehörden zur Anzeige gebracht zu haben
scheint. Die überwältigende Mehrheit dieser Begehungen wäre daher vermutlich im Sinne der vom
BDA im hier zuerst diskutierten Fall BVwG vom 11.9.2017, W183 2168814-1/2E, vertretenen
Rechtsmeinung, dass auch Begehungen zur Aufsammlung von Oberflächenfunden der NFG-Pflicht des
§ 11 Abs. 1 DMSG unterworfen sind, zu den genehmigungspflichtigen Maßnahmen zu rechnen
gewesen. Für die weiteren Erwägungen wird davon ausgegangen, dass das Verhältnis von 14:68 (=
1:4,86) von Zufallsfundmeldungen zu Fundmeldungen von Begehungen zur Fundaufsammlung für alle
2014 eingegangenen Fundmeldungen gilt, was eine hochgerechnete Anzahl von 36
106
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Zufallsfundmeldungen und 176 Fundmeldungen von nach damaliger Rechtsansicht des BDA NFGpflichtigen Begehungen ergibt.
Den Ersteren stehen im Jahr 2014 zusätzlich zu den Letzteren jedenfalls wenigstens 625 professionell
geplante archäologische Maßnahmen gegenüber, von denen 86 amtswegige Maßnahmen des BDA
gem. § 11 Abs. 2 DMSG idF BGBl. I 170/1999 gewesen zu sein scheinen, also 539 nach Rechtsansicht
des BDA genehmigungspflichtig waren (BDA 2014, 163). In Summe ergibt das also 801 geplante
Maßnahmen, von denen 539 genehmigt wurden und 715 wenigstens nach damaliger Rechtsansicht
des BDA genehmigungspflichtig gewesen sein müssten. Ob irgendwelche dieser Entdeckungen zur
Unterschutzstellung von Fundstellen geführt haben, lässt sich für mich nicht nachvollziehen; viele
waren es aber sicherlich nicht, eventuell sogar keine einzige.
Dazu kommen aber noch alle von Metallsuchern unternommenen Nachforschungen, sowie alle
Nachforschungen von ohne Metallsuchgerät nach Oberflächenfunden suchenden Heimatforschern,
die keine Fundmeldungen abgegeben haben. Die Zahl der Letztgenannten lässt sich nicht abschätzen
und muss daher vernachlässigt werden. Aus Mitgliederzahlen von Internet-Diskussionsforen für
Metallsucher lässt sich allerdings ableiten, dass es schon 2014 jedenfalls wenigstens 2.000 aktive
Metallsucher in Österreich gegeben haben muss (Karl & Möller 2016, 217-8). Aus einschlägigen
Umfragen in der „Szene“ lässt sich ableiten, dass jeder Metallsucher an durchschnittlich ca. 56 Tagen
im Jahr für jeweils durchschnittlich ca. 3,9 Stunden im Feld unterwegs ist (Achleitner 2011, 2). Sieht
man einmal davon ab, dass für alle diese Metallsuchen durch nicht graduierte Archäologen eine NFG
gem. § 11 Abs. 1 DMSG idF BGBl. I 170/1999 gar nicht mehr erteilt werden kann, würde das, wenn
man jeden Metallsucher-Suchtag als jeweils eine geplante „archäologische Maßnahme“ betrachtet,
eine Summe von wenigstens ca. 112.000 weiteren NFG-pflichtigen Nachforschungshandlungen
ergeben.
Damit würden in Summe ca. 36 Handlungen, bei denen es im Jahr 2014 zu Zufallsfunden iSd. § 8 Abs.
1 DMSG igF (von denen letztendlich kein einziger denkmalschutzwürdig war) gekommen ist,
wenigstens ca. 112.800 geplante Handlungen gegenüberstehen, die der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1
DMSG igF unterlegen wären; ein Verhältnis von ca. 1:3.133. Wie viele der dabei getätigten
Entdeckungen unter der Rechtslage vor den Änderungen des DMSG durch BGBl. 473/1990 der
Meldepflicht des damaligen § 9 Abs. 1 samt deren Rechtsfolgen unterlägen hätten, lässt sich natürlich
nicht bestimmen; ebenso wie sich nicht exakt sagen lässt, für wie viele davon eine VorabGrabungsgenehmigung gem. § 11 Abs. 1 idF BGBl. 533/1923 bzw. BGBl. 167/1978 (im Sinne des auf
Seiten 15–26 ausgeführten) sinnvoll gewesen wäre. Geht man dennoch im Sinn eines
Gedankenexperiments davon aus, dass bei allen diesen Handlungen meldepflichtige Denkmale iSd §
9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923 bzw. BGBl. 167/1978 entdeckt wurden, wovon aber nur maximal
539 geplante wissenschaftliche archäologische Maßnahmen waren; wäre unter der alten Rechtslage
vor der Novelle von 1990 das Verhältnis von bloß gem. § 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923 bzw.
BGBl. 167/1978 meldepflichtigen Funden und geplanten Entdeckungen, bei denen eine VorabEinholung einer Grabungserlaubnis möglicherweise sinnvoll gewesen wäre, etwa 228:1 gewesen.
De facto haben also die vom Wortlaut her geringfügigen, von der Bedeutung für die Praxis aber absolut
massiven, Veränderungen in der Novelle des DMSG durch BGBl. 473/1990 dazu geführt, dass die
Bestimmungen der §§ 9 und 10 idF BGBl. 533/1923 bzw. BGBl. 167/1978, die eigentlich vom
Gesetzgeber als primäres denkmalrechtliches Schutzinstrument für zuvor noch unbekannte
Gegenstände, die Denkmale iSd § 1 Abs. 1 sind, vorgesehen gewesen waren, praktisch vollkommen
irrelevant geworden sind: 2014 dürfte kein einziges Denkmal entdeckt worden sein, das des Schutzes
der Bestimmungen der §§ 8 und 9 idF BGBl. I 170/1999 bedurfte; und in den 24 Jahren davor scheint
das nicht anders gewesen zu sein. Man könnte sich die Schutzbestimmungen für „Zufallsfunde“ iSd §
107
Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat
9 Abs. 1 idF BGBl. 473/1990 bzw. § 8 Abs. 1 idF BGBl. I 170/1999 samt ihren Rechtsfolgen also
eigentlich komplett sparen, weil die Eintrittswahrscheinlichkeit des Ereignisses, für das diese
Bestimmungen vorgesehen sind, so niedrig ist, dass es seit 1990 kein einziges Mal eingetreten zu sein
scheint.
Stattdessen wurde die eigentlich als Sonderregelung für Fälle von geplanten wissenschaftlichen
Nachforschungen – bei denen man wenigstens im Normalfall damit rechnen kann, dass hohe fachliche
Standards eingehalten werden – gedachte Vorab-NFG-Möglichkeit zum primären, ja in der Praxis
einzigen, denkmalrechtlichen Schutzinstrument gemacht. Dieses müsste man jetzt theoretisch auf
99.97% aller möglicherweise beabsichtigten oder tatsächlich vorkommenden Entdeckungen
anwenden, wobei in der absolut überwältigenden Mehrheit aller Fälle tatsächlich keine Sachen
entdeckt werden, die von derart beschaffener Bedeutung sind, dass ihre Erhaltung im öffentlichen
Interesse gelegen wäre. Und – was vielleicht am schlimmsten ist – die, die man damit daran hindern
wollte, dass sie überhaupt nach archäologischen Sachen im Boden suchen – die Metallsucher – halten
sich sowieso nicht daran und können auch, wenn man einmal doch einen erwischt, in der Regel
dennoch für ihr angeblich illegales Tun nicht bestraft werden, weil das Rechtsstaatlichkeitsprinzip das
verhindert.
D.h. letztendlich war dieses ganze Theater, wie man das auf Österreichisch ausdrücken würde,
weitgehend für die Katz.
Selbstwidersprüche und schädliche Wirkungen
Schlimmer noch, man hat dadurch, dass man versucht hat, den dummen Gesetzgeber auszutricksen,
um etwas zu bekommen, was er nicht, aber man selbst sehr wohl will, eine ganze Latte an Problemen
erzeugt, die nicht nur der Rechtsstaatlichkeit, sondern insbesondere noch verborgenen Denkmalen
zum Schaden gereichen.
Denn natürlich konnte man dem Gesetzgeber nicht sagen, dass man eigentlich nur Metallsucher
generell von der Ausübung ihres Hobbys abhalten wollte; d.h. auch dort, wo es noch nicht einmal
Hinweise darauf gibt, dass bekanntermaßen bedeutende Denkmale vorkommen. Dazu hätte man ihm
nämlich, um das sachlich begründen zu können, verraten müssen, dass man entgegen seines Willens
nicht nur wirklich bedeutende Denkmale schützen wollte, sondern einfach alle bekannten und
unbekannten (archäologischen) Sachen, egal wie gering ihre Bedeutung ist, selbst dort, wo es
wahrscheinlich gar keine zu finden gibt; und dazu hätte er nein gesagt. Das ging also nicht. Die
Wahrheit sagen konnte man ihm aber auch nicht, weil hätte man das, wäre ein spezifisches
Metallsuchverbot unmittelbar als die ungerechtfertigte Diskriminierung einer bestimmten
Personengruppe aufgrund denkmalpflegerischer Vorurteile erkennbar gewesen, die sie auch
tatsächlich ist; und wäre somit ebenfalls dem Gesetzgeber nicht abzuringen gewesen.
Man musste das Verbot, das man wollte, also in einem weitreichenderen Verbot verstecken, das sich
wenigstens bei oberflächlicher Betrachtung als sachlich gerechtfertigt verkaufen ließ. Nachdem die
Metallsuche nicht wirklich mit Bau- oder anderen größeren Erdarbeiten vergleichbar war, blieb
eigentlich nur die archäologische Forschung, deren primäre Forschungsmethode, die Ausgrabung,
notwendigerweise in die Substanz von Denkmalen eingreift und daher dem Gesetzgeber gut als
„Gefährdung“ der physischen Erhaltung von Denkmalen, auf die das DMSG iSd § 1 Abs. 1 primär
abstellt, verkauft werden konnte. Genau das schien man durch die Umdeutung der
Grabungsgenehmigungsmöglichkeit des § 11 Abs. 1 DMSG in ein Forschungsverbot mit
Befreiungsvorbehalt erreichen zu können; also tat man das auch.
108
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Damit musste man nun aber zwangsweise die gesamte archäologische Feldforschung – inklusive der
nicht-invasiven – diesem Forschungsverbot unterwerfen. Denn schließlich lässt sich sachlich nicht
zwischen einer geophysikalischen Prospektion, die zur Grabungsvorbereitung, und einer Metallsuche,
die zur Fundvorbereitung, durchgeführt wird, unterscheiden: beide Nachforschungsmethoden greifen
selbst offensichtlich nicht in den Erdboden ein können daher per se noch im Erdboden verborgene
Denkmale nicht gefährden und dienen beide zur Vorbereitung einer invasiven Folgehandlung, durch
die dann solche Denkmale tatsächlich verändert und zerstört werden könnten. Aus rechtlicher Sicht
bedeutet das, dass beides der gleiche Sachverhalt ist, der daher im Sinne des sich aus dem
Gleichheitsgrundsatz der Bundesverfassung ableitenden Sachlichkeitsgebots (Karl 2018b) auch
gesetzlich gleichbehandelt werden muss. Will man also die denkmalschutzgesetzliche NFG-Pflicht für
alle Metallsuchen anwenden, egal wo diese stattfinden, muss man sie zwingend ebenso für alle
sachlich gleichen archäologischen Nachforschungen anwenden, egal wo diese stattfinden. Ergo: alle
archäologische Feldforschung muss der NFG-Pflicht unterworfen werden.
Das führt aber nun zwingend zu massiven „Wertungswidersprüchen“ im Gesetz. Denn in Bezug auf
alle anderen Handlungen außer „Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung“ (§
11 Abs. 1) war und blieb das DMSG ein nach dem reaktiven Prinzip aufgebautes und funktionierendes
Gesetz. Das bedeutet aber, dass jede potentiell noch im Verborgenen gelegene Denkmale gefährden
könnende Handlung, die nicht mit Entdeckungszweck geplant wurde – wie eben z.B. Erdarbeiten bei
Bauarbeiten – weiterhin nur dann den Schutzbestimmungen des DMSG unterlag und unterliegt, wenn
sie tatsächlich gem. §§ 2a oder 3 geschützte Denkmale betrifft; wenigstens so lange nicht „zufällig“
dabei Sachen entdeckt werden, die gem. § 8 Abs. 1 igF meldepflichtig sind und daher die Rechtsfolgen
des § 9 igF auslösen.
Das führt aber nun zu der absurden Situation, dass ein an sich schon bekanntes, aber nicht gem. §§ 2a
oder 3 DMSG geschütztes, Denkmal jederzeit von jedem, der zur Nutzung des Grundstücks, auf dem
es sich befindet, berechtigt ist, wissentlich und willentlich, d.h. vorsätzlich, zerstört werden darf; denn
gem. § 4 Abs. 1 ist nur die Zerstörung und Veränderung geschützter Denkmale verboten, nicht die
solcher Sachen, die nicht unter Denkmalschutz stehen. Was hingegen – ohne Genehmigung des BDA
gem. § 11 Abs. 1 – strengstens verboten ist, ist ebendieses bekannte, aber nicht geschützte Denkmal
vorsätzlich wissenschaftlich zu untersuchen. Ebenso ist es Verfügungsberechtigten gesetzlich erlaubt,
mit dem Bagger auf einem Grundstück, von dem noch keinerlei Hinweise auf das Vorhandensein
irgendwelcher Denkmale vorliegen, herumzufuhrwerken und wilde Löcher zu graben, wie es ihm
beliebt. Was er hingegen – vorausgesetzt er hat kein Archäologiestudium abgeschlossen, das ihn zur
Beantragung einer NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG igF berechtigt – auf gar keinen Fall darf, ist vorher
dieses Grundstück mit ihm genehmen Nachforschungsmethoden zu untersuchen, um festzustellen,
ob sich dort nicht vielleicht doch zuvor noch unbekannte Denkmale befinden.
Das wirklich Tragische dabei ist, dass das keine hypothetischen Erwägungen sind, sondern bittere
Realität. Das beweist nicht zuletzt z.B. der Fall der frühmittelalterlichen Grabhügel im Zirkenauer Wald
(Abb. 5), die 1918 von Kyrle (1919) erstmals dokumentiert wurden, von den Professoren
Ruprechtsberger (2003) und Urban zwischen 2000 und 2002 mit NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG
rechtmäßig teilweise ausgegraben und 2015 ebenso rechtmäßig vom Grundeigentümer zum Zweck
der Aufschüttung eines Forstwegs Großteils zerstört wurden (Krieglsteiner 2015).
Das ist natürlich offensichtlich eine Patendlösung (Watzlawick 2001, 7-8): um unbekannte Denkmale
vor der möglicherweise von ihrer Entdeckung ausgehenden Gefahr der Zerstörung zu schützen, hat man
ihre vorsätzliche Entdeckung verboten; ihre vorsätzliche Zerstörung aber weiterhin erlaubt gelassen.
„Operation erfolgreich, Patient tot“ (Watzlawick 2001, 8).
109
Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat
Abb. 5: Die Grabhügelgruppe im Zirkenauer Wald (Gemeinde Engerwitzdorf, OÖ) vor (links) und nach (rechts) ihrer
rechtmäßigen Zerstörung durch den Grundeigentümer im Jahr 2015 (Feldskizzen: © C. Steingruber2015).
Aber das ist keineswegs die einzige Folge dieses rechtlichen Kuddelmuddels: es hat sogar der
gefinkelte Jurist bemerkt, der sich diesen gesetzlichen Lösungsversuch ausgedacht hat, dass sich
vielleicht nicht alle Normunterworfenen an die neue gesetzliche Regelung halten und insbesondere
die bösen Metallsucher die gesetzliche NFG-Pflicht zu umgehen versuchen könnten – z.B. indem sie
behaupten, dass sie zwar vorsätzlich nach irgendwelchen Sachen, aber nicht konkret nach Denkmalen
gesucht hätten – und sich daher weder an die Fundmeldepflicht des § 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl.
473/1990 bzw. § 8 Abs. 1 igF noch die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 idF BGBl. 473/1990 oder I 170/1999
halten müssten. Unter der vorhergehenden Lösung konnte es zu diesem Problem gar nicht kommen,
weil ja bei jeder Entdeckung eines Denkmals automatisch die Bestimmungen des §§ 9 Abs. 1 idF BGBl.
533/1923 bzw. BGBl. 167/1978 samt dessen Rechtsfolgen gem. § 10 gegriffen hätten, weil damit nicht
nur auf Zufallsfunde, sondern auf alle Funde gleichermaßen abgestellt worden war. Um die
Gesetzeslücke, die sich durch die Novelle möglicherweise aufgetan hätte, gleich von vornherein
wieder zu schließen, musste also ans Ende des § 10 idF BGBl. 473/1990 bzw. § 9 igF eine zusätzliche
Bestimmung angehängt werden, dass die Schutzbestimmungen dieses Paragrafen eben doch nicht nur
für Zufallsfunde, sondern auch bei vorsätzlichen Nachforschungen iSd § 11 Abs. 1 gelten, die entgegen
der Bestimmungen des § 11 durchgeführt worden waren.
Es bedarf nun aber wahrhaftig keines genialen Psychologen, zu erkennen, dass man jemanden, der
gerade bei vorsätzlichen Nachforschungen die gesetzlichen Schutzbestimmungen des § 11 DMSG
missachtet hat, nicht durch eine doch nicht nur für Zufallsfunde geltende gesetzliche
Schutzbestimmung, die ihn zur sofortigen Einstellung aller Arbeiten im Fall der Entdeckung eines
Denkmals verpflichtet, dazu wird motivieren können, das von ihm soeben rechtswidrig entdeckte
Denkmal nun doch nicht auszugraben, sondern unverändert an Ort und Stelle zu belassen. Statt zu
erreichen, dass sich Metallsucher nun endlich an das Gesetz halten würden, war das einzige, was
dadurch erreicht wurde, dass sie nun in einer unausweichlichen rechtlichen Zwickmühle stecken.
110
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Unter der vorhergehenden Regelung war die Situation für Metallsucher ebenso wie für jeden anderen,
eindeutig und einfach: wenn du etwas findest, was für jedermann erkennbar ein Denkmal ist, musst
du unmittelbar alle Arbeiten am Fundort einstellen und dem BDA eine Fundmeldung erstatten, wenn
es dir nicht schon vorab erlaubt hat, im Fall der Entdeckung eines Denkmals trotzdem
weiterzuarbeiten. Solange du das tust, handelst du rechtmäßig und brauchst keine Bestrafung zu
fürchten; weil der Staat will von solchen Denkmalfunden wissen, damit er sie dann schützen kann.
Unter der neuen Regelung war die Situation hingegen viel komplizierter und selbstwidersprüchlich:
wenn du vorsätzlich etwas suchst, ohne dass dir das BDA das zuvor erlaubt hat, musst du, wenn du
irgendetwas findest, von dem du gar nicht wissen kannst, ob es ein Denkmal ist, unmittelbar alle
Arbeiten am Fundort einstellen und dem BDA eine Fundmeldung erstatten. Aber selbst wenn du die
Arbeiten einstellst und Fundmeldung erstattest, wirst du aller Wahrscheinlichkeit nach bestraft
werden, weil der Staat zwar von solchen Funden wissen will, damit er sie schützen kann, aber du ja
nicht suchen hättest dürfen und daher sowieso schon rechtswidrig gehandelt hast, als Du etwas
gefunden hast.
Damit untergräbt die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF jedoch die Fundmeldepflicht des § 8 Abs.
1 igF: die Fundmeldung kommt in diesem Fall schließlich einer Selbstanzeige für eine
Verwaltungsübertretung gleich; daher wird kein auch nur halbwegs vernünftiger Mensch, der trotz
des gesetzlichen Nachforschungsverbotes sucht, die Fundmelde- und damit verbundenen
Arbeitseinstellungspflichten bei der Entdeckung irgendeiner beliebigen Sache befolgen, die ein
Denkmal sein könnte. Das wäre, wenn man ein durchgehend nach dem präventiven Prinzip
funktionierendes Denkmalschadensvorbeugungsgesetz hätte, bei dem man auf Fundmeldungen
wenigstens theoretisch nicht angewiesen ist, eventuell kein besonderes Problem. Bei einem nach dem
reaktiven Prinzip aufgebauten Denkmalschutzgesetz hingegen, bei dem man – vor allem, nachdem die
Regierung die für seinen Vollzug zuständige Behörde an einer so extrem kurzen finanziellen Leine hält,
dass diese gar nicht selbst systematische archäologische Landesaufnahme betreiben kann, um bislang
noch unbekannte Denkmale entdecken zu können, bevor sie durch irgendetwas gefährdet werden
könnten – auf Zufallsfundmeldungen absolut angewiesen ist, weil man nur durch diese von zuvor
unbekannten Denkmalen erfahren kann, die man eventuell schützen sollte, ist es hingegen
nachgerade vertrottelt, gerade für jene Bürger, die tatsächlich die meisten möglichen Denkmale
entdecken, die Fundmeldung durch eine damit verbundene Strafandrohung so extrem unattraktiv zu
machen, dass diese ganz bestimmt überhaupt nichts mehr melden.
Ein Gesetz, die man gar nicht mehr rechtmäßig anwenden kann
Damit hat sich die staatliche Denkmalpflege also de facto nicht etwa ins Knie, sondern gleich ordentlich
in den Kopf, geschossen. Sie hat sich ein Kartenhaus aus Lügenmärchen zusammengestrickt, um am
entgegengesetzten Willen des Gesetzgebers vorbei ihre eigenen Wünsche doch irgendwie durchsetzen
zu können, und sich dabei – wie es häufig ist, wenn man ein immer komplizierteres Lügengebäude
zusammenbauen muss, weil man Konflikte zwischen den ursprünglichen Unwahrheiten und der
beobachtbaren Wirklichkeit irgendwie weg zu erklären versuchen muss, wofür man zusätzlicher Lügen
bedarf – so gravierend in fundamentale Widersprüche verstrickt, dass dabei letztendlich vorne und
hinten gar nichts mehr zusammenpasst. Resultat davon ist nicht ein besser funktionierender
Denkmalschutz, sondern nur ein Denkmalschutzgesetz, das man gar nicht mehr rechtmäßig anwenden
kann.
Damit man ein solches Gesetz überhaupt noch anwenden kann, muss man aufgrund all der ihm
innewohnenden Selbstwidersprüchlichkeiten beginnen, es in jeder konkreten Situation so zu drehen,
zu wenden und wenigstens zu biegen, wenn nicht sogar zu brechen, dass es doch irgendwie zu passen
scheint, auch wenn es das gar nicht tut. Illustrieren wir das wieder am leidigen „Problem“ der
111
Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat
Metallsuche durch Laien, das, um das hier auch einmal zu sagen, (inzwischen) allen – d.h. Ihnen, der
archäologischen Fachwelt insgesamt, der Denkmalpflege, aber auch den Metallsuchern selbst und
auch mir, wenn auch vielleicht in manchen Fällen aus unterschiedlichen Gründen – sowas von zum
Hals heraushängt, dass man das schon gar nicht mehr in Worte fassen kann. Es ist aber leider dennoch
unvermeidlich noch einmal darauf zurückzukommen, weil es nicht nur das beste Beispiel dafür ist, zu
zeigen, dass das Gesetz unmöglich rechtmäßig anzuwenden ist, sondern das Gesetz überhaupt nur
aufgrund dieses „Problems“ unanwendbar gemacht worden ist.
Nachdem das Gesetz wenigstens aus Sicht der archäologischen Denkmalpflege das „Problem“ der
Metallsuche durch Laien lösen soll, muss man es so anwenden können, dass man Metallsucher, die
man bei der Ausübung ihres Hobbys erwischt hat, auch tatsächlich möglichst bestrafen kann. Denn
kann man Täter nicht bestrafen, entfaltet ein gesetzliches Verbot keine generalpräventive Wirkung;
und tut es das nicht, kann man es sich gleich ganz sparen. Nun ist es aber enorm schwierig,
Metallsucher auf frischer Tat zu ertappen. Es ist schon die Wahrscheinlichkeit enorm gering, dass
Metallsucher überhaupt bei ihrem Hobby von jemandem beobachtet werden, der erkennt, was sie
tun, glaubt, dass das, was sie tun, verboten ist, und sie dann auch noch so dafür anzeigt, dass man sie
auch nur ausforschen, geschweige denn in flagranti ertappen kann. Die Wahrscheinlichkeit, sie nicht
nur in situ zu ertappen, sondern sie in dem Moment zu erwischen, in dem sie gerade ein Loch in den
Boden graben und tatsächlich dabei ein auch nur möglicherweise schützenswertes Denkmal
entdecken, ist praktisch gleich Null.
Muss man ihnen also nachweisen, dass sie nicht nur gegraben haben, sondern dabei auch tatsächlich
etwas gefunden haben, von dem sie ex ante wussten oder wenigstens wissen hätten müssen, dass es
sich um ein Denkmal handelt, nach dem sie – das Problem mit dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip einmal
beiseitelassend – nicht vorsätzlich graben hätten dürfen, kann man sich das gleich sparen, weil das
praktisch nie funktioniert. Man muss also, um auch nur irgendeine Aussicht darauf zu haben,
Metallsucher auch tatsächlich erwischen und bestrafen zu können, die gesetzliche NFG-Pflicht des §
11 Abs. 1 so extrem weit als irgendwie möglich auszulegen versuchen. Schließlich kann ein ertappter
Metallsucher ja immer behaupten, gar nicht vorsätzlich nach Denkmalen gesucht zu haben, sondern
nach irgendwelchen anderen Sachen, wie z.B. seinem verlorenen Schlüsselbund; und/oder auch gar
nichts gefunden zu haben, was ein Denkmal sein könnte. Um diesen „Ausreden“ vorbeugen zu
können, muss man daher letztendlich wenigstens auf den Eventualvorsatz, noch besser aber auf die
bloße Fahrlässigkeit ausweichen. Dann genügt es nämlich schon, dass er wissen hätte müssen, dass er
etwas finden hätte können, egal ob er tatsächlich Denkmale finden wollte oder gefunden hat, um ihn
bestrafen zu können. Aber selbst dann kann er, wenn man ihn nicht wirklich gerade beim Graben
erwischt hat, immer noch behaupten, dass er gar nicht gegraben, sondern nur Oberflächenfunde
aufgelesen habe, und käme damit immer noch ungeschoren davon. Also muss man die NFG-Pflicht
auch auf rein auf die Entdeckung von Oberflächenfunden ausgerichtete Handlungen ausdehnen, bei
deren Durchführung der Täter wusste oder wissen hätte müssen, dass er dabei Sachen entdecken
könnte, die Denkmale sein könnten, auch wenn er nicht nach Denkmalen gesucht und auch keine
gefunden hat, um auch dieser „Ausrede“ vorbeugen zu können.
Damit unterwirft man dann aber bereits wenigstens alle geplanten Suchhandlungen, bei denen
irgendetwas gefunden werden könnte, worden hätte können oder ist, was möglicherweise ein
Denkmal sein hätte können, der gesetzlichen NFG-Pflicht. Tut man das, müsste man aber, um nicht
den Gleichheitsgrundsatz der Bundesverfassung zu verletzen, auch alle nicht mit dem Metallsuchgerät
durchgeführten Suchen, bei denen irgendwas gefunden werden könnte, worden hätte können oder
ist, was möglicherweise ein Denkmal sein hätte können, der gleichen NFG-Pflicht unterwerfen, weil
bei der gebotenen objektiven Betrachtung zwischen allen Suchen nach beliebigen Sachen, bei denen
112
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
irgendetwas gefunden werden könnte, worden hätte können oder ist, was möglicherweise ein
Denkmal sein hätte können, kein maßgeblicher Unterschied besteht, egal ob diese Suchen mit einem
Metallsuchgerät durchgeführt werden sollen bzw. wurden oder nicht. Es handelt sich also aus
rechtlicher Sicht um den exakt gleichen Sachverhalt, der rechtlich daher auch gleich zu behandeln ist.
Das bedeutet nun aber, dass man auch rein oberflächliche Suchen zur Entdeckung von beliebigen
Sachen oder gar Denkmalen, wie sie z.B. traditionelle Heimatforscher durchführen, der gesetzlichen
NFG-Pflicht unterwerfen muss; d.h. diese auch wegen Verletzung der Genehmigungspflicht anzeigen
muss, wenn sie Oberflächenfunde melden, die sie bei ihren Begehungen entdeckt haben. Das würde
wiederum dazu führen, dass diese keine Fundmeldungen mehr abgeben; die man nicht nur haben will,
sondern de facto braucht, weil man sonst ja gar nichts von den zuvor oft noch unbekannten
Denkmalen erfährt, von denen man in der Regel in der Behörde noch nichts weiß, aber von denen
man erfahren muss, damit man sie schützen kann; einmal abgesehen davon, dass das Gesetz ja eine
Fundmeldepflicht enthält, damit Funde gemeldet werden. Man muss also entweder darauf verzichten,
dass man die gesetzlich verpflichtend vorgesehenen Fundmeldungen erhält, oder muss die
(wahrscheinlich) nicht mit Metallsuchgeräten Nachforschungen durchführenden Bürger anders
behandeln als die, die der Metallsuche nachgehen.
Schlimmer noch, eine solche weite Auslegung der Anwendbarkeit der NFG-Pflichten führt
unweigerlich zu einem gravierenden Abgrenzungsproblem zu Zufallsfunden: macht der Passant, der
in eine Baugrube schaut und dabei mögliche bewegliche und/oder unbewegliche Denkmale entdeckt,
noch eine „zufällige“ Entdeckung, die nicht der gesetzlichen NFG-Pflicht unterworfen ist; oder führt er
schon eine – wenn auch rein optische – „Suche“ durch, bei der er irgendetwas finden hätte können
oder gefunden hat, was möglicherweise ein Denkmal sein könnte, für die er einer NFG bedurft hätte?
Dehnt man die NFG-Pflicht so extrem aus, wie es notwendig ist, damit man Metallsucher tatsächlich
einigermaßen sicher bestrafen kann, wenn man sie in situ erwischt, wird es schwierig, ein Szenario zu
konstruieren, in dem eine Entdeckung eines Denkmals noch wirklich „zufällig“ ist. Schließlich muss
selbst der Baggerfahrer, der tatsächlich „zufällig“ mit seiner Schaufel etwas ans Licht bringt, was ein
Denkmal ist oder wenigstens sein könnte, auch tatsächlich „suchend“ dorthin schauen, wo diese Sache
ist, um überhaupt bestimmen zu können, was diese Sache sein könnte. Damit hat aber auch er eine
„Nachforschung“ durchgeführt, bei der er irgendetwas finden hätte können oder gefunden hat, was
möglicherweise ein Denkmal sein könnte.
Will man tatsächlich alle diese Fälle gleich behandeln, muss man entweder jeden, der irgendwo auf
den Boden schaut, wegen Verstoßes gegen die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 anzeigen, weil er dabei ja
– und sei es nur völlig unbeabsichtigt – etwas finden könnte, was ein Denkmal sein könnte; oder man
kann niemanden deswegen anzeigen, auch nicht den Metallsucher. Damit hat man sich selbst
schachmatt gesetzt, außer man will die Spielregeln verletzen und einfach willkürlich zwischen
„schlechten“ und „guten“ Suchen unterscheiden.
Ein gleichartiges Problem ergibt sich auch in einer anderen Richtung. Legt man die NFGPflichtbestimmungen so weit aus, dass man Metallsucher auch dann für ihre Verletzung bestrafen
kann, wenn sie ihr Metallsuchgerät auch nur eingeschaltet in die Hand nehmen, stellt sich unmittelbar
die Frage der Verhältnismäßigkeit der NFG-Pflicht (siehe dazu noch genauer Seiten 226-307). Weil es
werden bei einer derart weiten Auslegung der NFG-Pflicht ja durch die überwältigende Mehrheit der
Handlungen, die der NFG-Pflicht unterworfen werden, gar keine tatsächlich bedeutenden Denkmale
in irgendeiner Weise gefährdet, an deren Erhaltung überhaupt ein öffentliches Interesse besteht. Die
eigentliche Gefahr geht ja erst von der der Entdeckung mittels eines Metallsuchgeräts eines unter der
Erdoberfläche verborgenen, magnetisch leitfähigen Gegenstandes nachfolgenden Grabung nach
diesem Gegenstand aus.
113
Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat
Nun werden zwar denkmalschutzrechtliche NFG-Pflichten traditionell in der archäologischen
Denkmalpflege als Mechanismus zur behördlichen Kontrolle tatsächlicher Nachforschungshandlungen
verstanden, weil das schon immer so war. Aber wenn die eigentliche Gefahr von der Grabung und
nicht der Nachforschung ausgeht, ist doch eigentlich davon auszugehen, dass, wenn nicht nur
Grabungen und Nachforschungen zum Zweck der Entdeckung von Denkmalen, sondern auch
Nachforschungen zu ganz anderen Zwecken, bei denen Denkmale auch nur hypothetisch entdeckt
werden könnten, dieser Genehmigungspflicht unterworfen werden können, es genauso gut möglich
sein müsste, auch die Erdarbeiten bei Bauarbeiten denselben Bestimmungen zu unterwerfen. Es geht
schließlich in Denkmalschutzgesetzen nicht um den Schutz von Denkmalen vor Nachforschungen,
sondern um den Schutz von Denkmalen vor Zerstörung oder Veränderung durch Eingriffe in ihre
Substanz. Das macht es praktisch unmöglich, zu argumentieren, dass das über den Boden schwenken
eines eingeschalteten Metalldetektors die Denkmalsubstanz so sehr gefährden kann (und sei es nur
durch die wahrscheinlich nachfolgende Grabung zur Bergung des georteten Gegenstandes), dass es
damit verhältnismäßig ist, sie einer gesetzlichen Genehmigungspflicht zu unterwerfen; aber z.B.
Erdarbeiten bei Bauarbeiten nicht. Denn tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei Erdarbeiten
bei Bauarbeiten, beim Pflügen, etc. noch gänzlich unbekannte Denkmale im Boden gänzlich zerstört
werden, unvergleichlich größer als die, dass solche bei ihrer Entdeckung mittels des Metallsuchgeräts
folgenden Ausgrabung gänzlich zerstört werden.
Damit ist man auch in diesem Fall zwingend in der Gleichheitswidrigkeit, wenn man nicht entweder
auch alle Erdarbeiten, die nicht zu Nachforschungszwecken durchgeführt werden, wenigstens der
gleichen denkmalschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unterwirft wie das bloße über den Boden
Schwenken eines eingeschalteten Metallsuchgeräts; oder eben den Einsatz des Metallsuchgeräts
ebenso wenig wie Denkmale tatsächlich gefährden könnende Erdarbeiten dieser
Genehmigungspflicht unterwirft. Auch damit hat man sich eigentlich rechtlich selbst schachmatt
gesetzt.
Nun muss aber die staatliche Denkmalbehörde das Denkmalschutzgesetz, mit dessen Vollzug sie
betraut wurde, irgendwie anwenden; weil dazu ist die Denkmalbehörde nicht nur da, sondern eben
auch gesetzlich verpflichtet. Damit ist sie nun aber auch Schrödingers Behörde, denn sie muss das
Gesetz gleichzeitig anwenden und darf das nicht.
Na gratuliere!
Der lange Ast des Gesetzgebers
Letztendlich sitzt der Gesetzgeber immer noch am längeren Ast und bekommt eher das, was er will; als
dass eine nachgeordnete Dienststelle bekommt, was diese gerne hätte; selbst wenn man ihn für blöd zu
verkaufen versucht und ihm etwas vorschwindelt, um der Erfüllung der eigenen Wünsche
näherzukommen. Natürlich kann es funktionieren, dass man ihn erfolgreich so anschwindelt, dass man
wenigstens für eine Weile – wie das österreichische Beispiel zeigt, sogar für mehrere Jahrzehnte –
wenigstens manchmal einen Teil dessen erreichen kann, was man durch die Schwindeleien zu erreichen
versucht hat.
Man hat es schließlich trotzdem in Österreich in den letzten paar Jahrzehnten in einigen Einzelfällen
geschafft, Metallsucher dafür zu bestrafen, dass sie eine dort, wo sie erwischt wurden, gesetzlich frei
erlaubte Metallsuche durchgeführt haben. Einen Beispielfall dafür aus dem Jahr 2013 habe ich ja
bereits andernorts betrachtet (Karl 2016a, 9-10), in dem genau das der Fall gewesen sein dürfte. Ob
es dabei einen generell Unschuldigen getroffen hat, sei dabei dahingestellt, der relevante Punkt ist
vielmehr: für die Metallsuche, bei der er erwischt und für die er bestraft wurde, hätte er wohl nicht
bestraft werden dürfen; weil von den Grundstücken, auf denen er angetroffen wurde, noch nicht
114
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
einmal Fundmeldungen vorliegen, geschweige denn, dass diese unter Denkmalschutz gestanden
wären. Hätte also das BDA in diesem Fall das Gesetz so angewendet, wie es verpflichtet gewesen wäre,
hätte es nicht eine Stellungnahme an die Strafverfolgungsbehörde schicken dürfen, in der es mit
Nachdruck auf die wahrscheinliche Schuld des Tatverdächtigen hinwies, sondern hätte iSd § 37 Abs. 6
DMSG igF bescheidmäßig feststellen müssen, dass an der Erhaltung der möglicherweise betroffenen,
möglicherweise an Ort und Stelle vorkommen, Denkmale schon alleine deshalb zum Zeitpunkt der
Tathandlung kein (rechtswirksames!) öffentliches Interesse bestanden haben kann, weil dem BDA von
dort, wo die Tathandlung stattgefunden hat, noch überhaupt gar keine Hinweise auf das Vorkommen
von solchen Denkmalen bekannt waren und sind.
Aber letztendlich hat man durch die paar rechtswidrigen Bestrafungen Unschuldiger, die man dadurch
vielleicht erreicht hat, das leidige „Problem“ mit der Metallsuche nicht einmal ansatzweise gelöst. Man
hat es wahrscheinlich nicht einmal geschafft, die abschreckende Wirkung der Bestimmungen des
DMSG von Null auf marginal höher als Null zu heben.
4500
Weil dass sich viele Bürger dadurch ernsthaft davon
abhalten haben lassen, dieses Hobby zu ergreifen, das
glaubt hoffentlich niemand wirklich; oder, wenn doch,
dann sollte er dringend einen Psychiater aufsuchen, weil
dann leidet er an Wahnvorstellungen.
Um das auch noch durch trockene Zahlen zu
unterstützen: Ende 2014 hatte das größte
österreichische Diskussionsforum für Metallsucher
(http://www.sondengaenger.at/ [25.6.2019]) – das
übrigens öffentlich zugänglich ist, d.h. auch das BDA
kann dort mitlesen – etwas über 2.000 Mitglieder. Am
13.10.2017 hatte es 3.324. Das ist ein Zuwachs in ca. 3
Jahren von ca. 66%; was vermuten lässt, dass sich die
Anzahl der Metallsucher in Österreich derzeit etwa alle
5 Jahre verdoppelt. Am 25.6.2019 hatte dasselbe
Forum übrigens 3.920 Mitglieder. Abb. 6 zeigt, was das
– rück-hochgerechnet auf die Zeit seit dem
Aufkommen der Metallsuche in Österreich 1970 (Karl
2016b) – in Bezug auf die Entwicklung der
Metallsucherszene in Österreich bedeuten würde.
4000
3500
3000
2500
2000
1500
1000
500
0
Abb.
6:
Hochrechnung
der
Entwicklung
der
Statt das erwünschte Ziel zu erreichen, dem man alles Mindestanzahl aktiver Metallsucher in Österreich unter
andere unterzuordnen versucht hat, hat man sich nur Annahme von konstant gleichbleibenden Zuwachsraten
wie im Zeitraum 2014-2019 auf Basis der
zahllose Schwierigkeiten geschaffen, die im Endeffekt Mitgliederzahldaten von www.sondengänger.at.
dazu führen, dass nicht die „bösen“ Metallsucher in
einer rechtlichen Zwickmühle sitzen, sondern vielmehr die staatliche Behörde und ihre Beamten. Die
Denkmalpfleger und ihre Amts- und Ministerialjuristen wollten zu viel. Sie wollten ein Gesetz, das es
ihnen erlaubt, alle archäologischen Sachen zu schützen, egal ob diese wichtig sind oder nicht, egal ob
man sie schon kennt oder nicht, und egal ob sie überhaupt an dem Ort vorkommen, an dem
irgendjemand irgendetwas tut, was sie – da sie ja überall vorkommen könnten, auch wenn sie es fast
nirgends tatsächlich tun – auch nur in irgendeiner Weise gefährden könnte. Sie wollten ein präventives
Gesetz, bei dem sie allein retrospektiv bestimmen können, was ein archäologisches Denkmal ist; allein
entscheiden dürfen, was irgendjemand mit dem, was sie für ein archäologisches Denkmal halten, tun
oder lassen darf; und jeden anderen außer sich selbst von jedem Gebrauch jedweder Sache, die auch
nur so beschaffen sein könnte, dass sie eines ihrer heiligen archäologischen Denkmale sein könnte,
115
Was der Gesetzgeber wirklich vorgesehen hat
vollständig ausschließen können, wie es ihnen beliebt. Oder, allgemeinverständlicher gesagt: sie
wollten alle wesentlichen Eigentümerrechte an allen Sachen an sich ziehen, die sie als archäologische
Denkmale betrachten.
Nur am Rande bemerkt: vielleicht wollen Sie ja versuchen, einmal herauszufinden, welche Schritte das
BDA im Zeitraum von ca. Anfang der 1990er bis ca. Ende der 2010er gesetzt hat, um sicherzustellen,
dass es mit einer Personaldecke von durchschnittlich um die 12-15 archäologischen FachbeamtInnen
und mehr oder minder konstantem Personalaufnahmestopp im Bundesdienst jährlich wohl so um die
durchschnittlich 200 Grabungen durchführen kann, darunter stets zahlreiche Großgrabungen, z.B. auf
linearen Bauprojekten. Vielleicht wollen Sie dann auch gleich noch herausfinden, wer in diesem
Zeitraum im Vorstand der „Vereine“ saß, die diese Grabungen „im Auftrag des BDA“ tatsächlich
durchführten (siehe dazu schon Karl 2011a, 105-19). Vielleicht wollen Sie dann auch noch versuchen
herauszufinden, wo in diesem Zeitraum die meisten Funde, die bei Großteils von Baubetrieben
finanzierten Grabungen zutage kamen, hingekommen sind. Wenn Sie dann schon dabei sind, wollen
Sie vielleicht auch noch gleich herausfinden, wie der Erhaltungszustand dieser archäologischen
Denkmale ist und wie viele Ressourcen für ihre Konservierung und Restaurierung zur Verfügung stehen
(siehe dazu schon Karl 2016c, 46); und wie zugänglich für die Öffentlichkeit oder auch nur die
wissenschaftliche Fachwelt sie sind. Vor allem jetzt, nachdem der österreichische Rechnungshof die
Umgehung der Planstellenbewirtschaftung durch das BDA scharf kritisiert hat (RH 2017, 71-6) und in
der Folge eine Zeit lang keine einzige Person mehr für die Verwaltung der Funddepots des BDA –
primär in der Kartause Mauerbach und im Wiener Arsenal – zur Verfügung stand.
Aber trotz aller gefinkelten juristischen Manöver, und egal wie man sich windet und sich einerseits
hinter unbestimmten Rechtsbegriffen versteckt, um diese andererseits in widersprüchlicher Weise in
jedem Einzelfall jeweils willkürlich so interpretieren zu können, wie es einem passt: der Ast, auf dem
der Gesetzgeber sitzt und von dem auch er seinen Willen durchsetzen kann, ist immer noch weitaus
länger als der Ast, auf dem die Beamten in BDA und Ministerium sitzen. Das Gesetz, das die staatlichen
Behörden zu vollziehen haben, ist und bleibt ein reaktives Gesetz; dem noch dazu von noch viel
höherrangigen und wichtigeren rechtlichen Grundprinzipien gewisse Grenzen gesetzt werden, über
die man sich nur zeitweilig drüberschwindeln kann. Irgendwann einmal fällt das dann irgendwem auf,
der – trotz all der Trübung der rechtlichen Wässer und all der Nebelkerzen, die man geworfen hat –
erkennt, dass das alles so nicht funktioniert, wie die Behörde vorgibt. Solange das nur ein Querulant
ist, der noch dazu vielleicht in einem gegen ihn angestrengten Strafverfahren nicht nur der Tat,
sondern damit gleichzeitig auch der Befangenheit in der Sache – schließlich ist es in seinem Interesse,
freigesprochen zu werden – verdächtig ist, kommt man vielleicht noch irgendwie damit davon. Aber
wenn es des Eigeninteresses weitgehend unverdächtige Personen sind – wie z.B. im zweiten eingangs
diskutierten Fall die BH Liezen oder im den beiden anderen Fällen ein Universitätsprofessor wie ich –
schauen die Gerichte sich die Sache vielleicht doch einmal etwas genauer an und stellen fest, dass das,
was passiert, tatsächlich völlig offensichtlich hochgradig rechtswidrig ist.
Damit setzt sich dann der Wille des Gesetzgebers auch gegen den Willen der Behörde, und natürlich
noch viel mehr gegen den Willen der denkmalpflegerischen und archäologischen Fachwelt, durch.
Dann zählt nicht mehr, was wir wollen, sondern nur, was in den Gesetzen steht; und zwar nicht nur in
den uns genehmen Halbsätzen einzelner ausgewählter Paragrafen im DMSG, sondern im Gesetz in
seiner Gesamtheit und auch in anderen, oft noch relevanteren, Gesetzen wie z.B. Verfassungsgesetzen
wie dem B-VG und StGG.
Hat man dann in dieser Situation – darauf vertrauend, dass schon niemand draufkommen wird, dass
man eine behördliche Willkürherrschaft ausübt, um zu bekommen, was man wirklich will – seit
Jahrzehnten rechtswidrige Denkmalpflege betrieben und nicht wenigstens vorgebaut, dass, für den
Fall, dass einem doch wer draufkommt, auch genug Archäologie auf rechtmäßigem Weg geschützt
116
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
worden ist, ist das Resultat zwingend der größte anzunehmende denkmalpflegerische Unfall, ein
archäologischer Super-GAU. Genau das ist die Situation, die wir derzeit in Österreich haben.
Die archäologische Denkmalpflege hat versucht, den Ast, auf dem sie sitzt, soweit zu verlängern, dass
er länger wird als der, auf dem der Gesetzgeber sitzt, und hat, um das zu erreichen, so lange an dem
Ast gesägt, auf dem sie selbst sitzt, bis dieser jetzt tatsächlich weitgehend abgebrochen ist. Den
dadurch generierten Schaden – nicht nur strukturell und für die Reputation unserer Disziplin, sondern
insbesondere auch jene archäologischen Denkmale, die tatsächlich so bedeutend sind, dass ihre
Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist – zu reparieren wird eine ebenso unerfreuliche wie
aufwändige und langwierige Arbeit werden.
117
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
Um uns an eine Reparatur des Problems (nicht nur, aber auch) der österreichischen archäologischen
Denkmalpflege zu machen, scheint es zuerst einmal erforderlich, sich mit der Frage zu befassen, was
denn der Denkmalwert (archäologischer) materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit ist; und
natürlich auch, wie wir diesen bestimmen können.
Denn wir glauben zwar schon immer zu wissen, was denn nun „bedeutende“ archäologische
Denkmale sind, aber reden normalerweise nur sehr wenig darüber, weil wir seit Anbeginn der
archäologischen Denkmalpflege im deutschen Sprachraum gewohnt sind, dass das letztendlich durch
Fachbeamte in der jeweils örtlich zuständigen Denkmalbehörde subjektiv in jedem Einzelfall bestimmt
wird; und zwar weitgehend aus dem Bauch heraus unter mehr oder minder starker Berücksichtigung
eines breiteren gesamtfachlichen Zeitgeistes. Aber dieser fachliche Zeitgeist ändert sich stetig, wenn
auch normalerweise nur so langsam, dass diese Änderung jeweils für den Einzelnen nahezu
unbemerkbar bleibt bzw. bestenfalls bei einer Langzeitbetrachtung bemerkbar wird.
Das soll nun keineswegs bedeuten, dass es nicht innerfachliche Diskussionen gibt, was denn nun auch
noch, oder nicht mehr, archäologische Hinterlassenschaften der Vergangenheit sind; d.h. solche, die
als Quellen von – in den wenigstens innerfachlich, idealerweise aber auch außerfachlich, anerkannten
Bereich der mit archäologischen Methoden durchgeführten Erforschung der Vergangenheit fallenden
– wissenschaftlichen Forschungen dienen. Ein Beispiel dafür sind die Diskussionen, die heute über die
zeitliche Abgrenzung der Archäologie zur Gegenwart geführt werden: sollte sich die Archäologie, wie
es z.B. Otto H. Urban (2008, 40) zum Ausdruck gebracht hat, nur mit älteren Kulturen beschäftigen
oder gibt es – für Urban (ibid.) eine paradoxe Vorstellung bzw. Begriffe – auch eine Mittelalter- und
eine Neuzeitarchäologie, d.h. kann man sich überhaupt archäologisch z.B. mit materiellen
Hinterlassenschaften des 20. Jahrhunderts beschäftigen (z.B. Theune-Vogt 2014)?
Solche Diskussionen bzw. deren Ergebnisse schlagen aber nur dann unmittelbar auf die archäologische
Denkmalpflege durch, wenn man einfach alle Sachen, die eine Quelle archäologischer
wissenschaftlicher Forschung sein könnten, als Denkmale betrachtet, deren unveränderte Erhaltung
in situ aufgrund ihrer wissenschaftlichen Quellenfunktion für die Archäologie im öffentlichen Interesse
gelegen ist. Das ist aber, gerade in Anbetracht der Ausdehnung archäologischer Forschungen bis hin
zu noch in Betrieb stehenden Müllhalden (Rathje & Murphy 2001) und auf die forensische Archäologie
(z.B. Groen et al. 2015), aus denkmalpflegerischer Sicht (wenigstens inzwischen) unmöglich. Das liegt
nicht zuletzt daran, dass diese Diskussionen – soweit sie überhaupt stattfinden – auch gar nicht primär
in einem denkmalpflegerisch-rechtlichen Kontext geführt werden und sich mit der Frage des
Denkmalwerts der – für sich neu entwickelnde Fachbereiche der archäologischen Wissenschaft
erforderlichen – materiellen Quellen in der Regel auch gar nicht beschäftigen.
Es sind vielmehr, wenn überhaupt ein derart abstraktes Niveau der Diskussion erreicht wird,
Diskussionen darüber, ob man bestimmte Arten der mit Ausgrabungen und anderen archäologischen
(Feld-) Forschungsmethoden durchgeführten wissenschaftlichen Forschung auch (schon) als
archäologische Forschung im Sinne der innerfachlichen Selbstdefinition des Begriffs Archäologie
betrachten kann, soll, will oder muss; oder ob diese Forschungen nicht besser
wissenschaftssystematisch einer anderen wissenschaftlichen Disziplin als der Archäologie zugeordnet
werden sollten, auch wenn bei diesen Forschungen Methoden zum Einsatz kommen, die (auch oder
sogar insbesondere) für archäologische Forschung charakteristisch sind. Zumeist wird sogar diese
Metaebene der Diskussion gar nicht betreten, sondern es etabliert sich ein neues archäologisches
Fachgebiet einfach dadurch, dass Wissenschafter, die von ihrer Ausbildung und oft auch ihrem
Anstellungsverhältnis her als „ArchäologInnen“ betrachtet und bezeichnet werden können,
118
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Ergebnisse ihrer wenigstens teilweise auch mit „typisch“ archäologischen Methoden durchgeführten
Forschungen in (den) archäologischen Fachpublikationsorganen vorstellen (in denen sie auch
normalerweise ihre unzweifelhaft als archäologisch anerkannten, sonstigen Forschungsergebnisse
publizieren) und damit – wenigstens wenn sie wissenschaftliche Nachahmer finden – mehr oder
minder unbeabsichtigt ein neues Forschungsgebiet begründen.
An den (möglichen) Denkmalwert der Quellen dieser neu entstehenden archäologischen
Forschungsbereiche denkt daher normalerweise in diesen Diskussionen kaum jemand; oft nicht
einmal der Wissenschafter selbst, der ein bisher archäologisch unbeackertes Gebiet für wichtig
befindet und daher durch Forschungsarbeiten zu diesem Gebiet ganz bewusst eine neue
archäologische Forschungsrichtung schaffen möchte. Nachdem aber kaum jemand daran denkt, wird
die Frage des Denkmalwerts der Quellen solcher, neu entstehender, archäologischer
Forschungsbereiche daher auch meist nicht einmal implizit erwähnt, geschweige denn explizit
diskutiert; und natürlich noch viel weniger die Frage, wie man diesen denn nun in einer für diese neue
Forschungsrichtung ausreichender Weise in der Denkmalpflegepraxis bestimmen kann.
Das Fehlen einer solchen expliziten Diskussion über die Frage „Was braucht das archäologische
Forschungsgebiet X eigentlich an Quellenerhaltung, um jetzt (und idealerweise auch noch in der
Zukunft) jene wissenschaftlichen Fragen beantworten zu können, die es zu beantworten versucht?“
ist damit letztendlich die Ursache dafür, dass die Denkmalpfleger und Amtsjuristen, die
Denkmalschutzgesetze inhaltlich und formal gestalten müssen, auf maximal unbestimmte
Rechtsbegriffe bei der Legaldefinition des Schutzgegenstandes des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes
ausweichen bzw. ausweichen zu müssen glauben. Wir, d.h. die archäologische Wissenschaft bzw. die
Gemeinschaft der Wissenschafter, die sich selbst und gegenseitig als Archäologen betrachten, sagen
ihnen einfach nicht, was wir wirklich brauchen, sondern bestenfalls was wir wollen; und was wir
wollen ist in der Regel am besten alles und das jetzt gleich (was wir für die Forschungen in unserem
konkreten Fachgebiet gerne hätten). Damit bleibt den Denkmalpflegern und ihren Amtsjuristen –
nachdem wissenschaftliche Fragestellungen prinzipiell unbegrenzt sind (Strobl & Sieche 2010, 68) –
letztendlich gar nichts anderes übrig, als eine Legaldefinition des (relevanten archäologischen)
Denkmalbegriffs zu verfassen, die – mehr oder minder kompliziert verklausuliert, damit es dem
Gesetzgeber möglichst nicht auffällt – alle Sachen, die es gibt und geben könnte, in den
Anwendungsbereich des von ihnen zu entwickelnden Denkmalschutzgesetzes bringt.
Wann wird etwas zu Archäologie?
Das alles war übrigens lange Zeit wenigstens insofern kein besonderes Problem, als das fachliche
Verständnis davon, was nun archäologische Quellen sind und was nicht, lange Zeit wenigstens so
hinreichend begrenzt war, dass man damit – und sei es nur eher schlecht als recht – auch rechtlich
halbwegs erfolgreich davonkommen konnte. Das lag in erster Linie daran, dass der archäologische
Zeitgeist bis vor wenigen Jahrzehnten – bei aller prinzipiellen Unbegrenztheit archäologischer
wissenschaftlicher Fragestellungen – von der Existenz einer absoluten Grenze ausgegangen ist, die
jene kleine Minderheit von Sachen, die man als archäologische Quellen betrachtete, von jener großen
Mehrheit aller anderer Sachen, die sicherlich keine archäologischen Quellen waren, eindeutig und
scharf trennte. Wenn schon nichts anderes, so mussten archäologische Sachen wenigstens „alt“ sein.
Als ich z.B. 1987 in Wien Ur- und Frühgeschichte zu studieren begann – übrigens bei Otto H. Urban als
einem meiner hauptsächlichen akademischen Lehrer – wussten noch (wenigstens beinahe) alle
Archäologen (an der Universität und darüber hinaus) in Wien, dass zwar vielleicht auch jüngere Sachen
Denkmale sein konnten, aber eine Sache wenigstens älter als etwa 500 Jahre sein musste, um
Archäologie und damit ein archäologisches Denkmal sein zu können. Urbans bereits oben genannte,
119
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
von ihm noch 2008 vertretene, Ansicht, dass selbst der Begriff Mittelalterarchäologie paradox sei, weil
sich Archäologie nur mit wirklich alten Kulturen (d.h. wenigstens etwa 1000 Jahre alten Sachen)
beschäftigen würde oder wenigstens sollte (Urban 2008, 40), war wohl bereits damals eine eher
traditionelle Sichtweise; die Erforschung des Mittelalters mit archäologischen Methoden wurde
bereits weitgehend (aber keineswegs universell) als Teil der archäologischen Wissenschaft anerkannt.
Aber selbst die Neuzeitarchäologie in dem Sinn, wie sie damals schon an der Universität Innsbruck
betrieben wurde – d.h. die archäologische Erforschung von Sachen, die auch aus dem 17. oder gar
dem 18. Jh. n.Chr. stammen konnten – wurde mehrheitlich noch leicht abfällig als „Volkskunde“
belächelt.
Sie wissen eh, Herr Karl, die Innsbrucker sind halt ein bisserl seltsam; Tiroler eben. Am besten nimmt
man die nicht ganz ernst, so wie uns Wiener die Deutschen als dumme Österreicher belächeln; die
blöden Piefkes, die; die haben ja gar keine Ahnung von gar nix! Weil wir wissen ja alle, was
Archäologie ist; und wer anderer Meinung ist als wir, der kann von nix keine Ahnung nicht haben.
Aber selbst wenn man sich nicht in Wiener Großkotzigkeit ergehen und auf alle anderen herabblicken
wollte: auch die Innsbrucker Neuzeitarchäologie war – wenigstens aus denkmalpflegerischer Sicht –
immer noch kein besonders gravierendes Problem. Sie subsummierte zwar vielleicht auch schon
Sachen aus dem 18. Jahrhundert unter dem Begriff Archäologie; aber selbst Sachen aus dem 18.
Jahrhundert waren im späten 20. Jahrhundert immer noch wenigstens 200 Jahre alt. D.h. auch die
Innsbrucker Neuzeitarchäologie anerkannte immer noch, dass es eine absolute Zeitgrenze gab, ab der
eine Sache zu einer archäologischen Sache wurde oder wenigstens werden konnte; alles, was jünger
war, konnte vielleicht aus anderen als archäologischen Gründen ein Denkmal sein, aber als
archäologisches Denkmal konnte es nicht bezeichnet werden.
Wo auch immer man jetzt genau die absolute Zeitgrenze als Fachgemeinschaft einziehen wollte oder
als einzelner Wissenschafter eingezogen hat – sei es vor etwa 1.000 Jahren wie Urban, etwa 500
Jahren wie der Wiener Fachkonsens um etwa 1987 oder wie der Innsbrucker Fachkonsens vor etwa
200 Jahren –, es gab nicht nur eine absolute Zeitgrenze, sondern sie lag auch eine bedeutende Zeit in
der Vergangenheit; jedenfalls deutlich vor dem Zeitpunkt, an dem alle in der damaligen Gegenwart
noch lebenden Menschen geboren worden waren. Damit waren auch alle Sachen, die archäologische
Denkmale sein konnten (oder vom Fach als solche betrachtet wurden, egal ob sie jetzt
denkmalschutzgesetzlich geschützte oder nicht geschützte Sachen waren), nicht nur sehr selten,
sondern auch einigermaßen leicht von jedermann wenigstens als besonders alt erkennbar. Denn von
Gebäuden einmal abgesehen, wie viele Sachen gibt es noch, die vor dem Jahr 1800 erzeugt wurden
und noch in Gebrauch stehen und nicht in einem Museum liegen? Und welche Sache, die vor dem Jahr
1800 erzeugt wurde, schaut nicht so eindeutig und offensichtlich anders als gegenwärtig alltägliche
Sachen aus, dass sie nicht jeder auch ohne großartige Vorbildung als außergewöhnlich ungewöhnliche
und vermutlich tatsächlich alte Sache erkennen könnte?
Selbst wenn der Durchschnittsbürger natürlich normalerweise nicht erkennen kann, ob eine alte Sache
jetzt nur mehr als 200, mehr als 500 oder sogar schon mehr als 1.000 Jahre alt ist: wenigstens, dass
eine alte Sache eine alte Sache ist, ist er durchaus im Stande von sich aus zu erkennen. Damit hat es
zwar eigentlich aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht immer noch nicht gereicht, dass eine
bestimmte Sache älter als die absolute Zeitgrenze war, an der nach in der Fachwelt vorherrschender
Ansicht das Forschungsgebiet der Archäologie endete, damit sie auch automatisch zu einer mit derart
hohem Denkmalwert wurde, dass ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung bestand; weil die
Tatsache, dass sie eine Quelle archäologischer Forschung sein könnte, ja für sich allein betrachtet
(wenigstens iSd der immer schon ausschlaggebenden und seit 1999 nun auch in § 1 Abs. 2 DMSG igF
explizit genannten Kriterien von Qualität, ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung in Hinblick
120
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
auf den österreichischen Kulturgutbestand in seiner Gesamtheit) noch nicht ausreicht, um ihre
Unterschutzstellung zu begründen. Aber man konnte – wenigstens in Hinblick auf die Bestimmungen
der §§ 8-11 igF in ihren jeweilig zu früheren Zeitpunkten geltenden Fassung – wenigstens
einigermaßen so tun, als ob sich durch die bloße Beantwortung der Frage, ob eine Sache nun alt genug
sei, um als archäologische Sache gelten zu können, die Beantwortung der Frage nach dem
Denkmalwert dieser Sache erübrigen würde: schließlich ließ sich – wenn auch vielleicht eher schlecht
als recht – argumentieren, dass jeder wusste oder wenigstens wissen hätte müssen, dass diese Sache
so alt war, dass sie offenkundig ein archäologisches Denkmal sein könnte und er sie daher
entsprechend der gesetzlichen Schutzbestimmungen für archäologische Denkmale behandeln sollte,
wenn nicht sogar behandeln musste.
Das Problem der Erforderlichkeit absoluter Zeitgrenzen
So zu tun, als ob die Bestimmung einer Sache als archäologische Sache schon per se ausreicht, um sie
als Sache betrachten zu können, die schon allein aus diesem Grund einen derart besonders
bedeutenden Denkmalwert hat, dass ihre unveränderte Erhaltung in situ im öffentlichen Interesse
gelegen ist (oder wenigstens ihre Erhaltung durch Dokumentation im öffentlichen Interesse gelegen
ist, obwohl kaum ein deutschsprachiges Denkmalschutzgesetz dieses Konzept schon ausreichend in
seinen Wortlaut aufgenommen hat, um es tatsächlich auch rechtlich zu einer akzeptablen Form der
Erhaltung einer denkmalschutzrelevanten Sache zu machen), kann so lange einigermaßen gut
funktionieren, so lange man – wenn schon nicht archäologisch, so doch wenigstens
denkmalpflegerisch – eine absolute Zeitgrenze einzieht, bis zu der eine Sache eine archäologische sein
kann, die ausreichend weit in der Vergangenheit liegt, um eine einigermaßen eindeutige und scharfe
Abgrenzung zwischen jener vergleichsweise sehr kleinen Minderheit von Sachen zu ziehen, die alt
genug sind, um ein archäologisches Denkmal sein zu können, und jener verhältnismäßig viel größeren
Mehrheit von Sachen, die zu neu sind, um das sein zu können.
Denn so lange man diese absolute und auch verhältnismäßig gegenwartsferne Zeitgrenze hat, kann
man nicht nur die Illusion aufrechterhalten, dass jedermann ein mögliches archäologisches Denkmal
als solches erkennen und wenigstens normalerweise erfolgreich von gegenwärtigen alltäglichen
Sachen unterscheiden kann; sondern es geraten sich auch und noch wichtiger die archäologische
Vergangenheit und die Gegenwart in der Praxis nicht allzu sehr ins Gehege. Archäologische
Schutzbestimmungen eines Denkmalschutzgesetzes, das eine solche absolute Zeitgrenze kennt, ob
nun explizit in der relevanten Legaldefinition oder auch nur implizit durch Bezug der Legaldefinition
auf einen archäologischen Zeitgeist, der eine solche Grenze einzieht, können schließlich in der Regel
nur auf nicht mehr im alltäglichen Gebrauch stehende Sachen angewendet werden.
Das vermeidet die Entstehung von Konflikten zwischen den Erfordernissen des Denkmalschutzes und
des derzeitigen alltäglichen Lebens, die daher auch weitgehend nebeneinander existieren können.
Zwar können die Erfordernisse des Denkmalschutzes trotzdem mit denen des alltäglichen Lebens
interferieren – wie z.B. wenn bei Bauarbeiten irgendeine Sache entdeckt wird, die älter als die
relevante Zeitgrenze ist und daher eventuell denkmalpflegerische Maßnahmen erforderlich werden –
aber die Anzahl der Fälle, in denen das tatsächlich passiert, bleiben auf eine vertretbare Menge
beschränkt. Meistens treten solche Konflikte zwischen Vergangenheit und Gegenwart sogar, vor allem
wenn diese Zeitgrenze mehrere hundert Jahre zurückliegt, nur in einer nahezu verschwindend
geringen Anzahl von Fällen auf, weil eben inzwischen Sachen, die einigermaßen eindeutig
erkennbarerweise vor z.B. dem Jahr 1800 erzeugt wurden, tatsächlich (wenigstens im Vergleich zu
jüngeren Sachen) enorm selten sind.
121
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
Problematisch wird es jedoch, wenn diese – ob nun explizit oder nur implizit vorhandene – Zeitgrenze
zu nahe an oder sogar in die Gegenwart rutscht. Denn je näher sie an die Gegenwart heranrutscht,
umso stärker verschiebt sich das Verhältnis von Fällen, in denen es zu keinem und in denen es zu
einem Konflikt zwischen den Erfordernissen des Denkmalschutzes und denen des gegenwärtigen
alltäglichen Lebens kommt, bis zu einem Punkt, an dem die Menge der entstehenden Konflikte nicht
mehr vertretbar ist.
Schlimmer noch, je näher sich die Zeitgrenze an die Gegenwart heranschiebt, desto schwieriger wird
es, auch nur die Illusion aufrecht zu erhalten, dass die Erhaltung einer Sache schon alleine deshalb im
öffentlichen Interesse gelegen ist, weil sie alt genug ist, um als archäologische Sache betrachtet
werden zu können. Denn nicht nur fallen dadurch immer mehr Sachen, die möglicherweise sogar noch
im (mehr oder minder) alltäglichen Gebrauch stehen – wie Urgroßmutters silbernes Tafelservice –
unter den archäologischen Denkmalbegriff, sondern es wird auch immer schwerer für den
Durchschnittsbürger, Sachen von sich aus als ausreichend alt zu erkennen, dass sie ein archäologisches
Denkmal sein könnten.
200 Jahre sind da noch einigermaßen möglich, und vielleicht sogar etwas weniger als das. Aber
spätestens, wenn man an der 100 Jahre-Grenze zu kratzen beginnt – also einer Grenze, die schon
innerhalb der Lebenszeit wenigstens mancher derzeit noch lebender Menschen liegt, wird es
problematisch. Erklären sie einmal einer 100-jährigen Ururgroßmutter, dass sie die schöne
Perlenkette, die sie zu ihrer Erstkommunion vor über 90 Jahren von ihrer damals ihrerseits 100jährigen Ururgroßmutter geschenkt bekommen hat, nicht mehr uneingeschränkt benutzen darf, weil
diese Perlenkette, weil sie 1890 erzeugt wurde, inzwischen ein archäologisches Denkmal sein könnte.
Gut, die 100 Jahre kann man vielleicht auch noch irgendwie argumentieren, weil wie viele so alte
Ururgroßmütter gibt es schon noch, die tatsächlich noch Sachen von vor 100 Jahren tagtäglich
gebrauchen und wer benutzt wirklich noch Urgroßmutters silbernes Tafelgeschirr? Aber spätestens
sobald man unter die 100 Jahre kommt, wird jede Verkürzung um ein weiteres Jahr zunehmend
kritischer. Weil mit jedem weiteren Jahr steigt die Wahrscheinlichkeit exponentiell, dass lebende
Menschen noch Sachen haben, die aufgrund ihres absoluten Alters bereits unter den Denkmalbegriff
fallen würden, die sie aber noch mehr oder minder alltäglich benutzen. Legt man als Grenze 50 Jahre
fest, hat bereits beinahe jeder lebende Mensch viele Sachen in seinem Eigentum, die vor dieser
Zeitgrenze erzeugt wurden, und aller Wahrscheinlichkeit sogar noch wenigstens einige davon in
tagtäglichem Gebrauch.
Spätestens an diesem Punkt (tatsächlich aber schon einiges davor) kollabiert die Illusion, dass eine
Sache „nur“ archäologisch sein muss, um ihre Erhaltung schon allein deshalb im öffentlichen Interesse
gelegen zu sein scheinen zu lassen, weil sie ja archäologisch ist. Spätestens an diesem Punkt steigt
auch die Zahl der Konflikte zwischen den Bedürfnissen der Denkmalpflege und des alltäglichen Lebens
der Gegenwart auf ein Maß, das gesellschaftlich sicher nicht mehr toleriert werden kann, weil es bei
nahezu jeder Handlung zu einem solchen Konflikt kommt.
Die zur Gegenwart offene Neuzeitarchäologie
Nun hat sich aber der archäologische Zeitgeist in Bezug auf die Frage, wie alt Sachen mindestens sein
müssen, ehe man sie als archäologische Sachen betrachten kann, massiv geändert. Es gibt heute an
der Universität Wien das Studium, das ich dort abgeschlossen habe, das der Ur- und Frühgeschichte,
nicht mehr und auch das Institut, an dem ich studiert habe, heißt heute – ebenso wie das Studium,
das das, das ich absolviert hatte, ersetzt hat – Urgeschichte und historische Archäologie. Unter
historischer Archäologie wird dabei auch nicht mehr nur die Neuzeitarchäologie bis zum Ende des 18.
Jh. v.Chr. verstanden, sondern tatsächlich auch die Archäologie des 20. (Theune-Vogt 2014), ja
122
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
potentiell sogar auch schon die des frühen 21. Jahrhunderts. An der Universität Wien endet das
Forschungsgebiet der archäologischen Wissenschaft inzwischen praktisch gestern bzw. jetzt. D.h.:
jetzt. Also jetzt! Sie verstehen schon, was ich meine.
Die absolute Zeitgrenze, wie alt eine Sache sein muss, um eine archäologische Quelle sein zu können,
hat sich also der Gegenwart inzwischen wenigstens soweit angenähert, dass sie deutlich unter die
soeben genannten 50 Jahre gerutscht ist; wenn sie nicht sogar schon direkt am sich mit dem Ticken
der Uhr im Sekundentakt voran bewegenden Ende der Gegenwart liegt (wie z.B. im Fall der
Müllhaldenarchäologie von Rathje & Murphy 2001, die sich einer tatsächlich zum Zeitpunkt der
Untersuchungen noch aktiven Müllhalde gewidmet hat). Wenn aber auch der Mist von gestern (bzw.
gerade eben) bereits archäologische Quelle sein kann, kann man nicht mehr ernsthaft behaupten,
dass schon allein die Tatsache, dass eine beliebige Sache Forschungsgegenstand der Archäologie sein
kann, für sich allein dafür genügt, dass eine Sache, bloß, weil sie Forschungsgegenstand der
Archäologie sein kann, ein schützenswertes Denkmal ist.
Dieses Problem kann man nun auch nicht dadurch lösen, dass man so tut, als ob man die
Neuzeitarchäologie anders behandeln könnte als andere Teilgebiete der Archäologie; wenigstens
nicht, wenn man die Neuzeitarchäologie nicht zu einer Archäologie 2. Klasse degradieren, sondern sie
als gleichberechtigtes Teilgebiet der archäologischen Wissenschaft betrachten will. Tatsächlich muss
man das sogar, wenigstens meiner Meinung nach, auch wenn mich persönlich die Neuzeitarchäologie
gar nicht besonders interessiert; nicht nur, weil die Forschung jener KollegInnen, die sich für die
Neuzeitarchäologie interessieren, ebenso wertvolle wissenschaftliche Forschung ist wie die der
KollegInnen, die sich so wie ich besonders für die Archäologie der späten Urgeschichte und frühesten
Frühgeschichte interessieren, sondern vor allem deshalb, weil, wenn man akzeptiert, dass ein
Teilbereich der Archäologie weniger wichtig ist als alle anderen, man eine Bedeutungshierarchie
verschiedener Teilbereiche der Archäologie prinzipiell als berechtigt anerkennt.
Erkennt man aber eine Bedeutungshierarchie verschiedener Teilbereiche der Archäologie prinzipiell
als berechtigt an, stellt sich die Frage, warum gerade die Neuzeitarchäologie als einziges Teilgebiet der
Archäologie denkmalpflegerisch weniger wichtig sein soll als beliebige andere ihrer Teilbereiche.
Damit öffnet man die Tür dafür, dass eine stärkere oder auch andere hierarchische Gliederung der
denkmalpflegerischen Bedeutung unterschiedlicher Teilgebiete der Archäologie argumentiert und
gegebenenfalls auch eingeführt wird; auch auf Basis anderer Gründe als nur des absoluten Alters. Wie
wäre es z.B. mit politisch erwünschter und unerwünschter archäologischer Denkmalpflege? Damit
kämpfen wir schon genug, ohne dass wir der Politik noch extra Munition für eine solche
Unterscheidung unaufgefordert liefern, weil wir ja ohnehin selbst anerkennen, dass nicht jede Art
archäologischer Forschung gleich und daher auch die Erhaltung der Quellen mancher Arten
archäologischer Forschung weniger wichtig ist als die anderer, wichtigerer, Arten von Archäologie.
Überhaupt stellt ja die Neuzeitarchäologie, vor allem die zur Gegenwart hin offene
Neuzeitarchäologie, die archäologische Denkmalpflege vor eine ganze Latte von Problemen, die unter
herkömmlichen Zugängen zur archäologischen Denkmalpflege – zu denen die Gleichsetzung von
archäologische Sache und denkmalwerter Sache gehört – absolut unlösbar sind. Ein wenigstens
ebenso großes Problem ist die schiere Masse von neuzeitlichen Gegenständen, die noch erhalten sind;
ein noch größeres, dass eine zur Gegenwart hin offene Neuzeitarchäologie eben keine beschränkte,
sich nicht regenerierende, Ressource ist, sondern eine, die stetig mit jeweils der Geschwindigkeit
anwächst, mit der neue Sachen produziert, gebraucht und deponiert werden.
Das größte Problem für die herkömmlich, d.h. mit unbestimmten rechtlichen Denkmalsbegriffen
operierende, Denkmalpflege ist aber, dass eine zur Gegenwart hin offene Neuzeitarchäologie in jedem
123
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
Fall die Menge von Sachen, die Quellen archäologischer Forschung sein könnten, zu einer mit der
Menge aller Sachen identen Menge macht; und es damit für Durchschnittsbürger zwingend unmöglich
macht, zwischen solchen Sachen, die aller Wahrscheinlichkeit nach ein Denkmal sind, und solchen, die
das aller Wahrscheinlichkeit nicht sind, auch nur annähernd verlässlich selbstständig unterscheiden
zu können. Damit fällt aber zwingend jedes Denkmalschutzgesetz in sich zusammen, das nach dem
deklaratorischen Prinzip funktionieren soll, wenn nicht wenigstens irgendein anderes Kriterium
hinzugenommen wird als nur das, dass eine Sache eine Quelle für die archäologische Wissenschaft
sein muss, damit deshalb ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung besteht.
Will man also nicht doch wieder eine absolute Zeitgrenze einziehen, mit der man die
Neuzeitarchäologie von der Gegenwart scharf abgrenzt – z.B. im Jahr 1900, weil sich das als absolute
Zeitgrenze über der schon oben genannten relativen Grenze von mehr als hundert Jahren gerade
ausgeht – und die Gegenwart (oder Moderne, oder wie auch immer man das dann nennen will) als
zwingend „nacharchäologische“ Epoche bestimmt und damit festlegt, dass Sachen, die aus ihr
stammen, keinesfalls archäologische Denkmale sein können; dann muss man irgendwelche anderen
Kriterien für die Bestimmung des Denkmalwertes von archäologischen Sachen heranziehen. Das
macht aber wiederum erforderlich, die Bestimmung des Denkmalwertes archäologischer Sachen
ebenfalls auf anderen Kriterien basieren zu lassen, als bloß darauf, dass sie ausreichend alt sind, damit
sie archäologisch wichtig sind; weil sonst schafft man nämlich erst Recht die archäologische
Zweiklassengesellschaft auf Basis von absolutem Alter, die es ja gerade aus denkmalpflegerischen
Gründen unabdingbar zu vermeiden gilt.
Das bedeutet zwar nicht unbedingt, dass absolutes Alter nicht dennoch eines der Kriterien sein kann,
das man bei der Bestimmung des Denkmalwertes archäologischer Sachen heranzieht; sei es als erste
Näherung für die mutmaßliche Seltenheit archäologischer Objekte, deren Denkmalwert bestimmt
werden soll – ältere Sachen sind nun einmal fast regelhaft seltener erhalten als jüngere –; oder sei es
aus anderen nachvollziehbaren Gründen, wie dass die Bedeutung materieller Hinterlassenschaften
der Vergangenheit umso mehr steigt, je weniger andere, z.B. schriftliche, bildliche, etc. Quellen
vorhanden sind, und das absolute Alter einer Sache einen maßgeblichen Einfluss auf die
Wahrscheinlichkeit haben kann, ob es über diese konkrete Sache oder wenigstens die Kategorie von
Sachen, der diese angehört, ausreichend viele Quellen anderer Art als sie selbst gibt. Aber eine als
gleichwertiges Teilgebiet der Archäologie betrachtete, zur Gegenwart offene, Neuzeitarchäologie
macht es jedenfalls unmöglich, sich für die Bestimmung des Denkmalwertes einer archäologischen
Sache rein auf ein bestimmtes Alter zu stützen.
Nachdem die heutige Neuzeitarchäologie aber nun einmal zur Gegenwart hin offen ist, bedeutet das,
dass man an die Bestimmung des Denkmalwerts bzw. der Denkmalschutzwürdigkeit archäologischer
Sachen anders herangehen muss, als wir das jetzt seit Anbeginn der archäologischen Denkmalpflege
gewohnt sind. Man muss also innerfachlich – und zwar nicht nur in der Denkmalpflege, die ja schon
immer auch andere Kriterien als nur das absolute Alter einer Sache bei der Bestimmung ihrer
Denkmalschutzwürdigkeit herangezogen hat und auch heranziehen musste, sondern auch in der
archäologischen Denkmalpflege und der Archäologie als Wissenschaft selbst – darüber zu reden
beginnen, was denn nun eine archäologische Sache so bedeutend macht, dass ihr Verlust so großen
Schaden erzeugen würde, dass dies dem öffentlichen Interesse tatsächlich so abträglich wäre, dass
das den Aufwand, der für die unveränderte Erhaltung dieser Sache in situ (oder wenigstens ihre
Erhaltung durch Dokumentation) aufgebracht werden muss, auch tatsächlich rechtfertigt.
124
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Was macht eine archäologische Sache bedeutend?
Die Archäologie ist in den letzten Jahrzehnten an die Frage, was eine archäologische Sache bedeutend
macht und, noch wichtiger, bedeutender macht als andere archäologische Sachen, praktisch
überhaupt nicht und wenn doch dann nur höchst indirekt herangegangen. Am liebsten war und ist es
uns seit langem, einfach so zu tun, als ob alle archäologischen Sachen gleichermaßen bedeutend
wären. Das war zwar nicht immer so – früher hatte man auch innerhalb der Archäologie wenig
Hemmungen, zwischen wichtigeren und unwichtigeren archäologischen Sachen zu unterscheiden, z.B.
eben auf Basis von solchen Kriterien wie Erhaltungszustand, aber auch künstlerischem Wert und
Ausstellungstauglichkeit einer Sache, etc. (siehe z.B. Nebehay 1993, 28-30) – aber ist auch nicht
gänzlich grundlos so.
Der Grund, warum wir uns heute viel schwerer tun als unsere disziplinären Vorfahren, zwischen
bedeutenden und weniger bedeutenden archäologischen Sachen zu unterscheiden, liegt nicht (nur,
wenn auch teilweise sehr wohl) daran, dass wir insgesamt entscheidungsunwilliger geworden sind als
diese. Zwar lässt sich durchaus argumentieren, dass wir tatsächlich entscheidungsunwilliger geworden
sind. Aber das ist auch überhaupt kein Wunder: schließlich trichtern wir uns seit über einem
Jahrhundert ständig gegenseitig ein, dass alle Archäologie stets durch Zerstörung gefährdet, aber
gleichzeitig eine begrenzte, sich nicht regenerierende Ressource ist; eine Ressource also, von der also
zwingend immer weniger da ist, je mehr Jahre und Jahrzehnte vergehen. Dass dadurch jede einzelne
Sache, die als Archäologie betrachtet wird, in der innerfachlichen Wahrnehmung stetig zunehmend
kostbarer erscheinen muss – selbst wenn de facto die Zahl der Sachen, die als Archäologie betrachtet
werden, durch die zunehmende Ausweitung der Forschungsinteressen der Archäologie immer größer
geworden ist; d.h. es zunehmend mehr als archäologische Sachen betrachtete Dinge gibt, nicht
weniger – ist selbstverständlich. Das muss langfristig gesehen eine Auswirkung darauf haben, wie
schwer dem Einzelnen die Entscheidung fällt, einer archäologischen Sache geringeren Wert
zuzuweisen als einer anderen. Erhöhte Entscheidungsunwilligkeit folgt also zwingend aus unserer
fachlichen Selbstdisziplinierung.
Kleine Anfänge, große Fortschritte
Noch wichtiger ist es aber, dass die Archäologie im Vergleich zu ihrer Anfangszeit (siehe dazu z.B.
Trigger 1996) eine vielfältigere Wissenschaft mit ebenso vielfältigeren Forschungsinteressen,
Methoden, Zielen und auch selbstzugewiesen Aufgaben geworden ist.
Anfänglich ging es der Archäologie als Wissenschaft in erster Linie um klassifikatorisch-ordnende
Fragen, im Prinzip den Fragen nach den 3 großen W, die bis heute eine der wesentlichsten
Grundfragen jeder archäologischen Forschung sind: die Fragen „Was ist die Sache?“, „Wann wurde
sie hergestellt?“ und „Wo kommt sie her (bzw. gehäuft vor)?“. Zusätzlich gesellten sich dazu recht
rasch kulturgeschichtliche Fragen, die mehr oder minder explizit dem Zweck dienten, die
Geschichtsschreibung in Zeiträume (zurück) fortsetzen zu können, aus denen wenige oder gar keine
historischen Quellen im engeren Sinn (also schriftliche Nachrichten) erhalten sind, und – damit mehr
oder minder direkt verbunden – entwicklungsgeschichtliche Fragen; d.h. letztendlich eine
Kombination dieser drei Fragen nach dem was hat sich wann in der Zeit zu etwas anderem geändert
und/oder wo im Raum verbreitet (oder ist seine räumliche Verbreitung geschrumpft). Anfänglich
stand, als praktisch einzige Forschungsmethode zur Beantwortung dieser Fragen, nur die optische
(bzw. vielleicht auch noch haptische) Inspektion der Sache zur Verfügung, d.h. man war auch in Bezug
auf die verfügbaren Untersuchungsmethoden recht eng beschränkt.
Ziel des ganzen Unterfangens war es schließlich in der Anfangszeit unserer Disziplin, nicht nur das
wissenschaftliche Wissen zu vergrößern (ein wertvolles Ziel an sich), sondern dieses neu geschaffene
125
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
Wissen dann auch der breiteren Öffentlichkeit anschaulich zu vermitteln. Dafür standen im Prinzip
aber auch nur die Möglichkeiten der druckschriftlichen Veröffentlichung der Forschungsergebnisse
und die Präsentation im Kontext einer musealen Ausstellung zur Verfügung; die Möglichkeiten waren
also auch in dieser Beziehung eng beschränkt, vor allem, da es nur eine relativ überschaubare Anzahl
von Museen mit dafür geeigneten Sammlungen gab und die druckschriftliche Verbreitung
vergleichsweise viel Geld kostete.
Das machte es einigermaßen leicht, zwischen archäologischen Sachen zu unterscheiden, die
bedeutend und die weniger bedeutend erschienen: bedeutend war, was sich entweder zur
Beantwortung einer der drei W-Fragen (ob nun für sich allein oder in Kombination) oder als
Ausstellungsstück besonders zu eignen schien. Das waren in erster Linie schöne, aussagekräftige und
gut erhaltene Funde, denen daher der mit Abstand größte Wert beigemessen wurde; sowie noch
obertägig als von Menschen geschaffene Strukturen erkennbare Überreste, die sich wenigstens der
gebildete Spaziergänger in situ anschauen konnte. Schlecht erhaltene Fragmente von durch und durch
gewöhnlichen Sachen, sofern sie nicht zur weiteren Verfeinerung von Ordnungsschemata geeignet
erschienen; ebenso wie unbewegliche Sachen im Boden (wie Bodenverfärbungen,
Schichtablagerungen, aber sogar auch Mauerfundamente und dergleichen, also praktisch all das, was
wir heute als archäologische Befunde betrachten), die man bestenfalls im Feld irgendwie
dokumentieren konnte, aber ohnehin Dritten kaum zugänglich machen konnte (wenn diese nicht
zufälligerweise, während man sie ausgrub, auf der Grabung vorbeikamen); und oft auch unbearbeitete
(Tier- und Menschen-) Knochenfunde, verkohlte Überreste von organischem Material und andere aus
der Perspektive der Zeit wissenschaftlich nicht aussagekräftige Objekte; erschienen vergleichsweise
unbedeutend. Daher bewertete man sie entsprechend, und konnte somit einigermaßen leicht
unterschiedlichen Objekten unterschiedliche Denkmalschutzwürdigkeit zuweisen.
In den letzten Jahrzehnten sind nun aber zahllose neue Forschungsinteressensbereiche erschlossen
und wenigstens zahlreiche, wenn nicht noch viel zahllosere, neue Forschungsmethoden verfügbar
geworden, durch die es zu einer nahezu unendlichen Verbreiterung der wissenschaftlichen
archäologischen Forschungsmöglichkeiten gekommen ist. So zum Beispiel gibt es inzwischen eine
archäologische Sozialforschung, es wird archäologisch Mentalitätsgeschichte zu schreiben versucht,
und vieles andere mehr; und man kann heute – und sei es nur dank gut entwickelter und sich stetig
neu entwickelnder, ausgefeilter naturwissenschaftlicher Methoden – auch aus Sachen, die noch vor
100 Jahren als vollkommen unwichtig erschienen sind, eventuell relevante, wenn nicht sogar
maßgebliche wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen. Ein kleines Stück Holzkohle oder gar ein
Knochenfragment erlaubt heute dank Radiokarbondatierung oft eine genauere zeitliche Einordnung
einer bestimmten Ablagerung (und damit auch der in ihr enthaltenen Kleinfunde) als das eine noch so
ausgefeilte typo-chronologische Auswertung der in ihr enthaltenen Kleinfunde kann. Ein völlig
unscheinbarer Scherben kann nach molekularen Markern untersucht werden, um festzustellen,
welche organischen Substanzen sich irgendwann einmal in dem Gefäß, von dem er stammt, befunden
haben. Jedes Jahr kommen neue Methoden dazu, mit denen man potentiell Fragen beantworten kann,
die man sich, bis man von einer neuen Methode erfuhr, nicht einmal vorstellen konnte.
Ähnlich ist es mit den Zielen und Aufgaben. Zwar ist die Verfassung von Druckschriften und die
museale Vermittlung immer noch enorm wichtig; aber wir haben nun auch Aufgaben in der
Denkmalpflege; wollen zum politischen und weiteren gesellschaftlichen Diskurs zu allen möglichen
Fragen beitragen (wenigstens manchmal, selbst wenn es uns meistens nur eher schlecht als recht
gelingt); sollen Bürger an unserer Forschung beteiligen oder diesen sogar bei deren eigener Forschung
helfen; und so weiter und so fort. Wir können und müssen sogar viele unterschiedliche Medien
verwenden, die sehr unterschiedliche Möglichkeiten zur Informationsweitergabe bieten; eine
126
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Informationsweitergabe, die nicht nur an einen bestimmten Abnehmerkreis – das
„Bildungsbürgertum“ – gerichtet ist, sondern an viele verschiedene Abnehmerkreise, die die von uns
gelieferten Informationen zu vielen verschiedenen Zwecken verwenden wollen und können; seien es
Baufirmen, die von uns gelieferte Informationen gut dafür brauchen können, um sich Baukosten und
vor allem -verzögerungen zu ersparen; oder seien es Bevölkerungsgruppen mit spezifischen
Interessen, wie z.B. neuheidnische Gruppen, die aus den von uns gelieferten Informationen Nutzen
für ihr spirituelles Wohlbefinden ziehen (wollen).
Selbst wenn man viele dieser Aspekte außer Acht lässt, schlicht und einfach, weil jeder Einzelne gar
nicht alle berücksichtigen kann – und sich z.B. überhaupt nicht darum kümmert, was irgendwelche
Neuheiden von einem wollen könnten – führt diese Explosion von verfügbaren Möglichkeiten
dennoch zwingend dazu, dass es unendlich viel schwieriger wird (bzw. geworden ist), unterschiedliche
archäologische Sachen in Bezug auf ihre Bedeutung auch nur relativ zueinander zu bewerten;
geschweige denn mehr oder minder absolut zu sagen, ob eine ganz bestimmte archäologische Sache,
deren Bedeutung man beurteilen soll, nun derart bedeutend ist, dass ihre Erhaltung dieser Bedeutung
wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist oder nicht. Woher soll das denn bitte ein Mensch mit
beschränktem Wissen und beschränkten Fähigkeiten zur Vorhersage der Zukunft, selbst wenn er ein
wissenschaftlicher Fachmann für Archäologie ist, wissen und daher einigermaßen verlässlich
entscheiden können?
Es ist also tatsächlich weit schwieriger geworden, die Entscheidung zu treffen, was nun eine besonders
bedeutende archäologische Sache ist, die man möglichst unverändert in situ (oder auch nur durch
Dokumentation) für die Zukunft erhalten sollte; wenigstens so lange man auf traditionelle Weise an
die Archäologie und die Beurteilung der Bedeutung archäologischer Sachen und Sachgesamtheiten
herangeht (dazu noch gleich mehr).
Gegenwartsvergessene Besessenheit mit der (unbestimmten) Zukunft
Schließlich kommt noch das schon von Eckart Rüsch (2004) kritisierte Problem der
Gegenwartsvergessenheit und der damit verbundenen Besessenheit der Denkmalpflege insgesamt,
und besonders der archäologischen Denkmalpflege, mit der Erhaltung von Denkmalen für „zukünftige
Generationen“ (Europarat 1992) bzw. genereller einer ebenso wie unsere zentralen Rechtsbegriffe
völlig unbestimmten Zukunft (auch dazu später noch mehr, Seiten 161-182) hinzu.
Die Vorstellung, dass wir „die Vergangenheit“ für „die Zukunft“ erhalten, ist sowohl in der
Denkmalpflege als zentrales Element des sogenannten autorisierten Denkmaldiskurses (Smith 2006,
29-34) als auch, daraus direkt abgeleitet, in der Archäologie ein ganz zentrales Konzept. Smith hat
dazu ja bereits ganz richtig angemerkt, dass – wie auch die Beispiele der in dieser Studie schon
diskutierten unbestimmten Rechtsbegriffe und der sich aus der Materie des Denkmalschutzes
angeblich ergebenden „Besonderheiten“, durch die Fachexperten eine essentielle Rolle im Prozess der
Bestimmung der Frage, was bedeutende Denkmale sind, zugewiesen wird – diese Begrifflichkeiten
zwar bewusst vage gehalten sind, aber gleichzeitig durch die Voranstellung des bestimmten Artikels
ebenso bewusst den Eindruck vermitteln, als würde es sich bei ihnen jeweils um ganz konkrete, im
Kontext der Vergangenheit auch materielle, real existierende Sache und nicht nur ein abstraktes
Konzept handeln (Smith 2006, 29).
Dadurch, dass man in der Denkmalpflege und Archäologie die eigene Rolle als der Erhaltung „der“
bestimmt unbestimmten „Vergangenheit“ für „die“ ebenso bestimmt unbestimmte „Zukunft“
gewidmet konzeptualisiert, schließt man aber, wie Rüsch (2004, 2-3) und Smith (2006, 29)
übereinstimmend und ganz richtig bemerkt haben, gerade die Gegenwart völlig aus dem
Denkmalschutzprozess aus; überspringt sie sozusagen. Rüsch spricht sogar ganz explizit davon, dass
127
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
die „Gegenwarts-Skepsis des Denkmalpflegers […] zu den Grund-Mentalitäten unserer Zunft in den
letzten Jahrzehnten“ (Rüsch 2004, 2) gehören würde.
Diese von Rüsch attestierte Gegenwarts-Skepsis scheint mir tatsächlich so tief in die fachlichen
Mentalitäten von moderner Denkmalpflege und Archäologie eingedrungen zu sein, dass wir – ob nun
Denkmalpfleger oder Archäologen – tatsächlich auch ganz massiv unserem eigenen Urteil bzw.
unserer Urteilsfähigkeit misstrauen; wenigstens als Fachgemeinschaft, wenn nicht sogar auch ganz
konkret als Individuum. Kombiniert mit dem grundlegend positivistischen Zugang, der ebenfalls
sowohl für Archäologie (z.B. Karl 2010) als auch, daraus abgeleitet, für wenigstens die archäologische
Denkmalpflege (z.B. Karl 2016c) charakteristisch ist, und der sich daraus zwingend ergebenden Angst
davor, Fehler zu machen (Karl 2010, 74-85), führt das nahezu zwingend dazu, dass Entscheidungen
möglichst nicht jetzt getroffen, sondern in eine unbestimmte Zukunft vertagt werden, in der sie
jemand anderer als der, der sie in der Gegenwart treffen müsste, treffen soll.
Im Bereich der musealen Sammlungstätigkeit führt genau diese Angst – ich könnte ja etwas falsch als
unwichtig einordnen und der Vernichtung anheimfallen lassen, was in der Zukunft von jemand
anderem für Untersuchungen mit Methoden, die wir heute noch gar nicht kennen, gebraucht werden
wird – zum archäologischen Messie-Syndrom (Karl 2016c), d.h. den überquellenden
Sammlungsdepots, die wir inzwischen nahezu überall im deutschen Sprachraum haben. In der
archäologischen Denkmalpflege ganz allgemein zeigt sich dasselbe Problem hingegen daran, dass wir
unterschiedlichen archäologischen Dingen ebenso keine relativ zueinander und absolut
unterschiedlichen Bedeutung zumessen können bzw. wollen – ich könnte ja etwas falsch als unwichtig
beurteilen und der Vernichtung anheimfallen lassen, was in der Zukunft noch jemand in situ mit den
besseren Methoden der Zukunft erforschen möchte – und stattdessen durch die „totale Erhaltung“
aller als archäologisch identifizierten Sachen in unserer jeweiligen Gegenwart die Entscheidung, was
aufgegeben werden kann und auch muss, um die verfügbaren Ressourcen auf die Erhaltung dessen
konzentrieren zu können, was tatsächlich für eine bestimmte Zukunft aus konkreten Gründen erhalten
werden soll, auf eine unbestimmte Zukunft vertagt wird.
Rüsch hat genau dieses Problem mit aller Deutlichkeit ausgedrückt, wenn er schreibt:
„Es gibt noch eine andere Seite der von mir konstatierten Gegenwartsvergessenheit der
Denkmalpfleger. Ich nenne das die Zukunfts-Entsorgung. Man kann sich des schwierigen
Umgangs mit den Denkmalen auch dadurch entledigen, dass man verantwortliche
Entscheidungen in eine unbestimmte Zukunft vertagt. Das geschieht, wenn die Einsicht aus dem
Auge verloren wird, dass Denkmalpflege von Anfang bis Ende mit interessierter Wertung,
Umwertung und Verwertung zu tun hat. Immer dann, wenn Denkmalpfleger so tun, als gäbe es
diese Wertungen nicht, dann vertagen sie ihre Antworten, oder eigentlich genauer: ihre VerAntwortung. Immer in der (übrigens höchst spekulativen) Hoffnung, dass die künftigen
Generationen erfreut und dankbar sein würden, dass wir ihnen diese Art von Denkmalen
vorgehalten haben. Wem der Mut zu abschließenden Denkmal-Bewertungen und zu
Eingriffsentscheidungen fehlt, der zieht sich auf die einfachste Position zurück, nämlich
Bewertungsfragen offen zu lassen, nicht einzugreifen und am liebsten gar nichts anzurühren.
Mit einer solchen Haltung ist, so glaubt mancher Denkmalpfleger blauäugig, wenigstens nichts
falsch zu machen. Auch brauche man so als Denkmalpfleger keine Kollegen-Schelte zu fürchten,
warum man denn diese oder jene Denkmalbedeutung drangegeben habe. Untätigkeit als
ethischer Auftrag des Denkmalpflegers? Sie sehen: In der Zukunfts-Entsorgung von Denkmalen
ähneln sich Konservierung und Entscheidungsschwäche zum Verwechseln...“ (Rüsch 2004, 4).
128
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Aus genau diesem Grund mag insbesondere die archäologische Denkmalpflege die juristischen Black
Boxes so sehr, die man, ob nun bewusst oder unterbewusst damit generiert hat, dass man die
Legaldefinitionen der relevanten Denkmalbegriffe maximal unbestimmt gestaltet hat, aber
gleichzeitig die Gesetze so gestaltet hat, dass sie nach dem deklaratorischen Prinzip zu funktionieren
scheinen: so lange etwas in der Black Box ist, braucht nämlich die staatliche Denkmalpflege keine
Entscheidung zu treffen, ob die konkret betroffene Sache eine solche ist, die so bedeutend ist, dass
ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist oder nicht; sondern kann eben diese Entscheidung
in eine unbestimmte Zukunft vertagen. Dadurch, dass das Gesetz vorgeblich nach dem
deklaratorischen Prinzip funktioniert, hat man diese Entscheidung, wenn sie denn doch getroffen
werden muss, weil irgendjemand irgendeine Handlung setzen will, die ein sich noch in dieser
rechtlichen Black Box befindliches, mögliches Denkmal betreffen dürfte oder sogar nur könnte,
zusätzlich noch dazu auf den Handlungen Planenden selbst abgeschoben, der – weil er ja das Gesetz
selbst korrekt anwenden muss – für sich zu entscheiden hat, ob er seine geplante Handlung setzen
darf oder nicht.
Die staatlichen Denkmalpfleger hingegen können abwarten, welche Entscheidung er trifft, um danach
retrospektiv bestimmen zu können, ob die Entscheidung des Handelnden eine war, die ihnen recht
war (weil sie nichts betroffen hat, was der zuständige Denkmalpfleger als bedeutendes Denkmal
betrachtet) oder nicht (weil sie etwas betroffen hat, dass er als bedeutendes Denkmal betrachtet);
und dann jene Handelnden, die sich aus retrospektiver Sicht des Denkmalpflegers falsch entschieden
haben, zur Abschreckung Anderer bestrafen. Damit kann der zuständige Denkmalpfleger selbst nie
„schuld“ daran sein, dass er irgendeine „falsche“ Entscheidung getroffen hat, weil er ja nie irgendeine
Vorab-Entscheidung getroffen hat; sondern sich vielmehr des Applauses seiner Kollegen sicher sein,
wenn er wieder einmal erfolgreich einen bösen Rechtsbrecher zur Strecke gebracht hat, der
schuldhaft ein bedeutendes Denkmal angetastet hat.
Das ist für die Denkmalpfleger sehr bequem, aber dummerweise eine tatsächlich krankhafte Störung
des funktionalen Sozialverhaltens der archäologischen Denkmalpflege: schließlich hat der
Gesetzgeber, wenigstens der österreichische, der das ja auch ganz explizit in den Erläuterungen zur
Regierungsvorlage zur letzten großen DMSG-Novelle von 1999 festgehalten hat (RV 1999, 39), durch
das Denkmalschutzgesetz das BDA (schon immer) damit beauftragt (gehabt), genau diese
Entscheidungen zu treffen. Die gesellschaftliche – d.h. soziale – Funktion der archäologischen
Denkmalpflege ist es also, genau die Entscheidungen zu treffen, die sie gerade nicht treffen will und
gegen die sie sich auch mit Händen und Füßen wehrt. Sie ist entscheidungsschwach,
entscheidungsunfähig und vor allem entscheidungsunwillig; und beschäftigt sich daher auch erst gar
nicht mit der Entwicklung nachvollziehbarer Kriterien, anhand derer sie bestimmen könnte, welche
archäologischen Sachen von solcher Bedeutung sind, dass man sie im öffentlichen Interesse erhalten
muss; und welche das nicht sind. Und tatsächlich hat ja auch der Rechnungshof das BDA zuletzt unter
anderem insbesondere dafür kritisiert, dass es keinen nachvollziehbaren Kriterienkatalog hat, anhand
dessen die Bedeutung einer möglicherweise denkmalschutzwürdigen Sache bestimmt werden kann
(RH 2017, 41-7, insbesondere 46-7).
Das positivistische Bedeutungsbeurteilungsproblem
Am Weg zu einer Lösung des Problems, wie man die relative Bedeutung archäologischer Sachen
zueinander bestimmen kann, steht uns derzeit in der archäologischen Denkmalpflege meiner Meinung
nach aber insbesondere als Hindernis im Weg, wie wir an die Archäologie ganz allgemein und an
archäologische Sachen traditionell herangehen: nämlich letztendlich auf positivistischem Weg.
129
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
Unsere Disziplin ist traditionell generell stark positivistisch geprägt (siehe z.B. Atzbach 1998);
insbesondere in Österreich, wo sie ganz direkt und unmittelbar durch den im späten 19. und frühen
20. Jahrhundert – der Zeit der Entstehung insbesondere der Ur- und Frühgeschichte, der in Hinblick
auf die österreichische archäologische Denkmalpflege mit Abstand relevantesten archäologischen
Disziplin – dominanten Neo- bzw. logischen Positivismus, der insbesondere mit dem sogenannten
„Wiener Kreis“ verbunden wird, geprägt wurde (Karl 2010; Karl 2016d). Wie schon andere (z.B.
Rączkowski 2011) und auch ich selbst (Karl 2016d) ausgeführt haben, neigt der Positivismus sehr stark
zur Selbstreproduktion über Forschergenerationen hinweg, weil die ihm eigene Art der
Autoritätszuweisung an Individuen und die sich aus ihm logisch zwingend ergebende Lehr- und
Lernmethode inklusive der Überprüfung bzw. Anerkennung des Lernerfolges diese extrem stark
begünstigen. Wie jeder grundlegende epistemologische Zugang zum wissenschaftlichen
Erkenntnisgewinn prägt auch der Positivismus ganz stark die Sicht der Wissenschaft (und der in ihr
tätigen Wissenschafter, wenigstens derer im disziplinären mainstream) auf ihre Quellen und darauf,
wie ihre Bedeutung relativ zueinander bewertet wird bzw. zu bewerten ist. Es ist also gar kein Wunder,
dass wir unsere Quellen auf ganz bestimmte Art bewerten und betrachten, ebenso wenig wie es (wie
schon oben erwähnt) ein Wunder ist, dass wir unerträgliche Angst davor haben, Fehler zu machen,
weil das alles zwingend aus dem erkenntnislogischen Zugang folgt, mit dem wir an die Erforschung
unseres Fachgebiets herangehen.
Das erkenntnislogisch-methodische Programm von Moriz Hoernes
Wie wir an archäologische wissenschaftliche Erkenntnis herangehen sollen, hat bereits Moriz Hoernes,
der Gründungsvater und erster Ordinarius der Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien, der
auch Mitglied der k.k. Zentralkommission (der Vorgängerorganisation des BDA), langjährig als Beamter
in der prähistorischen Abteilung des NHM tätig (Brückler & Niemeth 2001, 112) und generell eine
Zentralfigur in der frühen österreichischen professionellen Archäologie war, in seiner 1892 an der
Universität Wien angenommenen Habilitationsschrift (Hoernes 1892), mit der er effektiv die Ur- und
Frühgeschichtswissenschaft in der k.k. Monarchie begründete, programmatisch festgesetzt. Hoernes
schreibt darin im einleitenden, wenn man das so nennen will methodisch-theoretischen, Teil, dass der
„...Anfang und Fortschritt...“ in der Ur- und Frühgeschichte in „...der Beobachtung nackter Tatsachen,
im Aneinanderreihen der einzelnen an sich geringfügigen Wahrnehmungen zu unerschütterlichen
Erkenntnissen liegt...“ (Hoernes 1892, 43). Er beruft sich dafür auch auf andere, insbesondere den
führenden – aber eigentlich noch als Dilettant agierenden – deutschen Urgeschichtswissenschafter
seiner Zeit, Rudolf Virchow, und den allgemeineren weiteren Fachkonsens seiner Zeit (der in Hoernes
Augen seit etwa 1860 bestand), den er in Hinblick auf den theoretisch-methodischen Zugang zu
archäologischem Erkenntnisgewinn wie folgt zusammenfasst:
„Man proklamierte mit Entschiedenheit die Geltung der induktiven – d.h. bei emsiger
Detailarbeit zuwartenden, aller subjektiven, von oben herab generalisierenden Einflüsse
entkleideten – naturwissenschaftlichen Methode für dieses neue Wissensgebiet.“ (Hoernes
1892, 36; Hervorhebungen: RK).
Dieses programmatisch als absolut grundlegend vorgeschriebene Gebot-Verbot-Paar erzwingt nun
eine ganz bestimmte Sichtweise darauf, wie archäologische Erkenntnis gewonnen wird bzw. werden
muss; und erzwingt dadurch ebenfalls eine ganz bestimmte Sichtweise darauf, wie der archäologische
(Quellen- und damit auch Denkmal-) Wert konkreter archäologischer Sachen zu beurteilen ist. Bei
einem Versuch der Erkenntnisgewinnung ist nämlich unter diesem Programm auf ganz konkrete Weise
vorzugehen (Abb. 7, Abb. 8):
130
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Der Erkenntnisprozess ist nach Hoernes (1892, 36) ein gerichteter Prozess, der zwingend auf der Ebene
der konkreten, einzelnen Sachen beginnt. Diese einzelnen, konkreten Sachen sind vorerst einmal,
jeweils für sich betrachtet, ganz unwichtig (Abb. 7). Jede davon muss ganz genau – d.h. detailliert –
betrachtet bzw. beobachtet werden, um ihre essentiellen Eigenschaften erkennen und diese so exakt
als möglich beschreiben zu können (Karl 2016d, 95-101). So z.B. kann sich der auf dieser Basis
arbeitende hypothetische Forscher einen Schwan anschauen, um zu sehen, was für eine Farbe dieser
hat, dann den nächsten, usw.
Hat man die essentiellen Eigenschaften der untersuchten Sache korrekt erkannt und beschrieben,
kann man mittels eines induktiven Schlusses – der, wie schon David Hume (2000, 61-5, 89-97) gezeigt
hat, zwingend der Vollständigkeit der Beobachtung aller relevanten Sachen bedarf, um auch wirklich
logisch schlüssig zu sein – eine allgemeingültige Erkenntnis gewinnen, die man auch in Form eines
wahren Satzes ausdrücken kann. Z.B. kann man, wenn man alle europäischen Schwäne betrachtet und
korrekt beobachtet hat, dass diese alle weiß sind, den wahren Satz „europäische Schwäne sind weiß“
daraus ableiten. Dies ist allerdings noch eine nur wenig wichtige Detailerkenntnis, weil sie sagt ja nur
etwas über europäische Schwäne, aber noch nicht über alle Schwäne, aus.
Daher muss man den oben genannten Prozess – im Fall der hier als Beispiel herangezogenen Schwäne
– für alle Kontinente wiederholen, um für jeden Kontinent bestimmen zu können, was dort für
Schwäne zutrifft. Tut man das, stellt man unweigerlich fest, dass es in Australien auch schwarze
Schwäne gibt. Daraus kann man – jetzt grob für das Beispiel vereinfacht – induktiv den wahren Satz
„australische Schwäne sind schwarz“ ableiten und hat somit eine weitere, immer noch für sich
betrachtet, nur wenig wichtige Detailerkenntnis gewonnen.
Hat man schließlich alle relevanten Detailerkenntnisse auf diesem Weg gewonnen, kann man
schlussendlich – und bis dahin muss man auch abwarten, sonst kann man ja auf induktivem Weg keine
wahre Erkenntnis gewinnen – die Wahrheitserkenntnis „Alle Schwäne sind entweder weiß oder
schwarz“ gewinnen. Dies ist nun eine sehr bedeutende Erkenntnis, weil man kennt ja nun die
allgemeine Wahrheit über die Farbe aller Schwäne.
Abb. 7: Gerichteter ur- und frühgeschichtswissenschaftlicher Erkenntnisprozess nach Hoernes (1892, 26). Grün: für sich
gesehen besonders bedeutend; Gelb: für sich gesehen bedeutend; Rot: für sich gesehen unbedeutend.
Die Folgen von Hoernes‘ Programm für die Denkmalwertbeurteilung
Nun ist es aber natürlich so, dass sich der Wissenschafter, der diese Wahrheitserkenntnis über die
Farbe von Schwänen gewinnen wollte, selbstverständlich nicht nur alle Schwäne anschauen musste,
131
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
sondern tatsächlich (wenigstens) alle Sachen, die möglicherweise Schwäne sein könnten, also
wenigstens alle Vögel, wenn nicht sogar alle Tiere. Schließlich kann er, wenn er sich nicht alle Sachen
angeschaut hat, die möglicherweise Schwäne sein könnten, irgendwelche Sachen übersehen haben,
die tatsächlich Schwäne sind, aber von irgendjemandem fälschlich als Nicht-Schwäne bezeichnet
wurden; z.B. weil sie eine andere Farbe haben als andere Schwäne. Wenn er aber z.B. aufgrund ihrer
anderen Farbe von einem Dritten falsch als Nicht-Schwäne bezeichneten Schwäne übersehen hat,
wäre seine Aussage über die Farbe aller Schwäne – wenn auch nur irrtümlich – falsch und daher nicht
wahr; und somit keine Erkenntnis. Also muss er, um diese Fehlermöglichkeit ausschließen zu können,
zwingend auch alle Sachen angeschaut haben, die nur Schwäne sein könnten; auch wenn sich im
Endeffekt herausstellt, dass keine davon tatsächlich ein Schwan war.
Damit ist die Bestimmung des Quellenwertes jeder konkreten, einzelnen Sache – und damit, wenn
man statt Schwänen archäologische Sachen in das obige Beispiel einsetzt, auch des Denkmalwerts
jeder konkreten, einzelnen archäologischen Sache – aber immer erst dann möglich, wenn man alle
wissenschaftlichen Fragen, die man mit dieser konkreten Sache tatsächlich beantworten kann (und
sei es auch nur hypothetischerweise), auch schon tatsächlich beantwortet hat. Denn ob eine konkrete
Sache, jetzt nicht mehr für sich allein, sondern in Verbindung mit zahllosen anderen untersuchten
Sachen betrachtet, bedeutend war oder nicht, hängt ja letztendlich (nur) davon ab, ob man aus ihrer
korrekten Beobachtung und Beschreibung in Verbindung mit zahllosen anderen ebenso korrekten
Beobachtungen und Beschreibungen anderer, gleichartiger Sachen, wirklich bedeutende
wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen konnte oder nicht; und das kann man erst wissen, wenn man
diese Erkenntnisse tatsächlich schon gewonnen hat.
Abb. 8: Retrospektiver Prozess der Quellen- und Denkmalwertbestimmung archäologischer Sachen nach Hoernes (1892, 36).
Grün: in Hinblick auf die angestrebte Erkenntnis in Verbindung mit anderen Sachen gesehen besonders bedeutend; Rot: in
Hinblick auf die angestrebte Erkenntnis unbedeutend.
Der wissenschaftliche Quellen- und somit auch der Denkmalwert einer archäologischen Sache lässt
sich somit unter dieser programmatischen Betrachtungsweise letztendlich immer nur retrospektiv
bestimmen (Abb. 8). So lange man nicht weiß, ob eine bestimmte, konkrete Sache für die
Beantwortung einer bedeutenden archäologischen Forschungsfrage wichtig ist, kann man auch nicht
wissen, ob sie – zwar nicht für sich, aber in ihrer essentiellen Verbindung mit anderen gleichartigen
Sachen – einen besonders bedeutenden Wert als Quelle und Denkmal hat. Nachdem man aber nicht
vorab wissen kann, ob eine konkrete Sache nicht – wenn man sie mit einer derzeit noch nicht einmal
angedachten, aber in der Zukunft möglicherweise entwickelt werdenden, neuen und besseren
wissenschaftlichen Forschungsmethode untersucht, mit der man Sachen herausfinden kann, die man
132
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
sich jetzt noch nicht einmal vorstellen kann – doch noch irgendwann einmal für die Beantwortung
irgendeiner derzeit noch nicht einmal angedachten wissenschaftlichen Forschungsfrage bedeutend
werden könnte, kann man die Frage, ob eine Sache tatsächlich so bedeutend ist, dass man sie „für die
Erforschung durch künftige Generationen“ (Europarat 1992) erhalten muss, logisch zwingend immer
erst dann und dann immer nur positiv beantworten, wenn sich schon herausgestellt hat, dass sie
tatsächlich für die Beantwortung wenigstens einer ganz konkreten wissenschaftlichen
Forschungsfrage bedeutend gewesen ist.
Die umgekehrte, d.h. negative Antwort, dass eine archäologische Sache sicherlich keinen Quellen- und
damit auch Denkmalwert hat, ist erst und nur dann möglich, wenn alle theoretisch möglichen
archäologischen Forschungsfragen gestellt und erfolgreich beantwortet wurden; d.h. erst, wenn man
die ganze archäologische Wahrheit kennt. Kennt man die ganze archäologische Wahrheit, dann kann
man auch sagen, welche archäologischen Sachen nicht dafür gebraucht worden sind, um diese ganze
Wahrheit zu gewinnen; und diese nicht gebrauchten archäologischen Sachen sind dann logischerweise
die, die man nicht erhalten hätte müssen.
Die Folgen für eine positivistisch geprägte archäologische Denkmalpflege
Für eine positivistisch geprägte archäologische Denkmalpflege im Sinne Hoernes‘ folgt damit zuerst
einmal zwingend, dass sie den wissenschaftlichen Quellen- und somit den Denkmalwert einer
beliebigen konkreten Sache unmöglich bestimmen kann, ehe die archäologische Forschung nicht an
ihrem Endziel, der vollständigen Erkenntnis aller wahren Antworten auf alle möglichen
archäologischen Forschungsfragen, angelangt ist. Bis dieses Ziel nicht erreicht ist, muss sie der
Forderung Hoernes‘ (1892, 36) folgen, sich zwar jede archäologische Sache bei emsiger Detailarbeit
so genau anzuschauen, wie es zum jeweils gegenwärtigen Zeitpunkt gerade geht; aber mit jeder
Entscheidung über den Quellen- und somit auch den Denkmalwert einer jeden konkreten Sache ganz
ohne jede Generalisierung vorzunehmen zuzuwarten, bis dieses Ziel auch tatsächlich erreicht ist.
Die von Rüsch (2004) und Smith (2006, 29) attestierte Gegenwartsvergessenheit der (archäologischen)
Denkmalpflege folgt daraus also zwingend, ebenso wie ihre Entscheidungsschwäche,
Entscheidungsunwilligkeit, ja erkenntnislogisch-methodisch gesehen sogar zwingend folgende
Entscheidungsunfähigkeit: eine positivistisch geprägte archäologische Denkmalpflege kann, so wie sie
an den archäologischen Erkenntnisprozess methodisch herangeht, gar nicht in der Gegenwart
erkennen können, was ein so bedeutendes archäologisches Denkmal ist, dass seine Erhaltung im
öffentlichen Interesse erforderlich ist. Diese Frage kann man aus ihrem Blickwinkel ausschließlich nur
in einer unbestimmten aber jedenfalls sehr fernen Zukunft, wenn wir einmal alles wahre Wissen über
die Vergangenheit haben werden, mit der dafür erforderlichen Sicherheit beantworten.
Um überhaupt an diesen Punkt kommen zu können, an dem diese Entscheidung dereinst einmal
getroffen werden wird können, muss man jetzt zwingend einen totalen archäologischen
Denkmalschutz umsetzen; d.h. man muss sich jede konkrete Sache genau anschauen und auch jede
Sache dauerhaft erhalten, die auch nur eine archäologische Quelle sein könnte, weil man könnte sich
ja – nachdem man jetzt in der Gegenwart nicht alles weiß und auch gar nicht alles wissen kann, was
man wissen müsste, um sich sicher sein zu können, dass man das nicht tut – doch irgendwie irren und
etwas der Zerstörung überlassen, was irgendwann in der Zukunft irgendwer unbedingt gebraucht
hätte, um das letzte Puzzleteil in das große archäologische Puzzlespiel einzusetzen, das man braucht,
um endlich das wahre Bild der Vergangenheit erkennen zu können. Das gilt natürlich für alle Sachen,
die archäologische Sachen sein könnten, egal ob man sie schon kennt oder noch nicht kennt. Darum
muss man auch den Anwendungsbereich der Denkmalschutzgesetze auf alle Sachen ausdehnen, die
irgendwie archäologische Sachen sein könnten, weil das der einzige Weg ist sicherzustellen, dass das
133
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
Puzzleteil, dass man zwar als Fachmann, aber der Durchschnittsbürger unmöglich als an sich, für sich
betrachtet, völlig unbedeutendes, aber in Zusammenhang mit anderen ebenso an sich
unbedeutenden Sachen unendlich bedeutendes archäologisches Denkmal erkennen kann, nicht
unbemerkt und unbeabsichtigt zerstört wird. Die totale Denkmalpflege folgt also zwingend.
Nachdem aber die positivistische Zugangsweise im Stil von Hoernes (1892, 36) erzwingt, dass man
immer nur auf das konkrete Einzelobjekt schaut und jedwede verfrühte Generalisierung, die sich nicht
zwingend aus dem Einzelobjekt in Verbindung mit zahllosen anderen solcher Einzelobjekte ergibt, um
jeden Preis unterlässt; bleibt der Blick des positivistisch geprägten Denkmalpflegers auch immer
zwingend am konkreten Einzelobjekt haften. Er kann und darf nicht generalisieren, weil er ja schon
mit der akademischen Muttermilch ein absolutes Generalisierungsverbot eingetrichtert bekommen
hat; und kann damit auch keine generellen Beurteilungskriterien aufstellen, auf deren Basis sich
nachvollziehbar bestimmen lässt, ob eine archäologische Sache von derart beschaffener Bedeutung
ist, dass ihre Erhaltung deswegen im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Versucht man den positivistisch geprägten Denkmalpfleger dennoch dazu zu zwingen, dann weicht er
unweigerlich auf die Notwendigkeit der Einzelfallbetrachtung und die Unzulässigkeit jedweder
Generalisierung aus; und findet (und erfindet im Notfall) eine Unzahl an Gründen, warum das, wozu
man ihn zwingen will, unmöglich umsetzbar ist. Das zeigt sich auch in der Reaktion des BDA auf die
Kritik des Rechnungshofs in seinem Rohbericht am Fehlen nachvollziehbarer Kriterien für die
Unterschutzstellung von Denkmalen: das BDA argumentierte in seiner Stellungnahme, dass sich die
Kriterien für Unterschutzstellungen aus dem DMSG und der Judikatur ergäben und die vom RH
monierten Vorgaben für die Anwendung der Kriterien zur Unterschutzstellung der ständigen
Rechtsprechung widersprechen würden, in der darauf hingewiesen würde, dass die Erstellung von
Amtssachverständigengutachten unbeeinflusst zu erfolgen habe und keine Vorgaben zu machen seien
(RH 2017, 47). Generalisieren geht nicht, das darf man nicht, sagt sogar das Gesetz und die Judikatur.
Der Amtssachverständige muss das im Einzelfall auslegen und man darf ihm keine Vorgaben machen.
Der Einzelfall. Einzelfall. Die konkrete Sache selbst. Als ob der Rechnungshof das DMSG nicht gelesen
hätte, die einschlägige Judikatur nicht kennen würde und man ihm daher wie einem Kleinkind erklären
muss, dass das nicht geht, was er von einem will.
Natürlich ist das gesamte epistemologisch-methodische Rahmenwerk Hoernes‘ (1892) in der
Archäologie und damit auch der archäologischen Denkmalpflege logisch unmöglich (siehe dazu
ausführlich Karl 2010). Man kann das Endziel des vollständigen und gänzlich wahren archäologischen
Wissens natürlich schon allein deshalb nie erreichen, weil die Archäologie sich wie jede historische
Wissenschaft durch eine essentielle Unvollständigkeit ihrer Quellen kennzeichnet: das meiste, das
man bräuchte, um tatsächlich erfolgreich eine Vollinduktion durchführen zu können, ist schon längst
zerstört worden. Man kann also auf den Sankt Nimmerleinstag warten und wird dennoch niemals das
angestrebte Endziel der Hoernes’schen archäologischen Forschung erreichen können.
Totaler Denkmalschutz ist also sowieso total sinnlos.
Aber die Tatsache, dass das, was Hoernes erreichen wollte, unmöglich erreicht werden kann, ändert
nichts daran, das positivistisch geprägte Denkmalpfleger, die in der Regel die epistemologische
Unmöglichkeit der Grundlagen ihrer Denkmalpflegepraxis überhaupt nicht durchdacht, ja meist noch
nicht einmal angedacht haben, in ihrer Betrachtung der Frage der Denkmalwertbestimmung
archäologischer Sachen immer auf die Weise herangehen werden, die Hoernes (und andere Väter der
deutschsprachigen Archäologie) vorgegeben haben.
134
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Weil, wie schon das eine oder andere Mal in diesem Buch gesagt: wir wissen ja alle, dass dieser Zugang
nicht nur richtig, sondern sogar der einzig mögliche Zugang ist, um nicht der Archäologie
unermesslichen Schaden zuzufügen.
Ohne ganz grundlegend zu ändern, wie wir als (archäologische) Denkmalpfleger über unsere
(jeweilige) Wissenschaft denken; und ohne ganz grundlegend zu ändern, wie wir an unsere Quellen
und die Bestimmung ihres Quellen- und damit unteilbar verbunden auch ihres Denkmalwertes
herangehen; lässt sich das alles nicht ändern. So lange man positivistisch über wissenschaftliche
Erkenntnis denkt, verstellt einem die damit verbundene Sichtweise immer den Blick auf das Große,
das Allgemeine, weil man immer nur auf das Kleine, immer nur auf den konkreten Einzelfall schaut; ja
über archäologische Denkmalpflege überhaupt nur anhand des zwar vielleicht durchaus als beliebig
verstandenen, aber immer noch als konkreten Einzelfall imaginierten, Beispiels nachdenken kann.
Dass man an die Frage auch aus ganz anderer Richtung, nämlich mittels einer generalisierendtheoretischen Betrachtung herangehen könnte, kann man sich, so lange man in diesem Denkschema
feststeckt, nicht einmal vorstellen: es ist im wahrsten Sinne des Wortes undenkbar.
Ein Alternativvorschlag: generalisierende Denkmalwertbestimmung
Tatsächlich ist es, um eine Denkmalwertbestimmung von archäologischen Sachen vorab vornehmen
zu können – d.h. eventuell sogar bevor sie überhaupt erstmals (wieder-) entdeckt wurden –
unumgänglich notwendig, ganz anders an diese Frage heranzugehen.
Das liegt schon allein daran, dass man, wenn man tatsächlich vorab sagen können wollen will oder gar
können muss, ob etwas, was – eben bis zum Zeitpunkt seiner erstmaligen (Wieder-) Entdeckung –
zuvor noch völlig unbekannt war, schon vor dem Zeitpunkt seiner Entdeckung so bedeutend ist, dass
seine Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist, die Frage, was eine archäologische Sache so
bedeutend macht, dass ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist, logisch zwingend
unabhängig von der Betrachtung des Einzelfalls bestimmen können muss. Das muss so sein, weil man
einen Einzelfall, den man noch gar nicht kennt, ja überhaupt nicht anhand seiner spezifischen
Eigenheiten beurteilen kann.
Vielmehr muss man – eben generalisierend – Kriterien festlegen, die jede archäologische Sache, die
so bedeutend ist, dass ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist, erfüllen muss, mit denen
man dann die spezifischen Eigenschaften einer konkreten Sache im Einzelfall vergleichen und somit
bestimmen kann, ob diese konkrete Sache auch tatsächlich die Eigenschaften aufweist, die sie haben
muss, damit ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist. Weist eine neu entdeckte Sache eben
diese Eigenschaften auf, dann ist sie – und war selbstverständlich auch schon vor ihrer Entdeckung –
ein archäologisches Denkmal, das (ab dem Zeitpunkt, an dem der soeben genannte Vergleich ergeben
hat, dass es besonders bedeutend ist) auch tatsächlich zu erhalten ist. Tut sie das hingegen nicht, ist
sie kein archäologisches Denkmal, das man im öffentlichen Interesse erhalten müsste.
Um solche generalisierten Kriterien zu bestimmen, muss man zuerst einmal betrachten, welche –
ebenso generalisierten – Typen von archäologischen Sachen es gibt, die denkmalpflegerisch relevant
sein bzw. werden könnten. Dies muss man natürlich in Hinblick auf ein bestimmtes Ziel bzw. eine
bestimmte Fragestellung machen, weil jede Klassifizierung beliebiger Arten von Sachen in
unterschiedliche Typen von Sachen, wie gerade wir als Archäologen wissen sollten, immer direkt von
der Fragestellung abhängt, für die man diese Klassifizierung vornimmt (für Leser, die das bisher
übersehen haben, grundlegend dazu Eggert 2001, 139-45). Um diese Frage zu beantworten, muss man
sich aber zuerst anschauen, wodurch sich die archäologische Denkmalpflege von anderen Arten der
materiellen Denkmalpflege, insbesondere den drei anderen Hauptarten im Sinne der Systematik der
Denkmalpflege in Österreich, nämlich der Bau- und Kunstdenkmalpflege und dem Schutz von
135
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
Archivalien unterscheidet. Die Paläontologie, die in Deutschland oft auch noch hinzukommt, wird an
dieser Stelle nicht weiter beachtet, sie gehört systematisch aber in die Gruppe, in der sich auch die
archäologische Denkmalpflege befindet.
Archäologische vs. andere Denkmalpflege
Die österreichische Denkmalpflege in ihrer Gesamtheit lässt sich im Prinzip in zwei verschiedene
Klassen unterteilen und zwar auf Basis zentraler, typischer Eigenschaften der Denkmale, um die sich
diese verschiedenen Klassen von Denkmalpflege jeweils kümmern (sollen). Die erste – und in
Österreich traditionell viel bedeutendere – dieser Klassen ist die, zu der sich die Bau- und
Kunstdenkmalpflege und die Archivalienpflege zusammenfassen lassen; die zweite hingegen ist die –
in Österreich traditionell stiefmütterlich behandelte – Klasse, die in Österreich nur die archäologische
Denkmalpflege umfasst, zu der aber auch die paläontologische Denkmalpflege gehören würde, wenn
diese in Österreich nicht dem Natur- sondern – wie das in Deutschland üblich ist – dem (Kultur-)
Denkmalschutz zugeordnet werden würde.
Denkmale der ersten Klasse, also Bau- und Kunstdenkmale sowie Archivalien, sind hauptsächlich
Gegenstände, die – wenigstens grundsätzlich – wenigstens irgendwelchen derzeit lebenden
Menschen (noch) bekannt sind und von diesen in der Regel auch noch genutzt werden oder für eine
zukünftig mögliche Nutzung aufbewahrt bzw. erhalten werden. Sie sind also – wenigstens im Prinzip
– bekannt, wenn auch natürlich nicht unbedingt vielen, geschweige denn allen derzeit noch lebenden
Menschen. Nicht nur das, sie sind auch – wenigstens in vielen ihrer maßgeblichen Eigenschaften –
ohne größeren Aufwand sinnlich wahrnehmbar, d.h. man kann sie (sofern man Zugang zu ihnen hat)
anschauen, angreifen, an ihnen riechen, etc. (wobei man sie in der Regel nicht Abschlecken oder
Einnehmen sollte, um sie schmecken zu können, weil das entweder für sie oder einen selbst schädlich
wäre, oder sogar beides, und es oft auch eher sinnlos ist, sie zu hören zu versuchen). Ausnahmen
davon sind nur eine kleine Minderheit aller Denkmale, die in diese Kategorie fallen.
Sie sind – weil man eben wenigstens viele ihrer maßgeblichen Eigenschaften sinnlich wahrnehmen
kann – meist auch (von theoretisch-methodischen Einschränkungen wie den soeben diskutierten
einmal abgesehen) einigermaßen leicht in Hinblick auf ihren Denkmalcharakter und -wert beurteilbar:
oft muss man sie – wenngleich vielleicht auch sehr genau und mit dem erforderlichen Fachwissen –
nur anschauen, um bereits mit einigermaßen hoher Sicherheit beurteilen zu können, ob es sich bei
ihnen wenigstens hypothetisch mutmaßlich im ein besonders bedeutendes Denkmal handeln könnte
oder nicht. Das bedeutet natürlich nicht, dass deshalb auch schon die Beurteilung ihres
Denkmalwertes im Hinblick auf eine Unterschutzstellung leicht ist; aber wenigstens die Frage, ob eine
solche Sache ein schützenswertes Denkmal sein könnte – z.B. ein bedeutendes Kunstwerk – oder nicht
(wie z.B. das Gekritzel, dass man beim Telefonieren auf seinen Notizblock macht), ist normalerweise
recht einfach zu beantworten.
Denkmale der zweiten Klasse, also in Österreich archäologische Denkmale (und in Deutschland auch
paläontologische), sind hingegen hauptsächlich solche Gegenstände, die – wenigstens grundsätzlich –
keinem derzeit lebenden Menschen mehr bekannt sind und von diesen ebenso in der Regel nicht mehr
genutzt werden und meist auch gar nicht mehr in einem Zustand sind, dass man sie wieder einer
Nutzung (außer als Forschungsgegenstände und zu musealen Zwecken) zuführen könnte. Sie sind also
– wenigstens im Prinzip und mehrheitlich – unbekannt. Nicht nur das, sie sind, weil sie – zumeist im
Boden, seltener auch an anderen Orten – im Verborgenen liegen, in der Regel auch sinnlich vor ihrer
Auffindung überhaupt nicht erlebbar (oder, wenn doch, dann nur mittels technischer Hilfsmittel wie
geophysikalischer Messgeräte; oder unter besonderen Bedingungen, wie bei der Betrachtung aus
bedeutender Höhe aufgrund sich dann abzeichnender, aus der Distanz bei steilerem
136
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Betrachtungswinkel auch sinnvoll interpretierbarer Bewuchs- oder Schattenmerkmale). Natürlich gibt
es auch hier Ausnahmen, vor allem was bewegliche Kleinfunde betrifft, die bereits entdeckt worden
sind; aber diese sind auch nur eine kleine Minderheit der Gesamtmenge in diese Kategorie fallenden
Denkmale.
Archäologische Denkmale sind daher – weil man normalerweise keine ihrer maßgeblichen
Eigenschaften sinnlich wahrnehmen kann, weil man ja noch nicht einmal weiß, dass es sie gibt – meist
(nicht nur aus den oben diskutierten theoretisch-methodischen Gründen, sondern tatsächlich)
überhaupt nicht auf ihren Denkmalcharakter und -wert hin beurteilbar; wenigstens so lange sie noch
unentdeckt im Verborgenen liegen (siehe dazu auch Hebert 2018, 84). Aber selbst wenn sie (teilweise)
entdeckt und sinnlich wahrnehmbar werden, ist ihr Denkmalwert oft immer noch nur sehr schwer
bestimmbar, weil meist nur einzelne Teile eines tatsächlich weiterhin Großteils im Verborgenen
liegenden größeren Denkmals – wie z.B. zu einer größeren archäologischen Fundstelle mit wenigstens
noch teilweise intakter Stratifikation gehörende bewegliche Kleinfunde – entdeckt und wahrnehmbar
werden. Das ist zumeist etwa so, als ob man von einem möglicherweise denkmalschutzwürdigen Haus
maximal eine Fassade (und die nur durch einen stark verdreckten Schleier) und ein paar Stücke seines
beweglichen Zubehörs sehen würde und auf dieser Basis dann entscheiden sollte, ob das Haus nun
tatsächlich so bedeutend ist, dass seine Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist oder ob es
ohne weitere Einschränkungen abgerissen werden darf.
Damit man archäologische (und auch paläontologische) Denkmale überhaupt unmittelbar sinnlich
wahrnehmen kann, ist es zumeist erforderlich, sie wenigstens aus dem Verborgenen zu bergen oder
sogar systematisch auszugraben. Dazu ist es jedoch zumeist zwingend erforderlich, einen mehr oder
minder signifikanten Eingriff in die Substanz des Denkmals, wenigstens des größeren Denkmals, das –
wenigstens bis die Fundstelle komplett ausgegraben ist – immer noch wenigstens teilweise im
Verborgenen gelegen ist, dessen Teil das konkret geborgene oder ausgegrabene Denkmal ist,
vorzunehmen; d.h. wenigstens das größere Denkmal in mehr oder minder signifikantem Ausmaß zu
verändern oder gar zu zerstören. Selbst wenn ein archäologisches Denkmal teilweise oder ganz
ausgegraben wird, ist es – man gräbt schließlich in der Regel im Erdboden, in dem man das, was man
noch nicht freigelegt hat, auch nicht sinnlich wahrnehmen kann – oftmals so, dass man relevante
Eigenschaften bzw. relevante Änderungen in den Eigenschaften der Substanz nur schwer
wahrnehmen kann, bevor man sie schon teilweise oder sogar vollständig verändert oder gar zerstört
hat. D.h. bei archäologischen Denkmalen widersprechen nahezu regelhaft die Erfordernisse für seine
(wissenschaftliche) Erforschung und seine Nutzbarmachung für die Öffentlichkeit den Erfordernissen
seiner unveränderten Erhaltung (siehe auch Hebert 2018).
Letzteres bedeutet auch, dass archäologische Denkmale in der Regel die meisten im öffentlichen
Interesse gelegenen Funktionen, die Denkmale erfüllen können, wie z.B. die identitätsstiftende
Funktion, die Funktion als Erinnerungsort bzw. Ankerpunkt für das kulturelle Gedächtnis etc., nicht
erfüllen können, die primär dem unmittelbar sinnlich wahrnehmbaren äußeren Erscheinungsbild von
Denkmalen anhaften; sofern sie sich nicht noch obertägig erkennbar deutlich vom umgebenden
Boden abheben. Wenn sie sich aber vom umgebenden Boden abheben, sind sie systematisch
eigentlich eher den Baudenkmalen (im Fall von unbeweglichen, noch obertägig erkennbaren
archäologischen Strukturen wie Wällen, Gräben, Ruinen, etc.) oder den Kunstdenkmalen (im Fall von
beweglichen Kleinfunden) zuzuordnen. Zwar kann man solche obertägig unmittelbar sinnlich
wahrnehmbaren archäologischen Überreste, wenn man das möchte, auch weiterhin als
archäologische Denkmale betrachten; aber sie unterscheiden sich eben durch ihre unmittelbare
sinnliche Wahrnehmbarkeit maßgeblich von der Mehrheit der archäologischen Denkmale, die eben
(noch, meist im Boden) verborgen sind.
137
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
Die meisten archäologischen Denkmale liegen hingegen an Orten (gewöhnlich unter der
Erdoberfläche) verborgen, die sich in ihrer Erscheinung von ihrer Umgebung durch keinerlei sinnlich
wahrnehmbare Merkmale unterscheiden. Wirklich denkmalpflegerisch (und noch viel mehr
archäologisch) relevant ist daher nur ihre Substanz, d.h. ihre innere Zusammensetzung. Diese ist
zumeist – sofern es sich bei der in Frage stehenden archäologischen Sache nicht um ein bereits völlig
dekontextualisiertes Einzelobjekt handelt – nicht einheitlich, sondern kennzeichnet sich dadurch, dass
sie – oft aus sehr vielen – unterschiedlichen Bestandteilen besteht, von denen manche im
herkömmlichen Sinn unbeweglich (= Bodenschichten, Mauerfundamente, etc.; das was wir
gewöhnlich archäologisch als Befunde bezeichnen), andere hingegen beweglich (= Kleinfunde) sind.
Nachdem diese innerlich mehr oder minder komplex strukturierte Substanz normalerweise nicht
unmittelbar sinnlich wahrnehmbar ist, sondern erst durch ihre Erforschung – eben gewöhnlich durch
Ausgrabung und damit wenigstens teilweiser Substanzveränderung bzw. -zerstörung – sinnlich
wahrnehmbar gemacht werden kann, können archäologische Denkmale somit normalerweise nur die
Funktion des Schutzes von Quellen der wissenschaftlichen Erforschung der Vergangenheit erfüllen;
und zwar weitgehend unabhängig davon, ob das betreffende archäologische Denkmal schon
irgendjemandem bekannt oder noch gänzlich unbekannt ist.
Zwar können natürlich bereits ganz oder teilweise erforschte archäologische Denkmale – auch durch
teilweise Ausgrabung bei Erhaltung noch nicht ausgegrabener oder an Ort und Stelle
wiederhergestellter, zuvor bereits ausgegrabener, unbeweglicher archäologischer Strukturen im
Boden (wie eben Mauerfundamente, freigelegte Schichtoberflächen, etc.; wenigstens soweit diese
mit konservatorischen Methoden auch einigermaßen unverändert in situ erhalten werden können) –
durch Ausweisung der Existenz des archäologischen Denkmals an Ort und Stelle, gegebenenfalls
unterstützt durch eine geeignete Form der Präsentation der (und sei es auch nur vorläufigen,
unvollständigen) Ergebnisse der Erforschung des jeweils konkret in situ vorhanden gewesenen oder
sogar noch teilweise vorhandenen Denkmals, für andere im öffentlichen Interesse gelegene
Denkmalfunktionen zugänglich gemacht werden; selbst wenn man obertägig nichts vom eigentlichen
Denkmal unmittelbar sinnlich wahrnehmen kann. Eine derartige, sozusagen sekundäre, Nachnutzung
eines archäologischen Denkmals hängt allerdings dann nicht davon ab, ob an Ort und Stelle noch
tatsächlich auch nur die geringsten Überreste seiner Substanz vorhanden sind, sondern nur von der
unmittelbar sinnlich wahrnehmbaren Kennzeichnung und Aufbereitung des an sich unsichtbaren
Denkmals.
D.h. im Normalfall werden archäologische Denkmale, wenn sie erhalten werden sollen, ausschließlich
zum Zweck der Erhaltung ihrer wissenschaftlichen Quellenfunktion erhalten, nicht zu anderen
Zwecken. Das ist für unsere Fragestellung und die damit verbundene, für einen generalisierenden
Zugang zur archäologischen Denkmalpflege unabdingbar notwendige, Klassifizierung
unterschiedlicher Typen archäologischer Sachen von fundamentaler Bedeutung. Denn die zentrale
Fragestellung, die sich aus dieser Tatsache für die Feststellung des Denkmalwertes von
archäologischen Sachen ergibt, ist die folgende:
Wie wahrscheinlich ist es, dass aus einer archäologischen Sache bedeutende wissenschaftliche
Erkenntnisse über die Vergangenheit gewonnen werden können?
Wissenschaftliche Bedeutung
Wenngleich Hoernes‘ (1892, 36-43) oben (Seiten 130-133) erläuterte erkenntnislogisch-methodische
Vorgangsweise in der Archäologie zwingend zum Scheitern verurteilt und vor allem archäologischdenkmalpflegerisch so denkbar ungeeignet ist, wie es nur möglich ist; ist Hoernes in einem ganz
konkreten Aspekt seines Modells des archäologischen Erkenntnisgewinns zuzustimmen: tatsächlich
138
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
ist das, was wissenschaftlich wirklich bedeutend ist, niemals die einzelne Quelle, die, für sich allein
betrachtet, immer an sich weitgehend unbedeutend ist. Die wissenschaftlichen Wahrnehmungen, die
man aus einer einzelnen Quelle ableiten kann, sind praktisch immer für sich gesehen nur, um das in
Hoernes‘ eigenen Worten auszudrücken, „geringfügig“ (Hoernes 1892, 43). Bedeutung kommt einer
Quelle nur insofern zu, als sie – in Kombination mit einer mehr oder minder großen Anzahl anderer
Quellen – als Mittel zum Zweck dienen kann, irgendwelche wissenschaftlichen Erkenntnisse zu
gewinnen. Erst dadurch, dass diese Erkenntnis gefunden wurde, durch die sich z.B.
Sinnzusammenhänge zwischen einzelnen Quellen zeigen, entsteht überhaupt eine sinnvolle Deutung;
und somit auch archäologisch-wissenschaftliche Bedeutung.
Erst die Erkenntnisse sind es also, die wirklich Bedeutung haben; die diese Bedeutung dann nur,
sozusagen sekundär, auf die Quellen rückprojizieren, die zu ihrer Gewinnung erforderlich waren.
Dabei sind allerdings verschiedene Erkenntnisse nicht alle gleichermaßen bedeutend, sondern können
deutlich unterschiedlich bedeutend sein und sind normalerweise auch (siehe das auch angedeutet auf
Abb. 7, Abb. 8). Viele der gewonnenen Erkenntnisse, vor allem solche, die unmittelbar aus den
Primärquellen selbst abgeleitet werden, sind normalerweise nur verhältnismäßig wenig bedeutend,
oft sogar eigentlich trivial. Das oben verwendete Beispiel der wissenschaftlichen Erkenntnis – und es
ist, wenn sie tatsächlich auf systematischer, methodischer Beobachtung von Primärquellen beruht,
tatsächlich eine wissenschaftliche Erkenntnis – „europäische Schwäne sind weiß“, ist eine solche,
eigentlich triviale Erkenntnis. Denn was sagt sie uns, das wir nicht eigentlich schon längst wissen, ganz
ohne, dass wir uns systematisch wirklich alle europäischen Schwäne angeschaut und wirklich
festgestellt haben, dass die alle weiß sind?
Der einzige Unterschied zwischen der aus den eigenen, beschränkten Erfahrungen durch Abduktion
(Peirce 1931, 171) gewonnenen (vorwissenschaftlichen) Erkenntnis, dass „die Schwäne, die ich selbst
kenne, alle weiß sind und daher wahrscheinlich alle Schwäne weiß sein dürften“, und der im Wege der
Vollinduktion gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnis, dass tatsächlich alle (indigenen
europäischen) Schwäne weiß sind, ist nur der Grad der Sicherheit, mit der man das weiß: die eigene
vorwissenschaftliche Erkenntnis könnte durchaus falsch sein, die auf wissenschaftlichem Wege durch
Vollinduktion gewonnene Erkenntnis ist hingegen (aller Wahrscheinlichkeit nach, innerhalb gewisser
Rahmenbedingungen) richtig. Was uns diese Erkenntnis hingegen nicht sagt, ist, warum europäische
Schwäne jetzt weiß und nicht andersfärbig sind, ob es nicht anderswo doch auch andersfarbige – wie
z.B. in Australien schwarze – Schwäne gibt, usw. Die Erkenntnis, dass europäische Schwäne weiß sind,
sagt uns also weder etwas wirklich Neues, was wir uns nicht ohnehin schon denken hätten können,
und das, was wir aus ihr lernen können (wenn wir überhaupt etwas aus ihr lernen können) beschränkt
sich auf eine weitgehend irrelevante Information. Gut, sind europäische Schwäne halt weiß. Würde es
irgendeinen signifikanten Unterschied für unser Leben oder auch nur unser Verständnis der Welt, in
der wir leben, machen, wenn wir das nicht wüssten? Wohl kaum. Ergo: die wissenschaftliche
Erkenntnis, dass europäische Schwäne weiß sind, ist trivial: schön das zu wissen, um des reinen
Wissens willen, aber praktische Konsequenzen hat es kaum.
Andere Erkenntnisse hingegen, gewöhnlich solche weit höherer Ordnung als die, die unmittelbar aus
den Primärquellen abgeleitet werden, d.h. solche, die sich aus vielen geringer bedeutenden
Erkenntnissen ableiten lassen, können bahnbrechend und ungeheuer wichtig sein. Erkenntnisse wie
z.B. Einsteins allgemeine Relativitätstheorie erlauben uns nicht nur, viel besser zu verstehen, wie das
Universum, in dem wir leben, wenigstens in jenem seiner Bereiche, in dem wir leben, zu funktionieren
scheint, sondern haben auch unzählige bedeutende praktische Folgen für unser Leben (selbst, wenn
uns das normalerweise nicht besonders auffällt). Ob es nun neue Technologien sind, mit denen man
irgendetwas besser machen kann als zuvor, oder etwas machen kann, dass man zuvor überhaupt nicht
139
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
machen konnte, die sich daraus unmittelbar oder wenigstens mittelbar entwickeln lassen, oder
irgendetwas anderes ist, was sich daraus für unser Leben ergibt; die Erkenntnis, die diese neuen
Entwicklungen und Veränderungen überhaupt erst möglich macht, hat – potentiell sogar
weitreichende – Konsequenzen in der Wirklichkeit, die der Menschheit (hoffentlich) zum Nutzen
gereichen. Sie machen einen gewaltigen Unterschied, was das, was wir wissen und tun können,
betrifft; und sind daher auch tatsächlich besonders bedeutend.
Ähnliches gilt in der Archäologie: vieles von dem Wissen, das die Archäologie auf wissenschaftlichem
Weg schafft, ist nur von vergleichsweise geringer Bedeutung, ja potentiell sogar trivial. Einen neu
entdeckten Fundgegenstand richtig zu datieren und herkunftsmäßig zuzuordnen – z.B. eine neu
entdeckte Fibel eines bestimmten Typs als solche richtig zu erkennen und zu beschreiben – ist auch
wissenschaftliche Erkenntnis: wir wissen danach schließlich mehr, nämlich, dass diese konkrete Sache
nicht nur irgendein Klumpen Metall, sondern eben eine bestimmte Art von Fibel ist, die aller
Wahrscheinlichkeit nach in einem bestimmten Zeitraum und in einem bestimmten Gebiet erzeugt
worden ist, dann wohl auch benutzt wurde und schließlich verloren, vergessen oder weggeworfen
wurde; dann im Verborgenen gelegen ist, bis sie wiederentdeckt und als das, was sie ist, erkannt
wurde. Dennoch ist diese Erkenntnis trivial, weil wir ja dadurch nur etwas Neues über den
Fundgegenstand selbst lernen, aber praktisch nichts, was über ihn hinausgeht. Das bringt uns und die
archäologische Wissenschaft nicht viel weiter.
Aber die archäologische Forschung kann auch sehr bedeutende Erkenntnisse gewinnen; sei es
darüber, wie menschliche Gesellschaften funktioniert haben (könnten), deren Institutionen und
Vorstellungen vielleicht sogar noch – wenn auch meist in veränderter Form – in gegenwärtigen
Gesellschaften fortleben; wie und warum sich diese Institutionen und Vorstellungen entwickelt und
verändert haben; und damit vielleicht sogar, wann, wie und warum sie sich in eine Richtung zu
entwickeln begonnen haben, die heute vielleicht schädliche Auswirkungen hat, die man minimieren
oder sogar ganz verhindern könnte, wenn man versteht, wie und warum sich das entwickelt hat, was
heute solche schädlichen Auswirkungen hat. Sie kann uns auch viel über den Einfluss der Menschheit
auf die Erde sagen, z.B. im Hinblick auf den Klimawandel; und uns vielleicht Informationen darüber
geben, wie andere Menschen zu früherer Zeit mit ähnlichen Problemen erfolgreich umgegangen oder
an ihnen gescheitert sind.
Ich weiß schon, dass der wichtigste Unterschied zwischen Menschen und Affen der ist, dass Affen aus
ihren Fehlern lernen; aber man darf ja wohl wenigstens noch darauf hoffen dürfen, dass auch wir
Menschen im Stande sind, wenigstens hin und wieder doch etwas aus der Geschichte zu lernen. Aber
selbst, wenn das nicht der Fall ist, dass wir daraus etwas Wichtiges lernen; alleine die theoretische
Möglichkeit, dass wir daraus etwas Wichtiges lernen könnten, macht solche Erkenntnisse bereits
besonders bedeutend.
Dabei ist es sogar weitgehend gleichgültig, ob das, was wir herausfinden, sich letztendlich als falsch
erweist. Wie Karl R. Popper das ausgedrückt hat, lernen wir „immer eine ganze Menge durch eine
Falsifikation [RK: eines Erkenntnisversuchs = einer Theorie]. Wir lernen nicht nur, dass eine Theorie
falsch ist, sondern wir lernen, warum sie falsch ist“ (Popper 1996, 31; Hervorhebungen wie im
Original). Meist gewinnen wir sogar neue Lösungsansätze daraus, dass ein Erkenntnisversuch
scheitert, weil sich aus der Erkenntnis, warum etwas falsch ist, oft auch schon Hinweise darauf ableiten
lassen können, was richtig oder wenigstens richtiger sein könnte. Selbst (inzwischen) offensichtlich als
falsch erkennbare Theorien wie z.B. in der Archäologie die Theorie der ethnischen Interpretation
Gustaf Kossinnas (1920) sind daher immer noch – auch nach ihrer Falsifikation – bedeutende Theorien,
aus denen viele wichtige Erkenntnisse gewonnen werden konnten und können; und sei es nur, wie
140
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
archäologische Erkenntnisse politisch ge- und missbraucht wurden und werden können, was uns bei
unserer Arbeit durchaus weiterhin nützlich sein kann.
Wodurch sich bedeutende archäologische Erkenntnisse – wie übrigens alle bedeutenden Erkenntnisse
– allgemein kennzeichnen ist, dass sie, wie Popper (1996, 42-3) das genannt hat, über große
Erklärungskraft verfügen. Erklärungskraft bedeutet dabei nichts anderes, als wie viel wir durch eine
Erkenntnis (bzw. Theorie) lernen und was bzw. wie viel sich durch sie (mutmaßlich richtig) erklären
lässt. Die gerade erwähnte Theorie der ethnischen Deutung nach Kossinna (1920) hatte eine sehr hohe
Erklärungskraft (weswegen sie auch besonders durch Falsifikationsversuche gefährdet war, denn je
höher die Erklärungskraft einer Erkenntnis bzw. Theorie ist, desto mehr Möglichkeiten gibt es auch,
sie zu falsifizieren; Popper 1996, 42); weil sie es erforderlich machte, dass tatsächlich jede „scharf
abgegrenzte“ archäologische Kulturprovinz im Sinne Kossinnas das Territorium eines bestimmten
Volks oder wenigstens Stammes repräsentierte, damit die Erkenntnis Kossinnas auch tatsächlich
zutreffen (= richtig sein) konnte. Daran, dass dem tatsächlich nicht so ist, ist Kossinnas Erklärung –
letztendlich ein Erklärungsversuch dafür, warum sich mehr oder weniger eindeutig abgrenzbare
Materialkulturgruppen archäologisch beobachten bzw. bilden lassen – zwar letztendlich gescheitert,
aber daraus haben wir eben wenigstens gelernt, dass man nicht aus einer räumlich begrenzten, sich
häufiger wiederholenden Typenkombination auf die räumliche Verbreitung bestimmter
Bevölkerungsgruppen schließen kann.
Für unsere – letztendlich ja denkmalpflegerische – Frage der archäologischen Bedeutungsbestimmung
ergibt sich somit, dass eine archäologische Sache umso wichtiger ist, umso wahrscheinlicher es ist,
dass sich aus ihr Erkenntnisse bzw. Theorien höherer Ordnung ableiten lassen, die eine hohe
Erklärungskraft besitzen. Damit können wir uns nun der Typologie archäologischer Sachen zuwenden,
die in Hinblick auf die Frage nach der Wahrscheinlichkeit, dass sich aus einer archäologischen Sache
solche Erkenntnisse bzw. Theorien gewinnen lassen, sinnvoll und geeignet erscheint.
Eine kleine denkmalpflegerische Typologie archäologischer Sachen
Nachdem es hier letztendlich ja um Generalisierungen geht, werde ich ungeniert für diese Typologie
ganz brutal generalisieren und alle meiner Meinung nach irrelevanten Details beiseitelassen. Das
Ergebnis davon ist natürlich zwingend eine ungeheuer grobe Typologie, die eine – wenigstens aus
herkömmlicher, positivistisch geprägter Sicht – vollkommen unzulässige Vereinfachung einer enorm
komplexen Materie darstellt.
Aber genau darum geht es ja: Vereinfachung. Denn generalisieren kann man nur, wenn man die immer
enorm komplexe Realität vereinfacht; es ist gerade diese Vereinfachung, die überhaupt erst eine
einigermaßen vernünftige Diskussion über die Wirklichkeit erlaubt. Genau deshalb benutzen wir ja
auch in der Archäologie Objekttypologien: damit wir über Arten von Objekten reden können, die sich
hinreichend gleichen, dass man sie als einen Typ zusammenfassen kann; auch wenn natürlich jedes
einzelne Exemplar eines Typs immer irgendwelche Eigenheiten aufweist, die es von allen anderen
Exemplaren des gleichen Typs unterscheidet und somit zu einem Einzelstück macht – und seien es nur,
bei einem industriell in der jüngsten Vergangenheit hergestellten Stück, die individuellen
Gebrauchsspuren, die bei seiner Benutzung zufällig und individuell einzigartig entstanden sind.
Welche meiner Meinung nach für unsere denkmalpflegerische Frage relevant seienden Typen
archäologischer Sachen gibt es also?
Typ 1: der bewegliche Kleinfund und seine Fragmente
Der erste für unsere Fragestellung meiner Meinung nach relevante Typ archäologischer Sachen ist der
des beweglichen Kleinfundes bzw. seiner Fragmente. Bewegliche Kleinfunde und ihre Fragmente
141
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
stellen die mit Abstand häufigste Art archäologischer Sachen dar, die herkömmlich von der
archäologischen Denkmalpflege als „Bodendenkmale“ betrachtet und daher als potentiell
denkmalschutzrechtlich relevant erachtet werden.
Zwar stellen bewegliche Kleinfunde (und ihre Fragmente) – nicht anders als alle anderen
archäologischen Sachen – bei der Einzelfallbetrachtung eine extrem begrenzte, sich nicht
regenerierende Ressource dar. Jeder Kleinfund stellt schließlich ein Einzelstück dar, das es nur einmal
gibt, das nur einmal und das zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt, an einem ganz bestimmten Ort,
unter ganz konkreten Umständen hergestellt, dann (normalerweise) für eine gewisse Zeit benutzt und
schließlich zu einem anderen ganz bestimmten Zeitpunkt an einem ganz bestimmten Ort deponiert
(verloren, vergessen, weggeworfen, etc.) wurde; und ist daher jedenfalls immer ein Unikat.
Selbst bei einer teilweise generalisierenden Betrachtung, d.h. wenn man verschiedene einander mehr
oder minder ähnliche Einzelstücke zu gleichartigen Typen und Klassen beweglicher Kleinfunde
zusammenfasst, wie das die Archäologie regelhaft tut (Eggert 2001, 181-200), bleiben bewegliche
Kleinfunde bestimmter Typen immer noch eine – wenn auch nunmehr nicht so extrem begrenzte –
sich nicht regenerierende Ressource; denn Sachen eines bestimmten Typs wurden und werden
gewöhnlich nur über eine gewisse Zeitspanne hinweg in einem mehr oder minder räumlich
begrenzten Herstellungsgebiet erzeugt, dann in einem normalerweise ebenfalls beschränkten
Verbreitungsgebiet (und sei es nur „die Erde“ in ihrer Gesamtheit oder sogar „das Sonnensystem und
der diesem nahegelegene interstellare Raum“, wenn man auch unbemannte Raumsonden und
bemannte Raumfahrt mitrechnen will; siehe z.B. Holtorf & Högberg 2015, 515-6) genutzt und
schließlich in einem ebenso begrenzten Deponierungsgebiet abgelagert.
Spätestens mit dem Ende der Produktionszeit eines bestimmten Typs entstehen also keine neuen,
weiteren Exemplare dieses Typs mehr, von dem es somit nur eine absolut begrenzte Anzahl von
Exemplaren gibt. Werden alle davon zerstört, gibt es unabänderlich keine mehr, die man danach noch
wissenschaftlich untersuchen könnte; auch wenn natürlich bei einer Betrachtung als Klasse von
Sachen immer noch neue Exemplare gegenwärtiger Typen materieller Sachen produziert, benutzt und
schließlich deponiert werden, d.h. der Typ „beweglicher Kleinfund“ tatsächlich eine unbegrenzte und
stetig neu regenerierende Ressource ist, so lange Menschen weiter Sachen produzieren und nutzen.
Bei all dieser mengenmäßigen Begrenztheit einzelner beweglicher Kleinfunde oder auch nur solchen
eines bestimmten Typs gibt es aber dennoch – auch wenn es vielleicht von manchen Typen nur noch
wenige Exemplare und von allen Unikaten natürlich überhaupt nur eines gibt – unzählbar viele
bewegliche Kleinfunde. Schätzt man auf Basis der einigermaßen bekannten Anzahl der beweglichen
Kleinfunde, die allein in den letzten ca. 10 Jahren von professionellen archäologischen Ausgrabungen
in diverse Depots gekarrt wurden; die möglicherweise noch zu findenden solchen, so reden wir allein
in Österreich über viele hunderte Millionen, wenn nicht sogar Milliarden; die neuzeitarchäologischen
beweglichen Kleinfunde (ab Beginn des 19. Jahrhunderts n.Chr.) noch gar nicht mitgerechnet. Hier ist
dazu anzumerken, dass es sich bei den bekannten Kleinfunden, die hier als Rechnungsbasis
herangezogen wurden, um solche aus vermutlich nur 1% des Gesamtbestandes der derzeit bekannten
Fundstellen (nicht nur in Österreich) handelt; sowie, dass diese untersuchten Fundstellen meist kaum
mehr als 1/5, wenn nicht sogar deutlich weniger, der noch in situ vorhandenen Fundstellenzahl
ausmachen (siehe dazu z.B. Stäuble 2012, 18-9; Karl 2019b, 6-7). Dass dabei ein Großteil der bereits
eingelagerten archäologischen Funde bisher noch von niemandem zur Gewinnung archäologischer
Erkenntnis verwendet wurde, sondern diese vielmehr in mehr oder minder geeigneten Lagern auf
Halde liegen, und daher der Vorteil einer maßgeblichen Vergrößerung des Lagerbestandes zumindest
diskutierbar ist, sei nur am Rande bemerkt.
142
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Ähnliches ergibt sich, wenn man auf Basis der mutmaßlich von Metallsuchern seit Aufkommen der
Metallsuche in Österreich um 1970 ans Licht gebrachten Kleinfunde schätzt. Nimmt man die oben
genannten Mindestschätzwerte für die Anzahl an Metallsuchern in Österreich von derzeit [25.6.2019]
ca. 3.900 (Abb. 6, Seite 115) und die Zahlen Achleitners (2011,2) von durchschnittlich ca. 56 Suchtagen
zu ca. 3,9 Suchstunden im Feld pro Metallsucher und schätzt, dass der durchschnittliche Metallsucher
pro Suchstunde auch nur eine archäologische Sache (Neuzeitarchäologie ab Beginn des 19.
Jahrhunderts neuerlich ausgenommen) findet, kommt man allein auf ca. 850.000 bewegliche
archäologische Kleinfunde, die von Metallsuchern im Jahr 2019 gemacht wurden. Rückgerechnet
entsprechend der Annahme eines kontinuierlichen Anwachsens der Szene entsprechend der oben
gezeigten Daten (Abb. 6), d.h. einer Verdoppelung der Szene alle ca. 5 Jahre, kommt man damit von
1970 bis Ende 2019 auf wenigstens ca. 8 Millionen extrahierte Kleinfunde; ohne dass das zu einer
massiven Reduktion von Kleinfunden bei professionellen Ausgrabungen geführt hat (siehe dazu auch
Karl 2018c, 396). Wenngleich also jeder bewegliche Kleinfund, den man vom Boden aufhebt oder aus
ihm extrahiert, das letzte (oder immer schon einzige) Stück seiner Art sein kann, so gibt es doch enorm
viele bewegliche Kleinfunde; mehr als man jemals guten Gewissens erhalten könnte.
Bewegliche Kleinfunde (und ihre Fragmente) werden noch dazu normalerweise auch nicht zerstört
oder maßgeblich verändert, wenn sie ex situ extrahiert werden; insbesondere nicht, wenn sie sich
schon auf der Erdoberfläche befinden. Zwar kann es bei der Extraktion durchaus zu Beschädigungen
von beweglichen Kleinfunden kommen, insbesondere, wenn sie unsachgemäß geborgen werden oder
auch bei einer allfälligen unsachgemäßen Reinigung durch ihren Finder; aber solche Beschädigungen
sind zumeist unmaßgeblich (die meisten archäologischen Sachen sind schließlich schon kaputt, wenn
man sie findet) und – was noch wichtiger ist – lassen sich oft auch bei sachgerecht durchgeführten
professionellen archäologischen Ausgrabungen nicht vermeiden. Informationsverluste durch
derartige Beschädigungen fallen also in den Bereich des kaum, und schon gar nicht effizient,
reduzierbaren Restrisikos, das noch dazu selbst bei komplett unsachgemäßer Bergung durch Laien
immer noch deutlich geringer ist als bei ihrer zufälligen Entdeckung mit dem Bagger bei Bauarbeiten
oder ihrer unbemerkten Zerstörung im Boden durch den Pflug.
Schließlich und am wichtigsten in Bezug auf unsere Frage ist die Wahrscheinlichkeit, dass aus den
beweglichen Kleinfunden an sich, d.h. aus dem unkontextualisierten Objekt selbst, bedeutende
archäologische Erkenntnisse gewonnen werden können, verschwindend gering. Selbst absolut
spektakuläre Einzelfunde wie die Himmelsscheibe von Nebra verraten uns für sich allein in der Regel
nur sehr wenig, das als wirklich wissenschaftlich bedeutende Erkenntnis betrachtet werden könnte,
einmal von der Möglichkeit wilder Spekulationen abgesehen, die durch einen solchen Einzelfund
angeregt werden können. Weil in der Regel kann aus einem einzelnen Objekt, zu dem es nicht einmal
echte Vergleichsstücke gibt, auf systematisch methodischem – d.h. wissenschaftlichem – Weg nichts
generalisiert werden; und damit ist die Aussicht darauf, aus einem Einzelobjekt tatsächlich
Erkenntnisse mit großer Erklärungskraft (Popper 1996, 42-3) ableiten zu können, zwingend gering.
Bewegliche Kleinfunde können in der Masse – ähnlich, wie das auch Hoernes (1892, 36-43) sich
vorgestellt hat – wenn auch nicht durch Vollinduktion, so doch durch Abduktion, durchaus zu
wichtigen Erkenntnissen führen, aber dafür ist es eben auch Voraussetzung, dass Sachen gleicher Art
in einigermaßen großer Anzahl vorkommen und bekannt sind.
In der Regel braucht man also von beweglichen Kleinfunden, um die Möglichkeit zu wahren,
bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse aus größeren Fundmengen abzuleiten, primär nur die
Information darüber, dass bewegliche Gegenstände gleicher Art wann und vor allem wo gefunden
wurden, d.h. die Information, die man auch durch die Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG
bekommt, wenn sich die, die solche Sachen finden, auch tatsächlich (wenigstens einigermaßen häufig)
143
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
an diese halten (siehe dazu auch Karl 2019c). Zusätzlich braucht man eventuell – z.B. für
materialkundliche Untersuchungen – ein repräsentatives Sample jedes Typs einigermaßen
gleichartiger Sachen, wie sie ja auch schon seit Jahrhunderten und auch derzeit Museumssammlungen
entsprechend ihrer jeweiligen Sammlungsstrategie erwerben und sammeln (Karl 2015; 2016c); der
Rest hingegen ist weitgehend irrelevant. Inwieweit man sich von Haus aus – wie zur Anfangszeit
unseres Faches – auf den Erwerb und die Sammlung auch museal wertvoller, d.h.
ausstellungstauglicher, Exemplare konzentriert, kann dabei den Museen und deren KuratorInnen, die
dafür ja auch (hoffentlich) qualifiziert sind, überlassen bleiben.
Generalisierend kann man also festhalten, dass beweglichen Kleinfunden an sich in der Regel nicht
derartige wissenschaftliche Bedeutung zukommen kann, dass an ihrer physischen Erhaltung
tatsächlich ein öffentliches Interesse bestehen könnte, das über ihren Erwerb durch einschlägige
Sammlungen öffentlicher Museen hinausgeht; notfalls auch durch ein kleines staatliches Schatzregal
oder eine Enteignung allfälliger privater Eigentümer gegen entsprechende Entschädigung. Wenn
überhaupt kann nur ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung durch (möglichst) sachgerechte
Dokumentation bestehen, um möglichst viele möglicherweise relevante Informationen über sie
dauerhaft erhalten zu können, die für spätere wissenschaftliche Forschungen nützlich sein können.
Das entspricht im Prinzip auch der derzeitigen archäologischen Denkmalpflegepraxis, wenigstens in
Österreich: in den 96 Jahren (die teilweise Unterbrechung während des 3. Reichs außer Acht lassend),
die das BDA nun die Bestimmungen des DMSG vollzieht, hat es – soweit sich das für mich feststellen
lässt – so gut wie niemals einen beweglichen Kleinfund als Einzelobjekt durch einen eigenen Rechtsakt
unter Denkmalschutz gestellt; obwohl das gemäß der Bestimmungen der §§ 3 und 9 Abs. 3 igF und der
diesen vorhergehenden, ihnen entsprechenden Unterschutzstellungsbestimmungen in früheren
Fassungen des DMSG immer möglich gewesen wäre. Daraus lässt sich übrigens auch ableiten, dass
das BDA bewegliche Kleinfunde niemals als Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG erachtet hat, sondern sich
nur – seit diese 1990 ins Gesetz aufgenommen wurde – der extrem schwammigen Definition des
Bodendenkmalsbegriffes in § 8 Abs. 1 DMSG igF bedient hat, um im Bedarfsfall – wenn es gerade z.B.
Metallsucher bestrafen wollte – so tun zu können, als ob auch bewegliche Kleinfunde „den
Beschränkungen dieses Bundesgesetzes unterliegen könnten“ (§ 8 Abs. 1 igF) und daher schon die
Suche zum Zwecke ihrer Entdeckung die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auslösen würde.
Typ 2: unbewegliche Einzelbefunde samt (allenfalls) in ihnen enthaltene bewegliche Kleinfunde
Der zweite für unsere Fragestellung meiner Meinung nach relevante Typ archäologischer Sachen ist
der des unbeweglichen Einzelbefundes samt der in ihm enthaltenen beweglichen Kleinfunde (bzw.
deren Fragmente). Solche Einzelbefunde sind immer noch vergleichsweise häufig – schließlich stellt
schon jedes Pfostenloch und jede einzelne, nicht gänzlich natürlich entstandene oder abgelagerte
Bodenschicht, jeweils für sich betrachtet, einen solchen Einzelbefund dar – aber im Vergleich zu
beweglichen Kleinfunden bereits einigermaßen selten. Letzteres ist schon allein deshalb der Fall, weil
sie oft mehrere, wenn nicht sogar zahlreiche, Kleinfunde in ihrer Substanz enthalten und diesen somit
das geben, was wir gewöhnlich ihren archäologischen Kontext nennen – den Zusammenhang zwischen
ihnen und dem unbeweglichen Einzelbefund, in dem sie enthalten sind; und damit auch den
Zusammenhang miteinander, weil sie im gleichen Befund enthalten sind. Sie stellen ebenfalls
archäologische Sachen dar, die herkömmlich von der archäologischen Denkmalpflege als
„Bodendenkmale“ betrachtet und daher als potentiell denkmalrechtlich relevant erachtet werden.
Nicht anders als bewegliche Kleinfunde selbst stellen auch Einzelbefunde bei der Einzelfallbetrachtung
eine extrem begrenzte, sich nicht regenerierende Ressource dar, normalerweise sogar noch mehr als
bewegliche Kleinfunde, auch wenn sich auch Einzelbefunde oft zu bestimmten, einigermaßen
gleichartigen Typen zusammenfassen lassen. Denn Einzelbefunde wurden nicht nur weit seltener
144
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
erzeugt als die oft mehr oder minder massen- oder zumindest entsprechend einem mehr oder minder
gleichmäßigen Idealstandard produzierten alltäglichen Gebrauchsgegenstände, die als bewegliche
Kleinfunde (ob nun ganz oder fragmentiert) auf uns gekommen sind; sondern oft auch weit
spezifischer den individuellen Bedürfnissen und Umständen angepasst, die im Kontext ihrer Erzeugung
bestanden. Sie sind also meist in der Einzelfallbetrachtung, wenigstens tendenziell, noch einzigartiger
als bewegliche Kleinfunde.
Bei generalisierender Betrachtung als Typ „unbeweglicher Befund“ sind sie aber ebenso wie
Kleinfunde keine begrenzte, sich nicht erneuernde Ressource, sondern es entstehen
selbstverständlich auch dauernd neue Einzelbefunde in der Gegenwart. Wie bei Kleinfunden sind stets
nur bestimmte „unbewegliche Befunde“, d.h. solche aus einer ganz bestimmten Zeit und einem ganz
bestimmten Raum, begrenzte, sich nicht regenerierende Ressourcen.
Trotz ihrer mengenmäßigen Begrenztheit – natürlich besonders einzelner Einzelbefunde oder der
Exemplare einzelner Typen von Einzelbefunden – gibt es immer noch sehr viele Einzelbefunde, wenn
auch bei weitem nicht so viele wie Kleinfunde. In absoluten Zahlen sprechen wir hier wohl über viele
zehn Millionen von Einzelbefunden, vielleicht sogar viele hunderte Millionen davon, die noch im
österreichischen Erdboden verborgen sind. Das lässt sich schon allein daraus ableiten, dass sich jede
archäologische Fundstelle – von denen das BDA in Österreich ja irgendwo zwischen etwa 20.000 und
etwas über 50.000 kennt (Farka 2008, 10; Picker et al. 2016, 285); wobei davon auszugehen ist, dass
es weit mehr von denen, die es tatsächlich noch gibt, nicht kennt, als es kennt (Karl 2019b, 6) –
normalerweise aus wenigstens vielen, wenn nicht sogar sehr vielen Einzelbefunden zusammensetzt.
Selbst auf einer recht kleinen Siedlungsfundstelle kann man z.B. allein mit wenigstens ein paar zehn,
wenn nicht ein paar hundert, Pfostenlöchern rechnen (die oft ein Einzelbefund sind, aber sich
manchmal ihrerseits aus mehreren Einzelbefunden zusammensetzen können, z.B. wenn man den
Pfosten mit Packsteinen befestigt hat und sich noch die verrotteten Überreste des Pfostens selbst
abzeichnen); selbst ein kleines Gräberfeld besteht meist wenigstens aus ein paar, wenn nicht sogar
ein paar zehn Gräbern (die manchmal ein Einzelbefund sein können, sich aber normalerweise aus
mehreren Einzelbefunden zusammensetzen; z.B. wenn sich noch Reste eines Sarges oder eine
Grabkammer identifizieren lassen, das Grab zur Beraubung angetrichtert wurde, etc.); usw.
Einzelbefunde, wie alle Befundarten, werden als im herkömmlichen Sinn unbewegliche Sachen fast
immer zerstört oder wenigstens maßgeblich verändert, wenn sie in situ durch Grabungen entdeckt
oder gar teilweise oder ganz ex situ extrahiert werden. Zwar ist es heute in vielen Fällen durchaus
technisch möglich, auch unbewegliche Befunde (mit einem Teil des sie umgebenden Erdreichs bzw.
Bodens) „im Block“ in situ zu bergen und somit ex situ zu verbringen; dies stellt allerdings zumeist
einen derart hohen (sowohl technischen als auch finanziellen und konservatorischen) Aufwand dar,
dass es normalerweise nicht als effiziente Erhaltungsmaßnahme betrachtet wird. Einzelbefunde
werden daher bei ihrer Entdeckung mit invasiven Methoden ebenso wie durch die ebenfalls invasive
Bergung (ohne entsprechende Berücksichtigung des Befundes) von in ihnen enthaltenen beweglichen
Kleinfunden (z.B. bei unsachgemäßen Grabungen in Folge von Metallsuchen) regelhaft wenigstens
stark beschädigt, wenn nicht sogar vollständig zerstört.
Ihre physische Erhaltung im herkömmlichen Sinn – d.h. ihre weitgehend unveränderte Erhaltung als
Originalobjekt in situ – und ihre Erforschung mit invasiven Methoden, insbesondere der primären
archäologischen Feldforschungsmethode, der systematischen, flächenmäßigen, vollständigen
Ausgrabung bis zum ungestörten „gewachsenen“ Untergrund, schließen einander also zwingend
gegenseitig aus. Will man also Einzelbefunde erforschen, um das in ihnen steckende wissenschaftliche
Erkenntnispotential tatsächlich (vollständig) auszuschöpfen, kann man sie nur durch Dokumentation
145
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
der bei ihrer Zerstörung beobachteten, als archäologisch relevant betrachteten Informationen
erhalten, nicht hingegen in situ (siehe dazu auch Hebert 2018).
Der „ungestörte Befund“ gilt gegenwärtig in der Archäologie und archäologischen Denkmalpflege als
wichtigste archäologische Informationsquelle. In einschlägiger Fachliteratur lässt sich regelhaft als
Erklärung, weshalb es überhaupt archäologische Denkmalschutzvorschriften und insbesondere
gesetzliche NFG-Pflichten geben muss, die Erläuterung finden, dass Bodendenkmäler ihren
wissenschaftlichen Aussagewert „nur bei ungestörtem Befund“ (Kriesch et al. 1997, 25) entfalten
würden; und daher unsachgemäß aus ihrem ungestörten Befund ex situ extrahierte bewegliche
Kleinfunde „allenfalls noch Antiquitäten“ seien, die „für die Forschung kaum noch zu verwenden und
nur noch von geringer Bedeutung“ (ibid., 26) sind. Die gleiche Bewertung findet sich auch in
Fachliteratur zur Grabungsdokumentation, insbesondere bezüglich der bei unterschiedlichen
Subtypen beweglicher Kleinfunde erforderlichen Dokumentationsgenauigkeit. So unterscheidet z.B.
Gersbach (1998, 43-6) in seinem einführenden Standardwerk Ausgrabung heute die folgenden 5
Typen von beweglichen Kleinfunden:
1.
2.
3.
4.
5.
Kleinfunde von besonderer Qualität
Stratigrafisch bedeutsame Kleinfunde
Kleinfunde von geringerer stratigrafischer Qualität
Kleinfunde aus Pfostengruben und sonstigen Störungen
Streufunde
Von diesen sind laut Gersbach (1998, 44-6) Funde der ersten beiden Typen dreidimensional
einzumessen, auf Planzeichnungen punktgenau zu markieren und mit einer Einzelfundnummer zu
versehen; Funde vom Typ 3 nur nach kleinen Flächenabschnitten pro Einzelbefund zu registrieren und
– vorausgesetzt mehrere finden sich in einer bestimmten Flächeneinheit in einem Einzelbefund – mit
einer Sammelfundnummer zu versehen; Funde des vierten Typs überhaupt nur nach Flächenabschnitt
oder Einzelbefundzugehörigkeit zu registrieren und mit einer Sammelfundnummer zu versehen; und
Funde des letzten Typs überhaupt nur nach größeren Flächenabschnitten wie z.B. Grabungsflächen
und Tiefenabschnitten und gegebenenfalls (falls noch nach der inzwischen hochgradig veralteten
Planumsmethode gegraben wird; siehe dazu Wheeler 1954, 51-4) auch nach Plana zu unterscheiden
und mit einer Sammelfundnummer zu verzeichnen. Dieser variablen Dokumentationsgenauigkeit liegt
dasselbe Prinzip der besonderen wissenschaftlichen Bedeutung des stratifizierten und daher durch
dokumentierte Zusammengehörigkeit mit „seinem“ ungestörten Befund kontextualsierten
beweglichen Kleinfundes zugrunde.
Obgleich somit die „ungestörten“ Einzelbefunde die wissenschaftlich wichtigste archäologische
Informationsquelle sind, ist dennoch die Wahrscheinlichkeit, dass aus jedem beliebigen Einzelbefund
an sich, d.h. aus ihm selbst alleine, bedeutende archäologische Erkenntnisse gewonnen werden
können, nicht anders als bei einzelnen beweglichen Kleinfunden verschwindend gering. Nicht nur gilt
beim Einzelbefund gleichermaßen wie bei einzelnen beweglichen Kleinfunden, dass diese nur durch
Betrachtung im (ob nun synthetischen oder analytischen) Vergleich mit (idealerweise vielen) anderen
vergleichbaren Einzelbefunden zu bedeutenden wissenschaftlichen Erkenntnissen führen können; es
kommt beim Einzelbefund noch dazu, dass seine Bedeutung als wissenschaftliche Forschungsquelle
überhaupt nicht realisiert und schon gar nicht bestimmt werden kann, ehe der Einzelbefund nicht
durch Ausgrabung wissenschaftlich untersucht und somit zerstört worden ist. Letzteres gilt
wenigstens so lange, als wir nicht auf zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden zurückgreifen
können, die eine dreidimensionale Analyse von noch im Boden befindlichen Sachen im
Nanometerbereich samt Bestimmung der physikalischen und chemischen Eigenschaften jedes
einzelnen, derart kleinen Bodenpixels gestatten. Von derartigen Untersuchungsmethoden können wir
146
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
derzeit jedoch noch nicht einmal träumen, geschweige denn, dass sie in absehbarer Zeit verfügbar
werden dürften.
In der Regel braucht man also auch von unbeweglichen Einzelbefunden (samt der in ihnen enthaltenen
beweglichen Kleinfunde), um die Möglichkeit zu wahren, bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse
aus größeren Befundmengen abzuleiten, primär nur möglichst genaue Information über als
archäologisch relevant betrachtete Eigenschaften des Einzelbefundes (wie z.B. die als relevant
erachteten archäologischen Informationen über die in ihm enthaltenen beweglichen Kleinfunde); d.h.
neuerlich die Information, die man auch durch die Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG bekommt,
wenn die, die solche Sachen finden, auch tatsächlich einigermaßen verlässlich im Stande sind die
Befunde auch zu bemerken und korrekt zu dokumentieren und sich (wenigstens einigermaßen häufig)
an die Fundmeldepflicht halten (siehe dazu aber Karl 2019c). Zusätzlich kann man eventuell – z.B. für
materialkundliche Untersuchungen – auch noch ein repräsentatives Sample der primären Substanz
des Einzelbefundes (d.h. des Materials, aus dem die Teile von ihm bestehen, die sich nicht als
bewegliche Kleinfunde deutlich vom Rest seiner Substanz unterscheiden) brauchen, d.h. eine
Bodenprobe, die neuerlich in z.B. einer musealen Sammlung entsprechend deren Sammlungsstrategie
archiviert (Karl 2015; 2016c) bzw. mehr oder minder unmittelbar verarbeitet werden kann; d.h. alle
ihre derzeit signifikant erscheinenden Eigenschaften durch naturwissenschaftliche Untersuchungen
bestimmt werden.
Generalisierend kann man also festhalten, dass auch unbeweglichen Einzelbefunden an sich in der
Regel nicht derartige wissenschaftliche Bedeutung zukommen kann, dass an ihrer physischen
Erhaltung tatsächlich ein öffentliches Interesse bestehen könnte, das über die Archivierung der bei
ihrer Untersuchung aufgezeichneten, als archäologisch relevant erachteten Eigenschaften und
gegebenenfalls die Sammlung von Bodenproben durch einschlägige Sammlungen öffentlicher Museen
hinausgeht. Wenn überhaupt, kann also nur ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung durch
(möglichst) sachgerechte Dokumentation bestehen, um möglichst viele möglicherweise relevante
Informationen über sie dauerhaft erhalten zu können, die für spätere wissenschaftliche Forschungen
nützlich sein können.
Auch das entspricht im Prinzip der derzeitigen archäologischen Denkmalpflegepraxis, wenigstens in
Österreich, in der für unbewegliche Einzelbefunde das Gleiche wie für bewegliche Kleinfunde Gesagte
gilt: soweit ich weiß, hat das BDA in den 96 Jahren, die es nun die Bestimmungen des DMSG vollzieht,
kaum einen unbeweglichen Einzelbefund als Einzelobjekt durch einen eigenen Rechtsakt unter
Denkmalschutz gestellt, obwohl auch das rechtlich immer möglich gewesen wäre. Daraus lässt sich
ebenfalls ableiten, dass das BDA unbewegliche Einzelbefunde niemals als Denkmale iSd § 1 Abs. 1
DMSG erachtet (hat), sondern sich auch bei Einzelbefunden nur der extrem schwammigen Definition
des Bodendenkmalsbegriffes in § 8 Abs. 1 DMSG igF bedient, um im Bedarfsfall so tun zu können, als
ob durch die Suche zum Zwecke ihrer Entdeckung die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ausgelöst
würde.
Typ 3: zusammenhängende Befundkomplexe (samt allen ihrer Bestandteile) bzw. Stratifikationen
Der dritte für unsere Fragestellung meiner Meinung nach relevante Typ archäologischer Sachen ist der
des zusammenhängenden Befundkomplexes (samt aller seiner Bestandteile, d.h. der ihn ergebenden
Einzelbefunde und der in diesen enthaltenen beweglichen Kleinfunde) bzw. der Stratifikation.
Zusammenhängende Befundkomplexe stellen ebenfalls archäologische Sachen dar, die herkömmlich
von der archäologischen Denkmalpflege als „Bodendenkmale“ betrachtet und daher als potentiell
denkmalschutzrechtlich relevant erachtet werden; sind aber logischerweise noch deutlich seltener als
Einzelbefunde, aus denen sie sich ja überhaupt erst zusammensetzen.
147
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
Ein solcher zusammenhängender Befundkomplex kann z.B. ein einzelnes Grab sein (bestehend aus der
Bestattung und ihren Beigaben selbst, allfälligen Überresten organischer, inzwischen verwester
Bestandteile der Grabausstattung bzw. Grabarchitektur wie Holzmobiliar im Grab, Auskleidung mit
Textilien oder Fellen bzw. Leder, Reste von Sarg oder Grabkammer, verschiedener Verfüllschichten
eines allfälligen Grabschachtes und einem möglicherweise weiter stratifizierten Überbau des Grabes
wie z.B. ein aufgeschütteter Grabhügel sowie allfällig vorkommenden späteren, sich als eigene
Schichten fassen lassender Störungen wie z.B. durch Beraubungsversuche) oder auch ein
Siedlungsobjekt wie z.B. eine abseits anderer Bauten errichtete Grubenhütte (bestehend z.B. aus
getrampeltem Lehmestrich, Bodensediment von unter einem ehemaligem Holzboden, den verwesten
Überresten dieses Bodens und eventuell auch von Wandverschalungen, Resten von organischen
Einrichtungsgegenständen und während der Benutzung und im Verfall eingebrachtem Verfüllmaterial,
eventuell verwesten Resten eingestürzter Bausubstanz der Decke und/oder eines allfälligen Daches
sowie verschiedenen Verfüllschichten und allfälligen spätere Störungen) oder auch die komplexe
horizontale und vertikale Stratifikation aus unzähligen Bau- und Planierungsphasen in einem lange
besiedelten Stadtkern. Kennzeichnend für einen solchen zusammenhängenden Befundkomplex ist es,
dass tatsächlich jeweils archäologisch relevante Einzelbefunde unmittelbar aneinandergrenzen und
somit eben eine zusammenhängende archäologische Stratifikation des Bodens darstellen.
Kennzeichnend für zusammenhängende Befundkomplexe ist jedenfalls, dass sich in ihnen sowohl die
verschiedenen Einzelbefunde, aus denen sich der zusammenhängende Befundkomplex
zusammensetzt, untereinander als auch deren Zusammenhang in einem größeren Befundkomplex
jeweils gegenseitig weitere Kontexte geben.
Auch bezüglich der zusammenhängenden Befundkomplexe gilt, dass sie bei der Einzelfallbetrachtung
eine begrenzte, sich nicht regenerierende, bei der generalisierenden Gesamtbetrachtung hingegen
eine unbegrenzte, sich stetig regenerierende Ressource sind; es gelten hier die gleichen
Einschränkungen wie schon bei den beiden zuvor diskutierten Typen. Zusammenhängende
Befundkomplexe sind nun ihrerseits mengenmäßig deutlich seltener als Einzelbefunde. Zwar bestehen
die meisten Fundstellen aus mehreren, wenn nicht sogar vielen, separaten zusammenhängenden
Befundkomplexen (wie z.B. ein Gräberfeld normalerweise aus räumlich voneinander getrennten
Gräbern), es gibt aber auch – wenn auch vergleichsweise selten – zusammenhängende
Befundkomplexe, die für sich eine einzelne Fundstelle (dazu gleich Typ 4) ausmachen. Es ist also davon
auszugehen, dass es in Österreich – wo das BDA wie bereits mehrfach erwähnt bis zu ca. 50.000
Fundstellen kennt (Farka 2008, 10; Picker et al. 2016, 285), was vermutlich nur einen recht kleinen
Anteil von sicherlich nicht mehr als ca. 20% (Stäuble 2012, 19-9), wahrscheinlich sogar nur ca. 2% (Karl
2019b, 6), aller tatsächlich existierenden Fundstellen darstellt – wenigstens viele hunderttausende,
wenn nicht sogar ein paar Millionen oder vielleicht sogar ein paar zehn Millionen zusammenhängende
Befundkomplexe gibt.
Im Gegensatz zu Einzelbefunden kann man die wissenschaftliche Bedeutung insbesondere größerer,
zusammenhängender Befundkomplexe eventuell auch schon dann beurteilen, wenn diese nicht
komplett ausgegraben worden sind. Man kann sie also potentiell auch schon auf Basis ihrer teilweisen
Ausgrabung bzw. eventuell sogar genauen Untersuchung mit zerstörungsfreien Methoden in Hinblick
auf ihre wissenschaftliche Bedeutung beurteilen und, sofern es wenigstens wahrscheinlich ist, dass
ihre Bedeutung derart beschaffen sein könnte, dass durch sie bedeutende wissenschaftliche
Erkenntnisse gewonnen werden könnten, auch tatsächlich unter Denkmalschutz stellen.
Gerade größere, zusammenhängende Befundkomplexe können auch tatsächlich im Einzelfall dazu
geeignet sein, aus ihnen bedeutendere wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, auch wenn die
generelle Wahrscheinlichkeit dafür noch nicht besonders hoch ist. Dies liegt daran, dass sie zwar
148
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
regelhaft aus wenigstens mehreren, miteinander zusammenhängenden Einzelbefunden bestehen und
daher oft eine bedeutend höhere Menge an kontextueller Information enthalten als diese jeweils
allein für sich, meist aber noch nicht aus besonders vielen. Nachdem die Wahrscheinlichkeit, dass man
aus archäologischen Sachen bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen kann, aber in
erster Linie davon abhängt, wie sehr man einzelne Sachen in Zusammenhang mit anderen,
vergleichbaren Sachen stellen kann, ist eine archäologische Sache (oder Sachgesamtheit, wenn man
einen zusammenhängenden Befundkomplex bereits als eine solche betrachten will), die aus (mehr
oder minder vielen) voneinander unterschiedlichen Teilen besteht, jedenfalls wahrscheinlicher zur
Gewinnung bedeutender archäologischer Erkenntnisse geeignet als eine, die aus wenigen solchen
unterschiedlichen Teilen besteht oder sogar eine einzelne Sache ist. Nachdem aber viele, wenn nicht
sogar die überwältigende Mehrheit aller zusammenhängenden Befundkomplexe zwar aus mehreren,
aber nicht unbedingt sehr vielen, solchen unterschiedlichen Teilen bestehen, ist die generelle
Wahrscheinlichkeit, dass sich aus ihnen bedeutende Erkenntnisse gewinnen lassen, immer noch
relativ gering.
Es ist daher davon auszugehen, dass man zusammenhängende Befundkomplexe nur unter
besonderen Umständen unter Denkmalschutz stellen kann; d.h. wenn besonders starke Hinweise
darauf vorliegen, dass der konkret betroffene Befundkomplex wirklich besonders komplex stratifiziert
ist und daher die Wahrscheinlichkeit, dass aus ihm besonders bedeutende wissenschaftliche
Erkenntnisse gewonnen werden können, außergewöhnlich hoch ist. Um das überhaupt zu
ermöglichen, bedarf es vermutlich einer explizierten Forschungs- bzw. Unterschutzstellungsstrategie,
aus der sich ableiten lässt, welche Arten von zusammenhängenden Befundkomplexen (z.B.
Befundkomplexe welcher Zeitstellung, materialkulturellen Gruppenzugehörigkeit, welches
mutmaßlichen Funktionstyps etc.) deshalb besondere Bedeutung zukommen könnte, weil in dem
Bereich, über den sie Informationen liefern könnten, derzeit aus wissenschaftlicher Sicht
bedeutendere Wissenslücken bestehen, die durch die derzeitige oder zukünftige Erforschung von
zusammenhängenden Befundkomplexen der betreffenden Art wahrscheinlich gefüllt werden können
bzw. diese dafür notwendig sind, diese Wissenslücken überhaupt füllen zu können. Wie eine solche
Forschungsstrategie aussehen kann, kann man sich z.B. an britischen Beispielen ansehen, so z.B. der
aktuellen walisischen Forschungsstrategie (http://www.archaeoleg.org.uk/intro.html [17.10.2017]).
Generalisierend kann man also festhalten, dass zusammenhängenden Befundkomplexen nur in
Ausnahmefällen und nur wo das durch eine etablierte Forschungs- bzw. Unterschutzstellungsstrategie
unterstützt wird derartige wissenschaftliche Bedeutung zukommen kann, dass an ihrer physischen
Erhaltung tatsächlich ein öffentliches Interesse bestehen könnte. Soweit ihre Erforschung betroffen
ist, sind natürlich dennoch alle bei ihrer Untersuchung aufgezeichneten, als archäologisch relevant
erachteten, Informationen zu archivieren und gegebenenfalls relevante Kleinfunde und Bodenproben
in einschlägigen Sammlungen, z.B. öffentlicher Museen, so dauerhaft als möglich zu erhalten. Ein
öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung in situ kann also zwar in Ausnahmefällen bestehen;
insbesondere, wenn ein zusammenhängender Befundkomplex gleichzeitig auch eine einzelne
Fundstelle ist; in der überwiegenden Mehrheit aller Fälle besteht ein öffentliches Interesse nur an
ihrer Erhaltung durch (möglichst) sachgerechte Dokumentation, um möglichst viele möglicherweise
relevante Informationen über sie dauerhaft erhalten zu können, die für spätere wissenschaftliche
Forschungen nützlich sein können.
Auch das entspricht im Prinzip der derzeitigen archäologischen Denkmalpflegepraxis, wenigstens in
Österreich: einzelne zusammenhängende Befundkomplexe wurden wohl auch schon in der
Vergangenheit in seltenen Einzelfällen unter Denkmalschutz gestellt; aber zumeist nur dann, wenn sie
gleichzeitig auch eine einzelne Fundstelle darstellen bzw. als solche betrachtet werden können.
149
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
Daraus lässt sich ableiten, dass das BDA zusammenhängende Befundkomplexe in der Regel nicht als
Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG erachtet (hat) und daher auch für den Durchschnittsbürger nicht
offenkundig ist, dass sie den Beschränkungen des DMSG unterliegen könnten; d.h. sie eigentlich auch
nicht als Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG igF samt dessen Rechtsfolgen betrachtet und behandelt
werden können. Dass es sich bei einem konkreten, zusammenhängenden Befundkomplex um ein
Denkmal handelt, das den Bestimmungen des DMSG unterworfen wird, wird also frühestens dadurch
offenkundig, dass es tatsächlich durch einen eigenen Rechtsakt unter Denkmalschutz gestellt wurde
und dies auch öffentlich in geeigneter Weise bekannt gemacht worden ist.
Typ 4: zusammengehörende Befundkomplexe (vulgo: Fundstellen bzw. Fundplätze)
Der vierte für unsere Fragestellung meiner Meinung nach relevante Typ archäologischer Sachen ist
der des zusammengehörenden Befundkomplexes (inklusive aller zugehörigen zusammenhängenden
Befundkomplexe,
Einzelbefunde
und
beweglichen
Kleinfunde).
Zusammengehörende
Befundkomplexe, gewöhnlich im Fachjargon als Fundstellen bzw. Fundplätze bezeichnet, stellen eine
vergleichsweise seltene Art archäologischer Sachen dar, die herkömmlich von der archäologischen
Denkmalpflege als „Bodendenkmale“ betrachtet und daher als potentiell denkmalschutzrechtlich
relevant erachtet werden. Zieht man die neuesten Richtlinien für archäologische Maßnahmen des BDA
heran, ist sogar davon auszugehen, dass das BDA – wenn es nicht gerade versucht, MetallsucherInnen
wegen angeblich gem. § 11 Abs. 1 DMSG bewilligungspflichtigen Nachforschungen zum Zwecke der
Entdeckung von Bodendenkmalen strafrechtlich zu belangen – eigentlich nur Fundstellen im Sinne der
hier erstellten Typologie möglicherweise denkmalschutzrelevanter archäologischer Sachen als
„Bodendenkmale“ betrachtet (BDA 2018, 2).
Zusammengehörende Befundkomplexe bzw. Fundstellen (ab sofort wird wieder primär der Begriff
Fundstelle dafür verwendet) unterscheiden sich von zusammenhängenden Befundkomplexen
maßgeblich dadurch, dass zwischen den an einer Fundstelle vorhandenen Befunden (ob diese nun
Einzelbefunde oder zusammenhängende Befundkomplexe sind) ein unmittelbarer archäologischer
Sinnzusammenhang besteht, ohne dass unbedingt auch ein physischer Zusammenhang zwischen allen
die Fundstelle ausmachenden Einzelbefunden und/oder zusammenhängenden Befundkomplexen
bestehen muss. So ist z.B. ein Gräberfeld ein in einem archäologischen Sinnzusammenhang stehender,
zusammengehörender Befundkomplex, ohne dass deshalb jedes zu ihm gehörende Grab unmittelbar
oder indirekt an alle zu dem Gräberfeld gehörenden Gräber und sonstigen archäologischen Überreste
(wie eventuell einer Abgrenzung des Gräberfeldes zum Umland durch eine Friedhofsmauer oder
sonstige ehemalige Baustruktur, einer oder mehrerer mit dem Bestattungsritus in Verbindung
stehenden archäologischen Strukturen wie z.B. Verbrennungsplätzen oder einer Friedhofskirche oder
-kapelle etc.) angrenzt. D.h. es besteht zwar zwischen den einzelnen Bestandteilen des Gräberfeldes
keine direkte Verbindung, die Bestandteile sind also nicht zusammenhängend, aber dennoch ein
archäologischer Sinnzusammenhang: die Gräber wurden dort, wenn auch getrennt voneinander,
angelegt, weil das Gräberfeld eben der Friedhof für eine bestimmte Gemeinschaft von Leuten war,
und gehören daher zusammen. Das gleiche gilt auch für die meisten Siedlungsfundstellen, bei denen
zwar die einzelnen Gebäude und sonstigen zur Siedlung gehörenden Überreste ehemaliger
Baustrukturen durchaus durch „archäologieleere“ Freiräume voneinander getrennt sein können, aber
trotzdem in einem archäologischen Sinnzusammenhang stehen, also ebenfalls zusammengehören.
Von den Fundorten von beweglichen Kleinfunden und auch von Einzelbefunden unterscheiden sich
Fundstellen im hier verwendeten Sinn also normalerweise dadurch, dass diese Kleinfunde und
Einzelbefunde nicht mit anderen archäologischen Sachen in ihrer näheren Umgebung in einem
signifikanten Sinnzusammenhang stehen; auch wenn man natürlich umgangssprachlich auch den Ort,
an dem ein beweglicher Kleinfund, Einzelbefund oder auch zusammenhängender Befundkomplex
150
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
gefunden wurde, als Fundstelle bezeichnen kann. Tatsächlich mögen auch einige wenige Fundstellen,
die dem BDA bekannt sind, nicht mehr als der Fundort eines einzelnen beweglichen Kleinfundes oder
eines Einzelbefundes sein; aber die überwältigende Mehrheit ist es sicher nicht, sondern wenigstens
ein zusammenhängender Befundkomplex, wenn nicht – und zwar vermutlich immer noch in der
überwiegenden Mehrheit aller Fälle – ein zusammengehörender Befundkomplex.
Davon sind also dem BDA in Österreich derzeit wohl etwa 20.000 bis 50.000 bekannt (Farka 2008, 10;
Picker et al. 2016, 285). Tatsächlich geben dürfte es aber deutlich mehr. Aus Schäubles (2012, 18-9)
Arbeit über die Situation in Sachsen lässt sich ableiten, dass selbst in einigermaßen gut durch die
archäologische Landesaufnahme vorerfassten Regionen die Anzahl der zuvor bekannten Fundstellen
durchschnittlich nur 20% der bei Großbauprojekten tatsächlich entdeckten Fundstellen ausmacht.
Österreich kennzeichnet sich in der archäologischen Denkmalpflege, wie schon weiter oben erwähnt
wurde, gerade dadurch, dass eine systematische archäologische Landesaufnahme niemals auch nur
wirklich in Angriff genommen, geschweige denn abgeschlossen, wurde. Es ist also zu vermuten, dass
in Österreich das prozentuelle Verhältnis zwischen bereits bekannten und noch unbekannten
Fundstellen noch deutlich schlechter ist.
Das lässt sich auch durch einen Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeigen. Vergleicht man
die Anzahl der in Österreich (bei einer Landesfläche von 83.879 km2) dem BDA bekannten 52.000
Fundplätze (Farka nennt für 2008 für die Digitalisierung der Fundstellendatenbank 48.493 Fundplätze,
was einen Erfassungsgrad von 96% dargestellt hat; Farka 2008, 10; Picker et al. 2016, 285 nennen nun
aber nur noch 19.550 datenbankmäßig erfasste Fundstellen; wie dieser massive Rückgang erklärbar
ist, bleibt unklar) mit denen, die Denkmalämtern in anderen Ländern bekannt sind, z.B. in
Brandenburg ca. 48.000 (http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1547791 [8.2.2017], bei einer
Landesfläche von 29.479 km2), Niedersachsen mit etwa 124.000 (pers. Mitt. Dr. Markus C. Blaich,
Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, 31.8.2017; bei einer Landesfläche von 47.614 km2),
oder in Wales ca. 100.000 (http://www.cofiadurcahcymru.org.uk/arch [8.2.2017] bei einer
Landesfläche von 20,779 km2), zeigt sich, dass in Österreich deutlich weniger Bodendenkmale pro
Quadratkilometer bekannt sind als in diesen anderen Ländern (Österreich: 0,62 [bzw. sogar nur 0,23];
Brandenburg: 1,63; Niedersachsen: 2,60; Wales: 4,81). Andere konkrete Gründe als das Fehlen einer
systematischen archäologischen Landesaufnahme sind aber nicht erkennbar, die diese Unterschiede
erklären könnten.
So z.B. lässt sich nicht argumentieren, Österreich sei ja Großteils hochalpines und daher immer schon
siedlungs- und nutzungsunfreundliches Gelände und daher gäbe es deutlich weniger archäologische
Fundstellen als anderswo; denn in Bezug auf die Siedlungs- und Nutzungsunfreundlichkeit der
Landschaft gleichen sich Österreich und Wales wie ein Ei dem anderen, mit betroffenen jeweils ca.
60% der Landesfläche. Auch in Bezug auf die jeweilige Besiedlungsgeschichte ist Österreich Wales
voraus: die menschliche Besiedlung beginnt früher, die Sesshaftwerdung des Menschen beginnt
früher, etc. Aber einen wesentlichen Unterschied gibt es: in Wales ist seit 1907 die Royal Commission
on the Ancient and Historic Monuments of Wales (RCAHMW) mit der archäologischen
Landesaufnahme befasst, die stets für ein Land von etwa einem Viertel der Fläche Österreichs
durchschnittlich mehr akademische Mitarbeiter für ausschließlich diese Aufgabe beschäftigt hat als
das BDA insgesamt für alle archäologischen Denkmalpflegeaufgaben. Selbst in Wales findet man aber
bei Großbauvorhaben normalerweise immer noch mehr als doppelt so viele Fundstellen, als davor
bekannt waren (Karl 2019b, 6).
Man kann also auf Basis dieser Vergleichswerte schätzen, dass in Österreich dem BDA gerade einmal
höchstens ein Zehntel, wenn nicht sogar nur etwas über 2%, aller tatsächlich vorhandenen Fundstellen
bekannt sind. Man muss also davon ausgehen, dass es in Österreich zwischen etwa einer halben
151
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
Million und knapp unter einer Million archäologischer Fundstellen im oben erläuterten Sinn, d.h.
zusammengehörende Befundkomplexe, geben dürfte (Karl 2019b, 6).
Die meisten dieser Fundstellen dürften wenigstens aus zahlreichen, wenn nicht sogar sehr vielen,
Einzelbefunden und zusammenhängenden Befundkomplexen bestehen. In Einzelfällen können sich
Fundstellen auf Flächen von über einem Quadratkilometer ausdehnen, wie z.B. bei großen römischen
Städten wie Carnuntum; viele davon sind aber vermutlich nicht besonders groß. Es ist schwierig, eine
durchschnittliche Fläche anzugeben, weil tatsächlich ja bereits zwei zusammengehörende Gräber
eines nur sehr kurzfristig belegten Gräberfeldes oder auch die Pfosten oder Fundamente eines einzeln
stehenden Hauses eine Fundstelle in diesem Sinn sein können. Um dennoch einigermaßen schätzen
zu können, auf welchem Anteil der österreichischen Landesfläche mit archäologischen Fundstellen zu
rechnen ist, wird hier eine durchschnittliche Fläche von etwa 0.25 ha (ca. 50x50m) angenommen. Geht
man von durchschnittlich ca. 700.000 existierenden Fundstellen in Österreich aus, wären also ca.
175.000 ha oder ca. 1,750 km2 bzw. ca. 2% (± 1%) der österreichischen Bodenfläche archäologische
Fundstellen.
Fundstellen in diesem Sinn sind häufiger gut dafür geeignet, bedeutende wissenschaftliche
Erkenntnisse zu gewinnen. Denn der archäologische Sinnzusammenhang, in dem sie stehen, fügt eine
weitere Ebene der gegenseitigen Kontextualisierung zu den schon zwischen beweglichen Kleinfunden
in und zu ihrem Einzelbefundkontext und Einzelbefunden in und zu ihrem zusammenhängenden
Befundkomplexkontext hinzu. Nachdem in der durchschnittlichen Fundstelle bereits sehr viele
archäologische Informationen, insbesondere über die Beziehungen zwischen den verschiedenen
Bestandteilen der Fundstelle gespeichert sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass aus der Fundstelle
wenigstens irgendwelche nicht-trivialen Erkenntnisse gewonnen werden können – und sei es nur zur
Geschichte der betreffenden Fundstelle selbst – bereits einigermaßen, wenn auch noch nicht
unbedingt besonders hoch.
Es ist daher davon auszugehen, dass man zwar keinesfalls jede Fundstelle unter Denkmalschutz stellen
kann, aber zumindest einen gewissen, als repräsentativ betrachteten, Anteil davon; insbesondere z.B.
wenn bezüglich einer Fundstelle konkrete Hinweise (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/008, 4) darauf
vorliegen, dass sie überdurchschnittlich komplex stratifiziert und daher die Wahrscheinlichkeit, dass
aus ihr besonders bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden können, auch
überdurchschnittlich hoch ist. Solche Hinweise können zweifelsfrei bereits die Ergebnisse
zerstörungsfreier (z.B. geophysikalischer) Untersuchungen sein, die zeigen, dass die
Wahrscheinlichkeit tatsächlich hoch ist, dass die betreffende Fundstelle überdurchschnittlich komplex
stratifiziert ist. Neuerlich bedarf es dabei aber vermutlich einer explizierten Forschungs- bzw.
Unterschutzstellungsstrategie, aus der sich ableiten lässt, welche Arten von Fundstellen (z.B. welcher
Zeitstellung, materialkulturellen Gruppenzugehörigkeit, welches mutmaßlichen Funktionstyps etc.)
deshalb besondere Bedeutung zukommen könnte, weil in dem Bereich, über den sie Informationen
liefern könnten, derzeit aus wissenschaftlicher Sicht bedeutendere Wissenslücken bestehen, die
durch die derzeitige oder zukünftige Erforschung der betreffenden Fundstelle wahrscheinlich
wenigstens teilweise gefüllt werden können; bzw. diese Fundstelle dafür notwendig sein dürfte, diese
Wissenslücken überhaupt füllen zu können.
Generalisierend kann man also festhalten, dass überdurchschnittlich komplexen Fundstellen
wahrscheinlich eine derart beschaffene wissenschaftliche Bedeutung zukommen dürfte, dass ihre
möglichst unveränderte Erhaltung in situ im öffentlichen Interesse gelegen ist; insbesondere, wenn
diese Ansicht durch eine etablierte Forschungs- bzw. Unterschutzstellungsstrategie unterstützt wird.
Wenn sie hingegen erforscht werden, sind jedenfalls alle bei ihrer Untersuchung aufgezeichneten, als
archäologisch relevant erachteten Informationen zu archivieren und gegebenenfalls relevante
152
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Kleinfunde und Bodenproben in einschlägigen Sammlungen, z.B. öffentlicher Museen, so dauerhaft
als möglich zu erhalten. Ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung in situ besteht nicht nur in
seltenen Ausnahmefällen, sondern schon dann, wenn es konkrete Hinweise darauf gibt, dass sie
überdurchschnittlich aussagekräftig sein dürften. Dennoch besteht weiterhin in der Mehrheit aller
Fälle ein öffentliches Interesse nur an einer Erhaltung durch (möglichst) sachgerechte Dokumentation,
um möglichst viele möglicherweise relevante Informationen dauerhaft erhalten zu können, die für
spätere wissenschaftliche Forschungen nützlich sein können.
Auch das entspricht im Prinzip der derzeitigen archäologischen Denkmalpflegepraxis, wenigstens in
Österreich: einzelne Fundstellen wurden und werden unter Denkmalschutz gestellt, wenn sie aus
wissenschaftlichen Gründen überdurchschnittlich bedeutend erscheinen; aber nur ein kleiner Anteil
aller bekannten Fundstellen von ca. 2% (errechnet aus ca. 1.100 von ca. 52.000; Farka 2008, 10; bzw.
ein etwas größerer von etwa 5,5% bei Berechnung mit 19.550, Picker et al. 2016, 285). Zwar wäre eine
höhere Schutzquote für bekannte Fundstellen durchaus wünschenswert – in Wales z.B. stehen ca.
4.000 von etwa 100.000 bekannten archäologischen Denkmalen unter Denkmalschutz (Schofield et al.
2011, 92), also etwa 4% – vor allem, wenn man bedenkt, dass in Österreich nur z.B. etwa ein Achtel
so viele archäologische Fundstellen pro Flächeneinheit bekannt sind wie in Wales; aber im Prinzip
dürfte nur die Unterschutzstellung eines relativ kleinen Prozentsatzes aller tatsächlich existierenden
Denkmale durchaus sinnvoll sein; z.B. (ausgehend von ca. 700.000 tatsächlich in Österreich
existierenden Fundstellen) ca. 10.000-15.000.
Klar ist aber auch hier, dass das BDA zwar Fundstellen in einem geringen Anteil aller Fälle als Denkmale
iSd § 1 Abs. 1 DMSG betrachtet (hat), aber immer noch nur einen derart kleinen Prozentsatz, und
daher für den Durchschnittsbürger immer noch nicht offenkundig sein kann, dass auch ganze
Fundstellen den Beschränkungen des DMSG unterliegen könnten. Auch ganze Fundstellen können
daher eigentlich nicht als Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG igF samt dessen Rechtsfolgen
betrachtet und behandelt werden. Dass es sich bei einer konkreten Fundstelle um ein Denkmal
handelt, das den Bestimmungen des DMSG unterworfen wird, wird also auch frühestens dadurch
offenkundig, dass es tatsächlich durch einen eigenen Rechtsakt unter Denkmalschutz gestellt wurde
und dies auch öffentlich in geeigneter Weise bekannt gemacht worden ist.
Typ 5: zusammengehörende Befundlandschaften
Damit bleibt als fünfter für unsere Fragestellung meiner Meinung nach relevanter Typ archäologischer
Sachen die zusammengehörende Fundlandschaft (inklusive aller dazugehörigen Fundstellen,
zusammengehörigen und zusammenhängenden Befundkomplexe, Einzelbefunde und beweglichen
Kleinfunde). Zusammengehörende Befundlandschaften stellen eine sehr seltene Art archäologischer
Sachgesamtheiten dar und wurden bisher herkömmlicherweise von der archäologischen
Denkmalpflege nicht als „Bodendenkmale“ betrachtet, wenigstens nicht im engeren Sinn, sondern
ihre jeweiligen Bestandteile einzeln und unabhängig voneinander betrachtet und bestenfalls teilweise
als separate Einzeldenkmale unter Denkmalschutz gestellt bzw. im Sinne des aus dem
Umweltschutzbereich kommenden Landschaftsschutzes als Elemente der historisch gewachsenen
Kulturlandschaft betrachtet, ohne dabei notwendigerweise auf archäologische Sinnzusammenhänge
Rücksicht zu nehmen. Einzig UNESCO-Welterbestätten wie z.B. in Österreich die (transnational) als
Weltkulturerbe designierten prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen (http://www.pfahlbauten.at/
[17.10.2017]) und das in Vorbereitung befindliche Weltkulturerbe römischer Limes (siehe
http://www.limes-oesterreich.at/html/ [17.10.2017]) bauen zu guten Teilen auf der Vorstellung einer
archäologischen Befundlandschaft auf.
Zusammengehörende archäologische Befundlandschaften entsprechen in gewissem Sinn
ebensolchen Befundkomplexen, indem sie sich dadurch kennzeichnen, dass zwischen den als
153
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
zusammengehörig betrachteten Fundstellen ein archäologischer Sinnzusammenhang besteht; wie
eben die zum römischen Donaulimes in Österreich gehörenden Fundstellen (und gegebenenfalls auch
dazugehörige zusammenhängende Befundkomplexe, Einzelbefunde und bewegliche Kleinfunde)
dadurch in einem archäologischen Sinnzusammenhang stehen, dass sie als römische
Grenzeinrichtungen entlang der Donaugrenze des römischen Reiches errichtet und genutzt wurden.
Im Gegensatz zu Fundstellen besteht aber zwischen den einzelnen, zu zusammengehörenden
Befundlandschaften gehörenden Fundstellen (etc.) nicht notwendigerweise ein kleinräumiger
Lokalbezug (wie z.B. den zu einem Gräberfeld gehörenden Gräbern und sonstigen Strukturen),
sondern die zusammengehörenden Teile können auch durch bedeutendere Distanzen (eventuell
sogar viele Kilometer) voneinander getrennt sein; auch wenn es wenigstens gewisse Hinweise darauf
gibt, dass es tatsächlich einigermaßen enge Zusammenhänge und Verbindungen zwischen ihnen gab.
Abb. 9: Das Gurgltal zwischen Strad und Dormitz im Luftbild: rot eingetragen sind die Fundstellen römischer Kleinfunde, die
den Verlauf der Via Claudia Augusta markieren (Grabherr 2006, 57 Abb. 20).
So können z.B. eine prähistorische Siedlung und das aller Wahrscheinlichkeit nach zugehörige,
gleichzeitig belegte, aber vielleicht ein, zwei oder sogar mehr Kilometer von ihr entfernte Gräberfeld
154
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
eine zusammengehörende Befundlandschaft darstellen: schließlich sind (wenigstens soweit man das
sagen kann) vermutlich (wenigstens einige der) Menschen, die in der betreffenden Siedlung gelebt
haben, in dem zugehörigen Gräberfeld bestattet worden. Ebenso können z.B. römische Siedlungen
und damit in Verbindung stehende (und diese miteinander verbindende) Straßenverläufe, wie sie z.B.
Gerald Grabherr (2006, 55-9) in seiner Arbeit über die Via Claudia Augusta in Tirol gezeigt hat, eine
solche zusammengehörende Befundlandschaft darstellen. Dabei können die Zusammenhänge, die die
Zusammengehörigkeit verschiedener Teile einer solchen Befundlandschaft darstellen, auch durchaus
(vorwiegend oder ausschließlich) durch bewegliche Kleinfunde und deren nichtzufällige Verteilung in
der weiteren Landschaft angezeigt werden (Grabherr 2006, 57; Abb. 9).
Der weitere Zusammenhang in der Landschaft fügt natürlich eine – und in diesem Fall normalerweise
tatsächlich besonders bedeutende – zusätzliche Kontextualisierungsebene zu den bereits oben
genannten anderen hinzu und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit, dass aus einer
zusammengehörigen Befundlandschaft tatsächlich bedeutende archäologische Erkenntnisse
gewonnen werden können weiter. Nachdem solche zusammengehörigen Befundlandschaften auch
vergleichsweise selten sind – auch wenn sie in manchen Perioden, wie z.B. der römischen Kaiserzeit,
weit häufiger fassbar werden als in anderen Zeitabschnitten – bedarf es zumeist nicht einmal mehr
einer explizierten Forschungs- bzw. Unterschutzstellungsstrategie, um davon ausgehen zu können,
dass solche Befundlandschaften tatsächlich von derart besonderer wissenschaftlicher Bedeutung sind,
dass an ihrer Erhaltung in situ ein öffentliches Interesse besteht.
Es ist daher davon auszugehen, dass man wenigstens sehr viele, wenn nicht sogar alle fassbaren
zusammengehörigen Befundlandschaften unter Denkmalschutz stellen kann. Eine konkret explizierte
Forschungs- bzw. Unterschutzstellungsstrategie kann zwar – insbesondere wenn es um die Frage geht,
ob in Zeitabschnitten, aus denen sich noch vergleichsweise viele solche zusammengehörigen
Befundlandschaften erhalten haben, tatsächlich nicht eine Selektion bestimmter,
überdurchschnittlich gut erhaltener Befundlandschaften für eine Unterschutzstellung heranzuziehen
ist, während die weniger gut erhaltenen guten Gewissens zur unbeschränkten Untersuchung
freigegeben werden können – zwar durchaus nützlich sein, um hier gut begründete Entscheidungen
treffen zu können, ist aber nicht unbedingt erforderlich. Generalisierend kann man also festhalten,
dass zusammengehörige Befundlandschaften normalerweise eine derart beschaffene
wissenschaftliche Bedeutung zukommen dürfte, dass ihre möglichst unveränderte Erhaltung in situ im
öffentlichen Interesse gelegen ist; es sei denn, es gibt von einer bestimmten Art von Befundlandschaft
tatsächlich so viele, dass es unnötig erscheint, alle davon auf diese Weise zu erhalten.
Das entspricht nun aber der derzeitigen archäologischen Denkmalpflegepraxis nicht, wenigstens nicht
in Österreich: zusammengehörige Befundlandschaften wurden und werden in der Regel nicht unter
Denkmalschutz gestellt; sondern bestenfalls einzelne zu einer solchen Befundlandschaft gehörende
Fundstellen. Damit werden aber gerade jene archäologischen Sachgesamtheiten nicht adäquat
geschützt, deren Schutz ihrer aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich besonderen
wissenschaftlichen Bedeutung wegen nun wirklich im öffentlichen Interesse wäre. Hier behindert das
Beharren der traditionellen Denkmalpflege auf der Einzelfallbetrachtung ganz maßgeblich einen
tatsächlich effektiven archäologischen Denkmalschutz: das, was wirklich wichtig zu erhalten wäre,
zerreißt man in einzelne Stückchen, von denen viele jeweils für sich betrachtet nicht erhaltenswert
erscheinen und daher oft auch nicht erhalten werden, und trägt somit zur Zerstörung gerade jener
Zusammenhänge bei, von denen man die meisten und bedeutendsten wissenschaftlichen
Erkenntnisse erwarten könnte.
Natürlich können auch Befundlandschaften nicht als Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG verstanden
werden, um das zum Abschluss auch noch anzumerken: der Durchschnittsbürger kann ja, wenn er
155
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
irgendwo in der Landschaft irgendeine einzelne archäologische Sache entdeckt, ohne den zur
Beurteilung archäologischer Sinnzusammenhänge auf Landschaftsebene erforderlichen, besonderen
Sachverstand (und umfassende Kenntnis der relevanten Daten) zu haben, gar nicht wissen, dass das,
was er entdeckt hat, ein kleiner und für sich unbedeutender Bestandteil einer in ihrer Gesamtheit
tatsächlich besonders bedeutenden Befundlandschaft ist. Auch Befundlandschaften müssen daher
unter Denkmalschutz gestellt werden, damit es auch für den Durchschnittsbürger offenkundig ist, dass
dort, wo er vielleicht etwas finden möchte, Teile einer solchen Befundlandschaft vorliegen und er
daher vielleicht doch besser nicht dort, sondern wo anders, nach archäologischen oder anderen
Sachen suchen sollte, die ihn besonders interessieren.
Gleichzeitig ist aber – gerade bei solchen größeren, zusammenhängenden Befundlandschaften – auch
zu bedenken, dass nahezu alle individuellen Eingriffe in den Bestand der Befundlandschaft wenigstens
individuell, wenn nicht sogar in Summe, zumeist weitgehend irrelevant für die Erhaltung der in dieser
Befundlandschaft gespeicherten archäologischen Informationen sind. Schließlich betreffen selbst
Großbauvorhaben – wenn es sich dabei nicht gerade um ein Großbauprojekt wie eine neue Straße
oder Leitungstrasse handelt, das aufgrund der lokalen topografischen Verhältnisse mehr oder minder
genau der Trasse einer Altstraße folgt und deren Überreste daher weitgehend vernichten würde – nur
selten derart große Flächen, dass die archäologischen Sinnzusammenhänge in einer größeren
Befundlandschaft maßgeblich zerstört würden. Es ist daher gerade bei größeren,
zusammenhängenden Befundlandschaften zwar eine Erhaltung von wesentlicheren Bestandteilen der
Befundlandschaft in situ sinnvoll, ihre vollständige Erhaltung in situ aber zumeist weder möglich noch
besonders sinnvoll.
Stattdessen ist eine Kombination aus der Erhaltung von Teilen dieser Befundlandschaften in situ und
die Erhaltung anderer ihrer Teile durch Dokumentation weit sinnvoller; nicht zuletzt auch deshalb,
weil ihre teilweise Erforschung durch Ausgrabung besonders gut zur Beantwortung bedeutenderer
wissenschaftlicher Forschungsfragen geeignet erscheint. Denn letztendlich ist es gerade diese
Erforschung, die es überhaupt erst gestattet, die größere zusammenhängende Fundlandschaft als
Denkmal gesellschaftlich in Wert zu setzen und damit das eigentliche Ziel des archäologischen
Denkmalschutzes (auch im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Valletta-Konvention, Europarat 1992; und Art.
12-14 der Faro-Konvention, Europarat 2005) zu erreichen.
Generalisierte Bedeutungsbestimmungskriterien für die archäologische Denkmalpflege
Geht man an die Beurteilung der Bedeutung archäologischer Sachen in generalisierender Weise und
nicht in Form einer Einzelfallbetrachtung heran, ist es also nicht nur möglich, Kriterien für die
Bedeutungsbestimmung bereits bekannter archäologischer Sachen zu erstellen, sondern sogar
Kriterien, die auch noch gänzlich unbekannte archäologische Sachen abdecken und sich praktisch von
selbst ergeben. Die tatsächliche wissenschaftliche Bedeutung einer konkreten Sache lässt sich nun
einmal im Einzelfall immer nur retrospektiv daraus ableiten, ob sie für die Beantwortung bedeutender
wissenschaftlicher Fragestellungen bedeutend war, was sich unmöglich beurteilen lässt, bevor diese
Erkenntnis nicht erreicht wurde. Bei generalisierender Betrachtung – ausgehend davon, wie
bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse erzielt werden können und wie wahrscheinlich es ist, dass
eine beliebige Sache (bzw. Sachgesamtheit) mit bestimmten Eigenschaften zur Gewinnung einer
solchen Erkenntnis beitragen kann – kann hingegen problemlos vorausschauend beurteilt werden,
welche Eigenschaften eine beliebige Sache haben muss, damit die Wahrscheinlichkeit, dass sie zu
bedeutenden wissenschaftlichen Erkenntnissen beitragen kann, so hoch ist, dass man davon ausgehen
kann, dass ein öffentliches Interesse an ihrer längerfristigen Erhaltung besteht.
156
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Aus der hier erstellten Typologie archäologischer Sachen, die möglicherweise bedeutend sein
könnten, weil sich aus ihnen bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen lassen können,
folgt, dass eine archäologische Sache bzw. Sachgesamtheit umso wahrscheinlicher dazu geeignet ist,
bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse zu ermöglichen, je stärker sie archäologisch
kontextualisiert ist, d.h. je mehr sie in einem bereits erkennbaren archäologischen
Sinnzusammenhang steht. Damit lässt sich prognostizieren, dass eine archäologische Sachgesamtheit,
die (für Fachleute erkennbarer Weise) in einen größeren archäologischen Sinnzusammenhang
eingebettet ist, jedenfalls entweder in situ oder, wenigstens falls das nicht geht, durch Dokumentation
erhaltenswert ist; während eine einzelne archäologische Sache, die kaum oder nicht in einem bereits
erkennbaren archäologischen Sinnzusammenhang steht, keinesfalls in situ erhalten zu werden
braucht sondern es normalerweise völlig ausreicht, wenn jene wenigen essentiellen Informationen
über sie dokumentiert und archiviert werden, die aus gegenwärtiger Sicht für die spätere Forschung
relevant werden könnten.
Dies entspricht der gesetzlich in § 1 Abs. 2 DMSG für das Vorliegen eines öffentlichen
Erhaltungsinteresses an Denkmalen als primäres Kriterium genannten Qualität im Hinblick auf den
österreichischen Kulturgüterbestand in seiner Gesamtsicht. Betrachtet man eben „alle“
österreichischen archäologischen Kulturgüter in ihrer Gesamtheit, d.h. sowohl die bereits bekannten
als auch die noch unbekannt im Verborgenen gelegenen, aber voraussichtlich (noch) tatsächlich
erhaltenen, zeigt sich, dass archäologische Denkmale des Typs 5 aller Wahrscheinlichkeit nach zumeist
von derart beschaffener wissenschaftlicher (geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller)
Bedeutung sein werden, dass ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Soweit archäologische Denkmale des Typs 4 betroffen sind, lässt sich in Hinblick auf deren Qualität
prognostizieren, dass sie zwar durchaus von solcher Bedeutung sein können, dass ihre Erhaltung in
situ im öffentlichen Interesse gelegen sein könnte, allerdings zumeist nicht im öffentlichen Interesse
gelegen ist; während ihre Erhaltung durch Dokumentation wenigstens in den meisten Fällen im
öffentlichen Interesse gelegen ist. Dabei ist die Unterscheidung, ob ein archäologisches Denkmal des
Typs 4 so bedeutend ist, dass seine weitgehend unveränderte Erhaltung in situ im öffentlichen
Interesse gelegen ist, unter Heranziehung einer Forschungs- bzw. Unterschutzstellungsstrategie zu
bestimmen. Diese (regelmäßig oder sogar dauernd zu evaluierende) Strategie – die im Prinzip dem
entspricht, was man in einem Museum im Hinblick auf bewegliche Kleinfunde als dessen
Sammlungsstrategie bezeichnen würde – bestimmt in Hinblick auf die in § 1 Abs. 2 DMSG genannten,
sekundären Kriterien von ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung, welche Arten von
archäologischen Denkmalen des Typs 4 nach derzeitiger Fachmeinung im Hinblick auf den
österreichischen Kulturgüterbestand in seiner Gesamtsicht noch nicht ausreichend häufig unter
Denkmalschutz stehen, um einigermaßen sicherstellen zu können, dass die Beantwortung mutmaßlich
bedeutender wissenschaftlicher Forschungsfragen über die Vergangenheit des Menschen (in
bestimmten Zeiten und Räumen) auch zukünftig möglich sein wird.
Im Wesentlichen dasselbe gilt für archäologische Denkmale des Typs 3, nur, dass bei diesen eine
unveränderte Erhaltung in situ nur in extrem seltenen Ausnahmefällen erforderlich sein dürfte,
während in der Regel ihre Erhaltung durch Dokumentation zu bevorzugen sein wird.
Archäologische Denkmale der Typen 1 und 2 erreichen hingegen mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit niemals eine derartige Qualität (im Hinblick auf ihre wissenschaftliche Bedeutung),
dass ihre unveränderte Erhaltung in situ erforderlich ist. Auch ihre Erhaltung durch Dokumentation ist
in der Regel nur insofern erforderlich, als sie als Hinweise auf das Vorkommen von archäologischen
Denkmalen der Typen 3-5 dienen können; auch wenn natürlich die möglichst vollständige Erhaltung
der in ihnen enthaltenen archäologischen Information durch Dokumentation durchaus immer
157
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
archäologisch wünschenswert ist. Das bedeutet, dass bei archäologischen Denkmalen der Typen 1 und
2 normalerweise die ganz normale Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG genügt, um einen völlig
ausreichenden archäologischen Denkmalschutz zu gewährleisten.
Die Entwicklung einer Forschungs- bzw. Unterschutzstellungsstrategie
Eine generalisierende Betrachtungsweise der Frage, wie man denn nun die Bedeutung von einzelnen
archäologischen Denkmalen unterschiedlicher Art in Hinblick auf den österreichischen
Kulturgüterbestand in seiner Gesamtheit bestimmen kann, führt also – insbesondere, wenn man sie
entsprechend einfach hält – direkt zu den gesetzlich festgelegten Kriterien, die schon derzeit gem. § 1
Abs. 2 DMSG in der Beurteilung exakt dieser Frage zu betrachten sind. Das einzige, was von der
archäologischen Fachwelt in dieser Beziehung – abgesehen von der hier dargestellten
generalisierenden Betrachtung – als Beitrag geleistet werden muss, ist die Bestimmung einer
sinnvollen wissenschaftlichen Strategie, welche archäologischen Denkmale man denn vermutlich
unter
Berücksichtigung
des
bereits
derzeit
bestehenden
Forschungsund
Unterschutzstellungsstandes und derzeit bestehender wissenschaftlicher Wissenslücken bzw. derzeit
noch unbeantworteter Forschungsfragen vor ihrer vorsätzlichen oder auch nur unbeabsichtigten,
nicht ausreichend sachgerecht dokumentierten, Zerstörung durch gegenwärtiges (und auch
zukünftiges) menschliches Handeln (und optimalerweise auch natürliche Gefahren) schützen muss,
indem man die Willkür ihrer Eigentümer, mit ihnen so zu verfahren, wie es diesen gefällt, gewissen
Beschränkungen unterwirft.
Eine solche Strategie, die ja auch zuletzt der Rechnungshof vom BDA vollkommen berechtigt
eingefordert hat (RH 2017, 41-7), hätte das BDA schon längst erstellen sollen und muss nun jedenfalls
dringend entwickelt werden.
Es spricht aber – gerade im Bereich der Archäologie – viel dafür, dass das BDA eine solche Strategie
keinesfalls im Alleingang, sondern in intensiver Kommunikation und unter ernsthafter Konsultation
mit der archäologischen Fachwelt in Österreich (und eventuell sogar über Österreich hinaus, denn
Interessen an der österreichischen Archäologie hat ja nicht unbedingt ausschließlich die
österreichische archäologische Fachwelt) entwickeln sollte; wie das ja auch in anderen Ländern, wo
dies schon geschehen ist (wie z.B. auf den britischen Inseln) der Fall ist. Gerade in Österreich, wo das
BDA weniger als 15 Fachleute beschäftigt, die noch dazu nicht unbedingt bei ihrer Anstellung im
Hinblick auf eine möglichst breit gestreute fachliche Expertise angestellt wurden, sondern aus anderen
Gründen, ist die in der Behörde vorhandene archäologisch-wissenschaftliche Expertise – die zweifellos
vorhanden ist – nicht unbedingt für alle verschiedenen archäologischen Interessensbereiche
gleichermaßen repräsentativ; und kann das auch gar nicht sein: 15 Personen können einfach nicht alle
Unter- und Teilgebiete „der österreichischen Archäologie“ in ihrer Gesamtheit gleichermaßen gut
überblicken, weil es davon viel zu viele gibt und sich das Fach auch viel zu rasch entwickelt.
Noch dazu sind die Beamten im BDA – so kompetent und bemüht sie auch sein mögen; und das sind
sie in ihren jeweiligen Interessensgebieten in der Regel auch durchaus – weder gewohnt noch
eigentlich dafür beschäftigt noch dazu befugt, diese Fragen verbindlich für das Fach in seiner
Gesamtheit zu beantworten. Das ist schon allein deshalb so, weil die Wissenschaft – und daher
natürlich auch die archäologische Wissenschaft – iSd Art. 17 StGG frei ist und es daher letztendlich
allen Menschen, die wissenschaftliche Forschungsinteressen haben, selbst überlassen bleibt, welche
solchen Forschungsinteressen sie haben und wie sie diesen nachgehen wollen. Aufgabe der
archäologischen Fachbeamten im BDA ist es, im Rahmen der ihnen gesetzlich dafür übertragenen
Kompetenzen dafür zu sorgen, dass jene archäologischen Sachen, die für die Beantwortung der
Forschungsfragen wichtig sein dürften, die Wissenschafter in den Forschungsinteressensbereichen,
158
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
die sie interessieren, im Interesse der Allgemeinheit frei erforschen wollen, auch tatsächlich so lange
erhalten bleiben, dass diese Wissenschafter sie auch tatsächlich erforschen können; d.h. im jeweils
konkreten Einzelfall einer bekannt gewordenen oder schon bekannten archäologischen Sache zu
ermitteln, ob diese konkrete Sache eine ist, die diese Voraussetzung erfüllt, oder nicht. Dafür müssen
aber natürlich diese Wissenschafter den Fachbeamten im BDA auch sagen, was sie denn erforschen
wollen, oder was sie glauben, dass zu erforschen wichtig wäre, ob jetzt oder auch erst später, wenn
sie (oder künftige Generationen von Forschern) dazu kommen.
Die Beamten im BDA sind also in diesem Zusammenhang ganz unmittelbar auf die Hilfe und
Unterstützung durch die Fachgemeinschaft angewiesen; eine Hilfe und Unterstützung, die wir als
Fachgemeinschaft jenen unserer KollegInnen, die sich als Beamte im BDA letztendlich zuerst einmal
für uns und unsere Interessen und damit dann mittelbar verbunden die Interessen der Öffentlichkeit
an der Gewinnung bedeutender wissenschaftlicher Erkenntnisse abstrampeln, bisher weitgehend
versagt haben. Denn wir sind es – nicht zuletzt ebenfalls dank unserer positivistischen Prägung als
Wissenschafter – nicht gewohnt, über den Einzelfall und sich ad hoc – oft erst aus der Betrachtung des
Materials selbst – ergebende Forschungsfragen auf das größere Ganze hinauszublicken; und haben
daher bisher nicht oder bestenfalls kaum explizit diskutiert und unseren KollegInnen im BDA daher
auch nicht mitgeteilt, welche wissenschaftlichen Forschungsfragen uns besonders interessieren,
welche offensichtlichen und weniger offensichtlichen Lücken in unserem wissenschaftlichen Wissen
derzeit erkennbar sind und welcher Quellen es bedürfen würde, um diese voraussichtlich in der
Zukunft füllen zu können. Es obliegt also uns als wissenschaftlicher Fachgemeinschaft, das zu ändern,
um dem BDA und den in diesem tätigen Beamten die Hilfestellung und Unterstützung zu geben, die
sie brauchen, um ihre Aufgabe auch tatsächlich sach- und fachgerecht erledigen zu können.
Eine solche Forschungs- und Unterschutzstellungsstrategie sollte also am besten in intensiver
Zusammenarbeit zwischen den Fachbeamten im BDA und der weiteren wissenschaftlichen Fachwelt
entwickelt werden. Dabei wäre es die Aufgabe der Beamten des BDA, den denkmalpflegerischen
Status quo zu bestimmen und in entsprechend aufbereiteter Form der Fachwelt zu präsentieren,
damit diese sehen kann, was nun wirklich schon unter Denkmalschutz steht. Umgekehrt wäre es die
Aufgabe der Fachwelt, den wissenschaftlichen Status quo, insbesondere in Hinblick auf noch offene,
sowohl dringende als auch langfristige, Forschungsfragen und Forschungsinteressensbereiche zu
bestimmen und diesen in entsprechend aufbereiteter Form den Fachbeamten im BDA zu
präsentieren. Denn nur so kann der wissenschaftliche Soll-Zustand mit dem denkmalpflegerischen IstZustand entsprechend abgeglichen und Diskrepanzen zwischen beiden bestimmt werden und damit
die Quellenlücken entdeckt werden, die das BDA durch denkmalpflegerische Schutzmaßnahmen
schließen muss oder wenigstens soll.
Der erste Schritt dafür könnte beim nächsten „runden Tisch Archäologie“ des BDA, ob dies nun der
nächste regelmäßige im Jänner, oder ein außertourlicher aufgrund des akuten Bedarfs ist, gesetzt
werden, indem eine grundlegende Struktur für einen solchen Strukturentwicklungsprozess diskutiert,
geschaffen und auch gleich idealerweise „Themenverantwortliche“ identifiziert werden können
(vergleiche dazu z.B. http://www.archaeoleg.org.uk/intro.html [17.10.2017]), die entweder selbst
Grundlagenpapiere erstellen oder die Erstellung solcher Papiere in einer entsprechenden
InteressentInnengruppe koordinieren. Diese Grundlagenpapiere können dann, bereits vom BDA
abgeglichen mit dem derzeitigen archäologischen Denkmalbestand in Österreich, bei einem
gesamtösterreichischen archäologischen Fachkonvent (idealerweise mit internationaler Beteiligung)
in Interessensgruppen bzw. öffentlich zugänglichen Workshops diskutiert und weiter verfeinert, um
zusätzliche Forschungsfragen und -interessensgebiete erweitert und dann zu einem kollaborativ
erstellten Forschungs- und Unterschutzstellungsstrategiedokument zusammengeführt werden.
159
Der Denkmalwert materieller Hinterlassenschaften der Vergangenheit
Damit wäre dann die wesentlichste Grundlage für eine nicht gegenwartsvergessene und wirklich
zukunftsorientierte archäologische Denkmalpflege geschaffen, die bisher noch absolut fehlt. Wir
würden dann endlich nicht mehr am jeweiligen Einzelfall kleben, den wir immer nur jeweils für sich
betrachten und dessen Bedeutung für zukünftige Forschungen wir gar nicht bestimmen können,
sondern tatsächlich eine Gesamtbetrachtung des österreichischen Kulturgutbestandes vornehmen,
die eine vorausschauende Denkmalpflege überhaupt erst möglich macht.
Und eine solche vorausschauende Denkmalpflege wird dringend gebraucht.
160
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege
Wie soeben ausgeführt, ist es bei einer generalisierenden Betrachtung der Frage, welchen
archäologischen Denkmalen denn nun ein solcher Denkmalwert zukommt, dass ihre möglichst
unveränderte Erhaltung in situ oder wenigstens ihre Erhaltung durch wissenschaftliche
Dokumentation im öffentlichen Interesse gelegen ist, nicht nur möglich, diese Frage bezüglich bereits
bekannter, sondern auch – wenigstens hypothetisch – bezüglich noch unbekannter, noch im Boden
verborgen befindlicher archäologischer Denkmale zu beantworten: schließlich sind, aller
Wahrscheinlichkeit nach, alle Denkmale, die jene Eigenschaften aufweisen, die ihren Schutz im
öffentlichen Interesse gelegen erscheinen lassen, für zukünftige wissenschaftliche Forschungen von
solcher Bedeutung, dass man sie tatsächlich möglichst erhalten sollte; völlig unabhängig davon, ob
man sie schon tatsächlich kennt (und daher unter Denkmalschutz stellen und sie somit wenigstens
innerhalb eines gewissen Rahmens zu erhalten versuchen kann) oder ob man noch nicht einmal weiß,
dass es ein konkretes Denkmal überhaupt gibt.
Es gilt daher bei einer Gesamtbetrachtung des österreichischen Kulturgutbestandes im Hinblick auf
eine tatsächlich zukunftsorientierte Denkmalpflege nicht nur, sich Gedanken über die bereits
bekannten (und daher hoffentlich bereits geschützten) derart bedeutenden archäologischen
Denkmale zu machen. Es gilt vielmehr auch, sich wenigstens Gedanken darüber zu machen, was mit
den aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich existierenden, aber noch gänzlich unbekannten
archäologischen Denkmalen geschehen soll, die man schon allein deshalb nicht durch reaktive
Schutzbestimmungen schützen kann, die nur für geschützte (und daher schon bekannt sein müssende)
archäologische Denkmale gelten. Wir müssen uns nun also der Frage zuwenden, wie man diese noch
gänzlich unbekannten archäologischen Denkmale möglichst effektiv schützen und erhalten kann,
ohne dass man sie zuerst kennen muss. Auch hier muss man anders denken, als wir das bisher
gewohnt sind.
Für die Erforschung durch künftige Generationen
Ein Leitsatz der derzeitigen archäologischen Denkmalpflege in Österreich und Deutschland (und weit
darüber hinaus) ist, dass archäologische Denkmale vorzugsweise in situ erhalten werden sollen, um –
ganz im Sinne des Art. 2 ii der Valletta-Konvention – „die von künftigen Generationen zu
untersuchenden Zeugnisse der Vergangenheit zu erhalten“ (Europarat 1992). Aus diesem Leitsatz
leiten nicht zuletzt die Denkmalamtsjuristen, die Vorschläge für Gesetzestexte verfassen und die
Gesetze nach ihrer Erlassung dann auch gleich selbst kommentieren, um die Auslegungshoheit zu
behalten, die Schlussfolgerung ab, dass „unnötige“ archäologische Nachforschungen zum Schutz der
Denkmalsubstanz möglichst verhindert werden müssen:
„Oberster Grundsatz bei der Entscheidung über eine Nachforschungsgenehmigung ist die
Schonung des Bodendenkmals. Die Vorschrift hat zum Ziel, im öffentlichen Interesse zu
verhindern, dass durch Nachforschungen Denkmalsubstanz vernichtet oder der Erosion
preisgegeben wird“ (Viebrock 2007, 239, Hervorhebung wie im Original; sinngemäß gleich z.B.
in Hönes 1995, 273; Strobl & Sieche 2009, 265; Martin & Krautzberger 2010, 852, 887-889).
Die Gerichte folgen dann gerne auch der damit verbundenen, auf die zitierte Bestimmung der VallettaKonvention abstellenden, Argumentation:
„Das OVG Schleswig [RK: Urteil vom 30.11.1994, Verweis bei Strobl & Sieche 2009, 265] hat die
Überlegung, archäologische Denkmale zu erhalten, um Forschungsmöglichkeiten für künftige
Generationen zu gewährleisten (archäologische Reservate), ausdrücklich für zutreffend
erachtet“ (Strobl & Sieche 2009, 266).
161
Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege
Die Vorstellung, dass archäologische Denkmale idealerweise unverändert in situ erhalten werden
sollten, um sie für die Erforschung durch künftige Generationen mit mutmaßlich besseren zukünftigen
Methoden möglichst im Originalzustand zu erhalten (so z.B. auch Brunecker 2008, 16), ist auf den
ersten Blick auch tatsächlich sinnvoll und vernünftig. Schließlich verändert die Erforschung mit
invasiven archäologischen Forschungsmethoden, d.h. in der Regel Ausgrabungen, zwangsweise die
Denkmalsubstanz: derzeit noch im Boden in ihren ursprünglichen Verhältnissen zueinander gelagerte
Bodenschichten und die in ihnen enthaltenen beweglichen Kleinfunde werden dabei aus ihrer
derzeitigen Lage entfernt und wenigstens teilweise (in Form von Proben und den beweglichen
Kleinfunden selbst) auch dauerhaft aus dem Boden entnommen. Die Wiederherstellung des
„ursprünglichen“ Zustandes ist, selbst bei der bestmöglichen Ausgrabung, daher nicht mehr möglich:
selbst wenn man jede erkannte und entnommene Bodenschicht separat lagert und die Grenzflächen
zwischen verschiedenen Schichten und die Lage der Funde in diesen so exakt als möglich
dokumentiert, sie genauso, wie man sie vorgefunden hat, wieder einzubringen, ist einfach technisch
nicht machbar.
Die derzeit noch im Boden vorhandene Quelle wird also selbst durch die beste, fachgerecht
durchgeführte, archäologische Ausgrabung unwiderruflich verändert und steht damit künftigen
ForscherInnen nicht mehr in der Form zur Verfügung wie dem, der sie (als Erster) ausgegraben hat.
Das Gleiche gilt natürlich noch viel mehr für jede nicht fachgerecht durchgeführte, mit Bodeneingriffen
verbundene, archäologische Nachforschung: bei solchen unsystematischen und nicht den derzeitigen
Standards wissenschaftlicher Dokumentationstechnik entsprechenden Entdeckungsversuchen wird
die noch im Boden befindliche Denkmalsubstanz ebenfalls verändert und dadurch in ihrem
Originalzustand gespeicherte archäologische Information zerstört. Daher ist die einzige Methode, mit
der man tatsächlich absolut sicherstellen kann, dass das betroffene archäologische Denkmal seine
maximale Aussagekraft als Quelle zukünftiger archäologischer Erforschung behält, es tatsächlich
vollkommen unberührt und unverändert in situ im Boden zu erhalten.
Die archäologische Denkmalpflege versteht sich also als auf die Zukunft ausgerichtete Aufgabe. Umso
überraschender und bedenklicher ist es, dass die archäologische Denkmalpflege und die in ihr tätigen,
entscheidungsbefugten Akteure so gut wie nie über die Zukunft nachzudenken scheinen oder gar ihre
Zukunftsvorstellungen explizit artikulieren, wie Cornelius Holtorf und Anders Högberg (2015, 513;
sinngemäß auch schon Rüsch 2004, 4) jüngst ganz richtig bemerkt haben. Selbst wenn KollegInnen
mögliche Zukunftsszenarien andenken (für einen kleinen Überblick samt weiterführenden
Literaturverweisen siehe Holtorf & Högberg 2015, 514), beschäftigen sie sich primär mit der Frage,
welche derzeit von der Denkmalpflege weitgehend bis vollständig ‚vernachlässigten‘ Kategorien von
Sachen, wie z.B. durch Menschenaffen oder Roboter erzeugte Kulturgüter (Spennemann 2007) oder
radioaktiver Atommüll und als Selbstdarstellung gegenüber intelligenten außerirdischen
Lebensformen gedachte, ins Weltall verbrachte, Informationen auf oder in Raumsonden (Holtorf &
Högberg 2015, 515-517), in Zukunft denkmalpflegerische Bedeutung bekommen könnten. Realistische
Zukunftsszenarien, die tatsächlich signifikante Konsequenzen für die gegenwärtige archäologische
Denkmalpflege und deren Praktiken haben, fehlen hingegen so gut wie vollständig; obwohl sie und
auch ihre Explizierung z.B. von Holtorf und Högberg (2015, 519-521) und schon vor 25 Jahren z.B. von
Graham Fairclough (zitiert bei Holtorf & Högberg 2015, 509) eingefordert wurden.
Kompartmentalisiertes denkmalpflegerisches Denken
Gerade was die von der archäologischen Denkmalpflege dogmatisch eingeforderte, wenn auch nicht
völlig unkritisiert gebliebene (siehe z.B. Willems 2012; Karl 2017b), Bevorzugung der „Erhaltung in
situ“ betrifft, fehlen derartige realistische Zukunftsszenarien völlig. Stattdessen wird postuliert, dass
möglichst alle Nachforschungen nach archäologischen Denkmalen inklusive sogenannter
162
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
„Lustgrabungen“ (Viebrock 2007, 241-242; Hönes 1995, 273; sinngemäß auch Strobl & Sieche 2009,
266; Davydov et al. 2016, 248) – d.h. rein zu Forschungszwecken durchgeführte archäologische
Ausgrabungen ohne mehr oder minder akute Gefährdung des betroffenen archäologischen Denkmals
durch andere Ursachen – möglichst verhindert werden sollten, damit diese Denkmale „unverändert“
künftigen Generationen erhalten bleiben.
Dabei baut jedoch die Annahme, dass die Erhaltung in situ tatsächlich die beste aller möglichen
Erhaltungsmethoden ist, auf einer vollkommen unreflektierten – und, wie ich in diesem Kapitel zeigen
werde, höchst unrealistischen und in erster Linie durch archäologisches Schubladendenken
erklärbaren – undefinierten „Zukunftsvorstellung“ auf: auf der Vorstellung, dass man dadurch, dass
man die Veränderung von archäologischen Denkmalen durch mit Bodeneingriffen verbundene (und
oft sogar gänzlich ohne Bodeneingriffe durchgeführte) fachgerechte oder unsachgemäße
Entdeckungsversuche untersagt und damit ihre unmittelbare Zerstörung verhindert, sie damit
tatsächlich – und zwar eben unverändert – für die Zukunft bewahrt.
Die Vorstellung, dass man durch die Verhinderung „unnötiger“ archäologischer Entdeckungsversuche
Schaden an der Substanz von archäologischen Denkmalen vermeidet ist, wie oben gezeigt wurde,
durchaus vernünftig und nachvollziehbar, so lange man nur den durch derartige Nachforschungen
tatsächlich angerichteten Schaden isoliert für sich betrachtet und den weiteren Kontext der
Zerstörung von archäologischen Denkmalen in der Landschaft durch andere Ursachen völlig
ausblendet; also die tatsächliche Sachlage nicht holistisch, sondern kompartmentalisiert betrachtet.
Man denkt dabei nur an den Schaden, der bei der Grabung entstehen würde, und blendet - sozusagen
in einer geistigen Schublade denkend – alle anderen Gefahren, die archäologischen Denkmalen in situ
drohen (können), völlig aus; nimmt also neuerlich eine Einzelfallbetrachtung vor, statt sich
generalisierend mit der relevanten Frage auseinanderzusetzen.
Dabei ist der archäologischen Denkmalpflege grundsätzlich durchaus bewusst, dass Denkmale in situ
auch durch andere Gefahren bedroht werden: sowohl archäologische Denkmalpfleger als auch ihre
Juristen wissen sehr wohl, dass archäologische Denkmale in situ dauernd durch sehr viele äußere
(land-, forst-, bergbau- und bauwirtschaftliche Tätigkeiten, Grundwasserspiegeländerungen, sauren
Regen und andere Schadstoffbelastungen, siehe dazu z.B. Martin & Krautzberger 2010, 851-852) und
zu einem geringeren Maß auch innere Ursachen (den unaufhaltsamen „natürlichen Verfall“ der
Denkmalsubstanz; z.B. Bazil et al. 2015, 16) der Gefahr der Zerstörung ausgesetzt sind. Mehr oder
minder systematische Untersuchungen europäischer Denkmalämter zeigen sogar deutlich, dass die
mit Abstand größte kumulative Gefahr für die Erhaltung von archäologischen Denkmalen in situ die
ganz normale Land- und Forstwirtschaft ist (siehe z.B. Trow et al. 2010; Trow & Holyoak 2014, 56).
Aber diese anderen Gefahren werden, genauso wie von Nachforschungen ausgehenden Gefahren, in
separate Denkschubladen gepackt und nur individuell, jeweils isoliert voneinander, betrachtet:
Da sind z.B. die von Bergbau- und Baumaßnahmen ausgehenden Gefahren. Diese kann man zwar nicht
gänzlich abwenden, aber durch „Rettungsgrabungen“ im Rahmen des Bauprozesses den dadurch an
den betroffenen Denkmalen entstehenden Schaden wenigstens verringern, indem man möglichst
viele der in den in situ zerstört werdenden Denkmalen gespeicherten archäologischen Informationen
und bewegliche Kleinfunde durch systematische archäologische Ausgrabungen birgt. Diese kann man
somit durch Dokumentation und Archivierung dauerhaft bewahren und dadurch für die Erforschung
durch zukünftige Generationen erhalten.
Dann sind da z.B. die von der Land- und Forstwirtschaft ausgehenden Gefahren. Diese kann man noch
weniger abwenden als die von Baumaßnahmen ausgehenden Gefahren, aber wenigstens teilweise
dadurch verringern, dass man manche Bodenflächen z.B. als „Grabungsschutzgebiete“ ausweist und
163
Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege
dann in diesen auch die land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung wenigstens bis zu einem
gewissen Grad einschränken kann. Damit kann man zwar nicht alle, aber wenigstens besonders
bedeutende archäologische Denkmale in situ erhalten; während der an allen anderen
Bodendenkmalen entstehende Schaden einfach als „unvermeidlich“ betrachtet wird, weil man Landund Forstwirtschaft schließlich nicht einfach ganz untersagen kann.
Schließlich gibt es auch noch Gefahren, die gänzlich „unvermeidlichen“‘ Schaden an archäologischen
Denkmalen anrichten, die wieder in eine eigene Denkschublade einsortiert werden. Dazu gehört der
unaufhaltsame „natürliche Verfall“ der Denkmalsubstanz (z.B. Bazil et al. 2015, 16); und auch die
Auswirkungen von Umweltverschmutzung, Veränderungen im Grundwasserspiegel (z.B. Martin &
Krautzberger 2010, 851-852; aber auch schon Kriesch et al. 1997, 27; Planck 1991, 22; etc.) und
natürlich auch die natürliche Bodenerosion, Bioturbation des Bodens, etc. Gegen diese
Zerstörungsursachen kann man bei der vorherrschenden kompartmentalisierten Betrachtungsweise
ganz und gar nichts machen, sondern archäologische Denkmale fallen diesen vollkommen
„unvermeidlich“ zum Opfer.
Man hat in seinem Gedankengebäude also verschiedene Arten von Gefahren bzw. Ursachen von
Denkmalsubstanzverlusten konstruiert, die man jeweils für sich in ihrer gedanklichen Schublade
betrachtet. Für jede davon hat man auch eine gefahrenartspezifische, praktische Gegenmaßnahme
vorgesehen. Mittels dieser glaubt man den entstehenden Schaden idealerweise ganz verhindern oder
wenigstens möglichst minimieren zu können; sofern er geistig nicht als gänzlich „unvermeidlich“
klassifiziert wird. Dabei ist der Schaden, der an der Denkmalsubstanz durch Nachforschungen
entstehen kann, von allen der genannten Schadenskategorien der, den die archäologische
Denkmalpflege am ehesten und am leichtesten gänzlich zu verhindern können glaubt: man muss
schließlich diese Nachforschungen nur möglichst vollständig untersagen und damit ihre Durchführung
möglichst erfolgreich verhindern. Die Untersagung, sofern sie erfolgreich durchgesetzt werden kann,
bewirkt schließlich, dass solche Nachforschungen überhaupt nicht stattfinden und somit durch sie gar
kein Schaden entsteht; also die Zerstörung von Denkmalsubstanz, wenigstens durch diese
Schadensursache, vollständig verhindert wird.
Synchrones denkmalpflegerisches Denken
Diese Schubladisierung – und die damit verbundene Monokausalität von Erklärungen von
Denkmalsubstanzzerstörungen (inklusive der zugehörigen spezifischen Gegenmaßnahme) – ist nur
dadurch erklärbar, dass man – obwohl oder gerade weil man nach außen hin die Erhaltung der
Bodendenkmale für „die Zukunft“ explizit zu seinem Ziel erklärt – über die Zukunft überhaupt nicht
nach-, sondern nur ganz eng gegenwartsbezogen denkt.
Hinzu kommt, dass man, wie schon oben ausgeführt (Seiten 135-158), in der archäologischen
Denkmalpflege über archäologische Denkmale nicht als Klasse von unbestimmten (sozusagen
„theoretischen“) Objekten, also über „die archäologischen Denkmale in ihrer Gesamtheit“, sondern
stets nur „praktisch“ als konkret bestimmte Objekte, also den konkreten Einzelfall, nachdenkt. Objekt
der Überlegungen ist daher stets ein ganz konkret imaginiertes archäologisches Denkmal, z.B. ein
Pfostenloch, und der Zeitrahmen der Überlegung stets ein ganz bestimmter – sozusagen
„vergegenwärtigter“ – Zeitpunkt. Dieser kann zwar durchaus in einer unbestimmten Zukunft angesetzt
sein, bleibt aber dennoch stets nur ein Punkt. Niemals wird hingegen eine von einem bestimmten
(„gegenwärtigen“) Zeitpunkt aus gesehene Zeitspanne, d.h. ein Zeitraum, betrachtet.
Unter einer solchen, streng gegenwärtigen Einzelfallbetrachtung ist die Schubladisierung sowohl
verständlich als auch eine zwingende logische Folge des Denkprozesses. Schließlich kann ein zwar
beliebiges, aber dennoch als konkretes Objekt imaginiertes, Bodendenkmal an einem beliebigen, aber
164
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
gleichen, Zeitpunkt nicht durch mehr als eine Schadensursache (signifikant) zerstört werden. Wird es
gerade archäologisch ausgegraben, kann es nicht gleichzeitig durch Baumaßnahmen zerstört werden,
weil Ausgräber und Bagger nicht gleichzeitig am gleichen Ort arbeiten können. Genauso wenig kann
ein bestimmtes Bodendenkmal gleichzeitig durch bau- und landwirtschaftliche Maßnahmen zerstört
werden, weil dort, wo gerade der Bagger den Boden abgräbt, kann der Bauer nicht pflügen. Das
Gleiche gilt auch bezüglich des „unvermeidlichen“ Verfalls von Denkmalsubstanz: dieser entsteht stets
so langsam, dass er, während eine akute Schäden an der Denkmalsubstanz verursachende,
menschliche Handlung stattfindet, im Vergleich dazu vollkommen vernachlässigbar ist.
Denkt man so – eben streng gegenwarts- und einzelfallbezogen – über die Vermeidung von Schäden
an der Substanz von Bodendenkmalen nach, folgt die Schubladisierung und auch die derzeit
praktizierte Gegenmaßnahmenhierarchie zwingend:
1. Zuallererst einmal ist es notwendig, jedenfalls vermeidbaren Schaden an der
Denkmalsubstanz, der von „unnötigen“ Nachforschungen ausgeht, zu verhindern; denn
schließlich kann man den dadurch verursachten Schaden zu jedem beliebigen gegenwärtigen
Zeitpunkt ganz verhindern.
2. Ist diese Gefahr abgewendet, kann man sich der am nächstbesten zu verringernden Gefahr
zuwenden, die dem archäologischen Denkmal drohen könnte, nämlich seiner Zerstörung
durch Baumaßnahmen. Kann man die Baumaßnahme gänzlich verhindern, erleidet das
Denkmal auch dadurch keinen Schaden und die Gefahr ist – wenigstens für den
Betrachtungszeitpunkt – gänzlich abgewendet. Wenn nicht, muss man die
gefahrenartspezifische Gegenmaßnahme setzen, um den drohenden Schaden wenigstens so
weit als möglich zu verringern, d.h. eine (idealerweise verursacherfinanzierte)
Rettungsgrabung durchführen.
3. Wurde auch die Gefahr durch Baumaßnahmen durch deren Verhinderung abgewendet, kann
man sich der dritten Kategorie von Gefahren zuwenden, die dem konkreten archäologischen
Denkmal drohen könnte, nämlich der seiner Zerstörung durch land- oder forstwirtschaftliche
Maßnahmen. Kann man – z.B. durch die Gegenmaßnahme der Ausweisung der Bodenfläche,
auf dem sich das Denkmal befindet, als Grabungsschutz- bzw. Fundhoffnungsgebiet – diese
Gefahr abwenden, erleidet das Denkmal – neuerlich wenigstens zum Betrachtungszeitpunkt
– auch diesen Schaden nicht und bleibt daher erhalten. Gelingt dies nicht, ist der am
Bodendenkmal durch die weiter uneingeschränkte land- und forstwirtschaftliche Nutzung
entstehende Schaden hingegen „unvermeidbar“.
4. Um den ohnehin „unvermeidlichen“ Schaden durch andere Schadensursachen braucht man
sich schlussendlich keine weiteren Gedanken zu machen.
Dadurch, dass man diese Liste jeweils bezüglich jedes beliebigen, konkreten archäologischen
Denkmals zu jedem beliebigen Zeitpunkt von oben nach unten abarbeitet, erreicht man bei dieser Art
des Denkens den bestmöglichen archäologischen Denkmalschutz. Man verhindert damit schließlich –
wenigstens scheinbar – allen „vermeidbaren“ Schaden. Dadurch bleibt das jeweils konkret betroffene
Denkmal – idealerweise unverändert in situ oder wenigstens ersatzweise in Form wissenschaftlicher
Dokumentation und Archivierung – so gut als möglich für die Erforschung durch zukünftige
Generationen erhalten. Damit hat man das angestrebte Ziel – wenigstens scheinbar – erreicht.
Die bisher diskutierte Betrachtungsweise ist also rein synchron, die Zukunft spielt in ihr überhaupt
keine bzw. nur insofern eine Rolle, als sie eine unbestimmte Zielvorstellung vorgibt, die jeweils im
gegenwärtigen Moment des Denkens das in diesem Moment scheinbar relevante Handeln
determiniert. Die Antwort auf die Frage, die wir derzeit in solchen Fällen stellen, sagt uns nur etwas
dazu, ob das Denkmal derzeit durch irgendwelche derzeit vermeidbaren Schäden gefährdet wird: wird
165
Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege
das archäologische Denkmal jetzt gerade mit invasiven Methoden erforscht (bzw. soll es gerade
erforscht werden)? Falls ja, muss man jetzt diese Handlung untersagen, damit das Denkmal jetzt nicht
verschwindet, also später – d.h. von jetzt aus gesehen „in der Zukunft“ – noch da ist; falls nein, besteht
dadurch keine Gefahr für die derzeitige Erhaltung des Denkmals.
Darüber, welche Gefahren für das Denkmal auch nur eine Sekunde später bestehen werden, also wie
gefährdet die zukünftige Erhaltung des Denkmals ist, sagt uns die Antwort auf diese Frage hingegen
nichts. Es fehlt in der Betrachtung also die diachrone, d.h. die Zukunftsperspektive: wenn das Denkmal
derzeit nicht durch irgendwelche vermeidbaren Gefahren zerstört wird, wird es in einer Stunde, einem
Tag, einem Jahr, etc., also auch in einer bestimmten „Zukunft“, noch da sein? Oder wird es im
Moment, nachdem wir die Frage „wird es jetzt gerade zerstört?“ negativ beantwortet haben, nicht
erst recht durch irgendeine gerade eben noch nicht relevante Ursache zerstört werden und daher
dann in zwei Momenten nicht mehr da sein? Die Antwort auf diese Frage kann jedoch eine ganz
andere sein als auf die, ob das Denkmal bei synchroner Betrachtung, also eben in der gedanklichen
Gegenwart, jetzt gerade zerstört (oder mittelbar durch jetzt geplante Handlungen gefährdet) wird.
Zukunftsorientiertes denkmalpflegerisches Denken
Will man eine Zukunftsperspektive in seine denkmalpflegerischen Überlegungen integrieren – und
meiner Meinung nach muss man das, um eine sinnvolle, tatsächlich zukunftsorientierte und damit
nachhaltige archäologische Denkmalpflege erreichen zu können – muss man an die Sache deutlich
anders herangehen. Die erforderliche Änderung unseres Blickwinkels macht es natürlich erforderlich,
dass man von etwas anderen Annahmen ausgeht und vor allem über die Zukunftsfrage anders
nachdenkt, als bisher der Fall ist, nämlich neuerlich auf generalisierende Weise. Beginnen wir mit den
erforderlichen Annahmen:
Erstens: das Prinzip der „Erhaltung durch Dokumentation“ ist nicht nur eine subsidiäre, sondern
tatsächlich eine alternative Möglichkeit zur „in situ-Erhaltung“, um derzeit noch vorhandene
Bodendenkmale für die „Zukunft“ zu erhalten. Das bedeutet nicht, dass nicht weiterhin die Erhaltung
in situ bevorzugt werden kann, wo – unter Berücksichtigung einer spezifischen Zukunftsprognose –
die längerfristig (wenn auch nicht unbedingt dauerhaft) unveränderte Erhaltung des betroffenen
Denkmals in situ tatsächlich gewährleistet werden kann. Wo dies aber nicht gesichert ist, d.h. kurz-,
mittel- oder langfristig eine signifikante Veränderung bzw. Zerstörung des betroffenen Denkmals in
situ zu erwarten ist, ist seine „Erhaltung durch Dokumentation“, d.h. seine fachgerechte Ausgrabung,
als bestmögliche Erhaltungsmethode zu bevorzugen.
Diese Annahme ist nicht kontroversiell: es ist schließlich genau die Annahme, die auch der Vorstellung,
dass Rettungsgrabungen vor (mehr oder minder unmittelbar) bevorstehenden Baumaßnahmen
tatsächlich erforderlich sind, zugrunde liegt. Das gleiche Prinzip – ein archäologisches Denkmal
fachgerecht auszugraben ist besser als es ohne vorherige Ausgrabung der unbeobachteten und nicht
dokumentierten Zerstörung zu überlassen – wird nur auf alle kurz-, mittel- und langfristig
vorhersehbaren Zerstörungen von derzeit noch in situ erhaltenen Bodendenkmalen ausgedehnt.
Zweitens: obwohl die Erhaltung von Bodendenkmalen in situ oder durch fachgerechte Dokumentation
jedenfalls zu bevorzugen ist, ist jede Art von Bergung, Dokumentation und Archivierung von
Bodendenkmalen – auch wenn sie unsachgemäß durchgeführt wird – immer noch eine
Erhaltungsmaßnahme, die der gänzlich unbemerkten, gar nicht dokumentierten und zu keiner
(Dokumentations- und/oder Fund-) Archivierung führenden und daher vollständigen Zerstörung
eines archäologischen Denkmals (= archäologischer Totalschaden) zu bevorzugen ist. Kann ein
Denkmal bzw. seine Bestandteile (wie z.B. bewegliche Kleinfunde) wahrscheinlich nicht durch die
bevorzugten sachgemäßen Methoden langfristig oder dauerhaft erhalten werden, sind auch
166
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
unsachgemäße Erhaltungsmethoden, durch die wenigstens manche Informationen oder Bestandteile
des Denkmals einer wahrscheinlich langfristigen oder dauerhaften Erhaltung zugänglich gemacht
werden können, zulässig. Dies ist sowohl im derzeitigen öffentlichen Interesse, die archäologischen
Denkmale möglichst dauerhaft zu erhalten, als auch im Interesse der Erforschung der Denkmale durch
künftige Generationen; denn was vor dem Zeitpunkt, an dem es erforscht wird, unbemerkt zerstört
wird, wird auch mit den besten zukünftigen Methoden nicht mehr erforscht werden können.
Diese Vorannahme ist etwas kontroversieller als die erste; aber im Prinzip auch nicht besonders
kontrovers. Es unterliegt ihr nämlich der exakt gleiche Gedanke, der der derzeitigen Sichtweise der
archäologischen Denkmalpflege zugrunde liegt: was heute nicht erhalten werden wird, weil es zerstört
wird, ist morgen nicht mehr da und kann daher auch morgen nicht mehr erforscht werden. Kann ein
archäologisches Denkmal daher aller Wahrscheinlichkeit nach nicht sachgerecht in situ oder
fachgerecht durch wissenschaftliche Dokumentation erhalten werden, ist es immer noch besser, man
reißt es aus dem Boden, bevor es dort zerstört wird, weil dadurch mehr von ihm erhalten wird als von
ihm in situ erhalten werden würde, wenn man es dort im Boden belassen würde, wo es gänzlich
unbemerkt zerstört wird.
Drittens: man kategorisiert Schaden an archäologischen Denkmalen nicht als entweder
„unvermeidlich“ oder „vermeidbar“, je nachdem welche Ursache den Schaden an Denkmalen
verursacht, sondern über den Grad des dadurch verursachten Informationsverlustes über eine
bestimmte Zeiteinheit. Unvermeidlich ist nämlich nur solcher Schaden an einem Denkmal, der sowohl
signifikant ist als auch gerade jetzt in diesem Moment, d.h. in der aktuellen Gegenwart, eintritt. Nur
der Schaden, den ein archäologisches Denkmal durch die Baggerschaufel erleidet, die es gerade in
diesem Moment aus dem Boden reißt, ist unvermeidlich. Bis zu diesem Moment kann der Schaden
nämlich entweder – dadurch, dass man verhindert, dass das Denkmal weggebaggert wird – ganz
verhindert oder wenigstens – dadurch, dass man es, bevor es weggebaggert wird, birgt, dokumentiert
und archiviert – maßgeblich verringert werden. Nahezu das Gleiche gilt übrigens auch für die
Zerstörung von archäologischen Denkmalen durch natürlichen Verfall: dieser Verfall ist ein zeitlicher
Prozess und der dadurch entstehende Schaden kann daher, obwohl er letztendlich nicht ganz
aufgehalten werden kann, durch konservatorische Maßnahmen verlangsamt und somit in Hinblick auf
eine bestimmte Zukunft – z.B. in 10 Jahren, 100 Jahren, etc. – verhindert oder durch Untersuchung
und Dokumentation vor dem Ende des Verfallsprozesses wenigstens verringert werden. Die zeitliche,
diachrone Komponente ist also für die Bestimmung des Schadens essentiell: bevor ein Totalschaden
eintritt, kann der erwartungsgemäß eintretende Schaden nahezu immer noch wenigstens verringert
werden, wenn man entsprechende Gegenmaßnahmen setzt.
Auch diese Annahme ist nicht wirklich kontroversiell, weil sie für alle zeitabhängigen
Zerstörungsprozesse gleichermaßen gilt.
Damit kommt man zu einer Perspektive, die die Berücksichtigung realistischer Zukunftsprognosen
gestattet, weil eine zeitliche Komponente und damit eine diachrone Betrachtung ein notwendiges
Element der angestellten Überlegungen ist. Betrachtet man dann auch noch archäologische Denkmale
nicht als jeweils konkrete Objekte, sondern als eine Kategorie von (wenigstens vorerst noch
unbestimmten) Objekten, folgt aus diesen Vorannahmen, dass zur Beurteilung der Frage, wie man
archäologische Denkmale am besten langfristig oder dauerhaft erhält, im Grunde genommen nur zwei
Faktoren eine signifikante Rolle spielen: einerseits die Verfallsgeschwindigkeit der archäologischen
Denkmalsubstanz und andererseits die Wahrscheinlichkeit, dass archäologische Denkmale durch
dafür geeignete Maßnahmen erhalten werden können.
167
Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege
Verfallsgeschwindigkeit der Denkmalsubstanz von archäologischen Denkmalen
Bei der Verfallsgeschwindigkeit der Denkmalsubstanz von archäologischen Denkmalen kann man
zwischen zwei verschiedenen Arten unterscheiden, die beide in unterschiedlichem Maß signifikant für
Zukunftsprognosen sind. Das ist einerseits die spezifische Verfallsgeschwindigkeit und andererseits
die durchschnittliche Verfallsgeschwindigkeit der Substanz von archäologischen Denkmalen.
Spezifische Verfallsgeschwindigkeit
Die spezifische Verfallsgeschwindigkeit kann uns für die folgenden Überlegungen einigermaßen
gleichgültig sein, denn in der Folge wollen wir uns ja mit einer Zukunftsprognose für archäologische
Denkmale als Kategorie von Objekten auseinandersetzen. Dennoch sind einige kurze Bemerkungen
dazu erforderlich, denn die spezifische Verfallsgeschwindigkeit ist für jeden konkreten Einzelfall
natürlich von weit größerer Signifikanz als die durchschnittliche. Die spezifische
Verfallsgeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit, mit der die Substanz eines ganz konkreten
archäologischen Denkmals tatsächlich verfällt (bzw. in absehbarer Zeit verfallen wird), und ist daher
für spezifische Zukunftsprognosen bezüglich dieses Denkmals die einzig relevante
Verfallsgeschwindigkeit.
Sie lässt sich allerdings nur bei der tatsächlichen Betrachtung des jeweils betroffenen, konkreten
archäologischen Denkmals überhaupt bestimmen und kann noch dazu höchst variabel sein. Ein
bestimmtes Denkmal kann für 1.000 Jahre weitgehend unverändert im Boden erhalten bleiben, wenn
die Erhaltungsbedingungen nur günstig genug sind, und dann binnen einiger weniger Minuten
vollständig zerstört werden, wenn z.B. eine Schubraupe es wegschiebt. Ebenso kann ein bestimmtes
Denkmal langsam, aber dafür stetig, verfallen, z.B. weil der Pflug jedes Jahr ein paar Millimeter tiefer
in es eindringt und dadurch langsam erodiert oder es sich in übersäuertem Boden durch chemische
Reaktionen langsam zersetzt.
Man kann die spezifische Verfallsgeschwindigkeit der Substanz eines archäologischen Denkmals in der
Regel auch nur dann einigermaßen abschätzen, wenn man dafür konkrete Untersuchungen anstellt
und auch das betroffene Denkmal bereits wenigstens einigermaßen kennt: wie schnell sich z.B. ein
beweglicher Kleinfund in situ im Boden zersetzt, hängt sowohl von der genauen Beschaffenheit des
Bodens (z.B. dessen Säuregehalt) als auch der genauen Beschaffenheit des betroffenen Objekts (z.B.
seinen chemischen und physikalischen Eigenschaften) ab. Ob ein archäologisches Denkmal in 5
Minuten vom Bagger weggeschoben werden wird, hängt hingegen davon ab, wo es sich genau im
Boden befindet und wo und wie genau der Bagger den Boden abschiebt.
Die spezifische Verfallsgeschwindigkeit ist daher nur, aber dafür auch immer dann, von Bedeutung,
wenn es die Frage zu beantworten gilt, ob ein ganz bestimmtes, bekanntes archäologisches Denkmal
besser in situ im Boden belassen oder besser durch fachgerechte oder gar nur unsachgemäße Bergung
aus dem Boden entnommen wird.
Durchschnittliche Verfallsgeschwindigkeit
Weit bedeutender für unsere folgenden Überlegungen ist die durchschnittliche
Verfallsgeschwindigkeit von archäologischen Denkmalen. Eines der größten Probleme der
archäologischen Denkmalpflege ist ja, dass archäologische Denkmale überall im Boden (und unter
Wasser und eventuell sogar über Boden und Grund über Wasser) vorkommen können (Martin &
Krautzberger 2010, 851). Bei den meisten davon wissen wir noch nicht einmal von ihrer bloßen
Existenz, selbst wenn sie sich in an sich schon bekannten Fundstellen befinden, geschweige denn von
ihrer konkreten Zusammensetzung, weil sie ja – eben noch unentdeckt – im Boden liegen. Es ist daher
überhaupt nicht bestimmbar, wie schnell jedes einzelne davon verfällt.
168
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Was hingegen – wenigstens grob – bestimmbar ist, ist, wie rasch alle archäologischen Denkmale (eben
als Kategorie von Objekten) durchschnittlich, d.h. bei statistischer Betrachtung, verfallen bzw. zerstört
werden. So z.B. wurde bei Untersuchungen in Baden-Württemberg festgestellt, dass 1985 nur noch
5% aller bereits 1830 bekannten (noch obertägig erkennbaren) Bodendenkmale erhalten waren
(Brunecker 2008, 16), d.h. die durchschnittliche jährliche Verfallsgeschwindigkeit ca. 2% der jeweils zu
Jahresbeginn noch vorhandenen archäologischen Denkmalsubstanz betragen hat.
Diese ca. 2% ergeben sich, wenn man davon ausgeht, dass die Zerstörungswahrscheinlichkeit für jedes
einzelne archäologische Denkmal ungefähr gleichbleibt und daher die tatsächliche
Zerstörungsgeschwindigkeit stetig sinkt (weil einfach weniger Denkmale da sind, die zerstört werden
könnten). Bei angenommenen 155 Jahren und einer jährlichen Zerstörung von 1,925% des jeweils zu
Jahresbeginn noch vorhandenen archäologischen Denkmalbestandes sind am Ende dieser Zeitspanne
nur noch 5,01% der ursprünglich vorhandenen Denkmale vorhanden. Nimmt man hingegen eine
konstante Zerstörungsgeschwindigkeit an (was bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein zu
Jahresbeginn noch vorhandenes Denkmal in diesem Jahr zerstört wird, konstant ansteigt), beträgt
diese jährlich zwar nur 0,6%, aber dafür eben 0,6% des ursprünglichen Gesamtbestandes. Für BadenWürttemberg würde das bedeuten, dass seit 1985 weitere 19.2% des 1830 vorhandenen
Gesamtbestandes bekannter archäologischer Denkmale zerstört worden wären, d.h. etwa Ende April
1993 alle 1830 bekannten Bodendenkmale zerstört worden wären. Das ist tatsächlich wohl nicht der
Fall, d.h. die erste Hochrechnung erscheint eine verlässlichere Prognose zu erlauben.
Daraus lässt sich in Form einer ersten Näherung (also nicht genau, sondern nur ungefähr) ableiten,
wie rasch der Gesamtbestand der archäologischen Denkmale insgesamt schrumpft, und daher eine
Prognose erstellen, wie wahrscheinlich es ist, dass jedes beliebige konkrete, aber eventuell noch
gänzlich unbekannte, archäologische Denkmal in einem bestimmten Zeitraum – eben z.B. von heute
aus gerechnet ein Jahr in der Zukunft – zerstört werden wird. Einigermaßen gleichbleibende
Verfallsgeschwindigkeit vorausgesetzt dürften daher heute in Baden-Württemberg nur noch ca. 2,7%
der 1830 bekannten Bodendenkmale vorhanden, d.h. seit 1985 etwa die Hälfte der damals noch
erhaltenen Bodendenkmale zerstört worden sein. Weiterhin gleichbleibende Verfallsgeschwindigkeit
vorausgesetzt, lässt sich auch prognostizieren, dass ca. 2068 nur noch 1% und ca. 2184 nur noch 0,1%
der 1830 bekannten Bodendenkmale vorhanden sein werden.
Die Annahme einer gleichbleibenden Verfallsgeschwindigkeit ist natürlich für sich betrachtet völlig
unbegründet und auch sicher nicht korrekt, weil für die Erstellung der Zukunftsprognose davon
ausgegangen wird, dass sich im Vergleich mit der Vergangenheit nichts maßgeblich verändert. Das
bedeutet, dass man z.B. die Auswirkung seit 1985 gesetzter denkmalpflegerischer Schutzmaßnahmen,
wie die Ausweisung mancher der 1985 noch erhaltenen Bodendenkmale als Grabungsschutzgebiet,
aber ebenso die zunehmende Intensivierung und Industrialisierung der Land-, Forst- und
Bauwirtschaft und die zunehmende Schadstoffbelastung der Umwelt vernachlässigt. Nachdem sich
die archäologische Fachwelt weitgehend einig zu sein scheint, dass die Geschwindigkeit, mit der
Bodendenkmale durch äußere Schadensursachen verloren gehen, über die letzten paar Jahrzehnte
massiv zugenommen hat, während für die archäologische Denkmalpflege über den gleichen Zeitraum
kaum effektivere Mittel zur Verhinderung der dadurch entstehenden Schäden verfügbar geworden
sind, ist die Annahme einer im Vergleich zur Vergangenheit gleichbleibenden Verfallsgeschwindigkeit
eine aus denkmalpflegerischer Sicht optimistische Prognose.
Die Annahme einer gleichbleibenden Verfallsgeschwindigkeit ist aber für die Erstellung einer
realistischen Zukunftsprognose erforderlich: so lange man keine konkreten Hinweise darauf hat, wie
sich die Verfallsgeschwindigkeit von archäologischen Denkmalen im Boden (vor allem jener, die man
noch nicht einmal kennt) verändert, kann man vernünftig bei der Erstellung einer Zukunftsprognose
169
Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege
nur davon ausgehen, dass sich in der absehbaren (und damit prognostizierbaren) Zukunft nichts
Wesentliches ändern wird. Schließlich weiß man ja (wenigstens bislang) weder, welche Faktoren
genau diese Verfallsgeschwindigkeit beeinflussen, noch ist erkennbar, dass sich an diesen noch
unbekannten Faktoren irgendetwas ändern wird, das die Verfallsgeschwindigkeit entweder
beschleunigen oder verlangsamen könnte. Man muss daher für seine Prognose vorerst davon
ausgehen, dass sich nichts Maßgebliches verändern wird.
Diese Verfallsgeschwindigkeit kann nun als Verfallswahrscheinlichkeit dargestellt und allgemein auf
jedes noch unbekannte archäologische Denkmal übertragen werden. Nachdem diese überall im Boden
vorkommen und daher auch jederzeit überall durch eine beliebige Schadensursache zerstört werden
können, kann man davon ausgehen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass jedes beliebige konkrete
archäologische Denkmal im kommenden Jahr zerstört wird, ebenfalls ca. 2% ist: die bekannten
Denkmäler sind sicher eine für alle, d.h. auch die unbekannten, Denkmäler halbwegs repräsentative
Stichprobe. Die kumulative Zerstörungswahrscheinlichkeit über mehrere Jahre steigt natürlich: über
10 Jahre gesehen ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein beliebiges archäologisches Denkmal in diesem
Zeitraum zerstört werden wird, etwa 17,7%; über 25 Jahre ca. 38,5%; über 50 Jahre ca. 62,2%; und
über 100 Jahre ca. 85,7%. Der Grad von 99,999% Zerstörungswahrscheinlichkeit wird nach ca. 510
Jahren erreicht; spätestens dann sind also praktisch alle derzeit noch in situ vorhandenen
archäologischen Denkmale voraussichtlich zerstört.
Zwar kann man mit dieser durchschnittlichen Verfallswahrscheinlichkeit nicht vorhersagen, wie lange
ein konkretes, bekanntes archäologisches Denkmal noch erhalten bleiben wird: im konkreten
Einzelfall ist schließlich nur die spezifische Verfallsgeschwindigkeit relevant. Die durchschnittliche
Verfallsgeschwindigkeit verrät uns jedoch, wie wahrscheinlich es ist, dass ein beliebiges
archäologisches Denkmal, das nicht aktiv vor der Zerstörung durch alle möglichen, bekannten oder
unbekannten, bemerkbaren oder unbemerkbaren, vermeidbaren oder unvermeidlichen
Schadensursachen geschützt wird, nach einer bestimmten Zeit noch erhalten sein wird. Damit können
wir später einigermaßen verlässlich beurteilen, welche Erhaltungsmaßnahmen am besten dazu
geeignet sind, um alle archäologischen Denkmale und die in ihnen gespeicherten Informationen zu
schützen.
Erhaltungswahrscheinlichkeit von archäologischen Denkmalen
Beim zweiten für unsere Prognose relevanten Faktor, der Erhaltungswahrscheinlichkeit von
archäologischen Denkmalen, lassen sich ebenfalls zwei verschiedene Arten unterscheiden, die sich
ebenfalls als spezifische und als durchschnittliche Erhaltungswahrscheinlichkeit bezeichnen lassen, die
strukturell den soeben beschriebenen Arten von Verfallsgeschwindigkeiten entsprechen.
Die spezifische Erhaltungswahrscheinlichkeit, die wie ihr Gegenstück beim Verfall stets nur im
konkreten Einzelfall bei bekannten archäologischen Denkmalen bestimmt werden kann, können wir
daher an dieser Stelle ignorieren. Sie ist nur für die Beantwortung der Frage relevant, ob ein bekanntes
Denkmal mit bekannter Verfallsgeschwindigkeit besser weiter in situ im Boden belassen oder
ausgegraben werden soll; wobei erstere Entscheidung immer dann zu treffen ist, wenn der
archäologische Informationsverlust durch in situ-Belassung geringer zu sein scheint als der
archäologische Informationsverlust durch fachgerechte Ausgrabung, die zweite hingegen im
umgekehrten Fall.
Für unsere Zukunftsprognose ist nur die durchschnittliche Erhaltungswahrscheinlichkeit relevant, weil
wir damit ja vorwiegend eine Abschätzung über die Wahrscheinlichkeit der Erhaltung noch
unbekannter archäologischer Denkmale vornehmen wollen. Bei Letzterer lassen sich drei
unterschiedliche Unterarten unterscheiden, die in Summe die durchschnittliche
170
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Gesamterhaltungswahrscheinlichkeit ergeben, aber unterschiedliche Qualität haben: die der
unveränderten Erhaltung in situ, die der Erhaltung durch fachgerechte Dokumentation und die der
Erhaltung durch unsachgemäße Bergung.
Wahrscheinlichkeit der unveränderten Erhaltung in situ
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Wunsch- bzw. Idealvorstellung vieler ArchäologInnen eintritt, dass
ein beliebiges archäologisches Denkmal unverändert in situ erhalten bleibt, ist leider praktisch schon
mittelfristig nahezu gleich Null; insbesondere, wenn das betreffende Denkmal nicht aktiv
konservatorisch gepflegt und erhalten wird oder überhaupt noch gar nicht bekannt ist.
Jeweils etwa 80% der Bodenfläche Österreichs und Deutschlands werden land- und forstwirtschaftlich
genutzt, bei allen darauf befindlichen archäologischen Denkmalen kann man die auch nur
mittelfristige unveränderte Erhaltung in situ also gleich vergessen. Auf praktisch allen anderen Flächen
schaut es nicht viel besser aus; vielleicht abgesehen von der Wiese im Stadtpark, wo die
schwerwiegendsten bodenverändernden Handlungen das gelegentliche Pflanzen von ein paar
Blumenzwiebeln durch den Stadtgärtner samt sparsamer Verwendung von extraschonendem
Düngemittel sind und ansonsten nur Regenwürmer und die allgemeine Umweltverschmutzung
Schäden an dort vorkommenden archäologischen Denkmalen anrichten können. Anders gesagt: damit
archäologische Denkmale tatsächlich auch nur mittelfristig unverändert in situ erhalten bleiben,
braucht es außergewöhnlich gute Erhaltungsbedingungen, die nur selten abseits aktiv konservatorisch
(oder gärtnerisch) gepflegter Flächen tatsächlich vorkommen.
Selbstverständlich werden denkmalpflegerisch kurzfristig gesehen – also z.B. über den Verlauf des
nächsten Jahres – viele archäologische Denkmale weitgehend unverändert erhalten bleiben, d.h. ohne
dass durch Substanzverlust signifikanter Schaden an der in ihnen gespeicherten Information entsteht,
weil selbst Bodeneingriffe durch den Pflug oder Grubber, wenn der Bauer diese nur auf etwa dieselbe
Tiefe einstellt wie jedes Jahr, allfällig im Boden vorkommende Denkmale nur ein wenig und nicht gleich
vollständig zerstören. Dennoch erodiert dadurch das Denkmal und werden jedes Jahr auch nur ein
paar Millimeter des archäologischen Denkmals abgetragen, kann bereits nach wenigen Jahren ein
signifikanter Anteil der zuvor noch erhaltenen Denkmalsubstanz verloren sein.
Bereits aus denkmalpflegerischer Sicht mittelfristig – also z.B. über den Verlauf der nächsten 25 oder
50 Jahre – ist es hingegen sehr unwahrscheinlich, dass ein beliebiges Denkmal tatsächlich unverändert
in situ erhalten bleibt. Nachdem die Erosion archäologischer Denkmalsubstanz im Erdboden in der
Regel von oben (d.h. nahe zur heutigen Erdoberfläche) nach unten (d.h. ferner von der heutigen
Erdoberfläche) voranschreitet und seichte Befunde außer in historisch gewachsenen Ballungszentren
statistisch gesehen deutlich häufiger sind als tiefere, ist auf den meisten archäologischen Fundstellen
damit zu rechnen, dass der Großteil des signifikanten archäologischen Informationsverlusts
vergleichsweise gegenwartsnah stattfinden wird; und zwar selbst dort, wo durchschnittlich tiefere
Befundtypen wie z.B. Vorratsgruben potentiell noch über mehrere Jahrhunderte und
außergewöhnlich tiefe wie z.B. Brunnenschächte sogar über mehrere Jahrtausende erhalten bleiben
könnten. Gerade die seichten Befunde geben nämlich oft tieferen Befunden erst deren weiteren
Kontext und gestatten damit überhaupt erst wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, die über die
bloße Feststellung hinausgehen, dass an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit vermutlich
eine bestimmte Art von menschlichem Kulturschaffen stattgefunden hat, z.B. sich eine Siedlung
befunden hat. Die maßgeblichste Veränderung einer Fundstelle in situ findet also statt, wenn die
seichten Befunde erodiert werden, nicht erst wenn die letzten Reste tieferer Befunde im Boden
zerstört werden.
171
Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege
Dass sich archäologische Denkmale langfristig – also über den Verlauf der nächsten Jahrhunderte –
unverändert in situ erhalten, scheidet hingegen schon aufgrund der schon oben dargestellten
durchschnittlichen Verfallsgeschwindigkeit von Bodendenkmalen weitgehend aus. 90% Verlustrate
erreicht man auf Basis der oben genannten, baden-württembergischen Daten nach ungefähr 120
Jahren; wobei wie gerade erläutert die überwältigende Mehrheit dieses Verlustes die für die
wissenschaftliche Aussagekraft archäologischer Denkmale besonders wichtigen seichten Befunde
betrifft. Man muss daher davon ausgehen, dass in ca. 100 Jahren die Substanz der meisten
archäologischen Denkmale so sehr verändert oder sogar völlig zerstört wurde, dass nahezu die
gesamte derzeit in noch erhaltenen Denkmalen gespeicherte archäologische Information verloren
gegangen sein wird. Ausgenommen davon sind voraussichtlich nur Denkmale mit ganz exzeptionellen
Erhaltungsbedingungen, wie z.B. die prähistorischen Bergbauten im Salzberg von Hallstatt in
Oberösterreich sowie besonders geschützte archäologische Denkmale; d.h. in der Praxis solche, die
tatsächlich wenigstens Großteils oder vollständig von der gegenwärtigen und zukünftigen
menschlichen Nutzung ausgenommen sind und aktiv konservatorisch gepflegt werden.
Erhaltungswahrscheinlichkeit durch fachgerechte Dokumentation
Etwas besser als die Erhaltungswahrscheinlichkeit in situ ist die durch fachgerechte Dokumentation.
Im Gegensatz zur Erhaltung in situ hat Letztere schon allein den Vorteil, dass dadurch, dass die
gewonnenen Informationen und wenigstens manche der dabei geborgenen beweglichen Bestandteile
der Denkmalsubstanz (z.B. Kleinfunde und Proben) in dafür vorgesehenen und wenigstens auch
teilweise konservatorisch gepflegten Archiven (aber siehe zu damit verbundenen Problemen schon
Karl 2015; 2016c) verwahrt, aktiv geschützt und wenigstens teilweise auch wissenschaftlich publiziert
werden, die dokumentierten archäologischen Denkmale nur noch weit schwerer vollkommen
unbemerkt zerstört werden können. Daher ist die langfristige und eventuell sogar dauerhafte
Erhaltung fachgerecht ausgegrabener, dokumentierter, archivierter und teilweise sogar publizierter,
Denkmale jedenfalls weit wahrscheinlicher als die, dass in situ belassene Denkmale auch noch z.B. in
200, 500 oder gar 1.000 Jahren künftigen Generationen zur Erforschung zur Verfügung stehen werden.
Dennoch ist auch die Erhaltungswahrscheinlichkeit durch fachgerechte Dokumentation, insbesondere
im Vergleich mit der Zerstörungsrate von archäologischen Denkmalen in situ aufgrund der oben
erläuterten durchschnittlichen Verfallsgeschwindigkeit, sehr gering. Betrachtet man dazu verfügbare
empirische Daten, z.B. für Österreich, ergibt sich, dass pro Jahr weniger als 1% aller zum jeweiligen
Jahresbeginn bekannten, noch in situ erhaltenen archäologischen Denkmale teilweise, wenn auch nur
in den seltensten Fällen vollständig, durch fachgerechte archäologische Ausgrabungen untersucht und
die dabei gewonnenen Informationen und beweglichen Bestandteile der Denkmalsubstanz
dokumentiert und archiviert werden.
Wie schon mehrfach erwähnt befinden sich derzeit etwa 52.000 bekannte Fundplätze in der
Fundstellendatenbank des BDA (pers. Mitt. C. Mayer; J. Coolen; vgl. auch Farka 2008, 10; aber siehe
die nun vom BDA genannten nur 19.550 Fundstellen, Picker et al. 2016, 285). Im letzten Jahresbericht
des BDA, in dem noch die Anzahl der Grabungen separat ausgewiesen wurde und nicht nur Grabungen
und Prospektionsmaßnahmen summarisch, dem für das Jahr 2009, werden insgesamt 304 Grabungen
bzw. Baustellenbeobachtungen ausgewiesen (Hebert & Hofer 2009, 11 Abb. 2), was auch ungefähr
den Zahlen der vorhergehenden Jahre entspricht. Für das Jahr 2014, dem jüngsten mir verfügbaren
Band der FÖ, werden hingegen in Summe 625 amtswegige und bewilligungspflichtige Grabungen und
Prospektionsmaßnahmen ausgewiesen (Hebert & Hofer 2014, 13 Abb. 2). Man kann daher davon
ausgehen, dass in Österreich über die letzten etwa 10 Jahre durchschnittlich jährlich weniger als die
ca. 520 Grabungen durchgeführt wurden, die erforderlich wären, um jährlich auch nur 1% der
bekannten Fundstellen auch nur teilweise durch fachgerechte Dokumentation und Archivierung
172
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
erhalten zu können. Der Anteil aller, inklusive der derzeit noch unbekannten (wie oben geschätzt ca.
700.000), derzeit noch in situ vorhandenen archäologischen Denkmale, die durch fachgerechte
Dokumentation ganz oder wenigstens teilweise erhalten werden, ist selbstverständlich noch
bedeutend geringer, wohl (deutlich) weniger als 0,1%.
Im Gegensatz zur Erhaltung in situ hat die Erhaltung durch fachgerechte Dokumentation den
zusätzlichen Vorteil, dass man die Wahrscheinlichkeit, dass derzeit noch vorhandene archäologische
Denkmale tatsächlich (wenigstens teilweise) erhalten werden, einigermaßen aktiv steuern kann. Führt
man nämlich mehr fachgerechte archäologische Ausgrabungen durch, dann steigt auch diese Unterart
der Erhaltungswahrscheinlichkeit gleichermaßen stark an. Die Anzahl der fachgerechten
Ausgrabungen zu erhöhen ist zwar (auch und eventuell sogar primär) eine Ressourcenfrage, aber im
Gegensatz zur aktiven Erhaltung von Denkmalen in situ – d.h. wenn man tatsächlich die in situ zu
erhaltenden archäologischen Denkmale aus der derzeitigen und zukünftigen menschlichen Nutzung
ausgliedert und sie konservatorisch pflegt und nicht nur auf dem Papier unter Schutz stellt und in situ
bloß belässt – wenigstens langfristig gesehen vermutlich weit weniger kostenintensiv. Dies hat
zusätzlich den Vorteil, dass man die bei den Ausgrabungen gewonnene archäologische Information
nicht nur tatsächlich nutzen, sondern sicherlich weit längerfristig, wenn nicht sogar dauerhaft,
erhalten kann, statt den unaufhaltsamen Zerfall der Denkmalsubstanz in situ nur verlangsamen, aber
letztendlich dennoch nicht dauerhaft verhindern zu können.
Erhaltungswahrscheinlichkeit durch unsachgemäße Bergung
Die Erhaltung von archäologischen Denkmalen durch unsachgemäße Bergung ist aus archäologischer
Sicht selbstverständlich nicht besonders wünschenswert, weil dabei oft ein bedeutender Anteil der in
den betroffenen Denkmalen gespeicherten archäologischen Informationen tatsächlich verloren geht
und jedenfalls verloren gehen könnte. Darüber hinaus unterliegt die Erhaltung durch unsachgemäße
Bergung einer Reihe von „Filtern“, die dazu führen, dass unterschiedliche Arten von archäologischer
Information mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit erhalten werden.
Die überwiegende Mehrheit aller unsachgemäßen Bergungen wird nämlich wenigstens derzeit durch
BürgerInnen durchgeführt, die (zumeist mit Metalldetektoren) gezielt nach ganz bestimmten
archäologischen Denkmalen, nämlich nach beweglichen metallischen Kleinfunden suchen und daher
häufig auch nur diese überhaupt bergen, während sie alle anderen Denkmale (wie z.B. Befunde und
bewegliche Kleinfunde aus anderen Materialien) entweder direkt in situ zerstören oder nach ihrer
Entdeckung am ungefähren Fundort, aber meist auf der Erdoberfläche zurücklassen und somit
verstärkter Zerstörungsgefahr aussetzen. Auch lässt ihre Dokumentation der genauen Fundumstände
oft zu wünschen übrig, d.h. die Kontexte entdeckter Fundgegenstände werden normalerweise weder
beobachtet, noch in geeigneter Form aufgezeichnet, noch archiviert; wodurch die archäologisch
besonders wichtigen Kontextinformationen gewöhnlich verloren gehen. Auch archivieren die Finder
die von ihnen geborgenen Denkmale in der Regel nicht systematisch und stellen gewöhnlich auch nicht
deren langfristige oder gar dauerhafte Archivierung sicher. Folge davon ist, dass ebenfalls
archäologisch relevante Informationen wie z.B. zum genauen Herkunftsort konkreter
Fundgegenstände entweder überhaupt nicht notiert werden oder schon nach vergleichsweise kurzer
Zeit diesen nicht mehr zuordenbar sind. Darüber hinaus werden viele von solchen Findern angelegte
Privatsammlungen oft spätestens von deren Erben, die „das alte Zeug vom Opa“ nicht interessiert,
möglichst gewinnbringend oder wenigstens möglichst kostensparend entsorgt und damit ebenfalls
meist der Zerstörung zugeführt.
Noch dazu ist diese Unterart der Entdeckungswahrscheinlichkeit auch hoch variabel: so neigen z.B.
viele Suchende dazu, sich auf bereits bekannte „erfolgversprechende“ Fundstellen zu konzentrieren
und die dazwischenliegenden Bodenflächen, auf denen die Fundhäufigkeit geringer ist, nicht weiter
173
Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege
zu beachten; was zwar die Entdeckungswahrscheinlichkeit von beweglichen Kleinfunden auf diesen
Fundstellen, nicht jedoch die Entdeckungswahrscheinlichkeit bislang noch unbekannter Fundstellen
erhöht (auch wenn z.B. in Lincolnshire [GB] 80% aller von Metallsuchern gemeldeten Funde von zuvor
den Denkmalbehörden unbekannten Fundstellen stammen; Daubney 2016, 100). Auch sind sie
räumlich keineswegs unbedingt gleichmäßig verteilt, sondern es gibt Regionen mit Konzentrationen
solcher Personen, während in anderen Regionen nur wenige oder sogar praktisch keine tätig sind.
Schließlich variiert auch die Gesamtzahl der derart nach archäologischen Denkmalen suchenden
Personen über die Zeit; wobei seit dem Aufkommen der Metallsuche in den späten 1960ern allerdings
ein einigermaßen konstanter Anstieg dieser Personengruppe und damit auch der
Entdeckungswahrscheinlichkeit zu attestieren ist (siehe dazu schon Seiten 114-118).
Wie hoch die durchschnittliche Entdeckungswahrscheinlichkeit dieser Unterart ist, ist daher nur sehr
schwer zu bestimmen; vor allem im deutschen Sprachraum, in dem die archäologische Fachwelt und
die Denkmalämter solchen unsachgemäßen Entdeckungsversuchen bisher sehr negativ
gegenübergestanden sind und daher die gezielte Nachforschung mit dem Zweck der Bergung von
archäologischen Funden aus dem Boden überall der Eingangs diskutierten strengen
Genehmigungspflicht zu unterwerfen versucht haben; auch wenn das wohl – wie ebenfalls weiter
oben (Seiten 17-26) gezeigt – rechtswidrig war und ist. Das führte und führt dazu, dass Laien, die dies
ohne die erforderliche Genehmigung dennoch versuchen – und das ist die große Mehrheit der derart
Nachforschenden (Karl & Möller 2016) – dies vor den zuständigen Behörden möglichst geheim halten
und daher keine verlässlichen Zahlen darüber verfügbar sind, wie viel auf diese Weise unsachgemäß
geborgen, dokumentiert und archiviert wurde und wird. Aus dem Fehlen verlässlicher Daten zur
Häufigkeit derartiger Entdeckungen folgt wiederum, dass man auch keine durchschnittliche
Erhaltungswahrscheinlichkeit durch unsachgemäße Bergung bestimmen kann.
Der Blick in andere Länder, in denen anders mit Entdeckungen dieser Art umgegangen wird, wie z.B.
England und Wales (z.B. Huth 2013; Murgia et al. 2014; Lewis 2016a; Ferguson 2016) oder Dänemark
(Dobat & Jensen 2016), zeigt allerdings, dass auf diese Art zwar nicht unbeträchtliche Mengen an
beweglichen Kleinfunden geborgen, dokumentiert und archiviert werden, die durchschnittliche
Erhaltungswahrscheinlichkeit aber dennoch ebenfalls nur sehr gering ist. Zwar hat das Portable
Antiquities Scheme (PAS) in England und Wales z.B. 2015 insgesamt 82.272 Funde aufgenommen
(Lewis 2015, 35; 2016, 131) und vermutlich etwa 10 Mal so viele vorgelegt bekommen (pers. Mitt. P.
Reavill, PAS FLO), eine zweifellos eindrucksvolle Zahl. Bedenkt man jedoch, dass vermutet wird, dass
sich im Boden von England und Wales allein über eine Million größerer archäologischer Fundstellen
und in jeder davon durchschnittlich tausende, wenn nicht sogar zehntausende bewegliche Kleinfunde
befinden, sowie wohl auch noch zahllose Einzelfunde dazwischen existieren, wird klar, dass man in
diesem Raum wenigstens mit vielen Milliarden, wenn nicht sogar über einer Billion noch im Boden
erhaltenen Kleinfunden rechnen muss. Von diesen werden also jährlich gerade einmal vielleicht 0,01%
geborgen und erhalten und nur ca. 0,001% in die PAS-Datenbank aufgenommen.
Die Erhaltungswahrscheinlichkeit durch unsachgemäße Bergung ist also selbst in Ländern, die
wohlentwickelte, öffentlich finanzierte Systeme für die Dokumentation und Archivierung derart
geborgener Bodenfunde haben, verschwindend gering. In Österreich und Deutschland, wo solche
Dokumentations- und Archivierungssysteme noch weitgehend fehlen und höchstens die Funde von
den etwas über 3.000 ehrenamtlichen Bodendenkmalpflegern (Karl & Möller 2016, 216) in
Deutschland den Behörden vorgelegt, von diesen aber nicht systematisch archiviert und veröffentlicht
werden, ist sie also noch viel geringer.
174
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Durchschnittliche Erhaltungswahrscheinlichkeit durch alle diese Erhaltungsmöglichkeiten
Aus dem Gesagten lässt sich ableiten, dass die durchschnittliche Erhaltungswahrscheinlichkeit von
derzeit noch in situ vorhandenen archäologischen Denkmalen auch in Summe verschwindend gering
ist. Zwar ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese wenigstens Großteils unverändert in situ erhalten
werden, bei – in denkmalpflegerischen Dimensionen denkend – kurzfristiger Betrachtung, also etwa
über die nächsten paar Jahre bis zu etwa einem Jahrzehnt oder ein wenig mehr, durchaus nicht gering.
Sie bricht aber bereits bei mittelfristiger Betrachtung, also über die nächsten paar Jahrzehnte bis zu
etwa in einem Jahrhundert gesehen, dramatisch weg, so sehr, dass sie bereits in etwa 50 Jahren,
spätestens aber in 100 Jahren, als praktisch irrelevant zu betrachten ist; sofern das jeweils konkret
betroffene archäologische Denkmal nicht aus dem jeweils gegenwärtigen Gebrauch genommen und
durch gezielte Konservierungsmaßnahmen aktiv gepflegt wird. Zeitlich darüber hinausblickend ist die
Erhaltungswahrscheinlichkeit in situ außer in außergewöhnlichen Ausnahmefällen und bei aktiv
konservierten archäologischen Denkmalen praktisch gleich Null.
Das ist insbesondere deshalb signifikant, weil die Belassung eines archäologischen Denkmals in situ
ohne Untersuchung durch archäologische Ausgrabungen das Denkmal langfristig gesehen überhaupt
nicht erhält, sondern vielmehr nur zu seiner jeweils gegenwärtig unbemerkten Zerstörung führt.
Diese Zerstörung mag ein recht langsamer Prozess sein; aber will man das archäologische Denkmal
über seine „natürliche Lebensdauer“ hinaus erhalten und die in seiner Substanz gespeicherten
archäologischen Informationen den derzeitigen oder auch nur zukünftigen Generationen von
Forschern zur Untersuchung mit deren jeweiligen Methoden zugänglich machen, dann muss man es
– ob nun früher oder später, aber jedenfalls bevor es gänzlich zerstört ist – irgendwann einmal
archäologisch untersuchen (siehe dazu auch Hebert 2018).
Die durchschnittliche Erhaltungswahrscheinlichkeit durch fachgerechte oder unsachgemäße Bergung,
Dokumentation und Archivierung hingegen ist kurz-, mittel- und langfristig verschwindend gering. Pro
Jahr werden derzeit nur etwa 0,1% aller zu Beginn des jeweiligen Jahres erhaltenen archäologischen
Denkmale auf eine dieser Arten erhalten, wobei die überwiegende Mehrheit davon wiederum auf die
Erhaltung durch fachgerechte Ausgrabung, Dokumentation und Archivierung entfallen dürfte.
Langfristig gesehen wird die Erhaltungswahrscheinlichkeit, ganz vergleichbar zur
Verfallsgeschwindigkeit, stetig abnehmen; einerseits, weil immer weniger der derzeit noch in situ
befindlichen archäologischen Denkmale vorhanden sein werden und daher die Chance diese, ob nun
zufällig oder vorsätzlich, zu entdecken abnimmt; und andererseits, weil natürlich weiterhin neue
archäologische Denkmale – z.B. solche aus unserer Gegenwart – entstehen, die für die zukünftige
archäologische Forschung ebenfalls von Interesse sein werden und daher ein Teil der für die praktische
archäologischen Denkmalpflege im Feld verfügbaren Ressourcen zu deren Erhaltung und Erforschung
verwendet werden wird müssen.
Eine Zukunftsprognose für die archäologische Denkmalpflege
Nachdem wir somit die durchschnittliche Verfallsgeschwindigkeit und Erhaltungswahrscheinlichkeit
von derzeit noch in situ befindlichen archäologischen Denkmalen, zwar nicht exakt aber doch
ausreichend genau, bestimmt haben, können wir eine realistische Prognose über deren
wahrscheinliches Schicksal erstellen und uns damit die Grundlage eines tatsächlich
zukunftsorientierten archäologischen denkmalpflegerischen Denkens schaffen.
Dafür gehen wir von einer Grundgesamtheit unbekannter numerischer Größe von derzeit noch in situ
befindlichen archäologischen Denkmalen aus, die derzeit prozentuell ausgedrückt zu 100% erhalten
ist (= derzeitiger Ist-Zustand). Diese Grundgesamtheit wird durch die dauernd mit durchschnittlicher
Verfallsgeschwindigkeit voranschreitende Zerstörung bekannter und noch unbekannter, derzeit noch
175
Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege
in situ befindlicher archäologischer Denkmale stetig reduziert. Zwar ist diese durchschnittliche
Verfallsgeschwindigkeit nicht genau bekannt und auch nicht ohne umfassende Untersuchungen exakt
bestimmbar, wir können aber davon ausgehen, dass sie etwa dem entspricht, was wir oben (Seiten
168-170) bereits festgestellt haben, d.h. etwa 2% der jeweils zu Jahresbeginn noch in situ befindlichen
archäologischen Denkmale pro Jahr.
Gleichzeitig werden derzeit noch in situ befindliche archäologische Denkmale durch Bergung,
Dokumentation und Archivierung, ob sie nun fachgerecht oder unsachgemäß erfolgt, teilweise oder
vollständig in situ zerstört, aber dadurch die in ihnen enthaltene archäologische Information neuerlich
teilweise oder vollständig langfristig oder sogar dauerhaft erhalten. Auch die durchschnittliche
Erhaltungswahrscheinlichkeit ist nicht genau bekannt und lässt sich nicht exakt bestimmen, wir
können aber auch diesbezüglich davon ausgehen, dass sie etwa dem entspricht, was wir zuletzt
festgestellt haben, d.h. maximal 0,1% der jeweils zu Jahresbeginn noch in situ vorhandenen
archäologischen Denkmale pro Jahr. Dabei wird die überwiegende Mehrheit der
Informationserhaltung, aber auch die überwiegende Mehrheit des erzeugten Schadens, durch
fachgerechte archäologische Dokumentation, nur eine geringe Minderheit hingegen durch
unsachgemäße Bergung, verursacht.
100%
80%
60%
40%
20%
0%
0
50
100
150
200
250
In situ noch vorhanden
300
350
400
450
500
Durch Dokumentation erhalten
Abb. 10: Hochrechnung der mutmaßlichen Zerstörungs- und Erhaltungsquote unter Annahme gleichbleibender Verhältnisse
wie derzeit.
Damit lässt sich auch rechnerisch bestimmen, welcher Anteil der derzeit noch in situ vorhandenen, ob
nun bekannten oder unbekannten, archäologischen Denkmale über welche Zeitspanne
voraussichtlich in situ zerstört (und somit jedenfalls auch signifikant verändert) und welcher Anteil
davon durch fachgerechte oder unsachgemäße Bergung, Dokumentation und Archivierung,
wenigstens teilweise oder sogar weitgehend vollständig, langfristig oder dauerhaft erhalten bleiben
werden wird. Abb. 10 zeigt die Entwicklung von Zerstörungs- und Erhaltungsquote, hochgerechnet
über die nächsten 500 Jahre.
Diese Hochrechnung zeigt, dass etwa 100 Jahre von heute vermutlich nur noch ca. 15% der derzeit
noch in situ befindlichen archäologischen Denkmale in situ vorhanden sein werden, während ca. 4,5%
der bis dahin in situ zerstörten archäologischen Denkmale durch Dokumentation und Archivierung
erhalten worden sein werden. Etwa 200 Jahre von heute werden hingegen vermutlich nur noch ca.
2% der derzeit noch im Boden befindlichen Denkmale in situ vorhanden, etwa 5,1% der bis dahin in
176
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
situ zerstörten hingegen durch Dokumentation erhalten worden sein. In 500 Jahren sind schließlich so
gut wie keine (0,01%) aller derzeit noch in situ befindlichen Denkmale ebendort vorhanden, durch
Dokumentation und Archivierung aber – über die vorhergehenden 250 Jahre praktisch unverändert –
nur 5,2% der 99,99% in situ zerstörter archäologischer Denkmale erhalten worden.
Für die archäologische Denkmalpflege bedeutet das also, dass der für die Erhaltung der derzeit noch
in situ vorhandenen archäologischen Denkmale relevante Zeitraum von heute ab gerechnet ca. 200
Jahre beträgt: derzeit noch in situ vorhandene Denkmale, die bis dahin nicht durch „künftige
Generationen“ mit deren mutmaßlich besseren Methoden erforscht und fachgerecht oder
unsachgemäß geborgen, dokumentiert und archiviert wurden, werden aller Wahrscheinlichkeit nach
unbeobachtet verloren gegangen und daher jedwede in diesen derzeit noch erhaltene archäologische
Information vollständig zerstört worden sein. Als Prozentwert angegeben sind es unter den derzeit
bestehenden Voraussetzungen über die nächsten 200 Jahre also etwa 93% aller derzeit noch in situ
vorhandenen archäologischen Denkmale, die einer solchen unbemerkten Zerstörung anheimfallen
werden, in 500 Jahren werden es hingegen etwa 94.8% aller derzeit noch im Boden befindlichen
Denkmale sein, die zwar in situ belassen, aber überhaupt nicht erhalten wurden. Dem stehen nach
500 Jahren ca. 5.2% durch Dokumentation und Archivierung erhaltene archäologische Denkmale
gegenüber, das Verhältnis von Erhaltung zu Zerstörung ist also etwa 1:19.
Vergangene und zukünftige Methodenentwicklung
Aus dem soeben Gesagten ergibt sich, dass – unter Annahme gleichbleibender Voraussetzungen –
auch der für die „künftige Methodenentwicklung“ relevante Zeitraum maximal etwa 200 Jahre
beträgt. Realistischer gesehen sind es sogar vermutlich nur noch etwa 100 Jahre, die dafür zur
Verfügung stehen, weil schließlich schon nach Ablauf dieser Zeit mehr als vier Fünftel aller derzeit
noch in situ vorhandenen Quellen verloren gegangen sein werden. Das bedeutet – nachdem die
archäologische Erosion ja wie bereits erwähnt vorwiegend von oben nach unten verläuft und daher
zuerst die häufigeren seichten Befunde zerstört – dass schon in etwa 100 Jahren kaum noch wirklich
aussagekräftige, komplexere Befundzusammenhänge erhalten sein werden und daher auch der
Großteil der heute noch vorhandenen, wissenschaftlich auswertbaren, Information bereits gänzlich
verloren sein wird. Was nicht mehr da ist, wird man wohl auch mit den besten zukünftigen Methoden
nicht mehr wissenschaftlich erforschen können.
Betrachtet man nun, um auch hierfür eine Vergleichsbasis zu gewinnen, die archäologische
Methodenentwicklung der letzten ca. 100 Jahre, zeigt sich, dass zwar über diesen Zeitraum zahlreiche
nützliche neue Methoden entwickelt wurden, wie z.B. diverse Absolutdatierungsmethoden,
verschiedenste andere naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden wie z.B. (andere Arten von)
Isotopenanalysen, und vor allem auch weitgehend zerstörungsfreie Prospektionsmethoden, mittels
derer ein grobes Bild archäologischer Befunde im Boden erzeugt werden kann, ohne durch
Ausgrabungen in diesen eingreifen zu müssen.
Dennoch, um den letztendlich trotzdem für die meisten archäologisch-wissenschaftlichen Aussagen
essentiellen „Fund in seinem Befundkontext“ bzw. „Befund in seinem weiteren Befundkontext“
gewinnen zu können, muss man sie immer noch – und aller Wahrscheinlichkeit auch zukünftig noch –
ausgraben, d.h. mit invasiven Methoden untersuchen. Gerade im Bereich der archäologischen
Grabungstechnik hat es jedoch in den letzten ca. 100 Jahren nur sehr wenig Entwicklung gegeben: die
derzeit in der Archäologie nahezu universell als „Stand der archäologischen Technik“ betrachtete
sogenannte Schichtgrabungsmethode, d.h. die Ausgrabung in natürlichen Schichten in umgekehrter
Reihenfolge ihrer Ablagerung, wurde in ihren Grundzügen von Augustus H.L.F. Pitt-Rivers (1887; 1888;
1892; 1898) in Ableitung aus der geologischen Stratifikationstheorie von William Smith entwickelt
(Wheeler 1954, 41), wobei Mortimer Wheeler die erste Beobachtung archäologischer Stratifikation
177
Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege
zeitlich schon im Jahr 1784 verortet und niemand geringerem als Thomas Jefferson zuschreibt
(Wheeler 1954, 42).
Moderne Beschreibungen (z.B. Gersbach 1998, 32-9; Roskams 2001, 110-8) und die gegenwärtige
Anwendung der Methode unterscheiden sich nicht wesentlich z.B. von ihrer Beschreibung (Wheeler
1954, 40-61) und Anwendung vor etwa 50 oder auch 100 Jahren. Das ist wenigstens dann so, wenn
man einmal davon absieht, dass manche deutsche Denkmalämter immer noch Grabungen in der
schon 1954 von Wheeler als „Parodie wissenschaftlicher Methodik“ (Wheeler 1954, 53) kritisierten
sogenannten Abstichgrabungs- oder Planumsmethode (Gersbach 1998, 29-31), d.h. die Ausgrabung in
willkürlich angelegten horizontalen Schichten, bei denen Funde ihren jeweiligen Fundkontexten nur
bedingt zugeordnet werden können und oftmals ganze seichtere Befunde komplett zerstört werden,
weil sie sich zufällig im Boden zwischen den künstlich angelegten Niveaus befunden haben, nicht nur
zulassen, sondern auch selbst durchführen.
Wahrlich: „Yet, for all the absurdity of the datum-line system just described, the substitution of socalled ‘levels’ – whether abstract building levels or purely arbitrary depth-lines – for factual
stratification dies hard” (Wheeler 1954, 53).
Zwar hat es durchaus die eine oder andere nicht unbedeutende Entwicklung im Bereich der
Grabungsdokumentation gegeben, nicht zuletzt dadurch, dass die Fotografie weiter zugänglich wurde
– heute durch SFM-Modellierungsmöglichkeiten verstärkt – und auch bessere Aufzeichnungs- und
Visualisierungssysteme von stratigrafischen Verhältnissen wie die sogenannte Harris-Matrix (Harris
1989) entwickelt wurden. Man dokumentiert heute vielleicht mehr, genauer und mit etwas besseren
Dokumentationsmethoden und -mitteln, aber ausgraben tut man immer noch sehr ähnlich und man
zeichnet auch im Wesentlichen immer noch die gleichen Informationen auf.
Natürlich wäre es uns heute oft lieber, wenn unsere fachlichen Ahnen bei ihren Grabungen mehr und
besser dokumentiert und auch mehr Proben genommen und weniger früher als unwichtig betrachtete
Gattungen von Funden weggeworfen hätten, die wir heute gern mit unseren besseren, neueren
Methoden untersuchen würden, um mehr Erkenntnisse aus den damals gewonnenen Daten gewinnen
zu können. Dennoch: in Anbetracht der letzten 100 Jahre Methodenentwicklung ist es nicht besonders
wahrscheinlich, dass in den nächsten 100 Jahren wirklich derart bahnbrechende neue Methoden
entwickelt werden würden, dass deren Anwendung auf die noch in situ vorhandenen archäologischen
Denkmale wirklich so maßgebliche neue Erkenntnisse versprechen würden, dass man deswegen
archäologische Untersuchungen möglichst unterbinden oder unterlassen sollte, weil trotz aller dabei
gewonnenen Informationen dennoch Schaden an den untersuchten Denkmalen entsteht. Das gilt
umso mehr, als die Wahrscheinlichkeit, dass das betreffende Denkmal, wenn es nicht heute
untersucht, sondern in situ belassen wird, in 100 Jahren, wenn uns vielleicht eine tatsächlich bessere
Methode zu seiner Untersuchung zur Verfügung steht, noch tatsächlich in – im Vergleich zu heute –
im Wesentlichen „unverändertem“ Zustand erhalten ist, nicht einmal 15% beträgt.
Selbstverständlich lässt sich die zukünftige Methodenentwicklung nicht vorhersagen und es könnte
daher theoretisch sein, dass schon in 5 Jahren eine bisher noch nicht einmal angedachte neue
Methode überall voll entwickelt und nahezu kostenfrei zur Verfügung steht, mit der man aus den dann
noch erhaltenen archäologischen Denkmalen bisher unvorstellbare Erkenntnisse gewinnen kann.
Aber wahrscheinlich ist das nicht. Das genaue Gegenteil kann wenigstens genauso gut der Fall sein
und uns auch in 500 Jahren immer noch bloß die im Wesentlichen gleichen Methoden wie heute zur
Verfügung stehen. Sich auf erhoffte zukünftige Methoden zu verlassen, mit denen man alles was man
heute könnte und noch viel mehr viel besser können wird als heute, von denen man aber noch nicht
einmal weiß, ob es sie geben wird, ist unvernünftig; vor allem, wenn die Quellenbasis, die man mit
178
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
diesen hypothetischen künftigen Methoden erforschen möchte, mit Sicherheit mit einer solchen
Geschwindigkeit verfällt, dass in 100 Jahren nur noch weniger als 15% und in 200 Jahren kaum mehr
als 2% der heute noch in situ befindlichen archäologischen Denkmale vorhanden sein werden.
Ein anderer Umgang mit archäologischen Denkmalen und seine Konsequenzen
Was nun, wenn wir, statt archäologische Denkmale wie bisher vorzugsweise nicht auszugraben,
sondern in situ zu belassen, bei allen bereits bekannten und noch unbekannten, derzeit noch in situ
vorhandenen archäologischen Denkmalen (die wir nicht mit Sicherheit durch aktive Pflege tatsächlich
vor anderen Gefahren als Ausgrabungen vollständig schützen können) alle Vorsicht in den Wind
schlagen und alle so rasch wir nur könnten ausgraben würden? Was wären die prognostizierbaren
Folgen für die zukünftige Erhaltung der derzeit noch in situ befindlichen archäologischen Denkmale?
100%
Bei derzeitiger
Verfallsgeschwindigkeit in situ
noch vorhanden
80%
Bei derzeitiger Grabungsmenge
durch Dokumentation erhalten
60%
40%
Bei beschleunigter
Verfallsgeschwindigkeit in situ
noch vorhanden
20%
Bei verzehnfachter
Grabungsmenge durch
Dokumentation erhalten
0%
0
20
40
60
80
100
120
140
160
180
200
Abb. 11: Hochrechnung der mutmaßlichen Zerstörungs- und Erhaltungsquote bei Verzehnfachung der durchgeführten
archäologischen Ausgrabungen im Vergleich mit deren Entwicklung unter Annahme gleichbleibender Verhältnisse wie derzeit.
Auch das kann man sich ausrechnen: Gräbt man zehnmal so viele archäologische Denkmale pro Jahr
aus wie derzeit, steigt die jährliche Verlustrate von Denkmalen in situ von derzeit ca. 2% auf dann ca.
2.9% an. Derzeit werden ja jährlich geschätzt ca. 0,1% aller zum jeweiligen Jahresbeginn noch
vorhandenen archäologischen Denkmale durch Ausgrabungen zerstört, eine Verzehnfachung davon
steigert also die jährliche in situ-Verlustrate im Vergleich zur derzeitigen um 0,9%. Die Anzahl der
jährlich wenigstens teilweise oder sogar vollständig durch Dokumentation erhaltenen, zuvor in situ in
den Denkmalen gespeicherten, archäologischen Informationen, steigt dagegen auf 1% der jeweils zu
Jahresbeginn noch in situ vorhandenen archäologischen Denkmale an. Abb. 11 zeigt die dadurch zu
erwartende Entwicklung von Zerstörungs- und Erhaltungsquote, hochgerechnet über die nächsten
200 Jahre, im Vergleich mit der Entwicklung beider dieser Quoten unter derzeitigen Voraussetzungen.
Diese Hochrechnung zeigt, dass sich bei Verzehnfachung der Anzahl von Ausgrabungen etwa 100 Jahre
von heute vermutlich nur noch ca. 6% der derzeit noch in situ vorhandenen archäologischen Denkmale
ebendort befinden werden wo sie heute sind, statt noch ca. 15% bei der derzeitigen Menge an
Grabungen. Dafür werden aber während der gleichen Zeitspanne ca. 33% der derzeit noch
vorhandenen Denkmale durch Dokumentation wenigstens teilweise erhalten werden, statt nur ca.
4,5% bei der heutigen Menge von Grabungen. Etwa 200 Jahre von heute werden sich hingegen
vermutlich bei einer Verzehnfachung der Menge von Grabungen nur noch ca. 0,5% statt wie bei der
179
Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege
heutigen Menge von Grabungen noch ca. 2% der derzeit noch vorhandenen archäologischen
Denkmale in situ befinden. Dafür würden dann aber auch ca. 35,2% aller derzeit noch in situ
vorhandenen archäologischen Denkmale tatsächlich durch Dokumentation wenigstens teilweise
erhalten worden sein, nicht nur die etwa 5,1%, die bis zu diesem Zeitpunkt durch die derzeitige Anzahl
von Grabungen erhalten werden würden.
Wie auch die Kurven auf Abb. 11 verdeutlichen, führt eine Verzehnfachung der Anzahl von
archäologischen Ausgrabungen zwar mittelfristig zu einem höheren Verlust an noch in situ
vorhandenen archäologischen Denkmalen, langfristig gesehen wird aber ein nahezu gleich großer
Anteil der derzeit noch dort vorhandenen Denkmale in situ zerstört. Dagegen kommt es durch eine
Verzehnfachung der Anzahl der Ausgrabungen kurz-, mittel- und langfristig zu einer massiven
Erhöhung der Anzahl der in derzeit noch in situ befindlichen Denkmalen gespeicherten
archäologischen Informationen, die durch Dokumentation langfristig oder sogar dauerhaft auch über
die Zerstörung der archäologischen Denkmale in situ selbst hinaus erhalten und der Wissenschaft und
Allgemeinheit zugänglich werden.
Wie dramatisch dieser Unterschied ausfällt, lässt sich am Vergleich der Differenzen von Zerstörungsund Erhaltungsgrad in den beiden Zukunftsprognosen zeigen (Abb. 12). Besonders beachtenswert ist
dabei die Entwicklung über längere Zeit: zwar steigt durch die Verzehnfachung der Anzahl der
Grabungen der Zerstörungsgrad anfänglich deutlich schneller an als bei der derzeitigen Anzahl der
Grabungen. Die Differenz im Zerstörungsgrad erreicht jedoch nach etwa 40 Jahren einen Peak, an dem
der Unterschied im Zerstörungsgrad fast 15% beträgt, beginnt dann aber wieder relativ rasch
abzufallen. Nach ca. 140 Jahren ist die Differenz zwischen den Zerstörungsgraden der beiden
Prognosen nur noch ca. 5%, nach 200 Jahren sogar nur noch ca. 1,7%. Dahingegen steigt die Differenz
beim Erhaltungsgrad durch Dokumentation und Archivierung über die ersten 100 Jahre einigermaßen
rasant an, auf ca. 28,9% mehr Erhaltung bei einer Verzehnfachung des derzeitigen
Grabungsaufkommens; um sich dann über das nächste Jahrhundert nur noch unmaßgeblich zu
verändern und sich bei ca. 30,1% einzupendeln.
30,00%
25,00%
20,00%
Differenz
Zerstörungsgrad
15,00%
Differenz
Erhaltungsgrad
10,00%
5,00%
0,00%
0
20
40
60
80
100
120
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180
200
Abb. 12: Vergleich der Differenzen zwischen beiden Zukunftsmodellen in Bezug auf Zerstörungs- und Erhaltungsgrad der
derzeit noch in situ erhaltenen Bodendenkmale über die nächsten 200 Jahre.
Das ist für unsere Überlegungen aus mehreren Gründen von immenser Bedeutung:
180
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Erstens bedeutet es nämlich, dass bei langfristiger Betrachtung eine Erhöhung der Anzahl der
durchgeführten archäologischen Ausgrabungen keineswegs dazu führt, dass vermehrt „unnötiger“
und „vermeidbarer“ Schaden an den archäologischen Denkmalen entsteht. Je weiter man in die
Zukunft blickt, desto eher gleicht sich der Anteil der Denkmale, der in situ zerstört worden ist, ob nun
durch archäologische Ausgrabungen oder andere Ursachen.
Zweitens bedeutet es, dass man mit einer Vervielfachung der Anzahl der Grabungen insbesondere
gegenwartsnah viel mehr archäologische Informationen erhält und damit mutmaßlich weit eher
signifikante Zusammenhänge, als wenn man auf später wartet: bei der wahrscheinlichen derzeitigen
Zerstörungsquote sind in 50 Jahren vermutlich bereits über 60% aller derzeit noch in situ vorhandenen
archäologischen Denkmale zerstört; und zwar vor allem, wie schon oben erwähnt, die seichteren
Befunde, die tiefere Befunde oft überhaupt erst in einen weiteren archäologischen
Sinnzusammenhang einbetten. Verzehnfacht man die Anzahl der Grabungen über die nächsten 50
Jahre, verliert man zwar in diesem Zeitraum etwa 75% der derzeit noch in situ befindlichen
archäologischen Denkmale, konnte aber wenigstens beinahe 27% davon durch Dokumentation und
Archivierung erhalten, nicht nur bloß etwas über 3%, wie das mit der derzeitigen Anzahl von
Grabungen der Fall wäre. Sind die obersten 15-30 cm der heute noch erhaltenen Befunde einmal weg,
nutzt auch keine noch so gute Methode der Zukunft mehr, um sie zu erforschen.
Für zukünftige Methodenentwicklung
gewonnene Jahre
Schließlich bedeutet es, dass nicht nur der Zeitraum, in dem neue, bessere Methoden entwickelt
werden müssten, damit mittels dieser ein signifikantes Mehr an Information aus einem signifikanten
Mehr an Quellen gewonnen werden kann, enorm eng ist. Es bedeutet auch, dass ein enorm
signifikanter Informationsgewinn durch diese neuen Methoden erreicht werden müsste, damit durch
das in situ-Belassungsprinzip tatsächlich überhaupt irgendein Informationserhaltungsgewinn
entsteht. Schon nach 40 Jahren müsste man mit besseren Methoden mit einem Mehr von nur ca. 14%
von noch in situ vorhandenen Quellen ein Informationserhaltungsdefizit von etwa 21% aufholen, nach
75 Jahren mit 12% mehr Quellen ein Informationserhaltungsdefizit von etwa 27%, nach 150 Jahren
mit nur noch 4% mehr Quellen eines von ca. 30%. Dass man aber mit den mutmaßlich besseren
Methoden von in 75 Jahren auch nur mehr als das Doppelte an archäologischer Information aus
archäologischen Quellen ziehen wird können, als man schon heute aus ihnen ziehen kann, geschweige
denn mehr als das Siebenfache, wie das in 150 Jahren notwendig sein wird, um das in situBelassungsprinzip sinnvoll zu machen, erscheint sehr unwahrscheinlich.
100
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80
70
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20
10
0
Prozentsatz der noch in situ erhaltenen archäologischen Denkmale
Abb. 13: Durch vermehrte Belassung in situ gewonnene Zeit für die Entwicklung neuer Methoden im Vergleich zur Anzahl der
vermutlich noch in situ erhaltenen archäologischen Denkmale auf Basis der oben dargestellten Prognosen.
181
Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege
Abb. 13 zeigt, wieviel zusätzliche Zeit in Jahren für die Entwicklung neuer Methoden gewonnen wird,
wenn die Anzahl der durchgeführten Ausgrabungen nicht verzehnfacht wird, sondern auf dem
heutigen Niveau bleibt. Einen signifikanten Zeitgewinn von etwa 25 Jahren für zukünftige
Methodenentwicklung gewinnt man erst, wenn gerade noch etwa 25% der derzeit noch in situ
befindlichen Denkmale auch noch tatsächlich dort vorhanden ist. 50 zusätzliche Jahre für die
Entwicklung neuer, besserer Methoden gewinnt man erst, wenn nur noch etwa 5% der derzeit noch
vorhandenen Denkmale in situ erhalten sind, und selbst, wenn nur noch 1% da ist, beträgt der
Zeitgewinn für die künftige Methodenentwicklung gerade einmal geschätzte 88 Jahre.
Erstellt man auf Basis von Erfahrungswerten realistische Zukunftsprognosen über die Erhaltung von
archäologischen Denkmalen durch ihre Belassung in situ oder ihre Ausgrabung und Erhaltung durch
Dokumentation und Archivierung, dann zeigt sich, dass nicht etwa die Belassung der Denkmale in situ,
sondern ihre Ausgrabung, Dokumentation und Archivierung kurz-, mittel- und langfristig dafür sorgt,
dass insgesamt gesehen weit mehr derzeit noch in situ befindliche Denkmale bzw. der in diesen
gespeicherten archäologischen Information erhalten bleiben und damit sowohl vermehrt
gegenwärtigen als auch zukünftigen Forschern als auch der derzeitigen und zukünftigen Allgemeinheit
zur Nutzung zur Verfügung stehen werden. Der Versuch, archäologische Denkmale, die man nicht aktiv
in situ konservieren kann, dadurch zu erhalten, dass man sie nicht ausgräbt und somit vor angeblich
„vermeidbarem“ Schaden schützt, ist zum Scheitern verurteilt, weil er auf einem ganz grundlegenden
Denkfehler basiert: der falschen Vorstellung, dass man dadurch, dass man sie nicht ausgräbt, einer
unbestimmten „Zukunft“ und der in dieser lebenden ForscherInnen mehr dieser Bodendenkmäler
„unverändert“ erhält, während man in Wirklichkeit nur dafür sorgt, dass viel mehr davon
unbeobachtet durch andere Ursachen als archäologische Ausgrabungen vernichtet werden als
erhalten werden könnten, wenn man sie nur möglichst jetzt sofort ausgraben könnte. Archäologische
Denkmale erhält man also nicht dadurch besser, dass man sie „unverändert“ in situ belässt, sondern
dadurch, dass man möglichst viele davon so schnell wie möglich ausgräbt.
Was Du heute kannst besorgen…
Ziel einer tatsächlich zukunftsorientierten archäologischen Denkmalpflege kann es daher nicht sein,
archäologische Ausgrabungen oder gar zerstörungsfreie Nachforschungen grundsätzlich möglichst zu
verhindern, um den potentiell dadurch verursachten Schaden von den archäologischen Denkmalen
abzuwenden, solange das konkret betroffene Denkmal nicht tatsächlich durch aktive konservatorische
Pflege mit guter Wahrscheinlichkeit in situ weitgehend „unverändert“ langfristig erhalten werden
kann. Denn das betroffene archäologische Denkmal wird dadurch tatsächlich aller
Wahrscheinlichkeit nach weder mittel- bis langfristig, und schon gar nicht „unverändert“, erhalten
bleiben, noch von „künftigen Generationen“ (Europarat 1992) mit diesen zur Verfügung stehenden
besseren Methoden erforscht werden können. Vielmehr werden alle archäologischen Denkmale, die
– praktisch ungeschützt – in situ belassen werden, mit nahezu 95% Wahrscheinlichkeit unbeobachtet
durch andere Ursachen als ihre Ausgrabung zerstört werden.
Von der professionellen Archäologie wird gerne zur Illustration des „vermeidbaren“ Schadens, der
durch mit unsachgemäßen Bodeneingriffen verbundene Nachforschungen durch nicht professionell
archäologisch ausgebildete Bürger an der Substanz und damit verbunden der wissenschaftlichen
Aussagekraft von archäologischen Denkmalen verursacht wird, auf spektakuläre Fälle von
„Raubgrabungen“ wie jener, bei der die Himmelscheibe von Nebra entdeckt wurde, zurückgegriffen
(siehe z.B. Brunecker 2008, 21-4; Otten 2012, 21-5). Dabei wird gerne die rhetorische Frage gestellt:
wäre es nicht besser gewesen, dieses Objekt wäre bei einer fachgerecht durchgeführten
archäologischen Ausgrabung entdeckt und sachgerecht dokumentiert worden? Die Antwort darauf ist
natürlich: ja, selbstverständlich wäre das besser gewesen. Gleichermaßen argumentiert die
182
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
archäologische Denkmalpflege regelhaft, dass vor geplanten Baumaßnahmen, durch die aller
Wahrscheinlichkeit nach derzeit noch in situ vorhandene archäologische Denkmale zerstört werden
dürften, notwendigerweise archäologische Ausgrabungen durchgeführt werden müssen, um
wenigstens jenen Teil der in ihnen gespeicherten archäologischen Information, der durch
fachgerechte Bergung, Dokumentation und Archivierung mit den derzeitigen Methoden gerettet
werden kann, auch tatsächlich über die Zerstörung der Substanz der betroffenen Denkmale hinaus
möglichst dauerhaft zu erhalten.
Die einzige vernünftige Schlussfolgerung, die sich aus dieser Argumentation ziehen lässt, ist die, dass
für alle derzeit noch in situ befindlichen archäologischen Denkmale, die man nicht durch aktive
konservatorische Maßnahmen vor der Zerstörung durch beliebige, und nicht nur einzelne spezifische,
Gefahren schützt (und mittel- bis langfristig betrachtet überhaupt nicht schützen kann), genau
dasselbe gelten muss. Denn die zur Himmelsscheibe von Nebra gestellte rhetorische Frage kann und
muss genauso unter den genau umgekehrten Vorzeichen gestellt werden: wäre es besser gewesen,
die Himmelsscheibe wäre nicht bei einer unsachgemäßen Grabung geborgen worden, sondern
unbemerkt durch irgendeine andere Ursache zerstört worden? Die Antwort auf diese Frage ist ebenso
eindeutig nein, wie die Antwort auf die von uns üblicherweise gestellte Frage eindeutig ja lautet.
Betrachtet man die Sachlage realistisch, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie gänzlich unbemerkt im
Boden zerstört worden wäre, etwa 20 Mal so hoch wie die, dass sie bei der derzeit von den
Denkmalämtern gehandhabten Praxis der archäologischen Denkmalpflege bei einer fachgerechten
archäologischen Ausgrabung entdeckt worden wäre.
Will man archäologische Denkmale tatsächlich langfristig oder sogar dauerhaft für Wissenschaft und
Allgemeinheit erhalten, kann man daraus nur eine Handlungsanweisung ableiten, was archäologische
Nachforschungen betrifft: es sollten möglichst viele davon möglichst rasch möglichst fachgerecht
durchgeführt werden, denn nur dadurch kann man sicherstellen, dass ein möglichst großer Anteil der
archäologischen Denkmale und der in deren Substanz gespeicherten signifikanten archäologischen
Information möglichst dauerhaft, d.h. über seine in situ tatsächlich, und nicht nur hypothetisch,
unvermeidliche Zerstörung hinaus, erhalten wird. Es muss daher das Ziel einer tatsächlich
zukunftsorientierten archäologischen Denkmalpflege sein, möglichst viele oder sogar idealerweise
alle archäologische Denkmale, die nicht aktiv konservatorisch gepflegt werden können, so schnell und
genau als möglich ausgraben, dokumentieren und archivieren zu lassen. Nicht aktiv konservatorisch
gepflegte archäologische Denkmale verfallen nämlich „in der freien Wildbahn“ mit rasanter
Geschwindigkeit; und alles davon, was nicht heute oder morgen ausgegraben werden kann, wird
wahrscheinlich morgen, aber spätestens in ein paar Jahrzehnten, unbeobachtet zerstört worden und
damit der wissenschaftlichen Forschung oder sonstigem Allgemeinwohlnutzen überhaupt nicht mehr
zugänglich sein.
Die Vorstellung, dass die Belassung von archäologischen Denkmalen in situ normalerweise gegenüber
ihrer Erhaltung durch Dokumentation und Archivierung zu bevorzugen ist, beruht auf einem
gravierenden Denkfehler der derzeitigen archäologischen Denkmalpflege, der nichts Gutes über die
angebliche „Expertise“ der in den Denkmalämtern beschäftigten Fachleute und der archäologischen
Fachwelt insgesamt verrät. Zwar behauptet die archäologische Denkmalpflege stets, dass sie die
Bodendenkmale für „die Zukunft“ erhalten will. Tatsächlich hat sie es aber sträflich verabsäumt,
realistische Zukunftsprognosen über das mutmaßliche Schicksal der derzeit noch in situ erhaltenen
archäologischen Denkmale zu erstellen; ja sogar, sich auch nur irgendwelche Gedanken über „die
Zukunft“ zu machen (Holtorf & Högberg 2015, 513).
Stattdessen praktiziert sie einen rein gegenwartsbezogenen archäologischen Denkmalschutz: sie
versucht nahezu ausschließlich, archäologische Denkmale vor einem heute entstehen könnendem,
183
Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege
heute vermeidbarem Schaden zu schützen, damit sie auch morgen noch da sind. Sie konzentriert sich
daher auch vorzugsweise auf den Schutz der archäologischen Denkmale vor solchem Schaden, der im
Jetzt und Hier der Gegenwart vermeidbar ist oder zu sein scheint, d.h. vor menschlichen Handlungen,
die akut zur Zerstörung der an einem ganz bestimmten Ort vorhandenen Denkmale führen (können).
Schaden hingegen, der zu jedem konkreten Zeitpunkt nur jeweils gering ist, sich aber über längere
Betrachtungszeiträume akkumuliert, oder der nicht nur akut an einem ganz bestimmten Ort, sondern
nahezu überall im Land gleichzeitig, oder der nicht durch menschliches Handeln, sondern durch
natürliche Ereignisse, entsteht, wird als „unvermeidlich“ klassifiziert und nur noch bestenfalls randlich,
falls überhaupt, in weitere denkmalpflegerische Erwägungen einbezogen.
In der Regel findet daher derzeit eine Abwägung zwischen einer jetzt gerade vermeidbaren Kategorie
von Schaden, die das betroffene Denkmal mit akuter Zerstörung bedroht, und einer anderen Kategorie
von Schaden, die das betroffene Denkmal gerade jetzt nicht akut bedroht, dafür aber langfristig
gesehen mit absoluter Sicherheit zu seiner Zerstörung führen wird, nicht statt. Daher wird nicht
berücksichtigt, dass eine archäologische Ausgrabung die Substanz des betroffenen Denkmals zwar in
situ akut zerstören wird, aber dafür durch die dabei erfolgende Dokumentation und Archivierung ein
Großteil der in dieser Substanz gespeicherten archäologischen Information und vielleicht sogar in
Form der entnommenen beweglichen Kleinfunde, Proben, etc. einen Teil der Substanz des Denkmals
selbst langfristig oder sogar dauerhaft erhalten wird; und zwar wahrscheinlich weit länger, als eben
dieses Denkmal aufgrund des kumulativen Schadens, den es durch andere Ursachen auch, aber
weitgehend unbemerkt, erleidet, in situ jemals erhalten werden könnte.
Aus dem gleichen Grund schafft es die derzeitige archäologische Denkmalpflege auch nicht, den
Selbstwiderspruch zu erkennen, welcher der gleichzeitigen Forderung nach Rettungsgrabungen vor
Baumaßnahmen und der Ablehnung von „Lustgrabungen“ (Viebrock 2007, 241-242; Hönes 1995, 273;
sinngemäß auch Strobl & Sieche 2009, 266; Davydov et al. 2016, 248) auf land- oder forstwirtschaftlich
genutzten Bodenflächen inhärent ist. Schließlich „muss“ man die Rettungsgrabung heute
durchführen, weil die Baumaßnahme die dort vorkommenden archäologischen Denkmale mit akuter
Zerstörung bedroht: alles, was man heute nicht ausgräbt, ist morgen gar nicht mehr da; der durch die
Ausgrabung erzeugte Schaden daher geringer als der, der „unvermeidlich“ durch die Baumaßnahmen
entsteht. Die „Lustgrabung“ auf dem Acker oder im bewirtschafteten Wald hingegen muss man nicht
heute durchführen, weil die dort vorhandenen archäologischen Denkmale nicht akut durch andere
Schäden bedroht sind und daher wohl auch morgen noch da sein werden. Es scheint daher so, als ob
man ihre Ausgrabung auf morgen verschieben könnte; schließlich gilt es heute die dringenderen
Rettungsgrabungen durchzuführen.
Darüber vergisst man dann, dass das Morgen (wahrscheinlich) niemals kommt, weil im Heute immer
etwas anderes wichtiger sein wird als das ohnehin nicht akut gefährdete archäologische Denkmal
auszugraben. Bis es schließlich ganz weg ist. Nachhaltiger Denkmalschutz ist das nicht; nachhaltiger
archäologischer Quellenschutz „für die Erforschung durch zukünftige Generationen von
ArchäologInnen“ (Europarat 1992) schon überhaupt nicht.
Will man einen nachhaltigen, zukunftsorientierten archäologischen Denkmalschutz erreichen, dann
genügt es nicht, einfach so zu tun, als ob es archäologischen Sachschaden, den man nicht bemerkt, weil
man überhaupt nicht danach sucht, der aber dennoch sicher entsteht, einfach nicht gibt. Es genügt auch
nicht, wenn man so tut, als ob man archäologische Denkmale, wenn man sie vor jetzt „vermeidbarer“,
sie akut bedrohender, Zerstörung schützt, langfristig angeblich für „die Zukunft“, tatsächlich aber nur
gerade jetzt in diesem Moment und nur bis zum nächsten Moment, „unverändert“ erhält. Es genügt
dafür ganz und gar nicht, dass man Denkmale zwar akut „unverändert“, aber auch unerforscht und nicht
dokumentiert, in situ belässt, aber nicht tatsächlich auch in situ durch aktive
184
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Konservierungsmaßnahmen erhält. Das einzige was man damit für „die Zukunft“ erreicht ist, dass man
die überwältigende Mehrheit aller derzeit noch erhaltenen archäologischen Denkmale der vollkommen
unbemerkten, unbeobachteten, nicht dokumentierten und für niemanden nützlichen Zerstörung
überlässt.
Will man einen nachhaltigen, zukunftsorientierten archäologischen Denkmalschutz erreichen, dann
gilt vielmehr gerade in Bezug auf die Ausgrabung, Bergung, Dokumentation und Archivierung der
archäologischen Denkmale der alte Sinnspruch: was Du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht
auf morgen. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass ein ganz konkretes Denkmal – wenigstens wenn es
nicht durch aktive konservatorische Maßnahmen erhalten wird – vollkommen unbemerkt vollständig
zerstört wird, bevor es ausgegraben wird, beträgt derzeit etwa 95%. Diese Wahrscheinlichkeit
wiederum lässt sich, wenn überhaupt, nur dadurch maßgeblich zugunsten einer Erhaltung der
archäologischen Denkmale oder wenigstens der in ihnen gespeicherten Information verbessern,
indem so viele davon als möglich möglichst zeitnah ausgegraben und daher wenigstens geborgen und
optimalerweise auch möglichst fachgerecht dokumentiert und archiviert werden. Denn die Anzahl der
Ausgrabungen ist so ziemlich der einzige Faktor, der eine signifikant positive Auswirkung auf die
langfristige Erhaltungswahrscheinlichkeit von archäologischen Denkmalen haben kann, den wir auch
tatsächlich maßgeblich beeinflussen können.
Zukunftsorientierte archäologische Denkmalpflegepraxis
Das bedeutet also, dass wir, wenn wir „für die Erforschung durch künftige Generationen von
ArchäologInnen“ (Europarat 1992) möglichst viele archäologisch nutzbringende Quellen möglichst
dauerhaft erhalten wollen, eine archäologische Denkmalpflegepraxis brauchen, die die möglichst
zeitnahe Ausgrabung möglichst vieler derzeit noch in situ erhaltener archäologischer Denkmale
fördert; nicht eine, die Ausgrabungen möglichst zu verhindern versucht, wie wir sie derzeit haben
(Viebrock 2007, 239; sinngemäß gleich z.B. in Hönes 1995, 273; Strobl & Sieche 2009, 265; Martin &
Krautzberger 2010, 852, 887-889).
Diese vermehrt zu unternehmenden archäologischen Nachforschungen wären natürlich idealerweise
wissenschaftlich fachgerecht durchzuführen, zu dokumentieren und zu archivieren; d.h. sollten
idealerweise von professionellen ArchäologInnen durchgeführt werden. Das würde die tatsächlich
beste Erhaltung aller archäologischen Denkmale, die man nicht aktiv konservatorisch in situ erhalten
kann, für die Erforschung durch zukünftige Generationen von WissenschaftlerInnen gewährleisten.
Aber – und das ist ein wichtiger Punkt – wenn eine Grabung nicht wissenschaftlich fachgerecht
durchgeführt werden kann, ist es immer noch besser, sie wird unsachgemäß durchgeführt, als dass sie
gar nicht durchgeführt wird. Denn selbst durch unsachgemäße Bergungen wird wenigstens ein Teil
der sonst unbeobachtet in situ im Boden gänzlich zerstörten Denkmale für „die Zukunft“ erhalten,
statt vollständig verloren zu gehen, weil die Wahrscheinlichkeit, dass ein archäologisches Denkmal
fachgerecht ausgegraben wird, selbst dann noch maßgeblich geringer ist als die, dass es gänzlich
unbemerkt zerstört wird, wenn wir die Anzahl der fachgerecht durchgeführten Grabungen tatsächlich
verzehnfachen würden. Dass wir aber tatsächlich zehnmal so viele Grabungen durchführen könnten
wie derzeit, ist, angesichts der derzeitig der Archäologie durch den Staat – egal welcher das jetzt genau
ist – zur Verfügung gestellten Ressourcen, enorm unwahrscheinlich. Schon eine Verdoppelung der
Anzahl der durch Fachleute durchgeführten Grabungen wäre mittelfristig ein kleines Wunder,
kurzfristig sogar ein großes; alles mehr als das scheint selbst langfristig derzeit illusorisch.
Will man also erreichen, dass archäologische Denkmale bestmöglich nachhaltig für „die Zukunft“
erhalten werden, muss man eine archäologische Denkmalpflege praktizieren, die nicht wie bisher
dafür sorgt, dass möglichst niemand, nicht einmal jahrzehntelang ausgebildete professionelle
185
Belassung in situ und zukunftsorientierte Denkmalpflege
ArchäologInnen mit jahrzehntelanger Berufserfahrung (siehe dazu Seiten 211-214) und schon gar
nicht archäologisch interessierte Bürger, archäologische Ausgrabungen durchführen können.
Vielmehr muss man das tun, was Georg Dehio schon 1905 ganz richtig erkannt hatte, als er schrieb:
„Ich komme hiermit zu der Erwägung, die sich mir bei der Betrachtung der Versuche, den
Denkmalschutz vom Staate aus zu realisieren, an stärksten aufdrängt: sie ist die, daß der Staat,
so unerlässlich sein Eingreifen ist, die Aufgabe nur halb lösen kann. Der Staat hat nicht Augen
genug, er kann nicht all das Viele und Kleine, auf das es ankommt, sehen; seine Organe sind auch
nicht geschmeidig genug, den immer wechselnden örtlichen Verhältnissen sich prompt
anzupassen. Einen ganz wirksamen Schutz wird nur das Volk selbst ausüben, und nur wenn es
selbst es tut, wird aus den Denkmälern lebendige Kraft in die Gegenwart überströmen. […] Wenn
das Volk erst darüber unterrichtet ist, worum es sich handelt, mag es, wo Gegenwart und
Vergangenheit in Konflikt kommen, die Wahl und Verantwortung übernehmen“ (Dehio 1905,
273-274).
Statt möglichst allen zu verbieten, archäologische Nachforschungen anzustellen, muss man möglichst
alle, d.h. insbesondere alle Bürger, die ohnehin von sich aus Nachforschungen zum Zwecke der
Entdeckung von archäologischen Denkmalen durchführen wollen, möglichst gut darin unterrichten,
worum es sich handelt, also sie möglichst gut in archäologischer Ausgrabungs-, Dokumentations- und
Archivierungstechnik ausbilden. Je mehr Bürger, die ohnehin graben wollen, auch fachgerecht graben,
bergen, dokumentieren und archivieren können und je mehr Bürger dann auch fachgerecht graben,
bergen, dokumentieren und archivieren, desto mehr archäologische Denkmale werden auch
tatsächlich langfristig – eben durch fachgerechte Dokumentation – für die Erforschung durch
zukünftige Generationen von ArchäologInnen erhalten werden.
Dafür gälte es natürlich Strukturen zu schaffen, sowohl solche, die eine fachgerechte archäologische
Ausbildung möglichst vieler interessierter Bürger ermöglichen (siehe dazu z.B. Karl & Möller et al.
2019), als auch solche, die diesen die fachgerechte Meldung ihrer Funde und Dokumentationen
ermöglichen; und nicht zuletzt auch rechtliche Strukturen, die – wenigstens fachlich ausreichend
ausgebildeten – Bürger dann auch gestatten, möglichst frei, selbstständig und eigenverantwortlich
archäologische Nachforschungen anzustellen. Ob dies in Form eines „Nachforschungsscheins“
geschieht, vergleichbar dem Führerschein für die Führung von Kraftfahrzeugen auf öffentlichen
Verkehrsflächen (siehe dazu Seiten 209-226), oder indem man einfach jeden, der das möchte, alle
außer gemäß dem konstitutiven Prinzip geschützten, auch tatsächlich aktiv konservatorisch
gepflegten, Bodenflächen im Rahmen der Wissenschaftsfreiheit einfach unbeschränkt durch
staatliche Eingriffe erforschen lässt, wie es ihm gefällt, muss man sich natürlich überlegen. Was man
aber jedenfalls tun muss, ist sich in der archäologischen Denkmalpflegepraxis vom bisher dogmatisch
vertretenen Prinzip der Belassung in situ abwenden.
Wird ein archäologisches Denkmal tatsächlich aktiv erhalten, weil es die archäologischdenkmalpflegerische Fachwelt für so bedeutend hält, dass man es möglichst unverändert möglichst
dauerhaft erhalten sollte und weil es auch tatsächlich in situ durch aktive konservatorische
Erhaltungsmaßnahmen vor jeder Art von Schaden bestmöglich geschützt werden kann und wird, dann
sollte es selbstverständlich auch für invasive archäologische Nachforschungen tabu sein. Wird ein
archäologisches Denkmal hingegen nicht aktiv erhalten, sondern bloß in situ belassen, dann sollte man
es stattdessen besser ausgraben lassen; idealerweise fachgerecht durch professionelle
ArchäologInnen; aber wenn das in absehbarer Zeit nicht möglich ist, dann immer noch möglichst
fachgerecht, aber egal durch wen; und wenn auch das nicht möglich ist, dann nicht nur egal durch
wen, sondern auch egal wie. Weil selbst wenn der ärgste Raubgräber es so unsachgemäß wie nur
186
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
möglich aus dem Boden drischt und dann meistbietend auf E-Bay an einen gewissenlosen Sammler im
Ausland verscherbelt: das ist immer noch besser, als wenn es unbemerkt im Boden total zerstört wird,
weil nicht nur bleibt es dann immer noch mit größerer Wahrscheinlichkeit erhalten, als wenn man es
im Boden belässt, sondern es hatte auch wenigstens irgendwer etwas davon, nicht gar niemand.
Die Belassung von archäologischen Denkmalen in situ, so schön die Vorstellung sein mag, sorgt nicht
für ihre Erhaltung, sondern nur für ihre unbemerkte Zerstörung. Sie schützt nicht ein
Allgemeinwohlgut, damit die Öffentlichkeit Nutzen aus diesem ziehen kann, sondern sorgt dafür, dass
ein Allgemeinwohlgut verschwendet wird, ohne dass irgendwer daraus irgendeinen Nutzen ziehen
kann. Ursache dafür ist die ideologische Verblendung der archäologisch-denkmalpflegerischen
Fachwelt, die sich seit Jahrzehnten weit mehr darüber Gedanken gemacht hat, wie man die
Archäologie, um es in den Worten Friedrich Lüths zu sagen, „… qua Gesetz im Interesse aller … vor den
Zugriffen aller schützt.“ (Lüth 2006, 102), als darüber wie sie die Archäologie tatsächlich zum Nutzen
aller am besten nachhaltig schützt. Dazu hätte diese Fachwelt nämlich ernsthaft über die Zukunft
nachdenken müssen und darüber was der Archäologie in dieser wahrscheinlich zustoßen wird, statt
nur auf das Beste zu hoffen und zwischenzeitlich einfach abzuwarten und Tee zu trinken.
Hätte sie das nämlich gemacht, wäre sie schon lange draufgekommen, dass der bestmögliche Schutz
der archäologischen Denkmale nicht dadurch erreicht wird und diese auch nicht bestmöglich für „die
Zukunft“ erhalten werden können, indem man sie einfach im Boden belässt; sondern nur dadurch,
dass man das tut, was archäologische WissenschafterInnen und alle, die sich für sie interessieren,
eigentlich tun sollten und aufgrund der verfassungsgesetzlichen Garantie der Wissenschaftsfreiheit
auch tun dürfen: sie erforschen und damit für sich selbst und andere nutzbar machen. Das nutzt
nämlich nicht nur der gegenwärtigen Wissenschaft und Gesellschaft am meisten, sondern auch der
zukünftigen, und erhält tatsächlich die Quellen der archäologischen Forschung bestmöglich „für die
Erforschung durch künftige Generationen“ (Europarat 1992).
187
Was ist eigentlich eine Raubgrabung?
Was ist eigentlich eine Raubgrabung?
In der deutschsprachigen Archäologie ist häufiger von sogenannten „Raubgrabungen“ die Rede, wenn
über die Zerstörung archäologischer Überreste im Erdboden gesprochen wird. Was genau damit
gemeint ist, ist jedoch nicht immer ganz klar, denn eine auch nur einigermaßen klare Begriffsdefinition
scheint zu fehlen.
Raubgrabungen: eine Begriffsdefinition
So liefert z.B. Frank Brunecker in seiner Einführung zu Raubgräber – Schatzgräber zwar eine
Beschreibung der Tätigkeiten von Raubgräbern und der von diesen angerichteten Schäden (Brunecker
2008, 19-30), eine Definition des Begriffs bleibt er hingegen schuldig. Ähnlich auch die
denkmalpflegerische Fachliteratur: das Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege verwendet zwar
den Begriff „Raubgräber“ mehrfach (Martin & Krautzberger 2010, 4, 853), jeweils in Zusammenhang
mit der Metallsuche durch nicht fachlich ausgebildete Personen und jeweils unter Verweis auf das
vom Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz herausgegebene Werk Gegen die Raubgräber
(Kriesch et al. 1997), eine Begriffsdefinition fehlt jedoch ebenfalls.
Auch im gerade genannten Werk (Kriesch et al. 1997) fehlt eine Definition des Raubgrabungsbegriffs
im engeren Sinn. Wenigstens wird im Kapitel „Ziel des gesetzlichen Schutzes“ zusammenfassend
erklärt, weshalb die deutschen Denkmalschutzgesetze Grabungen einer Genehmigungspflicht
unterwerfen: „Wenn Grabungen nicht sachgerecht und ohne fachliche Kenntnisse und Erfahrungen
stattfinden, geht der Informationsgehalt des Bodendenkmals als historische Quelle verloren, und zwar
unwiderruflich.“ (Kriesch et al. 1997, 26). Dies hat zwar nicht den Charakter einer Definition, es lässt
sich jedoch kursorisch eine solche daraus ableiten: eine Raubgrabung ist eine nicht sachgemäß
durchgeführte Grabung, bei der in archäologischen Denkmalen gespeicherte historische
Informationen verlorengehen. Eine explizite Definition des Raubgrabungsbegriffs fehlt auch in der
jüngeren, englischsprachigen Überarbeitung dieses Textes durch Thomas Otten (2012), die
sinngemäße Definition, die sich aus Kriesch et al. (1997, 26) ableiten lässt, unterliegt aber auch diesem
Text: Raubgrabungen sind unsachgemäß durchgeführte Grabungen, durch die archäologische
Informationen verlorengehen. Sowohl Kriesch at al. (1997) als auch Otten (2012) setzen in ihren
Texten dann zwar weitgehend unsachgemäß durchgeführte mit rechtswidrigen Grabungen gleich, dies
ist jedoch, wie später noch gezeigt werden wird, nicht korrekt, da auch unsachgemäß durchgeführte
Grabungen rechtmäßig, dafür aber auch sachgemäß durchgeführte Grabungen rechtswidrig sein
können.
Etwas anders sieht das hingegen der Duden, der im Eintrag zum Präfix Raub- das Wort Raubgrabung
als Beispielswortbildung anführt und zum Präfix selbst erläutert, dass es sich dabei um ein Wort
handelt, dass „…in Bildungen mit Substantiven aus[drückt], dass etwas auf widerrechtlichem Wege
hergestellt, gemacht wird, um Gewinn daraus zu erzielen.“ (http://www.duden.de/
rechtschreibung/Raub [19.8.2016]); ebenso die Wikipedia, die feststellt, dass eine Raubgrabung
„…das gezielte Nachsuchen nach ortsfesten oder mobilen Bodendenkmälern entgegen den
Rechtsnormen,
die
das
Graben
nach
Bodendenkmälern
regeln“
sei
(https://de.wikipedia.org/wiki/%20Raubgrabung, [19.8.2016]). Beide gehen also davon aus, dass es
sich dabei um Handlungen handelt, die sich dadurch kennzeichnen, dass sie rechtswidrig durchgeführt
werden – d.h. um verbotene archäologische Entdeckungsversuche bzw. Grabungen – nicht etwa, dass
es sich dabei um unsachgemäß durchgeführte Grabungen handelt.
Der fachliche Raubgrabungsbegriff im 19. Jahrhundert und heute
Tatsächlich scheint allerdings die fachliche Verwendung des Begriffs Raubgrabung bereits seit langem,
bzw. schon immer, deutlich über die einigermaßen enge Begriffsbedeutung gesetzlich verbotene
188
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Grabung nach archäologischen Denkmalen hinauszugehen und weit eher der impliziten Definition von
Kriesch et al. (1997, 26) und Otten (2012) zu entsprechen. Das zeigt sich z.B. daran, dass der Begriff
schon im 19. Jahrhundert in fachlicher Verwendung stand, als es noch gar keine verbotenen
Grabungen nach archäologischen Denkmalen gab.
So z.B. findet sich in den Mittheilungen der k.k. Central-Commission aus dem Jahr 1887 ein Zitat aus
einem Erlass vom 20.1.1887 des Unterrichts- und Innenministeriums zum Schutze gegen die
Raubgräberei, in dem ausgeführt wird, „daß die wissenschaftlichen Aufgaben bei Aufdeckung von
archäologischen Funden, sei es aus Unverstand sei es mit Absicht, häufig nur zu ungenügend
durchgeführt werden, namentlich in allen jenen Fällen, wenn Finder aus gewinnsüchtigen Motiven
oder als ‚Sammler‘ nur bestimmten archäologischen Objecten ihre Aufmerksamkeit zuwenden und auf
diese Weise so mancherlei für sie Unwesentliches, vom Standpunkte der Wissenschaft aber Wichtiges
beiseite lassen oder sogar vernichten“ (Erlass des Unterrichts-Ministeriums 20.1.1887, zitiert nach Lind
1887, LVIII). Ebenda findet sich auch zusammengefasst ein Erlebnisbericht von F. Hoernes aus dem
Winter 1886: „Von dieser systematischen Verwüstung, welche durch Sondirung mit Eisenstangen
eingeleitet und durch Anschürfung von engen, in die Mitte der Gräber führenden Schlupflöchern
durchgeführt wurde, konnte man sich auf Schritt und Tritt überzeugen. Fast in jedem ausgeraubten
Grabe fanden sich Gegenstände der verschiedensten Art zerstückelt vor, die, weil sie bei dem
Antiquitätenhändler keinen Anwerth fanden, unbeachtet zurückgelassen blieben, oder als werthvolle
Objecte überhaupt gar nicht erkannt wurden. Da aber oft gerade solche Dinge unscheinbarer Art
wichtige Aufschlüße gebe, so ist der Schade, den die Wissenschaft durch diese Raubgräberei erleidet,
nicht selten ein unersetzlicher.“ (Lind 1887, LIX).
Aus diesen Zitaten aus 1887 lässt sich deutlich ablesen, dass jene, die Raubgrabungen beklagen, sich
nicht an einer etwaigen Widerrechtlichkeit der betreffenden Handlungen stoßen, die im 19.
Jahrhundert in Ermangelung entsprechender Verbote gar nicht gegeben war, sondern an etwas ganz
anderem: dem Schaden, der für die archäologische Wissenschaft dadurch entsteht, dass es sich bei
den monierten Grabungen um solche handelt, die aus fachwissenschaftlicher Sicht unsachgemäß und
eher aus wirtschaftlichem Profit- denn aus wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse durchgeführt
wurden. Es geht also eigentlich darum, dass „uns ArchäologInnen“ unser „Schatz“ (Brunecker 2008,
15-6), der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn, von jenen „geraubt“ wird, deren „Schatz“ der
wirtschaftliche Wert der gefundenen Sachen ist.
Dass sich das bis heute nicht wesentlich geändert hat, zeigt sich nicht nur aus dem Fehlen einer klaren
und eindeutigen Definition des Begriffs Raubgrabung im modernen Fachgebrauch, der die
Begriffsbedeutung tatsächlich auf rechtswidrig durchgeführte Grabungen beschränken würde;
sondern auch ganz besonders daran, dass in der Fachliteratur Raubgrabungen immer noch aus genau
den gleichen Gründen und mit nahezu wortgleichen Klagen beschrieben werden: „Vor allem aber
erscheint es unglaubwürdig, dass sich ein Sondengänger aufs Aufsammeln beschränkt, wenn der
Detektor piept. Selbstverständlich nimmt er eine Hacke oder einen Spaten und gräbt tiefer, um nach
dem ersten rostigen Nagel womöglich den ganz großen Fund aufzudecken, egal wie tief der liegt. Dann
wird rücksichtslos in archäologische Schichten eingegriffen. Mehr oder weniger tiefe Gruben sind die
typischen Spuren solcher Plünderungen, die Archäologen immer häufiger in der Landschaft antreffen.“
(Brunecker 2008, 19). Nicht anders als 1887 ist also auch heute die Klage der Fachwelt nicht so sehr,
dass Raubgrabungen rechtswidrig sind, sondern vielmehr, dass uns (und natürlich auch „der
Allgemeinheit“) durch die Raubgräber unser (aller) „Schatz“, die wissenschaftliche Erkenntnis
versprechende archäologische Information, aus purem Eigennutz und reiner Profitgier geraubt wird.
189
Was ist eigentlich eine Raubgrabung?
Der Raubgrabungsbegriff in der Begründung von Denkmalschutzgesetzen
Ähnliches zeigt sich, wenn man sich die Verwendung des Begriffs Raubgrabungen nicht in der
archäologischen Fachliteratur, sondern in Begründungen für Denkmalschutzgesetzesänderungen,
ansieht. So zum Beispiel findet man in der Begründung zum Entwurf des Hamburger
Denkmalschutzgesetzes vom 5.4.2013 die folgende Ausführung zur Einführung des ipsa-lege-Schutzes
(deklaratorisches Prinzip; DGUF 2013, 1-2) von beweglichen Bodendenkmälern: „Hinsichtlich
beweglicher Bodendenkmäler ist, im Unterschied zu anderen beweglichen Denkmälern, die Einführung
des ipsa-lege-Schutzes erforderlich, um einen effektiven Schutz vor Raubgräbern zu gewährleisten.“
(Begr. DSchG-HH 2013, 3).
Die Verwendung des Wortes Raubgräber in diesem Satz kann nicht Personen gemeint haben, die
widerrechtlich nach beweglichen archäologischen Denkmälern gegraben haben: galt vor seiner
Einführung in der Novelle von 2013 kein ipsa-lege-Schutz für bewegliche Bodendenkmäler, war die
Grabung nach ihnen – wenigstens in der Regel – auch nicht widerrechtlich, sondern gesetzlich erlaubt.
Die ohne Bewilligung gem. § 14 DSchG-HH durchgeführte Grabung nach oder Entdeckung von zuvor
unbekannten beweglichen Bodendenkmälern mit technischen Suchgeräten wird überhaupt erst durch
Einführung des ipsa-lege-Schutzes zu einer rechtswidrigen Handlung. Denn unter dem konstitutiven
Prinzip (DGUF 2013, 2), bei dem ja ein eigener Verwaltungsakt wie z.B. die Eintragung in eine
Denkmalliste erforderlich ist, damit ein Denkmal überhaupt den gesetzlichen Schutzbestimmungen
unterliegt, kann ein unbekanntes archäologisches Denkmal schon allein deshalb nicht geschützt sein,
weil es unbekannt ist und daher vor seiner Entdeckung auch nicht durch einen Verwaltungsakt
geschützt werden konnte. Der Tatbestand einer rechtswidrigen Grabung oder Entdeckung wird also
überhaupt erst durch die Gesetzesänderung hin zum deklaratorischen Prinzip erzeugt; die dafür
vorgesehenen gesetzlichen Bestimmungen dienen somit nicht zum Schutz von Bodendenkmälern vor
rechtswidrigen Grabungen, sondern nur zum Schutz vor bis zur Gesetzesänderung erlaubten, d.h.
rechtmäßigen Grabungen.
Mit den Raubgrabungen, vor denen durch die Einführung des deklaratorischen Prinzips im DSchG-HH
die beweglichen Bodendenkmäler geschützt werden sollen, können also auch in diesem Fall eigentlich
nur Grabungen gemeint sein, die aus wissenschaftlicher Sicht unsachgemäß durchgeführt wurden.
Rechtswidrige Grabungen von Fachwissenschaftern?
Dass wir mit dem Raubgrabungsbegriff eigentlich nicht rechtswidrige, sondern aus wissenschaftlicher
Sicht unsachgemäß durchgeführte Grabungen meinen, zeigt sich auch an Fällen, in denen die
Prämissen umgekehrt sind. Versuchen Sie, diese Frage ehrlich für sich zu beantworten: haben Sie
jemals in Ihrer Karriere von auch nur einem Fall im deutschen Sprachraum gehört, in dem sachgerecht
von professionellen Archäologen durchgeführte Grabungen ernsthaft als Raubgrabungen bezeichnet
wurden?
Ich kenne keinen einzigen solchen Fall, obwohl ich von Grabungen weiß, bei denen die selbigen
durchführenden Archäologen darauf „vergessen“ haben, rechtzeitig eine Grabungsbewilligung zu
beantragen und diese – wenn überhaupt – nur „nachträglich“ erteilt bekommen haben; d.h. streng
rechtlich gesehen, ihre Grabung rechtswidrig durchgeführt haben (vorausgesetzt, dass eine solche
Bewilligung überhaupt rechtlich erforderlich war, was in Anbetracht des auf Seiten 17-26 Gesagten
vielleicht nicht immer der Fall gewesen sein muss). Ich kenne auch (sogar zahlreiche) Fälle, in denen
die Inhaber der Grabungsgenehmigung (mit vereinzelten kurzfristigen Ausnahmen für
Grabungsbesuche) während der Grabung entgegen den in der Grabungsbewilligung explizit
ausgeführten Auflagen nicht anwesend waren und diese tatsächlich geleitet haben, sondern sich
vielmehr die überwiegende Mehrheit der Grabungszeit weit (und damit sind mehrere Stunden
190
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Fahrzeit mit dem Auto gemeint) von der Grabungsfläche entfernt aufgehalten und die „örtliche
Grabungsleitung“ dafür mehr oder minder gut geeigneten, aber jedenfalls gesetzlich und durch die
Bewilligung nicht dazu befugten, KollegInnen überlassen haben; also jedenfalls ob der Missachtung
der Bewilligungsauflagen ebenfalls widerrechtliche Grabungen durchgeführt haben (und das auch
tatsächlich konkret bei Grabungen, die auf konstitutiv geschützten archäologischen Denkmalen
stattgefunden haben und daher definitiv der NFG-Pflicht des jeweils geltenden
Denkmalschutzgesetzes unterlegen sind).
Doch obwohl das mehr oder minder allgemein bekannt ist, habe ich noch niemals von
irgendjemandem gehört, der derartige, von Fachwissenschaftern zwar rechtswidrig, aber durchaus
sachgerecht durchgeführte Grabungen als Raubgrabungen bezeichnet hätte. Auch das zeigt, dass wir
mit dem Begriff Raubgrabungen keineswegs widerrechtlich durchgeführte Grabungen meinen,
sondern Grabungen, die aus wissenschaftlicher Sicht nicht sachgemäß durchgeführt wurden.
Wie genau nehmen wir die Gesetze?
Überhaupt scheinen wir es, wie ja bereits weiter oben in aller Deutlichkeit illustriert wurde, mit den
Gesetzen gar nicht so eng zu nehmen, wenn es darum geht, sogenannte Raubgrabungen zu
verhindern. Kehren wir, um das genauer zu betrachten (für österreichische Beispiele siehe dazu auch
schon Karl 2016a), dafür zum DSchG-HH zurück: dieses bestimmt in § 14 Abs. 1, dass die Absicht,
Bodendenkmäler auszugraben, aus einem Gewässer zu bergen oder unter Einsatz von technischen
Suchgeräten zu entdecken der Genehmigung der zuständigen Stelle bedarf. Abs. 3 erweitert diese
Bestimmung noch zusätzlich um den Eventualvorsatz, d.h. die Regelung gilt auch, wenn die
betreffende Person zwar nicht die Auffindung von Bodendenkmälern bezweckt, aber Grund zur
Annahme hatte, dass sie solche voraussichtlich bei ihren Handlungen entdecken würde.
Die für die Bodendenkmalpflege in Hamburg zuständige Mitarbeiterin des Archäologischen Museums
Hamburg interpretiert diese Bestimmung derart, dass alle archäologischen Nachforschungen, z.B.
eben die Suche nach Fundgegenständen mit dem Metallsuchgerät, daher der Genehmigungspflicht
dieses Paragrafen unterliegen. Genehmigungen für Metallsuchen werden, wie sie auf Anfrage (2016)
mitgeteilt hat, nur an Personen erteilt, die einen dafür vorgesehen Kurs absolviert haben, der
allerdings derzeit aus Personalmangel nicht angeboten werden kann. Deshalb würden derzeit
überhaupt keine derartigen Genehmigungen erteilt.
Das ist eine zur Verhinderung von Raubgrabungen im oben dargestellten Sinn schöne und bequeme
Lösung, nicht jedoch eine, die zur Verhinderung rechtswidriger Grabungen dient: zwar kann das
Archäologische Museum Hamburg als zuständige Stelle durchaus von Antragstellern verlangen, dass
sie gewisse (verhältnismäßige) Voraussetzungen erfüllen, um eine solche Genehmigung erteilt zu
bekommen. Allerdings kann es von Antragstellern nicht verlangen, dass sie unerfüllbare
Voraussetzungen erfüllen; vor allem dann nicht, wenn das Archäologische Museum Hamburg deren
Erfüllung durch Unterlassung den vorausgesetzten Kurs abzuhalten verhindert.
Es ist hier zu bedenken: die gesetzliche Pflicht für Personen, archäologische Nachforschungen nur mit
staatlicher Genehmigung durchführen zu dürfen, impliziert auch ein dieser Pflicht entgegengesetztes
Recht: nämlich eine Genehmigung beantragen und auch tatsächlich (und nicht nur theoretisch) erteilt
bekommen zu können, wenn keine konkreten Gründe dagegensprechen. Dieses Recht ergibt sich in
Deutschland schon allein daraus, dass sich alle StaatsbürgerInnen auf die Handlungsfreiheit des Art. 2
Abs. 1 und die Forschungsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz (GG) berufen können, die der Staat
und seine Organe – und damit auch das Land Hamburg und dessen mit den Agenden der
Bodendenkmalpflege betraute Stelle – nicht einfach willkürlich beschränken dürfen (Pieroth et al.
2015, 96-104, 176-9).
191
Was ist eigentlich eine Raubgrabung?
Wird Bürgern die Ausübung des ihnen gesetzlich eingeräumten Rechts, mit einer Genehmigung gem.
§ 14 Abs. 1 DSchG-HH Bodendenkmäler auszugraben oder unter Einsatz technischer Suchgeräte zu
entdecken, in der Anwendungspraxis regelhaft dadurch unmöglich gemacht, dass die zuständige Stelle
durch ihr Handeln bzw. ihre Unterlassung des erforderlichen Handelns eine Nichterteilung der
Genehmigung verschuldet, dann verhindert diese zuständige Stelle nicht rechtswidrige Grabungen,
sondern macht es ganz im Gegenteil Bürgern unmöglich, rechtmäßige Grabungen durchzuführen. Die
zuständige Stelle verwandelt damit durch ihre Anwendungspraxis das Bürgern gesetzlich eingeräumte
Recht, genehmigte Grabungen durchzuführen, in ein nudum ius; ein Recht, das zwar am Papier
besteht, jedoch praktisch nicht ausgeübt werden kann. Eine derartige Verwaltungspraxis macht alle
Grabungen und Entdeckungen unter Einsatz technischer Suchgeräte, die dennoch – aber eben ohne
die erforderliche Genehmigung – stattfinden, zu rechtswidrigen Ausgrabungen; statt die rechtmäßige
Durchführung solcher Ausgrabungen, die – bei ordnungsgemäßer Erfüllung der ihr aufgetragenen
Verwaltungsaufgaben durch die zuständige Stelle – entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen zu
genehmigen gewesen wären, zu ermöglichen und die widerrechtliche Durchführung solcher, die
entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen nicht zu genehmigen sind, durch Nichterteilung der
erforderlichen Bewilligung zu verhindern.
Um hier gleich einem möglichen Einwand zu begegnen: die Tatsache, dass in Hamburg auch derzeit
durchaus Genehmigungen gem. § 14 Abs. 1 DSchG-HH für aus wissenschaftlicher Sicht sachgerecht
durchgeführte archäologische Ausgrabungen an graduierte ArchäologInnen vergeben werden, ändert
am soeben gemachten Punkt gar nichts, sondern verschlechtert ganz im Gegenteil die Sachlage nur
noch weiter. Denn – und das ist ein ganz zentraler Punkt – das Recht, Genehmigungen gem. § 14 Abs.
1 DSchG-HH erteilt zu bekommen, sofern sie erforderliche, verhältnismäßige und erfüllbare
Genehmigungsvoraussetzungen erfüllen, steht keineswegs nur graduierten ArchäologInnen zu,
sondern ist ein allgemeines Recht, das allen Bürgern gleichermaßen zusteht. Wird durch die
Anwendungspraxis der zuständigen Stelle dieses Recht also derart massiv eingeschränkt, dass nur
solche Personen eine Genehmigung erteilt bekommen können, die ein Archäologiestudium
abgeschlossen haben, während alle anderen Personen eine solche Genehmigung unter gar keinen
Umständen erteilt bekommen können, dann wird dadurch der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1
GG verletzt; d.h. die Anwendungspraxis wäre verfassungs- und damit ihrerseits rechtswidrig.
Daher zeigt gerade die Tatsache, dass aus wissenschaftlicher Sicht sachgerecht durchgeführte
Ausgrabungen von graduierten ArchäologInnen durchaus gem. § 14 Abs. 1 DSchG-HH genehmigt
werden, dass es bei dieser Anwendungspraxis nicht um die Verhinderung rechtswidriger
Ausgrabungen geht, sondern vielmehr um die Verhinderung solcher Ausgrabungen, die aus
wissenschaftlicher Sicht in nicht sachgerechter Weise durchgeführt werden bzw. bei denen
wenigstens von der zuständigen Stelle befürchtet wird, dass sie – selbst wenn man sie genehmigen
und damit zu rechtmäßigen Grabungen machen würde – in nicht sachgerechter Weise durchgeführt
werden würden. Die Anwendungspraxis des § 14 Abs. 1 und 3 DSchG-HH durch das Archäologische
Museum Hamburg zielt also nicht darauf ab, das gesetzlich Verbotene zu verhindern, sondern
vielmehr darauf, das aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht Unsachgemäße zu verbieten.
Begriffliche Unterscheidung: rechtswidrige und unsachgemäße Grabungen
Es ist nun meiner Meinung nach enorm wichtig zu verstehen, dass wir, wenn wir über Raubgrabungen
sprechen, eigentlich mit zwei unterschiedlichen Begriffspaaren operieren, die in Bezug auf ihre
Bedeutung nicht deckungsgleich sind. Wir haben nämlich einerseits das Begriffspaar der rechtmäßig
und der rechtswidrig durchgeführten Grabung und andererseits das Begriffspaar der sachgemäß und
der unsachgemäß durchgeführten Grabung.
192
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Das erste dieser Begriffspaare ist jenes, das der umgangssprachlichen Bedeutung des Begriffs
Raubgrabung entspricht, die in der Wikipedia und – wenigstens sinngemäß – im Duden zu fassen ist.
In diesem Sinn ist eine Raubgrabung eine Grabung, die widerrechtlich, d.h. entgegen geltender
gesetzlicher Bestimmungen, durchgeführt wird.
Das zweite dieser Begriffspaare ist jenes, das der fachsprachlichen Bedeutung des Begriffs
Raubgrabung entspricht, wie sie in der Fachliteratur aber auch der Gesetzesbegründung und
Gesetzeshandhabung durch die zuständigen staatlichen Einrichtungen zu fassen ist. In diesem Sinn ist
eine Raubgrabung eine Grabung, die aus wissenschaftlicher Sicht unsachgemäß durchgeführt wird.
Zwar ist es in der Wirklichkeit zugegebenermaßen oft so, dass sich die Bedeutungsinhalte der beiden
Begriffspaare miteinander überschneiden: viele, wenn nicht die meisten, rechtswidrig durchgeführten
Grabungen werden auch tatsächlich nicht sachgemäß durchgeführt. Auch das Gegenteil trifft in der
Wirklichkeit zumeist zu: viele, wenn nicht sogar die meisten, rechtmäßig durchgeführten Grabungen
werden auch tatsächlich sachgemäß durchgeführt. Dennoch, die Überschneidung der
Bedeutungsinhalte der beiden Begriffspaare ist nicht exakt: es gibt auch – wenn auch vielleicht
vergleichsweise selten – Grabungen die zwar rechtswidrig, dafür aber sachgemäß, durchgeführt
werden. Und auch das Gegenteil trifft wenigstens manchmal zu: es gibt auch Grabungen, die zwar
rechtmäßig, dafür aber nicht sachgemäß, durchgeführt werden.
Die Bedeutungsinhalte dieser beiden Begriffspaare mögen sich also ähneln und oftmals
überschneiden, sie sind aber eben nicht bedeutungsgleich; sondern meinen – wenigstens manchmal
– unterschiedliche Grabungen. Diese Unterscheidung zu berücksichtigen ist von fundamentaler
Wichtigkeit, sowohl für unsere Verwendung des Begriffs der Raubgrabung als auch und noch viel mehr
für allfällige Überlegungen, wie man die Archäologie besser vor Schaden schützen kann.
Denn letztendlich geht es beim archäologischen Denkmalschutz ja nicht primär darum, ob
irgendwelche Handlungen nun rechtswidrig oder rechtmäßig sind, sondern darum, dass die noch
erhaltene Archäologie möglichst effektiv vor vermeidbarem Schaden geschützt wird. Das ist
letztendlich der Grund, warum wir in unserem fachlichen Gebrauch des Begriffes Raubgrabung eben
nicht darauf abstellen, ob eine Grabung nun rechtmäßig oder rechtswidrig, sondern ob sie aus
wissenschaftlicher Sicht sachgemäß oder unsachgemäß durchgeführt wurde. Die in
Denkmalschutzgesetzen enthaltenen Vorschriften, die eine Grabung entweder zu einer rechtmäßigen
oder zu einer rechtswidrigen Grabung machen, sind aus unserer Sicht nur Mittel zum Zweck; dienen
dazu sicherzustellen, oder sollen wenigstens dazu dienen, dass, wenn eine Grabung durchgeführt
wird, sie sachgemäß und nicht unsachgemäß durchgeführt wird, um unnötigen Schaden an der und
für die Archäologie zu vermeiden.
Ob hingegen die Gesetze eingehalten werden, darum sollen sich Juristen kümmern. Uns interessieren
die Gesetze nur, solange dadurch das von uns gewünschte archäologische Schutzziel erreicht wird; wie
ja ebenfalls schon weiter oben in aller Deutlichkeit gezeigt wurde. Wird es das nicht, dann sind unserer
Ansicht nach die Gesetze falsch; dann müssen wir sie eben im Notfall durch unsere Anwendungspraxis
richtigmachen, auch wenn wir damit Grund- und Menschenrechte Anderer verletzen (cf. Karl 2016a;
und siehe auch oben zur Hamburger Auslegungspraxis des DSchG-HH). Wo gehobelt wird, da fliegen
eben Späne.
Dieser Punkt – dass, wenn wir den Begriff Raubgrabung verwenden, wir nicht etwa widerrechtlich
durchgeführte Grabungen meinen, sondern vielmehr aus wissenschaftlicher Sicht unsachgemäß
durchgeführte Grabungen, die wir verhindern wollen; und dass das Gesetz für uns nur Mittel zum
Zweck ist, dieses Ziel zu erreichen – ist wichtiger, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Denn es
weist uns diese Erkenntnis, dass es uns nicht darum geht, dass sich irgendwer an die Gesetze hält,
193
Was ist eigentlich eine Raubgrabung?
sondern darum, dass die Archäologie möglichst nicht zu Schaden kommt, den Weg zu einer vielleicht
besseren Lösung des „Raubgrabungsproblems“ als die, die wir bisher zu implementieren versucht
haben.
Der derzeitige Lösungsversuch für das „Raubgrabungsproblem“
Unser bisheriger Lösungsversuch für das „Raubgrabungsproblem“ war, wie schon die Ausführungen
weiter oben (Seiten 33-85) und nicht zuletzt das gerade diskutierte Beispiel aus Hamburg zeigt,
möglichst alle Grabungen einer gesetzlichen Genehmigungspflicht zu unterwerfen. Dadurch, dass wir
bzw. die staatlichen Stellen, die für den archäologischen Denkmalschutz zuständig sind, gewisse
Grabungen erlauben und damit alle anderen – eben die nicht erlaubten – Grabungen verbieten
können, haben wir uns erhofft, archäologische Funde und Befunde vor nicht sachgemäß
durchgeführten Ausgrabungen schützen zu können.
Die Idee hinter diesem Lösungsversuch ist an sich eine sehr simple und nicht völlig abwegige: man
prüft auf Basis eines Genehmigungsantrags, ob eine Grabung, die eine beliebige Person durchführen
will, von dieser so geplant wurde, dass man annehmen kann, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach
sachgerecht durchgeführt werden wird und keinen unnötigen Schaden an der Archäologie anrichtet.
Je nachdem, wie diese Vorprüfung ausgeht, erlaubt oder verbietet man dann die Durchführung dieser
konkreten Grabung.
Probleme mit Genehmigungspflichten
Leider gibt es damit in der Praxis eine ganze Reihe von Problemen. Auf viele davon, wie z.B., dass es
eventuell rechtlich gar nicht möglich ist, alle Grabungen und archäologischen Entdeckungsversuche
einer allgemeinen Genehmigungspflicht zu unterwerfen, weil dadurch in der überwiegenden
Mehrheit aller Fälle die Forschungsfreiheit des (für Deutschland) Art. 5 Abs. 3 GG bzw. (für Österreich)
Art. 17 StGG in verfassungswidriger Weise beschränkt würde (siehe dazu Karl 2016b; 2017a) und eine
solche auch von den derzeit geltenden Denkmalschutzgesetzen in der Regel gar nicht vorgesehen ist,
wurde bereits weiter oben (Seiten 8-85) ausführlich erläutert. Es genügt daher an dieser Stelle, dass
ich mich auf die zwei wesentlichsten praktischen Probleme konzentriere.
Das erste und vermutlich in der Praxis häufigere Problem ist, dass ein gewisser und wenigstens aus
archäologischer Sicht nicht unbedeutender Anteil der Bevölkerung – eben die „Raubgräber“ im Sinn
von Personen, die rechtswidrig graben bzw. archäologische Funde und Befunde unter Einsatz
technischer Suchgeräte zu entdecken versuchen – die notwendigen Genehmigungsanträge entweder
erst gar nicht stellt oder – falls doch – die Nichterteilung der Genehmigung ignoriert und einfach
trotzdem sucht und gräbt. Wie groß dieser Anteil genau ist, braucht uns hier nicht näher zu
beschäftigen, weil es jedenfalls in Österreich mehrere Tausend und Deutschland deutlich mehr als
Zehntausend sind (siehe dazu schon Karl & Möller 2016). Diese Art von „Raubgräbern“ will
selbstständig nach archäologischen Funden suchen, aus welchen Gründen und Motiven auch immer,
und tut das auch, egal was wir wollen und egal was unsere Denkmalschutzgesetze derzeit zur
Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit dieses Handelns sagen.
Das zweite und in der Praxis zwar glücklicherweise seltener vorkommende, aber letztendlich weit
fundamentalere, Problem ist, dass kein auch noch so ausgefeiltes System zur Genehmigung von
Grabungen und sonstigen Entdeckungsversuchen sicherstellen kann, dass genehmigte und damit
rechtmäßige Grabungen auch tatsächlich sachgerecht durchgeführt werden. Zwar kann man
Personen, die eine Genehmigung beantragen, bis zu einem gewissen Grad dadurch motivieren, ihre
archäologischen Handlungen tatsächlich halbwegs sachgerecht durchzuführen, indem man sie damit
bedroht zukünftige Anträge nicht mehr zu genehmigen, wenn sie die zuvor genehmigten Grabungen
nicht sachgerecht durchführen. Aber das nützt – meistens – nur bei graduierten, professionellen
194
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
ArchäologInnen, deren Lebensunterhalt bzw. deren weitere Karriere eventuell davon abhängt, auch
in der Zukunft weiterhin Feldforschungen bewilligt zu bekommen. Gegen „Raubgräber“ im zuletzt
genannten Sinn, also gegen Personen, die auch ungeniert rechtswidrige Grabungen durchzuführen
bereit sind, nutzt das hingegen genau gar nichts.
Das Einzige, was man also durch das Vorab-Genehmigungssystem erreicht, ist, dass man jene, die nach
archäologischen Funden und/oder Befunden graben wollen, in zwei Gruppen spaltet: jene die
rechtmäßig und jene die rechtswidrig graben.
Die, die rechtmäßig graben, müssen deswegen aber immer noch nicht sachgemäß graben, selbst wenn
sie in der Zukunft weitere Genehmigungen bekommen wollen; weil zum einen die Drohung ihnen
zukünftig keine mehr zu erteilen in der Praxis gar nicht so leicht umzusetzen ist; und zum anderen eine
halbwegs sachgemäß aussehende Dokumentation einigermaßen leicht zu fälschen ist. Wenn
überhaupt, erwischt man damit also die Dummen. Allerdings ist, wenn sie unsachgemäß gegraben
haben, der Schaden schon angerichtet und man kann sie, nachdem sie ja rechtmäßig gegraben haben,
in der Regel nicht einmal mehr für den angerichteten Schaden bestrafen; wenigstens solange sie nicht
enorm offensichtlich Genehmigungsauflagen verletzt haben. Eine Wiederherstellung des
ursprünglichen Zustandes des Denkmals ist in diesen Fällen naturgemäß ebenfalls unmöglich, ob eine
solche nun (rechtlich) erzwingbar wäre oder nicht.
Die hingegen, die rechtswidrig graben, kann man zwar bestrafen, wenn man sie erwischt; aber was ist
damit erreicht? Den an der Archäologie angerichteten Schaden behebt die Strafe nicht; noch hat, wie
zahllose Beispiele von verurteilten und bestraften, aber weiterhin aktiven, „Raubgräbern“ zeigen, eine
Strafe in der Regel eine abschreckende oder belehrende Wirkung auf die Bestraften. Wenn überhaupt,
lernen solche „Raubgräber“ dadurch, wie sie sich besser der Bestrafung entziehen, oder wie sie ihre
Rolle als „Opfer staatlicher Verfolgung“ in der „Sondler-Szene“ zu barer Münze machen können.
Und wenn die, die rechtswidrig gegraben haben, aus wissenschaftlicher Sicht sachgemäß gegraben
haben, was bringt es, sie zu bestrafen? Der Sinn des Genehmigungsverfahrens, wenigstens aus
archäologischer Sicht, ist ja schließlich, zu erreichen, dass die beantragte Grabung nicht unsachgemäß
durchgeführt wird; und dieser Sinn wurde in einem solchen Fall auch ganz ohne Durchführung des
Genehmigungsverfahrens erreicht. Eine archäologisch nutzbringende Veränderung des archäologisch
sachgemäßen Verhaltens des Bestraften lässt sich also durch seine Bestrafung nicht erreichen,
sondern bestenfalls eine seines Bürokratieregelbefolgungsverhaltens.
Die Vertrauenswürdigkeit des Antragstellers als relevantestes Kriterium
Vorab-Genehmigungssysteme bringen daher konkret zum Schutz der Archäologie sehr wenig.
Letztendlich – und damit kämpfen in der Praxis alle unsere derzeitigen Genehmigungssysteme – wird
im Genehmigungsverfahren nämlich nicht die geplante Grabung, sondern hauptsächlich die
Vertrauenswürdigkeit des Antragstellers beurteilt.
Natürlich spielt die Sinnhaftigkeit des beantragten Projekts eine gewisse Rolle in der Entscheidung;
und natürlich wird ein Antrag, in dem offensichtlich unsachgemäße Maßnahmen beantragt werden
oder der offensichtlich vollkommen inkompetent verfasst ist, abgewiesen. Aber vorausgesetzt, das
beantragte Projekt ist halbwegs sinnvoll und die im Antrag ausgeführte, geplante Vorgehensweise
nicht offensichtlich unsachgemäß, d.h. zeugt der Antrag wenigstens am Papier davon, dass der
Antragsteller einigermaßen kompetent sein dürfte; ist die einzige Frage, die wirklich relevant ist, die:
kann man bei diesem konkreten Antragsteller darauf vertrauen, dass er die beantragten Maßnahmen
tatsächlich sachgerecht durchführt oder kann man das nicht?
195
Was ist eigentlich eine Raubgrabung?
Das ist letztlich eine persönliche Beurteilung des Antragstellers, weshalb auch die meisten
Denkmalämter im deutschen Sprachraum Genehmigungen vorzugsweise, wenn nicht sogar
ausschließlich, an Personen erteilen, die dem Amt schon persönlich bekannt sind oder wenigstens
durch irgendwelche anderen als einigermaßen verlässlich beurteilte Charakteristika als mutmaßlich
vertrauenswürdig ausgewiesen werden; wenn sie sich das nicht sogar, wie das österreichische BDA,
in das Gesetz zu schreiben lassen versucht haben. Solche vertrauenserweckenden Charakteristika sind
z.B. wenigstens ein archäologischer Studienabschluss oder, noch besser, eine aufrechte Affiliation mit
einer anerkannten archäologischen Institution, wie z.B. eine Anstellung als Archäologe bei einer
Universität, einem Museum oder wenigstens einer Grabungsfirma. Fehlen solche
vertrauenserweckenden Eigenschaften oder, noch schlimmer, zeichnet sich der Antragsteller durch
Eigenschaften aus, die vertrauensreduzierend wirken, wie z.B., dass der Antragsteller jemand ist, der
keinerlei erkennbare, förmliche fachliche archäologische Ausbildung genossen hat, oder gar jemand,
den man bei der zuständigen Stelle verdächtigt, ein Metallsucher bzw. „Raubgräber“ zu sein, muss er
wenigstens persönlich vorsprechen oder bekommt gleich generell eine abschlägige Antwort.
Dass Genehmigungssysteme, die letztendlich auf der Beurteilung der „charakterlichen Eignung“ von
Antragstellern beruhen, inhärent problematisch sind, bräuchte man eigentlich gar nicht erläutern; ich
tue es trotzdem in aller gebotenen Kürze.
Die Probleme beginnen schon damit, dass der Staat bzw. dessen zuständige Stellen damit ein ganz
fundamentales Misstrauen gegenüber allen Bürgern zum Ausdruck bringen: Bürger müssen erst
einmal einen Beweis dafür erbringen, dass man ihnen vertrauen kann, statt das man ihnen vorerst
einmal – d.h. bis zum Beweis des Gegenteils – vertraut, dass sie sich nicht gemeinschaftsschädigend
verhalten werden. Das schafft nicht gerade ein Klima des Vertrauens und zeugt nicht unbedingt von
gegenseitigem Respekt und macht solche Genehmigungssysteme schon allein deshalb einigermaßen
kontraproduktiv: der Staat beginnt sozusagen eine Beziehung, die beiderseitigen Vertrauens bedarf,
mit einem deutlich ausgedrückten und damit die andere Seite durchaus verletzen oder wenigstens
verstören könnenden Misstrauensvotum.
Noch problematischer ist jedoch, dass Beurteilungen dieser Art, gleichgültig wie sehr und ehrlich sich
die, die sie vornehmen, um Objektivität bemühen, immer hochgradig subjektiv und damit von
persönlicher Sympathie bzw. Antipathie, persönlichen Vorurteilen des Beurteilenden etc. abhängig
sind. Jede Art der Beurteilung, die nicht völlig anonymisiert erfolgt, wird, ob nun bewusst oder
unbewusst, durch solche durch und durch subjektiven Faktoren beeinflusst; die Beurteilung der
Vertrauenswürdigkeit einer Person durch eine andere Person hängt nahezu ausschließlich von solchen
Faktoren ab.
Etwas, das – im besten Fall – für Außenstehende wie „Freunderlwirtschaft“ wirkt, wenn nicht sogar –
im schlechtesten Fall – aufgrund des der Beziehung zwischen Antragsteller und Antragsbeurteiler
inhärenten Machtgefälles eine vollständige Unterwerfung unter die Willkürhoheit des Beurteilers
erforderlich macht, ist zwingende Folge davon. In diesem Zusammenhang ist es durchaus verständlich,
dass sich die meisten zuständigen Stellen lange Zeit aus dieser – auch für jene, die solche
Beurteilungen vornehmen müssen, höchst unangenehmen – Situation zu stehlen versucht haben,
indem sie einfach ganzen „verdächtigen“ Personengruppen die Genehmigungsmöglichkeit a priori
verweigert haben (siehe dazu die bereits oben diskutierte Pressemitteilung des Regierungspräsidiums
Stuttgart vom 4.10.2016, https://rp.baden-wuerttemberg.de/rps/Abt3/Seiten/pressemitteilung.aspx
[9/10/2016], in der wörtlich gesagt wird: „Hobby-Sondengänger können grundsätzlich keine
Nachforschungs-Genehmigung erhalten, denn das öffentliche Interesse, die Denkmalsubstanz für auch
künftige Generationen zu erhalten, überwiegt das private Hobby-Interesse an Nachforschungen.“).
Andere, wie z.B. das Archäologische Museum Hamburg, tun das auch noch derzeit, indem sie die
196
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Erteilung einer Genehmigung an „gewöhnliche Bürger“ von einer unerfüllbaren Voraussetzung
abhängig machen und sich somit deren charakterliche Beurteilung ersparen können.
Schließlich kommt noch hinzu, dass solche Genehmigungssysteme für einen bedeutenden Anteil der
potentiell dadurch Betroffenen hochgradig abschreckend sind. Gerade bei einer letztendlich auf die
„Eignung der Person“ abstellenden (Über-) Prüfung wirkt hier schon die ganz normale und weit
verbreitete, allgemeine Prüfungsangst nicht wenig abschreckend.
Noch abschreckender wirken solche Genehmigungserfordernisse aber auf Personen, die entweder
ganz allgemein oder auch aus schlechten persönlichen Erfahrungen entweder ganz generell
misstrauisch sind oder wenigstens dem Staat und/oder staatlichen Behörden misstrauen; die sich
schlecht in bestehende Systeme oder Hierarchien einordnen können oder das ganz allgemein nicht
wollen; die „Einzelgänger“ sind; sozial kompliziert sind oder sich gar mit Archäologie bzw. (auch) auf
archäologische Denkmäler ausgerichteter Feldarbeit beschäftigen, um persönliche bzw.
psychologische Probleme zu verarbeiten oder zu kompensieren. Gerade Letztere dürften aber, wie
Jungs (2010) nicht unwesentliche Erkenntnisse erbracht habende Studie über die sogenannten
„Heimathirsche“ deutlich herausgestellt hat, einen nicht vernachlässigbaren Anteil der
möglicherweise von solchen Genehmigungsverfahren Betroffenen darstellen.
Im Endeffekt scheiden Genehmigungsverfahren daher nicht so sehr Projekte, sondern Leute, in solche,
die dürfen, und solche, die nicht dürfen. Sich einem solchen Verfahren zu unterwerfen ist für solche
Leute recht einfach, die mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen können, dass sie die beantragte
Genehmigung auch tatsächlich erteilt bekommen werden, z.B. graduierte Archäologen. Für alle
anderen Leute, vor allem solche, die befürchten (müssen), dass ihr Antrag (und damit auch sie als
Individuum) vermutlich abgelehnt werden, ist es alles andere als das. Letztere haben drei
Möglichkeiten: gleich ganz aufzugeben und ihre archäologischen Interessen nur passiv auszuleben,
das Risiko der Ablehnung eingehen oder ihren archäologischen Interessen rechtswidrig nachzugehen.
Man verhindert durch Genehmigungsverfahren also nicht rechtswidrige Grabungen, sondern trägt
eher dazu bei, dass es mehr davon gibt als eigentlich nötig, ob diese rechtswidrigen Grabungen nun
sachgemäß durchgeführt werden oder nicht.
Notwendige Genehmigungsverfahren: Schutz für die Zukunft
Das soll nun nicht heißen, und sollte auch nicht so interpretiert werden, dass ich grundsätzlich gegen
Genehmigungspflichten und Genehmigungsverfahren bin, ganz im Gegenteil sind diese auch meiner
Ansicht nach bis zu einem gewissen Grad notwendig; nämlich wenn es um Grabungen und sonstige
invasive archäologische Feldforschungen geht, die auf solchen Bodendenkmälern durchgeführt
werden, die längerfristig in situ erhalten werden sollen, wie das z.B. bei Grabungsschutzgebieten oder
auch bei gemäß dem konstitutiven Prinzip (DGUF 2013, 2) unter Denkmalschutz gestellten Fundstellen
der Fall ist. In diesen Fällen, bei denen es in den Worten von Art. 2 Z ii der Valletta-Konvention
tatsächlich darum geht, „die von künftigen Generationen zu untersuchenden Zeugnisse der
Vergangenheit zu erhalten“ (CoE 1992), erlauben Genehmigungspflichten sicherzustellen, dass in der
Gegenwart geplante invasive Handlungen nicht für zukünftige Forschungen reservierte Quellen
zerstören.
In den für gegenwärtig geplante Eingriffe in solche reservierten archäologischen Denkmale dann
tatsächlich notwendigen Genehmigungsverfahren – schließlich geht es dabei darum, ob etwas, das
eigentlich langfristig erhalten werden sollte, jetzt wenigstens teilweise zerstört werden darf – hat eine
staatliche Stelle die für diese gegenwärtigen Untersuchungen sprechenden bzw. diese notwendig
erscheinen lassenden Gründe (wie z.B. die Beantwortung dringlicher wissenschaftlicher
Forschungsfragen, die nahzeitig zu erwartende, unvermeidliche Zerstörung des konkret betroffenen
197
Was ist eigentlich eine Raubgrabung?
Bodendenkmals durch natürliche oder humangenerierte Gefahren etc.) gegen die Gründe, die für die
langfristige, möglichst unveränderte Erhaltung des betreffenden Denkmals sprechen, abzuwägen.
Überwiegen in dieser Abwägung die Gründe, die für die Durchführung der geplanten Maßnahmen in
der Gegenwart sprechen, ist dieser Antrag zu genehmigen, überwiegen hingegen die Gründe, die für
die langfristige Erhaltung dieses Denkmals sprechen, ist der Antrag abzuweisen; und zwar gänzlich
ohne Anschauung der charakterlichen Eignung der Person, die ihn gestellt hat.
Solche Genehmigungsverfahren sind also notwendig, weil es bei ihnen nicht um die Verhinderung
unsachgemäßer Eingriffe geht, sondern um die Verhinderung aller Eingriffe, egal ob diese nun
sachgemäß oder unsachgemäß durchgeführt werden würden; weil man die betroffenen Denkmale so
unverändert als möglich für zukünftige Untersuchungen erhalten möchte. Es werden dabei also die
Bedürfnisse der Gegenwart mit den möglichen oder mutmaßlichen Bedürfnissen der Zukunft
abgewogen und das macht ein formelles, staatliches Beurteilungsverfahren notwendig. Nicht, weil
man dem Einzelnen, der jetzt etwas tun möchte, nicht vertraut, dass er das, was er machen will, auch
richtig machen wird, sondern weil man sicherstellen möchte, dass nicht durch die Summe aller jeweils
für sich betrachtet durchaus sachgemäßen und sinnvollen Einzelhandlungen kumulativ so viel vom
Gesamtbestand der Bodendenkmäler verloren geht, dass dadurch künftige Generationen jedweder
Möglichkeit beraubt werden, diese selbst mit dann adäquat erscheinenden Methoden zu
untersuchen. Diese Gesamtbetrachtung ist für den Einzelnen, der konkrete Interessen in der
Gegenwart verfolgt, oft weder möglich noch kann sie von allen Bürgern erwartet werden, weshalb der
Staat hier – sozusagen als Sachwalter der Interessen künftiger Generationen (auch wenn deren
Rechtsstatus und damit die Existenz irgendwelcher rechtlicher Schutzgüter „der Zukunft“ fraglich ist,
siehe dazu Krischok 2016, 132-3) – bis zu einem gewissen Grad steuernd eingreifen muss.
Diese Funktion des Staates und dadurch begründete staatliche Genehmigungspflichten für invasive
archäologische Untersuchungen auf für zukünftige Forschung reservierten Denkmalen kann aber
meiner Ansicht nach nicht allzu weit ausgedehnt werden, schon gar nicht auf alle archäologischen
Funde und Fundstellen. Das liegt daran, dass auch der Staat nicht wissen kann, was künftige
Generationen wirklich wollen werden und welche Interessen sie haben werden und daher der Schutz
der „Interessen künftiger Generationen“ notwendigerweise spekulativ ist: ja, es kann sein, dass
künftige Generationen archäologische Fundstellen und Funde mit neuen, besseren wissenschaftlichen
Methoden, als sie uns heute zur Verfügung stehen, untersuchen werden wollen; aber es kann nahezu
genauso gut sein, dass künftige Generationen an einer wissenschaftlichen Archäologie überhaupt kein
Interesse mehr haben und daher das „alte Zeug“ bloß aus dem Weg geräumt haben wollen oder sogar
in einem „Antikensturm“ alle Zeugnisse der Vergangenheit einfach vernichten. Beispiele für Versuche
genau das zu erreichen gibt es ja sowohl aus der Vergangenheit als auch aus der Gegenwart mehr als
genug.
Laurajane Smith (2006) hat in ihrer Analyse des sogenannten autorisierten Denkmaldiskurses klar
gezeigt, dass unsere stetigen Verweise auf die angeblich von uns Fachleuten vertretenen,
schützenswerten Interessen „der Vergangenheit“ und „künftiger Generationen“ in Debatten über
Rechte an und den Umgang mit Denkmalen nicht mehr als rhetorische Mittel sind, um die wenigstens
ebenso berechtigten Interessen derzeitiger Menschen, insbesondere solcher, die nicht Fachleute sind,
aus dem Diskurs auszuschließen. Das ermöglicht es, die „Interessen der Gegenwart“ weitgehend zu
ignorieren, somit die gewöhnlichen Menschen der Gegenwart zu entrechten und zu entmachten und
stattdessen alle Macht über Denkmale zu entscheiden für uns selbst zu monopolisieren: wir tun so,
als ob wir die einzigen legitimen Vertreter der Interessen „der Vergangenheit“ und „zukünftiger
Generationen“ wären, die in Entscheidungen über die Nutzung von Denkmalen die einzig relevanten
Interessen sind (Smith 2006, 29).
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Nun ist es jedoch so, dass nicht einmal zum Schutz der tatsächlich bekannten Interessen der
Allgemeinheit der Gegenwart die Rechte Einzelner vom Staat willkürlich und uneingeschränkt
beschränkt werden dürfen: der Staat selbst ist dabei durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
staatlicher Reaktion beschränkt (Pieroth et al. 2015, 72-6; Berka 1999, 156-67). Dieser Grundsatz
erfordert vom Staat, dass der von ihm durch Erlassung eines Gesetzes verfolgte Zweck überhaupt als
solcher verfolgt und die von ihm eingesetzten Mittel eingesetzt werden dürfen; die eingesetzten
Mittel zur Erreichung des Zwecks geeignet und dazu auch erforderlich sind (Pieroth at al. 2015, 72);
und „der Eingriff bzw. die Beeinträchtigung, die der Eingriff für den Einzelnen bedeutet, und der mit
dem Eingriff verfolgte Zweck in recht gewichtetem und wohl abgewogenen Verhältnis zueinander
stehen“ (Pieroth et al. 2015, 73). Daher sind schon zum Schutz tatsächlich bekannter, gegenwärtiger
Allgemeininteressen an der Erhaltung von Denkmalen Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit
(Art. 2 Abs. 1 GG; für Österreich bedingt Art. 7 B-VG und Art. 2 StGG, siehe Berka 1999, 142), die
Eigentumsgarantie (Art. 14 GG; Art. 5 StGG) und vor allem die vorbehaltlose Wissenschaftsfreiheit
(Art. 5 Abs. 3 GG; Art. 17 StGG), wie sie staatliche Genehmigungspflichten darstellen (siehe dazu z.B.
Berka 1999, 344), sehr vorsichtig abzuwägen und können bei weitem nicht so weitreichend ausgelegt
werden, wie wir ArchäologInnen das gerne hätten (siehe dazu auch z.B. VG Wiesbaden 3.5.2000, 7 E
818/00(V), 9).
Die – noch dazu gänzlich unbekannten – Allgemeininteressen künftiger Generationen können daher
keinesfalls viel weitreichendere Einschränkungen der berechtigten Interessen von Einzelnen der
Gegenwart rechtfertigen (in diesem Sinn auch Krischok 2016, 132-3). Es mag zwar durchaus legitim
sein, dass der Staat – eben auf Basis einer, wie oben dargestellt, generalisierenden
Gesamtbetrachtung des bekannten Denkmalbestandes – eine gewisse Selektion vornimmt, um eine
mehr oder minder repräsentative „Reserve“ von – derzeit als besonders interessant oder wertvoll (zur
Wertfrage siehe schon weiter oben und ebenfalls Smith 2006, 29-30; Krischok 2016) erscheinenden –
Denkmalen beiseite zu legen, um für den möglicherweise eintretenden Fall Vorkehrung zu treffen,
dass künftige Generationen Denkmale mit mutmaßlich besseren als den heutigen
Forschungsmethoden untersuchen wollen. Doch ist gerade auch in diesem Fall die
Verhältnismäßigkeit der daraus resultierenden Eingriffe in derzeit tatsächlich bestehende
Einzelinteressen zu beachten, wobei klarerweise bei einer Abwägung möglicher zukünftiger
Allgemeininteressen mit derzeit tatsächlich bestehenden Einzelinteressen den Letzteren ein deutlich
höheres Gewicht einzuräumen ist als den Ersteren.
Daraus folgt aber nun, dass man nicht einfach zur Wahrung der Interessen künftiger Generationen die
invasive, und schon gar nicht die nicht invasive, Untersuchung aller archäologischen Fundstellen,
inklusive solcher, die noch nicht einmal bekannt sind, einer allgemeinen Genehmigungspflicht
unterwerfen kann. Eine solche Genehmigungspflicht für alle archäologischen Handlungen ist
keinesfalls mit den tatsächlich bestehenden, berechtigten Interessen derzeitiger Menschen
verhältnismäßig und daher sicherlich nicht zu rechtfertigen (ganz im Gegensatz zur oben zitierten
Behauptung des Regierungspräsidiums Stuttgart; vgl. dazu ebenfalls Krischok 2016, 129-38). Eine
gezielt ausgewählte Reserve lässt sich vertreten, solange dadurch die Rechte derzeitiger Menschen
nicht übermäßig beschränkt werden, aber bezüglich dessen, was darüber hinausgeht, werden die
künftigen Generationen selbst für sich sorgen müssen.
Ein alternativer Lösungsvorschlag für das „Raubgrabungsproblem“
Statt also mit einem in der derzeitigen Praxis weitgehend wirkungslosen und zum Schutz der
Interessen künftiger Generationen nur bezüglich einer repräsentativen Auswahl von archäologischen
Denkmalen notwendigen Genehmigungssystem zu arbeiten, rege ich an, einen anderen Weg zu
gehen.
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Was ist eigentlich eine Raubgrabung?
Zentral für meine weiteren Erwägungen ist dabei, dass in unserem innerfachlichen Gebrauch für die
Verwendung des Begriffs Raubgrabung nicht die Tatsache entscheidend ist, ob eine Grabung
rechtmäßig durchgeführt wurde, sondern vielmehr ob sie sachgemäß durchgeführt wurde. Dies ist der
Fall, weil derzeit die Begriffe rechtmäßige und sachgerechte Grabung nicht gleichbedeutend sind,
sondern die Antwort auf die Frage, ob eine Grabung rechtmäßig durchgeführt wurde, praktisch
ausschließlich davon abhängt, ob sie mit oder ohne Genehmigung durchgeführt wurde (wobei, wie
die obigen Beispiele gezeigt haben sollten, in vielen Fällen aufgrund des Bestehens mehrerer
Auslegungsmöglichkeiten der gesetzlichen Bestimmungen nicht einmal ohne einschlägige
Rechtsprechung eindeutig entschieden werden kann, ob für eine bestimmte Grabung eine
Genehmigung erforderlich ist); nicht von der Antwort auf die Frage, ob sie sachgemäß durchgeführt
wurde.
Um das derzeit somit bestehende Problem zu lösen, dass es rechtmäßig aber unsachgemäß
durchgeführte und sachgemäß aber rechtswidrig durchgeführte Grabungen geben kann, erscheint es
sinnvoll, statt ungenehmigten Bodeneingriffen archäologisch unsachgemäße zu verbieten und statt
genehmigten Bodeneingriffen archäologisch sachgemäß durchgeführte zu erlauben. Dabei gehört
meiner Ansicht nach zur Sachmäßigkeit eines Eingriffs selbstverständlich auch, dass dieser, wenn er
ein geschütztes archäologisches Denkmal oder ein Grabungsschutzgebiet betrifft, an dessen
langfristiger Erhaltung als Reserve für die Erforschung durch zukünftige Generationen ein mittels
konstitutivem Prinzips (DGUF 2013, 2) festgestelltes öffentliches Interesse besteht, nur mit der zu
diesem Zweck vorgesehenen Genehmigung erfolgt.
Auf diese Weise bringt man den Bedeutungsgehalt der Begriffe rechtmäßige und sachgemäße sowie
rechtswidrige und unsachgemäße Grabung in Übereinstimmung und vermeidet damit einerseits
unnötige terminologische Verwirrung; und kann andererseits rechtliche Instrumente schaffen, die es
der archäologischen Denkmalpflege tatsächlich erlauben, das Verhalten von Personen, die invasive
archäologische Bodeneingriffe vornehmen wollen, in einer Weise zu steuern, die es gestattet, sich
dem eigentlichen Ziel der archäologischen Denkmalpflege wenigstens stärker als bisher anzunähern.
Tatsächlich kann man auf diesem Weg sogar noch weitergehen und nicht nur invasive archäologische
Bodeneingriffe, also Maßnahmen, die letztendlich auf die Entdeckung und Bergung archäologischer
Überreste im Boden abzielen, sondern alle Bodeneingriffe den gleichen, den Schutz des
archäologischen Erbes bezweckenden, Instrumenten unterwerfen.
Gesetzliche Mindeststandards für archäologisch sachgemäße Bodeneingriffe
Dies erreicht man meiner Meinung nach am besten dadurch, dass man gesetzliche Mindeststandards
für die Dokumentation und Bergung von (archäologischen) Funden und Befunden festsetzt, die
verbindlich einzuhalten sind, gleichgültig aus welchem Grund diese Funde und Befunde angetroffen
werden. Dass die standardgemäß angefertigten Dokumentationen den zuständigen staatlichen
Stellen, d.h. in Österreich dem BDA und in Deutschland der jeweils örtlich zuständigen Stelle, in
ausreichend qualitativer (idealerweise elektronischer) Kopie zu deren amtlicher Nutzung zu
übermitteln sind, versteht sich von selbst und bedarf daher keiner weiteren Ausführung.
Diese Mindeststandards sollten natürlich nicht direkt in Gesetzestexten genauer ausgeführt, sondern
vielmehr in ergänzenden Verordnungen durch das jeweils zuständige Denkmalamt genauer
spezifiziert werden (das hat den Vorteil, dass Änderungen des Standes der archäologischen
Dokumentations- und Bergetechnik berücksichtigt werden können, ohne dafür das Gesetz selbst
ändern zu müssen). Sie dienen dazu, zu bestimmen, ob bei einem Bodeneingriff angetroffene
archäologische Funde und Befunde sachgemäß und damit rechtmäßig dokumentiert und soweit nötig
200
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
geborgen wurden oder ob der vorgeschriebene Standard nicht eingehalten wurde und die
betreffenden Handlungen daher rechtswidrig waren.
Um die Einhaltung dieser Mindeststandards möglichst zu erleichtern, wären diese – sozusagen
kontextspezifisch – in Bezug auf die einzuhaltende Dokumentationsgenauigkeit und -detailliertheit
sowie die bei der gegebenenfalls notwendigen Bergung anzuwendende Vorsicht zu staffeln.
So zum Beispiel wären für Bodeneingriffe, die nur seicht und kleinflächig in den Erdboden eingreifen
und nur bereits modern stark gestörte Böden (wie modern durchpflügte Acker- oder durch
Baumwurzelwachstum und andere biogene Störungen veränderte Waldbodenschichten) betreffen,
weniger genaue und detaillierte Dokumentation erfordernde Mindeststandards vorzusehen; z.B. nur
die Aufzeichnung von möglichst exakten Fundstellenkoordinaten (wie das heutzutage mit jedem
Smartphone mit GPS-Lokalisierungsfunktion möglich ist), eine kurze schriftliche Beschreibung der
genaueren Fundumstände und eine oder einige aussagekräftige Fotografien. Diese qualitativ
niedrigsten Mindeststandards könnten gleichzeitig auch für die Aufnahme von Oberflächenfunden
vorgeschrieben werden, die ja ebenfalls wichtige archäologische Informationen enthalten können, um
auch deren sachgemäße Dokumentation für möglichst nutzbringende Fundmeldungen zu
gewährleisten. Für an sich nur seichte, aber großflächigere Bodeneingriffe wären hingegen schon
genauere und detailliertere Dokumentationen und Bergestandards erforderlich; für tiefergehende
Bodeneingriffe, die unter die Untergrenze des modern stark gestörten Oberbodens eindringen,
hingegen Standards, die etwa den schon derzeit bestehenden Grabungsrichtlinien des
österreichischen Bundesdenkmalamtes (BDA 2016a) bzw. der deutschen Landesämter für
Denkmalpflege (landesspezifische Versionen von VLA 2006) entsprechen. Erforderlichenfalls könnte
zusätzlich als Ersatz für die derzeitigen NFG-Pflichten für großflächigere oder tiefergehende
Bodeneingriffe auch noch ein staatliches Lizensierungssystem vorgesehen werden (dazu noch später
genauer Seiten 224-226).
Eine solche Staffelung ist einerseits aus Sicht der Anwendungspraxis erforderlich, weil man vom
durchschnittlichen Finder von Oberflächen- und Oberbodenfunden gar nicht sinnvoll erwarten und
verlangen kann, dass er eine, modernen, wissenschaftlichen Grabungsstandards entsprechende,
Dokumentation anfertigt und bewegliche Kleinfunde mit der gleichen Vorsicht und Professionalität
birgt wie dafür eigens langjährig ausgebildete Archäologen oder gar Konservatoren. Sie ist aber
andererseits auch aus archäologischer Sicht sinnvoll, weil es wissenschaftlich wenig bis gar nichts
bringt, Oberflächen- und Oberbodenfunde in der gleichen Genauigkeit zu dokumentieren und mit der
gleichen Vorsicht zu bergen wie stratifizierte Funde und Befunde in „ungestörten“, tiefer gelegenen
Bodenschichten (siehe dazu z.B. Bayer et al. 2013).
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von gestaffelten Mindeststandards
Die Staffelung von gesetzlichen Mindeststandards entspricht auch dem Verhältnismäßigkeitsgebot
staatlicher Reaktion: selbst der geringste Mindeststandard stellt aus rechtlicher Sicht einen Eingriff in
die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG (und deren österreichisches implizites
Äquivalent) dar, weil dadurch FinderInnen von Oberflächen- und Oberbodenfunden gesetzlich
vorgeschrieben wird, dass sie den entdeckten Fundgegenstand nicht einfach, wie es ihnen gefällt,
mitnehmen dürfen, sondern eben bei seiner Entdeckung bestimmte Handlungen setzen müssen,
wodurch ihnen die Unterlassung dieser Handlungen verboten wird. Dieser Eingriff ist allerdings sowohl
erforderlich als auch geeignet, das gesetzliche Schutzziel – die sachgemäße Dokumentation und
Bergung von Bodenfunden, die für derzeitige und künftige archäologische Untersuchungen notwendig
ist – auch tatsächlich zu erreichen und beschränkt die Handlungsfreiheit auch nur soweit, als zum
Erreichen dieses Ziels tatsächlich notwendig ist.
201
Was ist eigentlich eine Raubgrabung?
Gleichermaßen ist der Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG bzw. Art. 17 StGG durch
gestaffelte Standards sowohl verhältnismäßig als auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt: die
Wissenschaftsfreiheit des Einzelnen wird durch ihre Vorgabe nur soweit beschränkt, als dies
unbedingt notwendig ist, um die Wissenschaftsfreiheit aller anderen derzeitigen und künftigen
Personen, welche die entdeckten Funde und Befunde wissenschaftlich untersuchen wollen, zu
schützen. Dieser Schutz ist in diesem Fall deshalb notwendig, weil bei jeder solchen Entdeckung bzw.
Bergung – im Minimum – die Kontexte der entdeckten Funde und Befunde verändert oder zerstört
sowie die Bodenbefunde selbst aller Wahrscheinlichkeit nach auch physisch zerstört werden. Damit
wird durch die Handlungen der einen Person allen anderen die Möglichkeit genommen, diesen
Zustand selbst zu entdecken, um ihrerseits daraus wissenschaftliche Erkenntnis zu gewinnen. Um
diesen Anderen die Erforschungsmöglichkeit dieser konkreten Situation nicht gänzlich zu nehmen, ist
es daher notwendig, die aus derzeitiger wissenschaftlicher Sicht relevant erscheinenden
Informationen über diese Funde und Befunde während ihrer Veränderung bzw. Zerstörung
sachgemäß zu dokumentieren und zu bergen; d.h. diese durch sachgemäße Dokumentation und
Bergung für die Erforschung durch Dritte zu erhalten.
Dieser Eingriff in die Handlungs- und Forschungsfreiheit des Einzelnen ist jedoch – aufgrund der
entsprechenden Staffelung der Mindeststandards – jeweils so gering als unbedingt notwendig. Es wird
dem Einzelnen weder (außer auf für Forschungen künftiger Generationen in Reserve gehaltenen
archäologischen Denkmalen bzw. Grabungsschutzgebieten) die Verpflichtung auferlegt, seine
Handlungen bzw. wissenschaftlichen Forschungen nur mit staatlicher Genehmigung durchzuführen
(siehe zur Unzulässigkeit einer generellen Genehmigungspflicht, die die freie Wahl des Forschers über
Gegenstände und Methoden seiner Forschung einschränkt, Berka 1999, 344), noch ihm aus derzeitiger
wissenschaftlicher Sicht unnötige Verpflichtungen aufgetragen. Das Einzige, was vom Einzelnen
verlangt wird, ist, dass er seine Handlungen in einer Weise dokumentiert und allfällige Bergungen mit
der Vorsicht durchführt, die es Dritten ermöglicht, die vom Einzelnen vorgenommenen Handlungen
nachzuvollziehen und die vom Einzelnen gemachten Entdeckungen bzw. die dabei aufgezeichneten
relevanten Informationen und allfällig geborgenen Gegenstände in ihrer eigenen Forschung
verwerten zu können, weil diese wenigstens ungefähr so vorliegen, wie sie diese auch selbst
aufgezeichnet hätten, wenn sie die Entdeckung selbst gemacht hätten.
Gleichberechtigten Bürgern Verantwortung übertragen
Dadurch, dass man derartige, gestaffelte Mindeststandards verbindlich vorschreibt und
archäologische Funde und Befunde betreffende Handlungen (gleichgültig, was mit diesen Handlungen
bezweckt wird) dann als rechtmäßig betrachtet, wenn sie diesen Mindeststandards folgen, wird nicht
nur eine Deckungsgleichheit der Bedeutungen rechtmäßige und sachgemäße und rechtswidrige und
unsachgemäße Grabung erreicht, sondern auch die Verantwortung derartige Handlungen sachgemäß
auszuführen den Bürgern selbst übertragen, und zwar völlig unbeachtlich ihrer Person. Ob Bürger –
gleichgültig ob es sich bei ihnen um graduierte ArchäologInnen oder beliebige andere Personen
handelt – rechtmäßig handeln, wenn sie archäologische Funde und Befunde entdecken, hängt bei
einer derartigen Lösung ausschließlich davon ab, ob sie diese bei der Entdeckung sachgemäß
behandeln. Wer archäologische Funde und Befunde rechtmäßig entdecken und bergen will, aufgrund
der Natur seiner Handlungen erwarten muss (z.B. weil er eine Baumaßnahme auf einem Grundstück
durchführen will, auf dem mit dem Vorkommen archäologischer Überreste im Boden zu rechnen ist)
oder auch nur zufällig und unerwartet auf solche stößt, hat selbst dafür zu sorgen, dass die
vorgeschriebenen Mindeststandards auch tatsächlich eingehalten werden.
Das bedeutet zum Beispiel konkret, dass Metallsucher, die Kleinfunde aus dem Boden bergen wollen,
sofern sie dies nicht auf für die Zukunft reservierten Fundstellen tun wollen, keine Genehmigung durch
202
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
eine staatliche Stelle benötigen würden wie das in Österreich (und auch z.B. Bayern) ja schon derzeit
der Fall ist. Sie wären jedoch – genau wie jeder andere auch – dazu verpflichtet, wenn sie bei der
Ausübung ihres Hobbys Kleinfunde auf der Erdoberfläche oder im Boden entdecken – und zwar völlig
unbeachtlich dessen, ob dies jetzt prähistorische, mittelalterliche oder neuzeitliche archäologische
Funde wären – diese und alle dabei entdeckten Befunde entsprechend der vorgeschriebenen
Mindeststandards zu dokumentieren und zu bergen. Sofern sie sich bei ihren Handlungen
ausschließlich auf den Oberboden beschränken, müssen sie sich nur an die geringsten Standards (eben
die für Oberflächen- und Oberbodenfunde) halten, damit ihre Handlungen rechtmäßig sind. Dringen
sie jedoch tiefer in den Erdboden ein, müssen sie die entsprechend genaueren und detaillierten
Grabungsstandards einhalten, die auch für jede sonstige archäologische Ausgrabung in weitgehend
ungestörten Bodenschichten gelten, um rechtmäßig zu handeln. Wie sie sich die dazu nötigen
Kenntnisse und Kompetenzen aneignen, bleibt ihnen selbst überlassen: relevant ist nur, dass sie sie
haben müssen, um rechtmäßig handeln zu können. Will also ein Metallsucher auch Funde aus tieferen
Bodenschichten als dem Oberboden bergen, muss er entweder selbst lernen, sachgemäße
archäologische Grabungen entsprechend den dafür vorgeschriebenen Mindeststandards
auszuführen, oder für solche Bergungen eben Dritte finden, z.B. graduierte Archäologen, die
grabungsstandardgemäß graben können, die das für ihn machen.
Das Gleiche gilt dann auch für die Baufirma bzw. den Bauherrn, der weiß oder vermuten muss, dass
bei von ihm durchgeführten Erdarbeiten archäologische Funde und Befunde angetroffen werden
könnten oder auch nur bei diesen zufällig auf diese stößt: will er rechtmäßig handeln, muss er
entweder selbst die Grabungsmindeststandards einhalten oder entsprechendes Personal anstellen,
das diese Standards einhalten und die notwendigen Ausgrabungen sachgemäß durchführen kann.
Aber nicht nur das, das Gleiche gilt dann natürlich auch für jede von graduierten Archäologen,
Grabungsfirmen, Universitäten, Museen etc. durchgeführte archäologische Ausgrabung: diese ist
rechtmäßig, wenn sie sachgemäß durchgeführt wird; wird sie hingegen nicht sachgemäß
durchgeführt, dann ist sie genauso verboten und damit rechtswidrig wie die unsachgemäßen
Grabungen von Metallsuchern oder Baufirmen.
Was zählt, ist also, völlig unbeachtlich dessen wer die Grabungen vorgenommen hat, nicht ob diese
genehmigt waren, sondern nur, ob sie sachgemäß waren (was, bei für die Zukunft reservierten
Fundstellen, auch die Einhaltung der dafür geltenden Genehmigungspflichten und gegebenenfalls bei
Lizensierungspflicht für tiefere und großflächigere Eingriffe das Vorliegen der erforderlichen Lizenz
beinhaltet): alle sind vor dem Gesetz gleich, weil ausschließlich relevant ist, ob das gesetzliche
Schutzziel durch die Handlungen erreicht wurde oder nicht. Wenn es erreicht wurde, war die Grabung
rechtmäßig, wenn es hingegen nicht erreicht wurde, war sie rechtswidrig und damit in beiden
eingangs genannten möglichen Bedeutungen dieses Begriffs eine Raubgrabung.
Gestaffelte Sanktionen für Mindeststandardunterschreitung
Wählt man diesen Weg, ist es natürlich dann auch erforderlich, gesetzliche Sanktionen für
rechtswidrig durchgeführte Grabungen (und potentiell auch Belohnungen für rechtmäßig
durchgeführte Grabungen) vorzusehen, um jene, die dazu angehalten werden sollen, sich an die
vorgegebenen gesetzlichen Mindeststandards zu halten, auch entsprechend zu ihrer Einhaltung zu
motivieren. Soweit Sanktionen für rechtswidrige Grabungen betroffen sind, erscheint es meiner
Meinung nach angebracht, auch diese entsprechend sinngemäß zu staffeln.
Dies kann z.B. bedeuten, dass man unterschiedlich hohe Strafzahlungen für fahrlässig und für
vorsätzlich nicht archäologisch sachgerecht durchgeführte Grabungen vorsieht. Dabei würde eine
geringere Strafhöhe für rechtswidrige Grabungen festgesetzt, die von einer Person unsachgemäß
203
Was ist eigentlich eine Raubgrabung?
durchgeführt wurden, weil sie ihre Fähigkeit, diese sachgemäß durchzuführen, fahrlässig überschätzt
hat (also z.B. ohne irgendeine Ausbildung genossen und irgendwelche einschlägige Erfahrung darin zu
haben, archäologische Ausgrabungen durchzuführen, eine in tiefer gelegene, „ungestörte“
Bodenschichten eingreifende Grabung durchgeführt hat und daher bei objektivierter Betrachtung
wissen hätte müssen, dass sie das nicht ausreichend kann). Ein höheres Strafmaß würde hingegen für
rechtswidrige Grabungen festgesetzt, die von einer Person unsachgemäß durchgeführt wurden, weil
sich diese nicht an die gesetzlichen Mindeststandards halten wollte (z.B. ein Schatzgräber, der in
möglichst kurzer Zeit möglichst viele wirtschaftlich wertvolle Schätze aus dem Boden reißen wollte
und sich daher nicht mit eventuell zeitaufwändigen, aber von den anzuwendenden Standards
vorgesehenen Dokumentations- und Bergungsmaßnahmen aufgehalten hat).
Oder es kann bedeuten, dass man stattdessen oder auch zusätzlich dazu die Höhe von Strafzahlungen
auf Basis des Motivs variiert, z.B. für unsachgemäße Grabungen, die aus wissenschaftlichem
Forschungsinteresse aber ohne ausreichende Fähigkeit zur sachgemäßen Dokumentation und
Bergung durchgeführt wurden, eine geringere, für solche hingegen, die hauptsächlich oder
ausschließlich aus wirtschaftlichem Profitinteresse durchgeführt wurden, eine deutlich höhere Strafe
festsetzt. Oder es kann bedeuten, dass man stattdessen oder auch zusätzlich dazu die Höhe von
Strafzahlungen vom mutmaßlich angerichteten Schaden abhängig macht, z.B. eine geringe Strafe für
einen geringfügigen unsachgemäßen Bodeneingriff, bei dem aufgrund seiner Geringfügigkeit nur
vergleichsweise wenig archäologischer Sachschaden entstanden sein dürfte (weil, wie wir schon oben
gesehen haben, gerade unter einer modernen Vorstellung, wie archäologische Erkenntnis gewonnen
wird, normalerweise der höchste Erkenntnisgewinn aus großflächig und systematisch untersuchten,
komplex stratifizierten Fundstellen gezogen werden kann, während Einzelfunde und deren
unmittelbare Kontexte gewöhnlich nur geringen Erkenntnisgewinn über die Vergangenheit gestatten),
aber eine weit höhere und finanziell schmerzhaftere Strafe für maßgebliche unsachgemäße
Bodeneingriffe festsetzt, bei denen aller Wahrscheinlichkeit nach auch großer archäologischer
Sachschaden entstanden ist.
Ebenso wäre es sinnvoll, zusätzlich zu dem oder den anderen gewählten Faktoren die Strafhöhe auch
nach dem Nutzen zu staffeln, den der, der eine unsachgemäße Grabung durchgeführt hat, aus dieser
gezogen hat, ziehen wollte oder wahrscheinlich ziehen dürfte. Das würde zum Beispiel bedeuten, dass
der Metallsucher, der eine unsachgemäße Grabung durchgeführt hat, um einen Fund seiner
Privatsammlung einzuverleiben, die er zu seinem Privatvergnügen unterhält, eine vergleichsweise
geringe Strafe zahlen müsste; der Schatzsucher, der seine Funde meistbietend verkauft, eine deutlich
höhere; und der Bauunternehmer, der großflächig archäologische Funde und Befunde unsachgemäß
zerstören hat lassen, um sich die Kosten für die Durchführung sachgemäßer archäologischer
Ausgrabungen und die daraus potentiell entstehenden Stehzeiten seiner Baustelle zu ersparen, noch
viel höher, z.B. mit einer Strafzahlung bis in Höhe der dadurch ersparten Kosten oder sogar in Höhe
des gesamten Bauvolumens des betreffenden Bauprojekts.
Verhaltenssteuerung durch gestaffelte Mindeststandards und Sanktionen
Ein derart gestaffeltes Sanktionssystem für die unsachgemäße und deshalb rechtswidrige
Durchführung von Grabungen hätte nicht so sehr eine abschreckende, sondern vor allem eine
verhaltenssteuernde Wirkung. Das ist in letzter Analyse das, worum es der archäologischen
Denkmalschutzgesetzgebung gehen muss; nicht darum Grabungen und die Entdeckung von
Archäologie zu verhindern, sondern darum, dass, wenn eine Grabung durchgeführt und dabei
Archäologie entdeckt wird, diese sachgemäß dokumentiert und geborgen wird. Bestraft man die
unsachgemäße Behandlung von Archäologie, und zwar umso stärker, je vorsätzlicher und
204
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
profitorientierter das geschieht, desto eher bewegt man die, die Archäologie entweder sachgemäß
oder unsachgemäß behandeln könnten, dazu das Richtige zu tun.
Man erreicht also auf diesem Weg eher das Ziel, Raubgrabungen (dann sowohl im archäologischen als
auch im umgangssprachlichen Sinn, also unsachgemäße und rechtswidrige Grabungen) zu verhindern,
als wenn man nur jenen, die eventuell Archäologie entdecken oder Grabungen durchführen wollen,
verbietet das zu tun. Man erklärt jenen, die möglicherweise Archäologie entdecken oder Grabungen
durchführen wollen, wie sie das richtig und damit rechtmäßig machen können, und verbietet ihnen
unter Strafandrohung, es falsch zu machen.
Ein solches System hat des Weiteren auch den Vorteil, dass man es nicht auf archäologische Denkmale
– wie auch immer diese nun im jeweils örtlich geltenden Denkmalschutzgesetz definiert sind –
beschränken muss, sondern auf alle nicht bereits sachgerecht dokumentierten Bodenfunde und
Befunde ausdehnen kann. Eine allgemeine Fundmeldepflicht besteht sowohl in Österreich gem. § 388
ff. ABGB als auch Deutschland gem. § 965 ff. BGB ohnehin. Diese aus Denkmalschutzgründen um eine
(einen sehr niedrigen gesetzlichen Mindeststandard, den heute jeder leicht erfüllen kann,
vorsehende) Dokumentationspflicht bei Bodenfunden zu erweitern sollte daher sowohl rechtlich als
auch in der Sache weitgehend unproblematisch sein.
Man kann sich dadurch, dass man die Gültigkeit der Mindeststandards auf alle Bodenfunde ausdehnt,
dann nämlich ersparen, sich auf Argumente darüber einlassen zu müssen, ob ein Bodenfund nun ein
solcher Gegenstand ist, der gemäß der gesetzlichen Definition des relevanten Denkmalbegriffs unter
diesen fällt, z.B. ausreichende geschichtliche etc. Bedeutung hat, daher den Bestimmungen des
Denkmalschutzgesetzes unterliegt und sachgemäß zu behandeln ist, oder diesen nicht unterliegt und
daher unsachgemäß verändert, zerstört oder entfernt werden darf. Der Bodenfund ist für jedermann
erkennbar ein Bodenfund und daher – wenn er nicht schon entsprechend dokumentiert ist –
sachgemäß zu dokumentieren und zu behandeln.
Die Ausnahme für bereits sachgemäß dokumentierte Bodenfunde und Befunde ist dabei wichtig, um
moderne Strom- und sonstige Leitungen, die bereits auf amtlichen Leitungsplänen verzeichnet sind,
und bauliche Strukturen, die bereits auf ebensolchen Bauplänen verzeichnet sind, auf sonst fund- und
befundfreien Flächen nicht ebenfalls den gleichen Standards zu unterwerfen. Dies erscheint nämlich
hochgradig unnötig, selbst wenn man berücksichtigt, dass moderne Leitungspläne in der Regel
bestenfalls grobe Schätzwerte über den tatsächlichen Leitungsverlauf angeben. Dennoch: diese sind
ja bereits bei ihrer Verlegung bzw. Errichtung sachgerecht dokumentiert worden, das braucht man
nicht mit höherer Genauigkeit zu duplizieren.
Ein solches System von gestaffelten Mindeststandards und Strafen für die unsachgemäße und damit
rechtswidrige Durchführung archäologischer Handlungen hat darüber hinaus schließlich auch noch
den Vorteil, dass es sowohl leichter kontrollierbar als auch leichter durchsetzbar ist als die bisherige
Lösung. Es gibt unter einem solchen System für jemanden, der im Feld mit Metallsuchgerät und
Grabungswerkzeug und potentiell sogar Bodenfunden in der Tasche oder auf einer Baustelle, auf der
archäologische
Befunde und Funde
vorkommen,
angetroffen wird,
ohne die
mindeststandardkonformen Dokumentationsunterlagen vorweisen zu können, keine Ausreden. Dass
jemand gar nicht nach Bodendenkmälern, sondern nur nach 1-Euro-Münzen gesucht und gegraben
und daher gar nichts Verbotenes getan haben will, spielt dann keine Rolle, weil auch der Fund einer
1-Schilling-Münze am oder im Erdboden ein Bodenfund ist, den er entsprechend den geltenden
Mindeststandards dokumentieren hätte müssen. Ebenso wenig zählt, dass der Baupolier gar nicht
gewusst haben will, dass braune Flecken und Scherben im Boden archäologische Denkmale sind,
deren sachgemäße Dokumentation er sicherzustellen gehabt hätte, weil er alle noch nicht auf Plänen
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Was ist eigentlich eine Raubgrabung?
eingetragenen Bodenfunde und Befunde entsprechend der gesetzlichen Mindeststandards behandeln
hätte müssen (und gesehen wird er sie wohl haben).
Es gibt auch für keine Grabungsfirma die Ausrede mehr, von der Baufirma einfach nicht genug bezahlt
bekommen zu haben, um wirklich alle Befunde und Funde sachgemäß zu dokumentieren und zu
bergen, weil sich der Chef um den Auftrag zu bekommen verkalkuliert und die Baufirma, ohne zu
prüfen, ob zu dem Preis die sachgemäße Dokumentation und Bergung der zu erwartenden
Archäologie überhaupt möglich ist, dem Billigstbieter den Zuschlag erteilt hat. Die Baufirma kann sich
auch nicht darauf ausreden, nicht gewusst zu haben, dass sie dafür zu sorgen gehabt hätte, dass die
Archäologie sachgemäß dokumentiert und geborgen wird – und dass das nicht zu jedem Spottpreis
und in jeder beliebig kurzen Zeit möglich ist – und daher den Billigstbieter gewählt hat.
Selbst der Universitätsprofessor für Archäologie hat bei seiner Lehr- und Forschungsgrabung nicht
mehr die Ausrede, dass er sich verschätzt hat, was die Menge des von ihm zur Betreuung und
Anleitung der Lehrgrabungsstudierenden benötigten, erfahrenen Personals betrifft, daher nicht alle
davon ausreichend gut betreut waren und Anfänger nun einmal Fehler machen, was die
Dokumentation und Bergung betrifft. Und schon gar nicht kann sich irgendjemand darauf ausreden,
dass er ja ohnehin alles so vom Denkmalamt genehmigt bekommen hat und er daher überhaupt nichts
Verbotenes gemacht hat.
Keine dieser Ausreden, und auch keine der unzähligen anderen möglichen, hilft dem, der
archäologische Funde und Befunde unsachgemäß behandelt hat, wenn die unsachgemäße
Behandlung von Bodenfunden und Befunden verboten ist: jeder hatte die Mindeststandards zu
kennen, die einzuhalten waren, und hätte dafür entsprechend Vorsorge zu treffen gehabt, dass er sie
auch tatsächlich einhält. Wer es dennoch schuldhaft unterlassen hat, sein Recht diese Funde und
Befunde zu entdecken und auszugraben so verantwortungsvoll auszuüben, dass die ohnehin sinnvoll
gestaffelten und daher auch verhältnismäßigen und somit durchaus erfüllbaren Mindeststandards
auch tatsächlich erfüllt wurden, der hat dann eben auch die Folgen, d.h. die ebenso sinnvoll
gestaffelten Strafen, zu tragen.
Um die gewünschten verhaltenssteuernden Effekte noch zu vergrößern kann und sollte man meiner
Meinung nach sogar auch Belohnungen für die sachgemäße Behandlung archäologischer Funde und
Befunde vorsehen. Dies können durchaus auch finanzielle Belohnungen sein, wenn das so gewünscht
sein sollte, obgleich ich es für sinnvoller halten würde, wenigstens bevorzugt andere, d.h. nicht
finanzielle, Belohnungen vorzusehen. Solche nicht finanziellen Belohnungen könnten z.B. das Recht
für Finder, die von ihnen entdeckte archäologische Funde und Befunde sachgemäß behandelt haben,
an geeigneten Orten anerkennend genannt zu werden (z.B. in Medienberichten, bei
Objektbeschriftungen in Ausstellungen, etc.), Kopien (und seien es auch nur elektronische)
wissenschaftlicher Auswertungen von und Veröffentlichungen über „ihre“ Funde und Befunde zu
erhalten, und dergleichen mehr.
In Ländern, in denen kein allgemeines Schatzregal für archäologische Bodenfunde gilt, ist auch zu
überlegen, ob dem sachgemäßen Entdecker nicht auch als Belohnung das Alleineigentum an den
entdeckten und sachgemäß behandelten Kleinfunden – und sei es nur solche, die nicht unter ein
örtlich geltendes, kleines Schatzregal fallen – einzuräumen ist. Schließlich hat er bereits durch seine
sachgemäße Behandlung der betreffenden Objekte bei ihrer Entdeckung bewiesen, dass er in dieser
Beziehung vertrauenswürdig ist. Derartige Belohnungen würden jedenfalls meiner Meinung nach die
Wahrscheinlichkeit, dass sich Personen, die archäologische Funde und Befunde entdecken oder
ausgraben, an die vorgesehenen Mindeststandards halten, noch zusätzlich vergrößern.
206
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Keine perfekte, aber eine bessere Lösung
Abschließend noch eine Bemerkung: natürlich wird auch bei diesem Lösungsversuch keineswegs
jeder, der archäologische Funde und Befunde entdecken und ausgraben will, und auch nicht jeder, der
aus anderen Gründen Erdarbeiten vornimmt, allfällig entdeckte bzw. zufällig angetroffene Funde und
Befunde sachgerecht entsprechend der vorgesehenen Mindeststandards behandeln. Ebenso wird
auch nicht jeder, der sich nicht an die Mindeststandards hält, wenn er Funde und Befunde vorsätzlich
entdeckt oder zufällig antrifft, erwischt und bestraft werden können.
Auch der hier vorgeschlagene Lösungsversuch des Raubgrabungsproblems wird also keineswegs
perfekt funktionieren. Das sagt aber für sich betrachtet erst einmal gar nichts: es gibt immer Leute,
die sich nicht an geltende Gesetze halten, sei es, weil sie diese gar nicht kennen, sich generell nicht
um Gesetze kümmern, ihnen das konkrete Gesetz oder auch nur eine konkrete Bestimmung im
konkreten Gesetz unrecht oder auch nur gänzlich egal ist. Wäre dem nicht so, gäbe es schon lange
keine Verbrechen und Ordnungswidrigkeiten mehr. Gesetze sind niemals perfekt darin, menschliches
Verhalten zu steuern und das, was sie zu verbieten versuchen, ganz zu verhindern.
Gute gesetzliche Lösungsversuche für ein Problem kennzeichnen sich in der Regel nicht dadurch, dass
sie perfekt funktionieren, sondern dadurch, dass sie besser funktionieren als alle anderen bekannten,
möglichen gesetzlichen Lösungsversuche; d.h. die gewünschte Verhaltenssteuerungswirkung maximal
entfalten. Im hier konkret diskutierten Fall bedeutet das, dass Denkmalschutzgesetze das Verhalten
jener, die archäologische Funde und Befunde ausgraben (oder auch nur auf oder über der
Erdoberfläche entdecken) könnten, egal aus welchem Grund sie das tun, möglichst dahingehend
gesteuert werden sollen, dass sie diese erstens bei der Ausgrabung bzw. Entdeckung nicht
unsachgemäß verändern oder zerstören und zweitens nach der Ausgrabung bzw. Entdeckung den für
die archäologische Denkmalpflege verantwortlichen Stellen und damit mittelbar der archäologischen
Wissenschaft und der Allgemeinheit wenigstens bekanntmachen oder, noch besser, zur Verfügung
stellen.
Schlussfolgerungen
Durch die derzeit im deutschen Sprachraum gewählte gesetzliche Lösung; d.h. mehr oder minder
restriktive Genehmigungspflichten und das mit diesen verbundene, unter Strafandrohung gestellte,
Verbot, ohne eine derartige im Voraus erteilte Genehmigung nach Bodendenkmälern zu graben
und/oder diese auf andere Weise zu entdecken zu versuchen; wird das Ziel bzw. die tatsächlich
erwünschte verhaltenssteuernde Wirkung, dass nämlich Grabungen und Entdeckungen
archäologischer Funde und Befunde sachgemäß dokumentiert und den zuständigen Stellen mitgeteilt
werden, nicht bzw. nur sehr beschränkt erreicht. Denn das Gesetz sagt nur, welche Personen
archäologische Grabungen und Entdeckungen zu machen versuchen dürfen, nicht wie beliebige
Personen archäologische Grabungen und Entdeckungen machen sollen. Die gesetzliche
Steuerungswirkung dieses Lösungsversuchs greift daher auch nur in Bezug auf die Rechtmäßigkeit,
nicht in Bezug auf die wissenschaftliche Qualität geplanter Handlungen.
Zwar werden sich Personen, die sich dem Genehmigungsregime unterwerfen, vermutlich an die darin
geltenden Regeln – auch die Qualitätsregeln – halten. Aber für alle Personen, die – aus welchen
Gründen auch immer – keine Genehmigung bekommen haben, stellt sich nicht die Frage „Wie kann
ich das, was ich machen will, richtig machen?“, sondern nur die Frage „Soll ich das, was ich machen
will, trotzdem machen?“. Entscheiden sie sich in dieser Frage dafür, es trotz allem zu tun, spielt wie
sie es machen überhaupt keine Rolle, weil wenn sie erwischt werden, werden sie bestraft, egal wie
sachgemäß sie gearbeitet haben. Für jene, die nicht dürfen – und das ist in Anbetracht z.B. der
mutmaßlichen Anzahl von Metallsuchern in Deutschland und Österreich im Vergleich zu jenen, die
207
Was ist eigentlich eine Raubgrabung?
eine Genehmigung erteilt bekommen haben (siehe Karl & Möller 2016), die überwältigende Mehrheit
– ist also die verhaltenssteuernde Wirkung der derzeitigen gesetzlichen Lösung praktisch gleich Null.
Die hier vorgeschlagene Lösung entfaltet hingegen ihre verhaltenssteuernde Wirkung auf alle
gleichermaßen und auch in die tatsächlich erwünschte Richtung, weil sich unter der hier
vorgeschlagenen Lösung gesetzlich verpflichtend vorgeschriebener, gestaffelter Mindeststandards
samt zugehöriger gestaffelter Sanktionen allen gleichermaßen nur die Frage „Wie kann ich das, was
ich machen will, richtig machen?“ stellt. Diese Frage werden wohl alle, die sich auch schon jetzt dem
derzeitigen Genehmigungssystem unterwerfen, für sich so beantworten, dass sie es auch weiterhin
richtig machen: diese wollen sich ja an die geltenden Regeln halten, und werden wohl auch weiterhin
sachgemäß handeln.
Von jenen hingegen, die derzeit ohne Genehmigung graben oder anderswie Archäologie zu entdecken
versuchen, werden sich zwar sicher nicht alle an die neuen Regeln halten, aber die Wahrscheinlichkeit,
dass sich ein nicht unbedeutender Teil davon daran hält, ist hoch. Denn letztendlich gibt ihnen die
Einhaltung der hier vorgeschlagenen Regeln etwas, was auch ihnen nützt: die Möglichkeit, das zu tun,
was sie tun wollen – nämlich Archäologie ausgraben und entdecken – ohne dabei stets befürchten zu
müssen, Schwierigkeiten mit den zuständigen staatlichen Stellen zu bekommen. Dadurch, dass sie
eine auch erfüllbare Antwort auf die Frage „Wie darf ich?“ erhalten, nicht nur eine Antwort auf die
Frage „Darf ich?“, die noch dazu oft genug „Nein!“ oder bestenfalls „Nur wenn Du erst einmal beweist,
dass wir Dir vertrauen können; und auch dann nur innerhalb extrem enger Grenzen!“ ist, motiviert man
sicherlich wenigstens einen gewissen Prozentsatz, meiner Vermutung nach sogar einen bedeutenden
Prozentsatz, dazu die neuen Regeln zu beachten.
Damit ist der hier vorgeschlagene neue gesetzliche Lösungsversuch vermutlich – ob tatsächlich, kann
man natürlich erst sehen, wenn man es probiert – ein weit effektiverer und damit besserer
Lösungsweg für das Problem der sogenannten Raubgrabungen. Statt jenen, die das dennoch wollen,
zu verbieten Archäologie auszugraben und zu entdecken, bietet er ihnen – und uns – eine
Lösungsmöglichkeit an, die jenen ermöglicht es zu dürfen und uns, das von uns eigentlich verfolgte
Ziel – nämlich, dass Archäologie aus wissenschaftlicher Sicht sachgemäß behandelt wird, wenn sie
entdeckt wird – besser als derzeit zu erreichen. Und das sollte, wenigstens meiner Meinung nach,
unser eigentliches Ziel sein.
208
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Führerschein oder Einzelfahrterlaubnis?
Ein System von sinnvoll gestaffelten Mindeststandards für die Dokumentation archäologischer Funde
und Befunde, egal aus welchen Gründen sie entdeckt werden, stellt im Endeffekt nicht mehr als eine
Weiterentwicklung der Meldepflichten für Funde archäologischer Denkmale dar, wie sie bereits
derzeit in allen deutschsprachigen Denkmalschutzgesetzen (z.B. § 8 Abs. 1 DMSG; § 20 DSchG-BW; §
21 HDSchG) vorgesehen sind. Aus Gründen archäologischer Qualitätssicherung mag dies aber,
insbesondere für geplante, archäologische Ausgrabungen oder auch generell für großflächigere und
tiefergehende Bodeneingriffe aus Sicht der archäologischen Denkmalpflege nicht als völlig
ausreichend erscheinen. Es ist an dieser Stelle also auch angebracht, wenigstens kurz einige
Überlegungen anzustellen, ob sich auch die derzeit ebenfalls in allen deutschsprachigen
Denkmalschutzgesetzen (z.B. § 11 Abs. 1 DMSG; § 21 DSchG-BW; § 22 HDSchG) vorgesehenen NFGPflichten in einer Weise weiterentwickeln lassen, die eine verhältnismäßige und auch praktikable
Regelung einer Vorab-Kontrolle der Kompetenz von Personen gestattet, die maßgeblichere, potentiell
archäologisch-denkmalpflegerisch relevant werden könnende, Bodeneingriffe planen; ohne
gleichzeitig die nachteiligen und rechtswidrigen Folgen der derzeitigen NFG-Pflichten zu haben. Zu
diesem Zweck wird hier zuerst ein Vergleich zwischen einer anderen, dem Schutz bedeutender
öffentlicher Interessen dienenden Kompetenznachweispflicht und der derzeitigen NFGPflichtregelung in deutschsprachigen Denkmalschutzgesetzen angestellt, aus dem sich ein solcher
Lösungsversuch potentiell erfolgreich entwickeln lässt.
Die behördliche Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuglenker
Um ein Kraftfahrzeug auf öffentlichen Verkehrsflächen in Betrieb nehmen zu dürfen, bedarf man einer
behördlichen Erlaubnis, der Fahrerlaubnis. Diese wird in Form einer amtlichen Urkunde, dem
Führerschein, ausgestellt, nachdem man eine Prüfung über seine Befähigung zum Führen eines
bestimmten
Fahrzeugtyps
abgelegt
und
diese
somit
nachgewiesen
hat
(https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BChrerschein [30.1.2017]).
Dass man eine solche Fahrerlaubnis braucht, hat auch guten Grund: dem Statistischen Bundesamt
zufolge gab es z.B. 2015 in Deutschland insgesamt 2.516.831 polizeilich erfasste Verkehrsunfälle. Bei
2.211.172 davon kam es lediglich zu Sachschäden, bei 305.659 auch zu Personenschaden. Dabei
wurden 396.891 Verunglückte registriert: 3.450 Verkehrstote, 67.706 Schwer- und 325.726
Leichtverletzte (https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/TransportVerkehr/
Verkehrsunfaelle/Verkehrsunfaelle.html [30.1.2017]). Nachdem das Kraftfahrzeugfahren Fahrer
selbst und andere maßgeblich gefährdet, ist es selbstverständlich, dass Fahrer zuerst einer
Kompetenzprüfung unterzogen werden, ehe man sie selbstverantwortlich fahren lässt. Der Staat
versucht dadurch, bedeutende Rechtsgüter seiner BürgerInnen – nämlich Eigentum, Leib und Leben –
vor ernsthafter Gefährdung durch inkompetente Fahrer zu schützen.
Zugegebenermaßen: ich spreche nicht aus eigener Erfahrung, denn ich habe nie Autofahren gelernt
und auch keinen Führerschein, was für einen Archäologen durchaus ungewöhnlich ist. Dennoch:
soweit ich das verstanden habe, darf man, wenn man den Führerschein hat, jedes Fahrzeug des
entsprechenden Typs mit Erlaubnis seines Eigentümers frei in Betrieb nehmen und im Rahmen der
Straßenverkehrsregeln benutzen, wie es einem gefällt. Einen besonderen Grund für eine Ausfahrt
brauchen Führerscheininhaber nicht: es spielt keinerlei Rolle, ob sie das Fahrzeug in Betrieb nehmen,
um damit eine unbedingt erforderliche Fahrt durchzuführen, z.B. das kranke Kind zum nächsten Arzt
zu fahren, oder einfach nur aus Lust am Autofahren, um vollkommen sinnlos hundert Runden um den
Block zu fahren.
209
Führerschein oder Einzelfahrterlaubnis?
Dabei gibt es kein allgemeines Recht auf das private Fahren, es ist auch nicht generell „notwendig“,
um von reinen „Lustfahrten“ erst gar nicht zu reden. Die private Nutzung von Kraftfahrzeugen mag
bequemer und manchmal billiger sein als öffentliche Verkehrsmittel oder die Anheuerung
professioneller Kraftfahrzeugführer (z.B. Taxifahrer). Aber, wie ich als jemand weiß, der bisher gut
ohne das selbstständige Kraftfahren überlebt hat und auch auf eine einigermaßen erfolgreiche
Karriere in einem Berufsfeld, in dem man ohne Führerschein nur schwer einen Job bekommt,
zurückblicken kann: es geht auch ohne.
Die private Nutzung von Kraftfahrzeugen richtet auch maßgebliche Schäden an: der Privatverkehr
verursacht nicht nur den Großteil der schon genannten Unfälle, sondern auch Umweltverschmutzung
durch die Fahrzeugproduktion, im Betrieb Abfallprodukte, Abgase, Feinstaub, etc., um von Schäden
durch austretende Schadstoffe bei Tankstellen etc. gar nicht erst zu reden, genauso bei der
Fahrzeugentsorgung und trägt auch zur Ausbeutung nicht erneuerbarer natürlicher Ressourcen bei.
Die weitgehend uneingeschränkte private Nutzung von Kraftfahrzeugen schädigt also Mensch und
Umwelt maßgeblich; darunter auch mittelbar die kulturelle Umwelt, d.h. auch (archäologische)
Kulturgüter, die Straßen, Pipelines und Autofabriken weichen müssen oder mittelbar Folgen der
Umweltverschmutzung zum Opfer fallen.
Dennoch: jeder Mensch, der einen Führerschein hat, darf so viele „Lustfahrten“ unternehmen, wie es
ihm gefällt, solange er sich nur dabei an die geltenden Verkehrsregeln hält; wenigstens meistens. Wir
wissen schließlich alle, dass praktisch jeder gelegentlich die eine oder andere Verkehrsregel
missachtet. Schon 'mal falsch geparkt? Auch wenn dabei meistens nichts Schlimmes passiert: bei
praktisch allen Verkehrsunfällen hat eine Übertretung von Verkehrsregeln wenigstens maßgeblich
dazu beigetragen, dass es zu dem Unfall gekommen ist, wenn sie diesen nicht überhaupt erst ausgelöst
hat.
Was man für das Kraftfahren normalerweise nicht braucht, ist eine Einzelfahrtgenehmigung, bei der
die Behörde jeweils spezifische Auflagen erteilen kann: z.B. welche öffentlichen Verkehrsflächen
befahren und welche nicht befahren werden dürfen. Das ist nicht einmal für Gefahrguttransporte
notwendig: deren Fahrer müssen eine spezielle Schulung absolvieren (United Nations Economic
Commission for Europe 2014, 35), um den nur 5 Jahre gültigen Sonderführerschein dafür zu erhalten,
und gewisse Warnschilder am Transportfahrzeug anbringen; aber sofern diese Voraussetzungen
erfüllt sind, dürfen auch Explosiv-, Gift- und andere Gefahrenstoffe ganz ohne
Einzelfahrtgenehmigung transportiert werden. Nur für Großraum- und Schwerguttransporte ist gem.
§ 29 Abs. 3 deutsche StVO eine behördliche Sondergenehmigung für jede einzelne Fahrt notwendig;
und zwar deshalb, weil dadurch der übrige Straßenverkehr maßgeblich behindert wird und nicht jede
Route zum Transport übermäßiger Güter geeignet ist.
Um zur Führerscheinprüfung Klasse B antreten zu dürfen, muss man einen Theoriekurs im Umfang
von mindestens 12+2 Doppelstunden (zu jeweils 45 Minuten, d.h. in Summe 21 Stunden Realzeit,
siehe http://www.fuehrerschein.info/Wie_viele_Theoriestunden_sind_Pflicht%3F; Error! Hyperlink
reference not valid. [31.1.2017]) und wenigstens 12 praktische Fahrstunden (= 9 Stunden Realzeit,
siehe
http://www.bussgeldkatalog-mpu.de/bussgeld/
fahranfaenger/fuehrerscheininfos/pflichtfahrstunden.php [31.1.2017]) absolviert haben. Ein besonderer Nachweis der
körperlichen oder geistigen Eignung ist, abgesehen vom Sehtest, normalerweise nicht zu erbringen.
Nur wenn der Behörde konkrete Tatsachen bekannt sind, welche die Fahreignung in Frage stellen (z.B.
Behinderung, Alkoholismus, Drogenabhängigkeit, etc.), kann eine besondere Untersuchung
angeordnet und nötigenfalls die Fahrerlaubnis mit zusätzlichen Auflagen erteilt oder gar verweigert
werden. Solche Untersuchungen sind durch qualifizierte Mediziner und/oder Psychologen
durchzuführen und haben eine gutachterliche Prognose über das künftige Verkehrsverhalten der
210
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
begutachteten Person zum Ziel (Siehe §§ 11, 13 und 14 FeV, Error! Hyperlink reference not
valid.Error! Hyperlink reference not valid. [31.1.2017]). Bestehen KandidatInnen die Fahrprüfung und
ist eine medizinisch-psychologische Untersuchung nicht erforderlich bzw. liegt infolge einer solchen
ein positives ärztliches Gutachten vor, ist die Fahrerlaubnis zu erteilen. Der erteilte Führerschein war
bis vor kurzem bis zum 70. Lebensjahr gültig (d.h. hatte ca. 50 Jahre Gültigkeit), seit 19. Jänner 2013
nur noch jeweils 15 Jahre, wobei allerdings alte Führerscheine ihre Gültigkeit bis 19.1.2033 behalten
(https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BChrerschein_und_Fahrerlaubnis_(Deutschland)#Fahrerlaubni
sregister; https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/4/Seite.040101.html; http://eurlex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32006L0126 [31.1.2017]).
Um also in einem Boliden mit 250 kmh durch Deutschland flitzen zu dürfen, und sei es auch nur, weil
man Lust dazu hat, ist alles, was man braucht, der B-Führerschein, ein Auto, das diese Geschwindigkeit
erreichen kann und dafür zugelassen ist, und eine deutsche Autobahn in ausreichend gutem Zustand
ohne Geschwindigkeitsbeschränkung. Das darf man nach 21 Stunden theoretischer und 9 Stunden
praktischer Ausbildung, bestandenem Sehtest und Führerscheinprüfung; obwohl z.B. 2015 statistisch
gesehen ca. 1 von 17 EinwohnerInnen Deutschlands in einen Verkehrsunfall verwickelt war, 1 von 207
auch körperlich zu Schaden und sogar 1 von 23.819 bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam (bei
82.175.684
Einwohnern,
http://www.statistikportal.de/Statistik-Portal/de_jb01_jahrtab1.asp
[31.1.2017] ergibt sich, unter der Voraussetzung, dass durch jeden polizeilich erfassten Verkehrsunfall
durchschnittlich wenigstens 2 Personen betroffen sind, eine Wahrscheinlichkeit von 1:16,33, dass eine
beliebige Person an einem Verkehrsunfall beteiligt ist. Die anderen genannten Verhältnisse ergeben
sich durch einfache Division der Fallzahlen mit der Gesamtbevölkerung Deutschlands). In Österreich
gilt – mit einigen Abweichungen wie allgemeinen Geschwindigkeitsbeschränkungen – im
Wesentlichen das Gleiche.
Archäologische Nachforschungsgenehmigungen
Um Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung von im Verborgenen gelegenen archäologischen
Kulturgütern (bzw. ‚Bodendenkmalen‘) anstellen zu dürfen, bedarf man, wie bereits mehrfach
ausgeführt wurde, ebenfalls einer behördlichen Genehmigung. Nachdem die Rechtslage hier aufgrund
unterschiedlicherer Regelungen in den 16 deutschen Bundesländern und in Österreich etwas
komplexer ist, ist die folgende Zusammenfassung aufgrund der erforderlichen Kürze etwas
vereinfacht.
In nahezu allen deutschen Bundesländern und in Österreich gibt es einen verfassungsgesetzlichen
Auftrag für den Staat zur Regelung des Denkmalschutzes, wobei sich allerdings Berlin, Bremen,
Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen dafür nur auf allgemeine Kulturstaatsklauseln in
Landesverfassungen und Hamburg sogar nur auf die nicht explizit grundgesetzlich festgesetzte
Zielbestimmung Deutschlands als Kulturstaat stützen können (siehe dazu die Zusammenfassung in
Krischok 2016, 181-184). Der (jeweilige) Staat hat somit die Pflicht, Gesetze zum Schutz von
Denkmalen zu erlassen und darf dabei im Rahmen der allgemeinen Verfassungsschranken (z.B.
Verhältnismäßigkeitsprinzip, Sachlichkeitsgebot) auch in Grundrechte seiner BürgerInnen eingreifen
(Pieroth et al. 2015, 57-88; Berka 1999, 112-172). Insbesondere kann es durch
denkmalschutzrechtliche Bestimmungen zu Eingriffen in die Eigentumsgarantie der Art. 14 GG bzw. 5
StGG und in die Wissenschaftsfreiheit der Art. 5 Abs. 3 GG bzw. Art. 17 StGG kommen.
Allen Denkmalschutzgesetzen ist gemein, dass das Allgemeinwohlgut, das durch die einschlägigen
gesetzlichen Bestimmungen vor Schaden geschützt werden soll, Denkmale im Sinne der
Legaldefinition des jeweiligen Gesetzes sind (siehe zusammenfassend Martin & Krautzberger 2010,
183-245; Bazil et al. 2015, 13-29). Denkmale (bzw. Kulturgüter, etc.) sind dabei jeweils solche Sachen,
211
Führerschein oder Einzelfahrterlaubnis?
denen – aus diversen Gründen, z.B. archäologischer Quellenfunktion oder als Anbindungsort
individueller oder kommunaler Identitäten, etc. – eine in irgendeiner Weise „besondere“ kulturelle
Bedeutung zukommt. Dadurch, dass ihnen eine derartige Bedeutung zukommt, unterscheiden sie sich
von „gewöhnlichen“ Sachen und werden somit zu einem Allgemeinwohlgut, an dem und dessen
Schicksal ein öffentliches Interesse besteht.
Konkreter geht es bei den in allen DSchG und dem DMSG vorgesehenen archäologischen NFGPflichten (siehe zusammenfassend für Deutschland Krischok 2016, 188-192; für Österreich Bazil et al.
2015, 61-65) jeweils darum, Verluste von in Bodendenkmalen gespeicherten historischen
Informationen zu verhindern bzw. möglichst zu minimieren. Schutzziel ist daher jeweils, die „teilweise
oder vollständige Zerstörung der körperlichen Substanz eines Kulturdenkmals“ (Strobl & Sieche 2009,
264) zu verhindern (sinngemäß auch z.B. Viebrock 2007, 239; Kriesch et al. 1997, 24-26); wobei es zu
einer Zerstörung der Substanz in der Regel nur durch Bodeneingriffe (bzw. „Erdveränderungen“ im
weitesten Sinn) kommen kann.
Alle DSchG und das DMSG machen daher auch Nachforschungen zum Zweck der Entdeckung von
archäologischen Denkmalen von einer Genehmigung abhängig; wobei viele der gesetzlichen
Bestimmungen explizit oder wenigstens implizit auch den Eventualvorsatz und in manchen Fällen auch
die bloße Fahrlässigkeit miteinschließen, also auch auf Handlungen abstellen, bei denen die
Entdeckung von archäologischen Denkmalen zwar nicht bezweckt, aber doch erwartet oder billigend
in Kauf genommen wird. Die schon oben illustrierten rechtlichen Probleme damit (Seiten 8-118) an
dieser Stelle beiseitelassend, bedeutet das konkret, dass jede Person, die gezielt archäologische
Denkmale zu entdecken versucht und/oder wusste bzw. bei objektiver Betrachtung durch vernünftige
Dritte wissen hätte müssen, dass sie mutmaßlich bei ihrer geplanten Handlung solche entdecken wird,
einer derartigen Genehmigung bedarf, um nicht eine Ordnungswidrigkeit, wenn nicht sogar eine
Straftat, zu begehen.
Voraussetzung für die Erteilung dieser Genehmigung an nicht graduierte ArchäologInnen ist in
Deutschland gewöhnlich, dass Antragsteller eine Art Einführungskurs (gewöhnlich von maximal ein
paar Tagen Dauer, manchmal mit Feldpraxis verbunden) absolviert haben; ein Interesse an der
Archäologie der Region glaubhaft machen können (z.B. Besuch einschlägiger Vorträge, etc.); glaubhaft
machen können, dass sie nicht primär aus Profit- sondern aus Erkenntnisinteresse suchen (so z.B.
explizit in Punkt 4.5 der Richtlinie des hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst für die
Erteilung von Nachforschungsgenehmigungen (NFG) für Flurbegehungen gem. § 22 HDSchG igF durch
das Landesamt für Denkmalpflege Hessen an Privatpersonen vom 25.2.2011); und sich zur
Zusammenarbeit mit der staatlichen Denkmalbehörde und Einhaltung aller Vorschriften und
denkmalschutzgesetzlichen Bestimmungen bereiterklären. Für die erstmalige Erteilung scheint oft,
wie bereits oben ausgeführt, erforderlich zu sein, dass Antragsteller persönlich bei der zuständigen
Behörde vorsprechen, damit diese ihre „charakterliche Eignung“ überprüfen kann. Erfüllen
Antragsteller alle Voraussetzungen, wird die Genehmigung meist erteilt, wobei ihre Gültigkeit
normalerweise auf bestimmte Gebiete (ob nun Grundstücke oder ganze Regionen) beschränkt ist und
mit weiteren Auflagen (z.B. bezüglich bekannter Bodendenkmale, Waldgebiete, nicht durchpflügten
Flächen etc.) verbunden sein kann. In der Praxis scheint es sich eingebürgert zu haben, dass die
Genehmigung meist für ein Kalenderjahr und danach einigermaßen unproblematisch jeweils jährlich
zu etwa den gleichen Konditionen verlängert bzw. neu ausgestellt wird.
In Österreich hingegen ist eine Erteilung an Personen, die kein einschlägiges (archäologisches)
Universitätsstudium abgeschlossen haben, entsprechend der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG
nicht möglich. Explizit führt der einschlägige Gesetzeskommentar dazu aus, dass ein Antrag zur
212
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Bewilligung archäologischer Nachforschungen jedenfalls abzuweisen ist, „wenn der Antragsteller kein
einschlägiges Universitätsstudium vorweisen kann“ (Bazil et al. 2015, 64).
Wollen Absolventen einschlägiger Universitätsstudien, insbesondere solche, die für eine fachliche
Organisation (z.B. Museum, Universität, Grabungsfirma, etc.) arbeiten, Nachforschungen zur
Entdeckung von archäologischen Denkmalen durchführen, bedürfen sie ebenfalls dieser
Genehmigung. Voraussetzung dafür ist der einschlägige Studienabschluss, oft auch ein Mindestmaß
an praktischer Erfahrung in der Feldforschung (in leitender Position), sowie die Vorlage einer Planung
des Vorhabens. Sind diese Voraussetzungen erfüllt und sprechen keine denkmalpflegerischen Gründe
gegen das Vorhaben, wird die Genehmigung in der Regel problemlos erteilt. Eine persönliche
Vorsprache bzw. z.B. telefonische Rücksprache mit der Behörde ist nicht erforderlich, obwohl
Letzteres manchmal gerne gesehen wird. Die Genehmigung wird in solchen Fällen gewöhnlich
projektspezifisch erteilt, also beschränkt auf bestimmte, durch Plan ausgewiesene, Bodenflächen. Die
Gültigkeit entspricht meist der geplanten Dauer des Vorhabens oder ist ebenfalls auf Jahresfrist
beschränkt, manchmal selbst bei Langzeitprojekten. Derartige Genehmigungen sind immer mit
zusätzlichen Auflagen versehen.
Welche Nachforschungen der Genehmigungspflicht unterliegen, variiert: in Bayern, Berlin, Bremen
und Nordrhein-Westfalen unterliegen ihr nur solche, bei denen tatsächlich Bodeneingriffe
vorgenommen werden bzw. beabsichtigt sind. In allen anderen Bundesländern und in Österreich
hingegen unterliegen sowohl alle mit geplanten Bodeneingriffen verbundenen Nachforschungen (z.B.
Ausgrabungen, Metallsuchen) als auch manche mit nicht invasiven Prospektionsmethoden (z.B.
Magnetometer, Bodenradar, Oberflächenfundsammlung) der Genehmigungspflicht, auch wenn kein
Eingriff in die Substanz noch im Boden befindlicher Denkmale beabsichtigt ist. Teilweise werden sogar
zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden der Genehmigungspflicht unterworfen, die im Feld nur
unverständliche Rohdaten erzeugen, die erst nach Verarbeitung im Büro eine Entdeckung noch im
Boden befindlicher Denkmale ermöglichen. Dabei kann es wie oben bereits genauer illustriert
aufgrund von Fehlinterpretationen der gesetzlichen Bestimmungen durch Denkmalämter zu
Absurditäten kommen; so z.B. in Österreich, wo die Verwendung von bodengestützten Laserscannern
zur Entdeckung von Bodendenkmalen der Genehmigungspflicht unterliegt, die luftfahrzeuggestützter
zum exakt gleichen Zweck hingegen nicht (BDA 2016a, 6-12).
Ehe ich zu einem direkten Vergleich zwischen der Führerscheinpflicht und denkmalschutzrechtlichen
NFG-Pflichten voranschreite, möchte ich an einem konkreten Beispiel, nämlich mir selbst, kurz
erläutern, was diese NFG-Pflichten bedeuten. Dafür ist es notwendig, in aller Kürze meine
(wichtigeren) Qualifikationen für die Durchführung von Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung
von Bodendenkmalen darzustellen.
Ich habe an der Universität Wien Studien der Ur- und Frühgeschichte bis zum Doktorat abgeschlossen.
Dafür hatte ich 180 Semesterwochenstunden (15 Einheiten a jeweils 45 Minuten = 2.045 Stunden
Realzeit) sowie zwei nicht zeitlich quantifizierte Studienabschlussarbeiten – für den ersten
Studienabschnitt die sogenannte „Proseminararbeit“, publiziert als Karl 2001; für den zweiten die
„Diplomarbeit“, publiziert in Karl & Prochaska 2005 – zu absolvieren, im Doktoratsstudium weitere 12
Semesterwochenstunden (= 180 Stunden a 45 Minuten Realzeit) sowie die Dissertation (Karl 2003). In
nominellen Arbeitsstunden gerechnet sind das wenigstens 10.560 Stunden Ausbildungszeit. Nach
Abschluss dieser Ausbildung habe ich eine archäologische Lehrbefugnis beantragt und erteilt
bekommen, wofür ich eine Habilitationsschrift (Karl 2006) verfasst habe, die – Forschungszeit
eingerechnet – etwa noch einmal so viele Stunden Arbeitszeit gekostet hat. Die Habilitation verleiht
mir gem. Art. 17 StGG in Verbindung mit § 103 UG 2002 nicht nur die StaatsbürgerInnen generell
zustehende Wissenschaftsfreiheit, sondern das darüberhinausgehende Recht der Lehrfreiheit; d.h. ich
213
Führerschein oder Einzelfahrterlaubnis?
darf in meinem Fachbereich an der Universität Wien uneingeschränkt unterrichten, was auch immer
ich für wissenschaftlich richtig halte. Seit 2001 arbeite ich als Archäologe in einem universitären
Umfeld, seit 2008 bin ich Universitätsprofessor für Archäologie und Denkmalwissenschaft
(Archaeology and Heritage). In den etwa 30 Jahren meiner bisherigen Karriere komme ich auf etwa 5
volle Arbeitsjahre reine Feldarbeitszeit (≈ 8.250 Stunden Realzeit), davon über zwei Drittel in leitender
Position, zu guten Teilen bei von mir geleiteten und durchgeführten Lehrgrabungen. Meine
professionelle Kompetenz wird darüber hinaus auch noch zusätzlich dadurch belegt, dass ich geprüftes
Mitglied im höchsten Kompetenzrang des britischen archäologischen Berufsverbands, des Chartered
Institute for Archaeologists, bin.
Trotzdem ich also ca. 20.000 Arbeitsstunden mit Staatsprüfungen abgeschlossener Berufsausbildung,
etwa 8.250 Stunden praktischer Felderfahrung und weitere über 20.000 Arbeitsstunden sonstiger
einschlägiger Berufserfahrung habe, hätte ich z.B. in Österreich (nach bis vor kurzem angewandter
Rechtsansicht des BDA; siehe dazu schon weiter oben Seiten 8-10) nicht einmal eine Feldbegehung
durchführen dürfen, bei der ich mit freiem Auge erkennbare Bewuchs- und andere Bodenmerkmale
archäologisch interpretiere, ohne dafür zuvor diese Nachforschung unter Angabe exakt bestimmter
Bodenflächen und Beifügung einer Projektbeschreibung über Methoden und Projektablauf samt
Zeitplan beantragt und nach sachverständiger Prüfung durch das BDA genehmigt bekommen zu haben
(BDA 2016a, 11-12). In Baden-Württemberg dürfte ich eine solche reine Inaugenscheinnahme ohne
Absicht des Aufsammelns von Oberflächenfunden vermutlich genehmigungsfrei durchführen; sollte
ich jedoch statt einer bloßen Inaugenscheinnahme bei einer Begehung eine magnetometrische
Prospektion durchführen oder Oberflächenfunde aufsammeln wollen, dann bräuchte ich dafür
ebenfalls eine Genehmigung (Strobl & Sieche 2009, 263).
Weil aber selbst das noch nicht genug des Schutzes für archäologische Denkmale zu sein scheint, gilt,
wie schon oben gezeigt, diese Genehmigungspflicht nach Rechtsansicht der zuständigen Behörden
nicht nur dort, wo bereits bekanntermaßen bedeutende archäologische Denkmale vorkommen (auch
wenn diese Rechtsansicht der zuständigen Behörden vermutlich bzw. in Österreich sicher, wie auf
Seiten 8-85 gezeigt, ihrerseits rechtswidrig ist), sondern überall. Schließlich könnten ja überall zwar
noch unbekannte, aber dafür enorm bedeutende archäologische Denkmale vorkommen. Diese könnte
ich (oder sonst jemand) durch meine möglicherweise unsachgemäßen – weil nicht im Einzelfall
behördlich überprüften und für gut befundenen – wenngleich auch völlig zerstörungsfreien
Nachforschungen zerstören.
Führerschein und Nachforschungsgenehmigung im Vergleich
Stellen wir nun die beiden Arten von Handlungen einander gegenüber (siehe auch Tabelle 1):
Zum (privaten) Führen von Kraftfahrzeugen gibt es kein verfassungsgesetzlich garantiertes Recht,
während sich Bürger für Nachforschungen sowohl auf die Wissenschaftsfreiheit von Art. 5 Abs. 3 GG
bzw. 17 StGG als wohl auch auf die Eigentumsgarantie der Art. 14 GG bzw. 5 StGG stützen können. Die
Genehmigungspflicht für das Kraftfahrzeugführen dient dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter,
nämlich Eigentum, Gesundheit und Leben, während sich archäologische NFG-Pflichten entweder
überhaupt nur auf das implizite Kulturstaatsprinzip (das insbesondere aus Wissenschafts- und
Kunstfreiheit abgeleitet wird; Krischok 2016, 133-137) oder auf landesverfassungsgesetzliche
Bestimmungen stützen können, in denen das Kulturstaatlichkeitsprinzip explizit oder der
Denkmalschutz als Staatsziel bestimmt wird (wobei allerdings in zahlreichen Landesverfassungen, oft
sogar im gleichen Artikel, die Förderung der Wissenschaft bzw. Forschung als gleichwertiges Staatsziel
bestimmt werden); bzw. in Österreich überhaupt nur auf die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13
B-VG. Was die Erforderlichkeit und Allgemeinwohlförderlichkeit betrifft, sind beide Handlungstypen
214
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
gleich: beides ist nicht unumgänglich erforderlich, weil man auch ohne private Kraftfahrzeugführung
und ohne archäologische Nachforschungen überleben und die Gesellschaft funktionieren kann und
beides teilweise förderlich für das Allgemeinwohl ist.
Kraftfahrzeug lenken
Nachforschungen
Grundlagen
Verfassungsgesetzlich garantiertes Grundrecht
+
Genehmigungspflicht schützt verfassungsgesetzliche Rechts- bzw. Allgemeinwohlgüter
Leib und Leben
+
Öffentliche Sicherheit + Gesundheitsschutz
+
Eigentum
+
Kulturstaatlichkeit bzw. Denkmale
+
Erforderlichkeit und Allgemeinwohlförderlichkeit von privater Nutzung
Private Nutzung ist unumgänglich erforderlich
Private Nutzung ist allgemeinwohlförderlich
teilweise
teilweise
Voraussetzungen
Ausbildung und Qualifikationsnachweis durch Prüfung
Theorieausbildung erforderlich
normalerweise 21 h
bis zu 14.080 h 2, 3
Praxiserfahrung bzw. -ausbildung erforderlich
normalerweise 9 h
variabel
Prüfung erforderlich
+
teilweise
Überprüfung der charakterlichen Eignung und Handlungsmotivation
durch behördenexternen qualifizierten Facharzt
in begründeten Fällen
durch behördeninternen Verwaltungsbeamten
+
Glaubhaftmachung eines gemeinnützigen Motivs
+
Genehmigungseigenschaften
Gültigkeitsdauer
Durchschnittsbetrachtung
15 Jahre
maximal 1 Jahr
Durchschnittsbetrachtung professionelle Nutzung
5-15 Jahre
Einzelfall
Außergewöhnliche Nutzung in Sonderfällen
Einzelfall
Einzelfall
Gültigkeitsbereich
Gesamte EU und darüber hinaus
+
Gesamtes Bundesland
in Ausnahmefällen
Konkret bestimmte Flächen oder Regionen
+
Verbindung mit Sonderauflagen und Einschränkungen für den Einzelfall
Durchschnittsbetrachtung
+
Bei Vorliegen konkreter Gründe
+
+
Tabelle 1: Gegenüberstellung von Grundlagen und Voraussetzungen für und Eigenschaften von behördlichen
Fahrerlaubnissen und archäologischen Nachforschungsgenehmigungen.
Man sollte daher also davon ausgehen können, dass die private Nutzung von Kraftfahrzeugen, weil
nicht geschützt und wichtige Rechtsgüter maßgeblich gefährdend, weit restriktiveren Bestimmungen
unterworfen wäre als archäologische Nachforschungen, die weit stärker grundrechtlich geschützt sind
und weit weniger bedeutende Rechtsgüter maßgeblich gefährden. Dennoch ist das genaue Gegenteil
2
Eine Ausbildung die oft nicht in ausreichender Menge zum Abdecken der bestehenden Nachfrage oder sogar
gleich „aus Personalmangel“ überhaupt nicht angeboten wird (siehe z.B. Möller & Karl 2017, 5; und schon weiter
oben in dieser Arbeit).
3
Die Maximalstundenzahl ergibt sich wie folgt: die Arbeitszeit für ein Vollstudium soll etwa der einer
Vollzeitbeschäftigung entsprechen. Ausgehend von einer ca. 40-Stunden-Woche und (gesetzliche Feiertage und
Urlaubstage abgerechnet) etwa 44 Arbeitswochen im Jahr sind das ca. 1.760 Jahresarbeitsstunden. 3 Jahre BA-,
2 MA- und 3 PhD-Studium ergeben daher maximal 14.080 Stunden nominelle Ausbildungszeit.
215
Führerschein oder Einzelfahrterlaubnis?
der Fall: nicht nur sind die Voraussetzungen, die man erfüllen muss, um eine Genehmigung zum
Kraftfahrzeugführen erteilt zu bekommen, weit geringer als die, die für die Erteilung einer
archäologischen NFG erfüllt werden müssen, sondern die im Fall der Erfüllung dieser Voraussetzungen
erteilte Fahrerlaubnis ist auch weit weniger restriktiv als Nachforschungsgenehmigungen.
Während man für eine Fahrerlaubnis nur wenige Stunden allgemeinen Theoriekurs und noch weniger
Fahrpraxis absolvieren und eine Prüfung bestehen muss, aber in der Regel keinen charakterlichen
Eignungstest bestehen und auch kein gemeinnütziges Motiv glaubhaft machen muss, muss man für
eine NFG nicht nur eine Ausbildung und seine Kompetenz zur korrekten Durchführung der konkreten,
geplanten Nachforschungen nachweisen, sondern auch einen – noch dazu durch dazu vollkommen
unqualifiziertes Personal durchgeführten – charakterlichen Eignungstest bestehen und die
Gemeinnützigkeit seines geplanten Handelns glaubhaft machen. Dafür gilt dann die bei positivem
Nachweis der erforderlichen Voraussetzungen erteilte Fahrerlaubnis automatisch im Durchschnitt 15
Jahre, praktisch weltweit, und ist in der Regel mit keinen weiteren Auflagen etc. verbunden; während
die erteilte NFG in der Regel nur für ein einzelnes Forschungsvorhaben und selbst dann normalerweise
auf maximal ein Jahr gilt, normalerweise nur für einigermaßen exakt bestimmte, räumlich
vergleichsweise extrem eng beschränkte Gebiete, und in der Regel mit zahlreichen zusätzlichen
Auflagen, Sonderregelungen oder Einschränkungen verbunden ist.
Betrachtet man, wie unterschiedlich restriktiv diese Genehmigungsregeln sind bzw. von den
zuständigen Behörden gehandhabt werden, müsste man zum Schluss kommen, dass in der
allgemeinen Werthierarchie unserer Gesellschaft der mit Abstand höchste Wert den möglicherweise
überall vorkommen könnenden, aber zumeist noch gänzlich unbekannten und den meisten Orten
tatsächlich nicht vorkommenden archäologischen Denkmalen zukommt, während anderes
öffentliches (bzw. Allgemein-) und privates Eigentum sowie Gesundheit, Leib und Leben von
Menschen vergleichsweise minderwertige rechtliche Schutzgüter wären. Nachdem aber unsere
Gesellschafts- und Rechtsordnung tatsächlich auf der genau umgekehrten Wertehierarchie aufbaut,
scheint hier ein deutlicher Wertungswiderspruch vorzuliegen.
Ein Gedankenspiel: Fahrerlaubniserteilung entsprechend der NFG-Vergabepraxis
Um in Form eines Gedankenspiels zu illustrieren, was es bedeuten würde, wenn man Fahrerlaubnisse
nach NFG-Regeln vergeben würde:
Wenn eine „Privatperson“, die eine Führerscheinprüfung absolviert hat, z.B. zum Supermarkt
einkaufen fahren wollte; dann dürfte sie das in Österreich überhaupt nicht; und müsste in Deutschland
vor jeder geplanten Fahrt, oder mit etwas Glück auch nur einmal jährlich, beim zuständigen Amt eine
Einzelfahrtgenehmigung beantragen und erteilt bekommen. In dieser Genehmigung würde ihr das
Amt nicht nur die genaue Route vorschreiben, auf der sie fahren darf, sondern auch noch weitere
Auflagen erteilen. Wollte diese Person zusätzlich woanders hinfahren, z.B. zur Großmutter auf Besuch,
bräuchte sie dafür eine separate Genehmigung. Bevor sie irgendeine dieser Genehmigungen
bekommt, müsste sie bei der zuständigen Behörde zur charakterlichen Eignungsprüfung antreten, die
ein Berufskraftfahrer durchführt. Gefällt dem nicht, was diese Person sagt, kann er ihr aufgrund seiner
laienhaften Beurteilung ihres Charakters die Fahrerlaubnis ohne weitere Begründung verweigern. Die
behördlichen Berufskraftfahrer sehen darin auch kein Problem: wenn sich die derart amtsbehandelte
Person ungerecht behandelt fühlt, kann sie schließlich bei Gericht gegen die Verweigerung der
Fahrerlaubnis Klage einbringen; auch wenn ihr das wenig nutzen wird, weil das Gericht in solchen
Fällen nur Berufskraftfahrer als Sachverständige zulässt, die entweder selbst für die beklagte Behörde
arbeiten oder aber – weil sie ja zur Ausübung ihres Berufs auch Einzelfahrtgenehmigungen brauchen
– von deren zukünftigen Wohlwollen abhängig sind.
216
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Als Begründung dafür würden die behördlichen Experten – unterstützt durch die Juristen der Behörde
– etwa ausführen: es sei vorrangige Aufgabe des Staates, Eigentum, Gesundheit und Leben seiner
Bürger vor Gefahren zu schützen. Vom privaten Kraftfahren gingen maßgebliche Gefahren für diese
Allgemeinwohlgüter aus. Es sei auch nicht notwendig, weil Bürger öffentliche Verkehrsmittel benutzen
oder Berufskraftfahrer anheuern könnten. Überhaupt ergäbe sich aus der staatlichen
Genehmigungspflicht ein staatliches Vorrecht zum Kraftfahrzeugführen. Das sei notwendig, um
„Lustfahrten“ zu verhindern, die unnötigen Schaden an Allgemeinwohlgütern verursachen könnten.
Überhaupt wären nur Personen ausreichend zum Kraftfahrzeugführen qualifiziert, die es in einem
Studium im Umfang von wenigstens 5.280 nominellen Lehrzeitstunden erlernt und auch erhebliche
praktische Berufserfahrung von jedenfalls mehr als 1.760 Arbeitsstunden hätten.
Das sei aufgrund der Eigenheit der Gefahren im Straßenverkehr unumgänglich notwendig: schließlich
könnten überall gänzlich unbekannte und unvorhersehbare Gefahrensituationen eintreten. So kann
es z.B. überall unbekannte Schlaglöcher geben, die private Kraftfahrer möglicherweise nicht
rechtzeitig erkennen, daher das Fahrzeug verreißen und dadurch unnötigen Schaden auslösen; oder
überall ein Kind unvermutet hinter einer Hecke hervor auf die Fahrbahn laufen und vom Fahrzeug
privater Kraftfahrer erfasst und getötet werden. Nur studierte Berufskraftfahrer seien ausreichend
kompetent, um in solchen Situationen richtig zu reagieren und nur den unvermeidbaren Schaden zu
verursachen. Selbst die Fahrten von Berufskraftfahrer müssten einer Einzelfahrterlaubnispflicht
unterworfen werden, weil auch davon immer eine gewisse Gefahr ausgehe und immer Schaden
verursacht werde, z.B. durch die Emissionen des Fahrzeugs. Daher müssten auch deren Fahrten
möglichst minimiert werden und könnten nur unter strengen behördlichen Auflagen und direkter
Kontrolle durch die Behörde stattfinden, selbst bei Lehrfahrten. Idealerweise sollte die Benutzung von
Kraftfahrzeugen ausschließlich auf unvermeidliche Fahrten von Behörden-Berufskraftfahrern
beschränkt werden, weil nur dadurch der Schutz der gefährdeten Allgemeinwohlgüter wirklich
gewährleistet werden könne.
Oder anders gesagt: nur behördliche Berufskraftfahrer seien ausreichend kompetent,
verantwortungsvoll und gemeinwohlorientiert, dass man ihnen das Autofahren erlauben kann. Bei
allen anderen Bürgern, inklusive nichtamtlichen Berufskraftfahrern, ist hingegen bis zum in jedem
Einzelfall neuerlich zu erbringenden Beweis des Gegenteils stets davon auszugehen, dass sie nicht
ausreichend vertrauenswürdig sind, um ihnen das selbstverantwortliche Kraftfahren im Rahmen der
Verkehrsregeln erlauben zu können. Was das über die Selbstsicht der behördlichen Berufskraftfahrer
und die Transparenz und Bürgernähe der Behörde sagt, sollen sich geneigte LeserInnen selbst dazu
denken.
Die Begründung von NFG-Pflichten
Betrachtet man die Begründungen für denkmalpflegerische NFG-Pflichten, entspricht die behördliche,
und teilweise auch die darüberhinausgehende Argumentation professioneller Archäologen, genau
dem soeben am fiktiven Beispiel der Einzelfahrerlaubnis gezeigten Muster:
„Oberster Grundsatz bei der Entscheidung über eine Nachforschungsgenehmigung ist die
Schonung des Bodendenkmals. Die Vorschrift hat zum Ziel, im öffentlichen Interesse zu
verhindern, dass durch Nachforschungen Denkmalsubstanz vernichtet oder der Erosion
preisgegeben wird. Erst an zweiter Stelle steht das Ziel, die fachgerechte Durchführung von
Nachforschungen, insbesondere Grabungen sicherzustellen…“ (Viebrock 2007, 239,
Hervorhebung wie im Original; sinngemäß gleich z.B. in Hönes 1995, 273; Strobl & Sieche 2009,
265; Martin & Krautzberger 2010, 852, 887-9).
217
Führerschein oder Einzelfahrterlaubnis?
„Private Nachforschungen, die keine Gewähr wissenschaftlicher Methodik bieten, werden
daher meist nicht genehmigt werden können, weil sie zu einer unsachgemäßen, unnötigen und
unkontrollierbaren Zerstörung von Befunden führen können“ (Martin & Krautzberger 2010, 888,
Hervorhebung wie im Original; wortgleich ohne Hervorhebung in Viebrock 2007, 239-40;
sinngemäß gleich z.B. in Hönes 1995, 271; Strobl & Sieche 2009, 267; Davydov et al. 2016, 248).
„Da es nach § 25 Abs.1 Nr. 8 [RK: DSchG Rheinland-Pfalz] Aufgabe des Landesamtes für
Denkmalpflege ist, nach verborgenen Kulturdenkmälern zu forschen, enthält § 21 Abs. 1 i. V. m.
§ 25 Abs. 1 Nr. 8 ein Nachforschungsvorrecht des Landes, so daß Genehmigungen versagt
werden können, wenn Nachforschungen ein Forschungsvorhaben des Landes gefährden
würden. Hierbei besteht die Möglichkeit wegen des Erhaltungsgebots aus §§ 1 und 2 die
Nachforschungen auf Rettungsgrabungen, d.h. Grabungen, die durch äußere Umstände
notwendig oder sogar erzwungen werden, zu beschränken und für Forschungsvorhaben, d.h.
Nachforschungen einschließlich Grabungen aus rein wissenschaftlichem Interesse keine
Genehmigung zu erteilen“ (Hönes 1995, 273; nahezu wortgleich, wenngleich jeweils für die
einschlägigen Paragrafen der jeweils anderen Bundesländer angepasst auch z.B. in Viebrock
2007, 238-9; Strobl & Sieche 2009, 265; sinngemäß ähnlich Davydov et al. 2016, 247).
„Dies besagt jedoch nicht, daß z.B. sogenannte »Lustgrabungen« ([RK: Literaturverweis auf die
zweite Auflage des Kommentars zum hessischen Denkmalschutzrecht von Dörffeldt/Viebrock;
jetzt Viebrock 2007, 241-242]) zugelassen werden dürfen, auch wenn sie den hohen fachlichen
Anspruch der staatlichen Auflagen erfüllen würden“ (Hönes 1995, 273; sinngemäß auch Strobl
& Sieche 2009, 266; Davydov et al. 2016, 248).
„Der Schutzzweck des § 1 des Gesetzes [RK: DSchG Hessen] verbietet wegen der Eigenart der
Bodendenkmäler jede Gefährdung und Zerstörung von Bodendenkmälern und Befunden durch
Nachforschungen“ (Viebrock 2007, 238; sinngemäß gleich z.B. Martin & Krautzberger 2010,
887).
„Gegenüber den Historikern haben die Archäologen mit dem schwerwiegenden Nachteil zu
kämpfen, dass ihre Quellen nicht wie Schrift- oder Bilddokumente in Archiven, Museen oder
Bibliotheken liegen, die in der Regel eine Beeinträchtigung oder Zerstörung verhindern, sondern
im Normalfall ungeschützt nur wenige Zentimeter unter unseren Füßen in Wald und Flur oder
den historischen Stadtkernen“ (Martin & Krautzberger 2010, 851).
„Ihren Aussagenwert entfalten Bodendenkmäler nur bei ungestörtem Befund. […]. Die
Interpretation der Befunde als Geschichtsquelle setzt hohes Fachwissen voraus, um zutreffend
zu erkennen, welche Bedeutung einem Bodendenkmal zukommt und in welchem historischem
Zusammenhang es steht. Daher sind die fachgerechte und genaue Befundaufnahme,
Dokumentation der angetroffenen Befunde und die damit verbundenen naturwissenschaftlichen
Untersuchungen und Laboranalysen der gezielt entnommenen Proben unerlässlich.
Wenn Grabungen nicht sachgerecht und ohne fachliche Kenntnisse und Erfahrungen stattfinden,
geht der Informationsgehalt des Bodendenkmals als historische Quelle verloren, und zwar
unwiderruflich. Die aufgefundenen Gegenstände sind dann allenfalls noch Antiquitäten, für die
Forschung kaum noch zu verwenden und nur noch von geringer Bedeutung. Deshalb dürfen
archäologische Grabungen nur von Fachleuten durchgeführt werden. Alle Gesetze enthalten
daher einen Genehmigungsvorbehalt“ (Kriesch et al. 1997, 25-6; sinngemäß gleich auch z.B.
Hönes 1995, 271-2).
218
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
„Bei der gebotenen Abwägung beider Güter mit Verfassungsrang – Kulturstaatsprinzip und
Denkmalschutzauftrag einerseits und Wissenschaftsfreiheit andererseits – ist zu
berücksichtigen, dass infolge der Vielzahl der durch äußere Umstände veranlassten
Rettungsgrabungen eine große Fülle von Forschungsmaterial für die wissenschaftliche
Forschung zur Verfügung steht ([RK: Verweis auf Planck 1991, 20-21]), so dass die
archäologische Forschung grundsätzlich nicht auf zusätzliche Forschungsgrabungen im Lande
angewiesen ist. Ein absoluter Forschungsstopp, der verfassungsrechtlich bedenklich wäre, tritt
also durch die grundsätzliche Ablehnung reiner Forschungsgrabungen nicht ein. Den Wunsch,
einzelnen konkreten Forschungsaufgaben durch Ausgrabung archäologischer Kulturdenkmale
nachzukommen, steht in der Regel mit höherem Gewicht der oben dargestellte gesetzliche
Auftrag zum Schutz archäologischer Kulturdenkmale vor Zerstörung gegenüber“ (Strobl &
Sieche 2009, 266).
„Eine besonders herausgehobene Genehmigungspflicht soll das dem Verändern eines Denkmals
vorausgehende unerwünschte Nachforschen nach Denkmälern und Schätzen eindämmen“
(Martin & Krautzberger 2010, 887, Hervorhebung RK).
Anders gesagt: Alles archäologische Nachforschen ist vom Staat aufgrund der davon ausgehenden
Gefahren für archäologische Denkmale unerwünscht; sofern es nicht unumgänglich aufgrund zu
befürchtender Schäden durch andere Ursachen notwendig ist und idealerweise von den Organen des
Staates selbst durchgeführt wird. Allen anderen, selbst diplomierten, promovierten und sogar
habilitierten, professionellen Archäologen, kann der Staat nicht ausreichend vertrauen, weil diese
vorsätzlich oder unabsichtlich aufgrund von fachlicher Inkompetenz oder unzureichender
Impulskontrolle (siehe: „Lustgrabungen“) unnötigen Schaden anrichten könnten.
L’état, c’est moi
Dass dabei in Deutschland nicht zwischen Personen, die kein Archäologiestudium, und solchen, die
ein solches abgeschlossen haben, unterschieden wird, ist nur konsequent: schließlich sind gem. Art. 3
Abs. 1 GG alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Unterschiede zwischen Personengruppen, oder gar
Ausnahmen für bestimmte Personengruppen, kann und darf es daher bei der Genehmigungspflicht
archäologischer Nachforschungen nicht geben. Oder?
„Ausgenommen sind Nachforschungen, die unter der Verantwortung des Landes, des
Landschaftsverbandes oder der Stadt Köln (§ 22 Abs. 5) stattfinden“ (§ 13 Abs. 1 2. Satz DSchG
Nordrhein-Westfalen; Davydov at al. 2016, 245).
„Grabungen des BDA sind gem. Abs. 2 [RK: des § 11 DMSG] von der Bewilligungspflicht
ausgenommen“ (Bazil et al. 2015, 64).
„Dem § 21 Abs. 1 [RK: DSchG Rheinland-Pfalz] sollte zur Klarstellung […] folgender Satz beigefügt
werden: »Nachforschungen in der Verantwortung der Denkmalfachbehörde bedürfen keiner
Genehmigung.«“ (Hönes 1995, 273).
„§ 21 [RK: DSchG Baden-Württemberg] gilt nicht für Nachforschungen der staatlichen
Denkmalpflege selbst. Es wäre unsinnig, wenn das Landesamt für Denkmalpflege sich selbst
förmliche Genehmigungen ausstellen müsste“ (Strobl & Sieche 2009, 269, Hervorhebung wie im
Original).
Man muss hier natürlich Heinz Strobl und Heinz Sieche bedingungslos zustimmen: es wäre tatsächlich
unsinnig, wenn sich das Landesamt für Denkmalpflege selbst förmliche Genehmigungen ausstellen
219
Führerschein oder Einzelfahrterlaubnis?
müsste (und würde). Aber gibt es keine anderen Möglichkeiten, die Tätigkeiten der bei den
Denkmalämtern beschäftigten ArchäologInnen ebenfalls einer Genehmigungspflicht zu unterwerfen,
wenn jede unnötige Nachforschung verhindert werden muss? Es ist ja schließlich nicht so, als ob es
keine den Denkmalämtern amtshierarchisch (Weber 1922, 125) übergeordneten Behörden gäbe, die
selbst keine archäologischen Nachforschungen anstellen, deren Amtsorgane daher auch nicht in der
Sache befangen sind und die auch eine Kontroll- und Aufsichtsfunktion über die Denkmalämter
ausüben sollten; und die daher nötigenfalls auch NFG-Anträge der Denkmalämter bearbeiten und je
nach Notwendigkeit genehmigen oder abweisen könnten. Ebenso könnte man für diesen Zweck den
Denkmalämtern als unabhängige Kontrollinstanz ein Kollegialorgan, das sich aus nicht beim jeweiligen
Amt beschäftigten professionellen Archäologen und Vertretern der interessierten Zivilgesellschaft
zusammensetzt – sozusagen einen „Denkmalbeirat“ – zur Seite stellen, die „Lustgrabungen“ der
Denkmalämter selbst verhindern könnte.
Aber das ist scheinbar nicht nötig, weil von allen Menschen auf dieser Erde gibt es glücklicherweise
eine ganz kleine, elitäre Personengruppe, der man blind vertrauen kann: die bei der Behörde selbst
beschäftigten Archäologen, die deshalb vertrauenswürdig sind, weil sie bei der Behörde beschäftigt
sind. Diesen kann man daher vertrauen, dass sie nur nach „pflichtgemäßem“ Ermessen entscheiden, ob
ein archäologisches Denkmal nun wissenschaftlich erforscht oder doch besser unerforscht (wenn auch
in der Regel nicht unverändert, siehe dazu schon weiter oben Seiten 161-188) im Boden belassen
werden soll. Dabei fällt mir auf: ich habe natürlich völlig vergessen, dass diese genehmigungsfrei
erlaubten Nachforschungen gar nicht „private“ Nachforschungen der behördlichen Archäologen,
sondern solche des Staates sind; dieser hat ja nicht nur den Auftrag, die Denkmale zu schützen, sondern
seine zuständigen Behörden auch den, die Denkmale zu erforschen, und daher ein Forschungsvorrecht
(Hönes 1995, 273; Viebrock 2007, 238-239; Strobl & Sieche 2009, 265; Davydov et al. 2016, 247).
Dass das in der Praxis (wenigstens für leitende) behördliche Archäologen bedeutet „l’état, c’est moi“
(Ludwig XIV. zugeschrieben), ist scheinbar administrativ unvermeidlich. Hier unterstellen zu wollen,
dass diese angebliche administrative Erforderlichkeit von den dadurch Betroffenen durchaus so gewollt
ist, um in ihrem Revier als absolutistischer, über dem Gesetz stehender, Monarch bzw. feudalherrlicher
Eigentümer autokratisch über das Schicksal aller archäologischen Denkmale entscheiden zu können,
wäre eine unverschämte Böswilligkeit. Jeder solcher Unterstellung ist daher auch gleich explizit
entschieden entgegenzutreten: diese Gesetzeslücke ist sicherlich bloß bisher noch niemandem
aufgefallen, vor allem nicht jenen Archäologen in den Denkmalämtern selbst, die auf der Notwendigkeit
der NFG-Pflicht für jede noch so zerstörungsfreie archäologische Nachforschung insistieren; außer
natürlich sie führen sie selbst durch, weil es tatsächlich unsinnig wäre, wenn sie sich dies selbst formell
genehmigen müssten. Ich gehe daher davon aus, dass ab sofort ebendiese behördlichen Archäologen
auf die dringliche Novellierung ihrer jeweiligen Denkmalschutzgesetze drängen werden, um diese
Gesetzeslücke so rasch als möglich zu schließen und auch ihre eigenen Nachforschungsvorhaben in
jedem Einzelfall einer externen Erforderlichkeits- und Qualitätsprüfung zu unterwerfen.
Legen wir auch das noch kurz auf die Führerscheinpflicht um: die entscheidungsbefugten BehördenBerufskraftfahrer, die Antragstellern die Einzelfahrerlaubnis allein auf Basis ihrer
laienpsychologischen Beurteilung deren „charakterlicher Eignung“ verweigern können, weil zum
Schutz der öffentlichen Interessen am besten überhaupt niemand außer ihnen selbst Kraftfahrzeuge
führen sollte; brauchen dafür, dass sie selbst Kraftfahrzeuge führen dürfen, nicht einmal einen
Führerschein, geschweige denn eine Einzelfahrtgenehmigung. Weil es wäre ja unsinnig, wenn sich ein
Berufskraftfahrer, der vom Staat zur Ausstellung von Fahrerlaubnissen befugt wurde, selbst für seine
„Dienstfahrten“ eine Fahrerlaubnis erteilen müsste.
Die Frage “Quis custodiet ipsos custodes?” („Wer bewacht die Wächter?“; Juvenal, Satire 6.346–348)
erscheint in diesem Zusammenhang wohl nicht gänzlich unangebracht.
220
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Welcher Schutz vor welchem Schaden?
Es sei an dieser Stelle auch noch der Schaden verglichen, der durch die hier diskutierten
Genehmigungspflichten angeblich verhindert werden soll.
Bei der Führerscheinpflicht ist das vollkommen klar: Schaden an Eigentum, Gesundheit und Leben der
Bürgern. Wieviel dieses Schadens alljährlich entsteht, wird nicht nur von den zuständigen Behörden
des Staates systematisch erhoben. Es steht auch völlig außer Frage, dass der entstehende Schaden
bedeutend ist: jährlich etwa dreieinhalbtausend Tote, beinahe 70.000 Schwerverletzte, etwa 400.000
Verunglückte, und zweieinhalb Millionen Sachschäden. Das zeigt in aller Deutlichkeit, dass das
Kraftfahren tatsächlich bedeutende rechtliche Schutzgüter ernsthaft gefährdet. Ein großer Anteil des
angerichteten Schadens ist auch nicht wiedergutzumachen: ein Menschenleben ist auch eine extrem
begrenzte Ressource, jeder hat nämlich nur eines davon; und mit der menschlichen Gesundheit
verhält es sich kaum anders.
Welcher Schaden bei archäologischen NFG-Pflichten verhindert werden soll, ist hingegen weniger klar.
Das beginnt schon damit, dass viele deutsche Länder und Österreich auch völlig zerstörungsfreie
archäologische Nachforschungsmethoden der NFG-Pflicht unterwerfen. Wie genau richtet z.B. eine
Bodenradarmessung irgendwelche Schäden an noch im Boden verborgenen archäologischen
Denkmalen an? Will man nicht das absurde Argument bemühen, dass dadurch archäologische
Denkmale „Raubgräbern“ bekannt und diese zu deren „Plünderung“ animiert werden könnten, gibt
es keinen Grund, solche Messungen einer Genehmigungspflicht zu unterwerfen.
Aber selbst was den Schaden betrifft, der angeblich durch mit Bodeneingriffen verbundene
Nachforschungen angerichtet werden soll, ist die Sachlage alles andere als klar und eindeutig.
Beginnen wir mit professionellen archäologischen Ausgrabungen: diese greifen zwar tatsächlich in die
Substanz des betroffenen Bodendenkmals ein (siehe z.B. oben wörtlich zitiert Viebrock 2007, 239); die
bei ihnen erzeugten Aufzeichnungen und geborgenen Fundmaterialen schaffen allerdings überhaupt
erst wissenschaftlich und allgemeinnützlich verwertbare Informationen über das Denkmal, die
ansonsten höchstens als theoretisches Potential ohne praktischen Nutzwert existieren (Karl 2017b, 6;
cf. Hebert 2018, 84-5). Inwieweit durch den Substanzverlust tatsächlich maßgebliche Informationen
verloren gehen, die nicht durch sachgerechte Dokumentation in gleicher Qualität, aber nutzbarer
Form, erhalten bleiben, ist stark diskutierbar und nicht quantifizierbar. Man weiß schließlich nur,
welche mutmaßlich signifikanten Informationen man durch die fachgerechte Dokumentation der
ausgegrabenen Funde und Befunde in kopierbare Form übertragen und damit erhalten hat; nicht
jedoch, ob und welche anderen, tatsächlich signifikanten Informationen in der ursprünglichen
Denkmalsubstanz gespeichert gewesen sind, die man nicht ausreichend dokumentiert hat oder gar
aufgrund des Fehlens der dafür nötigen Methoden überhaupt nicht erkennen und dokumentieren
konnte. Ob und wieviel Schaden tatsächlich entstanden ist, kann also gar nicht beurteilt werden. Es
ist daher genauso gut möglich, dass bei der Ausgrabung eines archäologischen Denkmals überhaupt
kein signifikanter Schaden entsteht, oder die Ausgrabung ausschließlich Nutzen hat und gar keinen
„vermeidbaren“ Schaden verursacht.
Hinzu kommt noch, dass man gerade bei noch unbekannt im Boden verborgenen Denkmalen gar nicht
wissen kann, ob diese durch Nichtentdeckung weniger Schaden erleiden werden: ein Denkmal in situ
zu belassen bedeutet schließlich nicht, dass es dadurch vor Schäden durch andere Ursachen als die
Ausgrabung gefeit wäre, wie bereits weiter oben (Seiten 166-182) genauer ausgeführt wurde. Ein
heute noch „ungestörter“ archäologischer Befund kann schon morgen vollkommen unbemerkt durch
den Pflug am Feld, den Harvester im Wald, den Bagger auf der Baustelle, den „Raubgräber“ oder
natürliche Ursachen völlig undokumentiert zerstört werden; und tatsächlich erleiden archäologische
221
Führerschein oder Einzelfahrterlaubnis?
Denkmale statistisch gesehen weit häufiger eines der letztgenannten Schicksale, als dass sie bei einer
fachgerechten archäologischen Ausgrabung entdeckt werden würden. Es lässt sich also – außer
vielleicht auf tatsächlich aktiv geschützten und konservatorisch gepflegten archäologischen
Denkmalen (Karl 2017b, 10, 27) – durchaus argumentieren, dass der durch professionelle
Ausgrabungen verursachte Schaden jedenfalls geringer ist als der, den ein unerforscht in situ
belassenes Bodendenkmal ohnehin (irgendwann) erleiden wird. In diesem Fall richten professionelle
Ausgrabungen überhaupt keinen maßgeblichen Schaden an, sondern sind wie bereits oben gezeigt
ganz im Gegenteil die beste Methode, solchen Schaden zu verhindern.
Damit bleiben eigentlich nur die leidigen, „keine Gewähr wissenschaftlicher Methodik“ bietenden,
„privaten Nachforschungen“ (Martin & Krautzberger 2010, 888) bzw. „Schatz-“ oder
„Raubgrabungen“. Auch bei diesen ist aber alles andere als klar, wieviel ernsthafter Schaden entsteht.
Zum einen fehlt jedwede systematische Erhebung durch die deutschen Denkmalämter und das BDA,
wieviel nennenswerter Schaden tatsächlich durch solche „unsachgemäß“ durchgeführten
Nachforschungen entsteht (aber siehe dazu Karl 2018c); ja auch nur zur Zahl der Fälle dieses Typs, die
alljährlich vorkommen. Es wird von hohen Dunkelziffern gemunkelt, aber, wenn man sich tatsächlich
im Auftrag von Denkmalämtern durchgeführte Untersuchungen in anderen Ländern anschaut, z.B. in
Großbritannien, stellt sich heraus, dass die Fallzahlen eher gering sind. So waren scheinbar in
Großbritannien im Jahr 2008 gerade 0,41% der geschützten Bodendenkmale durch „Raubgrabungen“
betroffen, d.h. 88 Stück (Oxford Archaeology 2009, 4); und der dabei erzeugte Schaden war in der
Regel gering.
Betrachtet man zum Vergleich die Zahlen des britischen Portable Antiquities Scheme, so zeigt sich,
dass zwar in England und Wales viele gezielte Nachforschungen zur Entdeckung von (beweglichen)
Bodendenkmalen durchgeführt werden (wenigstens ca. 100.000 pro Jahr, vermutlich weit mehr),
allerdings ca. 88% der gemeldeten Funde von Ackerböden stammen und über 99% mit auf 100 m2
genauen Koordinaten gemeldet wurden (Lewis 2015, 36), also wenigstens halbwegs fachgerecht
dokumentiert wurden. Die überwältigende Mehrheit aller solcher Funde stammt nämlich aus der
obersten Bodenschicht, die zwar ebenfalls archäologisch nicht völlig unbedeutend, aber gewöhnlich
auch nicht gerade exzeptionell bedeutend ist: mehr als 90% davon sind nämlich „moderner
Metallmüll“, der nicht einmal registriert wird; weil selbst die 43 für Fundregistrierungen zuständigen
professionellen ArchäologInnen des PAS, obwohl sie dabei von zahlreichen Ehrenamtlichen
unterstützt werden, mit der eingehenden Masse an „unbedeutenden“ Funden nicht fertig werden
(Lewis 2016a, 130-131). Inwieweit die Bergung von beweglichen Kleinfunden aus dem Oberboden,
überwiegend auf kultivierten Böden, die nicht als bedeutende Denkmale besonders geschützt sind,
wirklich ernsthaften Schaden am Bodendenkmalbestand anrichtet, ist ebenfalls stark diskutierbar.
Nun lässt sich natürlich theoretisch argumentieren, dass in Großbritannien alles ganz anders ist als in
Deutschland und Österreich und daher die dortigen Zahlen nicht auf unseren Raum übertragen
werden können; ebenso wenig wie die dänischen Zahlen (Dobat & Jensen 2016), die den britischen
nicht unähnlich sind. Aber das wirft nur die Frage auf: wo sind dann die deutschen und
österreichischen Zahlen, die belegen, dass „Raubgrabungen“ in unserem Raum ein deutlich ernsteres
Problem sind als anderswo? Diese Zahlen werden nicht erhoben, sondern bestenfalls ein paar
„spektakuläre“ Fälle wie jener der Himmelsscheibe von Nebra oder der des Barbarenschatzes von
Rülzheim als anekdotische Evidenz beigebracht, dass es durchaus tiefe und befundschädigende
„Raubgrabungen“ gibt. Was fehlt, ist jedoch jedwede Datengrundlage dafür, welcher Anteil der
„Raubgrabungen“ wirklich so tief in den Erdboden eindringt, dass dadurch tatsächlich erheblicher
archäologischer Sachschaden entsteht oder auch nur entstehen könnte (aber siehe dazu inzwischen
Karl 2018c).
222
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Von all dem abgesehen ist es nur in den seltensten Fällen so, dass „Lustgrabungen“ (Viebrock 2007,
241-242; Hönes 1995, 273) oder auch unsachgemäße Fundbergungen durch „Privatpersonen“
bedeutende Bodendenkmale so vollständig zerstören, dass deren „Erforschung durch zukünftige
Generationen“ (Europarat 1992) dadurch verhindert wird: zum einen werden professionelle
Grabungen dokumentiert und selbst bei unsachgemäßen Grabungen wenigstens manche beweglichen
Kleinfunde geborgen, die der künftigen Forschung daher mit größerer Wahrscheinlichkeit zur
Verfügung stehen werden als die im Boden belassenen Denkmale selbst, die dort aller
Wahrscheinlichkeit nach unbemerkt zerstört werden; zum anderen wird nur bei wenigen Grabungen
tatsächlich die gesamte, das eigentlich wichtige archäologische Denkmal ausmachende, Fundstelle
ausgegraben, sondern meistens nur (und meist, vor allem bei Grabungen durch „Privatpersonen“, nur
sehr geringe) Teile davon. Natürlich werden eventuell ganze zusammenhängende Befundkomplexe,
wie z.B. ein ganzes Grab, komplett ausgegraben, wie das auch die archäologische Standardmethodik
erfordert, oder bei unsachgemäßen Grabungen auch Funde aus ihrem Kontext gerissen. Aber nur
selten wird ein ganzes Gräberfeld, geschweige denn alle zeitgleichen Gräberfelder einer größeren
Region, bei einer Grabung, ob fachgerecht oder unsachgemäß, komplett ausgegraben und daher
vollständig zerstört. Dabei sind es diese größeren Zusammenhänge, in denen, wie wir schon weiter
oben gesehen haben (Seiten 135-158), die wirklich bedeutenden wissenschaftlichen Informationen
stecken. Ein einzelner Kontext erlaubt nur selten wirklich bedeutendere wissenschaftliche
Erkenntnisse; d.h. Erkenntnisse, die über den Einzelfall hinausgehen und hohe Erklärungskraft haben.
Damit bleibt an tatsächlichen Gefahren für archäologische Denkmale, die allfällige NFG-Pflichten
begründen könnten, nicht viel übrig: ja, es gibt natürlich einen gewissen Schaden, wie man an den –
allerdings doch eher seltenen – spektakulären Fällen sieht; die übrigens praktisch immer auch heute
noch wirtschaftlich wertvolle Metallhortfunde zu betreffen scheinen (z.B. Brunecker 2008; Otten
2012, 21-25), praktisch nie hingegen eine ganz normale Freilandsiedlung, auf der jemand ein paar
Fibelbruchstücke ausgegraben hat. Aber wieviel erstzunehmender Schaden am Gesamtbestand der
archäologischen Denkmale durch Nachforschungen tatsächlich entsteht, lässt sich eigentlich nicht
sagen. Was sich hingegen mit Sicherheit sagen lässt, ist, dass die mit Abstand größte kumulative
Gefahr für die Erhaltung von archäologischen Denkmalen in situ die ganz normale Land- und
Forstwirtschaft ist (siehe z.B. Trow et al. 2010; Trow & Holyoak 2014, 56); und gegen diese
Schadensursache wird derzeit im deutschen und österreichischen Raum so gut wie überhaupt nichts
unternommen.
Auch hier haben wir also einen maßgeblichen Unterschied: während bei der Fahrerlaubnis völlig klar
ist, welchen Schaden von welchen Dimensionen es zu minimieren gilt, und daher auch die Effekte von
Steuerungsmaßnahmen, wie z.B. Verschärfungen von Genehmigungspflichten etc., mess- und somit
auch einigermaßen objektiv beurteilbar werden; ist bei den archäologischen NFG-Pflichten oftmals
nicht einmal klar, ob und wenn ja welchen Schaden sie überhaupt verhindern könnten; und noch viel
weniger, ob die genehmigungspflichtigen Handlungen den ohnehin durch andere Ursachen erzeugten
Schaden an archäologischen Denkmalen vergrößern oder nicht eher ganz im Gegenteil minimieren.
Man arbeitet also in der archäologischen Denkmalpflege mit hypothetischen Gefahren und
Spekulationen über möglicherweise entstehende Schäden, statt systematisch Evidenz zu sammeln
und auf deren Basis vernünftige Gefahrenabwägungen vorzunehmen und Gegenmaßnahmen zu
ergreifen.
Schlussfolgerungen
Der Großteil der angeblich laut Denkmalämtern archäologischen Denkmalen durch archäologische
Nachforschungen drohenden Gefahren ist höchst hypothetisch. Ob Nachforschungen im Durchschnitt
überhaupt maßgeblichen Schaden an ihnen anrichten – d.h. mehr Schaden als den, der gänzlich ohne
223
Führerschein oder Einzelfahrterlaubnis?
sie an den betroffenen Denkmalen entsteht, aber durch Unterlassung von Nachforschungen
überhaupt nicht archäologisch dokumentiert wird und daher als Totalschaden zu betrachten ist – ist
wenigstens hochgradig diskutierbar. Trotzdem haben die zuständigen Denkmalämter sich bisher nicht
bemüßigt gefühlt, auch nur ernsthaft zu versuchen, den tatsächlich durch solche Nachforschungen
entstehenden ‚vermeidbaren‘ Schaden an archäologischen Denkmalen in irgendeiner
nachvollziehbaren Weise zu qualifizieren und vor allem zu quantifizieren.
Wir wissen im Straßenverkehr von jährlich tausenden Verkehrstoten, hunderttausenden Verletzten
und Millionen von Sachschäden an öffentlichem und privatem Eigentum, die geeignet sind, gesetzliche
Bestimmungen wie die Fahrgenehmigungspflicht als zum Schutz der Gemeinwohlgüter Eigentum,
Gesundheit und Leben erforderlich zu rechtfertigen. In der archäologischen Denkmalpflege wissen wir
von vergleichbaren Gefahren und den dadurch angerichteten, tatsächlich „vermeidbaren“ Schaden
durch Nachforschungen hingegen praktisch nichts. Dennoch sind die Genehmigungspflichten, denen
archäologische Nachforschungen unterworfen werden, weit restriktiver als die für das
selbstverantwortliche Autofahren. Genügen für die Erteilung einer behördlichen Fahrerlaubnis, die
den Inhaber für die Dauer von 15 Jahren ab Erteilung dazu ermächtigt, im Rahmen der Verkehrsregeln
nach Belieben ein Kraftfahrzeug auf öffentlichen Verkehrsflächen zu führen, die Absolvierung von 21
Stunden Theorie- und 9 Stunden Praxisausbildung sowie die erfolgreiche Absolvierung einer
Führerscheinprüfung und eines Sehtests; ist für die Erteilung einer NFG, die den Inhaber zur
Durchführung eines exakt bestimmten Nachforschungsprojekts auf exakt bestimmten Flächen für
normalerweise maximal ein Jahr ermächtigt, eventuell der erfolgreiche Abschluss einer bis zu 14.080
nominelle Arbeitsstunden dauernden und mehrere staatliche Abschlussprüfungen beinhaltenden
Ausbildung, über 1.760 Stunden praktische Felderfahrung in leitender Position, der Nachweis einer
durch nicht fachlich dazu qualifiziertes Personal überprüften „charakterlichen Eignung“ zum, eines
berechtigten Interesses am, und eines gemeinnützigen Motivs für das geplante Handeln erforderlich.
All das, obwohl es kein Grundrecht auf das Kraftfahren; sehr wohl hingegen eines auf die freie,
selbstbestimmte, selbstverantwortliche, nicht mehr als unbedingt notwendig durch staatliche
Eingriffe beschränkte, Durchführung wissenschaftlicher Nachforschungen gibt.
Archäologische Nachforschungslizenz
Aus dem hier Ausgeführten folgt, dass die derzeitige Regelung archäologischer NFG-Pflichten völlig
überzogen und unverhältnismäßig ist. Wenn überhaupt – und darüber ließe sich ausgiebig diskutieren
– könnte eine NFG-Regelung vergleichbar der Führerscheinpflicht für das Autofahren angemessen
sein. Die für den Erwerb eines „archäologischen Nachforschungsscheines“ erforderliche Ausbildung –
wenn eine solche überhaupt als erforderlich betrachtet wird – könnte sich dabei durchaus am
Durchschnitt dessen orientieren, was derzeit normalerweise im Rahmen eines einschlägigen
Universitätsstudiums verlangt wird; d.h. z.B. eine theoretische Ausbildung im Umfang von ca. 200-400
nominellen Arbeitsstunden (bei etwa 30-60 Kontaktstunden à jeweils ca. 45 Minuten oder maximal
45 Stunden Realzeit) und etwa 160-320 Stunden tatsächlicher Feldpraxis (d.h. minimal 4 bis maximal
etwa 8 Wochen Felderfahrung). Das ist deutlich mehr als für den Führerschein erforderlich ist, aber
dennoch kein ganzes Universitätsstudium und daher wohl auch archäologieinteressierten Bürgern
zumutbar, die selbstbestimmt und selbstverantwortlich archäologische Nachforschungen anstellen
wollen. Die erfolgreiche Absolvierung eines einschlägigen Universitätsstudiums mit entsprechender
Ausbildung in der Feldforschung würde selbstverständlich dann ebenfalls zur Ausstellung eines
„archäologischen Nachforschungsscheines“ qualifizieren; d.h. dieser wäre auf Antrag jedenfalls
auszustellen, solange keine ganz konkreten Gründe dagegensprechen.
Nicht anders als der Führerschein würde ein solcher ‚archäologischer Nachforschungsschein‘ dessen
Inhaber dazu berechtigen, im Rahmen der geltenden Denkmalschutzbestimmungen selbstbestimmt
224
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
und selbstverantwortlich überall dort archäologische Nachforschungen mit dem Zweck der
Entdeckung (und/oder Untersuchung) von archäologischen Denkmalen durchzuführen, wo nicht
aufgrund von gemäß dem konstitutiven Prinzip erlassenen Nachforschungsverboten, z.B. in den
sogenannten „Grabungsschutzgebieten“, eine spezielle Ausnahmegenehmigungspflicht besteht.
Solche Nachforschungsverbote wären – nicht anders als Fahrverbote etc. im Straßenverkehr – an Ort
und Stelle durch entsprechende Beschilderung und/oder andere geeignete Maßnahmen auszuweisen
und natürlich nur entsprechend dem Sachlichkeitsgebot zu erlassen, d.h. nur bei bereits bekannten
archäologischen Denkmalen, deren Bedeutung tatsächlich mutmaßlich derartig beschaffen ist, dass
an ihrer dauerhaften Erhaltung auch ein durch eigenen Verwaltungsakt festgestelltes öffentliches
Interesse tatsächlich besteht und die deswegen auch durch aktive Konservierungsmaßnahmen im Feld
gepflegt, d.h. vor durch andere Ursachen verursachten Schäden ebenfalls geschützt, werden.
Alles andere ist nämlich nicht nur unverhältnismäßig, sondern auch aus denkmalpflegerischer Sicht
kontraproduktiv: nicht durch Nachforschungen entdeckte archäologische Denkmale bleiben nämlich,
wie bereits weiter oben (Seiten 161-188) gezeigt, nicht „unverändert“ im Boden erhalten, bloß, weil
man sie nicht mit zerstörungsfreien oder invasiven Methoden untersucht und wenigstens jene Teile
davon, die beweglich sind, birgt; sondern werden stets auch durch andere, weit größere Gefahren
bedroht und auch regelhaft in weit größerer Menge vollkommen unbeobachtet zerstört, als das durch
Nachforschungen – ob nun fachgerecht oder unsachgemäß – der Fall ist. Erst Nachforschungen –
idealerweise fachgerecht durchgeführte – erlauben es überhaupt, bekannte und unbekannte
archäologische Denkmale bzw. deren beweglichen Bestandteile bzw. die in ihnen gespeicherte
historische Information dauerhaft, d.h. über den Zeitpunkt ihrer unabwendbaren Zerstörung in situ,
zu erhalten und der Wissenschaft und Allgemeinheit in nutzbringender Form zugänglich zu machen.
Archäologische NFG-Pflichten, die bezwecken, archäologische Nachforschungen nach
archäologischen Denkmalen möglichst zu verhindern, damit die davon betroffenen Denkmale
unentdeckt und unerforscht in situ verbleiben, fördern also nicht den Schutz, die Erhaltung und die
Nutzbarmachung der archäologischen Denkmale, d.h. das öffentliche Interesse an den Denkmalen;
sondern ausschließlich ihre unbemerkte, nicht wissenschaftlich dokumentierte und damit
allgemeinwohlschädigende Zerstörung. Und das kann wohl wirklich nicht das Ziel einer
vorausschauend und nachhaltig agierenden archäologischen Denkmalpflege sein.
Die archäologische Denkmalpflege im deutschen Sprachraum ist akut reformbedürftig. Denn derzeit
stecken die staatlichen Denkmalämter, die noch dazu viel zu häufig nach dem Prinzip „quod licet Iovi,
non licet bovi“ zu agieren scheinen, den Kopf in den sprichwörtlichen Sand. Sie tun so, also ob die
Verhinderung archäologischer Nachforschungen in der Gegenwart auf magische Weise dafür sorgen
würde, dass die dadurch in situ belassenen archäologischen Denkmale einer zeitlich nicht näher
bestimmten zukünftigen Forschung „unverändert“ erhalten blieben, während diese tatsächlich
stattdessen nur durch andere, intrinsische wie extrinsische Schadensursachen zerstört werden. Dass
das niemandem besonders auffällt, weil ja „unerwünschte“ (Martin & Krautzberger 2010, 887)
Nachforschungen durch nicht in den Denkmalämtern beschäftigte Dritte von den Denkmalämtern
möglichst verhindert werden, macht die Sache nicht besser, sondern nur noch schlechter. Denn die
Denkmalbehörden versagen dadurch gleich dreifach: in ihrer Pflicht gegenüber den archäologischen
Denkmalen, diese möglichst effektiv und dauerhaft vor „vermeidbaren“ Schäden zu schützen; in ihrer
Pflicht gegenüber der derzeitigen und künftigen Forschung, die archäologischen Quellen möglichst
dauerhaft für die Erforschung zu erhalten und zugänglich zu machen; und in ihrer Pflicht gegenüber
der derzeitigen und zukünftigen Gesellschaft, in deren Auftrag und Interesse sie archäologische
Denkmale möglichst allgemeinwohlnützlich verwalten sollten.
225
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Wie bereits weiter oben ausgeführt (Seiten 87-111), hat der österreichische Gesetzgeber, als er 1923
das DMSG erstmals erlassen hat, ein grundsätzlich reaktives Gesetz geschaffen, das noch dazu so gut
wie ausschließlich nach dem konstitutiven Prinzip (DGUF 2013) funktionieren sollte. Bereits bekannte
Sachen wurden und werden durch das DMSG nur geschützt, wenn sie vom BDA in einem eigenen
Verwaltungsakt unter Denkmalschutz gestellt wurden. Zuvor noch unbekannte, „bisher verborgene
Gegenstände, die infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit offenkundig den Beschränkungen
dieses Gesetzes unterliegen“ (§ 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923) hingegen unterlagen einer
Meldepflicht, damit das BDA von ihrer Entdeckung erfahren und sie selbst in Augenschein nehmen
konnte, um sie bei Bedarf unter Denkmalschutz stellen zu können.
Damit solche „offenkundigen“ Denkmale nicht zwischen dem Zeitpunkt ihrer Entdeckung und allfällig
dauerhafter Unterschutzstellung verändert oder zerstört werden durften, stellte sie der Gesetzgeber
daher temporär und kurzfristig vom Zeitpunkt der Entdeckung weg „Kraft gesetzlicher Vermutung“
unter Denkmalschutz, völlig unabhängig davon, ob ihre Entdeckung zufällig erfolgt war oder sie
absichtlich zu entdecken versucht worden waren. Die Grabungsgenehmigungsmöglichkeit des § 11
Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923 stellte eine diese Schutzbestimmungen für „unbekannte Sachen“
ergänzende Ausnahmeregelung für aus wissenschaftlichen Gründen geplant durchgeführte
archäologische Ausgrabungen dar, die dem Zweck diente, solche Grabungen nicht unnötig dadurch zu
behindern, dass sie in jedem Erfolgsfall für mehrere Tage eingestellt werden mussten, bis das BDA die
Entdeckung in Augenschein genommen und die Fortsetzung der Grabungsarbeiten gestattet hatte.
Nachdem die Schutzbestimmungen der §§ 9 und 10 DMSG idF BGBl. 533/1923 alle Entdeckungen von
„offenkundig“ schützenswerten Denkmalen gleichermaßen trafen, war dies bis zur Novelle des DMSG
1990 auch verfassungsrechtlich weitgehend unproblematisch. Zwar wurde durch sie auch in die durch
Art. 17 StGG geschützte Wissenschaftsfreiheit von ArchäologInnen eingegriffen, ihren
Feldforschungen unbehindert durch staatliche Eingriffe nachzugehen (siehe dazu allgemein Berka
1999, 343-4), aber es handelte sich dabei um ein allgemeines Gesetz, das die Wissenschaftsfreiheit
nicht intentional, sondern sozusagen nur „zufällig“ als unbeabsichtigte Nebenwirkung beschränkt
(Berka 1999, 344-6). Noch dazu gestattete die Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 1 DMSG idF BGBl.
533/1923 Personen, die weitgehend unbehindert durch staatliche Eingriffe ihren archäologischen
Feldforschungen auf bereits bekannten Denkmalen oder wo sie eine subjektive
Denkmalentdeckungserwartung hatten nachgehen wollten, sich vorab die Erlaubnis des BDA zur
Durchführung ihrer geplanten Forschungsarbeiten einzuholen.
Das war wenigstens insofern eine schlaue Lösung, als durch diese Konstruktion die Forschungsfreiheit
nicht intentional beschränkt wurde und die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in diese durch die
allgemeinen Schutzbestimmungen des DMSG dadurch verstärkt wurde, dass für tatsächlich
wissenschaftlich bezweckte Entdeckungen eine Ausnahmegenehmigungsmöglichkeit geschaffen
worden war. Sich in ihrer Forschungsfreiheit eingeschränkte ArchäologInnen – ob nun Laien oder
Profis – konnten sich unter diesen Voraussetzungen kaum beschweren: schließlich versuchte unter
dieser Lösung niemand, ihre verfassungsgesetzlich garantierten Grundrechte einzuschränken,
sondern der Gesetzgeber hatte vielmehr sogar großen Wert darauf gelegt, die möglichst freie
Ausübung der wissenschaftlichen Forschung selbst in einem Kontext zu ermöglichen, indem eine weit
stärkere Beschränkung des nichtwissenschaftlichen Handelns erforderlich erschien.
Mit den in der Novelle von 1990 vorgenommenen Änderungen änderte sich diese Situation jedoch, in
einer Weise, die die derzeit geltenden Bestimmungen bzw. wenigstens deren Auslegung durch das
BDA auch verfassungsrechtlich höchstgradig bedenklich erscheinen lässt. Durch die nunmehr
226
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
eingeführte Unterscheidung zwischen „zufälligen“ und „vorsätzlichen“ Funden wurde schließlich –
nach langjähriger Rechtsansicht des BDA – aus der Grabungsgenehmigungsmöglichkeit für
WissenschafterInnen, die ihre archäologischen Ausgrabungen nicht jedes Mal, wenn sie dabei auf
„offenkundig“ schutzwürdige Gegenstände stießen, für mehrere Tage einstellen wollten, eine weit
darüber hinausgehende Genehmigungspflicht für alle archäologischen Feldforschungen an Ort und
Stelle (zuletzt, wie eingangs geschildert, sogar entgegen dem Gesetzeswortlaut und
höchstgerichtlicher Judikatur für Surveys zur Entdeckung von Oberflächenfunden; Seiten 8-10). Bei
dieser Auslegung handelt es sich nunmehr aber um eine intentionale Beschränkung der
Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 StGG, was diese NFG-Pflicht nun noch zusätzlich zu ihrer schon im
vorherigen Kapitel angedeuteten rechtspolitischen Unverhältnismäßigkeit auch in Bezug auf ihre
verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeit hochgradig angreifbar macht.
Die intentionale Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit durch die NFG-Pflicht
Dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG in ihrer gegenwärtigen Form eine intentionale
Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 StGG darstellt, d.h. einen Eingriff, „dessen
Regelungsziel gerade die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit ist“ (Berka 1999, 344), ergibt sich
sowohl aus dem Wortlaut der Bestimmung selbst, als auch aus der bisherigen Anwendungspraxis
dieser Bestimmung durch das BDA. Schon die ersten beiden Sätze des Paragrafen selbst machen das
extrem deutlich:
„Die Nachforschung durch Veränderung der Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser
(Grabung) und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und
Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche
dürfen nur mit Bewilligung des Bundesdenkmalamtes vorgenommen werden, soweit Abs. 2 und
9 nichts anderes vorsehen (Forschungsgrabung). Eine derartige Bewilligung kann nur an
Personen erteilt werden, die ein einschlägiges Universitätsstudium absolviert haben.“ (§ 11
Abs. 1 DMSG igF; Hervorhebungen: RK).
Den Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG unterworfen sind also seinem Wortlaut nach zwar alle
wissenschaftlichen Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung von
beweglichen und unbeweglichen Denkmalen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche durch egal welche
Personen; eine Genehmigung können allerdings nur Universitätsabsolventen ausgewählter
Studienrichtungen erhalten; wobei laut der Regierungsvorlage als „einschlägig“ nur „Studien der
Archäologie sowie der Ur- und Frühgeschichte“ gelten, „bei denen zugleich praktische
Ausgrabungstätigkeit Pflichtfach ist“ (RV 1999, 54). Nachdem davon auszugehen ist, dass Personen,
die ein „einschlägiges“ archäologisches Universitätsstudium absolviert haben, wenigstens in der
überwältigenden Mehrheit aller Fälle wissenschaftliche Nachforschungen zu archäologischen
Erkenntniszwecken und nicht unwissenschaftliche Nachforschungen (wie z.B. zur Entdeckung von
wirtschaftlich wertvollen „Schätzen“ iSd § 398 ABGB oder der Entdeckung von modernem Müll zum
Zweck seiner umweltgerechten Entsorgung) anstellen wollen, geht aus dem Gesetzeswortlaut selbst
bereits eindeutig hervor, dass mit den Nachforschungen, die der gesetzlichen NFG-Pflicht unterliegen
sollen, wissenschaftliche Feldforschungen und nicht beliebige andere Nachforschungen gemeint sind.
Die Tatsache, dass derartige Nachforschungen auch im Wortlaut der Bestimmung selbst als
„Forschungsgrabungen“ bezeichnet werden, verdeutlicht das zusätzlich; ebenso wie die Tatsache,
dass die Bestimmungen des § 11 Abs. 2 DMSG „amtswegige Grabungen des Bundesdenkmalamtes“,
bei denen es sich zweifelsfrei ebenfalls um archäologische wissenschaftliche Forschungsmaßnahmen
handelt, aus der Bewilligungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ausnehmen. Ebenso ist eindeutig aus den
Erläuterungen zu § 11 DMSG in den Regierungsvorlagen zu den letzten beiden größeren Novellen des
227
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
DMSG (RV 1990, 20-1; 1999, 54-5) zu entnehmen, dass mit den „Grabungen und sonstigen
Nachforschungen an Ort und Stelle“, die durch die Bestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG einer
behördlichen Bewilligungspflicht unterworfen werden, selbstverständlich ausschließlich
wissenschaftliche und nicht irgendwelche beliebigen anderen „Nachforschungen“ gemeint sind.
Auch aus den wichtigsten amtlichen Emanationen des BDA zu diesem Thema, den
Bewilligungsbescheiden gem. § 11 Abs. 1 DMSG regelhaft als Bescheidauflage angeschlossenen
Richtlinien für archäologische Maßnahmen (zuletzt BDA 2016a; seit 1.1.2018: BDA 2018), geht
eindeutig hervor, dass die den NFG-Pflichtbestimmungen unterliegenden Maßnahmen archäologische
Feldforschungshandlungen sind, die – den neu überarbeiteten Richtlinien des BDA zufolge – „nach
dem Stand der Technik und der wissenschaftlichen Erkenntnis auszuführen“ (BDA 2018, 6) sind. Bereits
in den Vorbemerkungen zu den Richtlinien (BDA 2016a, 3; 2018, 2) wird vom BDA kategorisch
festgestellt, dass die entdeckten, beweglichen und unbeweglichen Bestandteile und die bei ihrer
Entdeckung angefertigten Dokumentationsunterlagen an die Stelle des durch die Maßnahmen in situ
veränderten oder zerstörten „Bodendenkmals (= archäologische Fundstelle)“ treten und „dessen –
eine geschichtliche Dokumentation ermöglichende – Quellenfunktion“ (BDA 2018, 2) weiterführen.
Auch die in den Richtlinien zu findenden Erläuterungen, wie der Antrag auf Erteilung einer
Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG zu stellen und welche Unterlagen einem solchen beizulegen
sind (BDA 2016a, 6-7; 2018, 6-7), sowie die Formularvorlagen für das sogenannte
„Prospektionskonzept“ und das „Grabungskonzept“ (BDA 2016a, 48-50; 2018, 48-51), stellen eindeutig
ausschließlich auf wissenschaftliche und nicht beliebige sonstige Nachforschungen ab. In allen Fällen
ist einem Antrag auf Genehmigung von Nachforschungen gem. § 11 Abs. 1 DMSG ein Konzept
beizulegen, in dem „die Ziele des Vorhabens sowie die Methodik der Maßnahme und der
Dokumentation, Lage und Dimension beabsichtigter invasiver Eingriffe […], die Erfassung und
Konservierung/Restaurierung von Funden und Befunden sowie die Erstellung eines Berichts“ entweder
– wenn die Maßnahmen richtlinienkonform durchgeführt werden sollen – darstellt oder – wenn von
den in den Richtlinien vorgegebenen Standards abgewichen werden soll – „fachlich ausreichend
begründet“ (BDA 2018, 6) werden müssen. Gefordert wird also eine wissenschaftliche
Projektbeschreibung, in der sowohl die Forschungsziele, die Wahl der Forschungsgegenstände, der
Forschungsmethoden und bis zu einem gewissen Grad sogar der Verbreitung der gewonnenen
Erkenntnisse des Forschenden gegenüber der Behörde zu begründen und dieser zur Bewilligung
vorzulegen ist. Dies entspricht exakt der Definition von wissenschaftlicher Forschung im Sinne des Art.
17 StGG: diese ist „jedes planvolle und methodische Bemühen um die Gewinnung objektiver
Erkenntnisse, das sich einer intersubjektiven Überprüfung stellt“ (Berka 1999, 343).
Soweit sich das für mich als Außenstehenden nachvollziehen lässt, hat auch das BDA seit 1.1.1991,
d.h. dem Datum des Inkrafttretens des DMSG idF BGBl. 473/1990, Genehmigungen gem. § 11 Abs. 1
DMSG ausschließlich nur (noch) für wissenschaftliche Nachforschungen erteilt, die von Personen, die
ein einschlägiges Universitätsstudium im oben genannten Sinn absolviert hatten, beantragt wurden.
Inwieweit in diesen inzwischen 27 Jahren überhaupt irgendwelche Genehmigungsanträge für andere
als wissenschaftliche Nachforschungen an das BDA gestellt wurden, ist mir nicht bekannt, falls doch
scheint jedoch keiner davon bewilligt worden zu sein. In Anbetracht der in den FÖ genannten
Fallzahlen ist davon auszugehen, dass in den vergangenen 27 Jahren etwa 10.000 derartige
Bewilligungen, jeweils für wissenschaftliche Nachforschungen, ausgestellt worden sein dürften.
Auch die Gegenprobe zeigt, dass das BDA nur wissenschaftliche archäologischen Grabungen und
sonstige Nachforschungen der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG unterwirft, nicht hingegen
Grabungen und auch nicht sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zu anderen Zwecken als der
wissenschaftlichen Erforschung von Denkmalen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche. Dass
228
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Grabungen zu anderen als archäologischen Forschungszwecken nicht der NFG-Pflicht unterworfen
werden, zeigt in aller Deutlichkeit das schon oben erwähnte Beispiel der Einplanierung nicht
denkmalgeschützter, frühmittelalterlicher Grabhügel im Zirkenauer Wald (Seiten 109-110, Abb. 5):
deren teilweise wissenschaftliche archäologische Ausgrabung zwischen 2000-2002 (Ruprechtsberger
2003) wurde ja mit Bewilligung des BDA gem. § 11 Abs. 1 DMSG durchgeführt, ihre Zerstörung durch
den Grundeigentümer bzw. von diesem Beauftragten mittels des Baggers, also ebenfalls durch
Grabung, im Jahr 2015 war hingegen ohne denkmalschutzrechtliche Bewilligung erlaubt (Krieglsteiner
2015).
Dass auch sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung, sofern sie
anscheinend nicht die Entdeckung und Untersuchung von Denkmalen, sondern die Entdeckung und
Entfernung ex situ von „unliebsamen Unrat“, bezwecken, vom BDA nicht der NFG-Pflicht des § 11 Abs.
1 DMSG unterworfen werden, zeigt ein anderer Fall aus dem Jahr 2015. Dieser wurde von der
Österreichische Bundesforste AG (ÖBf) auf ihrer Webseite wie folgt beschrieben:
„Mit Ende der Badesaison starten die Österreichischen Bundesforste (ÖBf) erstmals eine
österreichweite Seenreinigungsaktion, bei der zeitgleich in mehreren Bundesländern zahlreiche
beliebte Badeseen von unliebsamem Unrat befreit werden. Gemeinsam mit der Österreichischen
Wasserrettung, regionalen Tauchsportvereinen, der Freiwilligen Feuerwehr und Gemeinden
werden rund 250 Freiwillige – darunter dutzende TaucherInnen – an Seen in Oberösterreich,
Kärnten und Salzburg im Einsatz sein, um Seeufer und Seegrund von achtlos entsorgtem Müll zu
reinigen. „Wir helfen mit, Österreichs Seen sauber zu halten“, erklärt Georg Schöppl, Vorstand
für Finanzen und Immobilien der Bundesforste, die als größter Gewässerbewirtschafter des
Landes mehr als zwei Drittel der Seen betreuen. „Seen sind sensible Ökosysteme. Es ist unsere
Aufgabe, die uns anvertrauten Gewässer bestmöglich zu schützen und im Sinne der
Nachhaltigkeit auch für zukünftige Generationen zu erhalten“, so Schöppl weiter. Die
Seenreinigungsaktion findet am 25. und 26. September 2015 an folgenden Seen statt: Attersee,
Hallstätter See, Millstätter See, Ossiacher See, Traunsee, Wolfgangsee und Wörthersee.“
(Bundesforste 2015)
Unter dem Untertitel „Fundstücke aus der Unterwasserwelt“ wurden dort auch die durchgeführten
Handlungen, die durch die Handlungen betroffenen Gegenstände, und der Zweck der durchgeführten
Handlungen wie folgt beschrieben:
„Ausgerüstet mit Netzen, Metalldetektoren und weiterem Tauchzubehör bergen die freiwilligen
HelferInnen in Österreichs Badeseen zahlreichen Müll vom Seegrund. Zu Tage fördern sie dabei
meist allerhand: von Flaschen, Bauschutt oder Autoreifen über Sonnenschirme und -liegen bis
hin zu Fahrrädern, Einkaufswägen, Mopeds oder sogar Kühlschränken. Getaucht wird
vorwiegend in ufernahen Bereichen bis zu einer Tiefe von rund 20 Metern.“ (Bundesforste 2015)
Die Tatsache, dass die Bundesforste diese Sachen als Müll betrachten, ändert nichts an der Tatsache,
dass es sich bei den genannten Arten von Fundgegenständen um Bodendenkmale im Sinne des § 8
Abs. 1 DMSG handeln könnte: beim Bodendenkmalsbegriff ist schließlich gleichgültig, ob diese
Fundgegenstände nun tatsächlich (geschützte bzw. schützenswerte) Denkmale sind, die auch
tatsächlich den Bestimmungen des DMSG unterliegen, es genügt dafür vielmehr, dass sie den
Bestimmungen des DMSG aufgrund ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit unterliegen könnten. Und
wenigstens theoretisch könnten sie diesen Bestimmungen sicherlich unterliegen, weil ja
bekanntermaßen das absolute Alter der Gegenstände keine Rolle dafür spielt, ob es sich bei ihnen um
Denkmale handeln könnte, ja nicht einmal eine Rolle dafür spielt, ob es sich bei ihnen tatsächlich um
Denkmale handelt (Bazil et al. 2015, 16). „Die geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle
229
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Bedeutung“ einer beliebigen Sache ergibt sich vielmehr „aus der in der Fachwelt vorherrschenden
Wertschätzung“ (Bazil et al. 2015, 17). Diese Bedeutung ist wiederum aus rechtlicher Sicht „eine
Tatsache, die idR durch einen Sachverständigenbeweis zu ermitteln ist“ (Bazil et al. 2015, 22). Ob eine
beliebige Sache ein Denkmal ist, kann also jedenfalls erst ermittelt werden, wenn der Gegenstand
bereits entdeckt und einem Sachverständigen zur Begutachtung vorgelegt worden ist; womit jede
beliebige Fundsache, die unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche aufgefunden wurde, jedenfalls immer
ein Bodendenkmal iSd § 8 Abs. 1 DMSG sein könnte: schließlich kann bis zu ihrer sachverständigen
Begutachtung nicht bestimmt werden, ob sie ein Denkmal iSd § 1 Abs. 1 DMSG ist, womit sie –
nachdem das nicht ausgeschlossen werden kann – ein Denkmal sein könnte. Legt man also die NFGPflicht des § 11 Abs. 1 DMSG so weit aus, wie das BDA sie bisher ausgelegt hat, d.h. so, dass es
unbeachtlich bleiben kann, ob von dem Ort an dem die Nachforschungen durchgeführt werden sollen
überhaupt schon irgendwelche konkreten Hinweise auf das Vorkommen von Denkmalen iSd § 1 Abs.
1-2 oder auch nur Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG vorliegen, muss auch die
„Seenreinigungsaktion“ der ÖBf der NFG-Pflicht für archäologische Nachforschungen unterlegen
haben.
Der konkrete Fall wird dadurch noch brisanter, dass diese „Seenreinigungsaktion“ wenigstens
teilweise in Seen durchgeführt wurde, die nicht zuletzt aus archäologischen Gründen Welterbestätten
sind: so liegt z.B. der Hallstätter See in der Kernzone des Welterbes „Kulturlandschaft HallstattDachstein / Salzkammergut“ (http://whc.unesco.org/en/list/806/ [25.11.2015]), während Teile des
Attersees Teil des Weltkulturerbes „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“
(http://whc.unesco.org/en/list/1363 [25.11.2015]) sind. Einige Teile des Attersees in Nussdorf,
Schörfling, Seewalchen, Unterach stehen auch unter Denkmalschutz; ebenso eine Fundstelle im
Mondsee (siehe http://www.bda.at/documents/119793525.pdf [25.11.2015]). Eine vom Kuratorium
Pfahlbauten in der Spungturmgrube im Seebad Seewalchen am Attersee im Oktober 2015
durchgeführte systematische Unterwassergrabung wurde daher selbstverständlich mit Bewilligung
gem. § 11 Abs. 1 DMSG durch das BDA durchgeführt, weil es dabei ja um die wissenschaftliche
Erforschung von archäologischen Objekten unter der Wasseroberfläche ging. Es besteht also in
wenigstens manchen der Seen, in denen die ÖBf die „Seenreinigung“ durchführen haben lassen, eine
nicht unbedeutende Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich – nicht nur, aber auch archäologisch –
wissenschaftlich bedeutende Denkmale unter der Wasseroberfläche bzw. bei Verwendung von
Metallsuchgeräten sogar im Grund unter Wasser entdeckt werden könnten.
Eine Nachfrage per Email an das Kuratorium Pfahlbau am 28.9.2015 ergab, dass bezüglich der
„Seenreinigung“ keine Rücksprache mit dem Kuratorium Pfahlbau gehalten worden war, das sicherlich
eine archäologische Betreuung der „Seenreinigung“ durchführen hätte können, insbesondere als es
knapp eine Woche später ohnehin mit Grabungen in einem der gereinigten Seen zu beginnen
beabsichtigte. Hinweise auf eine archäologische Begleitung der „Seenreinigung“ durch andere
graduierte ArchäologInnen ließen sich ebenfalls nicht finden. Es ist daher davon auszugehen, dass die
„Seenreinigung“ ohne Bewilligung durch das BDA gem. § 11 Abs. 1 DMSG durchgeführt worden ist,
weil offenbar die ÖBf diese Maßnahme nicht als den Bestimmungen des DMSG unterliegende
Maßnahme betrachtete. Dieser Ansicht schloss sich in Antwort auf eine von mir am 28.9.2015
gesandte Anfrage auch das BDA mit Schreiben vom 1.10.2015 (BDA-00841.sb/0070-ARCHÄO/2015)
an, in dem es mir lapidar mitteilte, das es „im Vorgehen der Bundesforste keine Übertretung des
Denkmalschutzgesetzes“ sähe. Eine Nachfrage nach genauerer Begründung für diese Rechtsansicht
blieb auch in einem folgenden Schreiben des BDA vom 3.11.2015 (BDA-00841.sb/0077ARCHÄO/2015) unbeantwortet.
230
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Auch in seinen jüngsten Richtlinien beharrt das BDA darauf, dass alle Grabungen und sonstigen
„Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und
unbeweglicher Bodendenkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ (BDA 2018, 10; Hervorhebung:
RK), insbesondere auch die Verwendung von Metallsuchgeräten (BDA 2018, 10-1), gem. § 11 Abs. 1
DMSG bewilligungspflichtige Maßnahmen seien. Wären also auch nicht mit wissenschaftlicher
Erkenntnisabsicht durchgeführte Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung
beweglicher Bodendenkmale, wie durch die ÖBf im soeben dargestellten Fall, der NFG-Pflicht des §
11 Abs. 1 DMSG unterworfen, hätte auch diese „Seenreinigungsaktion“ der ÖBf der Bewilligung durch
das BDA gemäß dieser Bestimmung bedurft. Auch dieser Fall zeigt also eindeutig, dass nicht mit
wissenschaftlicher Entdeckungs- und Untersuchungsabsicht durchgeführte Grabungen und sonstige
Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zweck der Entdeckung beliebiger Sachen (unter denen sich
selbstverständlich auch Denkmale und jedenfalls Bodendenkmale befinden können) vom BDA in
seiner bisherigen Anwendungspraxis der NFG-Pflichtbestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG nicht
unterworfen worden sind.
Damit zeigen sowohl der Gesetzeswortlaut als auch die zugehörigen Regierungsvorlagen (RV 1990, 201; 1999, 54-5) als auch die behördliche Anwendungspraxis, dass die einzigen Handlungen, die der
Bewilligungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG unterworfen sind, wissenschaftliche Nachforschungen mit
dem Zweck archäologischen Erkenntnisgewinns sind. Damit erweist sich die Bestimmung des § 11 Abs.
1 DMSG igF als intentionale Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit.
Zur (Un-)Verhältnismäßigkeit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG
Walter Berka zufolge ist nach „der Judikatur des VfGH […] davon auszugehen, dass der Gesetzgeber
jedenfalls zu keinen intentionalen Eingriffen in das Grundrecht ermächtigen darf“ (Berka 1999, 344;
Hervorhebung: Autor). Es besteht also die Gefahr, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG generell
verfassungswidrig ist. Zwar können intentionale Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit dennoch
„ausnahmsweise zulässig sein, wenn sie aus Bestimmungen in Verfassungsrang abgeleitet werden
können. […] Freilich sind solche Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit nur zulässig, wenn es sich
um ernsthafte Gefährdungen grundlegender Rechtsgüter handelt.“ (Berka 1999, 346). In diesem Fall
ist also – nicht anders als in Fällen, in denen allgemeine Gesetze eine Einschränkung der
Wissenschaftsfreiheit bewirken – eine „Güterabwägung zwischen der Freiheit der Wissenschaften und
den Gemeinschaftsgütern“ (Berka 1999, 345) vorzunehmen, d.h. letztendlich eine
Verhältnismäßigkeitsprüfung (Berka 1999, 156-67).
Dazu ist vorerst einmal zu ermitteln, ob und wenn ja inwieweit die in Frage stehende gesetzliche
Bestimmung (bzw. ihre Anwendung durch die dafür zuständigen Verwaltungseinrichtungen des
Staates) überhaupt einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 StGG darstellt. In seinem
Kern garantiert Art. 17 StGG sachlich „die freie Selbstbestimmung des Wissenschaftlers über die
Gegenstände seines wissenschaftlichen Bemühens, die Freiheit der Methodenwahl und die Freiheit,
seine Erkenntnisse ohne jede Behinderung zu verbreiten. […] In die Wissenschaftsfreiheit wird aber
auch eingegriffen, wenn die freie Entscheidung des Forschers über die Forschungsgegenstände etwa
durch Bewilligungspflichten beschränkt oder eine bestimmte Forschungsmethode verboten würde.“
(Berka 1999, 344).
Dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG, insbesondere in der durch die Richtlinien (BDA 2016a;
2018) näher spezifizierten Anwendungspraxis durch das BDA, in diesen Kernbereich der
Wissenschaftsfreiheit eingreift, ist offensichtlich: konkret unterwirft das BDA sowohl die freie
Entscheidung des Forschers über die Gegenstände seiner Forschung als auch die Freiheit der
wissenschaftlichen Methodenwahl einer behördlichen Genehmigungspflicht, selbst wenn eine Person
231
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
diese wissenschaftlichen Nachforschungen plant, die ihre fachliche Befähigung zu ihrer Durchführung
durch Abschluss eines einschlägigen Universitätsstudiums nachgewiesen hat.
Mehr noch, die sich aus dem Wortlaut der Bestimmung ergebende Tatsache, dass eine Bewilligung
gem. § 11 Abs. 1 DMSG überhaupt nur an solche Personen ausgestellt werden kann, die ein
einschlägiges Universitätsstudium erfolgreich abgeschlossen haben, bedingt, dass allen
österreichischen StaatsbürgerInnen und allen anderen Grundrechtsträgern (d.h., nachdem die
Wissenschaftsfreiheit – siehe Berka 1999, 343 – ein Jedermannsrecht ist, alle Menschen, die sich auf
österreichischem Staatsgebiet aufhalten bzw. auf diesem archäologisch-wissenschaftliche
Feldforschungen durchzuführen planen), die kein einschlägiges Universitätsstudium abgeschlossen
haben, das Grundrecht wissenschaftliche archäologische Feldforschungen selbstbestimmt frei
durchzuführen vollständig genommen wird. Nachdem § 11 Abs. 1 DMSG die rechtmäßige
Durchführung vorsätzlicher wissenschaftlich-archäologischer Feldforschungen vom Vorliegen eines
diese bewilligenden Bescheides des BDA gem. § 11 Abs. 1 DMSG abhängig macht, der nur an
AbsolventInnen einschlägiger Universitätsstudien erteilt werden kann, und die Durchführung von
Nachforschungen bzw. Grabungen ohne die hierfür gem. § 11 Abs. 1 DMSG vorgesehene
Genehmigung gem. § 37 Abs. 2 Z 2 DMSG strafbar ist, ist jedem Grundrechtsträger, der kein
einschlägiges Universitätsstudium absolviert hat, die vorsätzliche Durchführung archäologischwissenschaftlicher Nachforschungen an Ort und Stelle unter empfindlicher Strafandrohung gesetzlich
vollständig verboten. Für alle Grundrechtsträger, die kein archäologisches Universitätsstudium
abgeschlossen haben, wird durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG also die
Grundrechtsgarantie des Art. 17 StGG im Bereich der wissenschaftlichen archäologischen
Feldforschung nicht nur eingeschränkt, sondern zur Gänze aufgehoben.
Es kommt durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG also jedenfalls zu einem gravierenden
Eingriff in den absoluten Kernbereich des verfassungsgesetzlich garantierten Grundrechts der
Wissenschaftsfreiheit; wobei für die meisten Grundrechtsträger – alle außer die etwa 1.100 derzeit in
Österreich tätigen professionellen ArchäologInnen (Aitchison et al. 2014, 19) – dieser Eingriff so
schwerwiegend ist, dass das verfassungsgesetzliche Grundrecht als vollinhaltlich aufgehoben zu
betrachten ist. Dies lässt eine Verhältnismäßigkeitsprüfung jedenfalls erforderlich erscheinen, denn
ein derart gravierender Eingriff in ein verfassungsgesetzlich vorbehaltlos garantiertes Grundrecht
bedarf jedenfalls einer besonders starken Begründung, um ihn gerechtfertigt erscheinen lassen zu
können.
Zur Frage der Legitimität des vom Staat mit der NFG-Pflicht verfolgten Zweckes
Zu allererst ist hierbei die Frage nach dem vom Staat mit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG
verfolgten Zweckes zu stellen, d.h. nach dem gesetzlichen Schutzziel.
Gem. § 1 Abs. 1 DMSG ist das Schutzziel, das der Gesetzgeber insgesamt mit dem DMSG verfolgt,
solche Denkmale, deren Bedeutung derart beschaffen ist, dass an ihrer Erhaltung ein öffentliches
Interesse besteht, vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland zu schützen. Ein solches
öffentliches Interesse besteht iSd § 1 Abs. 2 DMSG, „wenn es sich bei dem Denkmal aus überregionaler
oder vorerst auch nur regionaler (lokaler) Sicht um Kulturgut handelt, dessen Verlust eine
Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität
sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde. Wesentlich ist auch, ob und in
welchem Umfang durch die Erhaltung des Denkmals eine geschichtliche Dokumentation erreicht
werden kann“. Dabei geht laut VwGH die „Zielsetzung des Denkmalschutzes weit über das landläufige
Verständnis hinaus und hat die Erhaltung des überkommenen Kulturgutes schlechthin zum Inhalt“
(Bazil et al. 2015, 16). Ein (schützenswertes) Denkmal ragt allerdings „durch seine geschichtliche,
232
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
künstlerische oder sonstige Bedeutung über gleichartige andere Gegenstände hinaus“ (Bazil et al.
2015, 18), auch wenn diese Bedeutung „nicht jedermann erkennbar sein muss“ (ibid.), d.h. nicht jeder
von Menschen geschaffene oder gestaltend veränderte Gegenstand (inklusive Überresten davon und
Bodenformationen) ist ein Denkmal, dem solche Bedeutung zukommt, dass es auch erhaltenswert
wäre. Auch „metallische Kleinfunde wie z.B. Münzen aus römischer Zeit sind Gegenstände von
geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung“ (ibid.), was aber keinesfalls
bedeutet, dass jede Münze, oder auch nur jede Münze aus römischer Zeit, ein schützenswertes
Denkmal darstellt.
Gemäß der Regierungsvorlage zum DMSG 1999 ging allerdings das Denkmalschutzgesetz „von
vornherein von einer klaren Beschränkung durch wissenschaftlich überlegte Auswahl aus“ (RV 1999,
39). Das vom Gesetzgeber mit dem DMSG verfolgte Ziel war und ist es also nicht, alle Denkmale, ja
nicht einmal nur alle Denkmale, denen irgendeine – wie auch immer geringe – geschichtliche,
künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung zukommt, zu schützen. Vielmehr hat er dem BDA die
Aufgabe aufgetragen, jene Auswahl zu treffen, „die vom Fachlichen her erforderlich ist und vom
Administrativen her bewältigt werden kann“ (ibid.). Der Gesetzgeber erwartet also, dass eine strenge
Selektion vorgenommen wird, die nicht nur den fachlichen Erfordernissen gerecht zu werden, sondern
auch im Rahmen der für die Denkmalverwaltung vom Staat bereitgestellten administrativen
Ressourcen zu bleiben hat.
Das gesetzliche Schutzziel des DMSG ist also die Erhaltung jener Denkmale, die wissenschaftlich so
besonders bedeutend sind, dass sie mit den vom Staat für ihre Erhaltung zur Verfügung gestellten
Ressourcen auch tatsächlich erhalten werden können. Alle Denkmale hingegen, die von geringerer
Bedeutung sind als jene, die mit den verfügbaren Ressourcen erhalten werden können, sind der
uneingeschränkten privaten Verfügungsgewalt ihrer jeweiligen Eigentümer zu überlassen; sind also
im rechtlichen Sinn ganz gewöhnliche Sachen, mit denen ihr jeweiliger Eigentümer verfahren kann,
wie es ihm gefällt.
Nachdem die Gesetzgebung und der Vollzug des Denkmalschutzes durch die Kompetenznorm des Art.
10 Abs. 1 Z 13 B-VG dem Bund übertragen werden, ist der Bundesgesetzgeber auch
verfassungsrechtlich zur Gesetzgebung im Bereich des Denkmalschutzes legitimiert. Somit ist der vom
Gesetzgeber mit der grundlegenden Zielsetzung des DMSG verfolgte Zweck – es geht ihm schließlich
explizit in § 1 Abs. 1 DMSG ausgeführt um den Schutz besonders bedeutender Denkmale vor
Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland – jedenfalls legitim.
Welchen Zweck der Gesetzgeber mit der NFG-Pflichtbestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG verfolgt, ist
hingegen weit weniger klar. Der VwGH hat möglicherweise in seinem Erkenntnis vom 24.6.1985,
84/12/0213 den „Sinn der gegenständlichen gesetzlichen Bestimmung“ darin gesehen,
„Ausgrabungen zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher
Denkmale nötigenfalls einer fachmännischen Überwachung zu unterwerfen und einer Zerstörung,
Veränderung und Verbringung von Kulturgütern entgegenzuwirken“ (VwGH 24.6.1985, 84/12/0213,
3). Dies kann jedoch nicht mit Sicherheit angenommen werden, weil der VwGH an der betreffenden
Stelle nur die Entscheidungsbegründung der Berufungsinstanz im gegenständlichen Fall referiert,
während er sich in seinen eigenen Erwägungen zur relevanten Frage nicht äußert.
Die vom VwGH in dieser Form referierte Rechtsansicht der Berufungsinstanz im zitierten Fall kann
allerdings schon allein aus dem Grund nicht (mehr) zutreffen, als seit der Novelle BGBl. 473/1990 in §
11 Abs. 5 (wortlautgleich igF) explizit festgehalten wird, dass auf geschützten Denkmalen aufgrund
der mit Grabungen „zwangsläufig verbundenen Veränderungen oder Zerstörungen“ diese „auf jeden
Fall auch der Bewilligung des Bundesdenkmalamtes gemäß § 5 Abs. 1“ DMSG bedürften. Damit kann
233
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
aber die NFG-Pflicht nicht den Zweck haben, der Veränderung oder gar Zerstörung von Denkmalen
entgegenzuwirken, denn diese sind ja unvermeidbar, wenn die Grabung genehmigt wird.
Damit bliebe nur die Möglichkeit, dass der Zweck der NFG-Pflichtbestimmung des § 1 Abs. 1 DMSG ist,
Grabungen nötigenfalls einer fachmännischen Überwachung zu unterwerfen und somit durch nicht
sachgerecht bzw. nicht fachmännisch durchgeführte Grabungen verursachte Zerstörungen oder
Veränderungen von Denkmalen zu verhindern. Nun werden jedoch durch die Bestimmungen des § 11
Abs. 1 DMSG, wie weiter oben gezeigt wurde, nicht alle Grabungen und sonstigen Nachforschungen
an Ort und Stelle, gleichgültig zu welchen Zwecken sie durchgeführt werden, die zu Zerstörungen oder
Veränderungen von Denkmalen führen könnten, der gesetzlichen Bewilligungspflicht unterworfen,
sondern nur solche, die mit wissenschaftlichem Erkenntniszweck durchgeführt werden sollen.
Grabungen und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle, die mit anderem Zweck als dem Gewinn
wissenschaftlicher Erkenntnis durchgeführt werden sollen, unterliegen hingegen – außer auf gem. §§
2a, 3 bzw. 9 Abs. 3 DMSG geschützten Denkmalen – überhaupt keiner denkmalschutzrechtlichen
Bewilligungspflicht, sondern dürfen gänzlich ohne irgendeiner denkmalschutzrechtlichen Bewilligung
zu bedürfen auch vollkommen unfachmännisch durchgeführt werden.
Zweck der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG kann daher nur sein, dass Grabungen und sonstige
Nachforschungen, die mit wissenschaftlichem Erkenntniszweck durchgeführt werden sollen, darauf
überprüft werden können, ob sie auch mit einer wissenschaftlich anerkannten Methodik durchgeführt
werden sollen und daher den Schutz durch die Wissenschaftsfreiheit genießen; oder ob es sich
aufgrund des Fehlens einer solchen Methodik um unwissenschaftliche und daher – unabhängig vom
Zweck, den der sie Durchführende mit seinen geplanten Nachforschungen verfolgt – nicht durch die
Wissenschaftsfreiheit geschützte Nachforschungen handelt. Ziel der NFG-Pflicht wäre es somit,
Denkmale vor durch mit wissenschaftlichem Erkenntniszweck, aber unwissenschaftlicher Methodik
durchgeführten Grabungen und sonstigen Nachforschungen an Ort und Stelle und den von diesen
möglicherweise verursacht werden könnenden Zerstörungen und Veränderungen zu schützen. Auch
dieser Zweck wird durch die Legitimierung des Bundesgesetzgebers durch die Kompetenznorm des
Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG gedeckt und ist daher legitim.
Problematisch ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1
DMSG ja alle jene Personen, die kein einschlägiges Universitätsstudium absolviert haben, aus der
Genehmigungsmöglichkeit per Gesetz gänzlich ausschließt. Dies erscheint allerdings hochgradig
seltsam, wenn der Zweck der NFG-Pflicht die Kontrolle der Wissenschaftlichkeit von Nachforschungen
sein soll, die mit wissenschaftlichen Erkenntniszwecken durchgeführt werden sollen. Denn gerade bei
wissenschaftlichen Forschungen von Personen, die ein facheinschlägiges Universitätsstudium
absolviert haben – oder gar, wie z.B. ich, facheinschlägig habilitiert sind – kann eigentlich regelhaft
davon ausgegangen werden, dass diese wohl auch entsprechend einer wissenschaftlichen Methodik
durchgeführt werden dürften. Diese Methodik mag zwar in manchen Fällen – vor allem bei älteren
KollegInnen, die es verabsäumt haben, am aktuellen Stand der Grabungsmethodik zu bleiben –
inzwischen etwas veraltet sein, aber die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG schützt den
Grundrechtsträger gerade vor staatlichen Eingriffen in seine Methodenwahl.
Der Methodenwandel in der archäologischen Feldforschung ist auch keineswegs so rasant, dass selbst
die vor 50 Jahren verwendeten Feldforschungsmethoden inzwischen als soweit veraltet betrachtet
werden könnten, dass ihre Verwendung nicht mehr innerhalb des auch derzeit noch wissenschaftlich
akzeptablen Methodenkanons fallen würden: so z.B. ist man heute in Österreich weitgehend von der
Grabung in Planumsmethode – d.h. in willkürlich eingezogenen Tiefenscheiben (Gersbach 1998, 2931), die auch ich noch während meines Ur- und Frühgeschichtestudiums an der Universität Wien von
1987-1995, teilweise auch auf Grabungen des BDA während dieser Jahre, als damals einzige in
234
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Österreich „zulässige“ Grabungsmethode gelernt habe – abgekommen und zu der im
englischsprachigen Raum seit Pitt-Rivers im 19. Jahrhundert dominanten Methode der Grabung in
natürlichen Schichten bzw. stratigrafischen Grabungsmethode übergegangen, die inzwischen das BDA
in seinen Richtlinien verpflichtend vorschreibt (BDA 2016a, 16; 2018, 15). Zahlreiche deutsche
Landesämter für Denkmalpflege erlauben jedoch durchaus noch die Verwendung der
Planumsgrabungsmethode und wenden diese auch noch teilweise bei ihren eigenen Grabungen an;
manche scheinen sie sogar noch gegenüber der stratigrafischen Grabungsmethode zu bevorzugen.
Davon, dass auch nur im deutschen Sprachraum, geschweige denn insgesamt international, ein
wissenschaftlicher Konsens bestehen würde, dass nur die Grabung in natürlichen Schichten als einzige
Grabungsmethode wissenschaftlich anerkannt wäre, kann also keinesfalls die Rede sein.
Dass heute noch irgendwelche universitär archäologisch ausgebildeten WissenschafterInnen mit den
antiquarischen Grabungsmethoden des 19. und teilweise noch frühen 20. Jahrhunderts arbeiten
würden, die inzwischen tatsächlich als derart veraltet zu gelten haben, dass sie nicht mehr innerhalb
des wissenschaftlich akzeptierten archäologischen Feldforschungsmethodenkanons liegen würden,
kann hingegen weitgehend ausgeschlossen werden. Solche hochgradig veralteten
Grabungsmethoden – in erster Linie die Bergung beweglicher Kleinfunde ohne hinreichende
Beachtung und Dokumentation der Bodenbefunde – ist hingegen, wenn überhaupt, für jene Personen
charakteristisch, die als „Schatzsucher“ – ob nun mit oder ohne Metallsuchgerät –wirtschaftlich
wertvolle bewegliche Kleinfunde aus dem Boden zu bergen versuchen. Inwieweit jedoch deren
Grabungen und sonstige Nachforschungen überhaupt der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG
unterworfen werden können, muss wenigstens als fraglich betrachtet werden: suchen diese
tatsächlich nicht mit wissenschaftlichem Erkenntniszweck, erfüllen sie die Tatbestandsmerkmale des
§ 11 Abs. 1 DMSG ebenso wenig, wie die ÖBf diese mit ihrer „Seenreinigungsaktion“ erfüllt hat.
Auch in der Anwendungspraxis durch das BDA scheint die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG weit eher
dazu genutzt zu werden, von FachwissenschafterInnen geplante Grabungs- und sonstige
Nachforschungsprojekte einem bestimmten, staatlich vorgegebenen Standard, sowohl in Hinblick auf
die zugelassenen wissenschaftlichen Forschungsmethoden als auch in Hinblick auf die
Dokumentationsmethoden von Forschungsergebnissen und die wissenschaftliche Berichterstattung
über ihre Erkenntnisse zu unterwerfen (BDA 2016a; 2018). Dies erweckt den Eindruck, als ob der Staat
und seine Organe mit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG den Zweck verfolgen würden,
archäologische wissenschaftliche Feldforschungen sowohl in Hinblick auf die Wahl der
Forschungsgegenstände, der zulässigen Forschungsmethoden, als auch der Verbreitung der
wissenschaftlichen Erkenntnisse einer Fremdbestimmung durch den Staat zu unterwerfen.
Genau davor schützt jedoch die vorbehaltlose Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG jeden
Grundrechtsträger und die Wissenschaft insgesamt, die eben „nur ihrem eigentlichen Ideal – der
vorbehaltlosen Wahrheitssuche – verpflichtet sein“ (Berka 1999, 342) soll. Das Ziel, wissenschaftliche
archäologische Feldforschungen generell staatlich vorgegebenen Standards zu unterwerfen, ist dem
Staat daher durch Art. 17 Abs. 1 StGG ausdrücklich verboten; womit der vom Staat mit der
Bestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG verfolgte Zweck grundsätzlich nicht legitim wäre. Auch die
Legitimierung des Bundesgesetzgebers durch die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG zu
Gesetzgebung und Vollzug des Denkmalschutzes vermag dies nur bedingt zu ändern: zwar wird dem
Bundesgesetzgeber ein gewisser rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt, das öffentliche
Interesse am Denkmalschutz durch geeignete Gesetzgebung zu fördern; dies ermächtigt den
Gesetzgeber jedoch nicht dazu, die der Gesetzgebung auferlegten Verfassungsschranken missachten
zu dürfen.
235
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Nachdem die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG der Wissenschaftsfreiheit kollidierendes
Verfassungsrecht entgegensetzt, kann der Gesetzgeber auch in Bezug auf wissenschaftliche
archäologische Feldforschungen durchaus ein Verfahren zur Güterabwägung vorsehen, wo ein
rechtswirksames öffentliches Interesse an der Erhaltung archäologischer Denkmale besteht (in etwa
diesem Sinn auch für Deutschland zuletzt Krischok 2016, 138). Dies ist allerdings entsprechend der
Bestimmungen des § 1 Abs. 4 DMSG nur bei solchen Denkmalen der Fall, die bereits gem. §§ 2, 2a
oder 3 (in Letzterem auch beinhaltet gem. § 9 Abs. 3) DMSG unter Denkmalschutz gestellt wurden.
Bei deren Erforschung durch Ausgrabungen oder sonstige Nachforschungen ist der Gesetzgeber durch
die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG dazu legitimiert, sowohl die Wahl von ForscherInnen
über ihre Forschungsgegenstände, die von ihnen verwendeten wissenschaftlichen Forschungs- und
Dokumentationsmethoden,
als
auch
die
wissenschaftliche
Berichterstattung
über
Forschungsergebnisse insoweit zu beschränken und auch zu standardisieren, als dies für die Erhaltung
dieser Denkmale geeignet und erforderlich und mit der dadurch verursachten Beschränkung der
Wissenschaftsfreiheit verhältnismäßig ist. Bei nicht unter Denkmalschutz stehenden archäologischen
Sachen, selbst und gerade wenn diese noch gänzlich unbekannt sind, stellt eine solche staatlich
vorgegebene Beschränkung und Standardisierung der wissenschaftlichen Forschung hingegen einen
illegitimen Zweck dar, den der Gesetzgeber nicht verfolgen darf.
Ob und inwieweit der vom Gesetzgeber mit den Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG verfolgte Zweck
legitim ist, hängt also einigermaßen stark davon ab, wie genau man diese Bestimmungen in der
Anwendungspraxis auslegt bzw. zu welchem Zweck man sie in der Praxis anzuwenden versucht.
Nachdem sich der vom Gesetzgeber mit der NFG-Pflicht verfolgte Zweck nicht eindeutig bestimmen
lässt, sondern wenigstens zwei mögliche Zwecke angenommen werden können – einerseits der Zweck
der Verhinderung nicht entsprechend wissenschaftlich anerkannter Methoden durchgeführter
Nachforschungen zu archäologisch-wissenschaftlichen Zwecken; andererseits der Zweck der
Standardisierung wissenschaftlicher archäologischer Feldforschungspraxis entsprechend einer
staatlichen Fremdbestimmung der zulässigen wissenschaftlichen Methoden – von denen der erste
verfassungsrechtlich generell legitim, der zweite hingegen verfassungsrechtlich nur auf gem. §§ 2, 2a
oder 3 DMSG geschützten Denkmalen legitim erscheint, ist eine verfassungskonforme Auslegung der
Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG durchaus möglich und – da dem Gesetzgeber nicht unterstellt
werden kann, dass er ein verfassungswidriges Gesetz erlassen wollte (Walter & Mayer 1988, 54) – in
der Anwendungspraxis jedenfalls jene Auslegung heranzuziehen, die nicht verfassungswidrig
erscheint.
Eine Auslegung der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG als Mittel zur generellen Standardisierung
wissenschaftlicher archäologischer Feldforschungen wäre illegitim und ist daher nicht zulässig. Ihre
Auslegung als Mittel zur Standardisierung wissenschaftlicher archäologischer Forschungen auf gem.
§§ 2, 2a bzw. 3 DMSG geschützten Denkmalen, sofern das zu deren Schutz vor Zerstörung,
Veränderung oder Verbringung ins Ausland geeignet, erforderlich und mit der dadurch verursachten
Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit verhältnismäßig ist, sowie generell als Mittel zur
Verhinderung archäologischer Nachforschungen, die mit nicht anerkannten wissenschaftlichen
Feldforschungsmethoden durchgeführt werden sollen, um Denkmale vor Zerstörung, Veränderung
oder Verbringung ins Ausland zu schützen, ist hingegen durch die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1
Z 13 B-VG legitimiert und daher zulässig.
Zur Frage der Eignung des vom Staat eingesetzten Mittels der NFG-Pflicht
Damit eine grundrechtsbeschränkende gesetzliche Bestimmung im verfassungsrechtlichen Sinn
verhältnismäßig sein kann, müssen die gesetzlichen Mittel, die der Staat dafür einsetzt, auch dazu
geeignet sein, das von ihm mit dem Einsatz dieser Mittel verfolgte (legitime) Ziel tatsächlich zu
236
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
erreichen: „Dem Staat ist es grundsätzlich verwehrt die Freiheit seiner Bürger zu beschränken, wenn
dadurch öffentliche Interessen gar nicht wirklich gefördert werden“ (Berka 1999, 159). Die beiden
möglicherweise vom Staat mit den Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG verfolgten, legitimen Ziele,
wurden soeben expliziert. Es ist nun also zu betrachten, inwieweit das gesetzliche Mittel der NFGPflicht auch tatsächlich dazu geeignet ist, diese Ziele tatsächlich zu erreichen (bzw. zumindest diesen
Zielen näherzukommen).
Besonders zu bedenken ist bei der Eignungsprüfung, dass der Gesetzgeber mit den Bestimmungen des
§ 11 Abs. 1 DMSG nicht nur auf einen, sondern auf zwei deutlich unterschiedliche Sachverhalte
abstellt, die er der gleichen Genehmigungspflicht unterwirft. Dies sind einerseits „die Nachforschung
durch Veränderung der Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser (Grabung)“ und andererseits
„sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle“.
Sowohl aus archäologisch-wissenschaftlicher als auch aus denkmalpflegerischer Sicht ist dieser
Unterschied maßgeblich: bei den einen (im Gesetzeswortlaut zuletzt genannten) Nachforschungen
handelt es sich um sogenannte nicht invasive Feldforschungs- bzw. – in archäologischer
Fachterminologie – zerstörungsfreie Prospektionsmethoden, bei deren Anwendung nicht in den
Boden und somit auch nicht in die Substanz des betroffenen Denkmals eingegriffen wird, ja
normalerweise nicht einmal die Erscheinung des Denkmals in maßgeblicher Weise verändert wird
(BDA 2016a; 2018; Drewett 1999, 31-57; Gaffney et al. 2002). Bei den anderen (im Gesetzeswortlaut
zuerst genannten) Nachforschungen handelt es sich hingegen um sogenannte invasive
Forschungsmethoden, d.h. um Methoden, bei deren Anwendung in den Boden und somit –
vorausgesetzt Denkmale sind am Eingriffsort im Boden vorhanden – auch in die Substanz des
betroffenen Denkmals eingegriffen und dieses somit wenigstens verändert, wenn nicht sogar teilweise
oder vollständig zerstört wird (BDA 2016a; 2018; Gersbach 1998; Drewett 1999, 76-144). Diese beiden
maßgeblich verschiedenen Sachverhalte sind daher auch in der Eignungsprüfung getrennt
voneinander zu beurteilen.
Nicht invasive Feldforschungsmethoden
Nachdem das vom Gesetzgeber mit der NFG-Pflicht verfolgte Ziel ist, Denkmale vor durch
Nachforschungen an Ort und Stelle verursachten Zerstörungen, Veränderungen bzw. Verbringungen
von Denkmalen ins Ausland zu schützen, muss die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG dafür geeignet
sein, derartige Zerstörungen, Veränderungen bzw. Verbringungen wenigstens zu verringern. In Bezug
auf nicht invasive archäologische Feldforschungsmethoden bedeutet das, dass Gefahren für
Denkmale, die von der Verwendung dieser Nachforschungsmethoden ausgehen und die betroffenen
Denkmale mit Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland bedrohen, abgeschwächt oder
– im Idealfall – sogar völlig abgewendet werden können müssen, um als im verfassungsrechtlichen
Sinn geeignet zur Förderung des gesetzlichen Schutzzieles geeignet zu sein.
Es ist daher zuerst zu ermitteln, ob und wenn ja wie die Verwendung nicht invasiver archäologischer
Feldforschungsmethoden wie z.B. die geomagnetische, Bodenradar-, Bodenwiderstands- oder
elektromagnetische Induktionsmessung (BDA 2016a, 12-5; 2018, 12-4) noch im Erdboden bzw. im
Grund unter Wasser befindliche Denkmale zerstören, verändern oder ins Ausland verbringen kann.
Selbst wenn sich der Zusammenhang zwischen der durch NFG-Pflichten abgewendeten Gefahren und
der dadurch möglicherweise verursachten Zerstörungen, Veränderungen oder Verbringungen von
Denkmalen ins Ausland nicht positiv beweisen lässt, ist es wenigstens erforderlich, dass eine bewährte
Hypothese über die Wirklichkeit (Pieroth et al. 2015, 72) bzw. gute Gründe die Annahme eines solchen
Zusammenhangs (Berka 1999, 160) nahelegen bzw. rechtfertigen.
237
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Solche Gründe bzw. bewährte Hypothesen, die einen Zusammenhang zwischen der von der
Anwendung von nicht invasiven archäologischen Feldforschungsmethoden ausgehenden Gefahren für
die Erhaltung der Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG und deren Abwendung durch die NFG-Pflicht des §
11 Abs. 1 DMSG nahelegen bzw. rechtfertigen, fehlen jedoch völlig. Das liegt schon allein daran, dass
von zerstörungsfreien Feldforschungsmethoden in der Regel überhaupt keine Gefahren ausgehen, die
an Ort und Stelle vorhandene Denkmale zerstören, verändern oder ins Ausland verbringen können;
wenigstens keine, die maßgeblich über die vom bloßen Betreten des Bodens über dem betroffenen
Denkmal ausgehenden Gefahren für dessen Erhaltung hinausgehen.
Manche nicht invasiven archäologischen Feldforschungsmethoden, wie z.B. die magnetometrische
Messung mikroskopischer Störungen des Erdmagnetfeldes über der Erdoberfläche, die durch den
Kontrast zwischen mit magnetischer Partikeln angereicherten Bodenstörungen und dem gewöhnlich
weniger stark magnetischen natürlich gewachsenen Unterboden verursacht werden (Gaffney et al.
2006, 8-9), interagieren nicht einmal physikalisch mit dem noch im Boden befindlichen Denkmal
selbst. Andere, wie z.B. die Bodenradarmessung, senden nur elektromagnetische Impulse in den
Boden, die an den Grenzflächen zwischen unterschiedlichen Bodenschichten und den Oberflächen
von Gegenständen im Boden reflektiert werden, wobei aus den unterschiedlichen Laufzeiten des
Signals im Boden ein dreidimensionales Bild des Bodenaufbaus errechnet werden kann (Gaffney et al.
2006, 9-10). Bei wieder anderen Verfahren, wie z.B. der Bodenwiderstandsmessung, werden zu
Messzwecken kleine Elektroden einige Zentimeter tief in die Erdoberfläche gesteckt (Gaffney et al.
2006, 7), die in der Regel ebenfalls keinen Schaden an noch im Boden befindlichen Denkmalen
erzeugen können, der die alltäglich durch Pflanzenwurzeln und bodenbewohnende Fauna erzeugte
natürliche Bodenveränderung übersteigt.
Die meisten bei diesen Verfahren verwendeten Messgeräte werden entweder von der die Messung
durchführenden Arbeitskraft über die Bodenfläche getragen, deren jeweilige (magnetische,
elektrische, etc.) Eigenschaften gemessen werden sollen, oder sind auf kleinen, leichten, meist
ebenfalls von einem Mitarbeiter manuell gezogenen oder geschobenen Wägelchen montiert.
Inzwischen kommen teilweise auch von Quad-Bikes gezogene Messwägen zum Einsatz. Selbst die
Belastung des Bodens mit Gewicht – die zu einer möglichen Komprimierung des Bodens und damit zu
möglichen Veränderungen von noch im Boden befindlichen Denkmalen führen könnten – ist daher in
der Regel kaum größer als die durch einen normalen Fußgänger und jedenfalls in allen Fällen um ein
großes Vielfaches geringer als die alltägliche Bodenbelastung durch land- und forstwirtschaftliches
Gerät oder sonstige im Gelände eingesetzte Fahrzeuge.
Auch produzieren die meisten der bei diesen Verfahren verwendeten Messgeräte – praktisch alle mit
Ausnahme von Metallsuchgeräten – keine unmittelbar an Ort und Stelle interpretierbaren Signale,
sondern nur Messrohdaten, die erst nach Darstellung in Form eines Flächenplots oder eines Profils am
Computer überhaupt einer sinnvollen archäologischen Deutung bzw. Interpretation zugeführt werden
können (Gaffney et al. 2006, 18-20). Die meisten zu den nicht invasiven Verfahren gehörenden
Methoden sind auch nicht dazu geeignet, bewegliche Kleinfunde im Boden aufzuspüren, entweder
weil sie die dafür erforderliche Feinauflösung nicht erreichen oder weil sie solche aufgrund der
Eigenheiten der Messmethode überhaupt nicht anzeigen. Eine bedingte Ausnahme zur
letztgenannten Regel sind magnetische Verfahren (wie die magnetometrische Messung oder die
Verwendung eines Metallsuchgerätes), durch die magnetisch stark leitfähige Gegenstände
einigermaßen zielgenau aufgespürt werden können. Selbst in diesen Fällen sind jedoch diese noch im
Boden befindlichen Gegenstände durch die einigermaßen zielgenaue Lokalisierung selbst noch nicht
gefährdet, sondern allenfalls durch einen ihrer Entdeckung folgenden Bergungsversuch durch
Grabung.
238
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Nachdem die Verwendung nicht invasiver Feldforschungsmethoden bzw. zerstörungsfreier
Prospektionsmethoden noch im Boden befindliche Denkmale nicht der Gefahr der Zerstörung,
Veränderung oder Verbringung ins Ausland aussetzt, folgt zwingend, dass ihre Unterwerfung unter
eine gesetzliche NFG-Pflicht die von ihnen für die Erhaltung von Denkmalen iSd § 1 Abs. 1 DMSG
ausgehende Gefahr auch nicht verringern kann. Die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG kann daher
auch unmöglich im Sinne einer verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung dafür geeignet
sein, den vom Staat mit der NFG-Pflicht verfolgten Zweck zu erreichen oder auch nur zu fördern. Damit
ist die Unterwerfung nicht invasiver Feldforschungsmethoden unter die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1
DMSG ebenso zwingend im verfassungsrechtlichen Sinn unverhältnismäßig.
Diese Unverhältnismäßigkeit besteht sowohl in Bezug auf das möglicherweise vom Gesetzgeber
verfolgte Ziel, Denkmale vor durch unsachgemäß durchgeführte, nicht in den Bereich des anerkannten
wissenschaftlichen
Methodenkanons
fallende,
nicht
invasive
archäologische
Feldforschungsmethoden verursachten Zerstörungen, Veränderungen oder Verbringungen von
Denkmalen zu schützen, als auch auf das möglicherweise vom Gesetzgeber verfolgte Ziel,
wissenschaftliche archäologische Forschungen auf gem. §§ 2, 2a oder 3 DMSG geschützten Denkmalen
zu standardisieren.
Ersteres ist deshalb der Fall, weil auch die völlig unsachgemäße Anwendung nicht in den anerkannten
wissenschaftlichen Methodenkanon fallender, aber dennoch nicht invasiver archäologischer
Feldforschungsmethoden eben nicht in den Boden bzw. Grund unter Wasser eingreift und daher in
diesem enthaltene Denkmale auch unmöglich gefährden kann. Erst wenn eine an sich zerstörungsfreie
Methode so falsch eingesetzt wird, dass es dabei zu maßgeblichen Bodeneingriffen kommt, könnte
durch ihre Verwendung maßgeblicher Schaden an noch im Boden verborgenen Denkmalen entstehen.
Es fehlt jedoch jedweder Grund zur Annahme, dass solche vollkommen unsachgemäßen
Anwendungen an sich zerstörungsfreier Feldforschungsmethoden bisher überhaupt vorgekommen
sein könnten, ja sogar jedwede bewährte Hypothese, wie es zu einer derart fehlerhaften Anwendung
an sich zerstörungsfreier Feldforschungsmethoden kommen könnte, dass tatsächlich durch ihren
Einsatz maßgeblicher Schaden an noch im Boden verborgenen Denkmalen entstehen könnte. Davon
abgesehen ist auch nicht erkenntlich, wie in einem Vorab-Genehmigungsverfahren, in dem die
behördliche Erlaubnis zur Anwendung einer zerstörungsfreien Feldforschungsmethode beantragt
wurde, die Behörde zum Schluss kommen könnte, dass das beantragte, an sich zerstörungsfreie
Verfahren so unsachgemäß angewandt werden wird, dass dadurch maßgebliche Zerstörungen oder
Veränderungen am betroffenen Denkmal verursacht werden oder dieses ins Ausland verbracht
werden könnte.
Letzteres ist hingegen deshalb der Fall, weil auch nicht erkennbar ist, wie eine Standardisierung der
zerstörungsfreien archäologisch-wissenschaftlichen Feldforschung selbst auf gem. §§ 2, 2a bzw. 3
DMSG geschützten Denkmalen dazu geeignet sein könnte, diese besser vor Zerstörung, Veränderung
oder Verbringung ins Ausland zu schützen als ihre nicht standardisierte Untersuchung. Die einzige
Möglichkeit, wie man dies argumentieren könnte, ist damit, dass das BDA als zuständige Behörde sich
mit
der
denkmalschutzrechtlichen
Interpretation
standardisierter
wissenschaftlicher
Forschungsergebnisse eventuell etwas leichter tut (siehe dazu z.B. die chronologisch gegliederten
Farbcodes zur digitalen Dokumentation in den Richtlinien des BDA; BDA 2016a; 2018; jeweils
Innenseite des hinteren Deckblattes) als mit der nicht standardisierter wissenschaftlicher
Forschungsergebnisse. Inwieweit dies aber zu einer maßgeblichen Verbesserung des Schutzes von
Denkmalen vor Zerstörung, Veränderung und Verbringung ins Ausland führt, wäre erst einmal durch
das BDA zu zeigen. Bislang fehlt jedweder konkrete Hinweis darauf.
239
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Die
Unterwerfung
von
Nachforschungen
mit
nicht
invasiven
archäologischen
Feldforschungsmethoden unter die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ist also in jedem Fall nicht
geeignet, das gesetzliche Schutzziel zu erreichen oder auch nur zu fördern, und verletzt somit in seiner
gegenwärtigen Form das Verhältnismäßigkeitsprinzip der österreichischen Bundesverfassung. Eine
Beschränkung der durch Art. 17 Abs. 1 StGG verfassungsgesetzlich garantierten Freiheit, nicht invasive
archäologisch-wissenschaftliche Feldforschungsmethoden selbstbestimmt auf jeder beliebigen
Bodenfläche durchzuführen – ob sich auf dieser nun geschützte Denkmale befinden oder nicht – durch
die gesetzliche NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ist somit unzulässig.
Invasive Feldforschungsmethoden
Im Unterschied zu nicht invasiven Feldforschungsmethoden greifen invasive archäologische
Forschungsmethoden, insbesondere die systematische Ausgrabung (BDA 2016a, 16-21; 2018, 15-20),
aber auch unsystematische Fundbergungen durch Veränderung der Erdoberfläche oder des Grundes
unter Wasser, wie sie nahezu regelhaft bei Metallsuchen vorgenommen werden, sowie auch die
Bodenbeprobung (BDA 2016a, 15; 2018, 14-5), in den Erdboden ein und können daher in diesem noch
enthaltene Denkmale durch Zerstörung oder Veränderung ihrer Erscheinung oder Substanz
gefährden. Durch die dabei jedenfalls vorkommende, wenigstens zeitweilige, Entnahme von Material,
darunter insbesondere von beweglichen Kleinfunden, können invasive Feldforschungsmethoden
mittelbar auch dazu führen, dass derart aus dem Boden geborgene bewegliche Denkmale ins Ausland
verbracht werden.
Die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ist zweifelsfrei geeignet, die von mit nicht anerkannten
wissenschaftlichen Methoden durchgeführten Grabungen für im Boden verborgene Denkmale
ausgehende Gefahr der Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland zu verringern.
Dadurch, dass geplante Maßnahmen vor ihrer Durchführung durch eine dafür vorgesehene Instanz
auf ihre Wissenschaftlichkeit beurteilt werden (siehe dazu auch Krischok 2016, 138), können solche
Grabungen, die mit nicht wissenschaftlich anerkannten invasiven Feldforschungsmethoden
durchgeführt werden sollen, durch Abweisung des Bewilligungsantrags untersagt und somit die von
ihnen mutmaßlich erzeugten Zerstörungen oder Veränderungen von Denkmalen sowie deren
Verbringung ins Ausland rechtlich verhindert werden.
Auch zur Standardisierung von auf gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschützten Denkmalen mit invasiven
wissenschaftlichen Methoden durchgeführten Forschungen scheint die Genehmigungspflicht des § 11
Abs. 1 DMSG geeignet, da im Rahmen eines allfällig erteilten genehmigenden Bescheides die
Standards – wie derzeit z.B. in Form der Richtlinien (BDA 2016a; 2018) – diesem als Auflagen
angeschlossen werden können und damit rechtsverbindlich einzuhalten sind. Tatsächlich scheint eine
solche Standardisierung auch dafür geeignet, den Schutz derartiger Denkmale, insbesondere vor
Zerstörung der in diesen gespeicherten historischen Informationen bzw. der Veränderung ihres
geschichtlichen Dokumentationswerts gegenüber einer nicht standardisierten Feldforschungspraxis
zu verbessern: mittels der vorgegebenen Standards kann das BDA nämlich sicherstellen, dass
tatsächlich alle Informationen über ein durch invasive Feldforschungsmaßnahmen in situ zerstörtes
oder wenigstens maßgebliches verändertes Denkmal, die derzeit aus denkmalpflegerischer Sicht
benötigt werden, um den geschichtlichen Dokumentationswert des betreffenden Denkmals möglichst
vollständig zu erhalten, in einer entsprechend (allgemein-) verständlichen Form aufgezeichnet und
damit über die physische Zerstörung des Denkmals in situ hinweg erhalten bleiben.
Es mag zwar durchaus sein, dass die Verwendung anderer als der in den Richtlinien als Standard
vorgesehenen wissenschaftlichen Forschungs- und Dokumentationsmethoden und insbesondere
auch die anderer Dokumentationsformate als der in diesen vorgesehenen (BDA 2016a; 2018)
gleichermaßen gut oder sogar besser als die vorgegebenen Standards dafür geeignet wäre, den
240
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
geschichtlichen Dokumentationswert des betroffenen Denkmals über seine physische Zerstörung in
situ hinweg zu erhalten. Dies kann aber – aufgrund der Breite des Kanons wissenschaftlicher
Methoden, die nicht alle gleichermaßen dafür geeignet sind, alle derzeit als aus denkmalpflegerischer
Sicht relevant erachteten, im Denkmal in situ gespeicherten historischen Informationen zu erhalten –
nicht automatisch garantiert werden, wenn die vorgegebenen Standards nicht absolute
Mindeststandards sind, die von jeder noch anerkannten invasiven Forschungsmethode jedenfalls
erfüllt werden.
In der Anwendungspraxis kann der Tatsache, dass andere als die standardmäßig vorgesehenen
Methoden in Einzelfällen oder generell zu einer verbesserten historischen Dokumentation führen
können als diese, auch schon vor einer allfälligen Anpassung der Standards an allfällige neue, bessere
Methoden dadurch Rechnung getragen werden, dass in begründeten Fällen eine Abweichung von den
Standards im Rahmen des behördlichen Prüfungsverfahrens genehmigt werden kann. Diese
Möglichkeit ist auch tatsächlich schon derzeit in den Richtlinien des BDA (2016a, 3; 2018, 2-3)
vorgesehen.
Insgesamt betrachtet scheint also die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 als „Grabungsgenehmigungspflicht“
(wie sie ja auch immer noch im Gesetzestext bezeichnet wird, wobei unter dem Begriff Grabung eben
alle „Nachforschungen durch Veränderung der Erdoberfläche oder des Grundes unter Wasser“ zu
verstehen sind) für die legitimen Zwecke, invasive archäologische Feldforschungen auf gem. §§ 2a
oder 3 DMSG geschützten Denkmalen zu standardisieren und mit wissenschaftlich nicht anerkannten,
invasiven Methoden durchgeführte Nachforschungen zu verhindern, in verfassungsrechtlichem Sinn
dafür geeignet, dem gesetzlichen Schutzziel der Erhaltung der Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG
näherzukommen. Wenigstens in diesem Gesichtspunkt ist also die als in weitem Sinn zu verstehende
Grabungsgenehmigungspflicht zu verstehende NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG als verhältnismäßig
zu betrachten.
Zur Frage der Erforderlichkeit des vom Staat eingesetzten Mittels der NFG-Pflicht
Als nächster Schritt ist zu prüfen, ob die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 tatsächlich erforderlich ist, d.h. ob
sie die gewährleistete Freiheit der Grundrechtsträger nur in jenem Maß beschränkt, das dazu
erforderlich ist, das gesetzliche Schutzziel zu erreichen (Berka 1999, 159-60), oder ob der Staat sein
Ziel auch durch ein weniger stark in das beschränkte Grundrecht eingreifendes Mittel erreichen
könnte.
Die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ist dabei rechtlich als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt
einzuordnen. Konkreter wäre sie wohl als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt zu betrachten,
weil der abschließende Satz des § 11 Abs. 1 bestimmt, dass kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer
Grabungsgenehmigung besteht (vgl. Krischok 2016, 128-9; Pieroth et al. 2015, 75). Eine
Grabungsgenehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG muss also anscheinend auch dann nicht erteilt werden,
wenn der Antrag und AntragstellerIn alle gesetzlich geforderten Voraussetzungen für die Erteilung
einer Bewilligung erfüllen. Ziel der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG wäre dementsprechend, „das
verbotene Verhalten möglichst zu unterbinden und nur ausnahmsweise zuzulassen“ (Pieroth et al.
2015, 75), nicht anders, als dies ja auch einige Kommentare zu einigen deutschen
Denkmalschutzgesetzen für die in diesen Gesetzen jeweils enthaltenen NFG-Pflichten sehen (Krischok
2016, 128-9 mit Literaturverweisen; siehe auch Strobl & Sieche 2010, 265). Dabei handelt es sich nach
einem vollständigen Verbot um den zweitstärksten möglichen Eingriff in das geschützte Grundrecht;
wobei die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG ja – wie schon oben erwähnt – für die überwältigende
Mehrheit aller Grundrechtsträger tatsächlich ein vollständiges Verbot der vorsätzlichen
archäologischen Feldforschung darstellt: eine Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG kann schließlich
241
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
überhaupt nur an Personen erteilt werden, die ein einschlägiges archäologisches Universitätsstudium,
in dem zugleich praktische Ausgrabungstätigkeit ein Pflichtfach ist (RV 1999, 54), abgeschlossen
haben; über 99,9% aller Grundrechtsträger können also eine § 11 Abs. 1 DMSG-Genehmigung unter
keinen Umständen erteilt bekommen.
Neuerlich ist bei der Erforderlichkeitsprüfung separat auf die beiden unterschiedlichen, aber von § 11
Abs. 1 DMSG gleichermaßen erfassten Sachverhalte einzugehen, nämlich einerseits auf „sonstige
Nachforschungen an Ort und Stelle“, d.h. die Verwendung nicht invasiver archäologischer
Nachforschungsmethoden, und andererseits auf „die Nachforschung durch Veränderung der
Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser (Grabung)“, d.h. die Verwendung invasiver
archäologischer Nachforschungsmethoden. Nachdem bei Ersteren schon bei der Eignungsprüfung
festgestellt wurde, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG nicht dafür geeignet ist, das gesetzliche
Schutzziel zu erreichen oder auch nur zu fördern, bräuchte auf diese eigentlich nicht weiter
eingegangen werden, der Vollständigkeit halber wird dies aber dennoch in der gebotenen Kürze getan.
Nicht invasive Feldforschungsmethoden
Wie bereits oben ausgeführt wurde, geht von der Anwendung nicht invasiver archäologischer
Feldforschungsmethoden keinerlei wie auch immer geartete Gefahr aus, die noch im Boden
befindliche Denkmale mit Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland gefährden könnte.
Der Zustand, den der Gesetzgeber durch das gesetzliche Mittel der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG
zu erreichen versucht, wird also tatsächlich auch bereits dann erreicht, wenn der Gesetzgeber
überhaupt kein gesetzliches Mittel einsetzen würde, um die Verwirklichung seines mit der NFG-Pflicht
verfolgten Zweckes zu erreichen.
Nachdem gar kein gesetzliches Mittel, das in die Freiheit der Grundrechtsträger eingreift, nicht
invasive archäologische Feldforschungen zu betreiben, dafür erforderlich ist, das gesetzliche
Schutzziel – den Schutz noch im Boden verborgener Denkmale vor Zerstörung, Veränderung oder
Verbringung ins Ausland durch den Einsatz nicht invasiver Nachforschungsmethoden – vollständig zu
erreichen, folgt zwingend, dass eine gesetzliche NFG-Pflicht wie die des § 11 Abs. 1 DMSG im
verfassungsrechtlichen Sinn nicht für das Erreichen des vom Staat mit dieser Bestimmung verfolgten
Zwecks erforderlich sein kann. Die Anwendung der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG auf
Nachforschungen mit nicht invasiven archäologischen Feldforschungsmethoden verletzt also
jedenfalls das Übermaßverbot der Bundesverfassung und ist somit als verfassungswidrig zu
betrachten.
Insofern der Staat zur Wahrung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung der besonders
bedeutenden Denkmale von bei derartigen, nicht invasiven Nachforschungen erstmals, d.h. neu
(wieder-) entdeckten, beweglichen und unbeweglichen Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG
Kenntnis erlangen muss, um diese nötigenfalls unter Denkmalschutz stellen oder durch andere
geeignet erscheinende Maßnahmen schützen zu können, bedarf es ebenfalls keiner gesetzlichen NFGPflicht. Dasselbe Ziel kann der Staat nämlich durch die ohnehin schon durch die Bestimmungen des §
8 Abs. 1 DMSG vorgesehene Meldepflicht von Neufunden von Bodendenkmalen erreichen, ohne
dadurch – geschweige denn durch ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt für graduierte
ArchäologInnen und ein Totalverbot für alle anderen Grundrechtsträger – stärker als das in die
verfassungsgesetzlich durch Art. 17 Abs. 1 StGG garantierte Wissenschaftsfreiheit eingreifen zu
müssen.
Erforderlichenfalls – falls der Gesetzgeber auf der Einschränkung der Fundmeldepflichten des § 8 Abs.
1 DMSG auf ausschließlich „Zufallsfunde“ beharren möchte – sind bei Anwendung nicht invasiver
archäologischer Feldforschungsmethoden getätigte Entdeckungen bislang unbekannter
242
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Bodendenkmale auf Bodenflächen, auf denen noch keine konkreten Hinweise auf das Vorkommen
von Bodendenkmalen bekannt sind, als „Zufallsfunde“ iSd § 8 Abs. 1 DMSG zu behandeln. Nachdem
bis zu ihrer Entdeckung durch nicht invasive Nachforschungen keine konkreten Hinweise auf ihr
Vorkommen an Ort und Stelle bekannt waren, konnte ihr Entdecker auch nicht mit ihrem Vorkommen
rechnen und daher bei der erforderlichen Betrachtung ex ante den notwendigen Entdeckungsvorsatz
auch nicht ausbilden (siehe dazu sinngemäß auch VwGH vom 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 3-4).
Invasive Feldforschungsmethoden
Nachdem invasive archäologische Feldforschungsmethoden in den Boden und damit auch die
Erscheinung und Substanz von noch im Boden verborgenen Denkmalen eingreifen können, könnte die
NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG bei Nachforschungen durch die Veränderung der Erdoberfläche
oder des Grundes unter Wasser nicht nur zum Erreichen des gesetzlichen Schutzzieles geeignet,
sondern wenigstens theoretisch auch dafür erforderlich sein, dass der Gesetzgeber den durch die
Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG beabsichtigten Zweck auch erreichen kann. Es ist daher genauer
zu prüfen, ob diese gesetzliche NFG-Pflicht tatsächlich erforderlich ist oder ob dem Gesetzgeber auch
gelindere gesetzliche Mittel zur Verfügung stehen, mittels derer er den selben Zweck gleichermaßen
effektiv erreichen könnte, ohne gleichermaßen stark die Wissenschaftsfreiheit zu beschränken.
Betrachtet man die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG als Mittel zur Verhinderung archäologischer
Nachforschungen, die mit nicht anerkannten wissenschaftlichen Feldforschungsmethoden
durchgeführt werden sollen, um Denkmale vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins
Ausland zu schützen, bietet sich unmittelbar ein anderes Mittel an, mit dem der gleiche Zweck
gleichermaßen effektiv erreicht werden kann, das die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG
weitaus weniger beschränkt als die derzeit gewählte Regelung. Man muss nicht einmal besonders weit
weg auf andere Rechtsbereiche schauen, um es zu finden, sondern es genügt völlig, wenn man in die
Fassungen des DMSG vor der Novelle BGBl. 473/1990 auf deren §§ 9-11 blickt.
Vergleich mit der Regelung der §§ 9-11 DMSG idF BGBl. 533/1923 und 167/1978
Die in diesen älteren Fassungen des DMSG in BGBl. 533/1923 und 167/1978 vorgenommene Regelung
sieht vor, dass, wie schon weiter oben erwähnt (Seiten 90-93), bei der Entdeckung zuvor verborgener
Gegenstände unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche, die offenkundig den Bestimmungen des DMSG
unterliegen, eine Fundmeldung an das BDA vorzunehmen und vorläufig alle Arbeiten an der Fundstelle
einzustellen sind. Gem. § 10 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923 ist der Zustand der Fundstelle auf bis zu
vier Tage nach Erstattung der Fundmeldung oder einer zuvor erfolgenden Untersuchung durch Organe
des BDA unverändert zu belassen (idF BGBl. 167/1978: 5 Tage); wobei alle entdeckten
denkmalschutzrelevanten Gegenstände gem. § 10 Abs. 2 DMSG idF BGBl. 533/1923 und 167/1978 für
bis zu vier Wochen automatisch kraft gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz stehen und das
BDA innert dieser Frist eine dauerhafte Unterschutzstellung in einem beschleunigten Verfahren
verfügen kann. Diese Regelung galt, wie ebenfalls bereits weiter oben (Seiten 87-93) erläutert wurde,
unbeachtlich dessen, ob die denkmalschutzrelevanten Gegenstände rein zufällig oder vorsätzlich
entdeckt worden waren: man musste jedenfalls alle Arbeiten an der Fundstelle einstellen, wenn man
auf denkmalschutzrelevante Sachen traf, gleichgültig ob man vorsätzlich nach solchen Sachen gesucht
hatte oder nicht. Nur wenn man bei einer vorsätzlichen Grabung zu wissenschaftlichen
Erkenntniszwecken nicht an die unmittelbare Meldepflicht des § 9 und die
Arbeitseinstellungspflichten des § 10 DMSG gebunden sein wollte, sondern seine selbstbestimmten
wissenschaftlichen archäologischen Forschungen unmittelbar fortführen wollte, war es ratsam, eine
Vorab-Bewilligung des BDA gem. § 11 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923 bzw. 167/1978 einzuholen.
Durch diese Art der Regelung wurde die Wissenschaftsfreiheit aller Grundrechtsträger nur so wenig
als möglich beschränkt: nämlich nur in Fällen, in denen diese tatsächlich bei ihren mit invasiven
243
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Methoden durchgeführten (ob nun archäologischen oder anderen), in den Erdboden bzw. Grund
unter Wasser eingreifenden Feldforschungen offenkundig denkmalschutzrelevante archäologische
Funde machten. Gleichzeitig wurden dadurch aber tatsächlich an Ort und Stelle unter der
Erdoberfläche bzw. dem Grund unter Wasser vorkommende, denkmalschutzrelevante Gegenstände
nicht nur vor vorsätzlich mit archäologischer Entdeckungsabsicht durchgeführten Veränderungen der
Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser geschützt, sondern vor allen solchen Veränderungen,
gleichgültig mit welchem Zweck sie in Angriff genommen worden waren. Die VorabBewilligungsmöglichkeit von mit wissenschaftlicher Erkenntnisabsicht durchgeführten
archäologischen Ausgrabungen des § 11 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923 und 167/1978 hingegen
konnte schon alleine deshalb keine Beschränkung der (archäologischen) Wissenschaftsfreiheit
darstellen, weil jener, der mit vorsätzlicher archäologischer Entdeckungsabsicht Grabungen
durchführen wollte, gar nicht gesetzlich verpflichtet war, eine solche gesetzliche Bewilligung
einzuholen: tat er das nicht, musste er sich zwar im Fall, dass sein Entdeckungsversuch erfolgreich
verlief, d.h. er tatsächlich denkmalschutzrelevante Gegenstände bei seinen Ausgrabungen entdeckte,
wie jeder andere auch, an die Melde- und Schutzbestimmungen der §§ 9 und 10 DMSG idF BGBl.
533/1923 bzw. 167/1978 halten, d.h. seine Grabung nötigenfalls für ein paar Tage einstellen; aber
seine Wissenschaftsfreiheit wurde durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG nicht beschränkt.
Auch wurde dadurch weder in die Wahl des Forschers über die Gegenstände seiner Forschung, noch
seine
Methodenwahl
aus
dem
Kanon
allgemein
anerkannter
archäologischer
Feldforschungsmethoden, noch irgendwelche seiner weiteren durch die Wissenschaftsfreiheit
geschützten Rechte (Berka 1999, 344) in irgendeiner Weise – und sei es auch nur durch eine
Genehmigungspflicht – eingegriffen. Dieser konnte – außer auf gem. §§ 2 oder 3 DMSG idF BGBl.
533/1923 bzw. 167/1978 geschützten Denkmalen – frei entscheiden, wo und mit welchen Methoden
er graben wollte: wenn er „auf gut Glück“ einen langen Suchschnitt in die Landschaft legen wollte, an
einer Stelle, an der er mit archäologischen Funden rechnete, aber noch keine konkreten Hinweise auf
deren Vorkommen hatte, dann durfte er das völlig uneingeschränkt. Nur wenn er – aufgrund des
Vorliegens konkreter Hinweise, dass dort, wo er graben wollte, auch tatsächlich
denkmalschutzrelevante Funde auftreten – den begründeten Verdacht hatte, dass er mit seinen
Untersuchungen den gewünschten Erfolg erzielen würde, war es – und in diesem Fall vor allem für ihn
selbst, um sich unnötige Verzögerungen zu ersparen – sinnvoll, sich vor Beginn seiner Feldarbeit an
das BDA zu wenden und sich ex ante eine Genehmigung der Fortsetzung seiner Arbeiten auch im
Erfolgsfall einzuholen. In diesem Fall – nachdem ja sowohl vom Forscher als auch wohl dem BDA ob
des Vorliegens konkreter Hinweise auf deren Vorkommen an Ort und Stelle der geplanten
Nachforschung mit der Entdeckung denkmalschutzrelevanter Gegenstände zu rechnen war – konnte
ihm dann das BDA selbstverständlich für seine geplanten Grabungen auch aus denkmalpflegerischer
Sicht geeignete Auflagen erteilen, d.h. ihm nötigenfalls auch die Verwendung von invasiven
Forschungsmethoden untersagen, die nicht (mehr) innerhalb des wissenschaftlich anerkannten
Methodenkanons lagen.
Damit wurde aber auch genau dasselbe Ziel erreicht, das der Gesetzgeber mit der NFG-Pflicht des §
11 Abs. 1 DMSG igF zu erreichen versucht: falls bei Grabungen (oder anderen Veränderungen der
Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser) denkmalschutzrelevante Gegenstände angetroffen
werden oder bereits ex ante zu erwarten ist, dass solche bei geplanten Grabungen angetroffen werden
dürften, erhält das BDA – sei es durch die Arbeitseinstellungspflicht des § 10 Abs. 1 bis zur
Begutachtung der Fundstelle durch ein Organ des BDA oder durch eine ex ante beantragte
Genehmigung zur unmittelbaren Fortsetzung mit fachlich anerkannten Methoden durchgeführter
Grabungen mit archäologischen Entdeckungszweck – die Möglichkeit, die wissenschaftliche
Sachgerechtigkeit der Durchführung der denkmalschutzrelevanten Arbeiten an Ort und Stelle vorab
244
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
zu überprüfen oder – wo zu vermuten steht, dass diese durch den Entdecker nicht selbst in
ausreichender Qualität gewährleistet werden kann – durch deren Durchführung durch seine eigenen
Organe für ebendiese Sachgerechtigkeit zu sorgen.
Als Mittel zur Sicherstellung dieser wissenschaftlichen Sachgerechtigkeit allfällig durchgeführter,
denkmalschutzrelevanter Feldforschungen ist diese Regelung der derzeit gewählten also sogar
deutlich überlegen, obgleich sie deutlich weniger stark in die Wissenschaftsfreiheit aller
Grundrechtsträger eingreift. Der einzige Grund, der gegen diese Art der Regelung des Schutzes noch
im Verborgenen gelegener Denkmale vor durch archäologische Nachforschungen, die mit nicht
anerkannten wissenschaftlichen Feldforschungsmethoden durchgeführt werden sollen, verursachter
Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland sprechen kann, ist, dass diese Art der
Regelung, um wirklich effektiv zu sein, eventuell einer bedeutenden personellen Aufstockung der
archäologischen Abteilung des BDA und damit erhöhten Ressourcenaufwand für den Staat darstellen
könnte. In einer Prüfung der Erforderlichkeit ist auch dieser Aspekt selbstverständlich zu
berücksichtigen.
Bei der Abschätzung des für diese ältere Lösung unter derzeitigen Umständen erforderlichen
Ressourcenaufwands ist vor allem zu bedenken, dass Organe des BDA jedes Mal dann, wenn zufällig
oder vorsätzlich „Bodendenkmale“ iSd § 8 Abs. 1 DMSG igF entdeckt werden, die Fundstelle, die ja
weiterhin gem. § 9 Abs. 1 igF für bis zu 5 Tage nach Abgabe der Fundmeldung unverändert zu belassen
ist, in Augenschein zu nehmen und nötigenfalls allfällig erforderlich werdende Rettungsmaßnahmen
(Grabungen und deren Dokumentation) an Ort und Stelle durchzuführen haben. Ebenso hätten sie
weiterhin eingehende Anträge auf Erteilung von Grabungsgenehmigungen gem. § 11 Abs. 1 DMSG auf
die wissenschaftliche Sachgerechtigkeit der geplanten Arbeiten zu überprüfen und entsprechende
Bescheide zu erlassen. Beides sind Aufgaben, die die zuständigen Fachkräfte im BDA auch unter der
derzeit geltenden Rechtslage zu erledigen haben. Die gesamte Anzahl der auf die eine oder andere Art
zu behandelnden Fälle dürfte sich also bei einer Änderung der NFG-Pflichtregelung zurück auf die
zuvor geltende Regelungsart nicht maßgeblich verändern.
Durch den Wegfall der NFG-Pflicht und ihre Ersetzung durch eine Vorab-Genehmigungsmöglichkeit im
Sinne der früher geltenden Regelungsart könnte es allerdings zu einer gewissen Verschiebung
zwischen den beiden Arten von Fällen kommen: immerhin könnten ArchäologInnen, die auf
Bodenflächen graben wollen, von denen noch keine konkreten Hinweise auf das Vorkommen
bedeutender archäologischer Denkmale im Boden bekannt sind, auf die ex ante-Einholung einer
Grabungsgenehmigung verzichten. Sofern diese bei ihren Grabungen dann unerwarteterweise
dennoch auf hinreichend bedeutend erscheinende Denkmale unter der Erdoberfläche bzw. dem
Grund unter Wasser stoßen, durch deren Entdeckung die Bestimmungen des § 8 Abs. 1 sowie deren
Rechtsfolgen gem. § 9 DMSG igF ausgelöst werden, müssten also Organe des BDA in Fällen, in denen
sie bisher ex ante eine Grabungsgenehmigung erteilt haben, dann ins Feld ausrücken, um die
entdeckten Funde und Befunde in Augenschein zu nehmen und entweder die Fortsetzung der
Arbeiten an Ort und Stelle zu bewilligen oder diese selbst durchzuführen (bzw. eine dauerhafte
Unterschutzstellung der Fundstelle gem. § 9 Abs. 3 zu verfügen).
Der dadurch entstehende Mehraufwand dürfte sich in Anbetracht der Tatsache, dass laut den
Fallzahlstatistiken in den FÖ in den letzten Jahren jährlich durchschnittlich nur ca. 500 Grabungen gem.
§ 11 Abs. 1 DMSG bewilligt worden sind, allerdings wohl in sehr überschaubaren Grenzen halten.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass 90% aller Grabungen dann ohne Genehmigung gem. § 11 Abs.
1 DMSG begonnen und dann trotzdem die Meldepflicht des § 8 Abs. 1 samt deren Rechtsfolgen gem.
§ 9 DMSG auslösen würden: Fachkräfte des BDA besuchen auch schon derzeit viele gem. § 11 Abs. 1
DMSG bewilligte Grabungen. Die Anzahl der durch Fundmeldungen bei nicht bewilligten, aber
245
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
dennoch in der überwältigenden Mehrheit aller Fälle sachgerecht durchgeführten, Grabungen
verursachten „zusätzlich“ erforderlich werdenden Grabungskontrollen gem. § 9 Abs. 1 DMSG binnen
5 Tagen ab Abgabe der ersten Fundmeldung wird also durch den Wegfall der Notwendigkeit der
Vorab-Bewilligung all dieser Grabungen vermutlich praktisch aufgewogen werden.
Noch viel wahrscheinlicher ist allerdings, dass sich dadurch in der Verwaltungspraxis nur sehr wenig
ändern würde: die meisten graduierten ArchäologInnen können normalerweise mit sehr hoher
Wahrscheinlichkeit vorhersagen, ob sie bei ihren geplanten Grabungen auf Funde treffen werden, die
als „Bodendenkmale“ iSd § 8 Abs. 1 die gesetzlichen Meldepflichten und deren Rechtsfolgen gem. § 9
DMSG auslösen. Sie würden daher für alle ihrer geplanten Grabungen, bei denen sie ernsthaft mit der
Entdeckung denkmalschutzrelevanter Funde rechnen, selbstverständlich weiterhin um VorabGenehmigungen gem. § 11 Abs. 1 DMSG ansuchen, um sich die ja vollkommen unnötige Einstellung
aller Feldarbeiten bei der Entdeckung des ersten denkmalschutzrelevanten Fundes bis zur Freigabe
durch ein Organ des BDA zu ersparen.
Zu einer maßgeblichen Erhöhung des administrativen Aufwandes, der auf das BDA zukommt, könnte
es nur dadurch kommen, dass unter einer solchen Alternativregelung die in Österreich tätigen
MetallsucherInnen beginnen könnten, ihre Funde – die ja dann, sofern es sich dabei um
„Bodendenkmale“ iSd § 8 Abs. 1 DMSG handelt, ebenfalls der Meldepflicht und den sich daraus
ergebenden Rechtsfolgen des § 9 unterliegen – tatsächlich gesetzestreu zu melden und zu behandeln.
Dies könnte tatsächlich zu einer Explosion der Zahl der Fälle führen, in denen Organe des BDA zur
Inaugenscheinnahme von Fundstellen neu entdeckter „Bodendenkmale“ ausrücken müssten, die
administrativ nicht bewältigbar wäre: rechnet man auf Basis der derzeitigen Mindestschätzzahl für in
Österreich aktive Metallsucher von ca. 3.900 (Seite 115, Abb. 6) und der durchschnittlichen Anzahl
von ca. 56 Suchtagen im Jahr und ca. 3,9 Suchstunden pro Suchtag (Achleitner 2011, 2) unter Annahme
nur eines meldepflichtigen Fundes pro Suchstunde hoch, kommt man auf jährlich ca. 850.000 durch
ein Organ des BDA in Augenschein zu nehmende Fundstellen (siehe auch schon Seite 143).
Das ist allerdings nur dann der Fall, wenn man von der irrigen Annahme ausgeht, dass tatsächlich bei
jeder Entdeckung eines möglicherweise denkmalschutzrelevanten, beweglichen Kleinfundes durch
einen Metallsucher die Fundstelle gem. § 9 Abs. 1 DMSG unverändert belassen und durch ein Organ
des BDA in Augenschein zu nehmen ist, bevor dort irgendwelche weiteren Arbeiten durchgeführt und
der entdeckte Kleinfund geborgen werden können. Das ist jedoch tatsächlich nicht der Fall, denn der
Metallsucher ist gem. § 9 Abs. 2 DMSG bei – der im Fall von bereits teilweise oder gänzlich freigelegten
beweglichen Kleinfunden jedenfalls immer bestehenden – Gefahr des sonstigen Abhandenkommens
der entdeckten beweglichen Fundgegenstände ohnehin gesetzlich verpflichtet, diese entgegen der
Bestimmungen des § 9 Abs. 1 DMSG unmittelbar in möglichst sicheren Gewahrsam zu nehmen.
Ebenso sind die Fundumstände bei der Entdeckung von beweglichen Kleinfunden durch Metallsucher
in der überwältigenden Mehrheit aller Fälle – d.h. außer in solchen Fällen, in denen ein Metallsucher
tatsächlich so tief gegraben hat, dass er in zuvor ungestörte, archäologisch stratifizierte
Bodenschichten eingedrungen ist, was nur vergleichsweise selten vorkommt, wohl in deutlich weniger
als 1% aller Fälle – ohnehin derart beschaffen, dass ihre Inaugenscheinnahme durch Organe des BDA
vollkommen sinnlos wäre. Hinzu kommt, dass Metallsucher gewöhnlich gerade nicht vorhaben,
irgendwelche weiteren Arbeiten am Fundort eines von ihnen gefundenen beweglichen Kleinfundes
durchzuführen: Ziel ihrer Suche ist schließlich der Kleinfund gewesen, dessen Entdeckung überhaupt
erst die Meldepflicht des § 8 Abs. 1 samt Rechtsfolgen gem. § 9 DMSG ausgelöst hat. Das BDA braucht
also in solchen Fällen gar kein Organ zur Inaugenscheinnahme des Fundortes und Freigabe der
Fortsetzung der an Ort und Stelle geplanten Arbeiten entsenden.
246
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Aber selbst wenn es dadurch zu einem gewissen administrativen Mehraufwand für das BDA kommen
sollte, kann dies kein Grund sein, die derzeitige Regelung der NFG-Pflicht als geeigneter als die hier
vorgeschlagene und bis 1990 ohnehin geltende vorherige Regelung zu betrachten: schließlich ist der
Sinn der Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 samt deren Rechtsfolgen gem. § 9 DMSG, dass Finder von
Bodendenkmalen diese dem BDA melden, damit das BDA Kenntnis von diesen erhält und daher alle
durch die Entdeckung denkmalschutzrechtlich erforderlich werdenden Verwaltungshandlungen
setzen kann. Tatsächlich sieht ja § 9 Abs. 5 DMSG vor, dass die Bestimmungen dieses Paragrafen
unabhängig von anderen Rechtsfolgen auch für jene vorsätzlichen Grabungen gelten, die entgegen
der Bestimmungen des § 11 DMSG durchgeführt wurden. Damit kann der Gesetzgeber die NFG-Pflicht
des § 11 Abs. 1 DMSG igF aber auch nicht als geeigneter erachten, weil sie weniger administrativen
Aufwand verursacht als die früher gewählte Lösung, weil sich jene, die sich nicht an die Bestimmungen
des § 11 Abs. 1 DMSG igF halten, ebenso wenig an die ihnen durch § 9 Abs. 5 DMSG igF dennoch
gesetzlich vorgeschriebene Beachtung der Rechtsfolgen der Entdeckung von Bodendenkmalen des §
9 DMSG igF halten.
Es lässt sich also auch nicht damit, dass durch die Wahl der früher geltenden Regelung des Fundmeldeund Grabungsgenehmigungswesens bei Befolgung dieser Regelung durch die Normunterworfenen
dem BDA ein höherer administrativer Aufwand entsteht als durch die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1
DMSG igF, argumentieren, dass die viel stärker in die verfassungsgesetzlich garantierte
Wissenschaftsfreiheit eingreifende Regelung des § 11 Abs. 1 DMSG igF besser dafür geeignet ist, den
vom Staat verfolgten Zweck zu erreichen, als die zuvor verwendeten, aber weit weniger die
Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG eingreifenden, gesetzlichen Mittel. Schon allein aus
diesem Grund kann also die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF als Mittel zur Verhinderung
archäologischer
Nachforschungen,
die
mit
nicht
anerkannten
wissenschaftlichen
Feldforschungsmethoden durchgeführt werden sollen, um Denkmale vor Zerstörung, Veränderung
oder Verbringung ins Ausland zu schützen, in verfassungsrechtlichem Sinn nicht erforderlich sein: es
gibt ein probates, aber weniger in die Wissenschaftsfreiheit eingreifendes gesetzliches Mittel, mit dem
der Staat das Ziel, das er mittels der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG zu erreichen versucht, nicht
nur ebenso gut, sondern sogar besser erreichen kann.
Vergleich mit der Möglichkeit von allgemeinen Dokumentationspflichten bei Entdeckungen
Ebenso könnte der Staat anstelle der derzeitigen NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF die schon oben
(Seiten 199-207) vorgeschlagene und weiter unten (Seiten 387-400) genauer präzisierte Möglichkeit
der Einführung gesetzlich oder per Verordnung vorgeschriebener Mindeststandards im Rahmen einer
allgemeinen Dokumentationspflicht von archäologischen Funden einführen, um den gleichen Zweck
gleichermaßen effektiv erreichen zu können, den er mit der derzeitigen NFG-Pflichtregelung zu
erreichen versucht. Geht es dem Staat um die Verhinderung archäologischer Nachforschungen, die
mit nicht anerkannten wissenschaftlichen Feldforschungsmethoden durchgeführt werden sollen, um
Denkmale vor dadurch verursachte Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland zu
schützen, gibt es schließlich, wie schon weiter oben ausgeführt, keinen Grund für ihn, wissenschaftlich
sachgerecht durchgeführte Grabungen – sofern diese nicht auf nach dem konstitutiven Prinzip „für die
Erforschung durch zukünftige Generationen“ (Europarat 1992) reservierten archäologischen
Denkmalen durchgeführt werden sollen – und somit die wissenschaftliche archäologische
Feldforschung auch nur durch eine NFG-Pflicht zu beschränken. Vielmehr genügt es um dieses Ziel zu
erreichen völlig, Grabungen und sonstige (invasive) Nachforschungen gesetzlich zu verbieten, die nicht
mit wissenschaftlich anerkannten (archäologischen) Feldforschungsmethoden durchgeführt werden
(sollen).
247
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Das einzige Argument, dass gegen ein solches Totalverbot von mit nicht wissenschaftlich anerkannten
Feldforschungsmethoden durchgeführten Nachforschungen an Ort und Stelle – das in die
Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG schon allein deshalb nicht eingreifen kann, weil nicht
wissenschaftliche Nachforschungen den Schutz dieser Grundfreiheit nicht genießen – bei
gleichzeitiger (auf nicht denkmalgeschützten Flächen) vollständiger Freigabe wissenschaftlicher
(archäologischer) Feldforschungen ins Feld geführt werden könnte, ist, dass dieses Totalverbot
nichtwissenschaftlicher Nachforschungen durch Normunterworfene irrtümlich oder vorsätzlich
missachtet werden und dadurch Schaden an den betroffenen Denkmalen angerichtet werden könnte.
Dieses Argument greift aber schon alleine deshalb nicht, weil selbstverständlich auch gesetzliche
Genehmigungspflichten wie die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF von Normunterworfenen
irrtümlich oder vorsätzlich missachtet werden können und – im Fall, dass man, wie das BDA das bisher
getan hat und scheinbar auch weiterhin zu tun gedenkt (BDA 2018, 10-11), davon ausgehen möchte,
dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF tatsächlich für alle Metallsuchen mit archäologischem
Entdeckungszweck gilt, unabhängig davon, auf welcher Bodenfläche sie durchgeführt werden – auch
tatsächlich bereits bisher nachweislich in vielen Hunderttausenden, wenn nicht Millionen von Fällen
missachtet wurde.
Selbstverständlich geht der Gesetzgeber bei der Erlassung von Gesetzen davon aus, dass sich
Normunterworfene nicht nur an die geltenden Gesetze halten müssen, sondern dies – wenigstens
normalerweise – auch tun werden. Das tut er – nachweislich fälschlicherweise, wenn man annimmt,
dass jede Metallsuche mit archäologischer Entdeckungsabsicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG igF
bewilligungspflichtig ist – bei der derzeit geltenden gesetzlichen NFG-Pflicht; und muss daher dasselbe
auch bei der Beurteilung einer alternativen gesetzlichen Lösungsmöglichkeit des Problems tun, das er
mit der NFG-Pflicht zu lösen versucht.
Damit kann der Staat, statt mittels einer ex ante-Genehmigungspflicht in jedem Einzelfall eigens zu
prüfen, ob die vom Normunterworfenen, der sich an die geltenden gesetzlichen Regelungen halten
möchte, geplanten Feldforschungsmaßnahmen wissenschaftlicher Natur sind und daher dem Schutz
der Wissenschaftsfreiheit unterliegen, oder das nicht sind und daher untersagt werden können,
dadurch dass er dem Normunterworfenen das wissenschaftlich korrekte Feldforschen erlaubt, das
nichtwissenschaftliche Feldforschen hingegen gänzlich verbietet, den von ihm verfolgten Zweck
gleichermaßen gut erreichen. Zwar bedingt die durch Gesetz oder Verordnung erfolgende Vorgabe
von Mindeststandards (die dann auch tatsächlich Mindeststandards sein müssen) auch, wie schon
weiter oben (Seiten 201-202) ausgeführt, eine gewisse Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit des
Art. 17 Abs. 1 StGG, allerdings jedenfalls weit weniger als durch eine generelle NFG-Pflicht und auch
jedenfalls nur soweit, als dies mit dem Schutz der Wissenschaftsfreiheit Dritter verhältnismäßig ist.
Auch aus diesem Grund kann also die derzeitige NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF im
verfassungsrechtlichen Sinn nicht dafür erforderlich sein, archäologische Nachforschungen, die mit
nicht anerkannten wissenschaftlichen Feldforschungsmethoden durchgeführt werden sollen, zu
verhindern, um Denkmale vor dadurch verursachte Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins
Ausland zu schützen.
Zur Standardisierung invasiver archäologischer Forschungen auf geschützten Denkmalen
Betrachtet man die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF hingegen als Mittel zur Standardisierung
invasiver archäologischer Forschungen auf gem. §§ 2a bzw. 3 DMSG geschützten Denkmalen, scheint
es auch höchstgradig fraglich, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG im verfassungsrechtlichen
Sinn erforderlich wäre, um das Ziel, das der Gesetzgeber mit diesem Mittel verfolgt, auch tatsächlich
erreichen zu können. Das liegt an dem sehr einfachen Grund, dass – wie auch in § 11 Abs. 5 DMSG igF
explizit ausgeführt wird – Grabungen (d.h. iSd § 11 Abs. 1 DMSG igF Nachforschungen durch
248
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Veränderung der Erdoberfläche oder des Grundes unter Wasser, d.h. alle invasiven
Feldforschungsmethoden) zwangsläufig zu Veränderungen oder Zerstörungen der Erscheinung und
Substanz des betroffenen geschützten Denkmals führen und daher – gänzlich unabhängig von der
Frage, ob eine NFG-Pflicht gem. § 11 Abs. 1 DMSG ebenfalls besteht – auf gem. §§ 2a oder 3 DMSG
geschützten Denkmalen jedenfalls auch einer Bewilligung des BDA gem. § 5 Abs. 1 DMSG bedürfen.
Dabei kann das BDA einem Bescheid gem. § 5 Abs. 1 DMSG selbstverständlich ebenfalls Auflagen
erteilen, z.B. auch die Einhaltung der Richtlinien für archäologische Maßnahmen (BDA 2016a; 2018).
Zwar greift die Genehmigungspflicht der Zerstörung oder Veränderung geschützter Denkmale gem. §
5 Abs. 1 DMSG igF nicht weniger in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG ein als die NFGPflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF, es handelt sich bei ihr jedoch um ein allgemeines Gesetz, das nicht
intentional in die Wissenschaftsfreiheit eingreift und an dessen Schranken selbstverständlich auch die
Wissenschaftsfreiheit gebunden ist (Berka 1999, 344-5). Damit ist die Genehmigungspflicht des § 5
Abs. 1 DMSG igF aus verfassungsrechtlicher Sicht jedenfalls weit unbedenklicher als die NFG-Pflicht
des § 11 Abs. 1 DMSG igF.
Schon allein aus diesem Grund kann also eine Erforderlichkeit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG
igF im verfassungsrechtlichen Sinn als Mittel zur Standardisierung invasiver archäologischer
Forschungen auf gem. §§ 2a bzw. 3 DMSG geschützten Denkmalen nicht bestehen. Darüber hinaus
stünde dem Gesetzgeber aber auch, wie soeben erläutert, die Möglichkeit der Erlassung gesetzlicher
oder verordnungsmäßig festgelegter Mindeststandards für invasive archäologische
Feldforschungsmaßnahmen zur Verfügung, wenn er neben der Genehmigungspflicht des § 5 Abs. 1
DMSG igF noch eine zusätzliche und nicht jedem Bescheid gem. § 5 Abs. 1 DMSG als Auflage
anzuschließende Standardisierung invasiver wissenschaftlicher Forschungen und die Verhinderung
nichtwissenschaftlicher Feldforschungen auf gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschützten Denkmalen
erreichen möchte. Auch dies greift, wie soeben erläutert, weit weniger in die Wissenschaftsfreiheit
des Art. 17 Abs. 1 StGG ein als die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF, die daher auch aus diesem
Grund nicht erforderlich sein kann.
Die Nichterforderlichkeit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF
Aus den genannten Gründen kann daher die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF weder als Mittel
zur Verhinderung archäologischer Nachforschungen, die mit nicht anerkannten wissenschaftlichen
Feldforschungsmethoden durchgeführt werden sollen, um Denkmale vor Zerstörung, Veränderung
oder Verbringung ins Ausland zu schützen, noch als Mittel zur Standardisierung invasiver
archäologischer Forschungen auf gem. §§ 2a bzw. 3 DMSG geschützten Denkmalen erforderlich sein.
Es stehen dem Staat jedenfalls andere gesetzliche Mittel zur Verfügung, mittels derer er die von ihm
angestrebten Ziele wenigstens ebenso effektiv, wenn nicht sogar weit effektiver, erreichen könnte als
mit dem derzeit von ihm gewählten Mittel der NFG-Pflicht, die auch allesamt deutlich weniger in die
Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG eingreifen.
Zwar wurde bereits weiter oben ausgeführt, dass eine allgemeine NFG-Pflicht, d.h. eine NFG-Pflicht
die nicht nur auf gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschützten Denkmalen und auch nicht nur als ex anteKontrollmöglichkeit der Wissenschaftlichkeit geplanter invasiver archäologischer Feldforschungen
(siehe dazu auch Krischok 2016, 138) Anwendung findet, schon allein deshalb nicht im
verfassungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig sein kann, weil sie auf allen nicht gem. §§ 2a und 3 DMSG
geschützten Denkmalen eine staatliche Fremdbestimmung der Wissenschaft darstellen würde, die
dem Gesetzgeber durch Art. 17 Abs. 1 StGG explizit verboten ist, ohne dass diese Beschränkung
(aufgrund des Fehlens eines rechtswirksamen Interesses an der Erhaltung nicht unter Schutz gestellter
Denkmale) durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt wäre (Berka 1999, 346). Dennoch sei
hier der Vollständigkeit halber auch angemerkt, dass eine solche allgemeine NFG-Pflicht für (und sei
249
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
es auch nur invasive) archäologische Feldforschungen auch keinesfalls im verfassungsrechtlichen Sinn
erforderlich sein kann, um den Schutz noch im Boden verborgener archäologischer Denkmale vor
durch Nachforschungen verursachten Zerstörungen, Veränderungen oder Verbringungen ins Ausland
zu erreichen. Denn auch bei einer allgemeinen NFG-Pflicht stünden dem Gesetzgeber
selbstverständlich sowohl die in §§ 9-11 DMSG idF BGBl. 533/1923 und 167/1978 gewählten Mittel
als auch die Möglichkeit der Einführung allgemeingültiger Mindeststandards im Rahmen gesetzlicher
Dokumentationspflichten bei der Entdeckung archäologischer Funde und Befunde zur Verfügung, die
ebenso effektiv wie eine allgemeine NFG-Pflicht sind, aber auch in diesem erweiterten Rahmen in weit
geringerem Maß in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG eingreifen als eine allgemeine
NFG-Pflicht. Selbst wenn man also – aus welchen Gründen auch immer – davon ausgehen will, dass
eine allgemeine NFG-Pflicht für (invasive) archäologische Feldforschungen ein legitimes Mittel ist, das
der Gesetzgeber tatsächlich verwenden dürfte, um das von ihm angestrebte gesetzliche Schutzziel zu
erreichen, verletzt eine allgemeine NFG-Pflicht jedenfalls immer noch das Übermaßverbot der
Verfassung, weil sie keinesfalls im verfassungsrechtlichen Sinn erforderlich sein kann, und ist daher
zwingend verfassungswidrig.
Zur Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen NFG-Pflicht im engeren Sinn
Damit könnte man sich den letzten Schritt der Verhältnismäßigkeitsprüfung, die Prüfung der
Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF im engeren Sinn, eigentlich
ersparen. Dennoch sei auch dieser Prüfschritt, neuerlich der Vollständigkeit halber und nur um
sicherzugehen, an dieser Stelle noch vorgenommen.
Auch in diesem Prüfschritt ist neuerlich zwischen nicht invasiven und invasiven
Feldforschungsmethoden zu unterscheiden, weil auch in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit im
engeren Sinn hochrelevant ist, ob noch im Boden verborgene Denkmale durch die einer gesetzlichen
Genehmigungspflicht unterworfenen, geplanten Handlungen überhaupt gefährdet werden können.
Schließlich ist es, gerade wenn die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG aufgrund
kollidierenden Verfassungsrechts – im konkreten Fall des Denkmalschutzauftrags des Bundes, der sich
aus der Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG ergibt – erforderlichenfalls auch intentional
beschränkt werden soll, ganz maßgeblich, dass durch die unbeschränkte Ausübung der
Wissenschaftsfreiheit eine „ernsthafte Gefährdung grundlegender Rechtsgüter“ (Berka 1999, 346)
verursacht werden würde, die ihre Beschränkung auch tatsächlich rechtfertigt. Gerade in Bezug auf
die von ihnen für das gesetzliche Schutzgut – die Denkmäler – ausgehenden Gefährdung
unterscheiden sich aber nicht invasive und invasive archäologische Feldforschungsmethoden massiv.
Dagegen ist das genaue Ziel, das der Gesetzgeber mit seinem vorgenommenen Eingriff verfolgt, in der
Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF mit dem
dadurch erzeugten Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG weniger bedeutend: es
spielt in diesem Prüfschritt allgemein das Ziel des Gesetzgebers nur insofern eine Rolle, als sich aus
diesem das Allgemeinwohlgut, dessen Schutz im öffentlichen Interesse gelegen ist und dessentwegen
der Gesetzgeber daher die Wissenschaftsfreiheit des individuellen Normunterworfenen beschränkt
(bzw. beschränken möchte), ableiten lässt. Vorzunehmen ist eine Güterabwägung „der angestrebten
öffentlichen Interessen mit dem Gewicht der beeinträchtigten Freiheit“ (Berka 1999, 161). Es ist in
diesem Abschnitt daher nur insofern relevant, ob der Gesetzgeber mit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1
DMSG igF konkret nur den Zweck verfolgt, archäologische Nachforschungen zu verhindern, die mit
nicht anerkannten wissenschaftlichen Feldforschungsmethoden durchgeführt werden sollen,
und/oder den Zweck, invasive archäologische Forschungen auf gem. §§ 2a bzw. 3 DMSG geschützten
Denkmalen zu standardisieren, oder den Zweck, alle Nachforschungen an Ort und Stelle, bei denen
die Entdeckung von Denkmalen iSd § 1 Abs. 1 oder gar Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG igF
250
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
beabsichtigt wird, als davon abhängt, wie stark der Gesetzgeber durch die Bestimmungen des § 11
Abs. 1 DMSG in die Wissenschaftsfreiheit eingreift. Nachdem gerade in dieser Beziehung die
Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen sehr stark variieren kann – der Gesetzgeber kann, wie
schon mehrfach angedeutet wurde, eine sehr enge Auslegung der Bestimmungen des § 11 Abs. 1
DMSG igF vorgesehen haben, während das BDA bisher (BDA 2016a) und wohl auch weiterhin (BDA
2018) eine maximal weite Auslegung seiner Anwendungspraxis dieser Bestimmungen zugrunde gelegt
hat und legen will – werden in den folgenden Ausführungen jeweils alle relevanten
Auslegungsmöglichkeiten betrachtet.
Wie bereits oben dargestellt, stellt die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG einen gravierenden Eingriff
in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG dar: für über 99,9% aller Grundrechtsträger – alle,
die kein einschlägiges Archäologiestudium absolviert haben – stellt er ein Totalverbot aller
wissenschaftlichen archäologischen Feldforschungen dar, die der NFG-Pflicht unterworfen sind,
entzieht diesen also das verfassungsgesetzlich geschützte Grundrecht vollständig. Für die
verbleibenden weniger als 0,1% aller Grundrechtsträger – jene, die ein einschlägiges
Archäologiestudium absolviert haben – stellt er ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt dar,
das die Wissenschaftsfreiheit direkt in ihrem sachlichen Kern einer nahezu vollständigen
Fremdbestimmung (z.B. durch die Richtlinien; BDA 2016a; 2018) durch den Staat unterwirft.
Allgemeine Erwägungen zur Gewichtung von Denkmalschutz und Wissenschaftsfreiheit
Generell ist hier in Bezug auf die relative Gewichtung des öffentlichen Interesses am Denkmalschutz
und der Wissenschaftsfreiheit zuerst einmal zu bemerken, dass hier zwei Rechtsgüter
aufeinandertreffen, die miteinander in sehr engem Bezug stehen. Zwar erfüllt der Denkmalschutz eine
ganze Reihe von Funktionen und beruht das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Denkmale auf
einer Reihe unterschiedlicher Werte, die gesellschaftlich den Denkmalen zugeschrieben werden (siehe
dazu zuletzt Krischok 2016, 63-94; nicht zuletzt unter starker Bezugnahme auf die insbesondere für
den modernen österreichischen Denkmalschutz relevante Denkmalwerttheorie Riegls; Riegl 1903),
darunter nicht zuletzt verschiedene Gegenwartswerte wie die identitätsstiftende Wirkung von
Denkmalen. Dennoch ist – gerade im modernen österreichischen Verständnis der Funktion des
archäologischen Denkmalschutzes, insbesondere von noch im Verborgenen gelegenen Denkmalen –
zweifellos die wichtigste Funktion archäologischer Denkmale ihre Funktion als wissenschaftliche
Quelle und der gerade den oft unscheinbaren archäologischen Denkmalen zukommende höchste
Wert ihr wissenschaftlicher Wert (siehe dazu z.B. BDA 2016a, 3; 2018, 2; vgl. auch Krischok 2016, 6875). Hauptziel des archäologischen Denkmalschutzes ist also die Erhaltung der Denkmale vor
Zerstörung, Veränderung und Verbringung ins Ausland, damit sie (eben idealerweise unverändert und
im Inland) als Quellen für die wissenschaftliche Erforschung der Vergangenheit verfügbar bleiben
(siehe dazu auch das generelle Abstellen der Bestimmung des § 1 Abs. 2 DMSG igF darauf, in welchem
Umfang durch die Erhaltung des Denkmals eine geschichtliche Dokumentation erreicht werden kann;
cf. Art. 1 Abs. 1 der Valletta-Konvention; Europarat 1992).
Schon allein das macht es einigermaßen schwierig, in einer Güterabwägung zwischen den Interessen
der Allgemeinheit an der Erhaltung der archäologischen Denkmale (primär für ihre Entdeckung und
Untersuchung durch wissenschaftliche Nachforschungen) und dem individuellen Interesse des
Grundrechtsträgers an ihrer freien (d.h. vom Staat und seinen Organen möglichst unbehinderten)
Entdeckung und Untersuchung durch wissenschaftliche Nachforschungen zu dem Schluss zu kommen,
dass das erstgenannte öffentliche Interesse das zweitgenannte individuelle Interesse überwiegen
könnte. Schließlich dient das erstgenannte öffentliche Interesse letztendlich primär dem Zweck, dass
individuelle Forscher das zweitgenannte individuelle Interesse erfolgreich befriedigen und damit
mittelbar dem Allgemeininteresse an der wissenschaftlichen Erforschung und damit untrennbar
251
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
verbundenen gemeinwohlnützlichen Nutzbarmachung der Denkmale dienen können. Es wäre also
nachgerade absurd, argumentieren zu wollen, dass man im öffentlichen Interesse archäologische
Denkmale vor ihrer Entdeckung und Untersuchung durch wissenschaftliche Nachforschungen
bewahren müsste, damit diese im öffentlichen Interesse durch (andere?) wissenschaftliche
Nachforschungen entdeckt und untersucht werden könnten; und daher das öffentliche Interesse an
der Erhaltung der Denkmale das sowohl öffentliche als auch private Interesse des Einzelnen an ihrer
Erforschung überwiegen würde.
Auch in Hinblick auf die Werteordnung der österreichischen Bundesverfassung und allgemeiner der
Wertmaßstäbe demokratischer Gesellschaften erscheint es schwierig, ein allgemeines und praktisch
vollständiges Überwiegen des öffentlichen Interesses am Denkmalschutzes gegenüber dem Wert der
Wissenschaftsfreiheit zu argumentieren. Zwar weist durchaus die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1
Z 13 B-VG dem Bund die Aufgabe der Gesetzgebung für und des Vollzugs des Denkmalschutzes zu,
allerdings eingebettet in eine ganze Reihe anderer, nicht als übermäßig bedeutende Staatsaufgaben
zu charakterisierende, Angelegenheiten wie z.B. der Regelung des wissenschaftlichen und
fachtechnischen Archiv- und Bibliotheksdiensts, der künstlerischen und wissenschaftlichen
Sammlungen und Einrichtungen des Bundes, der Bundestheater mit Ausnahme der
Bauangelegenheiten, der Angelegenheiten des Kultus, des Volkszählungswesens sowie sonstiger nicht
in Länderbefugnisse eingreifenden Statistiken. Dass der Denkmalschutz ein besonders stark
verfassungsgesetzlich geschütztes Rechtsgut wäre, das – wie im vorherigen Hauptkapitel (Seiten 209226) gezeigt – eventuell sogar den Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum deutlich überwiegen
würde, lässt sich daraus wohl kaum ableiten. Abgesehen von dieser Kompetenznorm findet der
Denkmalschutz zwar auch in internationalen Übereinkommen Berücksichtigung, die Österreich
ratifiziert hat, wie z.B. in den schon mehrfach genannten Übereinkommen von La Valletta (Europarat
1992) und Faro (Europarat 2005), diese räumen allerdings der allgemeinen Rechtsordnung von
Signatarstaaten jeweils den Vorrang vor in ihnen enthaltenen Bestimmungen ein (so z.B. Art. 2,
Europarat 1992; Art. 1 und 4, Europarat 2005).
Dementgegen steht in der österreichischen Bundesverfassung die als vorbehaltloses Grundrecht
gewährleistete Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG, bezüglich derer der VfGH betont hat,
dass sie „ein absolutes Grundrecht ist, das durch kein einfaches Gesetz und durch keinen
Verwaltungsakt eingeschränkt werden kann“ (Berka 1999, 345). Der durchaus essentielle Grund für
den besonders starken verfassungsrechtlichen Schutz der Wissenschaftsfreiheit findet seine Wurzeln
im – für die demokratische Wertmaßstäbe und demokratische Gesellschaftsordnungen absolut
fundamentalen – aufklärerischen Bestreben, die Wissenschaft vor jeder ideologischen, dogmatischen
oder politischen Fremdbestimmung zu schützen: „Die Wissenschaft und die darauf aufbauende Lehre
sollen nur ihrem eigentlichen Ideal – der vorbehaltslosen Wahrheitssuche – verpflichtet sein“ (Berka
1999, 342); aber nicht zuletzt auch in der politischen Geschichte. Denn der Schutz der Wissenschaft
vor staatlicher Fremdbestimmung ist – gerade auch in der Archäologie – absolut essentiell, wie der
propagandistische Missbrauch der Archäologie zu machtpolitischen Zwecken durch das Dritte Reich
(siehe z.B. Haßmann 2000; Focke-Museum 2013) in aller Deutlichkeit zeigt. Tatsächlich ist die
Wissenschaftsfreiheit – neben der mit ihr untrennbar verbundenen Meinungsfreiheit – wohl als jenes
Grundrecht zu sehen, das am unmittelbarsten die demokratiepolitisch essentiellen Werte von
Offenheit, Pluralität und Toleranz (Berka 1999, 162) garantiert. Sie hat daher auch Eingang in eine der
fundamentalsten und wichtigsten europäischen Rechtsnormen, die Charta der Grundrechte der
Europäischen Union (Art. 13, EU 2010, 394), gefunden; und auch in höchstrangige internationale
Übereinkommen wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Art. 27 Abs. 1 AEMR; samt daraus
erwachsenden geistigen Eigentumsrechtsschutz in Art. 27 Abs. 2 AEMR; Art. 15 ICESCR).
252
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Dies macht es nachgerade unmöglich, zu argumentieren, dass in einer Güterabwägung zwischen
Denkmalschutz und Wissenschaftsfreiheit Ersterem ein in nahezu jedem Fall die Letztere
überwiegendes Gewicht beizumessen wäre; ganz im Gegenteil ist das Verhältnis zwischen diesen
beiden Rechtsgütern genau umgekehrt: der Wissenschaftsfreiheit kommt, allgemein gesprochen, ein
viel höheres Gewicht zu als dem Denkmalschutz. Dies ist bei der Bewertung der Adäquanz von
Eingriffen in die Wissenschaftsfreiheit durch gesetzliche NFG-Pflichten wie jener des § 11 Abs. 1 DMSG
jedenfalls zu bedenken.
Das bedeutet nun natürlich keineswegs, dass nicht in besonders begründeten Einzelfällen – z.B. wenn
der Staat für die wissenschaftlichen Forschungen zukünftiger Generationen von WissenschaftlerInnen
eine gewisse Primärquellenreserve erhalten möchte, damit diese nicht durch die möglicherweise
quellenzerstörenden Handlungen gegenwärtiger ForscherInnen jedweder selbstständiger
Primärquellenerforschungsmöglichkeit beraubt werden (aber siehe dazu ablehnend Krischok 2016,
132-3), oder auch das betroffene Denkmal andere als bloß die wissenschaftliche
Primärquellenfunktion erfüllt, z.B. als Lokus der Identitätsstiftung – das öffentliche Interesse an der
Erhaltung der Denkmale das Interesse des individuellen Forschers an der mit zerstörerischen
Methoden erfolgenden wissenschaftlichen Untersuchung des betroffenen Denkmals überwiegen
kann. Eine solche, der gewöhnlich anzunehmenden entgegengesetzte, Gewichtung eines
Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Erhaltung des konkret betroffenen Denkmals über
seine freie wissenschaftliche Erforschung mit invasiven Methoden, die das Denkmal teilweise oder
vollständig zerstören (könnten, sofern man seine Erhaltung durch sachgerechte Dokumentation nicht
als gleichwertig oder wenigstens nahgleichwertig mit seiner Erhaltung in situ einschätzt; siehe dazu
schon Seiten 161-188), bedarf aber jedenfalls, ob jetzt jeweils im Einzelfall oder in bestimmten Klassen
von speziellen Sachverhalten, einer sehr starken und besonderen Begründung.
Nicht invasive Feldforschungsmethoden
Wie bereits mehrfach ausgeführt, geht von der Anwendung nicht invasiver archäologischer
Feldforschungsmethoden so gut wie überhaupt keine Gefährdung grundlegender Rechtsgüter aus: der
Schaden, der durch den Einsatz derartiger Methoden an allfällig an Ort und Stelle noch im Boden
befindlichen, beweglichen oder unbeweglichen Denkmalen angerichtet werden kann, ist selbst dann
vernachlässigbar, wenn man bereits das bloße Betreten der Erdoberfläche über dem betroffenen
Denkmal zu Fuß, das Befahren mit leichten, geländegängigen Fahrzeugen und das Einbringen nur
wenige Kubikzentimeter des Bodens geringfügig verdrängender Elektroden als Gefährdung
betrachtet. Denn selbst im Vergleich zur normalen Landnutzung – regelhaft auch mit tonnenschweren
land- und forstwirtschaftlichen Maschinen, die regelhaft den Boden viel stärker komprimieren und
umwühlen – ist der potentiell von nicht invasiven Feldforschungen an den allfällig vorhandenen
Denkmalen angerichtet werden könnende Schaden verschwindend gering.
Hinzu kommt, dass die Schadenseintrittswahrscheinlichkeit verschwindend gering ist: der modern
„gestörte“, durch den natürlichen Prozess der Bodenbildung überhaupt erst dauernd neu entstehende
Oberboden (bzw. die Humusschicht) – bestehend aus dem O-Horizont (bzw. organischer Oberboden)
und dem davon oft weder optisch noch haptisch eindeutig unterscheidbaren A-Horizont (bzw.
mineralischer Oberboden) (Scheffer & Schachtschabel 2002) – kann schon allein aufgrund seiner
Entstehung durch natürliche Prozesse kein Denkmal iSd § 1 Abs. 1 DMSG sein (in diesem Sinn auch
VwGH vom 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, 4). Gefährdet werden können durch die von nicht invasiven
archäologischen Feldforschungsmethoden verursachte, minimale Bodenkompression oder auch die
seichte Einbringung kleiner Elektroden – wenn überhaupt – nur im Oberboden zufällig enthaltene
bewegliche Kleinfunde oder in extrem seltenen Ausnahmefällen bereits größtenteils zerstörte
Überreste unbeweglicher Denkmale. Diese machen jedoch selbst auf tatsächlich fund- und
253
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
befundreichen archäologischen Fundstellen normalerweise weniger als 1% des gesamten an Ort und
Stelle vorhandenen Oberbodenvolumens aus, zumeist deutlich weniger. Zwischen solchen
Fundstellen – die, wie schon weiter oben ausgeführt (Seite 152), wohl nicht mehr als ca. 2% der
Bodenfläche Österreichs ausmachen (bzw., wenn man die Zahl von derzeit vielleicht gerade nur
19.550 dem BDA bekannten Fundstellen heranzieht, siehe Picker et al. 2016, 285, und von einer hohen
Schätzung der durchschnittlichen Fundstellengröße von ca. 1 Hektar ausgeht, nur etwa 0,25% davon)
– ist die Fund- und Befunddichte im Oberboden noch weitaus geringer, jedenfalls weit unter 0,1% des
an Ort und Stelle vorhandenen Oberbodenvolumens. Von diesen Denkmalen wiederum ist nur ein
verschwindend geringer Anteil von derart beschaffener Bedeutung, dass ihre Erhaltung tatsächlich im
öffentlichen Interesse gelegen wäre; neuerlich, insbesondere soweit bewegliche Kleinfunde betroffen
sind, sicherlich weit unter 0,1%. Die Wahrscheinlichkeit, dass durch die Anwendung nicht invasiver
archäologischer Forschungsmethoden noch im Boden verborgene Denkmale, die von derart
beschaffener Bedeutung sind, dass ihre Erhaltung tatsächlich dieser Bedeutung wegen im öffentlichen
Interesse gelegen ist, auch nur unmaßgeblich, geschweige denn maßgeblich zerstört, verändert oder
ins Ausland verbracht werden könnten, ist also selbst auf fund- und befundreichen archäologischen
Fundstellen kleiner als 0,001%, zwischen diesen sogar deutlich geringer als 0,0001%. Schaden kann
also statistisch betrachtet auf den Ersteren höchstens in einem von etwa Hunderttausend, auf
Letzteren höchstens in einem von einer Million, Fällen eintreten.
Noch dazu ist der Schaden, der in den extrem seltenen Fällen, in denen er überhaupt eintreten kann,
tatsächlich eintritt, keinesfalls als maßgeblich zu betrachten: selbst wenn z.B. eine noch im Boden
befindliche Tonscherbe durch eine zufälligerweise dort, wo sie sich befindet, durch die durch einen
Fußtritt, des Rad eines Messwagens oder dessen Zugfahrzeugs erzeugte Bodenkompression oder eine
in den Boden eingebrachte Elektrode zerbrochen oder anderswie beschädigt wird, stellt dies
normalerweise einen Schaden dar, der – falls die nun z.B. zerbrochene Tonscherbe nahzeitig oder zu
späterer Zeit bei invasiven Nachforschungen entdeckt und geborgen wird – von jedem einigermaßen
kompetenten Restaurator ohne größere Schwierigkeiten als solcher identifiziert und behoben werden
kann. Davon abgesehen ist es nachgerade charakteristisch für archäologische Funde und Befunde,
dass diese ohnehin schon zerbrochen oder in anderen Weise beschädigt sind, wenn sie entdeckt
werden. Ob z.B. eine Tonscherbe, die von einem ohnehin schon nur noch fragmentarisch erhaltenen
Gefäß stammt, noch einmal zusätzlich entzweigebrochen (oder auch rezent durchbohrt oder sonstwie
beschädigt) wird, ist also für ihre archäologisch-wissenschaftliche Untersuchung und Auswertung in
der Regel gleichgültig; auch ihr Denkmalwert wird dadurch in der Regel nicht weiter verringert. Damit
durch nicht invasive archäologische Nachforschungsmethoden Schäden an derart bedeutenden
Denkmalen entstehen können, die derart signifikant sind, dass sie den Denkmalwert oder auch nur
die archäologisch-wissenschaftliche Aussagekraft des betroffenen Denkmals signifikant reduzieren,
müsste es zu einer unglücklichen Verkettung solch ungewöhnlicher Umstände kommen, dass dies
zwar selbstverständlich noch als hypothetisch bestehende mathematische Wahrscheinlichkeit
ausgedrückt werden kann, aber in der Wirklichkeit so unwahrscheinlich ist, dass selbst die
Bezeichnung als Restrisiko dafür übertrieben wäre.
Selbst bei der strengsten möglichen Auslegung des Anwendungsbereichs der NFG-Pflicht des § 11 Abs.
1 DMSG auf Nachforschungen an Ort und Stelle mit nicht invasiven archäologischen
Feldforschungsmethoden, d.h. nur auf archäologischen Denkmalen, die bereits zum Zeitpunkt der
Durchführung der Nachforschungen gem. §§ 2a oder 3 DMSG unter Denkmalschutz stehen – d.h. auf
besonders bedeutenden archäologischen Fundstellen, die daher aller Wahrscheinlichkeit nach auch
als besonders fund- und befundreich zu betrachten sind – ist also die Eintrittswahrscheinlichkeit von
signifikanten Zerstörungen oder Veränderungen des betroffenen Denkmals bzw. seiner signifikanten
Bestandteile im Bereich des niemals auszuschließenden und auch nicht vermeidbaren Restrisikos
254
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
anzusetzen. Nachdem aber selbst auf derart geschützten Denkmalen deren Betreten und auch deren
im alltäglichen Rahmen stattfindende land- und forstwirtschaftliche Nutzung – z.B. die Bearbeitung
mit dem maschinengezogenen Pflug und Erntemaschinen, die Bepflanzung mit und Schlägerung von
Bäumen mit schweren Forstmaschinen, etc. – bewilligungsfrei erlaubt ist, sind auf derart geschützten
Bodenflächen vorhandene, besonders bedeutende Denkmale durch den alltäglichen Gebrauch weit
stärker gefährdet als durch ihre Erforschung mit zerstörungsfreien archäologischen
Feldforschungsmethoden.
Eine maßgebliche Gefährdung eines grundlegenden Rechtsgutes wird also selbst auf geschützten
Denkmalen durch die Verwendung nicht invasiver archäologischer Feldforschungsmethoden nicht
verursacht. Es kann daher auch im engeren Sinn nicht verhältnismäßig sein, die Wissenschaftsfreiheit
von über 99,9% aller Grundrechtsträger, archäologische Nachforschungen mit zerstörungsfreien
Methoden auf diesen Denkmalen durchzuführen, vollständig und die der verbleibenden weniger als
0,1% aller Grundrechtsträger, die ihre Qualifikation zur kompetenten Durchführung solcher
wissenschaftlicher Forschungen durch Abschluss einschlägiger Universitätsstudien bereits erfolgreich
nachgewiesen haben, nahezu vollständig zu beschränken. Schon allein aus diesem Grund kann nicht
nur die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG, sondern übrigens auch die noch viel weiterreichende
Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 8 DMSG, die jede Verwendung von Metall- und anderen
Bodensuchgeräten auf geschützten Denkmalen ohne Bewilligung des BDA untersagt, nicht im engeren
Sinn verhältnismäßig sein, selbst wenn Letztere ein allgemeines Gesetz darstellt, das zwar nicht
intentional in die Wissenschaftsfreiheit eingreift, diese aber dennoch maßgeblich (mit) beschränkt,
ohne dass es dafür eine sachliche Rechtfertigung gibt.
Daran vermögen auch die Bestimmungen des Art. 3.iii der Valletta-Konvention (Europarat 1992) nichts
zu ändern, die zwar vorsehen „den Einsatz von Metalldetektoren und anderen Suchgeräten oder von
Verfahren für archäologische Forschungsarbeiten von einer vorherigen Sondergenehmigung abhängig
zu machen…“, dies aber unmittelbar unter einen entsprechenden Gesetzesvorbehalt – „…soweit das
innerstaatliche Recht des Staates dies vorsieht“ – stellen. Genau dem steht aber in Österreich nicht
nur die verfassungsgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG entgegen,
sondern auch die ebenfalls zu berücksichtigenden Bestimmungen des Art. 4c der Faro-Konvention
(Europarat 2005), die vorsehen, dass „die Ausübung des Rechtes auf Kulturerbe nur jenen
Beschränkungen unterworfen werden kann, welche in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz
des öffentlichen Interesses sowie der Rechte und Freiheiten Dritter notwendig sind“. Teil des Rechtes
auf den Zugang zum Kulturerbe ist dabei aber – im aktuellen Kontext besonders relevant – auch die
Bürgerbeteiligung am „Prozess der Bestimmung, Erforschung, Deutung, des Schutzes, Bewahrung und
Darstellung des Kulturerbes“ (Art. 12a; Europarat 2005), die selbstverständlich auch das Recht zur
selbstbestimmten wissenschaftlichen Forschung zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung des
noch im Boden verborgenen archäologischen Kulturerbes umfassen muss, um tatsächlich als Teilhabe
im Sinne der Faro-Konvention und des entsprechenden Menschenrechtes des Art. 27 Abs. 1 AEMR
(bzw. Art. 15 Abs. 1-3 ICESCR) betrachtet werden zu können, das seinerseits auch das Recht auf
Teilhabe „am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften“ umfasst.
Nachdem selbst bei der strengsten möglichen Auslegung des Anwendungsbereichs der NFG-Pflicht
des § 11 Abs. 1 DMSG – ausschließlich auf denkmalgeschützten Bodenflächen – der dadurch
verursachte Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit bereits zwingend in engeren Sinn unverhältnismäßig
sein muss, müssen alle anderen möglichen, weiter gefassten Auslegungen des Anwendungsbereichs
des § 11 Abs. 1 DMSG nur noch kursorisch gemeinsam betrachtet werden.
Zu bemerken ist dabei insbesondere, dass jedwede Anwendung des § 11 Abs. 1 DMSG auf nicht
invasive archäologische Nachforschungen auf nicht bereits gem. §§ 2a, 3 oder zeitweilig 9 Abs. 3 DMSG
255
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
denkmalgeschützten Bodenflächen schon allein deshalb unmöglich im engeren Sinn verhältnismäßig
sein kann, als an der Erhaltung dort allfällig vorkommender Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG gar kein
rechtswirksames öffentliches Interesse besteht. In Ermangelung des Bestehens eines
rechtswirksamen öffentlichen Interesses an der unveränderten Erhaltung eines Denkmals steht
jedoch der Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG gar kein, geschweige denn ein diese
möglicherweise überwiegen könnendes, verfassungsgesetzlich geschütztes Rechtsgut entgegen, das
ihre intentionale Beschränkung durch den Gesetzgeber rechtfertigen könnte.
Aber selbst wenn man davon ausgehen will, dass auch bereits ein noch nicht rechtswirksam
gewordenes öffentliches Interesse an der Erhaltung noch nicht entdeckter, im Boden verborgener
Denkmale dafür ausreichen würde, ein verfassungsgesetzlich garantiertes Grundrecht wie die
Wissenschaftsfreiheit – sozusagen kraft einer schon vor der Entdeckung wirkenden gesetzlichen
Vermutung (die allerdings im DMSG ebenfalls erst ab dem Zeitpunkt der Entdeckung eines
Bodendenkmals iSd § 8 Abs. 1 DMSG rechtswirksam wird) – einzuschränken, kann aus den schon zuvor
genannten Gründen die durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG igF vorgenommene
Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit mit diesem Interesse der Allgemeinheit nicht im engeren
Sinn verhältnismäßig sein. Schließlich ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei beliebigen, mit
zerstörungsfreien Methoden durchgeführten, Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung und
Untersuchung von noch verborgenen Denkmalen solche Denkmale, deren Bedeutung tatsächlich
derart beschaffen ist, dass ihre Erhaltung aufgrund dieser Bedeutung im öffentlichen Interesse
gelegen ist, signifikant zerstört, verändert oder ins Ausland verbracht werden, noch viel
verschwindend geringer als auf bereits aus archäologischen Gründen denkmalgeschützten
Bodenflächen.
Das auf diesen nicht denkmalgeschützten Bodenflächen verbleibende Restrisiko mag vielleicht die
durch das Veränderungsverbot von bei solchen Nachforschungen entdeckten Bodendenkmalen des §
9 Abs. 3 DMSG verursachte Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit auf bis zu 6 Wochen ab Abgabe
der gem. § 8 Abs. 1 DMSG verpflichtenden Fundmeldung rechtfertigen: immerhin muss der Forscher
für diese Zeit von jedweder mit invasiven Methoden durchgeführten weiteren Nachforschung zum
Zwecke der (genaueren) Untersuchung der von ihm (oder Dritten) entdeckten, möglichen Denkmale
absehen und eine Entscheidung des BDA über ihre mögliche dauerhafte Erhaltungswürdigkeit
abwarten, was seine freie Ausübung der Wissenschaftsfreiheit bereits einigermaßen stark, wenn auch
nur relativ kurz, zeitweilig beschränkt. Eine vollständige Aufhebung der Wissenschaftsfreiheit von über
99.9% aller Grundrechtsträger und ihre beinahe vollständige Beschränkung für die verbleibenden
weniger als 0,1% aller Grundrechtsträger ist aber jedenfalls im engeren Sinn höchstgradig
unverhältnismäßig.
Überhaupt ist das einzige Argument, mit dem sich eine Beschränkung der Freiheit zur Durchführung
archäologischer Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung von noch im Boden
verborgenen Denkmalen mit nicht invasiven Forschungsmethoden irgendwie – wenn auch nur sehr
schlecht – begründen ließe, das Argument, dass durch die Entdeckung eines zuvor unbekannten
Denkmals unter der Erdoberfläche oder dem Grund unter Wasser die Wahrscheinlichkeit zunimmt,
dass es – ob unmittelbar nach seiner Entdeckung, wie das meist bei Metallsuchen der Fall ist, oder
erst zu späterer Zeit, wenn z.B. ein „Raubgräber“ durch diese Entdeckung auf den „neuen“ Fundort
aufmerksam und dadurch zu Bodeneingriffen an diesem Ort animiert wird – durch seiner Entdeckung
folgende, mit invasiven Methoden erfolgende Untersuchung zerstört, verändert oder ins Ausland
verbracht wird. Dieses Argument ist aber schon allein deshalb vollkommen absurd, als es, zu seinem
logisch zwingenden Ende durchgedacht, dazu führt, dass ein archäologisches Denkmal im Boden
überhaupt immer erst und nur dann mit dem Ziel die aus seiner Erforschung gewonnenen
256
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Erkenntnisse auch – wie wissenschaftlich erforderlich – veröffentlichen zu können erforscht werden
darf, wenn es vollständig ausgegraben und somit auch gänzlich zerstört wird. Bis zu seiner
vollständigen Untersuchung samt damit einhergehender Totalzerstörung in situ müssten sowohl die
Tatsache, dass an dem betroffenen Ort wissenschaftliche archäologische Untersuchungen
durchgeführt werden, als auch alle dabei getätigten Beobachtungen und gewonnenen Erkenntnisse
vollständiger Geheimhaltungspflicht (z.B. auch vor nicht beteiligten FachkollegInnen) unterworfen
werden (und die an der Untersuchung an Ort und Stelle teilgenommen habenden bzw. teilnehmenden
Personen interniert werden, damit sie nicht selbst heimlich bei Nacht und Nebel weitere
Untersuchungen an Ort und Stelle durchführen können).
Dem steht allerdings schon die Verpflichtung des BDA gem. § 11 Abs. 7 DMSG, „sämtliche eingehenden
Anzeigen und Berichte gemäß den §§ 8, 9 und 11 (einschließlich der Ergebnisse der vom
Bundesdenkmalamt selbst gemachten Funde) aus dem gesamten Bundesgebiet in einer Fundkartei zu
sammeln und, soweit sie wissenschaftlich relevant sind, im Rahmen eines jährlichen Druckwerkes als
übersichtliche Gesamtdokumentation zusammenzufassen“ diametral entgegen: will der Gesetzgeber
zuvor noch unbekannte Denkmale im Boden vor der durch ihre Entdeckung verursachten Erhöhung
der Wahrscheinlichkeit schützen, dass „Raubgräber“ aus der Veröffentlichung der
Fundstellenkoordinaten in wissenschaftlichen Publikationen erfolgversprechende Zielorte für ihre
unsachgemäßen Ausgrabungen gewinnen, dann dürfte er das BDA nicht dazu zwingen, die
Fundberichte aus Österreich zu veröffentlichen, sondern müsste ganz im Gegenteil absolute
Geheimhaltung über die noch nicht komplett ausgegrabene österreichische Archäologie verfügen.
Dass das nicht durchführbar ist, versteht sich von selbst.
Davon abgesehen würde es aber vor allem dem Grundgedanken des Denkmalschutzes selbst
diametral entgegenlaufen: Denkmalschutz ist schließlich kein Selbstzweck, und kann das auch nie sein,
sondern dem öffentlichen Interesse der Erhaltung liegt notwendigerweise immer das an ihrer
Nutzbarmachung für die Allgemeinheit zugrunde, und zwar nicht nur durch irgendeine zukünftige,
sondern auch und insbesondere durch die gegenwärtige. Nur dadurch gewinnt der Denkmalschutz
seinen Allgemeinwohlnutzen, der ausschließliche Grundlage des öffentlichen Interesses an der
Erhaltung der Denkmale ist. Daher lässt sich auch aus diesem Argument kein Grund gewinnen, der ein
Überwiegen des Denkmalschutzes in der Güterabwägung mit der Wissenschaftsfreiheit begründen
könnte. Jedweder Versuch, die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auch auf nicht invasive
archäologische Nachforschungen auszudehnen, ist also notwendigerweise im engeren Sinn
unverhältnismäßig und verletzt somit das Übermaßverbot der Verfassung.
Invasive Feldforschungsmethoden
Etwas anders verhält sich die Sache soweit invasive archäologische Nachforschungen betroffen sind.
Von diesen geht ja, wie bereits mehrfach ausgeführt, tatsächlich eine gewisse Gefahr für die Erhaltung
der Denkmale aus, eine Beschränkung der Freiheit, invasive archäologische Nachforschungen
durchzuführen, könnte also wenigstens in manchen Fällen auch im engeren Sinn verhältnismäßig sein.
NFG-Pflicht als Grabungsverbot für die Mehrheit der Grundrechtsträger auf geschützten Denkmalen
Geht man hier von der strengsten möglichen Auslegung des Anwendbarkeitsbereichs der NFG-Pflicht
des § 11 Abs. 1 DMSG aus – also nur auf gem. §§ 2a, 3 oder zeitweilig gem. § 9 Abs. 3 geschützten
Bodenflächen – steht hier der individuellen Freiheit zur Durchführung invasiver archäologischer
Untersuchungen ein tatsächlich auch rechtswirksames öffentliches Interesse an der Erhaltung der
Denkmale entgegen. Es ist dabei allerdings gleich zu bedenken, dass der Hauptgrund für das Bestehen
dieses öffentlichen Interesses – wie schon in den allgemeinen Erwägungen zur Gewichtung von
Denkmalschutz und Wissenschaftsfreiheit ausgeführt – primär der ist, dass diese Denkmale als
Primärquelle für archäologische Forschungen verfügbar bleiben. Gerade wenn es um die
257
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
uneingeschränkte Ausübung der Wissenschaftsfreiheit – also um Handlungen, die Denkmale als
wissenschaftliche Primärquellen für den archäologischen Erkenntnisgewinn nutzen, d.h. sie dem
Zweck zuführen wollen, der das öffentliche Interesse an ihrer Erhaltung letztendlich begründet – ist
also jede Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit, wie gering auch immer sie sein mag, inhärent
problematisch. Wo eine solche dennoch vorgenommen werden soll, muss sie daher jedenfalls immer
so gering als irgendwie möglich gehalten werden.
Nun greifen aber die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG, selbst wenn man ihre Anwendung
ausschließlich auf Nachforschungen auf geschützten Denkmalen beschränkt, massiv in den Kern der
Wissenschaftsfreiheit ein: für die überwältigende Mehrheit aller Grundrechtsträger hebt er die
verfassungsgesetzlich garantierte Individualfreiheit dadurch, dass die Bewilligungsmöglichkeit auf
AbsolventInnen eines einschlägigen Universitätsstudiums eingeschränkt wird, de facto vollständig auf.
Dass aber die Erhaltung der Denkmale – selbst der aufgrund der ihnen zukommenden besonderen
Bedeutung geschützten Denkmale – ein derart hohes Rechtsgut wäre, dass die vollständige Aufhebung
eines verfassungsgesetzlich vorbehaltlos garantierten Grundrechtes im engeren Sinn verhältnismäßig
wäre, scheint nicht nachvollziehbar.
Zwar kommt dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung von besonders bedeutenden Denkmalen
durchaus ein gewisses Gewicht zu, wie der Vergleich mit der Beschränkung der Eigentumsgarantie des
Art. 5 StGG (sowie Art. 1 1. ZProtEMRK und Art. 17 der EU-Grundrechtscharta; EU 2010) deutlich
macht: so rechtfertigt das öffentliche Interesse an der Erhaltung von Denkmalen durchaus die durch
die Unterschutzstellung gem. §§ 2, 2a oder 3 DMSG verursachten Eigentumsbeschränkungen (Berka
1999, 407; Bazil et al. 2015, 7). Dabei ist jedoch zuerst zu bedenken, dass der VfGH in Bezug auf diese
Eigentumsbeschränkungen bisher vor allem deshalb keine verfassungsrechtlichen Bedenken gehabt
zu haben scheint, weil das DMSG keine Verpflichtung des Denkmaleigentümers zu aktiven
Erhaltungsmaßnahmen kennt (Bazil et al. 2015, 7), d.h. zwar durchaus ein Eingriff in den Kern der
Eigentumsgarantie vorliegt, allerdings kein besonders massiver: dem Eigentümer wird nicht die
Nutzung seines Eigentums generell untersagt, sondern nur die intentionale Veränderung oder
Zerstörung der geschützten Sache (§ 4 Abs. 1 DMSG). Alle anderen Nutzungen seines Eigentums,
inklusive der geschützten Sache, bleiben hingegen unbeschränkt. Dennoch sind selbst dabei schon die
privaten Interessen des Eigentümers maximal zu schonen: kommen z.B. auf einem Teil eines
Grundstückes nachweislich archäologische Denkmale vor, deren Bedeutung so beschaffen ist, dass
ihre Erhaltung deswegen im öffentlichen Interesse gelegen ist, ist dennoch eine Unterschutzstellung
jener anderen Teile dieses Grundstücks, auf denen ein Vorkommen weiterer archäologischer
Denkmale zwar vermutet wird, aber noch nicht durch konkrete Hinweise auf ihr tatsächliches
Vorkommen als wahrscheinlich zu betrachten ist, zur größtmöglichen Schonung der Interessen des
Eigentümers nicht möglich (VwGH 21.1.1994, 93/09/0386).
Des Weiteren ist zu bedenken, dass die Eigentumsgarantie des Art. 5 StGG unter Gesetzesvorbehalt
steht und das Eigentumsrecht insbesondere der Sozialpflichtigkeit unterwirft (Berka 1999, 401), auch
wenn diese in Österreich vielleicht nicht so weit geht wie die Verpflichtung des Art. 14 Abs. 2 GG zur
allgemeinwohlorientierten Nutzung des Eigentums in Deutschland. Dennoch kann der Eigentümer
eines Denkmals, wenn dessen Unterschutzstellung mit seinen privaten Nutzungsinteressen in Konflikt
gerät, eine Genehmigung zur Veränderung oder Zerstörung des Denkmals gem. § 5 Abs. 1 beantragen.
Im Falle eines solchen Antrages hat das BDA die Gründe, die für und wider die Veränderung bzw.
Zerstörung des Denkmals sprechen, gegeneinander abzuwägen und, wenn die Ersteren überwiegen,
die Veränderung bzw. Zerstörung des Denkmals auch tatsächlich zu bewilligen.
Das dem Denkmalschutz zukommende Gewicht reicht also zwar durchaus dazu aus, die unter
Gesetzesvorbehalt stehende, sozialpflichtige Eigentumsgarantie bis zu einem gewissen Grad zu
258
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
beschränken; wobei in Fällen, in denen diese beiden Rechtsgüter kollidieren, eine im Einzelfall
vorzunehmende Güterabwägung durchzuführen ist. Das dem Denkmalschutz zukommende Gewicht
überwiegt jedoch das der Eigentumsgarantie zukommende Gewicht keineswegs so vollständig, dass
die Letztere für nahezu alle Grundrechtsträger aufgehoben werden könnte, wenn ein Teil ihres
Eigentums aufgrund der ihm zukommenden besonderen geschichtlichen, künstlerischen oder
sonstigen kulturellen Bedeutung unter Denkmalschutz gestellt wird.
Im Vergleich mit der Eigentumsgarantie ist der verfassungsgesetzliche Schutz der
Wissenschaftsfreiheit deutlich höher: als vorbehaltloses Grundrecht steht sie eben gerade nicht unter
Gesetzesvorbehalt. Hinzu kommt, dass die Wissenschaftsfreiheit zwar als Individualfreiheit geschützt
ist, wissenschaftliche Forschung aber generell als allgemeinwohlförderliches Handeln zu betrachten
ist: Wissenschaft ist schließlich im Sinne der Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 StGG „jedes planvolle und
methodische Bemühen um die Gewinnung objektiver Erkenntnisse, das sich einer intersubjektiven
Überprüfung stellt“ (Berka 1999, 343). Gerade in einer historischen Kulturwissenschaft wie der
Archäologie (Eggert 2006, 230-50), aber auch generell in allen Wissenschaften, ist für die erforderliche
intersubjektive Überprüfbarkeit jedoch insbesondere die Einbringung der Erkenntnisse des Forschers
in den wissenschaftlichen Diskurs (Pieroth et al. 2015, 176) und somit ihre Veröffentlichung
erforderlich. In diesem Sinn ist wissenschaftliche Forschung immer ein kollektives Unterfangen,
dessen Endziel bzw. „eigentliches Ideal“ (Berka 1999, 342) nicht bloß die private, sondern die
allgemeine, Wahrheitserkenntnis ist. Der durch die Individualfreiheit des Art. 17 Abs. 1 DMSG vor
staatlichen Eingriffen in seine wissenschaftlichen Forschungen geschützte Grundrechtsträger mag
dabei durchaus subjektiv in erster Linie zur Befriedigung seiner eigenen Neugier bzw. um für sich selbst
herauszufinden, was tatsächlich „die Wahrheit“ ist, seine Nachforschungen anstellen; aber er will und
muss auch – um überhaupt wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen zu können – bereit sein, die
Erkenntnisse, die er gewonnen zu haben glaubt, mit der Allgemeinheit – die daraus dann ihrerseits
Nutzen ziehen kann – zu teilen.
Nun ist es aber eine der zentralen Grundprämissen der Wissenschaft ganz generell, dass – wenigstens
prinzipiell – jeder „normale“ Mensch dazu im Stande ist, wissenschaftliche Erkenntnis zu gewinnen:
das Prinzip der (idealerweise allgemeinen) Nachvollziehbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnis ist, was
die moderne Wissenschaft überhaupt erst ausmacht. Kann aber jeder „normale“ Mensch
wissenschaftliche Erkenntnisse, die andere gewonnen haben, durch sein selbstständiges, vernünftiges
Denken selbst nachvollziehen, dann muss er zwingend – wenigstens theoretisch betrachtet – auch
dazu im Stande sein, durch sein selbstständiges, vernünftiges Denken wissenschaftliche Erkenntnisse
zu gewinnen, die noch niemand anderer vor ihm gewonnen hat. Dieses zentrale Prinzip der
Wissenschaft leitet sich letztendlich direkt aus der Aufklärung ab (Kant 1784, 481). Damit ist die
Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG zwingend auch ein Jedermannsrecht, das auch nicht vom
Nachweis einer förmlichen Qualifikation abhängig sein kann (Berka 1999, 343). Eine Unterscheidung
zwischen einer verschwindend geringen Minderheit von Personen, die invasive archäologische
Nachforschungen (und sei es nur unter bestimmten Voraussetzungen) auf geschützten Denkmalen
durchführen dürfen, und einer überwältigenden Mehrheit aller anderen Grundrechtsträger, die gar
keine invasiven archäologischen Untersuchungen auf geschützten Denkmalen durchführen dürfen,
wie sie durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG igF vorgenommen wird, die ausschließlich auf
einer ebensolchen förmlichen Qualifikation – eben den Abschluss eines einschlägigen archäologischen
Universitätsstudiums – beruht, kann daher nicht im engeren Sinn verhältnismäßig sein.
Das bedeutet natürlich nicht, dass jemand, der sich auf die Wissenschaftsfreiheit berufen möchte,
nicht dennoch „die für eine eigenständige wissenschaftliche Arbeit erforderlichen fachlichen
Voraussetzungen verfügen“ (Berka 199, 343), d.h. ausreichend kompetent sein muss, um sich auch
259
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
tatsächlich planvoll und methodisch um die Gewinnung objektiver Erkenntnisse bemühen zu können.
Wissenschaftliche Forschung setzt natürlich gewisse Fachkenntnisse voraus – z.B. darüber, welche
fachlich anerkannten Forschungsmethoden zur Verfügung stehen und wie diese korrekt angewendet
werden können; was allerdings auch die Abweichung vom fachlich anerkannten Methodenkanon nicht
ausschließt, solange diese begründet oder auch nur die dennoch methodische Natur des
abweichenden Vorgehens gezeigt werden kann (siehe dazu noch extremer Feyerabend 1986) – weil
sie sich immer bis zu einem gewissen Grad an der vorhergehenden Forschung orientiert, sei es nun in
Form eines Versuchs der Bestätigung, Weiterentwicklung oder Widerlegung der dadurch gewonnenen
Ergebnisse. Auch muss man den Erkenntnisstand in einer Wissenschaft einigermaßen kennen, um
überhaupt neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen zu können, was ebenfalls eines der Ziele
wissenschaftlicher Forschung ist.
Dieses erforderliche Wissen und die ebenso erforderlichen praktischen Kompetenzen kann man aber
auch auf anderem Weg als durch ein einschlägiges Universitätsstudium erwerben, sei es durch andere
Arten der Ausbildung (wie z.B. eine Lehre als Grabungstechniker nach dem „Frankfurter Modell“ in
Deutschland; RGK & VLA 2005), aber auch als Autodidakt. Zwar mag der Weg des autodidaktischen
Erwerbs der notwendigen Kenntnisse und Kompetenzen maßgeblich schwerer erfolgreich zu
beschreiten sein als durch Absolvierung einer – ob universitären oder außeruniversitären –
einschlägigen Ausbildung, ausgeschlossen kann er aber auch in der Archäologie – ebenso wie in allen
anderen Wissenschaften auch – dennoch nicht werden.
NFG-Pflicht zur Wissenschaftlichkeitsprüfung geplanter Nachforschungen auf geschützten Denkmalen
Sofern eine NFG-Pflicht nicht verfassungswidriger Weise über 99,9% aller Grundrechtsträger die
Freiheit, selbstständig auch invasive archäologische Nachforschungen auf geschützten Denkmalen
durchzuführen nimmt, wie das z.B. die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG bis zur Novelle BGBl.
473/1990 nicht getan haben (selbst in der letztgenannten Novelle war noch eine
Genehmigungsmöglichkeit für solche Personen vorgesehen, die, wenn sie kein einschlägiges Studium
absolviert hatten, einen kommissionellen Befähigungsnachweis erbracht hatten), könnte sie als Mittel
zur Überprüfung der Wissenschaftlichkeit geplanter Nachforschungen im engeren Sinn mit der
dadurch verursachten Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit verhältnismäßig sein. Denn wird die
Wissenschaftsfreiheit rechtlich korrekt als Jedermannsrecht ausgelegt, besteht eine signifikante
Chance, dass auch solche Personen invasive Nachforschungen auf geschützten Denkmalen
durchführen wollen könnten, die entweder ihre eigene Fachkompetenz – z.B. ob fehlender
einschlägiger Ausbildung, wie das häufiger bei „Hobbyforschern“ vorkommt – signifikant
überschätzen oder sich sogar nur deshalb auf die Wissenschaftsfreiheit berufen, um ein allfälliges
Verbot unwissenschaftlicher Grabungen und sonstiger Nachforschungen auf geschützten Denkmalen
durch Vorspiegelung falscher Tatsachen umgehen zu können, ohne tatsächlich ein ernstzunehmendes
wissenschaftliches Forschungsinteresse und die erforderlichen Kenntnisse und Kompetenzen
erworben zu haben (d.h. um „Raubgrabungen“ im weiter oben definierten Sinn vornehmen zu
können; Seiten 188-194).
Ziel der gesetzlichen NFG-Pflicht wäre es in diesem Fall also tatsächlich, durch eine ex ante-Prüfung
der Pläne des Forschenden für die Durchführung seines Projektes tatsächlich wissenschaftliche
invasive Untersuchungen von – ob nun irrtümlich oder vorsätzlich – unwissenschaftlichen invasiven
Nachforschungen unterscheiden und Letztere durch Verweigerung der erforderlichen Bewilligung
untersagen zu können. Das entspräche einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (Krischok
2016, 128; Pieroth et al. 2015, 75), das sich dadurch rechtfertigen ließe, dass Denkmale durch dieses
Verbot eigentlich gerade nicht vor wissenschaftlichen, sondern ganz im Gegenteil vor
unwissenschaftlichen Nachforschungshandlungen geschützt werden sollen. In diesem Fall würden
260
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
wissenschaftliche Nachforschungen nur insofern durch die NFG-Pflicht betroffen, als
selbstverständlich für die Verhinderung nichtwissenschaftlicher Nachforschungen alle
Nachforschungen (d.h. selbstverständlich auch die, die sich bei der behördlichen Prüfung als solche
von tatsächlich wissenschaftlichem Charakter erweisen) der Überprüfung unterworfen werden
müssen und deshalb auch NFG-pflichtig sind.
Dies würde zwar ebenfalls einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit darstellen, es lässt sich allerdings
hier argumentieren, dass das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Erhaltung der Denkmale in
diesem Fall das der Wissenschaftsfreiheit überwiegt, denn die Schwere des Eingriffs in die
Wissenschaftsfreiheit wäre verhältnismäßig gering: tatsächlich hätte in diesem Fall die zuständige
Behörde oder sonstige Instanz geplante Nachforschungen nur generell darauf zu prüfen, ob sie das
Kriterium der Wissenschaftlichkeit erfüllen; falls dieses erfüllt wird, wäre die beantragte Genehmigung
dann auch zu erteilen (in etwa diesem Sinne auch Krischok 2016, 138). Damit würde in den
Kernbereich der Wissenschaftsfreiheit gar nicht eingegriffen, sondern sie nur randlich tangiert: der
Forscher hätte weiterhin die freie Wahl seiner Forschungsgegenstände, seiner Methoden und der
Verbreitung seiner Erkenntnisse; er kann nur nicht sofort, ohne seine Pläne zuvor der zuständigen
Instanz zur intersubjektiven Prüfung vorgelegt zu haben, von der Planung zur Durchführung seiner
Forschungen voranschreiten. Dieser Verpflichtung zum – bei vorausschauender Planung durch den
Wissenschafter nicht einmal zu Verzögerungen für sein Forschungsprojekt führenden – Einlegen einer
kurzfristigen Pause zwischen Abschluss der theoretischen Planung und praktischen Durchführung der
Feldforschungen steht bei geschützten Denkmalen das in diesem Fall deutlich höhere Gewicht des
öffentlichen Interesses am Schutz der Denkmale vor durch unwissenschaftliche invasive Handlungen
verursachten Schadens gegenüber.
NFG-Pflicht zur Standardisierung wissenschaftlicher Nachforschungen auf geschützten Denkmalen
Die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF stellt jedoch einen deutlich schwerwiegenderen Eingriff in
die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG dar, indem sie überhaupt nur Grabungen und
sonstige (invasive) Nachforschungen mit wissenschaftlichem Entdeckungs- und Untersuchungszweck
betrifft und noch dazu als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt gestaltet ist: es wird eben
gerade nicht nur eine Überprüfung der Wissenschaftlichkeit der geplanten Nachforschungen
vorgenommen. Vielmehr besteht nicht einmal dann ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der
Bewilligung, wenn der Antragsteller und seine geplanten Nachforschungen alle gesetzlichen Kriterien
für die Erteilung der Genehmigung erfüllen, sondern ist eine Ermessensentscheidung der Behörde
(Bazil et al. 2015, 64). Unter den möglichen Abweisungsgründen finden sich z.B. auch berechtigte
Bedenken gegen die Vertrauenswürdigkeit des Antragstellers, z.B. wenn dieser bereits zu früherer Zeit
gegen die Bestimmungen des DMSG verstoßen hat (ibid.). Dass das, wenn z.B. ein graduierter
Archäologe, der als selbstständig Erwerbstätiger ein Grabungsunternehmen betreibt, auch nur einmal
gegen Auflagen in Genehmigungsbescheiden gem. § 11 Abs. 1 DMSG verstoßen hat, de facto ein
lebenslanges Berufsverbot darstellen kann – es gibt schließlich von da an berechtigte Bedenken gegen
seine
Vertrauenswürdigkeit,
die
eine
Abweisung
aller
seiner
zukünftigen
Grabungsgenehmigungsanträge ermöglichen – sei hier nur am Rande erwähnt.
Vielmehr scheint das BDA in seiner derzeitigen Anwendungspraxis die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1
DMSG überhaupt nicht zur Überprüfung der Wissenschaftlichkeit geplanter Nachforschungen,
sondern vielmehr in erster Linie als Mittel zur Standardisierung wissenschaftlicher Nachforschungen
zu verwenden, die von graduierten ArchäologInnen geplant und durchgeführt werden. Diese
Standardisierung erfolgt dabei durch die Richtlinien (BDA 2016a; 2018), die Bescheiden gem. § 11 Abs.
1 DMSG igF regelhaft als verbindlich einzuhaltende Auflagen angeschlossen werden. Die vom BDA als
„generelle Ausformulierung der für die Durchführung archäologischer Maßnahmen festzusetzenden
261
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
»Einschränkungen, Auflagen und Sonderregelungen […] hinsichtlich […] der Art der Durchführung,
Meldepflichten, Kontrollen usw.)«“ (BDA 2018, 2) betrachteten Richtlinien sind dabei teilweise enorm
spezifisch, was anzuwendende Forschungsmethoden und sogar das Speicherformat und die
Formatierung von abzugebenden Unterlagen betrifft.
So z.B. bestimmt das BDA in den Richtlinien, dass archäologische Grabungen „entsprechend der
stratigrafischen Grabungsmethode“ (BDA 2018, 15) zu erfolgen hätten, wobei „jede stratigrafische
Einheit […] zu dokumentieren und mit einer eigenen fortlaufenden Zahl in arabischen Ziffern zu
bezeichnen“ (ibid.) ist. Ebenso schreibt es vor, dass „die gesamten Dokumentationsunterlagen
einschließlich aller Berichte […] in deutscher Sprache abzufassen“ (BDA 2018, 36; Hervorhebung: RK)
sind. Inwieweit die Verpflichtung auch von Angehörigen anerkannter Minderheiten mit
nichtdeutscher Muttersprache, die bei ihren Forschungen (eventuell sogar in ihrem zweisprachigen
Heimatbezirk) angefertigten Dokumentationen auf Deutsch statt in ihrer Muttersprache zu verfassen,
mit den Bestimmungen des Volksgruppengesetzes vereinbar sind, sei hier dahingestellt. Ja es schreibt
sogar – für den gesetzlich gar nicht verpflichtend vorgesehen „Teil B“ (BDA 2018, 36, 38-9; vgl. § 11
Abs. 6 DMSG) – der dem BDA zu übermittelnden Berichte Schriftart, Schriftgröße, Zeilenabstand, etc.
vor und macht sogar Vorgaben zur farblich codierten Gestaltung von digitalen Dokumentationen (BDA
2018, Innenseite hinteres Deckblatt).
Zwar gestattet das BDA – wenigstens theoretisch – inhaltliche Abweichungen von den in den
Richtlinien gemachten Vorgaben, diese sind jedoch – wenn sie bereits vor dem Beginn der geplanten
Maßnahme bekannt sind – schon im Antrag „fachlich ausreichend“ (BDA 2018, 3) zu begründen oder
bedürfen – wenn sie sich erst im Verlauf der Durchführung der Maßnahme ergeben – laut eigener
Bescheidauflage in Bewilligungsbescheiden der separaten Bewilligung durch das BDA. Damit schränkt
das BDA nicht nur die Wahl des Wissenschafters über die Gegenstände seiner Forschung, sondern
auch die Wahl seiner Forschungsmethoden massiv ein und beauflagt ihn sogar bezüglich der Details
der Formatierung von Berichtsteilen und Dokumentationsunterlagen über seine Erkenntnisse, zu
deren Übermittlung an das BDA er gesetzlich eigentlich gar nicht verpflichtet ist. Wenn nichts Anderes
muss er schließlich inhaltliche Abweichungen fachlich begründen und das BDA kann – wenn es mit
diesen Begründungen aus welchen Gründen auch immer nicht zufrieden ist – die Erteilung der
beantragten Bewilligung verweigern oder entgegen der beantragten Abweichungen dennoch die
Einhaltung der Richtlinien vorschreiben.
Ein solcher Versuch der Standardisierung invasiver archäologischer Nachforschungen im Wege von
Richtlinien stellt jedenfalls einen gravierenden Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1
StGG dar; vor allem, wenn man bedenkt, dass eine unbewilligte Abweichung von diesen schließlich als
Bescheidauflage rechtskräftig werdenden Vorgaben zur Durchführung invasiver archäologischer
Nachforschungen in weiterer Folge vom BDA als berechtigter Grund für Zweifel an der
Vertrauenswürdigkeit des betroffenen Wissenschafters und damit zur Abweisung seiner weiteren
Anträge auf Erteilung einer NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG herangezogen werden kann. De facto wird
dadurch die verfassungsgesetzlich garantierte Individualfreiheit des Grundrechtsträgers, seine
wissenschaftlichen Forschungen selbstbestimmt zu gestalten und durchzuführen auf die Freiheit
beschränkt, diese an jenen Orten auf die Weise durchzuführen, wie es dem Staat bzw. seinen Organen
im BDA gefällt.
Zwar kann eine gewisse Standardisierung invasiver wissenschaftlicher Nachforschungen, z.B. in
Hinblick darauf, welche Beobachtungen jedenfalls anzustellen und in einer wissenschaftlich
geeigneten Form zu dokumentieren sind, durchaus aus einem öffentlichen Interesse an der Erhaltung
der in diesen Denkmalen gespeicherten historischen Informationen erwachsen, das sich eventuell
mittelbar aus dem rechtskräftigen öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Denkmals selbst
262
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
ableiten lässt. Das DMSG schützt aber eigentlich nur körperliche Gegenstände von geschichtlicher,
künstlerischer und sonstiger kultureller Bedeutung in ihrer historisch gewachsenen Erscheinung und
Substanz (§ 1 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 1 DMSG), nicht die in den Denkmalen gespeicherte historische,
künstlerische oder sonstige kulturelle Information im Sinne eines „Wachhaltens des Gedenkens“ (Bazil
et al. 2015, 16-7, 38) nach der physischen Zerstörung des Denkmals.
Daher können gerade nicht die „Bestandteile sowie die Dokumentationsunterlagen […] in ihrer
Gesamtheit an die Stelle des durch die archäologische Maßnahme veränderten oder zerstörten
Bodendenkmals“ (BDA 2018, 2) treten, wie es das BDA in seinen Richtlinien ohne jedwede
Rechtsgrundlage postuliert. Das würde nämlich bedeuten, dass die Erhaltung eines jeden Denkmals
auch schon allein durch seine sachgerechte Dokumentation erreicht werden könnte, ohne dass das
Denkmal selbst auch körperlich erhalten bleiben müsste, was aber dem Grundanliegen des DMSG
diametral widerspricht (siehe dazu sinngemäß Bazil et al. 2015, 16-7). Dass dem gegebenenfalls auch
an der „Erhaltung durch Dokumentation“ des Denkmals möglicherweise bestehende, allerdings
jedenfalls seiner unveränderten körperlichen Erhaltung seiner Substanz und historisch gewachsenen
Erscheinung deutlich nachgeordnete öffentliche Interesse jedoch ein derart hohes Gewicht zukäme,
dass dadurch eine nahezu vollständige, intentionale Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit
gerechtfertigt werden könnte, erscheint nicht vertretbar.
Zu bedenken ist hier insbesondere, dass invasive archäologische Nachforschungen auf geschützten
Denkmalen gem. § 11 Abs. 5 DMSG „wegen der damit zwangsläufig verbundenen Veränderungen oder
Zerstörungen auf jeden Fall auch der Bewilligung des Bundesdenkmalamtes gemäß § 5 Abs. 1“
bedürfen. Eine Bewilligung gem. § 5 Abs. 1 DMSG kann jedoch – nachdem die dabei vorzunehmende
Interessensabwägung keine Ermessensentscheidung der Behörde ist (Bazil et al 2015, 47) – nur dann
erteilt werden, wenn die privaten oder öffentlichen Interessen, die für die Zerstörung oder
Veränderung des Denkmals sprechen, das öffentliche Interesse an der unveränderten Erhaltung des
Denkmals überwiegen. Zu den öffentlichen Interessen, die für die Zerstörung oder Veränderung eines
geschützten Denkmals sprechen, kann nun natürlich auch seine wissenschaftliche Erforschung mit
invasiven archäologischen Nachforschungsmethoden gehören. Überwiegt nun aber das öffentliche
Interesse an der wissenschaftlichen Erforschung des Denkmals mit invasiven archäologischen
Nachforschungsmethoden das öffentliche Interesse an seiner Erhaltung, lässt sich nicht postulieren,
dass das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieses Denkmals das kombinierte öffentliche und
private Interesse an seiner freien wissenschaftlichen Erforschung überwiegen würde und daher eine
wie auch immer geartete Beschränkung der freien Methodenwahl des Forschers möglich ist.
Ähnlich wie Heike Krischok (2016, 136-7) für die Bestimmung des Zeitpunkts feststellt, „wann die
Methodik und Dokumentationsmöglichkeiten weit genug entwickelt sind, um den geeigneten
Zeitpunkt für die Ausgrabung zu bilden“ (Krischok 2016, 137), ist es mit der Wissenschaftsfreiheit auch
nicht vereinbar, dass eine Behörde darüber entscheiden soll, welche generell wissenschaftlich
anerkannte invasive archäologische Nachforschungsmethode für die derzeit geplante Untersuchung
eines Denkmals geeignet ist. Vielmehr ist genau diese Frage „nicht mehr (oder weniger) als ein
wissenschaftsethisches Problem, das jeder Wissenschaftler für sich entscheiden muss. Das gerade ist
jener Bereich, der die Eigengesetzlichkeit der Wissenschaftsfreiheit ausmacht“ (ibid.).
Daher kann die Verwendung der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG als Mittel zur Standardisierung
invasiver Nachforschungen nicht einmal auf gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschützten Denkmalen im
engeren Sinn verhältnismäßig mit der dadurch verursachten Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit
sein. Die derzeitige Anwendungspraxis des BDA verletzt also jedenfalls das Übermaßverbot der
Bundesverfassung.
263
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Die Anwendung der NFG-Pflicht auf bereits bekannte, nicht denkmalgeschützte, Fundstellen
In seiner bisherigen Handhabungspraxis und – soweit sich das aus den neuen Richtlinien des BDA
(2018, 10-20) ableiten lässt – auch in seiner geplanten zukünftigen Anwendungspraxis legte und legt
das BDA die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG aber noch deutlich weiter aus als die bisher diskutierten
Möglichkeiten. Soweit sich das für mich derzeit beurteilen lässt, geht es davon aus, dass jede mit
archäologischer Entdeckungs- und/oder Untersuchungsabsicht durchgeführte Feldforschung auch
weiterhin vollinhaltlich der NFG-Pflicht unterliegt, und zwar unabhängig davon, ob auf der
untersuchten Bodenfläche irgendwelche gem. §§ 2a oder 3 (oder auch nur 9 Abs. 3) DMSG
geschützten Denkmale vorkommen oder nicht. Tatsächlich lässt sich auch – wie schon weiter oben
ausgeführt (Seiten 10-13) – das Erkenntnis des VwGH vom 23.2.2017, Ro 2016/09/0008 mit viel gutem
Willen und Bauchweh eventuell derart interpretieren, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG
wenigstens auch auf solchen Bodenflächen Anwendung finden könnte, die zwar noch nicht
rechtskräftig unter Denkmalschutz stehen, aber von denen wenigstens bereits konkrete Hinweise auf
das Vorkommen denkmalschutzrelevanter Funde bekannt sind; d.h. dass diese wenigstens auch auf
schon bekannten archäologischen Fundstellen gilt, wenn auf diesen (wenigstens invasive)
Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung von auf diesen Bodenflächen
vorkommenden Denkmalen durchgeführt werden sollen (aber siehe dagegen schon Seiten 17-26).
Wäre dem so, wäre auch hier eine Abwägung zwischen dem Rechtsgut Denkmalschutz und die durch
die zu dessen Schutz vorgesehene NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG erzeugten, sehr
schwerwiegenden, Eingriffe in den Kernbereich der Wissenschaftsfreiheit im Bereich der
Durchführung invasiver wissenschaftlicher Feldforschungen vorzunehmen.
Dabei ist aber gleich zu bedenken, dass gerade an der Erhaltung bereits bekannter, aber nicht gem. §§
2a oder 3 DMSG unter Denkmalschutz gestellter, archäologischer Fundstellen ein rechtswirksames
öffentliches Interesse gem. § 9 Abs. 3 DMSG nur vom Zeitpunkt ihrer Entdeckung an kraft gesetzlicher
Vermutung und längstens auf die Dauer von sechs Wochen ab Abgabe der Fundmeldung, durch die
sie bekannt wurden, besteht (d.h. 6 Wochen und einen Werktag ab dem Zeitpunkt ihrer Entdeckung,
vorausgesetzt ihr Finder hat die in der Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG festgesetzte Meldefrist
von maximal einem Werktag ab der Entdeckung des Fundgegenstandes beachtet). Während dieser
Zeit stehen sie „einheitlich gemäß den Bestimmungen bei Unterschutzstellungen durch Bescheid“ (§ 9
Abs. 3 DMSG) unter Denkmalschutz, d.h. sie gelten iSd § 1 Abs. 4 DMSG als gem. § 3 DMSG unter
Schutz gestellt. In Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG gilt also
bezüglich diesen Denkmalen für die Dauer ihrer zeitweiligen Unterschutzstellung das in den
vorangehenden Unterkapiteln Gesagte.
Die automatische Unterschutzstellung von Bodendenkmalen des § 9 Abs. 3 DMSG von 6 Wochen ab
Abgabe der Fundmeldung dient dabei offensichtlich dem Zweck, dem BDA die Zeit und Möglichkeit
der fachlichen Begutachtung der entdeckten Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG einzuräumen, um:
1) fachlich zu beurteilen, ob es sich bei den aufgefundenen Gegenständen überhaupt um
Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG handelt;
2) die in der Fachwelt vorherrschende Wertschätzung der geschichtlichen, künstlerischen und
sonstigen kulturellen Bedeutung jener davon, die tatsächlich Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG
sind, sachverständig zu bestimmen; und
3) erforderlichenfalls, wenn diese Bedeutung derart beschaffen ist, dass ob dieser iSd § 1 Abs. 2
DMSG ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung iSd. § 1 Abs. 1 DMSG besteht, die (dann
zeitlich unbefristete) Unterschutzstellung dieser Denkmale „in allen Fällen nach den
Rechtsfolgen für Unterschutzstellungen durch Bescheid gemäß § 3 Abs. 1“ (§ 9 Abs. 3 DMSG)
zu verfügen.
264
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Das Ziel, das der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung erreichen will, ist also offensichtlich: er will damit
verhindern, dass neu entdeckte – d.h. zuvor gänzlich unbekannte – Gegenstände, die Denkmale sein
könnten, deren Bedeutung derart beschaffen ist, dass ihre Erhaltung iSd § 1 Abs. 1 DMSG im
öffentlichen Interesse gelegen ist, während der Zeit, die das BDA dafür braucht, ihre Bedeutung
sachverständig zu ermitteln und rechtlich zu beurteilen, rechtmäßig zerstört, verändert oder ins
Ausland verbracht werden können. Daher behandelt er rechtlich diese neu entdeckten Sachen
zeitweilig, sozusagen auf den bloßen Verdacht hin, dass es sich bei ihnen um schützenswerte
Denkmale handeln könnte, so, als ob sie tatsächlich solche Denkmale wären, eben gemäß den
Bestimmungen bei Unterschutzstellungen durch Bescheid. D.h. er behandelt sie vorerst – für die Zeit,
die das BDA benötigt, um festzustellen, ob das tatsächlich der Fall ist oder nicht – als ob ein
öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung bestehen würde, auch wenn sich zu späterer Zeit – nachdem
das BDA ihre Bedeutung beurteilt hat – herausstellen sollte, dass ein solches Interesse nicht besteht
und auch tatsächlich nie bestanden hat.
Das hat bezüglich bereits bekannter archäologischer Fundstellen, die dem BDA bereits länger als die
in § 9 Abs. 3 DMSG genannten 6 Wochen bekannt, aber nicht gem. §§ 2a oder (ob in einem
beschleunigten Verfahren während der 6 Wochen Frist des § 9 Abs. 3 DMSG oder einem unabhängig
davon nach Ende dieser Frist ergangenen Bescheid gem.) § 3 Abs. 1 DMSG unter Denkmalschutz
gestellt worden sind, für die hier vorzunehmende Güterabwägung zwischen dem Rechtsgut
Denkmalschutz und der Wissenschaftsfreiheit maßgebliche Konsequenzen. Nachdem das BDA die
jeweils konkret betroffene Fundstelle bereits kennt, hatte es – ob während der 6 Wochen Frist des §
9 Abs. 3 DMSG oder auch nach deren Auslaufen – bereits alle erdenklichen Möglichkeiten, die
geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung dieses Denkmals sachverständig zu
bestimmen und somit auch die Frage, ob ein öffentliches Interesse iSd § 1 Abs. 2 an seiner Erhaltung
iSd § 1 Abs. 1 DMSG tatsächlich besteht oder sein Bestehen iSd § 1 Abs. 5 DMSG wenigstens
wahrscheinlich ist, abschließend zu beantworten. Tatsächlich ist das BDA aufgrund der Bestimmungen
des § 9 Abs. 3 DMSG und der allgemeinen Erforderlichkeit, für allfällige Verfügungsberechtigte
bezüglich dieses Denkmals baldmöglichst Rechtssicherheit herzustellen, sogar gesetzlich dazu
verpflichtet, das betreffende Denkmal fristgerecht sachverständig zu begutachten und aufgrund
dieser Begutachtung rechtlich zu beurteilen, ob seine Erhaltung iSd § 1 Abs. 1 DMSG im öffentlichen
Interesse gelegen ist und es daher den Bestimmungen des DMSG unterliegt; oder ob ein solches
öffentliches Interesse an seiner Erhaltung tatsächlich nicht besteht und allfällige
Verfügungsberechtigte mit dieser Sache daher verfahren dürfen, wie es ihnen (im Rahmen der
sonstigen Gesetzgebung erlaubterweise) gefällt.
Das bedeutet nun aber wiederum, dass es im rechtlichen Sinn als positiv bewiesen zu gelten hat, dass
an der Erhaltung einer bereits bekannten archäologischen Fundstelle tatsächlich kein öffentliches
Interesse besteht, wenn das BDA binnen der 6 Wochen Frist, die ihm durch die Bestimmungen des §
9 Abs. 3 DMSG zur Beurteilung der Denkmalwürdigkeit dieser Fundstelle eingeräumt wurden, durch
Erlassung eines Bescheides, in dem es das Nichtbestehen des öffentlichen Erhaltungsinteresses
festgestellt hat, oder auch nur durch die Unterlassung die Unterschutzstellung dieser Fundstelle gem.
§ 3 Abs. 1 DMSG bescheidmäßig zu verfügen, diese Fundstelle nicht zeitlich unbeschränkt unter
Denkmalschutz gestellt hat. In einem solchen Fall hat das BDA eben bereits – ob nun durch Handlung
oder Unterlassung – abschließend aufgrund seiner sachverständigen Beurteilung der in der Fachwelt
vorherrschenden Wertschätzung der Bedeutung der betreffenden archäologischen Fundstelle
festgestellt, dass diese nicht derart beschaffen ist, dass ihre Erhaltung iSd § 1 Abs. 1 DMSG im
öffentlichen Interesse gelegen ist (siehe dazu auch explizit RV 1990, 19-20).
265
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Daraus folgt aber zwingend, dass der freien – auch der mit invasiven Methoden erfolgenden –
wissenschaftlichen Erforschung dieser Fundstelle kein öffentliches Interesse entgegensteht, das eine
Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG rechtfertigen könnte: es kann in
diesem Fall nicht einmal mehr eine gesetzliche Vermutung bestehen, dass die Erhaltung des
betreffenden Denkmals im öffentlichen Interesse gelegen sein könnte, weil das Nichtbestehen
ebendieses Interesses bezüglich ebendieses konkreten Denkmals bereits behördlich festgestellt
worden ist.
Das BDA als zuständige Vollzugsbehörde kann sich in diesem Fall auch nicht auf die Position
zurückziehen, dass es – aus welchen Gründen auch immer – bloß noch nicht dazu gekommen sei, die
erforderliche sachverständige Begutachtung und rechtliche Beurteilung der Bedeutung dieses –
nunmehr ja bereits amtsbekannten – Denkmals durchzuführen, weshalb dieses Denkmal weiterhin
den Schutz des DMSG genießen würde: erstens ist es seine Aufgabe, diese Beurteilung fristgerecht
vorzunehmen; zweitens begründet die Tatsache, dass das BDA noch nicht dazu gekommen ist, alle
noch nicht unter Denkmalschutz stehenden, von Menschen geschaffenen Sachen in Österreich
sachverständig zu begutachten, auch nicht, dass beliebige Sachen automatisch so lange
irgendwelchen Bestimmungen des DMSG unterliegen, bis das BDA bescheidmäßig das Gegenteil
festgestellt hat; und drittens darf diese Fundstelle – inklusive der darin befindlichen beweglichen
Kleinfunde – ab Ende der Frist des § 9 Abs. 3 DMSG von Verfügungsberechtigten auch tatsächlich
jederzeit vollkommen rechtmäßig zerstört, verändert oder sogar ins Ausland verbracht werden, die
Fundstelle wird also tatsächlich nicht iSd § 1 Abs. 1 DMSG erhalten. Jedwede Beschränkung der
Wissenschaftsfreiheit bezüglich dieser Fundstelle wäre daher jedenfalls notwendigerweise im
engeren Sinn unverhältnismäßig und verstößt daher gegen das Übermaßverbot der
Bundesverfassung.
Ebenso kann sich das BDA nicht auf die Position zurückziehen, dass ja auf der Fundstelle
möglicherweise andere, noch gänzlich im verborgenen gelegene Gegenstände, die infolge ihrer Lage,
Form oder Beschaffenheit offenkundig den Bestimmungen des DMSG unterliegen könnten und daher
als Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 zu betrachten sind, vorkommen könnten und daher die
Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG weiterhin Anwendung finden können. Dies kann schon allein
deshalb nicht der Fall sein, weil gem. § 1 Abs. 9 DMSG durch die Unterschutzstellung eines Denkmals
„auch alle seine Bestandteile und das Zubehör sowie alle übrigen mit dem Denkmal verbundenen, sein
überliefertes oder gewachsenes Erscheinungsbild im Inneren oder Äußeren mitprägenden oder den
Bestand (die Substanz) berührenden Teile mit einbezogen“ werden. Es betrachtet daher nicht nur das
BDA in Bezug auf archäologische Fundstellen, die es – wie schon oben erwähnt (Seiten 150-153) – als
das eigentliche Bodendenkmal betrachtet, rechtlich korrekt alle zur Fundstelle gehörenden
unbeweglichen Befunde und beweglichen Kleinfunde, Proben, etc. als Bestandteile des Denkmals
(BDA 2018, 2), sondern auch der Gesetzgeber geht vom Einzeldenkmal als Einheit
zusammengehörender, d.h. in einem Sinnzusammenhang stehender, Bestandteile aus. Daher ist in
einem Unterschutzstellungsverfahren gem. § 3 DMSG auch stets die Bedeutung des Einzeldenkmals,
aber genauso die von Ensembles oder Sammlungen, jeweils in der Gesamtsicht zu bewerten, nicht nur
die Bedeutung jedes beliebigen seiner Bestandteile einzeln für sich; und daher werden auch durch die
Unterschutzstellung alle relevanten Bestandteile eines sich aus vielen verschiedenen Bestandteilen
zusammensetzenden Denkmals automatisch miterfasst.
Damit folgt aber auch im Umkehrschluss, dass bei einer Nichtunterschutzstellung eines bereits
bekannten Denkmals (bzw. Ensembles oder Sammlung) auch das Nichtbestehen eines öffentlichen
Interesses an der Erhaltung aller seiner Bestandteile automatisch mit festgestellt wird; und zwar
unabhängig davon, ob diese zum Zeitpunkt der Feststellung des Nichtbestehens des öffentlichen
266
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Interesses an der Erhaltung des betroffenen Denkmals bereits bekannt sind oder nicht. Das ist auch
bei anderen (nicht archäologischen) bereits bekannten Denkmalen nicht anders: die Tatsache, dass
z.B. bei der Inaugenscheinnahme durch einen (Amts-) Sachverständigen eines durch ein
Unterschutzstellungsverfahren überprüften, möglicherweise schutzwürdigen, Hauses schutzwürdige
Bestandteile verborgen waren, die der Sachverständige aufgrund des diese z.B. verbergenden
modernen Verputzes nicht wahrnehmen konnte, kann auch keine zeitlich unbefristete Beschränkung
der Verfügungsgewalt allfällig Verfügungsberechtigter über dieses Haus begründen oder
rechtfertigen.
Bei archäologischen „Bodendenkmalen“ wird sogar aufgrund der Natur dieser Denkmale – eben der
Tatsache, dass sie gewöhnlich im Boden verborgen und daher der unmittelbaren sinnlichen
Wahrnehmung durch bloße Inaugenscheinnahme nicht zugänglich sind – dem BDA im Gegensatz zu
allen anderen bereits amtsbekannt gewordenen, möglicherweise schützenswerten, Denkmalen durch
die Bestimmungen des § 9 Abs. 3 DMSG im Fall der erstmaligen Neu- bzw. Wiederentdeckung von
Bestandteilen eines konkreten, möglicherweise schützenswerten Denkmals eine Frist von 6 Wochen
eingeräumt, in der die Verfügungsgewalt allfällig Verfügungsberechtigter über ihr Eigentum
automatisch kraft gesetzlicher Vermutung beschränkt ist. In dieser Frist kann und hat das BDA die zur
abschließenden Beurteilung der Schutzwürdigkeit dieses Denkmals – eben in seiner Gesamtheit
mitsamt aller seiner relevanten Bestandteile – erforderlichen wissenschaftlichen Untersuchungen
selbst durchzuführen. Dafür ist es sogar auch entgegen der sonst geltenden eigentumsrechtlichen
Beschränkungen zum zeitweiligen Einziehen der beweglichen Fundgegenstände und zum Betreten
fremden Grundes ermächtigt (siehe dazu §§ 9 Abs. 4 und 30 Abs. 1 DMSG).
Zur Denkmalforschung im zuletzt genannten Sinn – sogar auch durch Ausgrabungen von noch nicht
ausreichend erforschten Denkmalen iSd § 1 Abs. 5 DMSG – wird das BDA sogar entgegen der sonstigen
Bestimmungen des Eigentumsrechts – das die Zerstörung und Veränderung fremden Eigentums
normalerweise jedem und insbesondere dem Staat vollständig verbietet – auch außerhalb der
gesetzlichen Schutzfrist des § 9 Abs. 3 DMSG durch die Bestimmungen des § 30 Abs. 1 DMSG
ermächtigt: jedermann ist verpflichtet, dem BDA zur Denkmalforschung notwendig erscheinende
Untersuchungen inklusive archäologischer Ausgrabungen zu gestatten. Das BDA kann also nahezu
jederzeit (in Rücksprache mit den Verfügungsberechtigten) alle erforderlichen Untersuchungen –
seien es nicht invasive oder invasive Prospektionen oder auch systematische Ausgrabungen (BDA
2018, 8-21) – durchführen, die es anstellen muss, um die Bedeutung eines jeden beliebigen konkreten,
ihm bereits bekannten, archäologischen Denkmals bestimmen zu können. Als amtswegige
Maßnahmen iSd § 11 Abs. 2 DMSG unterliegen solche Untersuchungen sogar selbst dann, wenn sie
nicht vom BDA selbst, sondern nur in seinem Auftrag durch extern zugekaufte archäologische
Dienstleistungsunternehmen durchgeführt werden, nicht einmal einer wie auch immer gearteten
gesetzlichen NFG-Pflicht.
Hat das BDA – aus welchen Gründen auch immer – die Durchführung dieser Untersuchungen zur
Feststellung des für die Entscheidung gem. § 9 Abs. 3 DMSG über die nicht zeitlich befristete
Fortsetzung der Unterschutzstellung des betroffenen Denkmals in seiner Gesamtheit – d.h. inklusive
aller seiner allfällig noch verborgenen Bestandteile – unterlassen, kann auch die Tatsache, dass an Ort
und Stelle weiterhin irgendwelche noch im Boden verborgenen Denkmale vorkommen könnten, an
deren Erhaltung – wenn sie denn nur bekannt und sachverständig bewertet worden wären – ein
öffentliches Interesse bestehen könnte, eine – eventuell sogar dauerhaft, wenn niemand dort jemals
irgendwelche Untersuchungen zur Klärung der Frage der Denkmalschutzwürdigkeit der dort allfällig
noch vorkommenden, noch unbekannten Denkmale anstellt – fortgesetzte Beschränkung der Freiheit,
durch invasive archäologische Untersuchung objektive Erkenntnisse über die dort bekanntermaßen
267
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
vorkommenden archäologischen Denkmale zu gewinnen, deren Erhaltung bewiesenermaßen nicht im
öffentlichen Interesse gelegen ist, nicht rechtfertigen. Daran vermag auch die – wahrscheinlich
wirklich gegebene – Tatsache, dass dem BDA vom Staat eventuell gar nicht die erforderlichen
Ressourcen zur Verfügung gestellt wurden, um derartige Untersuchungen amtswegig durchzuführen
oder durchführen zu lassen, nichts zu ändern: der Staat kann nicht die Tatsache, dass er der von ihm
selbst dazu eingerichteten Behörde nicht die notwenigen Ressourcen zur Verfügung stellt, damit diese
die Untersuchungen, die sie anstellen müsste, um ihrer Aufgabe festzustellen, ob ein öffentliches
Interesse an der Erhaltung eines bestimmten, bisher nicht ausreichend erforschten, Denkmals iSd § 1
Abs. 1 DMSG besteht, auch erfolgreich in der vom Gesetzgeber für genau diesen Zweck gesetzlich
festgesetzten Frist nachkommen zu können, als Rechtfertigung dafür heranziehen, dass er aufgrund
des angeblich bestehenden, aber tatsächlich von ihm selbst nicht ausreichend verfolgten, öffentlichen
Interesses an der Erhaltung der Denkmale die Freiheit aller Grundrechtsträger, ebendiese
wissenschaftlich frei zu erforschen, auf das massivste beschränkt bzw. für die meisten
Grundrechtsträger sogar völlig aufhebt. Will der Staat, dass die besonders bedeutenden Denkmale
geschützt werden, weil an ihrer Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht, dann muss er die
Behörde, die er dazu eingerichtet hat, aus allen Denkmalen jene auszuwählen, die derart bedeutend
sind, auch mit den erforderlichen Ressourcen ausstatten, die diese braucht, um ihrer Aufgabe auch
tatsächlich erfolgreich fristgerecht nachkommen zu können.
Das Gewicht eines allfällig dennoch gegebenen, generischen öffentlichen Interesses, auch jene noch
im verborgenen gelegenen Denkmale, zu deren Bedeutungsbewertung die von Staat dafür
eingerichtete Behörde, obwohl sie schon von ihrer Existenz weiß, nur bisher noch nicht gekommen ist
(und aller Wahrscheinlichkeit auch niemals kommen wird), auch vor Zerstörung, Veränderung oder
Verbringung ins Ausland durch invasive archäologische Untersuchungsmethoden zu schützen, ist
sicherlich nicht hoch genug, um mit der durch die dafür vorgesehene NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG
verursachten Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG in einem
wohlausgewogenen Verhältnis zu stehen oder das Gewicht dieser Beschränkung sogar zu überwiegen.
Dies ist umso mehr der Fall, als der Staat ebendiese bereits bekannten Denkmale auch überhaupt
nicht vor der Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland durch irgendwelche anderen
Handlungen als wissenschaftliche Nachforschungen zum Zwecke ihrer Entdeckung und Untersuchung
schützt und daher – wie ebenfalls schon oben gezeigt wurde (Seiten 161-188) – die
Wahrscheinlichkeit, dass ebendiese Denkmale – deren Erhaltung in erster Linie aufgrund ihrer
wissenschaftlichen Quellenfunktion im öffentlichen Interesse gelegen ist – gänzlich ohne jemals
wissenschaftlich untersucht oder dokumentiert worden zu sein vollständig zerstört werden dürften,
wenigstens bei ca. 95% liegt, wenn nicht noch deutlich höher.
Der Staat würde damit also die Wissenschaftsfreiheit nicht etwa dafür beschränken, dass Denkmale
als Quellen für die wissenschaftliche Erforschung der Vergangenheit verfügbar bleiben, sondern
vielmehr dafür, dass Denkmale der wissenschaftlichen Forschung möglichst vorenthalten werden. Das
kann aber nicht im öffentlichen Interesse des Denkmalschutzes gelegen sein, weshalb eine dadurch
verursachte Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit nicht im engeren Sinn verhältnismäßig sein kann
und daher ebenfalls zwingend notwendigerweise das Übermaßverbot der Bundesverfassung verletzt.
Die Anwendung der NFG-Pflicht auf alle intentionalen invasiven Entdeckungsversuche
Tatsächlich scheint das BDA aber weiterhin die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auf alle an Ort und
Stelle durchgeführten invasiven (und auch nicht invasiven) Nachforschungen „mit dem Zweck der
Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale unter der Erd- bzw.
Wasseroberfläche“ (§ 11 Abs. 1 DMSG; BDA 2018, 6) anwenden zu wollen, und zwar völlig
unbeachtlich der Tatsache, ob von dem Ort, an dem die Nachforschungen durchgeführt werden sollen,
268
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
bereits irgendwelche konkreten Hinweise auf das Vorkommen (schutzwürdiger) Denkmale bekannt
sind. Dies wäre unter Umständen auch mit dem Erkenntnis des VwGH vom 23.2.2017, Ro
2016/09/0008 vereinbar, wenn man davon ausgehen will, dass der Gesetzgeber im Grunde
genommen tatsächlich eigentlich nur auf die Intention des Nachforschenden abstellt und daher die
Tatsache, ob vom betroffenen Ort schon konkrete Hinweise auf das dortige Vorkommen
denkmalschutzrelevanter Gegenstände bekannt sind, ausschließlich als objektivierbares Kriterium zur
Überprüfung der subjektiven Beweggründe des Nachforschenden relevant ist. Das würde bedeuten,
dass die Frage, ob vom betroffenen Ort schon konkrete Hinweise auf das Vorkommen
denkmalschutzrelevanter Gegenstände bekannt sind, überhaupt nur dann von irgendeiner rechtlichen
Relevanz wäre, wenn der Nachforschende leugnet, die Entdeckung bzw. Untersuchung beweglicher
und unbeweglicher Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche bezweckt zu haben.
Im umgekehrten Fall, d.h. wenn der Nachforschende behauptet (bzw. gesteht), mit diesem Zweck
Nachforschungen angestellt zu haben oder anstellen zu wollen, wäre hingegen die Willensbildung des
Nachforschenden auch schon dann anzunehmen (und würde daher die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1
DMSG ausgelöst), wenn dieser gar keine berechtigten Gründe hat, anzunehmen, dass er den Taterfolg
der Entdeckung bzw. Untersuchung überhaupt verwirklichen könnte. Grundrechtsträger, die
(invasive) archäologische Nachforschungen anstellen wollen, bedürften bei einer derartigen
Interpretation also auch dann einer NFG, wenn objektiv überhaupt keine Aussicht darauf besteht, dass
ihre Nachforschungen von Erfolg gekrönt sein können, weil für die Erfüllung des Vorsatzes iSd § 5 Abs.
1 StGB bereits genügt, wenn der Täter subjektiv den Eintritt des Taterfolgs ernsthaft für möglich hält.
Es wäre hier also auf die subjektive Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Taterfolgs
durch den Nachforschenden abzustellen, nicht auf dessen objektive oder wenigstens objektivierbare
Vorhersehbarkeit.
Trifft diese Sichtweise zu, würde also z.B. eine Person, die ein Loch in anstehenden gewachsenen Fels
hacken oder meißeln will, weil sie durch die Entdeckung von in diesem eingeschlossenen Denkmalen
iSd § 1 Abs. 1 DMSG beweisen möchte, dass moderne Menschen und Dinosaurier gleichzeitig
miteinander gelebt haben, und auch – weil sie ja an diese Koexistenz glaubt und ihr tatsächliches
Bestehen wissenschaftlich beweisen möchte – ernsthaft daran glaubt, dass sie – gerade entgegen dem
derzeitigen wissenschaftliche Konsens, dass das gar nicht sein kann, den sie ja widerlegen möchte –
den von ihr bezweckten Taterfolg herbeiführen kann, für ihre Nachforschungen einer Bewilligung des
BDA gem. § 11 Abs. 1 DMSG bedürfen. Mehr noch, wenn diese Person kein einschlägiges
archäologisches Universitätsstudium abgeschlossen hat, dürfte sie ihre geplanten Nachforschungen
überhaupt nicht durchführen, weil sie zwar ob ihrer – objektiv betrachtet niemals verwirklichbaren,
aber subjektiv ernsthaft für erfolgversprechend betrachteten – Denkmalentdeckungsabsicht einer
Bewilligung gem. § 11 Abs. 1 DMSG bedürfen würde, aber diese nicht erteilt bekommen darf, weil es
ihr am facheinschlägigen Studienabschluss mangelt.
Damit würden aber durch die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG nicht Denkmale, deren Bedeutung so
beschaffen ist, dass an ihrer Erhaltung iSd § 1 Abs. 1 DMSG ein öffentliches Interesse besteht, vor
durch derartige (invasive) Nachforschungen verursachter Zerstörung, Veränderung oder Verbringung
ins Ausland geschützt. Vielmehr würden (invasive) Nachforschungen mit dem subjektiven Glauben an
den Eintritt des Denkmalentdeckungserfolges verboten, gänzlich unabhängig davon, ob durch sie
tatsächlich irgendwelche bedeutenden Denkmale zerstört, verändert oder ins Ausland verbracht
werden (könnten). Umgekehrt würden hingegen alle Nachforschungen gänzlich ohne Bewilligung
gem. § 11 Abs. 1 DMSG erlaubt, bei denen der Nachforschende entweder tatsächlich glaubwürdig (wie
z.B. im Fall der Seenreinigung durch die ÖBf, siehe Seiten 229-231) nicht die Entdeckung besonders
bedeutender Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG bezweckt oder aber den tatsächlich gegebenen
269
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Denkmalentdeckungszweck seiner Nachforschungen leugnet und sich bei diesen ausschließlich auf
Bodenflächen beschränkt, von denen noch keine konkreten Hinweise auf das Vorkommen
denkmalschutzrelevanter Gegenstände bekannt sind, ebenfalls völlig unabhängig davon, ob durch sie
tatsächlich irgendwelche bedeutenden Denkmale zerstört, verändert oder ins Ausland verbracht
werden (könnten). Damit könnte man eventuell verhindern, dass MetallsucherInnen – wie bereits
vielfach ausgeführt, der Lieblingsfeind vieler ArchäologInnen – ihrem Hobby auf bereits bekannten
archäologischen Fundstellen nachgehen können, aber sonst erreicht man dadurch gar nichts.
Dass das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Erhaltung von Denkmalen durch Verhinderung
von Metallsuchen auf bekannten archäologischen Fundstellen derart hoch ist, dass es mit den durch
die dafür vorgesehene NFG-Pflicht verursachten Beschränkungen der Wissenschaftsfreiheit aller
Grundrechtsträger auf dem gesamten österreichischen Bundesgebiet, obwohl auf der
überwältigenden Mehrheit dieses Gebiets gar keine (bekannten) archäologischen Fundstellen
vorkommen, in einem wohlausgewogenen Verhältnis steht oder das Gewicht der dadurch
verursachten Eingriffe sogar überwiegen würde, scheint auch in diesem Fall nicht nachvollziehbar. Das
liegt schon allein daran, dass an der Erhaltung der überwältigenden Mehrheit aller dadurch vor ihrer
Entdeckung und Untersuchung geschützten Gegenstände – selbstverständlich die mitgerechnet, die
Denkmale iSd § 1 Abs. 1 und schützenswerte Denkmale iSd § 1 Abs. 2 DMSG sind – überhaupt kein
öffentliches Erhaltungsinteresse besteht. Betrachtet man also die Klasse der dadurch geschützten
Objekte in ihrer Gesamtheit – und das muss man in diesem Fall selbstverständlich, da sich vor der
Entdeckung eines Objektes gar nicht bestimmen lässt, ob überhaupt ein öffentliches Interesse an
seiner Erhaltung besteht und man daher jedenfalls auf die Durchschnittsbetrachtung aller Objekte
abstellen muss, deren unbewilligte Entdeckung und Untersuchung durch die NFG-Pflicht des § 11 Abs.
1 bei einer derartigen Auslegung untersagt wird – ist das Gewicht des öffentlichen Interesses an der
Erhaltung all dieser Gegenstände minimal, während die durch die NFG-Pflicht bewirkte Beschränkung
der Wissenschaftsfreiheit maximal und massiv ist.
Verschärft wird dieses Problem noch zusätzlich dadurch, dass selbst in der Klasse der Denkmale iSd §
1 Abs. 1 DMSG die Unterklasse jener Denkmale, an deren Erhaltung aufgrund ihrer Bedeutung ein
öffentliches Interesse iSd § 1 Abs. 2 DMSG besteht, eine verschwindend geringe Minderheit darstellt.
Deutlicher gesagt: die Menge der Denkmale, an deren Erhaltung kein öffentliches Interesse besteht,
ist um ein großes Vielfaches größer als die Menge der jener, an deren Erhaltung ein solches besteht.
Das ist gerade bei der Beurteilung der Frage, ob eine Nachforschung nun die Entdeckung
denkmalschutzrelevanter Gegenstände (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008) bezweckt oder nicht,
von besonderer Relevanz: denkmalschutzrelevante Gegenstände können bei teleologischer
Interpretation des DMSG selbstverständlich ganz im Sinne der Bestimmungen des § 1 Abs. 1 DMSG
nur solche sein, an deren Erhaltung aufgrund ihrer besonderen Bedeutung iSd § 1 Abs. 2 ein
öffentliches Interesse besteht; denn der Gesetzgeber sagt auch im Wortlaut des DMSG ganz explizit,
dass er nur die Erhaltung dieser besonders bedeutenden und nicht etwa die Erhaltung aller Denkmale
im Sinne der Begriffsdefinition des Denkmalbegriffs in § 1 Abs. 1 DMSG bezweckt. Das muss schon
allein deshalb der Fall sein, weil er sonst nicht nur gem. §§ 2, 2a oder 3 DMSG geschützte, sondern alle
von Menschen geschaffenen Gegenstände (etc.), denen auch nur irgendeine, wie auch immer geringe,
geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung zukommt – und das sind
notwendigerweise alle solchen Gegenstände, weil jeder davon wenigstens eine historische Quelle für
seine eigene Existenz ist und somit wenigstens minimale historische Bedeutung hat – den
Schutzbestimmungen des DMSG unterwerfen müsste, was er offensichtlich nicht tut.
Nun hat aber das BDA in den 95 Jahren, seit denen es Denkmale unter Schutz stellt, gerade einmal –
bei der für das BDA freundlichsten Zählung – nur maximal ca. 5,6% (ca. 1.100 von 19.550 bekannten
270
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
archäologischen Fundstellen, Picker et al. 2016, 285) oder sogar nur – bei etwas unfreundlicherer
Zählung ca. 2,1% (1.100 von ca. 52.000 bekannten Fundstellen, Farka 2008, 10) unter Denkmalschutz
gestellt. Soweit bewegliche Kleinfunde betroffen sind, beträgt die Unterschutzstellungsquote sogar
nur – soweit sich das mir erschließt – sogar nahegleich, wenn nicht sogar exakt, 0%: nicht einmal die
8 römischen Münzen, die den hier schon mehrfach erwähnten Fall VwGH vom 24.6.1985, 84/12/0213
ausgelöst hatten und von erster und zweiter Instanz als „Kulturgüter, die den Bestimmungen des
Denkmalschutzgesetzes unterlägen“ (VwGH 24.6.1985, 84/12/0213) betrachtet worden waren,
wurden gem. § 3 DMSG unter Denkmalschutz gestellt; geschweige denn irgendwelche anderen
beweglichen Kleinfunde, die alljährlich – wenn man die von systematischen Ausgrabungen
mitrechnet, was man muss – zehntausendfach oder noch vielfacher in Fundberichten dem BDA
bekannt gegeben werden.
In ähnlichem Sinn hat 2013 die damals für Denkmalschutzagenden zuständige Bundesministerin
Claudia Schmied in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung bezüglich der archäologischen
Maßnahmen im Rahmen des geplanten Baus der S31-Burgenland-Schnellstraße, Ortsumfahrung
Schützen am Gebirge, bezüglich der auf der geplanten Trasse infolge von schon bei Vorarbeiten
entdeckten Denkmalen, unter anderem Teilen eines römischen Gräberfeldes, zu erwartenden Funde
von Denkmalen festgestellt: „Die archäologischen Ersatzmaßnahmen reichen für eine Dokumentation
und Erforschung der Bodendenkmale aus. Bislang wurde kein derart bedeutendes Bodendenkmal
gefunden, sodass ein öffentliches Interesse an einer dauerhaften Erhaltung an Ort und Stelle gegeben
wäre“ (BM Schmied 24.7.2013, 14637/AB XXIV. GP, 2). Auch die Antworten der Bundesministerin auf
die Fragen 3, 4 und 5 der parlamentarischen Anfrage (12.7.2013, 15565/J XXIV. GP, 2-3), ob der
Ministerin die Unterschutzstellung der betroffenen Flächen als Fundhoffnungsgebiete im Sinne des §
1 Abs. 5 DMSG angebracht erscheinen würde, falls nein warum nicht, und falls ja warum die
Ausweisung der betreffenden Flächen als „Fundhoffnungsgebiet“ durch das BDA nicht erfolgt sei, sind
interessant. Von diesen beantwortete BM Schmied die erste Frage mit einem simplen „Nein“ (BM
Schmied 24.7.2013, 14637/AB XXIV. GP, 2) und führte zu den beiden folgenden Fragen aus: „Nach
Abschluss der archäologischen Ersatzmaßnahmen sind keine an Ort und Stelle erhaltenen
Bodendenkmale zu erwarten. Wie bereits ausgeführt sind im gegenständlichen Fall Ersatzmaßnahmen
fachlich geboten, nicht aber eine dauerhafte Erhaltung in situ.“ (BM Schmied 24.7.2013, 14637/AB
XXIV. GP, 2).
Sind nun aber Fundstellen, die seit sehr langem bekannt sind und regelhaft Funde mit Datierungen ab
der Jungsteinzeit erbracht haben, die auch in den Fundberichten aus Österreich oft Aufnahme
gefunden haben (FÖ 1, 2, 3, 4, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24/25, 26,
27, 28, 29, 32, 35, 40 und 42), und von denen unter anderem auch mehrere hunderte römische
Fundmünzen von Vespasian (69-79 n.Chr.) bis Valens (364-378 n.Chr.) stammen (zahlreiche
Meldungen FÖ 12-29), die wohl mit einem ausgedehnten und bedeutenden Vicus (samt einem
zugehörigen, sich bis auf die Straßentrasse der S31 ausdehnt habenden, Gräberfeld) nahe des
Wulkaübergangs der römischen Bernsteinstraße in Zusammenhang stehen (vgl. dazu Schwille 2013;
Strohschneider-Laue 1993), nicht von ausreichender Bedeutung sind, dass ihre Erhaltung iSd § 1 Abs.
2 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen ist, wird es sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich, ex
ante zu bestimmen, wann ein archäologisches Denkmal derart bedeutend werden kann, dass es zu
einem denkmalschutzrelevanten Gegenstand wird. Tatsächlich hat sogar das burgenländische
Landesmuseum auf Basis seiner Ortsakten zu den durch die Trassenführung potentiell betroffenen
Fundstellen diese als wenigstens von regionaler oder sogar überregionaler Bedeutung bewertet, d.h.
als solche Fundstellen, an deren unveränderter Erhaltung in situ iSd § 1 Abs. 1 DMSG ein öffentliches
Interesse iSd § 1 Abs. 2 DMSG besteht.
271
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Dennoch haben offensichtlich weder das BDA noch – wohl fraglos durch dieses diesbezüglich
vorbereitet – die damals für den Denkmalschutz zuständige Bundesministerin die dort anzutreffenden
Denkmale als derart bedeutend bewertet, dass ihre Erhaltung ob dieser Bedeutung im öffentlichen
Interesse gelegen wäre. Vielmehr haben BDA und die zuständige Bundesministerin archäologische
Ersatzmaßnahmen – d.h. „[d]ie Nachforschung durch Veränderung der Erdoberfläche bzw. des
Grundes unter Wasser (Grabung) und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der
Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale unter der Erd- bzw.
Wasseroberfläche“ (§ 11 Abs. 1 DMSG) – als fachlich zur „Dokumentation und Erforschung“ (BM
Schmied 24.7.2013, 14637/AB XXIV. GP, 2) der betroffenen Denkmale „ausreichende“ (ibid.)
Maßnahmen erachtet.
Daraus folgt aber erstens zwingend, dass offensichtlich selbst im Fall von archäologischen Fundstellen,
die das örtlich zuständige Landesmuseum bzw. die von diesem für diese Aufgabe beschäftigten
archäologischen Fachkräfte als von wenigstens regionaler, wenn nicht sogar überregionaler,
Bedeutung wertschätzt, nach Ansicht des BDA und der zuständigen Bundesministerin nicht mit der
Entdeckung derart bedeutender Denkmale zu rechnen ist, dass diese als denkmalschutzrelevante
Gegenstände zu betrachten sind, sondern ein allfälliges öffentliches Interesse vielmehr nach Ansicht
des BDA und der zuständigen Bundesministerin an der wissenschaftlichen Erforschung und
Dokumentation dieser Denkmale besteht. Damit kann aber das Gewicht des öffentlichen Interesses
an der Erhaltung der besonders bedeutenden Denkmale – eben iSd § 1 Abs. 1 DMSG zu verstehen als
ihr Schutz vor Zerstörung, Veränderung und Verbringung ins Ausland – unmöglich das Gewicht des
Individualrechts jedes beliebigen Grundrechtsträgers auf die freie wissenschaftliche Erforschung
archäologischer Denkmale überwiegen, deren unveränderte körperliche Erhaltung in ihrer historisch
gewachsenen Erscheinung und Substanz gar nicht im öffentlichen Interesse gelegen ist. „[F]achlich
geboten“ (ibid.) erscheint – auch dem BDA; und auch der zuständigen Bundesministerin – die
Entdeckung und Untersuchung der betroffenen Denkmale durch an Ort und Stelle durchgeführte
(nicht invasive und) invasive wissenschaftliche archäologische Nachforschungen, „nicht aber eine
dauerhafte Erhaltung in situ.“ (ibid.). Die Entdeckung und Untersuchung der betroffenen Denkmale
durch an Ort und Stelle durchgeführte wissenschaftliche Nachforschungen ist aber wissenschaftliche
Forschung, die durch das vorbehaltlos garantierte Grundrecht des Art. 17 Abs. 1 StGG
verfassungsgesetzlich vor jedem Eingriff durch den Staat und seine Organe geschützt ist.
Zweitens folgt daraus, dass auch ein professioneller Archäologe (wie z.B. ich), der vorsätzlich durch
Veränderung der Erdoberfläche oder des Grundes unter Wasser Nachforschungen an Ort und Stelle
zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale unter der
Erd-. bzw. Wasseroberfläche – d.h. archäologischer Funde und Befunde – durchführen will, bezüglich
derer er keinen besonderen Grund zu Annahme hat, dass er dabei solche Denkmale entdecken wird,
deren Bedeutung derart herausragend ist, dass ihre körperlich in Erscheinung und Substanz
unveränderte Erhaltung ob dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist, keiner NFG
gem. § 11 Abs. 1 DMSG bedürfen kann. Nachdem aber bei der gebotenen objektiven Betrachtung mit
der Entdeckung denkmalschutzrelevanter Gegenstände offenkundig selbst nach Ansicht des BDA und
der 2013 für den Denkmalschutz zuständigen Bundesministerin nicht einmal dann zu rechnen ist,
wenn invasive archäologische Nachforschungen auf bekannten Fundstellen durchgeführt werden,
denen nach Ansicht des örtlich zuständigen Landesmuseums wenigstens aus regionaler, wenn nicht
sogar aus überregionaler, Sicht geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung
zukommt, können professionelle ArchäologInnen auch dann nicht ernsthaft mit der Möglichkeit
rechnen müssen, dass sie bei Nachforschungen auf Bodenflächen, von denen noch nicht einmal
Hinweise auf das Vorkommen irgendwelcher, geschweige denn besonders bedeutender, Denkmale
272
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
bekannt sind, derartig bedeutende Denkmale entdecken könnten, dass dadurch die NFG-Pflicht des §
11 Abs. 1 DMSG ausgelöst würde.
Schließlich kommt es – wenn man der zu Beginn dieses Unterkapitels ausgeführten Interpretation der
NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG folgt – bei der Beurteilung der Zweckgebundenheit der
Nachforschungen darauf an, ob der Nachforschende subjektiv den Eintritt des Taterfolgs für möglich
hält; eine Überprüfbarkeit nach objektiven Gesichtspunkten wäre nur vorzunehmen, wenn
begründete Zweifel an der Aussage des Nachforschenden bestehen, dass er gar nicht nach
denkmalschutzrelevanten Gegenständen gesucht habe. Nachdem nun aber gerade professionelle
ArchäologInnen aufgrund ihrer fachlichen Disziplinierung generell die Erhaltung der besonders
bedeutenden archäologischen Denkmale in situ bevorzugen – wie oben (Seiten 161-188) genauer
ausgeführt, bin selbst ich nur gegen die bloße Belassung von archäologischen Denkmalen in situ, wenn
ihre (wenigstens weitgehend) unveränderte Erhaltung in situ nicht garantiert werden kann – und
daher schon allein aus wissenschaftsethischen Gründen auch nicht denkmalgeschützte archäologische
Fundstellen regelhaft nur dann mit invasiven Forschungsmethoden zu entdecken und untersuchen
versuchen wollen, wenn deren Erhaltung in situ gefährdet ist oder ihrer fachlichen Beurteilung nach
das öffentliche Interesse an der wissenschaftlichen Untersuchung dieser Denkmale das an deren
unveränderter Erhaltung in situ überwiegt, ist, wenn sie behaupten, bei von ihnen durchgeführten
invasiven Nachforschungen nicht ernsthaft mit der Entdeckung besonders bedeutender Denkmale
gerechnet zu haben, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist, dies normalerweise als
durchaus glaubwürdig zu betrachten.
Aber selbst wenn man dieser Behauptung keinen Glauben schenken, sondern das Gegenteil
annehmen möchte, hätte das BDA, wenn es die bei solchen ohne Genehmigung gem. § 11 Abs. 1
DMSG durch professionelle ArchäologInnen durchgeführten Nachforschungen entdeckten,
beweglichen und unbeweglichen, von Menschen geschaffenen (etc.) Gegenstände als
Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG betrachten möchte, diese entdeckten Gegenstände dann (und
sei es nur aufgrund der Bestimmungen des § 9 Abs. 5 DMSG) entsprechend der Bestimmungen des §
9 Abs. 3 DMSG zu behandeln. Das bedeutet jedoch, dass es binnen 6 Wochen ab dem Zeitpunkt, an
dem ihm die entdeckten Funde (jedenfalls durch Fundmeldung, ob nun durch den Nachforschenden,
durch Dritte oder dienstliche Wahrnehmungen von Amtsorganen des BDA) bekannt werden,
bescheidmäßig zu entscheiden hat, ob ein öffentliches Interesse an der Erhaltung der entdeckten
Denkmale (weiterhin) besteht. Das bedeutet aber wiederum, dass, wenn das BDA nach (amts-)
sachverständiger Begutachtung der entdeckten Funde feststellt, dass ein öffentliches Interesse an der
Erhaltung dieser Denkmale tatsächlich nicht besteht oder bestanden hat, ein allfällig bereits laufendes
Strafverfahren gem. § 37 Abs. 6 DMSG jedenfalls einzustellen ist.
Daraus folgt aber nun wiederum, dass das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Erhaltung der
Denkmale die durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG verursachten Beschränkungen der
Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 DMSG überhaupt nur dann überwiegen könnte, wenn bei
diesen Nachforschungen ein Denkmal entdeckt wird, dessen Bedeutung derart beschaffen ist, dass
seine Erhaltung tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist. Dies kann aber – außer auf
Bodenflächen, die schon unter Denkmalschutz stehen – gar nicht ex ante ernsthaft erwartet werden,
weil auf Basis der bisherigen Spruchpraxis des BDA in Unterschutzstellungsverfahren, wie auch auf
Basis der in parlamentarischen Anfragebeantwortungen durch die 2013 zuständige Bundesministerin
in Übereinstimmung mit dieser Spruchpraxis der zuständigen Behörde vertretenen Ansicht, dass
selbst bei bekanntermaßen wenigstens regional, wenn nicht sogar überregional, bedeutenden,
zusammengehörenden römischen Befundlandschaften im oben definierten Sinn (Seiten 153-156)
nicht die Erhaltung bedeutenderer Teile von zu diesen gehörenden Fundstellen in situ iSd § 1 Abs. 1
273
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
und 2 DMSG, sondern deren wissenschaftliche Untersuchung und Dokumentation denkmalfachlich
geboten ist. Damit überwiegt aber bei der gebotenen Betrachtung ex ante auf Bodenflächen, von
denen bisher noch gar keine konkreten Hinweise auf das Vorkommen besonders bedeutender
Denkmale vorliegen, notwendigerweise immer die Wissenschaftsfreiheit das öffentliche Interesse an
der Erhaltung von Denkmalen und ihre Beschränkung durch eine allgemeine NFG-Pflicht ist somit
zwingend im engeren Sinn unverhältnismäßig.
Drittens folgt, dass bei der erforderlichen Durchschnittsfallbetrachtung, selbst wenn man diese
ausschließlich auf Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG beschränken möchte, weil die NFG-Pflicht des § 11
Abs. 1 DMSG von ihrem Wortlaut her ja ohnehin nur Nachforschungen nach Denkmalen (und nicht
etwa Nachforschungen zum Zweck der Entdeckung von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG, wie
das BDA immer wieder fälschlich impliziert, so z.B. erneut in BDA 2018, 10) bewilligungspflichtig
macht, auch keine Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn mit der dadurch erzeugten Beschränkung der
Wissenschaftsfreiheit gegeben ist. Nachdem das öffentliche Interesse an der Erhaltung ausschließlich
in Bezug auf jene immer noch verschwindend geringe Minderheit von Denkmalen bestehen kann,
deren Bedeutung ausreichend besonders ist, während bezüglich der überwältigenden Mehrheit aller
anderen Denkmale, deren Bedeutung nicht derart beschaffen ist, dass an ihrer unveränderten
Erhaltung in situ ein öffentliches Interesse bestünde, nicht nur ein privates Interesse des individuellen
Forschers, sondern auch nach Ansicht von BDA und 2013 zuständiger Bundesministerin ein
bedeutendes öffentliches Interesse an ihrer archäologischen Erforschung besteht, überwiegen
klarerweise die privaten und öffentlichen Interessen an der Erforschung der nicht besonders
bedeutenden Denkmale das öffentliche Interesse an der Erhaltung der noch gänzlich unbekannten
und vermutlich nahezu nirgendwo tatsächlich vorkommenden besonders bedeutenden Denkmale.
Verletzung des Übermaßverbotes durch die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG
Bei genauerer Prüfung der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG zeigt sich also, dass die durch die
NFG-Pflicht in ihrer gegenwärtigen Form verursachte Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit des Art.
17 Abs. 1 StGG mit dem vom Gesetzgeber durch die NFG-Pflichtbestimmungen verfolgten Zweck im
verfassungsrechtlichen Sinn nicht verhältnismäßig ist.
Der durch die NFG-Pflicht in derzeitiger Form verursachte Eingriff kommt für über 99,9% aller
Grundrechtsträger einer vollständigen Aufhebung der Freiheit gleich, archäologische Feldforschungen
unbeschränkt durch den Staat und seine Organe durchführen zu dürfen: die archäologische
Feldforschung an Ort und Stelle wird diesen Grundrechtsträgern gänzlich verboten, weil ihnen die für
deren rechtmäßige Durchführung erforderliche Bewilligung laut § 11 Abs. 1 DMSG nicht erteilt werden
kann. Auch bei den verbleibenden weniger als 0,1% aller Grundrechtsträger, die ein einschlägiges
archäologisches Universitätsstudium absolviert haben, wird die archäologische Feldforschungsfreiheit
durch den durch die NFG-Pflicht verursachten Eingriff praktisch in ein nudum ius verwandelt: dem
Forscher wird die freie Wahl seiner Forschungsgegenstände ebenso wie die freie Methodenwahl
gänzlich genommen und selbst seine Freiheit, seine Erkenntnisse ohne jede Behinderung zu
verbreiten, wenigstens in der behördlichen Handhabungspraxis durch detaillierte behördliche
Vorgaben, maßgeblich beschränkt; wobei ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der NFG nicht einmal
dann besteht, wenn sowohl der Antragsteller als auch sein Antrag alle gesetzlichen und
wissenschaftlichen Anforderungen erfüllen. Sieht man von einem vollständigen Verbot
wissenschaftlicher archäologischer Nachforschungen ab, stellt die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG
also den schwersten möglichen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit vor, den der Staat vornehmen
kann.
274
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Der Staat greift mit diesem Mittel dabei in eine verfassungsgesetzlich vorbehaltlos garantierte
Grundfreiheit ein, die der VfGH als absolutes Grundrecht betrachtet hat, „das durch kein einfaches
Gesetz und durch keinen Verwaltungsakt eingeschränkt werden kann“ (Berka 1999, 345). Die
Ausübung dieses Grundrechts – auch im Bereich der archäologischen Feldforschung – ist dabei selbst
nach Ansicht der zuständigen Bundesbehörde (BDA 2016a, 3; 2018, 2) und der 2013 für den
archäologischen Denkmalschutz zuständigen Bundesministerin (BM Schmied 24.7.2013, 14637/AB
XXIV. GP, 2) selbst in (wenigstens nahezu) allen Fällen, in denen es – auch tatsächlich konkret zur
Entdeckung und Untersuchung von Denkmalen iSd § 1 Abs. 1 DMSG – ausgeübt wird, nicht nur im
privaten Interesse des Grundrechtsträgers gelegen, der es ausüben möchte, sondern sogar aus
denkmalpflegerischer Sicht zum Schutz des öffentlichen Interesses an der Erhaltung der Denkmale
„fachlich geboten“ (ibid.). Dies ist selbst und insbesondere dann der Fall, wenn Denkmale, die durch
das örtlich zuständige Landesmuseum iSd § 1 Abs. 2 DMSG wenigstens aus regionaler oder sogar
überregionaler Sicht als geschichtlich bedeutend erachtet werden, durch Nachforschungen entdeckt
und untersucht werden sollen, weil das die für ihre Dokumentation und Erforschung ausreichenden
Maßnahmen sind, während die unveränderte körperliche Erhaltung der historisch gewachsenen
Erscheinung und Substanz dieser Denkmale (siehe dazu §§ 1 Abs. 1, 2, 6 und 9 sowie 4 Abs. 1; cf. Bazil
et al. 2015, 42-3) in situ nicht im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Das Risiko, das für den eigentlichen gesetzlichen Schutzgegenstand – d.h. Denkmale iSd § 1 Abs. 1
DMSG, deren Bedeutung derart beschaffen ist, dass ihre Erhaltung iSd § 1 Abs. 2 im öffentlichen
Interesse gelegen ist – von Grabungen und sonstigen Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung
und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche
ausgeht, ist dabei bei der Ausübung des durch die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG beschränkten
Grundrechtes – selbst unter Vernachlässigung der dem gesetzlichen Schutzgegenstand drohenden,
anderen Ursachen geschuldeten, Gefahr von Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland
– verschwindend gering. Gegenstände, die archäologische Denkmale sein könnten, deren Bedeutung
derart beschaffen ist, dass ihre Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen
ist, können zwar überall im Erdboden vorkommen, kommen aber tatsächlich in signifikanter und damit
– wenigstens hypothetisch – historisch aussagekräftiger Häufung überhaupt nur auf maximal etwa 2%
des österreichischen Bundesgebietes vor; zieht man die Zahlen der BDA bekannten Fundstellen heran,
sogar eventuell nur auf weniger als 0,25% davon. Von diesen Fundstellen, die – hypothetisch –
besonders bedeutende Denkmale sein könnten, sind ihrerseits maximal ca. 6% tatsächlich so
bedeutend, dass an ihrer unveränderten Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht (d.h. nur ca.
0,015% des österreichischen Bundesgebiets sind aufgrund der besonderen Bedeutung der dort
vorkommenden archäologischen Denkmale geschützt). Die Wahrscheinlichkeit, dass räumlich
dazwischen irgendwelche tatsächlich derart bedeutenden archäologischen Denkmale vorkommen,
deren Erhaltung auch nur im öffentlichen Interesse gelegen sein könnte, ist praktisch gleich Null.
Wenn archäologische Nachforschungen mit nicht invasiven Methoden durchgeführt werden – selbst
wenn dies auf tatsächlich besonders bedeutenden archäologischen Denkmalen geschieht – ist die
Wahrscheinlichkeit, dass durch diese irgendein Schaden an den untersuchten Denkmalen angerichtet
wird, ebenfalls praktisch gleich Null. Selbst wenn archäologische Nachforschungen mit invasiven
Methoden – d.h. Grabungen oder sonstwie in den Boden eingreifenden Verfahren – auf tatsächlich
aufgrund ihrer besonderen Bedeutung geschützten archäologischen Denkmalen durchgeführt
werden, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass dadurch die Bedeutung oder gar die gesamte
Substanz des betroffenen Denkmals im denkmalrechtlich relevanten Sinn zerstört (Bazil et al. 2015,
42) oder auch nur derart signifikant verändert wird, dass dem Denkmal danach kein ausreichender
Dokumentationswert zugesprochen werden kann (siehe dazu – wenn auch in etwas anderem
Sinnzusammenhang – § 1 Abs. 10 DMSG) oder auch nur so viele wissenschaftlich signifikante
275
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Informationen über dieses Denkmal verloren gehen, dass seine wissenschaftliche Aussagekraft
maßgeblich reduziert würde. Dies liegt – wenn auch nur zum weitaus kleinsten Teil – auch daran, dass
bei tatsächlich wissenschaftlichen Nachforschungen die historisch signifikanten Eigenschaften und
Bestandteile des archäologischen Denkmals – das ja in der Regel eine Fundstelle in ihrer Gesamtheit
ist, nicht deren einzelne Bestandteile (siehe dazu Seiten 150-156) – regelhaft sachgerecht
dokumentiert und daher, wenn auch in einem anderen Medium, dauerhaft erhalten werden (siehe
dazu auch schon Krischok 2016, 137-8). Zu weitaus größeren Teilen liegt es jedoch daran, dass sich
selbst auf geschützten archäologischen Fundstellen häufig zwischen den dort vorkommenden
archäologischen Überresten größere Bereiche befinden, auf denen keine solchen erhalten sind (Bazil
et al. 2015, 43), und selbst systematische archäologische Flächengrabungen, sofern sie nicht vor sehr
großflächigen Baumaßnahmen, durch die alle an Ort und Stelle vorkommenden archäologischen
Überreste ohnehin zerstört werden würden, als Rettungsgrabungen durchgeführt werden,
normalerweise nur einen kleinen Prozentsatz der betroffenen Fundstelle verändern oder zerstören.
Die Wahrscheinlichkeit, dass bei archäologischen Nachforschungen auf einer beliebigen Bodenfläche
auf dem österreichischen Bundesgebiet – geschützte archäologische Denkmale mitgerechnet – ein
dort vorhandenes archäologisches Denkmal, dessen Bedeutung derart beschaffen ist, dass seine
Erhaltung deswegen im öffentlichen Interesse gelegen ist, so stark zerstört, signifikant verändert wird
oder seine signifikanten Bestandteile zu einem solch großen Anteil ins Ausland verbracht werden, dass
dadurch seine Bedeutung als Denkmal oder seine wissenschaftliche Aussagekraft soweit verringert
wird, dass dies iSd § 1 Abs. 2 DMSG als eine „Beeinträchtigung des österreichischen
Kulturgüterbestandes in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt
und Verteilung bedeuten würde“ bzw. „eine geschichtliche Dokumentation“ nicht mehr ausreichend
erreicht werden könnte, liegt daher ebenfalls nahe Null. Eine NFG-Pflicht wie die des § 11 Abs. 1
DMSG, die die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 DMSG, die selbstverständlich auch die
wissenschaftliche archäologische Feldforschung vor staatlichen Eingriffen schützt, extrem stark
beschränkt, könnte daher – wenn überhaupt, und dann nicht in dem durch § 11 Abs. 1 DMSG
verursachten Maß – überhaupt nur dann im verfassungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig sein, wenn
sie ausschließlich auf wissenschaftliche Nachforschungen auf geschützten archäologischen
Denkmalen Anwendung finden könnte.
Aber selbst wenn man den Anwendungsbereich der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG derart eng
auslegen würde, kann sie schon allein deshalb auch dann nicht im verfassungsrechtlichen Sinn
verhältnismäßig sein, weil gem. §§ 2a bzw. 3 DMSG geschützte Denkmale bereits durch die
Bestimmungen des § 4 Abs. 1 DMSG vor jeder Zerstörung oder Veränderung, „durch die eine
Beeinflussung der geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung des Denkmals
bloß möglich ist“ (Bazil et al. 2015: Hervorhebung: Autor), und somit auch vor jeder durch
Nachforschungen verursachten derartigen Veränderung geschützt sind. Damit kann die NFG-Pflicht
des § 11 Abs. 1 DMSG weder dafür geeignet noch dafür erforderlich sein, geschützte Denkmale vor
von Nachforschungen verursachten Zerstörungen, Veränderungen oder der Verbringung ins Ausland
zu schützen.
Eine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit durch eine NFG-Pflicht auch bei Nachforschungen, die
eine Untersuchung oder Entdeckung von noch im verborgenen gelegenen Bestandteilen oder von
archäologischen Denkmalen in ihrer Gesamtheit bezwecken, die dem BDA bereits länger als 6 Wochen
bekannt sind, von diesem aber dennoch nicht – ob nun beschleunigt gem. § 9 Abs. 3 oder in einem
sonstigen Verfahren gem. §§ 2a oder 3 DMSG – unter Denkmalschutz gestellt wurden, kann hingegen
schon allein deshalb nicht im verfassungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig sein, weil bezüglich solcher
Denkmale bereits in einem dafür vorgesehenen gesetzlichen Verfahren die Denkmalschutzwürdigkeit
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
dieses Denkmals behördlich geprüft und festgestellt wurde, dass ein öffentliches Interesse an der
Erhaltung dieses Denkmals – selbstverständlich inklusive aller seiner bereits bekannten und noch
unbekannten Bestandteile iSd § 1 Abs. 9 DMSG – tatsächlich nicht besteht. Eine intentionale
Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit, wie sie durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG
vorgenommen wird, ist allerdings nur dann zulässig, wenn die unbeschränkte Ausübung der
Wissenschaftsfreiheit ein kollidierendes verfassungsgesetzlich geschütztes Rechtsgut ernsthaft
gefährden würde (Berka 1999, 346). Besteht allerdings an der Erhaltung eines bereits dem BDA
bekannten Denkmals – d.h. der betroffenen Fundstelle samt all ihrer bekannten und noch
unbekannten Bestandteile – schon behördlich festgestellter Maßen tatsächlich kein öffentliches
Interesse, wird durch die unbeschränkte Ausübung der Wissenschaftsfreiheit kein
verfassungsgesetzlich geschütztes Rechtsgut gefährdet; und somit ist jedwede Beschränkung der
Freiheit, die betroffene Sache wissenschaftlich zu untersuchen, jedenfalls verfassungswidrig.
Auch eine Anwendung der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auf Nachforschungen zum Zwecke der
Entdeckung (und potentiell automatisch damit verbundenen Untersuchung) von davor noch gänzlich
unbekannten Denkmalen ist jedenfalls verfassungswidrig. Teil des mit dieser NFG-Pflicht vom
Gesetzgeber verfolgten Zwecks ist jedenfalls – unabhängig davon, welchen konkreten Zweck er genau
verfolgt – der Schutz besonders bedeutender Denkmale vor der Zerstörung, Veränderung oder
Verbringung ins Ausland durch derartige Nachforschungen. Die Gefahr, dass es zu solchen Schäden an
einem schützenswerten Denkmal kommt, ist jedoch bei der vom konkreten Einzelfall unabhängigen
Durchschnittsbetrachtung, wie bereits erwähnt, gerade abseits bereits bekannter archäologischer
Fundstellen so verschwindend gering, dass sie keinesfalls als ernsthafte Gefährdung eines
grundlegenden Rechtsguts (Berka 1999, 346) betrachtet werden kann. Damit scheitert die NFG-Pflicht
des § 11 Abs. 1 DMSG aber – selbst wenn man sie in diesem Zusammenhang als geeignet und
erforderlich betrachten will, was für sich schon stark diskutierbar ist – spätestens an der nicht
gegebenen Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn. Gleichzeitig scheidet im Kontext der versuchten
Entdeckung zuvor noch gänzlich unbekannter Denkmale das – in anderen Zusammenhängen eventuell
mögliche – Abstellen auf den konkreten Einzelfall aus: die Einzelfallbeurteilung setzt
selbstverständlich voraus, dass (wenigstens) die beurteilende Behörde die betroffenen und
gegebenenfalls gegeneinander abzuwägenden konkreten Rechtsgüter auch kennt. Nachdem aber das
BDA ein noch nicht entdecktes Denkmal ebenso wenig kennt wie der, der Nachforschungen zum
Zwecke seiner Entdeckung und Untersuchung anstellt, und in Ermangelung konkreter Hinweise auf
das Vorkommen irgendwelcher (geschweige denn besonders bedeutender) Denkmale am geplanten
Nachforschungsort auch unmöglich die konkrete Wahrscheinlichkeit bestimmen kann, dass dort
besonders bedeutende Denkmale angetroffen werden, muss es notwendigerweise auf die
Durchschnittsbetrachtung abstellen.
Will man hingegen davon ausgehen, dass die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 nur tatsächlich besonders
bedeutende Denkmale vor von bei ihrer Entdeckung von wissenschaftlichen Nachforschungen für ihre
Erhaltung ausgehenden Gefahren schützen sollen, und daher – sozusagen auf Verdacht hin, weil man
bei ihnen in der Regel ja nicht wissen kann, ob man ein solches Denkmal finden wird – alle
Nachforschungen einer Bewilligung bedürfen, scheitert die derart interpretierte NFG-Pflicht –
abgesehen von dem Problem der aufgrund der Unmöglichkeit für den Nachforschenden, ex ante
beurteilen zu können, ob das, was er finden wird, eine Sache ist, die den denkmalschutzrechtlichen
Bestimmungen unterworfen ist, fehlenden Möglichkeit, die NFG-Pflicht oder irgendeine sonstige
Bestimmung des DMSG überhaupt anzuwenden (siehe dazu schon Seiten 33-118, insbesondere 9394) – ebenfalls daran, dass in diesem Fall auf eine Durchschnittsbetrachtung abgestellt werden
müsste, um das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser besonders bedeutenden Denkmale mit
277
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
den durch die so betrachtete NFG-Pflicht verursachten Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit
abzuwägen.
In diesem Fall wäre zwar gleichgültig, wie unwahrscheinlich das Eintreten der von Nachforschungen
ausgehenden Gefahr für besonders bedeutende Denkmale ist, weil ja der Sachverhalt sozusagen aus
der Sicht des besonders bedeutenden Denkmals betrachtet wird, das tatsächlich bei einer
Nachforschung entdeckt wird. Es wäre dafür aber darauf abzustellen, wie vergleichsweise
wahrscheinlich es ist, dass ein Denkmal durch seine Entdeckung bei wissenschaftlichen
Nachforschungen zerstört wird, dass es durch von anderen Ursachen für seine Erhaltung ausgehenden
Gefahren zerstört wird oder dass es unverändert in situ dauerhaft erhalten bleibt. Dabei würde sich
aber unmittelbar erweisen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass das betreffende Denkmal durch seine
Entdeckung bei wissenschaftlichen Nachforschungen zerstört wird, um ein großes Vielfaches geringer
ist als die, dass es durch andere Ursachen zerstört wird (siehe dazu schon oben Seiten 161-188).
Ebenso würde sich unmittelbar zeigen, dass von allen möglichen Ursachen, durch die das Denkmal
zerstört, verändert oder ins Ausland verbracht werden kann, seine Entdeckung bei wissenschaftlichen
Nachforschungen die einzige ist, bei der die Bedeutung des Denkmals aller Wahrscheinlichkeit nach
durch Dokumentation erhalten wird, während alle anderen Ursachen zu einem Totalverlust des
Denkmals führen.
Daraus wäre nun das Gewicht abzuleiten, das dem verfassungsgesetzlich ohnehin nur vergleichsweise
schwach durch die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG geschützten Rechtsgut des Schutzes
der Denkmale vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland zukommt. Dieses Gewicht
wäre aber selbstverständlich – außer soweit es die Erhaltung gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschützter
Denkmale betrifft – als verschwindend gering zu beurteilen, weil bereits bekannte, aber nicht
denkmalgeschützte, und alle noch gänzlich unbekannten Denkmale – selbstverständlich inklusive der
unter diesen zu findenden, besonders bedeutenden – vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung
ins Ausland durch andere Ursachen als ihre Entdeckung bei Nachforschungen gar nicht geschützt sind.
Damit kann aber das Gewicht, das dem Schutz noch nicht denkmalgeschützter, aber dennoch
besonders bedeutender, Denkmale vor durch Nachforschungen an ihnen verursachten Schäden
zukommt, nicht mit der durch die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG verursachten Beschränkung der
Wissenschaftsfreiheit – der jedenfalls ein sehr hohes Gewicht zukommt – in einem ausgewogenen
Verhältnis stehen; weshalb diese NFG-Pflicht ebenfalls im engeren Sinn unverhältnismäßig wäre.
Egal wie man also die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auslegen will: wenn der Gesetzgeber damit
die Beschränkung und Regelung wissenschaftlicher Nachforschungen bezweckt, verletzt sie in jedem
Fall das Übermaßverbot der Bundesverfassung und ist somit als verfassungswidriges Gesetz zu
betrachten. Es gibt keine Möglichkeit, diese gesetzliche Bestimmung in ihrer derzeitigen Form so
auszulegen, dass dadurch keine übermäßige Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs.
1 StGG verursacht würde. Sie sollte daher dringend vom Gesetzgeber repariert werden.
Die NFG-Pflicht als Mittel zur Verhinderung unwissenschaftlicher Nachforschungen
Will man hingegen – entgegen dem Wortlaut der Bestimmung selbst und dem explizit in den
Regierungsvorlagen deklarierten Zweck der gesetzlichen Bestimmungen, das Vorgehen bei
wissenschaftlichen Grabungen und sonstigen Nachforschungen zu regeln (RV 1990, 20; 1999, 54-5) –
davon ausgehen, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG gar nicht auf die Abwendung der von
wissenschaftlichen Nachforschungen ausgehenden Gefahren für die Erhaltung von Denkmalen,
sondern ganz im Gegenteil auf die Abwendung von nicht wissenschaftlichen Nachforschungen –
insbesondere den ebenfalls in der Regierungsvorlage zur DMSG-Novelle BGBl. 473/1990 explizit
genannten Metallsuchen durch kein einschlägiges Universitätsstudium abgeschlossen habende
278
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Personen (RV 1990, 20) – abzielt, stößt man – abgesehen von anderen verfassungsrechtlichen
Schwierigkeiten
wie
der
dadurch
möglicherweise
verursachten
Verletzung
des
Diskriminierungsverbots und des Sachlichkeitsgebots – auch damit auf Probleme. Denn einmal völlig
abgesehen davon, dass der Gesetzgeber, wenn er nicht mit wissenschaftlichem Erkenntniszweck
durchgeführte Nachforschungen einer gesetzlichen NFG-Pflicht unterwerfen hätte wollen, er die
Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG eigentlich ganz anders formulieren hätte können und sollen (z.B.
„Nachforschungen mit Metallsuchgeräten und anderen technischen Bodensuchgeräten zu anderen
als Zwecken als dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn bedürfen der Genehmigung durch das
BDA.“): der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, nicht wissenschaftliche Nachforschungen – und seien
es nur solche, die eine Entdeckung denkmalschutzrelevanter Gegenstände bezwecken – zu verbieten,
rechtfertigt nicht ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt (Krischok 2016, 128-9; Pieroth et al.
2015, 75), dem auch solche wissenschaftliche Nachforschungen unterworfen werden, die mit dem
Zweck durchgeführt werden sollen, archäologische Erkenntnisse zu gewinnen.
Im Fall, dass es eigentlich um die Verhinderung der von nicht zu wissenschaftlichen Erkenntniszwecken
durchgeführten Metallsuchen (und sonstigen vergleichbaren invasiven oder nicht invasiven
Nachforschungen) ausgehenden Gefährdung für archäologische Denkmale geht – die durch das DMSG
ja primär als Primärquellen der archäologischen Forschung geschützt werden sollen – kann maximal
ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (Krischok 2016, 128; Pieroth et al. 2015, 75)
gerechtfertigt werden, das auch wissenschaftliche Nachforschungen trifft. Selbst das ist nur möglich,
wenn man davon ausgeht, dass die unwissenschaftlichen Nachforschungen von Metallsuchern, die –
wenigstens überwiegend – aus anderen als wissenschaftlichen Zwecken archäologische Denkmale iSd
§ 1 Abs. 1 DMSG (oder sogar nur Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG) zu entdecken versuchen, deren
Bedeutung derart beschaffen ist, dass ihre Erhaltung iSd § 1 Abs. 2 DMSG im öffentlichen Interesse
gelegen ist (oder auch nur iSd § 8 Abs. 1 DMSG gelegen sein könnte), nicht ausreichend eindeutig
gesetzlich von Nachforschungen zu – und sei es auch nur überwiegend – wissenschaftlichen Zwecken
unterscheidbar sind; d.h. wenn man davon ausgeht, dass sich Metallsucher (auch tatsächlich
erfolgreich) der Strafverfolgung für eine allfällige Verletzung eines allfälligen (Total-) Verbotes nicht
wissenschaftlicher Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung von Denkmalen entziehen könnten,
indem sie fälschlich behaupten, bei ihren Nachforschungen primär nach archäologischer
wissenschaftlicher Erkenntnis gesucht zu haben.
Wenn man das annimmt, könnte ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt angebracht sein, das
der zuständigen Behörde gestattet, geplante Nachforschungen, die zwar grundsätzlich zugelassen
sind, auf rechtswidriges Fehlverhalten zu prüfen (Pieroth et al. 2015, 75). Das war übrigens etwa die
Art der Regelung, die im DMSG bis zur Novelle von 1990 durch das Zusammenwirken der
Bestimmungen der §§ 9-11 idF BGBl. 533/1923 und 167/1978 erreicht wurde, bei der durch § 9 in
Verbindung mit § 10 jede Veränderung mutmaßlicher Denkmale vom Zeitpunkt ihrer Entdeckung bis
zum Ende der dort genannten Fristabläufe generell verboten waren, während § 11 es
WissenschafterInnen ermöglichte, vorab eine Erlaubnis des BDA für durch wissenschaftliche
Forschungen verursachte Veränderungen von bei ihren Forschungen neu entdeckten Denkmalen
einzuholen. Genau das wurde aber durch die Änderung der Bestimmungen dieser Paragrafen und
insbesondere des § 11 Abs. 1 in der Novelle DMSG 473/1990 geändert und die NFG-Pflicht in ein
repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt umgewandelt.
Um aus der derzeit geltenden NFG-Pflicht wieder ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu
machen, wäre es jedenfalls wenigstens erforderlich, dass in den Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG
vorgesehen würde, dass ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der NFG besteht, wenn die beantragten
Nachforschungen mit wissenschaftlichen Methoden zu wissenschaftlichen Erkenntniszwecken
279
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
durchgeführt werden sollen. Die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG sehen jedoch das genaue
Gegenteil vor, indem sie explizit das Bestehen eines Rechtsanspruchs auf die Erteilung der NFG
ausschließen. Daher ist auch unter der Annahme, dass die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG
eigentlich der Verhinderung unwissenschaftlicher Nachforschungen dienen, die Unterwerfung
wissenschaftlicher Nachforschungen unter diese NFG-Pflicht jedenfalls unverhältnismäßig und damit
verfassungswidrig.
Gleichzeitig ist hier auch anzumerken, dass ohnehin die Annahme, dass man – wenigstens
überwiegend – zu anderen als wissenschaftlichen Zwecken durchgeführte Metallsuchen – d.h. wohl
hauptsächlich „Schatzsuchen“ aus wirtschaftlichen Gewinnmotiven, „Fundsuchen“ zur Befriedigung
privater Sammelinteressen und „Selbsttherapien“ im Sinne von Jung (2010, 326-30) – nicht rechtlich
hinreichend genau von archäologischen Nachforschungen mit – neuerlich wenigstens überwiegend –
wissenschaftlichem Erkenntniszweck unterscheiden könnte, vollkommen absurd ist. Schließlich ergibt
sich Wissenschaftlichkeit nicht allein daraus, dass bei einer „Nachforschung“ irgendetwas gesucht und
gefunden werden soll, sondern dadurch, dass das Ziel der Nachforschung der Gewinn intersubjektiv
nachvollziehbarer (und in diesem Sinn „objektiver“) wissenschaftlicher Erkenntnis ist.
Wissenschaftliche Nachforschungen kennzeichnen sich daher eben dadurch, dass sie
1) ernsthaft, d.h. auf Basis eines gewissen Kenntnisstandes über den Forschungsstand in der
betreffenden Wissenschaft in Bezug auf das untersuchte Themengebiet,
2) planvoll, d.h. normalerweise auf die Beantwortung – wenigstens kursorisch – vorab
definierter Forschungsfragen ausgerichtet und
3) methodisch durchgeführt werden, d.h. wenn auch nicht unbedingt wissenschaftlich (bereits)
allgemeinen, vordefinierten Methoden folgend so doch wenigstens einer vorab definierten
Systematik folgend, die dazu geeignet erscheint, Antworten auf die vorab definierten
Forschungsfragen zu gewinnen und dazu
4) selbstverständlich auch, insbesondere wenn es um die Erforschung von Primärquellen geht,
wissenschaftlichen Standards entsprechende Dokumentationsunterlagen über die getätigten
Beobachtungen und gesammelten Daten angefertigt werden, die
5) eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit der gewonnenen Forschungsergebnisse
sicherstellen bzw. zumindest ermöglichen sollen und schließlich
6) die gewonnenen Erkenntnisse samt ihrer argumentativen (d.h. auf Evidenz und rationalen
Überlegungen bzw. logischen Schlussfolgerungen beruhenden) Begründung durch
Veröffentlichung in den allgemeinen wissenschaftlichen Diskurs eingebracht werden oder
wenigstens eingebracht werden sollen.
Zwar erfüllt nicht jede wissenschaftliche Nachforschung notwendigerweise – und schon gar nicht in
ihrer Frühphase, wenn vom Wissenschafter noch hauptsächlich Primärquellen untersucht werden –
jederzeit alle dieser Kriterien – so z.B. ist die Einbringung der Erkenntnisse in den Diskurs erst sinnvoll
möglich, wenn ausreichend viel davon gewonnen wurden, dass die vorab gestellten Forschungsfragen
auch in einigermaßen nachvollziehbarer Weise beantwortet werden können –, aber wenigstens
mehrere davon jedenfalls von Anfang an. Wissenschaftliche Nachforschungen sind daher
einigermaßen leicht anhand dieser für ihre Wissenschaftlichkeit essentiell erforderlichen
Eigenschaften erkennbar.
Mehr oder minder zufällig durch die Landschaft zu spazieren, um, wenn das Metallsuchgerät
anschlägt, ein Loch zu graben, um zu sehen, was den Anschlag des Gerätes möglicherweise verursacht
haben könnte und ob das, was diesen Anschlag verursacht hat, ausreichend wertvoll erscheint, um
gewinnbringend an einen Sammler verkauft werden zu können oder es die eigene Sammlung des
Metallsuchers bereichern würde, erfüllt hingegen in der Regel kein einziges dieser Kriterien.
280
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Insbesondere geben sich MetallsucherInnen, die möglichst viele Sachen finden wollen, denen
wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn hingegen weitgehend gleichgültig oder bestenfalls sehr
sekundär wichtig ist, mit der gerade für wissenschaftliche Nachforschungen besonders
charakteristischen und auch vergleichsweise zeitaufwändigen Dokumentation ihrer Beobachtungen –
wie z.B. der topografisch möglichst genauen Einmessung des Fundortes des getätigten Fundes und
der Aufzeichnung anderer allfällig relevant sein könnender Fundumstände – und der von ihnen
gesammelten Daten in der Regel nicht ab. Unwissenschaftliche Nachforschungen zum Zwecke der
Entdeckung irgendwelcher im Boden verborgener Sachen sind daher – und zwar auch schon ganz
unmittelbar bei der Beobachtung ihrer Durchführung im Feld – ebenfalls einigermaßen leicht zu
erkennen und auch mit hoher Trennschärfe von wissenschaftlichen Nachforschungen korrekt
unterscheidbar: wer willkürlich Löcher in die Landschaft gräbt und Sachen einsammelt, ohne dabei
irgendwelche erkennbaren Schritte zur durch Dritte auch zu späterer Zeit nachvollziehbaren
Dokumentation seiner Tätigkeiten zu setzen, führt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
keine wissenschaftlichen Nachforschungen, sondern solche zu anderen als wissenschaftlichen
Zwecken durch.
In den wenigen echten Grenz- und Ausnahmefällen, in denen eine scheinbar unwissenschaftliche
Nachforschung dennoch den Ansprüchen der Wissenschaftlichkeit genügt – so z.B., wenn ein
Wissenschafter einen Survey mit einem Metallsuchgerät ohne Begehungsraster (BDA 2018, 11)
durchführt und dabei keine Funde entdeckt, die dokumentationswürdig erscheinen – ist die
Wissenschaftlichkeit der zweifelhaft erscheinenden Tätigkeit im Notfall im Rahmen eines
behördlichen Ermittlungsverfahrens leicht feststellbar. Denn der Wissenschafter – ob er nun
professioneller oder Hobbyarchäologe ist – wird einigermaßen leicht nachweisen können, dass er über
den für seine Forschungen als Voraussetzung erforderlichen fachlichen Kenntnisstand verfügt, seine
vorab definierten Forschungsfragen und die zu deren Beantwortung eingesetzten Methoden in
einigermaßen nachvollziehbarer Weise darstellen und aller Wahrscheinlichkeit nach sogar
Dokumentationen von zu früherer Zeit durchgeführten Feldforschungen sowie allfällig daraus
erwachsene Fundmeldungen und – und seien es auch „nur“ populärwissenschaftliche –
Veröffentlichungen vorweisen können, die dazu geeignet sind, weitestgehend zweifelsfrei
nachzuweisen, dass er seinen Forschungen normalerweise und daher wohl auch im konkreten
Einzelfall auf wissenschaftliche und daher erlaubte und sogar erwünschte Weise nachgegangen ist.
Die vermutlich noch viel selteneren echten Ausnahmefälle hingegen, bei denen die Voraussetzungen
umgekehrt sind – d.h. Feldforschungen, die zwar nach außen hin den Anschein der
Wissenschaftlichkeit erwecken, weil bei ihrer Durchführung anscheinend systematisch vorgegangen
wird und bei jedem Fund Dokumentationsunterlagen angefertigt werden, die vorgebliche Systematik
und Dokumentation aber nur zur Täuschung von Dritten dient, die den eigentlich aus anderen
Zwecken Suchenden beobachten könnten – fallen hingegen in den Bereich des vertretbaren und
ohnehin unvermeidlichen Restrisikos. Davon abgesehen versteht es sich von selbst, dass auch eine
Vorab-NFG-Pflicht Denkmale nicht vor von Personen verursachten Schäden schützen kann, die in
vorsätzlicher Täuschungsabsicht vorgeben, ihre Nachforschungen wissenschaftlich sachgemäß
durchzuführen bzw. durchführen zu wollen, aber tatsächlich unwissenschaftlich arbeiten bzw.
arbeiten wollen. Für Dritte vorsätzlich irreführen wollende Personen ist es sogar weitaus weniger
aufwändig, die vorgebliche Wissenschaftlichkeit ihres geplanten Vorgehens nur auf dem Papier in
ihrem NFG-Antrag statt andauernd bei der Durchführung ihrer Nachforschungen im Feld vortäuschen
zu müssen, um einer allfälligen Strafverfolgung für rechtswidrig durchgeführte unwissenschaftliche
Nachforschungen entgehen zu können.
281
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Ein Problem können schließlich, wenn überhaupt, nur jene anderen, wohl ebenfalls recht seltenen
Grenzfälle darstellen, in denen hochmotivierte, aber nicht hinreichend kompetente,
HobbyforscherInnen tatsächlich mit wissenschaftlicher Forschungsabsicht, aber aus fachlicher Sicht
nicht das Niveau echter Wissenschaftlichkeit erreichende, Nachforschungen anstellen. Dieses
Problem sollte allerdings in den meisten Fällen, in denen es auftritt, durch entsprechende
wissenschaftliche Beratung und Betreuung derartiger HobbyforscherInnen einigermaßen einfach
lösbar sein, ohne dass durch deren Tätigkeiten signifikanter archäologischer Sachschaden entsteht;
und auch ohne, dass die rechtliche Unterscheidbarkeit zwischen wissenschaftlichen und
unwissenschaftlichen Nachforschungen dadurch unmöglich wird. Die meisten derartigen
HobbyforscherInnen sind wohl auch an entsprechender Beratung und Betreuung interessiert und
dieser – wenigstens nach den ersten paar kleinen Fehltritten – auch zugänglich. Die wenigen
verbleibenden HobbyforscherInnen, die sich langfristig als beratungs- und betreuungsresistent
erweisen, kann man hingegen – nicht anders als die, die vorsätzlich die Wissenschaftlichkeit ihrer
unwissenschaftlichen Nachforschungshandlungen vortäuschen – auch durch NFG-Pflichten nicht
davon abhalten, ihre zwar zu wissenschaftlichen Zwecken, aber nicht hinreichend kompetent,
durchgeführten Nachforschungen zu unternehmen.
Geht es also bei gesetzlichen NFG-Pflichten nicht um eine Beschränkung wissenschaftlicher
Nachforschungen, sondern ganz im Gegenteil um eine Verhinderung unwissenschaftlicher
Nachforschungen zu anderen als Erkenntniszwecken, sind nicht einmal präventive NFG-Pflichten mit
Erlaubnisvorbehalt, die auch tatsächlich wissenschaftliche Nachforschungen einer behördlichen
Vorprüfung unterwerfen, dafür geeignet und erforderlich, das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel zu
erreichen, und auch nicht mit der dadurch verursachten Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit
verhältnismäßig. Geht es dem Gesetzgeber nur darum, die sowohl sachlich als auch rechtlich unschwer
voneinander unterscheidbaren unwissenschaftlichen von wissenschaftlichen Nachforschungen zu
trennen, um die Erstgenannten verhindern, die Zweitgenannten hingegen erlauben zu können, kann
er dieses Ziel ohne maßgebliche Schwierigkeiten genauso effektiv mit anderen gesetzlichen Mitteln
als mit NFG-Pflichten erreichen, die weitaus weniger in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1
StGG eingreifen; z.B. mit den hier schon weiter oben (Seiten 199-207) vorgeschlagenen allgemeinen
Dokumentationspflichten bei der Entdeckung archäologischer Funde und Befunde.
Wissenschaftsfreiheit, Denkmalschutz und die Verwaltungspraxis
Wie in diesem Kapitel gezeigt wurde, stellt die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF einen jedenfalls
unverhältnismäßigen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG dar. Die
Unverhältnismäßigkeit betrifft dabei nicht nur die weit überzogene Anwendungspraxis der
gesetzlichen Bestimmung durch das BDA (2016a; 2018), sondern tatsächlich sogar die Bestimmung
selbst. Gleichgültig, wie eng oder weit man die gesetzliche Bestimmung auslegen will, welchen
genauen Zweck auch immer man annehmen will, den der Gesetzgeber damit verfolgen könnte, und
aus welchem Blickwinkel auch immer man diese Bestimmung betrachten will: sie ist entweder nicht
einmal ein legitimes Mittel, oder nicht geeignet, oder nicht erforderlich, oder die durch sie verursachte
Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit mit dieser im engeren Sinn unverhältnismäßig; wenn nicht
sogar alles davon gleichzeitig. Es ist daher nicht nur die Handhabung dieser Bestimmung durch das
BDA, sondern die Bestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG selbst, jedenfalls verfassungswidrig.
Dass diese Bestimmung tatsächlich auch selbst verfassungswidrig ist, liegt daran, dass spätestens bei
und seit der Novellierung des DMSG im Jahr 1990 niemand – und zwar weder der Gesetzgeber, noch
die zuständigen Juristen im jeweils zuständigen Bundesministerium, noch die Rechts- oder
archäologische Fachabteilung des BDA, ja scheinbar nicht einmal die archäologische Fachwelt
(wenigstens soweit sich dies aus der publizierten Literatur ableiten lässt; wenngleich auch in
282
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
persönlichen Gesprächen KollegInnen, die nicht im BDA beschäftigt sind, die wenigstens teilweise,
wenn nicht sogar vollständige, Verfassungswidrigkeit der Bestimmung gelegentlich ansprechen) –
daran gedacht zu haben scheint, dass eine staatliche Regelung des wissenschaftlichen archäologischen
Grabungs- bzw. sonstigen Feldforschungswesens auch nur einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit
des Art. 17 Abs. 1 StGG darstellen könnte, geschweige denn einen möglicherweise
verfassungswidrigen Eingriff in diese. Zunehmend häufig habe ich sogar den Eindruck, dass man in all
diesen Umfeldern nicht einmal daran gedacht hat, ja eventuell nicht einmal weiß, dass es die
Wissenschaftsfreiheit überhaupt gibt, geschweige denn, dass es sich bei ihr um ein
verfassungsgesetzlich vorbehaltlos geschütztes Grundrecht handelt, auf das sich jeder berufen kann
(siehe in diesem Sinn auch schon Karl 2017a, 73).
Dass man bei der für die hier konkret diskutierte Problematik maßgeblichen Novellierung des § 11
Abs. 1 DMSG idF BGBl. 473/1990 entweder keinen Gedanken auf den jedenfalls im Kontext einer
geplanten gesetzlichen Regelung „der Durchführung […] wissenschaftlicher Grabungen“ (RV 1990, 20)
relevanten Schutz aller wissenschaftlicher Nachforschungen verschwendet oder die dadurch
jedenfalls erzeugte Kollision zwischen dem Rechtsgut des Denkmalschutzes und der
Wissenschaftsfreiheit sogar bewusst verschwiegen hat (siehe dazu schon Seiten 104-111), zeigt sich
deutlich an den Erläuterungen zu den vorgenommenen Veränderungen in der Regierungsvorlage (RV
1990, 20). In diesen wird eben an keiner Stelle auch nur erwähnt, ja nicht einmal angedeutet, dass die
Veränderung der gesetzlichen NFG-Möglichkeit hin zu einer repressiven NFG-Pflicht mit
Befreiungsvorbehalt die Wissenschaftsfreiheit das Art. 17 Abs. 1 auch nur in irgendeiner Weise
tangieren könnte, geschweige denn, dass es hier einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung
bedürfte. Auch davon, dass bei der – ja als Ermessensentscheidung des BDA (Bazil et al. 2015, 64)
konzipierten – Abwägung der Gründe die für und gegen die Erteilung einer NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG
von der Behörde auch insbesondere die Wissenschaftsfreiheit des Antragstellers zu berücksichtigen
ist, weil es gerade hier zu einer Kollision von verfassungsgesetzlich geschützten Rechtsgütern kommen
kann, ist keine Rede.
Vielmehr wird so getan, als ob der Gesetzgeber ganz selbstverständlich das Vorgehen bei
wissenschaftlichen Grabungen und sonstigen Nachforschungen regeln müsste, weil dabei entdeckte
archäologische Denkmale keine Zufallsfunde seien und daher „eine für die Wissenschaft notwendig
geregelte Vorgangsweise bei der Durchführung der Grabungen, der Durchführung der Meldungen
usw.“ (RV 1990, 20) bestimmt werden müsse. Dass es durchaus korrekt ist, dass, damit eine Grabung
tatsächlich wissenschaftlichen Anforderungen genügt, dabei geregelt (als Synonym für „methodisch“
verwendet) vorgegangen werden muss, bedeutet aber noch lange nicht, dass der Staat dieses
Vorgehen regeln darf; sondern es ist ihm sogar – weil er damit eine Fremdbestimmung der
Wissenschaft vornimmt – ganz konkret durch Art. 17 Abs. 1 StGG verboten.
Auch seit der Novelle BGBl. 473/1990 scheint die Wissenschaftsfreiheit aber überhaupt keine
Berücksichtigung mehr in denkmalpflegerischen und denkmalschutzrechtlichen Erwägungen
gefunden zu haben. So nimmt zum Beispiel auch die Regierungsvorlage zum DMSG idF BGBl. I
170/1999 keinerlei Rücksicht darauf, dass durch die in dieser vorgenommenen, noch weitergehenden
Änderung der NFG-Pflichten des § 11 Abs. 1 und 2 DMSG die Wissenschaftsfreiheit noch viel weiter
beschränkt wurde, als das bereits in der vorhergehenden Novelle BGBl. 473/1990 der Fall war.
Schließlich hatte das DMSG idF BGBl. 473/1990 in § 11 Abs. 1 noch vorgesehen, dass die NFG auch an
Personen erteilt werden konnte, „die vor einer Kommission, bestehend aus Vertretern des
Bundesdenkmalamtes, einschlägiger Fachinstitute der Universitäten und mindestens je eines
einschlägigen Bundes- und Landesmuseums, durch eine Prüfung einen Befähigungsnachweis erbracht“
hatten. Diese Möglichkeit für Personen, welche die Kompetenz zur Durchführung wissenschaftlicher
283
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Nachforschungen tatsächlich besaßen und dies auch nachweisen konnten, wurde nun jedoch durch
die Novellierung des § 11 Abs. 1 DMSG idF BGBl. I 170/1999 gänzlich abgeschafft. Die lapidare
Begründung, die sich in der Regierungsvorlage zum DMSG 1999 dafür findet ist, dass „sich neue
Modelle unter Leitung voll ausgebildeter Archäologen (bzw. Ur- und Frühgeschichtler) zwischenzeitig
bewährt“ hätten und daher die Möglichkeit, „dass unter bestimmten Voraussetzungen
Grabungsgenehmigungen auch an Personen vergeben werden können, die keine einschlägige
abgeschlossene universitäre Ausbildung haben, […] da überholt, gestrichen“ (RV 1999, 55) worden sei.
Dass dadurch – gerade infolge des zwischenzeitlich erfolgten Beitritts Österreichs zur EU – auch
solchen Personen die ihnen verfassungsgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit im Bereich der
archäologischen Feldforschung entzogen wurde, die tatsächlich zur wissenschaftlich sachgerechten
Durchführung wissenschaftlicher archäologischer Feldforschungen kompetent sind – ja
möglicherweise, wenn sie z.B. eine Ausbildung als Grabungstechniker nach dem Frankfurter Modell
(RGK & VLA 2005) absolviert hatten, dazu aller Wahrscheinlichkeit nach weitaus kompetenter waren
und sind als AbsolventInnen einschlägiger österreichischer Archäologiestudien – blieb unbeachtet.
Ebenso unbeachtet blieb übrigens auch die Tatsache, dass dadurch gleich auch noch sowohl der
Gleichheitsgrundsatz des Art. 7 Abs. 1 B-VG, Art. 2 StGG und Art. 66 Abs. 1 und 2 des Staatsvertrags
von St. Germain und das daraus erwachsende allgemeine Sachlichkeitsgebot der Bundesverfassung
gravierend verletzt werden, indem sachlich Gleiches – zur Durchführung wissenschaftlich
sachgerechter Nachforschungen ausreichend kompetente Personen – durch den Gesetzgeber –
ausschließlich auf Basis des Standes der gleichermaßen kompetenten Personen – ungleich behandelt
wird. Denn es kann bei der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF nicht darum gehen, den durch
wissenschaftlich unsachgemäß durchgeführte Nachforschungen an Denkmalen entstehen könnenden
Schaden dadurch abzuwehren, dass die Durchführung wissenschaftlicher Nachforschungen
ausschließlich auf Personen beschränkt wird, die einen einschlägigen Studienabschluss vorweisen
können, obgleich es dazu gleichermaßen kompetente Personen gibt, die bloß keinen Studienabschluss
haben: der Schaden, den es zu verhindern gilt, wird schließlich nicht durch den Studienabschluss,
sondern durch die ausreichende Kompetenz des Nachforschenden verhindert.
Auch waren laut § 11 Abs. 2 DMSG idF BGBl. 473/1990 Angehörige „der Bundes- und Landesmuseen,
der Universitätsinstitute, des Österreichischen archäologischen Institutes und der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften“, die ein einschlägiges Universitätsstudium absolviert hatten, von der
Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 ausgenommen. Auch diese Ausnahme – die ihrerseits wohl schon
verfassungswidrig gewesen sein dürfte, weil dadurch eine unsachliche Differenzierung zwischen
gleichermaßen qualifizierten Personen alleine auf der Basis vorgenommen wurde, ob sie bei einer
wissenschaftlichen Einrichtung des Bundes oder der Länder beschäftigt waren oder nicht – wurde nun
durch die Novellierung der Bestimmungen des § 11 Abs. 2 DMSG idF BGBl. I 170/1999 abgeschafft und
die Ausnahme von der Genehmigungspflicht stattdessen auf „amtswegige Grabungen“ (und wohl
auch „sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle“) des BDA beschränkt. Dies wurde in den
Erläuterungen zur Regierungsvorlage damit begründet, dass seit dem EU-Beitritt Österreichs „eine
völlige Gleichbehandlung von Universitäten anderer EU-Staaten bei Fragen der Erteilung von
Grabungsgenehmigungen, der Befreiung von der Notwendigkeit einer persönlichen
Grabungsgenehmigung usw. erfolgen“ müsse, aber „[u]nterschiedliche Voraussetzungen in den
verschiedenen EU-Staaten was die universitäre Ausbildung betrifft, sowie Probleme bei der Lenkung
der Grabungen, welche auch zugleich im Interesse Österreichs gelegen sind (beispielsweise vorrangig
Rettungsgrabungen) oder wo eine Grabung vermieden werden soll (unveränderte Belassung von
Fundhoffnungsgebieten gemäß der Europäischen Konvention zum Schutz des archäologischen Erbes)
[…] daher eine klare einheitliche Vorgangsweise bei der Erteilung der Grabungsgenehmigungen“ (RV
1999, 55) erfordern würden.
284
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Dabei ist zuallererst beachtenswert, dass Teile dieser Begründung mit den allgemeinen Denkgesetzen
im Widerspruch stehen: Grabungen in „Fundhoffnungsgebieten“ im Sinne des Art. 2b der
Europäischen Konvention zum Schutz des archäologischen Erbes (Europarat 1969) sind in Österreich
durch deren Unterschutzstellung gem. §§ 2a oder 3 bei vermindertem Beweismaß iSd § 1 Abs. 5 DMSG
igF ohnehin (siehe § 11 Abs. 5 DMSG) ohne Bewilligung des BDA gem. § 5 Abs. 1 verboten, völlig
unbeachtlich der Frage, ob die Person, die sie durchführen will, einer Bewilligung gem. § 11 Abs. 1
bedarf oder nicht. Rettungsgrabungen hingegen, die „zugleich im Interesse Österreichs gelegen sind“
(RV 1999, 55) können nur Rettungsgrabungen auf gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschützten Denkmalen
sein, denn ein Interesse Österreichs – d.h. ein öffentliches Interesse – besteht nur an der Erhaltung
geschützter Denkmale, nicht an der Erforschung nicht geschützter Sachen durch wissenschaftliche
Nachforschungen. Probleme bei der – jedenfalls in die Wissenschaftsfreiheit eingreifenden –
„Lenkung“ solcher Grabungen (und natürlich sämtlicher, auch gänzlich zerstörungsfreier, sonstiger
Nachforschungen an Ort und Stelle) kann es also schon allein aufgrund der Tatsache nicht geben bzw.
gegeben haben, weil diese ohnehin auch gem. § 5 Abs. 1 genehmigungspflichtig waren und sind. Der
Autor dieser Begründung war also entweder sträflich inkompetent oder hat hier vorsätzlich gelogen,
um den falschen Eindruck zu erwecken, dass die durch die Novelle BGBl. I 170/1999 vorgenommene
Änderung der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 samt Ausnahmen gem. § 11 Abs. 2 notwendig sei, wo eine
solche Notwendigkeit gar nicht bestanden hat.
Noch beachtenswerter ist jedoch, dass damit nun – mit einem wirklich grauenhaften
nationalchauvinistischen Sophismus – allen jenen nach der Novelle BGBl. 473/1990 noch
verbliebenen, graduierten, in wissenschaftlichen archäologischen Einrichtungen des Bundes und der
Länder beschäftigten, ArchäologInnen, die noch (und seit 1990 sogar gesetzlich privilegiert) in den
Genuss der Wissenschaftsfreiheit im Bereich der archäologischen Feldforschung kamen, diese nun
ebenfalls nahezu gänzlich genommen wurde. Die einzigen Grundrechtsträger, denen nun in Österreich
noch die uneingeschränkte Freiheit der wissenschaftlichen archäologischen Feldforschung zukam,
waren somit die archäologischen Fachkräfte, die im BDA beschäftigt waren und sind; die gleichzeitig
auch genau jene Personen sind, in deren Ermessen die Entscheidung darüber liegt, welche anderen
graduierten ArchäologInnen wann, wo, wie und warum archäologische Feldforschungen durchführen
dürfen und die diesen gleichzeitig auch per Bescheidauflagen vorschreiben können, welche Schriftart,
Schriftgröße, Satz usw. sie in den von ihnen gesetzlich verpflichtend ebendiesen im BDA beschäftigten
ArchäologInnen zur gefälligen Veröffentlichung in deren Hauszeitschrift zu liefernden
wissenschaftlichen Beiträgen zu verwenden haben.
Sich an dieser Stelle zu fragen „Cui bono?“ scheint, insbesondere, wenn man daran denkt, welches
Modell der archäologischen Feldforschung die zuständigen FachbeamtInnen im BDA zur gleichen Zeit
mit rechtlich ebenfalls höchst fragwürdigen Mitteln (siehe dazu schon Karl 2011a, 110-27)
durchzusetzen versucht haben, durchaus angebracht. Worum es hier ging, war nicht der Schutz des
öffentlichen Interesses an der Erhaltung bedeutender archäologischer Denkmale und auch nicht die
Erfüllung irgendwelcher denkmalpflegerischer Notwendigkeiten: das BDA hatte zu dieser Zeit nur 11
archäologische Fachkräfte als MitarbeiterInnen (Friesinger & Titscher 2004, 18). Worum es ging, war
vielmehr die Schaffung eines absoluten Machtmonopols des BDA im Bereich der archäologischen
Feldforschung: nur das BDA bzw. konkreter die Abteilungsleiterin der damals noch als Abteilung für
Bodendenkmale bezeichneten archäologischen Abteilung sollte bzw. wollte autokratisch entscheiden
dürfen, wer, wann, wo in Österreich mit welchen Methoden welche archäologischen
Feldforschungen durchführen dürfe. Auf solche unbedeutenden Kleinigkeiten wie die
verfassungsgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit der eigenen FachkollegInnen, geschweige denn
die aller sonstigen Grundrechtsträger, konnte dabei selbstverständlich keine Rücksicht genommen
werden. Die Philosophen-KönigInnen (Watzlawick 2001, 102) der Archäologie wissen schließlich
besser als alle anderen, was für die Archäologie und die Allgemeinheit gut ist.
285
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Was damit offenkundig wenigstens de facto – weil das de jure vermutlich nicht möglich gewesen wäre
– auch in Österreich etabliert werden sollte, ist das, was einige Kommentare zu deutschen
Denkmalschutzgesetzen über das im jeweils besprochenen DSchG behaupten und manche
Landesämter für Denkmalpflege in Deutschland auch in der Praxis – übrigens jeweils ebenfalls in
offenkundig verfassungswidriger Beschränkung der auch in Deutschland ja durch Art. 5 Abs. 3 GG
ebenfalls verfassungsgesetzlich garantierten Wissenschaftsfreiheit (siehe dazu genauer Krischok
2016, 127-38; dagegen aber z.B. mit weiterführenden Verweisen Strobl & Sieche 2010, 266) – für sich
in Anspruch nehmen: ein Forschungsvorrecht des Staates bzw. konkreter der vom Staat zur
Denkmalverwaltung eingerichteten archäologischen Denkmalbehörde bzw. Denkmalfachbehörde im
Bereich der wissenschaftlichen archäologischen Feldforschung (so z.B. für die schon weiter oben
diskutierten deutschen Länder Hessen und Baden-Württemberg, Hönes 2007, 238-9; Strobl & Sieche
2010, 265; weitere Beispiele genannt bei Krischok 2016, 128-9, 138). Diesem Wunschtraum der
Denkmalbehörde bzw. der in ihr tätigen ArchäologInnen steht aber – gerade in Österreich ob der mit
manchen deutschen Ländern vergleichsweise sehr schwachen Verankerung des Denkmalschutzes in
(nur) der Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG – mit jedenfalls weit höherem Gewicht die
verfassungsgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG entgegen. Daher
konnte der Gesetzgeber in den Erläuterungen zu den jeweils neu gefassten Abs. 1 und 2 des § 11 in
den DMSG-Novellen BGBl. 473/1990 und I 170/1999 auch nicht auf mögliche durch die Novellierung
verursachte Kollisionen mit der Wissenschaftsfreiheit aufmerksam gemacht werden: wäre das
geschehen, wäre es unmöglich gewesen, die vom zuständigen Ministerialrat und dem BDA geplanten
Änderungen durchs Parlament zu bekommen.
Es kann daher auch nicht verwundern, dass der – bei der ersten Auflage des aktuellen Kommentars
zum DMSG 2004 Referatsleiter des zuständigen Referats gewesene, zwischenzeitlich zum
Abteilungsleiter der zuständigen Abteilung im zuständigen Ministerium und Ministeralrat
aufgestiegene – inzwischen zum neuesten Präsidenten des BDA bestellte Erstautor des Kommentars
zum DMSG darin an keiner Stelle darauf eingeht, dass durch das DMSG eine Beschränkung der
Wissenschaftsfreiheit vorgenommen würde. Dabei enthält der Kommentar ein als
„Verfassungsrechtlicher Überblick“ betiteltes, einleitendes Kapitel (Bazil et al. 2015, 5-7; schon in der
ersten Auflage von 2004 im Wesentlichen gleichlautend, 21-3), in dem einer ausführlicheren
Diskussion, dass der Denkmalschutz aus grundrechtlicher Sicht vor allem eine Beschränkung der
Eigentumsgarantie des Art. 5 StGG und Art. 1 1.ZProt EMRK darstelle, wenigstens als abschließender
Satz für dieses Kapitel der Hinweis darauf folgt, dass die durch Art. 17a StGG geschützte Freiheit der
Kunst das Recht der Rezeption eines Denkmals einschließen könne (Bazil et al. 2015, 7; in der ersten
Auflage 2004, 23). Jedweder Verweis darauf, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG jedenfalls
auch einen Eingriff in die durch Art. 17 StGG garantierte Wissenschaftsfreiheit darstelle und daher –
zumindest – bei der behördlichen Abwägung der Gründe, die für und die wider die Erteilung einer
solchen NFG sprechen, jedenfalls wenigstens im Einzelfall im Sinne einer Güterabwägung zu
berücksichtigen sei, fehlt jedoch in diesem Kapitel ebenso wie in den sich spezifisch mit der Erteilung
der NFG gem. § 11 Abs. 1 befassenden Bemerkungen (Bazil et al. 2015, 64).
Dabei wäre eine solche Anmerkung gerade dann besonders notwendig, wenn – wie sowohl sein neuer
Präsident als auch das BDA wenigstens bis zum eingangs dieses Buches diskutierten Erkenntnis des
BVwG vom 11.9.2017, W183 2168814-1/2E steif und fest behauptet hatten – diese NFG-Pflicht nicht
nur etwa auf Nachforschungen auf gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschützten Flächen oder auch nur auf
Bodenflächen, von denen schon konkrete Hinweise auf das Vorkommen besonders bedeutender
archäologischer Denkmale bekannt sind, sondern auf allen Bodenflächen in Österreich und nicht nur
für invasive Nachforschungen, sondern auch schon (entgegen der entsprechenden Bemerkung im
Kommentar, Bazil et al. 2015, 64) für die bloße Aufsammlung von Oberflächenfunden, anzuwenden
286
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
wäre, denn der durch diese NFG-Pflicht verursachte Eingriff in die archäologische
Feldforschungsfreiheit wäre enorm massiv. Nachdem aber bei der überwältigenden Mehrheit aller
Nachforschungen – selbst jenen, die auf bereits bekannten und auch bekanntermaßen bedeutenden,
aber nicht denkmalgeschützten archäologischen Fundstellen (wie eben jenen in Schützen am Gebirge,
Seiten 271-272) mit NFG gem. § 11 Abs. 1 stattfinden – überhaupt keine denkmalschutzrelevanten
archäologischen Funde und Befunde entdeckt werden, wäre jedenfalls anzumerken gewesen, dass
jeweils im Einzelfall vor allem bei geplanten Nachforschungen auf Bodenflächen, von denen noch
überhaupt keine archäologischen Funde bekannt sind, bei der Ermessensentscheidung des BDA über
die Erteilung der NFG jedenfalls nicht nur das öffentliche Interesse an der Erhaltung dort
möglicherweise dennoch vorkommen könnender, aber tatsächlich nur mit verschwindend geringer
Wahrscheinlichkeit tatsächlich vorkommender, besonders bedeutender Denkmale und andere Fakten
wie die Vertrauenswürdigkeit des Antragstellers (Bazil et al. 2015, 65), sondern eben auch das
verfassungsgesetzliche Individualrecht des Antragsstellers auf die vom Staat möglichst unbeschränkte,
freie Ausübung der wissenschaftlichen Forschung iSd Art. 17 Abs. 1 StGG zu berücksichtigen sei.
Zur Verhältnismäßigkeit von NFG-Bescheidauflagen
In seiner Anwendungspraxis, insbesondere in seinen – aus fachlicher Sicht nicht gänzlich sinnlosen,
aber in Bezug auf viele Details unendlich weit überzogenen – Richtlinien (BDA 2016a; 2018) und seinen
Bescheiden gem. § 11 Abs. 1 DMSG, hat das BDA dann die Logik, dass die Wissenschaftsfreiheit im
Bereich der archäologischen Feldforschung aus angeblichen denkmalschützerischen Erfordernissen
einem behördlichen Forschungsmonopol generell hintangestellt sei (wenn man überhaupt an die
Existenz dieses Grundrechts gedacht oder von seinem Bestehen auch nur gewusst hat), nur bis zu
ihrem extremen Ende ausgereizt. Es betrachtet anscheinend die archäologische Feldforschung
generell als eine Hilfsdienstleistung für seine eigene behördliche Arbeit; als Denkmalschutzaufgabe,
die zu wissenschaftlichen Feldforschungen per Bescheid ermächtigte, quasi als „ehrenamtliche
DenkmalpflegerInnen“ im Auftrag der Behörde tätige WissenschafterInnen; nicht als selbstständige
wissenschaftliche Forschung von Grundrechtsträgern, die diese in ihrem eigenen Interesse frei
betreiben können und dürfen, wie es ihnen gefällt.
Daher scheint das BDA (bzw. seine archäologischen FachbeamtInnen) – wie ich vermute, ehrlich und
aufrichtig – auch zu glauben, dass es in seinen Richtlinien und Bescheiden jenen WissenschafterInnen,
denen es eine NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG erteilt hat, was auch immer es gerade für richtig oder auch
nur praktisch hält oder ihm auch nur seine Arbeit erleichtern könnte, als bei deren Forschungen strikt
einzuhaltende „Einschränkungen, Auflagen und Sonderregelungen“ (§ 11 Abs. 1 DMSG) aufbürden zu
können, ohne dabei selbst in irgendeiner Weise durch Gesetze oder gar Verfassungsbestimmungen
wie die des Art. 17 Abs. 1 StGG beschränkt zu sein.
Das zeigt sich besonders offensichtlich an den in den hinteren Teilen der Richtlinien (BDA 2018, 3643) gemachten Vorgaben zu allen möglichen Details wie Schriftart, Schriftgrößen, abzugebenden
Dokumentationsunterlagen, zulässigen Dateiformaten, etc., oder den chronologisch gegliederten
Farbcodes für digitale Dokumentationen (BDA 2018, Innenseite rückwärtiges Deckblatt): nichts davon
ist für den Schutz des öffentlichen Interesses an der – und ich erlaube mir zur Erinnerung das hier noch
einmal besonders zu betonen – in ihrer historisch gewachsenen Erscheinung und Substanz körperlich
unverändert zu erhaltenden Denkmale (§ 1 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 1 DMSG; VwGH 16.1.1975, 1799/74;
siehe dazu auch Bazil et al. 2015, 16-7) geeignet, erforderlich oder steht mit der dadurch massiv
beschränkten allgemeinen Handlungsfreiheit, geschweige denn der Wissenschaftsfreiheit, in einem
wohlausgewogenen Verhältnis. Denn jener Teil welches Denkmals auch immer, der archäologisch
durch Grabungen untersucht wurde, bei denen die richtlinienkonforme Dokumentation angefertigt
werden sollte (und wurde), wurde durch eben diese Grabungen in seiner körperlichen Substanz
287
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
zumindest soweit verändert, wenn nicht sogar völlig zerstört, dass von seiner Bedeutung in situ
körperlich eben nichts mehr vorhanden ist, d.h. der betroffene Teil des Denkmals im
denkmalschutzrechtlichen Sinn als zerstört zu betrachten ist (Bazil et al. 2015, 42).
Seine „Erhaltung“ durch sachgerechte Dokumentation ist zwar zweifellos aus archäologischen
wissenschaftlichen Gründen absolut sinnvoll und wünschenswert, weil dadurch, wie es das BDA selbst
auch explizit in seinen Richtlinien ausdrückt, seine „Quellenfunktion weiter“ (BDA 2018, 2) bestehen
bleibt; d.h. die nun in der Dokumentation gespeicherten archäologisch-historischen Informationen
auch zukünftig ForscherInnen zur Verfügung stehen. Es ist auch durchaus löblich, dass sich die
archäologische Abteilung des BDA scheinbar als „österreichisches archäologisches
Dokumentationszentralarchiv“ betrachtet, dass alle bei wissenschaftlichen archäologischen
Feldforschungen angefertigten Dokumentationen einfordert und (hoffentlich dauerhaft und
hoffentlich leicht zugänglich – wobei Letzteres bisher zweifellos nicht der Fall ist) für die
archäologische Wissenschaft und Öffentlichkeit zugänglich macht. Aber die Erhaltung aller
archäologischen Denkmale durch Dokumentation und Anlage eines Zentralarchivs aller in Österreich
jemals wissenschaftlich untersuchten Denkmale, egal ob deren Bedeutung derart beschaffen war oder
ist, dass ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen war, ist oder nicht (mehr) ist, ist nicht die
Aufgabe des BDA, der Gesetzgeber stellt dem BDA für die Erfüllung von solchen zusätzlichen Aufgaben
(insbesondere der letztgenannten Zentralarchivfunktion) auch gar nicht die notwendigen Ressourcen
zur Verfügung; und diese sind auch nicht das vom Gesetzgeber durch die Bestimmungen des DMSG
verfolgte Ziel; einmal völlig abgesehen davon, dass auch für die Erhaltung durch Dokumentation eine
Standardisierung der Dokumentation, wie sie das BDA durchzusetzen versucht, überhaupt nicht im
verfassungsrechtlichen Sinn erforderlich oder mit der dadurch verursachten Beschränkung der
Wissenschaftsfreiheit im engeren Sinn verhältnismäßig wäre.
Die in den Richtlinien gemachten Vorgaben bezüglich solcher Details dienen daher in der Praxis
hauptsächlich einem Zweck: der administrativen Bequemlichkeit des BDA. Dieses tut sich nämlich
leichter damit, standardisierte Berichte zu archivieren und nötigenfalls auch im Rahmen der ihm
aufgetragenen Denkmalforschung auszuwerten und Fileformate, die es mit den ihm zur Verfügung
stehenden (teilweise inzwischen hochgradig veralteten) Computerprogrammen auf seinen (teilweise
sicher nahezu ebenso veralteten) Computern öffnen kann, als „umfassende“ Berichte über
durchgeführte Grabungen (und selbstverständlich auch sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle)
„mit allen zur anschaulichen Darstellung notwendigen Zeichnungen, Plänen, Fotos und sonstigen
Dokumentationsmaterial“ (§ 11 Abs. 6 DMSG; Hervorhebung: RK) archivieren und nicht anders als
ganz normale sonstige „freie“ wissenschaftliche Publikationen, wie sie in Fachzeitschriften,
Monografien etc. vorgelegt werden, auswerten zu müssen. Auch lässt sich die „richtlinienkonforme“
Gestaltung von Grabungsberichten – die auch zur Kontrolle dienen, ob bei gem. § 11 Abs. 1 DMSG
bewilligten Grabungen und sonstigen Nachforschungen auch tatsächlich „wissenschaftlich korrekt“
vorgegangen und alle Bescheidauflagen eingehalten wurden – weit leichter überprüfen, als sich diese
„inhaltlich“ überprüfen lassen: ob ein Strich in der digitalen Dokumentation die richtige Farbe hat,
sieht man auf den ersten Blick. Ob tatsächlich alle an Ort und Stelle vorhandenen gewesenen,
archäologisch signifikanten Funde und Befunde richtig erkannt und anschließend sachgerecht
ausgegraben und dokumentiert wurden, lässt sich hingegen kaum überprüfen, weil die ursprüngliche
Situation in situ ja gar nicht mehr vorhanden ist.
Dabei sind diese offensichtlich unnötigen Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit der die
Feldforschungen durchführenden, professionellen ArchäologInnen allerdings eigentlich – vor allem im
Vergleich mit den gleich noch betrachtet werdenden sonstigen Bescheidauflagen (inklusive
inhaltlichen Vorgaben in den Richtlinien wie zu verwendenden Methoden) – weitgehend harmlos: es
288
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
gibt zwar keinerlei nachvollziehbaren und verfassungsrechtlich haltbaren Grund, warum diese
Detailvorlagen wirklich notwendig sein sollten – schon gar nicht bei der wissenschaftlichen
Untersuchung solcher archäologischer Denkmale, an deren Erhaltung iSd § 1 Abs. 1 DMSG überhaupt
kein öffentliches Interesse iSd § 1 Abs. 2 besteht – aber letztendlich kann es dem betroffenen
Wissenschafter weitgehend egal sein, ob er jetzt auf digitalen Plänen mehrphasiger Fundstellen für
z.B. latènezeitliche Befunde z.B. wie durch die Richtlinien vorgegeben (BDA 2018, Innenseite
rückwärtiges Deckblatt) Dunkelblau (AutoCAD 174; 0, 0, 127) als Strich- und Flächenfüllfarbe oder eine
beliebige andere Farbe verwendet. Zu einem Problem wird das aus wissenschaftlicher Sicht höchstens
dann, wenn sich z.B. – wie auf der von mir ausgegrabenen, wenn auch nicht in Österreich, sondern in
Nordwales gelegenen, späthallstatt- und latènezeitlichen Siedlung von Meillionydd (siehe z.B. Karl
2016e, 91) – zahlreiche zur selben BDA-Farb-Zeitperiode gehörende, einander stratigrafisch
überlagernde Befunde chronologisch reihen lassen und der Wissenschafter, der diese Erkenntnis
gewonnen hat, das auch in seinen digitalen Plandokumentationen durch chronologisch sortierte
Farbcodierung der Befundabfolge darstellen will. Dieser Wissenschafter müsste dafür streng
genommen eine separate Genehmigung durch das BDA für die dadurch verursachte Abweichung von
den Richtlinien beantragen, aber diese wird ihm mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
erteilt werden. Diese Formvorgaben sind also zwar lästig und können für kommerzielle
Grabungsfirmen aufgrund des durch die Richtlinien verursachten Mehraufwandes auch zu einer nicht
unbedeutenden wirtschaftlichen Belastung führen, aber im Grunde genommen ist die dadurch
verursachte Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit weitgehend lässlich.
Weitaus problematischer sind aber die Belastungen, die WissenschafterInnen, die archäologische
Feldforschungen betreiben wollen, durch andere Bescheidauflagen aufgebürdet werden, durch die
nicht nur ihre Wissenschaftsfreiheit gravierend beschränkt wird, sondern Ihnen auch Verantwortung
für alle möglichen sonstigen Dinge aufgebürdet wird, für die es überhaupt keine Rechtsgrundlage gibt.
Eines der augenfälligeren Beispiele dafür ist, dass die Verwendung bestimmter statt anderer
Methoden speziell im Antrag zu begründen ist, so z.B. die Verwendung von
Bodenwiderstandsmessungen „anstelle der in vielen Fällen wesentlich effektiveren
Bodenradarmessungen“ (BDA 2018, 14). Einmal völlig abgesehen davon, dass man diesbezüglich auch
anderer Meinung sein konnte und kann (siehe dazu z.B. Gaffney et al. 2002, 9-10) und dass die
Auswahl geeigneter geophysikalischer Prospektionsmethoden bei weitem nicht so einfach ist, dass
man generalisierend sagen könnte, dass Bodenradarmessungen prinzipiell gegenüber
Bodenwiderstandsmessungen zu bevorzugen wären (siehe zur Komplexität der Methodenwahl z.B.
English Heritage 2008, 13-41): die Bodenwiderstandsmessung ist eine nicht invasive
Prospektionsmethode und gefährdet daher die Erhaltung des betroffenen Denkmals auch überhaupt
nicht.
Gerade die Frage, ob ein Forscher zur Untersuchung des von ihm gewählten Forschungsgegenstandes
nun die Methode der Bodenwiderstandsmessung oder die der Bodenradarmessung (oder gar beide)
verwenden möchte, ist eine Frage der Methodenwahl, die noch dazu von vielen, teilweise komplexen
Erwägungen wie den erwartenden Befunden, der Geologie an Ort und Stelle etc. (English Heritage
2008, 13-8) abhängt, und daher eine Frage der wissenschaftlichen Beurteilung durch den Forscher,
die den allerinnersten Kernbereich der Wissenschaftsfreiheit ausmacht. Gerade ein Eingriff des
Staates – und das BDA als Bundesbehörde agiert hier als ein Organ des Staates – in die Entscheidung
dieser Frage ist durch die Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 StGG ausgeschlossen (Berka 1999, 344-6),
insbesondere, wenn dafür überhaupt kein aus einem gleichrangig verfassungsrechtlich geschützten
Rechtsgut ableitbarer Grund vorliegt.
289
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Ein solcher Grund kann aber gerade in Bezug auf diese Entscheidung – da von der Verwendung dieser
Methode selbst überhaupt keine Gefahr für die Erhaltung der durch sie betroffenen Denkmale
ausgeht – überhaupt nur dann vorliegen, wenn die geophysikalische Prospektionsmethode als
Maßnahme zur Vorerkennung des Vorkommens archäologischer Denkmale auf den untersuchten
Bodenflächen vor geplanten invasiven Maßnahmen, insbesondere vor geplanten großflächigen bau-,
land- und forstwirtschaftlichen Bodeneingriffen, durchgeführt wird. Nur wenn die archäologische
Prospektion dem Zweck dient, festzustellen, ob vor derartigen geplanten invasiven Maßnahmen eine
archäologische Untersuchung durch systematische Ausgrabungen oder bei Baumaßnahmen
zumindest eine archäologische Baubegleitung (z.B. durch Überwachung des Erdaushubs zur allfällig
möglichen Sicherung vereinzelter oder unerwartet doch vorkommender Funde und Befunde als akute
Rettungsmaßnahme) aus denkmalpflegerischen Gründen erforderlich ist, wird überhaupt das durch
die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG auch verfassungsgesetzlich verankerte Schutzgut des
Denkmalschutzes betroffen; und selbst in diesem Fall nicht durch die Nachforschungen mit der
gewählten geophysikalischen Prospektionsmethode, sondern durch die geplanten invasiven
Maßnahmen.
Will der Forscher hingegen die Bodenwiderstandsmessung zum Zweck der Entdeckung und
Untersuchung allfällig an Ort und Stelle vorhandener Denkmale durchführen, um daraus
wissenschaftliche archäologische Erkenntnis zu gewinnen – selbst wenn diese Erkenntnisse einer
allfälligen Vorbereitung einer für einen späteren Zeitpunkt geplanten systematischen archäologischen
Ausgrabung dienen – ist das verfassungsgesetzliche Schutzgut des Denkmalschutzes überhaupt nicht
betroffen. Denn Prospektionsmethoden erlauben ganz generell nicht die exakte Ermittlung im Boden
vorkommender, archäologisch relevanter Funde und Befunde. Vielmehr erzeugen sie physikalische
Messdaten über die Inhomogenität, d.h. lokale Unterschiede in der Zusammensetzung, des Bodens,
die, archäologisch interpretiert, Hinweise auf möglicherweise im Boden vorkommende, aus
archäologischer Sicht signifikante, Strukturen und Gegenstände liefern können.
Daher ist bei – auch bei geophysikalischen Prospektionen folgenden und auf deren generellen
Ergebnissen aufbauenden – systematischen Ausgrabungen stets besonders zu beachten, dass diese
im Detail unabhängig von der archäologischen Interpretation der Ergebnisse allfällig zuvor
durchgeführter Prospektionen durchzuführen sind: Ziel der archäologischen Ausgrabung kann und
darf niemals sein, jene Inhomogenitäten im Boden zu finden, die zu den unterschiedlichen
geophysikalischen Messwerten geführt haben, die dann während der Messdatenauswertung als
archäologische Strukturen im Boden interpretiert wurden. Vielmehr ist bei der Grabung auf Basis der
tatsächlich an Ort und Stelle – d.h. im Boden – beobachteten optischen, taktilen oder sogar
haptischen, akustischen und – gewöhnlich zu weitaus geringerem Maß – auch olfaktorischen sowie –
wenn auch nur in extrem seltenen Fällen – eventuell auch gustatorischen Eigenschaften zwischen
unterschiedlichen und mutmaßlich archäologisch signifikanten Bodenbestandteilen – einerseits meist
auch materiell deutlich vom umgebenden Boden unterschiedliche und klar abgegrenzte bewegliche
Kleinfunde, andererseits meist weit weniger eindeutig voneinander unterscheidbare und gewöhnlich
weit weniger klar abgegrenzte unterschiedliche Bodenschichten bzw. Befunde bzw., um die
Terminologie des BDA (2018, 15) zu verwenden, Stratifikationseinheiten – zu unterscheiden und die
dabei getätigten Beobachtungen über die Bodenzusammensetzung vollkommen unabhängig von allen
anderen Erwägungen sachgerecht zu dokumentieren.
Soweit die mit den menschlichen Sinnen bei der Grabung getätigten Beobachtungen mit den bei
allfällig vorhergehenden geophysikalischen Prospektionen aufgezeichneten, unterschiedlichen
Messwerten bzw. deren archäologischer Interpretation in der Datenauswertung räumlich –
wenigstens einigermaßen genau – übereinstimmen, können diese mit unterschiedlichen Methoden
290
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
gewonnenen Erkenntnisse über den Bodenaufbau (und die im Boden enthaltenen Kleinfunde) als
einander bestätigende, unabhängig voneinander gewonnene, Messdaten betrachtet werden und
stärken sich somit in weiteren wissenschaftlichen Argumentationen gegenseitig. Wo die mit diesen
unterschiedlichen Methoden gewonnenen Daten bzw. Erkenntnisse über den Bodenaufbau einander
nicht gegenseitig bestätigen, widerlegen aber weder die Grabungsergebnisse die geophysikalischen
Prospektionsergebnisse noch umgekehrt die Prospektionsergebnisse die Grabungsergebnisse: es
wurden schließlich dabei mit vollkommen unterschiedlichen Methoden vollkommen unterschiedliche
Bodeneigenschaften beobachtet, die keineswegs miteinander korreliert sein müssen, auch wenn sie
es in manchen oder vielleicht sogar vielen Fällen sind.
Werden Löcher auf Basis der Details der geophysikalischen Prospektionsergebnisse bzw. ihrer
archäologischen Interpretation gegraben, stellt dies keine archäologische Ausgrabung im
wissenschaftlichen Sinn dar. Denn es werden in diesem Fall ja gerade nicht die mit den menschlichen
Sinnen voneinander unterscheidbaren Bodenbestandteile voneinander getrennt und die dabei
getätigten Beobachtungen sachgerecht dokumentiert, sondern die geophysikalischen Messergebnisse
durch variablen Bodenaushub dreidimensional nachgebildet. Dadurch wird vielleicht ein mehr oder
minder interessantes modernes Kunstwerk erzeugt, aber gerade nicht eine wissenschaftliche
Untersuchung auf Basis empirischer Beobachtungen mittels einer anderen Untersuchungsmethode
als der zuvor bereits angewendeten geophysikalischen Messmethode durchgeführt, die im Vergleich
mit den geophysikalischen Messergebnissen teilweise deren unabhängige Bestätigung, teilweise aber
auch die Gewinnung zusätzlicher Erkenntnisse gestattet.
Als Prospektionsmethode im engeren Sinn betrachtet gestatten alle geophysikalischen und sonstigen
Vorerkennungsverfahren (außer der Entnahme von Bodenproben z.B. durch Rammkernsondierungen
oder Bohrungen; BDA 2018, 14-5) nur die Lokalisierung von mutmaßlich für Ausgrabungen
erfolgversprechenden Fundstellen und die Bestimmung der wahrscheinlichen Dichte (und bei
dreidimensionalen Verfahren eventuell auch des wahrscheinlichen Volumens) dort mutmaßlich
vorkommender, möglicherweise archäologisch signifikanter, Bodenstörungen. Ob aber nun als
Prospektions- oder als Forschungsmethode zur Gewinnung unabhängiger Erkenntnisse über
physikalische Eigenschaften des Bodens, sind die dabei gewonnenen Ergebnisse jedenfalls bis zur
gemeinsamen Auswertung streng getrennt voneinander zu halten, weil sonst die Unabhängigkeit der
mit unterschiedlichen Methoden gewonnenen Ergebnisse nicht gewährleistet werden kann.
Es ist daher – selbst bei der Verwendung geophysikalischer oder anderer Prospektionsmethoden zur
Grabungsvorbereitung – sowohl aus wissenschaftsmethodischer als auch erkenntnislogischer Sicht
vollkommen irrelevant, ob z.B. die Bodenradarmessung in vielen Fällen wesentlich effektiver ist als
z.B. die Bodenwiderstandsmessung, wie das BDA (2018, 14) das meint, selbst wenn dem tatsächlich
auch im konkreten Einzelfall so sein sollte, was keineswegs garantiert ist. Es kann daher keinen
verfassungsrechtlich belastbaren denkmalschützerischen Grund geben, den Wissenschafter, der – aus
welchen (wissenschaftlichen oder nichtwissenschaftlichen) Gründen auch immer – lieber
Bodenwiderstandsmessungen statt Bodenradarmessungen durchführen möchte, zur Begründung
seiner Methodenwahl im Rahmen eines NFG-Verfahrens zu verpflichten. Daher kann ihn das BDA auch
gar nicht durch einen Verwaltungsakt dazu verpflichten, statt der von ihm geplanten
Bodenwiderstands- einer Bodenradarmessung durchführen zu müssen, wenn er nicht seine
„Abweichung“ von der vorgeschriebenen Methode eigens im NFG-Antrag begründet hat; schon gar
nicht durch eine unabhängig vom jeweiligen Einzelfall allen Bescheiden als verpflichtende Auflage
angehängte Richtlinie.
Dass das BDA vielleicht gerne hätte, dass es die vom Nachforschungen an Ort und Stelle
durchführenden Wissenschafter gewonnenen Erkenntnisse auch für seine eigene Arbeit im Bereich
291
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
der Denkmalforschung verwenden kann, ist zwar durchaus nachvollziehbar, aber im Fall, dass der
Wissenschafter seine Nachforschungen nicht im Rahmen der denkmalschutzrechtlich geregelten
Planung invasiver bau-, land- oder forstwirtschaftlicher Arbeiten, sondern unabhängig von solchen
durchführt, vollkommen gleichgültig. Ebenso vollkommen gleichgültig ist es, dass es das BDA eventuell
bevorzugen würde, wenn er statt den von ihm gewünschten andere wissenschaftliche
Forschungsmethoden zur Anwendung bringen würde, weil das BDA diese anderen Methoden für – für
seine denkmalschützerischen Zwecke – effektiver hält; z.B. weil es der Ansicht ist, dass die
Prognosegenauigkeit und Verlässlichkeit der vom BDA bevorzugten Methode höher ist als die der vom
Wissenschafter bevorzugten und daher die Wahrscheinlichkeit, verlässliche Informationen für die
denkmalrechtliche Beurteilung der dabei entdeckten, möglichen Denkmale zu gewinnen bei
Anwendung der vom BDA bevorzugten Methode höher wäre. All das ist deshalb gleichgültig, weil der
Wissenschafter, der diese Nachforschungen durchführen will, nicht als freiwilliger Mitarbeiter des BDA
in dessen Auftrag ehrenamtliche Denkmalforschung betreibt, die dem Zweck dient, dem BDA zu
ermöglichen, allfällig besonders bedeutende Denkmale, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse
gelegen ist, besser schützen zu können; sondern dieser Wissenschafter seine eigene wissenschaftliche
Forschung zur Befriedigung seiner eigenen wissenschaftlichen Interessen (oder der eines allfälligen
Auftraggebers) betreibt, in die sich das BDA aufgrund der verfassungsgesetzlich garantierten
Wissenschaftsfreiheit so lange nicht einzumischen hat, solange kein legitimer, im öffentlichen
Interesse gelegener, ebenfalls aus Verfassungsrecht ableitbarer Grund vorliegt, der den Schutz der
Wissenschaftsfreiheit überwiegt.
Dass das BDA Denkmalforschung betreiben muss, um seiner Aufgabe, zu beurteilen, welche Denkmale
iSd § 1 Abs. 1 DMSG derart bedeutend sind, dass iSd § 1 Abs. 2 bzw. 5 DMSG ein öffentliches Interesse
an ihrer unveränderten körperlichen Erhaltung besteht, und diese dann auf eine der in § 1 Abs. 4
DMSG genannten Arten den Schutzbestimmungen des DMSG zu unterwerfen und diese somit zu
schützen, nachkommen zu können, ergibt keinen solchen Grund, auf irgendeine Weise in die
Wissenschaftsfreiheit von Grundrechtsträgern einzugreifen, die Denkmale in ihrem eigenen Interesse
mit archäologischen Methoden wissenschaftlich untersuchen wollen. Will oder muss es solche
Denkmalforschung betreiben, kann und darf es diese nicht im Wege von verfassungswidrigen
Bescheidauflagen auf WissenschafterInnen auslagern, die Denkmale, so wie es ihnen gefällt,
wissenschaftlich untersuchen wollen, sondern hat diese Denkmalforschung – in diesem Fall als
amtswegige Maßnahmen gem. § 11 Abs. 2 DMSG – selbst durchzuführen. Dazu kann es natürlich auch
– wenn es das will und die notwendigen finanziellen Mittel dafür hat – durch Beauftragung Dritter –
z.B. eben WissenschafterInnen, die ohnehin zur Förderung ihrer eigenen Forschungsinteressen oder
auch nur um sich durch das Anbieten wissenschaftlicher Forschungsdienstleistungen einen
Lebensunterhalt zu verdienen – die dafür notwendige Arbeit auslagern und dabei im Wege von
Vergabekriterien bestimmen, welche Methoden dafür zu verwenden sind. Die Erteilung einer NFG
gem. § 11 Abs. 1 DMSG stellt jedoch keine derartige Beauftragung Dritter zur Durchführung dem BDA
genehmer Nachforschungen dar, sondern hat damit nicht das Mindeste zu tun.
Damit ist es dem BDA aber an Bescheidauflagen noch nicht genug: zusätzlich zu diesen völlig
ungerechtfertigten Eingriffen in die Wissenschaftsfreiheit belastet das BDA Genehmigungsinhaber
noch mit weiteren, rechtswidrigen Beschwerungen. In Bescheiden gem. § 11 Abs. 1 DMSG wird dem
Genehmigungsinhaber vom BDA regelhaft zusätzlich zur Beachtung der Richtlinien auch noch
vorgeschrieben, dass er die finanzielle Bedeckung für die gesamte Maßnahme zu gewährleisten hat.
Die Verpflichtung zur Gewährleistung inkludiert dabei die Kosten der Konservierung bzw.
Restaurierung, der wissenschaftlichen Bearbeitung und Sicherung aller entdeckten beweglichen
Funde und unbeweglichen Befunde sowie von Wiederherstellungsarbeiten an Ort und Stelle. Alle
diese Verpflichtungen werden als Bescheidauflagen vorgeschrieben, völlig unabhängig davon, ob ein
292
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
öffentliches Interesse an der Erhaltung des bzw. der durch die bewilligten Maßnahmen betroffenen
Denkmale besteht oder von den von den geplanten Nachforschungen betroffenen Bodenflächen nicht
einmal Hinweise auf das Vorkommen besonders bedeutender Denkmale bekannt sind.
Alle diese Auflagen sind deshalb besonders interessant, weil es sich bei allen spezifisch genannten
Grabungsfolgemaßnahmen – Konservierung/Restaurierung, wissenschaftliche Bearbeitung, Sicherung
und Wiederherstellungsarbeiten an Ort und Stelle – um solche handelt, die als aktive
Erhaltungsmaßnahmen zu charakterisieren sind, wenn man sie überhaupt als Erhaltungsmaßnahmen
bezeichnen kann. Schon die Konservierung archäologischer Bodenfunde (siehe dazu BDA 2016b, 10)
geht weit über die gewöhnliche Erhaltungspflicht des Denkmaleigentümers hinaus, die das DMSG in §
4 Abs. 1 DMSG vorschreibt.
Eigentümer von rechtskräftig geschützten Denkmalen haben iSd § 4 Abs. 1 Z 2 DMSG jene
Instandhaltungsmaßnahmen zu setzen, die für den Bestand des Denkmals unbedingt notwendig und
seinem Eigentümer zumutbar sind. Spezifischer nennt das DMSG als – alle aus dem Bereich der
Baudenkmalpflege stammende – Beispiele „die Ergänzung einzelner zerbrochener Dachziegel,
Verschließung offenstehender Fenster und dergleichen“ (§ 4 Abs. 1 Z 2 DMSG). Der einschlägige
Gesetzeskommentar beschreibt diese – rain passive – Erhaltungspflicht des Denkmaleigentümers auf
Basis der Regierungsvorlage zum DMSG 1999 wie folgt: Sie „umfasst nicht die Verpflichtung, aktiv
Verbesserungen (Restaurierungen) am Denkmal vorzunehmen oder dieses im Zustand zu erhalten, in
dem es sich zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung befand. Sie umfasst nur die Abwehr von Schäden,
die durch die Unterlassung der ordnungsgemäßen Instandhaltung (zB Ergänzung fehlender Dachziegel
oder Verschließen offener Fenster) entsteht“ (Bazil et al. 2015, 43; Hervorhebung: Autor). Die
Erhaltungspflicht besteht dabei „nur so weit, als es sich dabei um unbedingt notwendige
Erhaltungsmaßnahmen handelt, die in offenbarer Zerstörungsabsicht unterlassen werden“ (ibid., 44;
Hervorhebung: Autor). Selbst diese – sehr geringe – Erhaltungspflicht, die den Denkmaleigentümer
nur dazu verpflichtet, jene auch wirtschaftlich vertretbaren (ibid.) Instandhaltungsmaßnahmen zu
setzen, die jeder durchschnittlich sorgfältige Eigentümer einer Sache ohnehin aus eigenem Antrieb
setzen würde (ibid.), gilt dabei ausschließlich für solche Denkmale, an deren Erhaltung ein
rechtswirksames öffentliches Interesse iSd § 1 Abs. 4 DMSG besteht, d.h. die gem. §§ 2, 2a oder 3
DMSG unter Denkmalschutz gestellt wurden.
Nun werden jedoch die Inhaber von Genehmigungen gem. § 11 Abs. 1 DMSG in der Regel nicht einmal
die Eigentümer der von ihnen entdeckten Denkmale; und diese Denkmale stehen auch in der Regel –
es sei denn, es handelt sich dabei um bewegliche Kleinfunde, die gem. § 2 DMSG automatisch kraft
gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz stehen (dazu noch gleich mehr Seiten 307-313) –
höchstens nur gem. § 9 Abs. 3 DMSG vom Zeitpunkt ihrer Entdeckung bis längstens 6 Wochen ab
Abgabe der gesetzlich auch gem. § 11 Abs. 4 verpflichtenden Fundmeldung zeitweilig unter
Denkmalschutz; für diese Zeit offenkundig zum Zweck, dass das BDA bestimmen kann, ob ihre
dauerhafte Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist. Eine aktive Erhaltungspflicht betreffend
bei genehmigten Nachforschungen entdeckter Denkmale, wie sie das BDA dem Genehmigungsinhaber
durch diese Bescheidauflage aufbürdet, entbehrt also jedweder gesetzlichen Grundlage.
Wie aus dem soeben schon Zitierten hervorgeht, scheidet die Möglichkeit, auch nur den Eigentümer
von Denkmalen mit Restaurierungskosten zu belasten, schon allein deshalb aus, weil eine aktive
Erhaltungspflicht durch das DMSG nicht einmal bei unter Denkmalschutz gestellten Denkmalen
vorgesehen ist. Den Genehmigungsinhaber mit der Gewährleistung der dafür notwendigen Kosten zu
belasten, eventuell sogar auch für Denkmale, an deren Erhaltung überhaupt kein öffentliches
Interesse besteht – wie das tatsächlich mit der absolut überwältigenden Mehrheit aller bei
wissenschaftlichen Nachforschungen entdeckten Denkmale der Fall ist – scheidet daher komplett aus.
293
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Der Genehmigungsinhaber darf einer Restaurierung (siehe dazu auch genauer BDA 2016b, 10) schon
nicht einmal zustimmen, weil er in der Regel überhaupt nicht über die rechtliche Verfügungsgewalt
über die betreffende Sache verfügt und daher ohne Zustimmung durch deren Eigentümer mit ihr
überhaupt nichts machen darf; und er dürfte – sofern das Denkmal, und sei es auch nur zeitweilig
gem. § 9 Abs. 3, unter Denkmalschutz steht – eine solche auch gar nicht ohne bescheidmäßige
Bewilligung durch das BDA gem. § 5 Abs. 1 DMSG veranlassen oder selbst durchführen, weil er dadurch
die historisch gewachsene Erscheinung oder die Substanz des betreffenden Denkmals verändern
könnte, was ihm durch die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 DMSG ausdrücklich verboten ist.
Auf Basis welcher Rechtsgrundlage das BDA dem Genehmigungsinhaber die Gewährleistung der
Finanzierung der wissenschaftlichen Bearbeitung – die, je nachdem, wie man den Begriff
„wissenschaftliche Bearbeitung“ auslegen möchte, exorbitante Kosten verursachen kann, nachdem ja
auch die Analyse der entdeckten Denkmale mit allen möglichen natur- und anderen
wissenschaftlichen Methoden unter diesen Begriff fallen könnten – vorzuschreiben können glaubt,
entzieht sich wenigstens mir völlig. Einmal abgesehen davon, dass der die Nachforschungen
durchführende Wissenschafter wahrscheinlich selbst ein Interesse daran hat, diese auch
wissenschaftlich nachzubearbeiten – schließlich stellt er ja archäologische Nachforschungen zum
Zweck der Entdeckung und Untersuchung von Bodenfunden und -befunden an –, ist für mich absolut
nicht erkenntlich, wie die wissenschaftliche Bearbeitung von archäologischen Ausgrabungen in
irgendeinem – und sei es auch nur extrem erweiterten und übertragenen Sinn – noch eine
denkmalpflegerisch notwendige Denkmalerhaltungsmaßnahme sein oder auch nur als solche
betrachtet werden kann. Davon abgesehen hat das BDA ohnehin, wenn es begründete Zweifel daran
hat, dass der Genehmigungsinhaber die wissenschaftliche Bearbeitung der von ihm entdeckten
Gegenstände durchführen möchte oder wird, jederzeit gem. § 9 Abs. 4 DMSG die Möglichkeit, bei den
Nachforschungen entdeckte bewegliche Gegenstände von den dort genannten Personen zur
wissenschaftlichen Dokumentation und Auswertung einzufordern und dafür auf bis zu zwei Jahre
einzubehalten.
Dies gilt selbstverständlich noch umso mehr, sofern es sich bei den betroffenen Denkmalen um Sachen
handelt, deren Erhaltung gar nicht im öffentlichen Interesse gelegen ist: deren Erforschung ist zwar
zweifellos im Interesse der archäologischen Wissenschaft gelegen, dieses wissenschaftliche Interesse
hat jedoch nichts mit dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung jener Denkmale zu tun, die von
derart besonderer Bedeutung sind, dass ihr Verlust iSd § 1 Abs. 2 DMSG eine Beeinträchtigung des
österreichischen Kulturgüterbestandes in seiner Gesamtsicht darstellen würde.
Bemerkenswert ist bezüglich der beiden soeben genannten Auflagen übrigens auch, dass das BDA bei
von ihm selbst durchgeführten amtswegigen Maßnahmen gem. § 11 Abs. 2 scheinbar mehrheitlich
weder die Finanzierung der Konservierung/Restaurierung der entdeckten beweglichen Kleinfunde
(Marius 2011, 32) noch der wissenschaftlichen Bearbeitung (siehe z.B. Karl 2015; 2016c) gewährleisten
kann; obwohl die dabei entdeckten beweglichen Kleinfunde wenigstens zur Hälfte ins Eigentum des
Bundes übergehen, damit in der Regel (sofern sie bei ihrer Entdeckung schon mehr als 100 Jahre alt
sind) automatisch gem. § 2a DMSG kraft gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz stehen, und
das BDA jenes Organ des Bundes ist, das sowohl die rechtliche als auch praktische Verfügungsgewalt
über diese Sachen hat. Das BDA macht also die Erteilung seiner Genehmigung der Durchführung
wissenschaftlicher archäologischer Feldforschungen durch Dritte davon abhängig, dass diese die
Finanzierung von eventuell enorm kostenintensiven Arbeiten sicherstellen, die weder
denkmalschutzgesetzlich vorgesehen sind noch vom BDA selbst im Zusammenhang mit seinen
eigenen wissenschaftlichen Feldforschungen regelhaft gewährleistet werden, obwohl das BDA eine
294
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
deutlich höhere gesetzliche Verpflichtung als beliebige Dritte hätte, die bei seinen entsprechenden
Arbeiten entdeckten Denkmale zu erhalten.
Bezüglich allfällig erforderlicher Sicherungsmaßnahmen gelten hingegen ohnehin die Bestimmungen
des § 31 Abs. 1 DMSG. Hier den Inhaber der Grabungsgenehmigung als jene „dritte Seite“ heranziehen
zu wollen, welche die Finanzierung der dem Denkmaleigentümer nicht aufgetragen werden
könnenden Kosten für „eine in diesem Bundesgesetz nicht vorgesehene Erhaltungs- bzw.
Instandsetzungsverpflichtung“ (§ 31 Abs. 1 DMSG) zu gewährleisten hat, erscheint zumindest mir aus
rechtlicher Sicht nachgerade abenteuerlich. Das erschiene jedenfalls mir wie eine Einführung eines
aktiven Denkmalschutzes, der weder vom Bund noch vom Denkmaleigentümer, sondern von
eigentlich vollkommen unbeteiligten Dritten finanziert werden soll (siehe dazu auch die Erläuterungen
in der RV 1999, 63, dass die Bestimmung, dass die Kosten gesetzlich nicht vorgesehener
Erhaltungsmaßnahmen dem Eigentümer nicht aufgetragen werden können, gerade dem Zweck dient,
dem sonst möglichen missverständlichen Eindruck des Bestehens eines aktiven Denkmalschutzes in
Österreich entgegenzuwirken); und zwar selbst und insbesondere Denkmale betreffend, an deren
Erhaltung überhaupt kein öffentliches Interesse besteht.
Wiederherstellungsmaßnahme schließlich ist nicht mehr als ein Synonym für das Wort Restaurierung;
auch wenn es sich natürlich in diesem Kontext auf die Wiederherstellung der „ursprünglichen“
äußeren Erscheinung des betreffenden Bodendenkmals nach Abschluss einer wenigstens den dadurch
betroffenen Teil dieses Denkmals in seiner Substanz zumeist vollständig zerstört habenden invasiven
archäologischen Forschungsmaßnahme (d.h. in der Regel: einer systematischen archäologischen
Ausgrabung) bezieht. Eine solche Wiederherstellungsmaßnahme kann – vielleicht – bei einem gem.
§§ 2a oder 3 DMSG geschützten Denkmal insofern angebracht sein, als dieses gegebenenfalls in seiner
bis zum Zeitpunkt seiner Untersuchung durch Ausgrabungen historisch gewachsenen Erscheinung
erhalten werden soll, ohne deswegen die mit invasiven Methoden erfolgende Untersuchung der
ohnehin nicht augenscheinlichen Substanz des Denkmals unmöglich zu machen. Dies wäre aber im
Rahmen der Bewilligung zur Veränderung oder Zerstörung des betroffenen Denkmals gem. § 5 Abs. 1
DMSG vorzuschreiben, nicht im Rahmen der NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG. Bei Denkmalen, an deren
unveränderter körperlicher Erhaltung überhaupt kein rechtswirksames öffentliches Interesse besteht,
scheidet die bescheidmäßige Anordnung von Wiederherstellungsmaßnahmen hingegen schon allein
deshalb aus, weil eben an der unveränderten Erhaltung dieses Denkmal gar kein öffentliches Interesse
besteht, das die Anordnung von Wiederherstellungsmaßnahmen rechtfertigen könnte. Ob und
inwieweit der NFG-Inhaber seine allfällig angelegten Grabungsschnitte wieder verfüllen soll oder nicht
ist vielmehr eine rein privatrechtliche Frage, die zwischen dem NFG-Inhaber und dem
Grundeigentümer zu klären ist.
Zwar greifen diese zuletzt diskutierten Auflagen selbst nicht oder nur bedingt in die
Wissenschaftsfreiheit (z.B., wo Konservierungs- oder Restaurierungsmaßnahmen angeordnet werden
können) ein, sie führen aber zu maßgeblichen Belastungen der Grundrechtsträger, die sich auf dieses
Grundrecht berufen wollen, obgleich es für keine einzige davon eine Rechtfertigung gibt, die sich aus
den Bestimmungen des DMSG selbst oder auch nur der Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 BV-G
ableiten ließe. Dabei wird diese Belastung der Grundrechtsträger aber überhaupt erst dadurch
möglich, dass durch die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG und die damit verbundene Möglichkeit für
das BDA, Antragstellern in einem bewilligenden Bescheid irgendwelche Auflagen zu erteilen, extrem
weit in die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG eingegriffen wird. Grundrechtsträgern, die
ihr Recht, vom Staat unbehindert wissenschaftliche archäologische Feldforschungen anstellen zu
dürfen, in Anspruch nehmen möchten, wird dadurch die Ausübung dieses Rechts über die ohnehin
schon gravierende Beschränkung durch den Eingriff selbst noch zusätzlich dadurch erschwert, dass
295
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
ihnen ohne jeden Nutzen für das gesetzliche Schutzziel des DMSG oder das verfassungsgesetzlich
verankerte Rechtsgut des Denkmalschutzes die bescheidende Behörde willkürlich irgendwelche ihr
angebracht erscheinenden, eventuell mit extrem hohen Kosten und noch größerem Aufwand
verbundene, Auflagen erteilt. Dies ist jedenfalls auch bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des
Eingriffs insgesamt zu berücksichtigen.
Die gravierende Fehlinterpretation des DMSG durch das BDA
Zusätzlich verschärft wird all das auch noch dadurch, dass das BDA offensichtlich – wie seine bisherige
und wohl auch geplante zukünftige Handhabungspraxis der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG und
auch seine wiederholte Wahl des Begriffs „Bodendenkmale“ in relevanten Kontexten (so z.B. BDA
2018, 10) eindeutig zeigt – glaubt, dass die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG nicht nur dem Schutz
von tatsächlich derart bedeutenden Denkmalen iSd § 1 Abs. 1 DMSG dient, dass deren Erhaltung iSd
§ 1 Abs. 2 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen ist, sondern vielmehr auf alle Bodendenkmale iSd
§ 8 Abs. 1 DMSG – d.h. alle Sachen, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes aufgrund ihrer Lage,
Form oder Beschaffenheit auch bloß „offenkundig“ unterliegen könnten – in der durch das BDA bisher
umgesetzten Form angewendet werden können. Es ist dieses Missverständnis – und es muss sich
dabei um ein Missverständnis handeln –, das zu den enormen Exzessen führt, die insbesondere die
Anwendungspraxis dieser gesetzlichen Bestimmung durch das BDA kennzeichnen.
Dadurch, dass das BDA – übrigens dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 DMSG diametral widersprechend,
der eben gerade nicht von Bodendenkmalen, sondern vielmehr von Denkmalen unter der Erd- bzw.
Wasseroberfläche spricht – weiterhin fälschlich zu glauben scheint, dass die NFG-Pflichtbestimmung
des § 11 Abs. 1 DMSG dem Schutz von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG dient, verfällt es auf den
irrigen Glauben, dass das DMSG sozusagen zwei verschiedene Arten von Denkmalen kennen würde,
die der Gesetzgeber unterschiedlich schützen wollte:
1) sogenannte „Denkmale“ iSd § 1 Abs. 1 DMSG, deren Erhaltung aufgrund ihrer iSd § 1 Abs. 2
DMSG besonderen Bedeutung im öffentlichen Interesse gelegen ist, die (hauptsächlich) durch
die Schutzbestimmungen der §§ 2-7 DMSG geschützt werden und die der Staat iSd §§ 1 Abs.
1 iVm 4 Abs. 1 in seiner historisch gewachsenen Erscheinung und Substanz körperlich erhalten
will; und
2) sogenannte „Bodendenkmale“ iSd § 8 Abs. 1 DMSG, ein Begriff, mit dem der Gesetzgeber
eigentlich „alle archäologische Funde und Befunde“ gemeint hat, die er (hauptsächlich) durch
die Bestimmungen der §§ 9-11 DMSG geschützt hat und die er insbesondere durch die
Bestimmungen des § 11 Abs. 1 und deren Rechtsfolgen durch sachgerechte Dokumentation
bei ihrer wissenschaftlichen Erforschung erhalten will; wobei er zur Sicherstellung der auch
bei diesen eigentlich bevorzugten Erhaltung in situ auf die allgemeinen Schutzbestimmungen
für „Denkmale“ zurückgreift.
Aus archäologischer Sicht ist diese Sichtweise sogar völlig verständlich und auch extrem sinnvoll:
bekanntermaßen geht es der Archäologie gerade nicht (nur) um die Erhaltung irgendwelcher
besonders bedeutender wissenschaftlicher Quellen, sondern – gerade der von Hoernes und seinen
epistemologischen Vorstellungen geprägten österreichischen Archäologie (siehe dazu Seiten 129-135)
– um die Erhaltung der „einzelnen an sich geringfügigen Wahrnehmungen“, die es in emsiger
Detailarbeit „zu unerschütterlichen Erkenntnissen“ (Hoernes 1892, 43) zusammenzusetzen gilt. Diese
Wahrnehmungen müssen aus archäologischer Sicht natürlich auch dann erhalten werden, wenn ein
Denkmal in seiner historisch gewachsenen Erscheinung und Substanz in situ der modernen Nutzung
des Grundes weichen muss. Zusätzlich ist es ohnehin unmöglich, archäologische Denkmale dauerhaft
in situ zu erhalten, wenn man sie auch erforschen möchte, weil schließlich zerstört die primäre
296
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
archäologische Forschungsmethode für solche Zwecke, die systematische archäologische Ausgrabung,
die historisch gewachsene Erscheinung und Substanz des betroffenen Denkmals notwendigerweise
(siehe dazu auch Hebert 2018, 84-5; diese Tatsache ist also nachweislich auch im BDA dem Leiter der
zuständigen Abteilung für Archäologie bekannt).
Es ergibt also aus (gegenwärtiger) archäologischer Sicht praktisch überhaupt keinen Sinn,
archäologische Funde und Befunde als „Denkmale“ iSd § 1 Abs. 1 DMSG zu betrachten und
entsprechend der Schutzvorschriften der §§ 2-7 zu schützen, es sei denn, man will diese – wie es
vielleicht in Einzelfällen nützlich sein kann, um „Fundhoffnungsgebiete“ im Sinne der Londoner und
Valletta-Konvention (Europarat 1969; 1992) schützen zu können – wirklich dauerhaft für die
Erforschung durch zukünftige Generationen von ArchäologInnen so weitgehend als möglich aus dem
modernen Gebrauch nehmen. Es ergibt hingegen sehr viel mehr archäologischen Sinn, wenn man –
sozusagen indem man das Gesetz zwischen §§ 7 und 8 auseinanderreißt – die Bestimmungen der §§
8-11 DMSG als eigenes „modernes Archäologieschutzgesetz“ liest.
Liest man nämlich nur die Bestimmungen der letztgenannten Paragrafen für sich allein, stellt sich das
DMSG ganz anders dar, als wenn man es in seiner Gesamtheit liest: man kann dann nämlich jenen Teil
des ersten Satzes des § 8 Abs. 1 DMSG, in dem der Begriff „Bodendenkmale“ bestimmt wird, als
einleitende Begriffs- und Anwendungsbereichsbestimmung für das „archäologische
Denkmalschutzgesetz“ (aDMSG) interpretieren. Die Bestimmungen der §§ 8-11 DMSG würden in
diesem Fall für alle „unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ befindlichen „Gegenstände“ gelten, „die
infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit offenkundig den Beschränkungen dieses Bundesgesetzes
unterliegen könnten“, gänzlich unabhängig davon, wie genau nun ihre Bedeutung beschaffen ist. Das
würde tatsächlich – wenigstens aus facharchäologischer Sicht – de jure – weil aus dieser Sicht ja
offenkundig jeder unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche befindliche Gegenstand den Beschränkungen
der §§ 8-11 DMSG unterliegen könnte, weil man, bevor man ihn entdeckt und untersucht hat, noch
gar nicht wissen kann, ob er ein archäologischer Fund oder Befund ist oder nicht – alle Sachen, die sich
derzeit noch unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche befinden, kraft gesetzlicher Vermutung vollständig
den Beschränkungen der „archäologischen“ Paragrafen unterwerfen.
Tatsächlich geht die Bestimmung des § 8 Abs. 1 DMSG sogar noch weiter als das, wenn man sie
(wenigstens teilweise) als Begriffs- und Anwendungsbereichsbestimmung eines grundsätzlich separat
vom Rest des DMSG zu lesenden aDMSG interpretiert. Denn § 8 Abs. 1 DMSG dehnt den (scheinbaren)
Anwendungsbereich des aDMSG in seinem zweiten Satz ja gleich auch noch auf Oberflächenfunde von
Bodendenkmalen aus: „Gleiches gilt auch für Bodendenkmale, die lediglich durch Ereignisse wie Regen,
Pflügen oder dergleichen zufällig teilweise oder vollständig an die Oberfläche gelangten“. Liest man
auch das als Anwendungsbereichsbestimmung, gelten die „Beschränkungen dieses Bundesgesetzes“
offenbar nicht nur für noch unter der Erdoberfläche befindliche, sondern auch an diese gelangte
Sachen.
Das macht – nachdem „Zufallsfunde“ heutzutage so gut wie gar nicht mehr vorkommen, weil es jedes
Jahr höchstens ein paar Handvoll von Fällen davon gibt, und somit die (restlichen) Bestimmungen von
§§ 8 und 9 DMSG in der Verwaltungspraxis weitgehend redundant geworden sind – die Bestimmungen
des § 11 DMSG zur primären, archäologisch-denkmalpflegerischen Schutzbestimmung des aDMSG;
und in diesem wiederum die Bestimmung des § 11 Abs. 1 zur absolut zentralen Bestimmung. Diese –
noch dazu aus archäologischer Sicht sinnvollerweise präventiv gestaltete – Bestimmung ist dann auch
logischerweise exakt so zu interpretieren, wie das BDA sie bis zum Erkenntnis des BVwG vom
11.9.2017, W183 2168814-1/2E, auch tatsächlich interpretiert hat: die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1
aDMSG gilt dann natürlich für alle vorsätzlichen Grabungen und sonstigen Nachforschung an Ort und
Stelle, mit denen der sie Durchführende die Entdeckung von Bodendenkmalen – ob sich diese nun
297
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
noch unter oder bereits an der Erd- bzw. Wasseroberfläche befinden – bezweckt – d.h. auch wenn
seine Nachforschungen auf die Entdeckung von Oberflächenfunden ausgerichtet sind – oder bei
denen er deren Entdeckung auch nur billigend in Kauf nimmt. Interpretiert man die archäologischen
Teile des DMSG als eigenständiges aDMSG, war es also tatsächlich für das BDA rechtlich zwingend
erforderlich, meine eingangs dieses Buches geschilderten Anträge auf Erteilung von NFG für eine
Oberflächenfundaufsammlung und Ausgrabungen im Garten meiner Eltern in Wien, die zu den
genannten Erkenntnissen des BVwG geführt hat (Seiten 8-17) in der Sache zu entscheiden: ich hatte
schließlich die Bewilligung dafür beantragt, Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der
Entdeckung (und im Erfolgsfall natürlich auch Untersuchung) von Bodendenkmalen an (und im
zweiten Fall dann auch unter) der Erdoberfläche durchführen zu dürfen, d.h. eine unter dieser Lesung
des aDMSG genehmigungspflichtige Nachforschung geplant.
Bis zu ihrem extremen Ende logisch durchgedacht wäre bei dieser Lesung der §§ 8-11 als aDMSG die
NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG sogar noch weiter auszulegen: sie wäre selbstverständlich auch auf
alle jene Grabungen anzuwenden, die nicht vorsätzlich die Entdeckung von Bodendenkmalen
bezwecken, sondern diese nur billigend in Kauf nehmen; d.h. auch bei allen sonstigen Erdarbeiten, bei
denen Bodendenkmale entdeckt werden könnten. Das BDA dürfte auch wirklich Mitte 2017 im Begriff
gewesen sein, seine Interpretation des § 11 Abs. 1 DMSG dieser Logik folgend auch auf z.B.
Bauarbeiten auszudehnen, durch die bekannte, aber nicht gem. §§ 2a oder 3 DMSG geschützte,
Bodendenkmale betroffen sind; oder wenigstens gehofft zu haben, dass eine solche noch viel
weitergehende Interpretation dieser Bestimmung ebenfalls möglich sei. Das zeigt sich in aller
Deutlichkeit daran, dass mir eine anwesende Kollegin aus der archäologischen Fachabteilung des BDA
widersprochen hat, als ich – kurz bevor das BVwG sein erstes genanntes Erkenntnis gefunden hat –
auf einer alljährlich stattfindenden, internationalen Fachtagung anhand des Falls „Zirkenauer Wald“
(siehe oben Seiten 109-110) dargestellt hatte, dass nicht gem. §§ 2a bzw. 3 DMSG geschützte
Bodendenkmale in Österreich von ihrem Eigentümer rechtmäßig gänzlich ohne Bewilligung durch das
BDA zerstört werden dürften. Das Argument der Kollegin war dabei, dass die Rechtslage in solchen
Fällen keineswegs so wie von mir dargestellt sei, sondern auch in solchen Fällen eigentlich sehr wohl
eine Bewilligung gem. § 11 Abs. 1 DMSG erforderlich sei, weil der Grundeigentümer selbstverständlich
wisse, dass sich auf seinem Grund Bodendenkmale befinden würden. Diese dürfe er daher keineswegs
bewilligungsfrei zerstören. Es sei nur den Besonderheiten des von mir geschilderten Einzelfalls
geschuldet, dass in diesem Fall die unbewilligte Zerstörung der betroffenen Bodendenkmale nicht
strafbar gewesen sei. In Anbetracht dieser Entgegnung kann also angenommen werden, dass es nicht
mehr lange gedauert hätte, ehe das BDA die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auch auf Erdarbeiten
zu anderen als archäologischen Entdeckungszwecken ausgedehnt oder wenigstens auszudehnen
versucht hätte.
Aus der Lesung der Bestimmungen der §§ 8-11 DMSG als separates aDMSG folgt aber auch ebenso
zwingend, dass diese auch dann greifen, wenn an der körperlichen Erhaltung der historisch
gewachsenen Erscheinung und Substanz der betroffenen Bodendenkmale überhaupt kein öffentliches
Interesse besteht: schon die Bestimmungen des § 9 sehen die dauerhafte körperliche Erhaltung
zufällig entdeckter Bodendenkmale in situ nicht vor. Vielmehr sehen die Bestimmungen des § 9 Abs.
1 nur eine fünftägige Frist vor, während der die Fundumstände unverändert zu belassen sind, die des
Abs. 2 verpflichten Finder im Falle der Gefahr des sonstigen Abhandenkommens der beweglichen
Funde zu deren unmittelbarer Bergung, und die des Abs. 3 sehen ebenfalls nur eine zeitweilige
körperliche Erhaltung der Denkmale auf bis zu 6 Wochen kraft gesetzlicher Vermutung vor (sofern das
BDA sie nicht binnen dieser Frist gem. § 3 unter dauerhaften Schutz stellt); jeweils gekoppelt mit der
Möglichkeit für das BDA – im Fall der Fundumstände durch § 9 Abs. 1, im Fall der beweglichen
Kleinfunde durch Abs. 4 – die entdeckten Bodendenkmale zu dokumentieren. Die Bestimmungen des
298
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
§ 11 hingegen sind mit der Vorstellung einer körperlichen Erhaltung der durch Grabungen entdeckten
Bodendenkmale – unter denen unter Voraussetzung eines gegenwärtigen Fachverständnisses
vorwiegend die unbeweglichen Befunde bzw. Fundstellen in ihrer Gesamtheit (BDA 2018, 2) zu
verstehen sind – ohnehin praktisch komplett unvereinbar: Grabungen zerstören oder verändern
schließlich zwangsläufig (siehe § 11 Abs. 5) die körperliche Erscheinung und Substanz dadurch
entdeckter und untersuchter Bodendenkmale.
Nachdem dann folgerichtig die Bestimmungen der §§ 1 Abs. 1 und 4 Abs. 1 in den als separates aDMSG
verstandenen Teilen des Gesetzes auch gar nicht enthalten sind, spielt die Tatsache, dass durch diese
die unveränderte körperliche Erhaltung von Denkmalen als gesetzliches Schutzziel ausgewiesen wird,
für die Interpretation der archäologischen Bestimmungen praktisch keine Rolle. Die unveränderte
körperliche Erhaltung von Denkmalen ist für die als vollkommen separate Kategorie von Sachen
angesehenen Funde und Befunde, die in § 8 Abs. 1 als Bodendenkmale definiert werden, bei dieser
Lesart des Gesetzes gänzlich irrelevant (und übrigens auch die Tatsache, dass mehr als 100 Jahre alte
bewegliche Denkmale im Eigentum der in § 2 Abs. 1 DMSG genannten Eigentümer automatisch kraft
gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz stehen; zu den Problemen damit noch gleich Seiten 307319).
Daraus lässt sich dann, insbesondere, weil auch ein bedeutender Anteil der Bestimmungen des § 11
DMSG – Abs. 3, 4, 6 und 7 – Meldepflichten, die Übermittlung von Dokumentationsunterlagen und
Grabungsberichten und deren Sammlung, wissenschaftliche Dokumentation und Veröffentlichung
durch das BDA zum Inhalt hat, sehr leicht die Vorstellung ableiten, dass bezüglich von
Bodendenkmalen ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung durch Dokumentation auch und
insbesondere dann vorliegt, wenn ihre unveränderte körperliche Erhaltung in situ nicht gewährleistet
werden kann. Das bedeutet aber, dass das überwiegende Anliegen des Gesetzgebers die dauerhafte
Erhaltung aller in oder über Bodendenkmale tatsächlich existierenden Informationen wäre – d.h. aller
Sachen, die den Beschränkungen der §§ 8-11 DMSG auch nur unterliegen könnten, nicht etwa nur
solcher, die diesen Beschränkungen auch tatsächlich unterliegen, und allen über diese Sachen
existierenden wissenschaftlichen Wissens – und daher auch alle bei jedweder Nachforschung an Ort
und Stelle erzeugten Dokumentationen der dort vorkommenden Bodendenkmale sozusagen zum
Bestandteil des Bodendenkmals werden, für deren dauerhafte Erhaltung die archäologische Abteilung
des BDA – sozusagen als Bodendenkmalzentralarchiv – dann auch verantwortlich ist.
Dass das BDA genau dieser Ansicht zu sein scheint, zeigt sich auch deutlich an der nunmehr in der
neuen Fassung der Richtlinien in den Vorbemerkungen fett hervorgehobenen Feststellung, dass – weil
archäologische Maßnahmen „häufig irreversible Eingriffe in das archäologische Erbe“ darstellen
würden, nach denen „nur eher selten unbewegliche Bestandteile des ursprünglichen, authentischen
Bodendenkmals an Ort und Stelle“ verbleiben, dabei aber „zumeist bewegliche Bodendenkmale
(=archäologische Fundgegenstände und/oder Proben) zutage“ kommen und dabei „in aller Regel
Dokumentationsunterlagen“ entstehen – „[d]ie genannten unbeweglichen und beweglichen
Bestandteile sowie Dokumentationsunterlagen […] in ihrer Gesamtheit an die Stelle des durch die
archäologischen Maßnahmen veränderten oder zerstörten Bodendenkmals (= der archäologischen
Fundstelle)“ treten und „dessen – eine geschichtliche Dokumentation ermöglichende Quellenfunktion“
weiterführen und „somit als weiterhin zusammengehörige Elemente des archäologischen Erbes zu
betrachten und zu bewahren“ (BDA 2018, 2) sind. Oder anders gesagt: die geborgenen Bestandteile
und Dokumentation des in situ zerstörten, ursprünglichen, authentischen Denkmals sind auch für sich
allein betrachtet weiterhin ein Bodendenkmal, dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist;
die im Medium der Dokumentation angefertigte Kopie ersetzt das Original.
299
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Damit lässt sich dann in weiterer Folge nicht nur eine aktive Erhaltungspflicht für Bodendenkmale
unterstellen, sondern diese ist sogar zwingend aus den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 8-11 DMSG
abzuleiten: schon § 8 Abs. 1 enthält eine aktive Meldepflicht, § 9 Abs. 1 und 3 erfordern von
Verfügungsberechtigten die aktive Unterlassung der von ihnen geplanten Nutzung der entdeckten
Bodendenkmale, § 9 Abs. 2 enthält eine aktive Sicherstellungsverpflichtung betreffend entdeckter
beweglichen Bodendenkmale, § 9 Abs. 4 verpflichtet Eigentümer beweglicher Bodendenkmale zur
ihrer aktiven Überlassung an das BDA für bis zu zwei Jahre, § 10 Abs. 2 spricht von den Kosten von
Grabungen und Restaurierungsmaßnahmen, die bei der Berechnung des Ablösepreises bei Ausübung
des Vorkaufsrechts durch dazu berechtigte Gebietskörperschaften nicht aufgerechnet werden
können, und § 11 verpflichtet NFG-InhaberInnen zu allen möglichen aktiven Melde-, Dokumentationsund Berichtspflichten, die allesamt weit über die durch § 4 Abs. 1 DMSG vorgesehene „passive“
Erhaltungspflicht des Eigentümers gem. §§ 2, 2a oder 3 DMSG geschützter Denkmale hinausgehen. Ist
man also schon bei der exzessiv weiten Auslegung der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 als primäres
gesetzliches Mittel des Schutzes von Bodendenkmalen durch Dokumentation angelangt, erscheint
völlig selbstverständlich, dass man jenem, der eine NFG begehrt, auch alle möglichen sonstigen, dem
BDA für die dauerhafte Erhaltung der betroffenen Denkmale durch Restaurierung seiner geborgenen
Bestandteile und über die bloße Dokumentation des Zustandes, in dem sie sich bei ihrer körperlichen
Zerstörung bzw. Veränderung in situ befunden haben, hinausgehende wissenschaftliche Bearbeitung
(bis hin zu einer abschließenden Publikation, wie es die archäologische Fachwelt ohnehin gerne bei
allen ausgegrabenen Bodendenkmalen hätte) bzw. die Gewährleistung der dafür anfallenden Kosten
bescheidmäßig aufbürden kann.
Gleichermaßen folgt daraus, dass man sehr leicht darauf vergessen kann, dass die durch die NFGPflicht verursachten Beschränkungen massiv in die durch Art. 17 Abs. 1 DMSG garantierte
Wissenschaftsfreiheit des Antragstellers (wenn man von dieser überhaupt weiß oder an sie denkt)
eingreifen, bzw. auf die Ansicht verfallen kann, die Wissenschaftsfreiheit völlig ignorieren zu können,
weil man glaubt, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 diese gar nicht berührt. Geht man nämlich davon
aus, dass Grabungen und sonstige Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung
von Bodendenkmalen eine denkmalpflegerische Erhaltungs- bzw. genauer Ersatzmaßnahme sind, die,
wie es das BDA eben nun auch in seinen Richtlinien explizit formuliert, dazu dient, die „eine
geschichtliche Dokumentation ermöglichende Quellenfunktion“ (BDA 2018, 2) der betroffenen
Bodendenkmale weiterzuführen, und bei der die geborgenen Bestandteile und Dokumentation an
dessen Stelle treten – eben das nun nicht mehr in situ erhaltene, ursprüngliche, authentische Denkmal
tatsächlich ersetzen – kann man durchaus – wenigstens aus Sicht der Behörde – auf die Ansicht
verfallen, dass solche Ersatzmaßnahmen überhaupt keine wissenschaftlichen Forschungen sind, die in
den Genuss des Schutzes durch die Wissenschaftsfreiheit kommen könnten. Ziel der
denkmalpflegerischen Ersatzmaßnahme wäre ja bei dieser Sichtweise gerade nicht, neue
wissenschaftliche Erkenntnisse über die von der Maßnahme betroffenen Bodendenkmale zu
gewinnen, sondern vielmehr nur die in ihm gespeicherten historischen Informationen aus einem
Medium – dem ursprünglichen, authentischen Bodendenkmal selbst – in ein anderes Medium – das
der denkmalgerechten Dokumentation – zu übertragen. Die durch die Wissenschaftsfreiheit
geschützte Erforschung der Bodendenkmale würde hingegen überhaupt erst mit der in der
Fachterminologie gewöhnlich als „Nachbearbeitung“ bezeichneten wissenschaftlichen Auswertung
der bei den Grabungen oder sonstigen Nachforschungen dokumentierten Daten beginnen, bei der aus
diesen eben dann tatsächlich neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen oder bereits früher
gewonnene Erkenntnisse bestätigt oder widerlegt werden sollen.
Bei dieser Art der Betrachtung könnten Grabungen und sonstige Nachforschungen iSd § 11 Abs. 1
DMSG also im engeren, auch verfassungsrechtlich relevanten, Sinn gar nicht wissenschaftlich sein,
300
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
weil es bei ihnen gar nicht um „die Gewinnung objektiver Erkenntnisse“ (Berka 1999, 343) gehen
würde, die für die Wissenschaftlichkeit einer Handlung eine unabdingbare Voraussetzung ist, sondern
könnten vielmehr nur in einem sehr erweiterten, übertragenen Sinn als „wissenschaftlich“ bezeichnet
werden, weil sie – sozusagen vorwissenschaftlich, in ihrem Kern eigentlich handwerklich oder
technisch – für die Erhaltung der Quellen der in ihrer Auswertung dann auch tatsächlich im engeren
Sinn wissenschaftlicher Forschungen sorgen. Das gestattet es dann selbstverständlich nicht nur, die
Wissenschaftsfreiheit völlig außer Acht zu lassen, weil diese durch handwerkliche bzw. technische
Maßnahmen gar nicht berührt wird, sondern selbstverständlich auch, sie – aufgrund der Ermächtigung
des Bundes zu Gesetzgebung und Vollzug des Denkmalschutzes durch die Kompetenznorm des Art. 10
Abs. 1 Z 13 BV-G – einem staatlichen bzw. behördlichen Monopol zu unterwerfen und die
Durchführung aller dieser Maßnahmen – auch wenn diese in der Praxis durch private Dritte
durchgeführt werden – als der Behörde und der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben dienende
Arbeiten zu sehen. Es ist schließlich die Aufgabe des BDA, die Erhaltung der Quellen der
archäologischen Forschung zu gewährleisten und somit jede Arbeit, die dazu beiträgt, eine
Hilfsdienstleistung für das BDA, die daher auch so durchzuführen ist, wie das BDA das gerade zu
brauchen glaubt: jeder, der solche Arbeiten mit Bewilligung gem. § 11 Abs. 1 DMSG durchführt,
arbeitet dann also für und aufgrund der ihm erteilten Bewilligung auch im Auftrag des BDA und hat
sich daher auch an vollkommen willkürliche Vorgaben des BDA zu halten. Die Exzesse in der
Anwendungspraxis des BDA sind dann die logische Folge.
Selbstverständlich ist diese Sichtweise vollkommen unhaltbar und selbstverständlich auch
vollkommen unverhältnismäßig, sowohl rechtlich als auch sachlich. Dass der Gesetzgeber
Bodendenkmale nicht als eigene, vom Denkmalbegriff des § 1 Abs. 1 DMSG unabhängige, Kategorie
von denkmalschutzwürdigen Gegenständen betrachtet oder betrachten wollte und dass er diese auch
nicht viel weitreichender als Denkmale iSd § 1 Abs. 1 schützen wollte, geht sowohl aus dem
Gesetzestext selbst als auch aus den zugehörigen Regierungsvorlagen der beiden letzten größeren
Novellen (RV 1990; 1999) hervor. So z.B. stellt die Regierungsvorlage zum § 10 Abs. 3 DMSG idF BGBl.
473/1990 bezüglich des Schutzes von Bodendenkmalen ganz explizit fest, dass das BDA binnen der
schon dort vorgesehenen 6 Wochen Frist bescheidmäßig festzustellen habe, „ob die Gegenstände
weiterhin unter Denkmalschutz stehen, andernfalls sie nicht mehr geschützt sind“ (RV 1990, 19-20).
Das kann nicht bedeuten, dass sie, wenn diese 6 Wochen Frist abgelaufen sind, nicht nur in ihrer
historisch gewachsenen Erscheinung und Substanz nicht mehr geschützt sind, aber dennoch die
eventuell über sie angefertigten Dokumentationen nunmehr „an die Stelle“ des „ursprünglichen,
authentischen Bodendenkmals an Ort und Stelle“ (BDA 2018, 2) treten und daher dennoch weiterhin
erhalten werden sollen. Vielmehr bedeutet die Tatsache, dass sie nicht mehr geschützt sind, dass an
ihrer Erhaltung kein öffentliches Interesse iSd § 1 Abs. 2 DMSG besteht und sie daher rechtlich als ganz
gewöhnliche Sachen (d.h. nicht mehr als „Denkmale“ iSd § 1 Abs. 1 DMSG) zu betrachten und
behandeln sind.
Ebenso ist klar, dass der Gesetzgeber das DMSG nicht als zwei voneinander unabhängig zu sehende
und nur der Einfachheit halber gemeinsam miteinander verlautbarte Denkmalschutzgesetze
betrachtet sehen wollte und will, sondern die „Materie der Bodendenkmale“ entgegen eines früheren
Plans, diese tatsächlich separat gesetzlich zu regeln, „besser direkt in das Denkmalschutzgesetz
eingearbeitet werden“ (RV 1990, 9) sollte. Dass daher auch die NFG-Pflichtbestimmung des § 11 Abs.
1 DMSG nicht eine generelle, präventive Schutzbestimmung sein kann und ist, die alle in den Boden
oder Grund unter Wasser eingreifenden Arbeiten und sonstigen Handlungen, bei denen die
Entdeckung von Bodendenkmalen möglich ist bzw. diese billigend in Kauf genommen wird, einer
behördlichen Bewilligungspflicht unterwirft, geht ebenso eindeutig sowohl aus dem Gesetzestext als
auch insbesondere der Regierungsvorlage zum DMSG idF BGBl. 473/1990 hervor, die ganz konkret
301
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
davon spricht, dass die Bestimmungen des § 11 DMSG die „Vorgangsweise bei der Durchführung
bewilligter wissenschaftlicher Grabungen“ regeln sollen und viele Bestimmungen enthielten, „die eine
für die Wissenschaft notwendig geregelte Vorgangsweise“ (RV 1990, 20) vorsähen.
Die zuletzt zitierten Erläuterungen in der Regierungsvorlage schließen auch jedwede Möglichkeit aus,
die in § 11 Abs. 1 DMSG genannten Grabungen und sonstigen Nachforschungen an Ort und Stelle als
in irgendeiner Weise bloß handwerkliche oder technische, aber jedenfalls noch vorwissenschaftliche,
denkmalpflegerische Ersatzmaßnahmen zu betrachten, die deshalb die Wissenschaftsfreiheit des Art.
17 Abs. 1 StGG gar nicht berühren. Selbstverständlich hat der Gesetzgeber angenommen, dass es hier
um eine Regelung von Tätigkeiten geht, die auch im engeren, verfassungsrechtlich relevanten, Sinn
als wissenschaftlich (Berka 1999, 343) zu betrachten sind; andernfalls wäre es ja vollkommen absurd,
die Möglichkeit eine NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG erteilt zu bekommen vom Abschluss eines
einschlägigen wissenschaftlichen archäologischen Universitätsstudiums bzw. idF BGBl. 473/1990
alternativ einer Prüfung vor einer ausschließlich aus FachwissenschafterInnen bestehenden
Kommission abhängig zu machen. Es ist hier völlig offensichtlich, dass es bei der Bestimmung des § 11
Abs. 1 DMSG um eine intentionale Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG
geht, durch die der Gesetzgeber die archäologische Feldforschung einer inhaltlichen
Fremdbestimmung durch den Staat zu unterwerfen versucht, die jedenfalls eine massive Kollision mit
der Wissenschaftsfreiheit verursacht.
Ebenso ist es selbstverständlich auch aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht völlig absurd, gerade
die wissenschaftliche Untersuchung der wichtigsten Primärquellen der Archäologie – der Funde und
Befunde in situ – durch Grabungen und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle als irgendwie rein
handwerkliche oder technische, aber jedenfalls vorwissenschaftliche und keinesfalls selbst das für
Wissenschaftlichkeit im engeren Sinn erforderliche Niveau erreichen könnende, Quellenerhaltungsoder denkmalpflegerische Ersatzmaßnahme zu betrachten. Gerade die Archäologie wird, sowohl in
ihrer innerfachlichen Eigen- als auch der außerfachlichen und öffentlichen Fremdwahrnehmung, wie
kaum eine andere Wissenschaft mit ihrer wichtigsten Primärquellenerforschungsmethode, der
Ausgrabung, gleichgesetzt (Eggert 2006, 32-3 und Abb. 3.1). Gerade die archäologische Feldforschung,
die mehr als alles andere die verschiedenen, traditionell gewöhnlich hauptsächlich räumlich und
chronologisch in unterschiedliche größere Forschungsgebiete – bzw. Teilfächer – getrennten,
archäologischen Fachbereiche (siehe dazu ebenfalls Eggert 2006) verbindet und damit in gewissem
Sinn überhaupt erst zu einer sachlich zusammengehörenden Wissenschaft der Archäologie vereint,
aus dem Wirkungsbereich dieser Wissenschaft ausschließen zu wollen, würde nachgerade einer
Abschaffung der Wissenschaft der Archäologie gleichkommen.
Damit ist aber klar, dass man die §§ 8-11 DMSG nicht als vom Rest des DMSG unabhängiges und
separates aDMSG lesen kann, das Bodendenkmale als eigene Kategorie von denkmalschutzwürdigen
Sachen weit stärker, aktiv und präventiv vor ihnen drohenden Gefahren schützt, und man die NFGPflicht des § 11 Abs. 1 DMSG daher auch nicht als allgemeine gesetzliche Regelung für
denkmalpflegerische Ersatzmaßnahmen zum Zweck der Erhaltung der Bodendenkmale durch
Dokumentation, durch welche die Wissenschaftsfreiheit gar nicht berührt wird, interpretieren kann.
Damit verstoßen jedoch alle weitreichenden Eingriffe in den ureigenen Kernbereich der
Wissenschaftsfreiheit, die insbesondere das BDA in seiner Anwendungspraxis der Bestimmungen des
§ 11 Abs. 1 DMSG andauernd vornimmt, jedenfalls in allen Fällen, in denen es diese NFG-Pflicht auch
auf solche Denkmale anwendet, an deren Erhaltung iSd § 1 Abs. 1 DMSG gar kein iSd § 1 Abs. 4 DMSG
rechtswirksames öffentliches Interesse iSd § 1 Abs. 2 besteht, massiv gegen das Übermaßverbot der
Bundesverfassung.
302
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Schlussfolgerungen
In der überwiegenden Mehrheit aller Fälle wendet also das BDA, wenn es archäologische Grabungen
und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung, d.h.
der wissenschaftlichen Erforschung, von beweglichen und unbeweglichen Denkmalen unter der Erdbzw. Wasseroberfläche der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG unterwirft, eine verfassungswidrige
gesetzliche Bestimmung in noch viel gröber verfassungswidriger Weise an, um eine sachgerechte
Dokumentation der betroffenen Denkmale zu erreichen, an deren Anfertigung und Erhaltung gar kein
öffentliches, sondern nur ein archäologisch-fachwissenschaftliches Interesse besteht. Zu diesem
Zweck greift es insbesondere in seiner Anwendungspraxis in massiver Weise intentional in den
Kernbereich der verfassungsgesetzlich garantierten Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG ein,
ohne dass ein verfassungsgesetzlich gleichrangig geschütztes Rechtsgut diesen Eingriff rechtfertigt,
geschweige denn, dass derartig massive Eingriffe in dieses gar nicht bestehende Schutzgut zum
Erreichen des vom Gesetzgeber beabsichtigen Zwecks geeignet, erforderlich oder im engeren Sinn
verhältnismäßig wären.
Den Schutz der Bodendenkmale, den das BDA durch seine Anwendungspraxis des § 11 Abs. 1 DMSG
zu erreichen versucht, erlauben weder die Kompetenznorm des Art. 10 Abs. 1 Z 13 BV-G noch die
Bestimmungen des DMSG selbst, mit denen der Gesetzgeber schließlich nur die intentionale
Zerstörung bzw. Veränderung der historisch gewachsenen Erscheinung und Substanz oder
Verbringung ins Ausland von solchen Denkmalen, deren Bedeutung derart beschaffen ist, dass ihr
Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtsicht
hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verbreitung darstellen würde,
verhindern will. Der Gesetzgeber wollte noch nie, und will auch derzeit noch nicht, dass alle auf dem
österreichischen Bundesgebiet vorkommenden materiellen Überreste gestaltenden menschlichen
Handelns der Vergangenheit – d.h. alle archäologischen Funde und Befunde – vor jeder Zerstörung,
Veränderung oder Verbringung ins Ausland geschützt und, wenn diese doch nicht verhindert werden
kann, wenigstens wissenschaftlich dokumentiert und die dabei dokumentierten Daten in einem vom
BDA angelegten staatlichen Zentralarchiv dauerhaft erhalten werden; genauso wenig wie er wollte
und will, dass alle Baudenkmale – d.h. alle derzeit auf österreichischen Bundesgebiet zu findenden
Bauten – oder auch alle sonstigen Denkmale – d.h. alles Menschenwerk – derart geschützt oder, wenn
das nicht möglich ist, durch genaue wissenschaftliche Dokumentation und Archivierung dieser
Dokumentation durch das BDA erhalten werden.
Vielmehr will er, wie er auch explizit in der Regierungsvorlage zum aktuellen DMSG festgehalten hat,
dass das BDA seine „schwierigste Aufgabe“ adäquat erfüllen kann, nämlich „jene Auswahl in jenem
Umfang für die Unterschutzstellungen zu treffen, die vom Fachlichen her erforderlich ist und vom
Administrativen her bewältigt werden kann“ (RV 1999, 39). Diese Denkmale – die, deren
Unterschutzstellung vom Fachlichen her erforderlich ist und vom Administrativen her bewältigt
werden kann – will der Gesetzgeber in ihrer historisch gewachsenen Erscheinung und Substanz
körperlich – d.h. bei unbeweglichen archäologischen Denkmalen zwangsweise in situ – erhalten, nicht
mehr und nicht weniger. So wie die Unterschutzstellung – d.h. das rechtswirksam gewordene
öffentliche Interesse an der unveränderten körperlichen Erhaltung des Denkmals in Erscheinung und
Substanz – bei anderen als Bodendenkmalen nicht durch die Anbringung einer Gedenktafel oder einer
(eine Dokumentation im archäologischen Sinn darstellenden) Fotografie ersetzt werden kann (Bazil et
al. 2015, 38), kann daher auch ein Bodendenkmal nicht durch seine sachgerechte archäologische
Dokumentation ersetzt werden: der Denkmalschutz „zielt auf die Erhaltung von Denkmalen und nicht
von Erinnerungen“ (Bazil et al. 2015, 17) ab, auch in der Archäologie.
303
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
Nachdem bei der Durchführung von invasiven archäologischen Feldforschungen die Erscheinung und
Substanz von Denkmalen zwangsläufig verändert oder zerstört wird (§ 11 Abs. 5 DMSG), könnte die
NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 nur dem Zweck dienen, derartige invasive Nachforschungen zu verhindern,
um die dadurch verursachte Zerstörung oder Veränderung von Denkmalen abzuwenden. Das darf der
Staat jedoch nur bei gem. §§ 2, 2a oder 3 DMSG geschützten Denkmalen, weil nur deren Erhaltung im
öffentlichen Interesse gelegen ist. Diese wiederum sind aber ohnehin schon durch die Bestimmungen
des § 4 Abs. 1 und die damit verbundene Genehmigungspflicht gem. § 5 Abs. 1 DMSG vor Zerstörung
oder Veränderung aus egal welchen Zwecken geschützt, ihr zusätzlicher Schutz durch eine spezielle,
die wissenschaftliche Forschungsfreiheit intentional beschränkende, NFG-Pflicht kann daher im
verfassungsrechtlichen Sinn gar nicht verhältnismäßig sein. An der Erhaltung bereits bekannter
Bodendenkmale, die nicht binnen 6 Wochen ab Abgabe der Fundmeldung, durch die sie dem BDA
bekannt wurden, unter Denkmalschutz gestellt wurden, besteht nachgewiesenermaßen das für ihre
Unterschutzstellung erforderliche öffentliche Interesse nicht und sie dürfen daher zu jedem beliebigen
Zweck zerstört oder verändert werden, was eine Beschränkung der Freiheit, sie zu wissenschaftlichen
Zwecken zu untersuchen, von vornherein als verfassungswidrig ausschließt. Die Wahrscheinlichkeit,
dass bei Nachforschungen an anderen Orten, von denen noch nicht einmal konkrete Hinweise auf das
Vorkommen bedeutender archäologischer Denkmale bekannt sind, derart bedeutende
archäologische Denkmale entdeckt werden, dass an deren Erhaltung ein öffentliches Interesse
besteht, ist schließlich so verschwindend gering, dass durch sie sicherlich auch eine nahezu
vollständige Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit nicht gerechtfertigt werden oder auch nur
ansatzweise im verfassungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig erscheinen könnte.
Daraus folgt, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 zwingend sowohl in ihrer derzeitigen Form ein
verfassungswidriges Gesetz ist als auch ihre Anwendung durch das BDA verfassungswidriges
Verwaltungshandeln darstellt. Die Bestimmung selbst und ihre Anwendung durch das BDA greifen –
in nahezu allen Fällen völlig grundlos – massiv in den unmittelbaren Kernbereich der
Wissenschaftsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 StGG ein und heben diese für über 99,9% aller
Grundrechtsträger vollständig auf, während sie für die verbleibenden weniger als 0,1% aller
Grundrechtsträger dieses verfassungsgesetzlich garantierte Grundrecht so weit beschränken, dass es
praktisch in ein nudum ius verwandelt wird. Schon allein deshalb sind die Bestimmungen zur NFGPflicht des § 11 Abs. 1 DMSG, die noch dazu derzeit vom BDA als hauptsächliches archäologischdenkmalpflegerisches gesetzliches Schutzinstrument benutzt werden, jedenfalls enorm
reformbedürftig: sie müssen geändert werden, und zwar mit absoluter Dringlichkeit.
Daraus folgt aber nun wieder aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht, dass nicht nur die
Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG, sondern alle archäologischen Bestimmungen der §§ 8-11 DMSD
dringend einer grundlegenden Reform bedürfen. Denn das aus archäologischer Sicht gleichermaßen
Lustige wie Traurige an all den bisher geschilderten Problemen mit der NFG-Pflicht ist, dass das, was
das BDA mit seiner exzessiven Auslegung der schon per se verfassungswidrigen Bestimmung des § 11
Abs. 1 DMSG zu erreichen versucht, wenigstens grosso modo – mit Ausnahme des Versuchs des BDA,
damit durch die Hintertüre ein staatliches archäologisches Feldforschungsmonopol für sich selbst zu
schaffen, das ihm die absolute, auch wissenschaftliche, Kontrolle über alle in Österreich
stattfindenden Grabungen und sonstigen Nachforschungen an Ort und Stelle überträgt – nicht (nur)
das ist, was das BDA bzw. seine archäologische Fachabteilung will, sondern auch das, was die
gegenwärtige archäologische Fachgemeinschaft in Österreich will. Wenigstens ungefähr ist es sogar
das, was die österreichische Archäologie im Bereich der archäologischen Denkmalpflege auch wirklich
braucht, vielleicht mit gewissen Einschränkungen – vor allem in Bezug auf das verfassungsrechtlich
unhaltbare staatliche Feldforschungsmonopol – was die praktische Umsetzung betrifft, aber nicht mit
allzu vielen und großen.
304
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Denn tatsächlich ist sich die österreichische archäologische Fachwelt – inklusive der inzwischen
hauptsächlich im Ausland tätigen, aber immer noch an ihrer „Heimatarchäologie“ interessierten,
Exilösterreicher wie mir – weitgehend einig, dass es funktionierender Mechanismen zur
wissenschaftlichen Qualitätssicherung im Bereich der archäologischen Feldforschung, der
sachgerechten Ausgrabung und Dokumentation möglichst aller – und zwar eben nicht nur besonders
bedeutender – archäologischen Funde und Befunde, egal warum sie wo von wem entdeckt werden,
der möglichst dauerhaft gesicherten wissenschaftlichen Zugänglichkeit aller dabei geborgenen
beweglichen Bestandteile der in situ bereits teilweise oder vollständig zerstörten Fundstellen und der
dauerhaften Erhaltung des Zusammenhangs zwischen den aus diesen geborgenen Funden und der
ihnen zugehörigen Dokumentation sowie idealerweise auch tatsächlich deren Archivierung in einem
wirklich idealerweise staatlichen Zentralarchiv bedarf. Weil für die langfristige, ja optimalerweise –
soweit Dokumentationsunterlagen betroffen sind – sogar wirklich dauerhafte, Erhaltung der Quellen
der wissenschaftlichen archäologischen Feldforschung „für die Erforschung durch künftige
Generationen von ArchäologInnen“ (Europarat 1992) ist das nämlich wenigstens die beste, wenn nicht
sogar einzige, derzeit vorstellbare und auch einigermaßen kostengünstig erreichbare Lösung. Gerade
für diese langfristige Erhaltung der archäologischen Forschungsquellen genügt die
zivilgesellschaftliche Selbstorganisation, die niemals auch nur annähernd gleichermaßen effektiv wie
eine staatliche Lösung funktionieren kann, sicherlich nicht. Im Sinne Dehios (1905, 273) ist genau das
daher jener Bereich, in dem das Eingreifen des Staates durch die staatliche Denkmalpflege tatsächlich
unerlässlich ist, damit all das Viele und Kleine, das er selbst gar nicht sehen kann, weil er dafür nicht
genug Augen hat und auch seine Organe nicht geschmeidig genug sind, auf das es aber dennoch
ankommt, auch tatsächlich erhalten werden kann.
Gerade das kann man aber nicht dadurch erreichen, dass man möglichst alle Bürger außer graduierten
ArchäologInnen aus der archäologischen wissenschaftlichen Feldforschung und der praktischen
Denkmalpflege im Feld möglichst auszuschließen und die wenigen graduierten ArchäologInnen, die es
gibt, an die kürzest mögliche gesetzliche Kette zu legen versucht, die man irgendwie in das Gesetz, das
man hat, hineininterpretieren kann. Man kann es schon gar nicht dadurch erreichen, dass man
versucht, alle Macht und Kontrolle im Bereich der archäologischen Feldforschung und Denkmalpflege
in den Händen von einem überforderten Dutzend von staatlichen Denkmalpflegern zu konzentrieren,
die zwar zweifellos das Beste für die Archäologie und die Forschungen zukünftiger Generationen
erreichen wollen, aber dabei hauptsächlich allen anderen und auch sich selbst im Weg stehen. Man
kann das nur dadurch erreichen, indem man die, die das auch machen wollen, archäologische
Feldforschungen und praktische Denkmalpflege so frei und unbeschränkt als möglich betreiben lässt,
damit sie den vom Staat beschäftigten FachbeamtInnen in der archäologischen Abteilung des BDA
auch die Informationen liefern können, die diese brauchen, damit sie der ihnen von Gesetzgeber
eigentlich aufgetragenen Aufgabe – der wissenschaftlich überlegten Auswahl (RV 1999, 39), welche
archäologischen Denkmale nun denn wirklich für Österreich so außergewöhnlich bedeutend sind, dass
sie auch tatsächlich dauerhaft körperlich in situ erhalten werden sollen – und hoffentlich auch der
Langzeitarchivierung der bei den freien Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung und
Untersuchung aller anderen archäologischen Denkmale angefertigten Dokumentationen, die ihnen
vom Gesetzgeber – in einer neuerlichen grundlegenden Novellierung des DMSG – noch aufzutragen
ist, auch wirklich effektiv nachkommen können.
Das geht aber mit den derzeit geltenden gesetzlichen Grundlagen nicht, weil das dafür wichtigste
Erhaltungsprinzip – das der Erhaltung durch wissenschaftlich sachgerechte Dokumentation – im DMSG
noch gar keine Aufnahme gefunden hat, egal wie sehr sich das BDA bemüht, es durch irgendwelche
abstrusen Umdeutungen der gesetzlichen Bestimmungen und Belastungen jener, die archäologische
Denkmale wissenschaftlich erforschen wollen, doch irgendwie zu etablieren und umzusetzen. Um
305
Archäologische NFG-Pflicht und Wissenschaftsfreiheit in Österreich
dieses Prinzip im DMSG zu verankern, muss man das Gesetz grundlegend ändern und auch in seinem
Wortlaut explizit feststellen, dass Erhaltung durch Dokumentation – wenn auch nicht für andere
Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG, dann doch wenigstens für archäologische Funde und Befunde –
tatsächlich eine geeignete und auch erforderliche Erhaltungsmaßnahme ist; weil es im
archäologischen Denkmalschutz eben nicht primär um die körperliche Erhaltung von Denkmalen,
sondern vielmehr primär um die Erhaltung der in der Denkmalsubstanz gespeicherten archäologischhistorischen Informationen geht, wobei die Substanz zur Gewinnung dieser Informationen eventuell
sogar zerstört werden muss. Nur eine solche Änderung wird es ermöglichen, dem archäologischen
Denkmalschutz, den die heutige Archäologie will und für erforderlich hält, wenigstens näher zu
kommen oder ihn vielleicht sogar zu erreichen.
306
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Rechtswidrige Denkmalpflege in (öffentlichen) Museumssammlungen
Ehe wir zum Schluss dieser Realsatire kommen, gilt es noch, sich einem weiteren Punkt zu widmen:
der rechtswidrigen Denkmalpflege in (öffentlichen) Museumssammlungen. Denn diese ist in der
derzeitigen Praxis unter der gegenwärtigen Rechtslage, wenigstens in Österreich, der Bereich, in dem
vermutlich die meisten Fälle von Denkmalschutzgesetzverletzungen vorkommen: nämlich bei der ganz
normalen, alltäglichen Arbeit von Museumskuratoren und Restauratoren.
Also der Herr Karl, jetzt ist ihm auch noch das letzte Rad abgegangen! Jetzt faselt er schon daher, dass
die alltägliche Arbeit von Kuratoren und Restauratoren rechtwidrig ist! Hat er sie noch alle? Wir wissen
doch alle, dass Kuratoren und Restauratoren in Museen nur brav ihre Sammlungsobjekte erhalten und
dabei genau die Arbeit machen, die sie machen sollen, damit die archäologischen Denkmale erhalten
bleiben. Das kann doch gar nicht rechtswidrig sein!
Naja. Vielleicht ist es doch nicht ganz so einfach…
Denkmalschutzvergehen in österreichischen öffentlichen Museen
Natürlich kümmern sich österreichische Sammlungskuratoren und Restauratoren in öffentlichen
Museen normalerweise (wenigstens im Rahmen ihrer Möglichkeiten) bestmöglich darum, die ihnen
anvertrauten Sammlungsobjekte zu erhalten; wie es ihnen auch von ihren jeweiligen Dienstgebern
aufgetragen wird (auch wenn es vielleicht manchmal gewisse Mängel bei den Erhaltungsbedingungen
gibt: keine Sorge, darüber will ich hier gar nicht reden). Auch der beste Sammlungskurator oder
Restaurator kann nicht mit unzureichenden Mitteln mehr machen, als den Verfall der ihm
anvertrauten Sammlung so sehr zu verlangsamen als möglich; das kann schließlich nicht einmal das
BDA, wie sich bei Sammlungsrevisionen gelegentlich auch zeigt: „Es stellte sich bald heraus, dass
bereits restaurierte Eisenobjekte zum Teil gravierenden Schaden genommen haben.“ (Marius 2011,
32). Natürlich machen die Kuratoren und Restauratoren in österreichischen öffentlichen Museen das,
was sie im Auftrag ihres jeweiligen Arbeitgebers tun sollen: sie archivieren archäologische Denkmale,
konservieren und restaurieren sie, untersuchen sie wissenschaftlich und bereiten sie museal auf,
damit die Öffentlichkeit auch maximalen Nutzen aus ihnen ziehen kann; und wenigstens in der
überwiegenden Mehrheit aller Fälle machen sie das auch hervorragend.
Das ändert aber leider nichts daran, dass das, was sie so gut sie können tun, nichtsdestotrotz
rechtswidrig ist.
Im DMSG regelt § 2 die „Vorläufige Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung“, eine der in §
1 Abs. 4 DMSG festgesetzten Arten, wie das öffentliche Interesse an der Erhaltung von Denkmalen iSd
§ 1 Abs. 1 und 3 (Ensembles und Sammlungen) rechtswirksam wird. Spezifisch wird in diesem
Paragrafen in seinem ersten Absatz festgestellt:
„Bei Denkmalen gemäß § 1 Abs. 1 und 3, die sich im alleinigen oder überwiegenden Eigentum
des Bundes, eines Landes oder von anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten,
Fonds sowie von gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgesellschaften einschließlich
ihrer Einrichtungen befinden (sowie bei Denkmalen, auf die die Bestimmungen des § 6 Abs. 1
zweiter und dritter Satz zur Anwendung kommen), gilt das öffentliche Interesse an ihrer
Erhaltung so lange als gegeben (stehen solange unter Denkmalschutz), als das
Bundesdenkmalamt nicht auf Antrag einer Partei (§ 26f) auf Feststellung, ob die Erhaltung
tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist oder nicht, bzw. von Amts wegen (Abs. 2) eine
bescheidmäßige Entscheidung über das tatsächliche Vorliegen des öffentlichen Interesses
getroffen hat (Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung). Diese gesetzliche Vermutung
gilt auch dann, wenn das alleinige oder überwiegende Eigentum juristischer Personen gemäß
307
Rechtswidrige Denkmalpflege in (öffentlichen) Museumssammlungen
dem ersten Satz lediglich durch eine Mehrheit der Miteigentumsanteile der genannten Personen
zustande kommt“ (§ 2 Abs. 1 Z 1 DMSG).
Grundsätzlich stehen also alle Museumssammlungen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum einer
der Gebietskörperschaften oder einer anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaft (etc.) stehen,
automatisch unter Denkmalschutz, so lange das BDA nicht explizit festgestellt hat, dass dem nicht der
Fall ist. Nachdem auch jeder einzelne Bestandteil eines Denkmals automatisch mit unter
Denkmalschutz steht, wenn die Sache bzw. Sachgesamtheit, zu der er gehört, unter Denkmalschutz
steht (§ 1 Abs. 9), unterliegt also fraglos auch jedes einzelne Sammlungsstück in einer kraft
gesetzlicher Vermutung automatisch denkmalgeschützten Sammlung allen Schutzbestimmungen des
DMSG; wenigstens sofern es nicht explizit davon ausgenommen wird.
Eine solche generelle Ausnahme findet sich auch tatsächlich in der der soeben zitierten unmittelbar
folgenden Bestimmung:
„Die Vermutung gilt nicht für Gebrauchsgegenstände, die in größerer Menge industriell oder
handwerklich hergestellt wurden und weniger als 100 Jahre alt sind, es sei denn, es handelt sich
um mitgeschützte Bestandteile oder Zubehör im Sinne des § 1 Abs. 9 eines unter Denkmalschutz
stehenden Objekts. Ausgenommen von dieser gesetzlichen Vermutung sind auch Park- und
Gartenanlagen gemäß § 1 Abs. 12 hinsichtlich jener Teile, die aus gestalteter Natur bestehen“
(§ 2 Abs. 1 Z 2 DMSG).
Diese Ausnahmebestimmung nimmt allerdings die überwältigende Mehrheit aller in archäologischen
Sammlungen befindlichen archäologischen Denkmale (d.h. hauptsächlich die in diesen vorwiegend
gesammelten beweglichen Kleinfunde) nicht aus der Unterschutzstellung kraft gesetzlicher
Vermutung aus: praktisch alle in diesen Sammlungen enthaltenen archäologischen Denkmale sind
weder in größerer Menge industriell oder handwerklich hergestellt worden und sind vor allem in
nahezu allen Fällen weit über, und nicht weniger als, 100 Jahre alt. Der Wortlaut stellt dabei, wie man
leicht zu erkennen vermag, auf das absolute Alter des Gegenstandes ab: ist er über 100 Jahre alt, steht
er kraft gesetzlicher Vermutung gem. § 2 Abs. 1 Z 1 unter Denkmalschutz. Es nutzt also nicht einmal
etwas, wenn man das argumentieren wollen würde, dass der konkrete Gegenstand, um den es geht,
eventuell erst am Tag davor gefunden und erst soeben der öffentlichen Sammlung einverleibt wurde,
ist er so alt, dass der die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 1 Z 2 nicht erfüllt, dann steht er unter
Denkmalschutz, bis das BDA nicht explizit das Gegenteil festgestellt hat. Nicht, dass es viel nützen
würde, wenn man mit dem Eigentumserwerbsdatum durch die öffentliche Hand argumentieren
wollen würde: viele der wichtigsten archäologischen Museumssammlungsobjekte in Österreich, wie
z.B. die überwältigende Mehrheit der eindrucksvolleren Funde aus dem Gräberfeld von Hallstatt oder
die Venus von Willendorf im Naturhistorischen Museum in Wien (NHM) wurden schon im 19. oder
spätestens im frühen 20. Jahrhundert (vor 1919) von der öffentlichen Hand erworben. Das gilt auch
für die Mehrheit der Landesmuseen, die ebenfalls Großteils im 19. Jahrhundert gegründet wurden
und daher viele archäologische Sammlungsobjekte haben, die vor über 100 Jahren vom Land
erworben wurden.
Auch die Zeitablaufbestimmung der Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung des § 2 Abs. 4
spielt für archäologische Museumssammlungen keine Rolle. Denn diese betrifft nur unbewegliche
Denkmale im Eigentum der Gebietskörperschaften (etc.), nicht bewegliche Kleinfunde in
Sammlungen. Bewegliche archäologische Denkmale in Museumssammlungen, die sich in öffentlichem
Eigentum befinden, stehen also in jedem Fall kraft gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz.
Nachdem de facto alle archäologischen Sachen, die in einer archäologischen Museumssammlung sind,
von ihrem Fundort dorthin gebracht werden mussten, ist davon auszugehen, dass alle in
308
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
archäologischen Museumssammlungen enthaltenen archäologischen Denkmale rechtlich als
bewegliche Denkmale zu betrachten sind.
Das führt nun aber zu einer Reihe von Problemen.
Dabei können wir auf die Betrachtung des Problems mit der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1, die bis zum
eingangs erläuterten Erkenntnis des BVwG vom 11.9.2017 zu Zahl W183 2168814-1/2E bestanden
hätte, wenn das BDA sie tatsächlich gleichheitsgrundsatzgemäß auf alle „Nachforschungen an Ort und
Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale“ (§
11 Abs. 1 DMSG) gleichermaßen angewendet hätte, glücklicherweise inzwischen verzichten. Dennoch,
nur zur Darstellung, was es bedeutet hätte, wenn man das so auslegen hätte können, wie das BDA das
behauptet hat: bewegliche Kleinfunde in Museumssammlungen sind, wie soeben ausgeführt,
zweifellos Denkmale, die den Bestimmungen des DMSG unterliegen. Damit hätte aber nicht nur jede
Nachforschung an Ort und Stelle zum Zweck ihrer Entdeckung, sondern auch jede Nachforschung an
Ort und Stelle zum Zweck ihrer Untersuchung einer Bewilligung des BDA gem. § 11 Abs. 1 bedurft. Das
aber wiederum hätte bedeutet, dass der Museumskurator, bevor er mit Forschungsabsicht eines
seiner Sammlungsobjekte betrachtet hätte, eine solche Bewilligung für die konkrete, von ihm geplante
Untersuchung beantragen und deren bescheidmäßige Bewilligung abwarten hätte müssen, ehe er
seine Nachforschungen zum Zwecke der Untersuchung dieses Denkmal durchführen hätte dürfen.
Denn mit „an Ort und Stelle“ ist ja zweifellos der Ort gemeint, an dem sich das betreffende Denkmal
auch tatsächlich befindet; es muss daher gleich behandelt werden, ob es sich in einer
Museumssammlung befindet oder noch auf einem beliebigen Acker liegt. Im Fall der
Zuwiderhandlung, d.h. der unbewilligten Nachforschung zum Zwecke der Untersuchung eines
beweglichen Kleinfundes durch den dafür von der öffentlichen Hand beschäftigten Museumskurator,
hätte dieser nicht nur die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 verletzt, er wäre auch gem. § 37 Abs. 2 Z 2
mit Geldstrafe bis € 25.400 zu bestrafen gewesen. Man kann da nur sagen: Gott sei Dank hat das BVwG
ein Einsehen gehabt und festgestellt, dass man den Nebensatz „unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“
(§ 11 Abs. 1) nicht einfach so vernachlässigen kann, wie es das BDA gerne bei Nachforschungen zum
Zweck der Entdeckung von archäologischen Denkmalen getan hat.
Ebenso entgehen die Museumskuratoren und Restauratoren der Bewilligungspflicht des § 11 Abs. 8
DMSG, wenigstens solange sie die geschützten Denkmale in ihren archäologischen Sammlungen nicht
mit Metall- oder sonstigen Bodensuchgeräten, sondern nur mit anderen technischen Suchgeräten wie
digitalisierten Katalogen und Scannern zum Lesen von auf Archivbehältern aufgeklebten Barcodes
suchen, wenn sie eines davon zur wissenschaftlichen Untersuchung, Ausstellung oder Konservierung
ausheben wollen. Denn die Bewilligungspflicht des § 11 Abs. 8 gilt zwar auch für geschützte
„Bodendenkmale“, die sich nicht mehr unter der Erdoberfläche befinden, aber schränkt wenigstens
die bewilligungspflichtigen Suchhandlungen explizit auf solche mit den soeben genannten
Bodensuchgeräten ein und schließt somit die Verwendung anderer technischer Hilfsmittel aus dieser
Genehmigungspflicht aus.
Aber leider hat es sich damit keineswegs. Denn wir dürfen nicht vergessen: bei den in archäologischen
Museumssammlungen befindlichen archäologischen Denkmalen handelt es sich um solche, die kraft
gesetzlicher Vermutung automatisch bis zur expliziten Feststellung des Gegenteils durch das BDA
unter Denkmalschutz stehen. Damit ist auch das Verbot von Zerstörung und Veränderung von
Denkmalen des § 4 Abs. 1 DMSG vollinhaltlich auf die Sammlungsobjekte anzuwenden. Dieses Verbot
lautet:
309
Rechtswidrige Denkmalpflege in (öffentlichen) Museumssammlungen
„Bei Denkmalen, die unter Denkmalschutz stehen, ist die Zerstörung sowie jede Veränderung,
die den Bestand (Substanz), die überlieferte (gewachsene) Erscheinung oder künstlerische
Wirkung beeinflussen könnte, ohne Bewilligung gemäß § 5 Abs. 1 verboten“ (§ 4 Abs. 1 DMSG).
Eine Ausnahmebestimmung von dieser Regelung für archäologische Objekte in einer im öffentlichen
Eigentum stehenden Museumssammlung gibt es weder in § 4 noch in irgendeiner anderen
Bestimmung des DMSG. Sie gilt also uneingeschränkt auch für alle ipsa lege denkmalgeschützten
beweglichen Kleinfunde in archäologischen Sammlungen in öffentlichen Museen.
Das stellt nun aber sowohl Restauratoren als auch Kuratoren vor ein bedeutendes Problem. Denn es
bedeutet, dass der Museumskurator und/oder Restaurator, ehe er irgendeine Handlung vornimmt,
die einen in der Museumssammlung, für die er verantwortlich ist, enthaltenen archäologischen Fund
auch nur in irgendeiner Weise verändert, einer bescheidmäßigen Genehmigung dieser Handlung
durch das BDA gem. § 5 Abs. 1 DMSG bedarf. Dabei genügt es völlig, dass die von ihm vorgenommene
Veränderung nur das überlieferte („gewachsene“) Erscheinungsbild des betreffenden Denkmals
beeinflussen könnte; d.h. ein Eingriff in die Substanz des betreffenden Denkmals ist gar nicht
erforderlich.
Das bedeutet nun aber, dass, wenn der Kurator eine seiner Sammlung einverleibte, vollkommen
aussagenlose Wandscherbe eines schon tausendfach bekannten Gefäßes, z.B. ein Stück eisenzeitliche
Kammstrichkeramik, die es in sehr großer Zahl gibt, mit einem Lackstift oder Tusche beschriftet (und
das eventuell gar auf einer eigens dafür aufgetragenen Lackschicht), er dafür einer Bewilligung des
BDA gem. § 5 Abs. 1 bedarf. Schließlich verändert er damit das überlieferte Erscheinungsbild des
betreffenden Denkmals, er beeinflusst es also, nicht nur möglicherweise, sondern sicher.
Gleichermaßen bedarf der Restaurator einer solchen Bewilligung, wenn er die Scherben dieses
Kammstrichgefäßes zusammenklebt und eventuell gar – Gott behüte – Fehlstellen mit dazu geeigneter
Füllmasse ausfüllt: damit hat auch er sicherlich das gewachsene Erscheinungsbild der wieder zu einem
Topf zusammengefügten Denkmale maßgeblich verändert; denn ihr gewachsenes Erscheinungsbild
war der zerscherbte Zustand, in dem sie aufgefunden wurden, nicht der restaurierte Zustand, in dem
sie sich nach dieser Veränderung befinden.
Das Veränderungsverbot des § 4 Abs. 1 DMSG betrifft sicherlich auch die Entnahme von
Materialproben für naturwissenschaftliche Untersuchungen von Sammlungsstücken, d.h. der Kurator
sollte besser darauf Acht geben, dass er keinen der ihm anvertrauten Funde so behandelt, ohne nicht
vorher – und zwar für jeden Einzelfall – eine Bewilligung des BDA gem. § 5 Abs. 1 DMSG dafür erhalten
zu haben. Dass der Restaurator besser gar nicht erst auf die Idee verfällt, z.B. einen korrodierten
Metallfund zu restaurieren, um „im Sinne der Charta von Venedig »die ästhetischen und historischen
Werte (…) bewahren und erschließen«“ (BDA 2016b, 10) zu versuchen, ohne dafür jedenfalls zuvor
eine Bewilligung des BDA gem. § 5 Abs. 1 erteilt bekommen zu haben, versteht sich ganz von selbst:
schließlich verändert er damit nicht nur das historisch gewachsene Erscheinungsbild dieses Denkmals
maßgeblich, sondern greift sogar in seinen Bestand (seine Substanz) ein, zu dem ja auch die
Korrosionsschicht gehört. Dass es sich bei einer Restaurierung um eine über die bloße Erhaltung des
betreffenden Gegenstandes hinausgehende Maßnahme und somit zwingend um eine Veränderung
des betroffenen Denkmals handeln muss, geht auch unmittelbar aus den Standards für die
konservatorische Behandlung von archäologischen Funden des BDA (2016b, 10) hervor; das BDA hat
sich in dieser Beziehung also sogar schon in einer für genau diese Frage besonders relevanten
amtlichen Emanation festgelegt; auch wenn diese Standards nicht unbedingt verpflichtend
einzuhalten sind, solange sie nicht ihrerseits bescheidmäßig als Auflage vorgeschrieben werden.
310
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Nun ist aber jede Zuwiderhandlung gegen die Genehmigungspflicht von Veränderungen und
Zerstörungen geschützter Denkmale des § 4 Abs. 1 DMSG nicht nur eine Verwaltungsübertretung iSd
Strafbestimmung des § 37 Abs. 2 Z 1, die in jedem Einzelfall mit Geldstrafe von bis zu € 50.800 zu
ahnden wäre. Eine solche Zuwiderhandlung ist vielmehr auch in jedem Einzelfall als schwere
Sachbeschädigung iSd § 126 Abs. 1 Z 3 österreichisches Strafgesetzbuch (StGB) zu bestrafen, ein
Vergehen iSd § 17 Abs. 2 StGB, dass mit bis zu zwei Jahren Haftstrafe zu ahnden ist.
Tatsächlich können unter der derzeitigen Rechtslage die österreichischen archäologischen
Museumskuratoren und Restauratoren nur hoffen, dass – sofern sie nicht für jede einzelne der oben
genannten Handlungen, die sie in ihrer alltäglichen Arbeit über die letzten Jahre und Jahrzehnte
gesetzt haben, eine Genehmigung des BDA gem. § 5 Abs. 1 DMSG beantragt und zum Zeitpunkt, als
sie diese Handlungen gesetzt haben, auch schon vorliegen hatten, oder wenigstens iSd § 4 Abs. 2,
sofern es sich dabei um unbedingt notwendige Absicherungsmaßnahmen gehandelt hat, wenigstens
gleichzeitig dem BDA angezeigt haben – ihre wiederholten dementsprechenden Handlungen nicht
kumulativ als eine fortgesetzte, die denkmalgeschützte Sammlung in ihrer Gesamtheit betreffende
Handlung betrachtet werden können und damit an ihrer Sammlung kumulativ nicht mehr als €
300.000 Schaden angerichtet haben. Denn kann man ihre tagtägliche, ihnen von ihrem Dienstgeber
aufgetragene Arbeit, sofern sie unbewilligt durchgeführt wurde, als nicht bewilligte kumulative
Veränderung ihrer Sammlung betrachten, die mehr als € 300.000 Schaden angerichtet hat, würden
sogar die Strafbestimmungen des § 126 Abs. 2 StGB anzuwenden sein; d.h. die Kuratoren und
Restauratoren hätten iSd § 17 Abs. 1 StGB sogar potentiell ein Verbrechen begangen, das im Einzelfall
gem. § 126 Abs. 2 StGB mit sechs Monaten bis zu fünf Jahren Haftstrafe zu ahnden wäre.
Schlimmer noch, Museumskuratoren können nicht einmal jener ihrer Kernaufgaben nachkommen, die
für eine erfolgreiche Sammlungstätigkeit gänzlich unvermeidlich ist, nämlich der Auslese bzw.
Deselektion solcher Sammlungsobjekte, die im Sinne der Sammlungsstrategie des betreffenden
Museums nicht (mehr) als sammlungstauglich zu betrachten sind (Perrin et al. 2014, 25; Karl 2015;
2016c; ICOM 2017, 12-3), ohne dafür in jedem Einzelfall eine Bewilligung des BDA gem. §§ 5 Abs. 1
oder 6 Abs. 1 DMSG erteilt bekommen zu haben. Dies gilt unabhängig davon, ob die betreffenden
archäologischen Denkmale bereits in die Sammlung des betreffenden Museums eingegliedert worden
sind, oder ob eine solche erst in der Eingangsbegutachtung in Betracht gezogen wird: damit der
Kurator überhaupt entscheiden darf, ob ein (mögliches) Sammlungsobjekt für die (wenigstens auf
Dauer geplante) Aufnahme in seine Sammlung geeignet ist oder ob es ausgeschieden und der
Vernichtung überlassen bzw. veräußert werden soll, muss sich das betreffende archäologische
Denkmal ja bereits im Eigentum der Gebietskörperschaft (etc.) befinden, in deren Sammlung es –
wenn das der Sammlungsstrategie des betreffenden Museums entspricht – möglicherweise
aufgenommen werden soll. Damit steht es jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt automatisch gem. § 2
Abs. 1 DMSG unter Denkmalschutz und seine Zerstörung bzw. Veränderung ist daher bereits gem. § 5
Abs. 1 und seine Veräußerung gem. § 6 Abs. 1 DMSG bewilligungspflichtig. Das Gleiche gilt
selbstverständlich auch für Sammlungsobjekte, die schon Teil der Sammlung, aber so verfallen, sind,
dass ihre weitere Erhaltung als Sammlungsobjekt nicht mehr möglich erscheint.
In diesem Zusammenhang scheint es einigermaßen verwunderlich, dass die Abteilung für Archäologie
in ihren alljährlichen Tätigkeitsberichten in den FÖ (z.B. Hebert & Hofer 2009; 2014) nicht in seinen
Fallzahlstatistiken angibt, wie viele Genehmigungen gem. §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 DMSG es für solche
Fälle ausstellt. Denn – nachdem meines Wissens bisher noch kein einziger österreichischer
archäologischer Museumskurator oder Restaurator von der Polizei abgeholt und in
Untersuchungshaft gesteckt wurde, weil er der schweren Sachbeschädigung des § 126 StGB
verdächtig war – es müssen ja alljährlich tausende solche Fälle vom BDA entschieden und vor allem
311
Rechtswidrige Denkmalpflege in (öffentlichen) Museumssammlungen
fachlich von dessen Abteilung für Archäologie amtsbegutachtet werden, was in Anbetracht der
Tatsache, dass die Kuratoren und Restauratoren für jedes einzelne Denkmal, das sie derart verändern
oder zerstören wollen, iSd § 5 Abs. 1 die Gründe darlegen müssen, die für die Veränderung bzw.
Zerstörung des betreffenden Denkmals sprechen und das BDA amtswegig alle weiteren Gründe
erheben muss, die für und wider die beantragte Veränderung bzw. Zerstörung sprechen, ehe
überhaupt eine bescheidmäßige Entscheidung gem. § 5 Abs. 1 getroffen werden kann, eine erhebliche
Anzahl an Verfahren auslösen müsste, die jedenfalls ausreichenden zeitlichen wie personellen
Aufwand verursachen müssten, um in der Statistik Niederschlag zu finden. Und das
Veräußerungsbewilligungsverfahren nach § 6 DMSG scheint kaum weniger aufwändig zu sein.
Das muss also eine Heidenarbeit sein, die sowohl unendlich viel Arbeitszeit der Kuratoren und
Restauratoren verbraucht, die schließlich – selbst wenn dies in einem größeren Sammelantrag geschieht
– dafür zuerst einmal jedes betroffene Denkmal exakt beschreiben und dann für jedes einzelne davon
die Gründe darstellen müssen, die für seine Veränderung bzw. Zerstörung sprechen; als auch die
FachbeamtInnen im BDA ausgiebig beschäftigt, die schließlich dann jeden einzelnen dieser
Gegenstände und die bezüglich diesem vorgeschlagenen Veränderungs- bzw. Zerstörungsmaßnahmen
sachverständig begutachten müssen. Man wundert sich also hochgradig, dass sich nicht sowohl die
Kuratoren und Restauratoren als auch die Fachbeamten in der Abteilung für Archäologie
ununterbrochen massiv darüber beschweren, dass ihnen der Gesetzgeber diese völlig sinnlose
Bürokratie aufgetragen hat, die alle auf beiden Seiten des bürokratischen Prozesses von ihrer
eigentlichen, wirklich wichtigen Arbeit abhält, für die die öffentliche Hand noch dazu beide Seiten
bezahlt.
Weil daran, dass das Zerstörungs- bzw. Veränderungsverbot des § 4 Abs. 1 DMSG und die
Genehmigungspflicht für solche Zerstörungen bzw. Veränderungen des § 5 Abs. 1 und das
Veräußerungsverbot des § 6 Abs. 1 – die wichtigsten Schutzbestimmungen für geschützte Denkmale
überhaupt, die in diesem Gesetz enthalten sind – einfach in der Handhabungspraxis von beiden
betroffenen Seiten einfach ignoriert wird, daran kann es ja wohl nicht liegen, oder? Auch kann es
unmöglich sein, dass das BDA nicht weiß, dass Museumskuratoren und Restauratoren die genannten
Handlungen dauernd setzen, weil sicher auch die Fachbeamten der Abteilung für Archäologie, selbst
wenn sie selbst nie in einem Museum gearbeitet haben, ausreichende Ahnung davon haben, was in
archäologischen Museumssammlungen alltägliche Arbeit ist, oder? Schon allein, weil es völlig
offensichtlich ist, wenn man auch nur einmal in seinem Leben eine archäologische Ausstellung in einem
im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Museum besucht hat und von der Materie auch nur das
Mindeste versteht, dass diese Arbeiten im Hintergrund vor sich gehen müssen.
Natürlich wird das DMSG in Österreich derzeit vom BDA nicht so angewendet, weil das natürlich völlig
absurd wäre. Aber das macht die Sachlage um nichts besser, sondern nur noch schlechter. Egal ob
man im BDA jetzt nur nicht daran gedacht hat, dass die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 Z 1 iVm §§ 4 Abs.
1 und 5 Abs. 1 es eigentlich erforderlich machen, jede Veränderung oder Zerstörung eines
archäologischen Sammlungsstückes, das im öffentlichen Eigentum steht, durch einen separaten
Rechtsakt des BDA zu genehmigen; oder ob man einfach im BDA vorsätzlich darauf verzichtet, diese
absurde Folge des wiederholten Herumdokterns an den gesetzlichen Bestimmungen des DMSG auch
tatsächlich zur Anwendung zu bringen, wie man es eigentlich streng rechtlich gesehen müsste; beides
ist inakzeptabel. Denn Ersteres würde zeigen, dass das BDA bei der Wahrnehmung seiner
Amtspflichten hochgradig inkompetent ist, weil es nicht einmal versteht, dass die Schutzvorschriften
des DMSG auch tatsächlich auf alle geschützten Denkmale gleichermaßen anzuwenden sind; während
Zweiteres eine gravierende Missachtung der dieser Behörde übertragenen Verantwortung, das
Gesetz, wie es ist, zu vollziehen (auch wenn das vollkommen sinnlos ist), darstellen würde, was eine
gravierende Dienstpflichtverletzung wäre. Davon abgesehen würde es schon wieder den
312
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Gleichheitsgrundsatz der Bundesverfassung verletzen, weil das BDA eben gerade nicht gleiche
Sachverhalte auch rechtlich gleich behandeln würde, sondern einfach willkürlich Gleiches ungleich
behandeln würde, wie es ihm gerade gefällt. Damit sind wir schon wieder im Bereich der wenigstens
objektiven, wenn nicht sogar subjektiven, Willkür (Berka 1999, 546-7).
Gerade im österreichischen archäologischen Museumssektor dürfte es also rechtswidrige
Denkmalpflege zuhauf geben, weil einerseits die Kuratoren und Restauratoren in im öffentlichen
Eigentum stehenden Museumssammlungen das Veränderungs- bzw. Zerstörungsverbot des § 4 Abs. 1
DMSG für gem. § 2 Abs. 1 automatisch geschützte Denkmale und die Genehmigungspflicht gem. § 5
Abs. 1 für alle solche Denkmale verändern oder zerstören könnenden Handlungen missachten und
andererseits das BDA diese systematischen und alltäglich wiederholten Verstöße gegen Bestimmungen
des DMSG und StGB überhaupt nicht ahndet und somit seine Dienstpflichten verletzt. All das, weil
sich niemand ernsthaft überlegt zu haben scheint, wie die mehrfach veränderten Bestimmungen des
DMSG nach den jeweiligen Veränderungen noch zusammenpassen und was aus den veränderten
Bestimmungen im Zusammenspiel mit anderen im Gesetz enthaltenen Bestimmungen rechtlich folgt.
Wirklich: bravo, eine herausragende Leistung!
Wege zur Lösung der rechtswidrigen musealen Denkmalpflege
Natürlich war in Österreich das DMSG vom Gesetzgeber nie dafür gedacht worden, dass
Museumskuratoren und Restauratoren, die für und in im öffentlichen Eigentum stehenden
archäologischen Museumssammlungen arbeiten, ihre alltägliche Arbeit nur dann machen können,
wenn sie vor zahllosen der alltäglichen Handlungen, die sie setzen müssen, um die ihnen anvertrauten
Sammlungsobjekte auch tatsächlich erhalten, archivalisch und auch museal nutzbar machen zu
können, einen Haufen Bürokratie erledigen, die keinerlei wirklichen Zweck und Nutzen hat und auch
administrativ gar nicht sinnvoll bewältigt werden kann. Und tatsächlich kann man sich um die
gesetzlichen Bestimmungen, die es nun – nach langem Herumdoktern an einzelnen Bestimmungen –
tatsächlich gibt, irgendwie dadurch herumschummeln, dass man so tut, als ob die Beschriftung eines
archäologischen Fundes mit einer Fundnummer, die Entnahme einer Probe seiner Substanz oder auch
die Restaurierung von Fundgegenständen für ihre museale Nutzung keine „maßgebliche“
Veränderung seiner Substanz oder seines Erscheinungsbildes darstellt, sondern so insignifikant ist,
dass das Veränderungsverbot des § 4 Abs. 1 DMSG nicht verletzt und somit die Bewilligungspflicht des
§ 5 Abs. 1 gar nicht auf solche unmaßgeblichen Veränderungen anwendbar wird.
Irgendwie kann man sich schließlich in der administrativen Praxis das Gesetz so richten, dass es doch
passt, z.B. indem man in einem solchen Fall einfach so tut, als ob die Restaurierung eines korrodierten
Metallfundes „bestimmte Denkmalwerte, die – aus welchen Gründen auch immer – verborgen oder
beeinträchtigt sind“ (BDA 2016b, 10) wieder anschaulich macht; d.h. so tut, als ob nur die
denkmalwertverringernde, aber nicht die denkmalwertvergrößernde oder besser veranschaulichende
Veränderung durch die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 verboten wäre, auch wenn das tatsächlich dem
Wortlaut des Gesetzes so nicht zu entnehmen ist. Man muss schließlich nur in diesem Fall eine
teleologische Auslegung wählen: es ist ja letztendlich das Ziel des DMSG, besonders bedeutende
Denkmale als Allgemeinwohlgut zu erhalten; was voraussetzt, dass man das Denkmal auch so
aufbereitet, dass es die Allgemeinheit auch tatsächlich nutzen kann; und auch die Vergrößerung oder
wenigstens Veranschaulichung des Denkmalwerts des Denkmals jedenfalls mehr dem Allgemeinwohl
dient als seine bloße Erhaltung in dem Zustand, in dem es sich zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung
befunden hat.
Dennoch, ideal ist das nicht, vor allem, wenn man in anderen Kontexten das Gesetz gerade nicht
teleologisch auslegen will, sondern stattdessen eine andere Art der Auslegung wählen möchte, die der
313
Rechtswidrige Denkmalpflege in (öffentlichen) Museumssammlungen
zuständigen Behörde in diesem anderen Kontext besser in den Kram passt, wie schon in den weiter
oben dargestellten Fällen. Eine auch rechtlich sauberere Lösung, die eine einheitliche Lesart aller
Bestimmungen erlaubt, wäre daher auch dafür wünschenswert.
Spezifische Ausnahmeregelungen
Die einfachste Lösung für dieses Problem wäre es, eine spezifische Ausnahmeregelung in das DMSG
zu schreiben, mit der es aus der Welt geschafft werden kann. Genau das macht z.B. das DSchG-BW
mit seiner expliziten Ausnahmebestimmung für staatliche (und gegebenenfalls auch andere)
Sammlungen:
„Von den Genehmigungspflichten nach diesem Gesetz [RK: hauptsächlich wie in § 8 DSchG-BW
definiert] sind Kulturdenkmale ausgenommen, die von einer staatlichen Sammlung verwaltet
werden. Die oberste Denkmalschutzbehörde kann andere Sammlungen von den
Genehmigungspflichten ausnehmen, soweit sie fachlich betreut werden“ (§ 9 DSchG-BW).
Inwieweit das in Baden-Württemberg zu einer praktikablen Regelung führt – schließlich können ja
dank der Legaldefinition des Kulturdenkmalbegriffs auch alle Sachen, Sachgesamtheiten und Teile von
Sachen Kulturdenkmale sein, „an deren Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder
heimatgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht“ (§ 2 Abs. 1 DSchG-BW): und
„wissenschaftliche Gründe […] auch dann anzunehmen sein, wenn die Sache als Gegenstand
wissenschaftlicher Forschung in Betracht kommt“ (Strobl & Sieche 2010, 68) und daher eigentlich das
BWLfD auch von Genehmigungsanträgen nicht-staatlicher Sammlungen iSd § 8 Abs. 1 Z 1 und 2 DSchGBW überschwemmt werden müsste – sei hier weitgehend dahingestellt. Der für die österreichische
Regelung relevante Punkt ist, dass man durch eine ähnliche Ausnahmeregelung, z.B. direkt in §§ 4
oder 5 DMSG, auch archäologische Denkmale in Sammlungen, die im Eigentum der öffentlichen Hand
stehen, aus der Genehmigungspflicht für Veränderungen und Zerstörungen von Denkmalen, die im
normalen Sammlungsbetrieb üblichen Umfang bleiben, ausnehmen könnte.
Tatsächlich wird auch irgend so eine Ausnahmeregelung notwendig sein, wenn man das DMSG nicht
komplett überdenken und überarbeiten will. Denn letztendlich führt die Unterschutzstellung kraft
gesetzlicher Vermutung des § 2 DMSG notwendigerweise zu diesem Problem, wenigstens solange
man nicht durch unterschiedliche Legaldefinitionen in den Anwendungsbereichsbestimmungen des
DMSG zwischen archäologischen und „sonstigen“ Denkmalen unterscheidet und nur die „sonstigen“
Denkmale dem Zerstörungs- bzw. Veränderungsverbot des § 4 samt den daraus folgenden
Genehmigungspflichten des § 5 DMSG unterwirft (dazu noch gleich). Der Vorteil einer solchen
einfachen Ausnahmeregelung ist, dass dadurch tatsächlich das konkrete Problem effektiv behoben
wird, ohne dass das Gesetz dadurch zusätzlich übermäßig verkompliziert wird. Der Nachteil ist, dass
man damit nur genau das eine Problem aus der Welt schafft, um das es hier ganz konkret geht;
während der Rest der archäologischen Schutzbestimmungen des DMSG potentiell weiterhin die
Baustelle bleibt, die es schon derzeit ist.
Änderungen in den Legaldefinitionen und Anwendbarkeitsbestimmungen
Eine zweite Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, ist die im DMSG verwendeten Legaldefinitionen
tatsächlich zu verändern bzw. eine neue Legaldefinition für den Begriff „archäologische Denkmale“
(oder wenn man will auch „Bodendenkmale“) in § 1 einzufügen und gleichzeitig auch die
Anwendbarkeitsbestimmungen verschiedener Paragrafen des DMSG auf unterschiedliche Arten von
Denkmalen so anzupassen, dass bewegliche archäologische Denkmale von Haus aus nicht den
Schutzvorschriften von §§ 4 und 5 DMSG unterliegen; bzw. im schon oben angedeuteten Sinn
überhaupt von der Möglichkeit der Unterschutzstellung gänzlich ausgenommen werden. Dies hat
gegenüber einer einfachen Ausnahmebestimmung gewisse Vorteile, aber wenigstens auch den
314
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Nachteil, dass die gesetzlichen Regelungen des DMSG damit noch komplizierter würden, als sie es
derzeit schon sind. Es besteht also die Gefahr, dass durch solches, weiteres Herumdoktern an den
Bestimmungen des Gesetzes und die Einfügung weiterer, das Gesetz noch zusätzlich
verkomplizierender, Bestimmungen letztendlich neue oder nur noch mehr innergesetzliche
Selbstwidersprüche generiert werden, die es im Endeffekt – wenn auch vielleicht auf andere Weise –
nur noch absurder machen.
Um auf diesem Weg zum gewünschten Ziel zu gelangen, bedürfte es dafür jedenfalls einer eindeutigen
(und auch tatsächlich allgemeinverständlichen) Legaldefinition des Begriffs „archäologische
Denkmale“ bzw. „Bodendenkmale“, anhand derer eindeutig all jene Sachen erkennbar und von all
jenen anderen Sachen, die „Denkmale“ iSd Legaldefinition des § 1 Abs. 1 DMSG sind, unterscheidbar
werden (wie eine solche Legaldefinition ausschauen könnte, dazu komme ich gleich noch weiter
unten). Es genügt dafür nicht, archäologische Denkmale einfach als Unterbegriff des generellen
Denkmalbegriffs des DMSG zu fassen; wie das z.B. das HDSchG mit seiner entsprechenden
Begriffsdefinition in § 2 Abs. 2 macht; und auch der schlaue Jurist, der die „Bodendenkmale“ durch
die Hintertür-Begriffsdefinition in § 8 Abs. 1 ins DMSG hinein zu schummeln versucht hat, das mit dem
österreichischen Äquivalent dieses Begriffs zu tun versucht hat; denn sind „Bodendenkmale“ ein
Unterbegriff des allgemeinen Denkmalbegriffs, bleiben sie natürlich automatisch auch in diesem
allgemeinen Begriff stets subsumiert. Vielmehr ist es erforderlich, eine vom allgemeinen
Denkmalsbegriff des Gesetzes soweit unabhängige Legaldefinition des archäologischen
Denkmalbegriffs zu schaffen, dass auch eindeutig klar ist, dass es, selbst wenn die Sachen, die unter
den archäologischen Denkmalsbegriff fallen, auch allesamt unter dem allgemeinen Denkmalsbegriff
subsumiert werden könnten, sie eben gerade nicht eine Teilmenge des allgemeinen Denkmalbegriffs,
sondern eine davon unabhängige Menge ausreichend von anderen Denkmalen unterscheidbarer
Sachen sind, die daher auch gesetzlich anders als allgemeine Denkmale behandelt werden können.
Hat man eine solche vom allgemeinen Denkmalbegriff unabhängige Definition des archäologischen
Denkmalbegriffs geschaffen, kann man dann mit Letzterem jene gesetzlichen Schutzbestimmungen
verbinden, die ohnehin von Anfang an mit archäologischen Denkmalen verbunden und für diese
geschaffen worden sind: nämlich eben den Bestimmungen der §§ 8-11 DMSG igF. Dadurch, dass eine
klare Unterscheidbarkeit zwischen Denkmalen iSd Legaldefinition des § 1 Abs. 1 igF, auf die die
Bestimmungen dieses Gesetzes Anwendung finden, wenn ihre Erhaltung ihrer Bedeutung iSd § 1 Abs.
2 igF wegen im gem. § 1 Abs. 4 igF rechtswirksam gewordenen öffentlichen Interesse gelegen sind,
und archäologischen Denkmalen im Sinne der neu geschaffenen Legaldefinition dieses Begriffes
besteht, kann nun im Kontext dieser Legaldefinition auch die Anwendbarkeit der Bestimmungen der
§§ 8-11 DMSG igF auf diese archäologischen Denkmale bestimmt werden. Es wäre dann daher der
neuen
Legaldefinition
des
archäologischen
Denkmalbegriffs
die
folgende
Anwendungsbereichsdefinition hinzuzufügen: „Auf archäologische Denkmale finden die
Bestimmungen der §§ 8-11 dieses Gesetzes Anwendung …“.
Tatsächlich lässt sich in diesem Bereich auf diesem Weg auch sauber rechtlich regeln, dass –
vorausgesetzt die Legaldefinition des neuen archäologischen Denkmalbegriffs ist
allgemeinverständlich genug, dass ihre normalerweise korrekte Anwendung ipsa lege auch ohne
Verletzung des Rechtsstaatlichkeitsprinzips tatsächlich auch für den Durchschnittsbürger möglich ist
– der archäologische Denkmalschutz auch tatsächlich auf Basis des deklaratorischen Prinzips (DGUF
2013) funktionieren soll. Dies kann ebenfalls gleich in der Anwendungsbereichsdefinition verankert
werden, indem diese um den folgenden Nebensatz ergänzt wird: „…, auch wenn ihre Erhaltung iSd §
1 Abs. 1 nicht in gem. § 1 Abs. 4 rechtswirksam gewordenen öffentlichen Interesse gelegen ist“.
315
Rechtswidrige Denkmalpflege in (öffentlichen) Museumssammlungen
Letzteres eröffnet dann auch tatsächlich unmittelbar die Möglichkeit, die Erhaltung archäologischer
Denkmale durch sachgerechte Dokumentation bereits zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung im DMSG zu
verankern; während man gleichzeitig die in Sammlungen, die im öffentlichen Eigentum stehen,
befindlichen archäologischen Denkmale automatisch aus den Unterschutzstellungsbestimmungen
und ihren Rechtsfolgen gem. §§ 4-7 ausgenommen hat. Das bietet – insbesondere aus dem Blickwinkel
der archäologischen Wissenschaft, die ja in erster Linie an den in den archäologischen Denkmalen
gespeicherten kontextuellen Informationen und nur in beschränkterem Maß sekundär an den Sachen
selbst und ihrer physischen Erhaltung interessiert ist – zahlreiche bedeutende Vorteile, die man nicht
einfach vernachlässigen kann und die diese Form der Lösung des hier konkret besprochenen Problems
wünschenswerter als seine Lösung durch eine simple Ausnahmeregelung erscheinen lassen. Das
Gesetz wird dadurch also komplizierter, aber es erfüllt deutlich besser das, was die Archäologie als
Wissenschaft tatsächlich von ihm will.
Es gestattet dann nämlich – vorausgesetzt die Bestimmungen der „archäologischen“
Schutzbestimmungen des Gesetzes verhindern das nicht erst recht – weitgehend uneingeschränkt die
wissenschaftliche Erforschung und museale Nutzung (samt ihrer gegebenenfalls dafür notwendigen,
vorherigen Restaurierung) archäologischer Denkmale, stellt aber gleichzeitig sicher, dass tatsächlich
alle archäologischen Informationen, die (sei es nun zufällig oder vorsätzlich) entdeckt werden, so
sachgerecht als möglich dokumentiert werden müssen, damit sie nicht verloren gehen. Und, was
wenigstens ebenso wichtig ist, Museumskuratoren können dann endlich wieder jene ihrer
Kernaufgaben ohne gewaltigen bürokratischen Aufwand durchführen, die ihnen das Europae
Archaeologie Consilium, d.h. der Verband der europäischen staatlichen archäologischen
Denkmalpfleger, in seinen Richtlinien für die archäologische Archivierung zu erfüllen aufgetragen hat
(Perrin et al. 2014, 25); nämlich eingehende potentielle Sammlungsstücke entsprechend einer vorab
geplanten Auslesestrategie – sofern diese im Feld nicht ausreichend umgesetzt wurde oder überhaupt
erst beim Eingang ins „archäologische Archiv“ umgesetzt werden soll – so auszuscheiden, wie es
sinnvoll und geboten erscheint und damit ihre Sammlung auch in kuratorisch und konservatorisch
bewältigbaren Dimensionen zu halten.
Ein eigenes Archäologieschutzgesetz?
Die vermutlich beste Lösung, nicht nur für das in diesem Kapitel konkret besprochene, sondern alle in
diesem Buch dargestellten, Probleme des archäologischen Denkmal- bzw. Quellenschutzes wäre aber
vermutlich die Entwicklung eines komplett neuen, am Reißbrett entworfenen, von Anfang an
durchdachten und an die Erfordernisse der Gegenwart angepassten Archäologieschutzgesetzes; d.h.
eines Gesetzes, durch das ganz konkret solche Sachen geschützt werden sollen, die sich von allen
anderen Denkmalen primär dadurch unterscheiden, dass sie noch nicht bekannt sind, weil sie so lange
im Verborgenen gelegen sind, dass sie vollständig oder weitgehend in Vergessenheit geraten sind und
aus der modernen Nutzung durch den Menschen ausgeschieden wurden.
Dazu müsste man natürlich aus dem DMSG alle spezifisch archäologischen Schutzbestimmungen, die
derzeit in ihm enthalten sind, herausnehmen und auch die Anwendungsbereichs- und
Begriffsbestimmungen des DMSG soweit anpassen, dass klar ist, dass sich das DMSG nur auf solche
Denkmale bezieht, die nicht archäologischer Natur sind. Man müsste also z.B. die Bestimmungen des
§ 1 Abs. 1 DMSG dahingehend abändern, dass sie eindeutig feststellen, dass die Bestimmungen dieses
Gesetzes nicht auf Gegenstände anzuwenden sind, die im Sinne der einschlägigen Begriffsdefinitionen
des neuen Archäologieschutzgesetzes als archäologische Gegenstände bzw. Denkmale zu betrachten
sind. Das könnte durch Beifügung des folgenden Nachsatzes zum einleitenden Satz des § 1 Abs. 1
DMSG geschehen: „…, sofern es sich dabei nicht um solche Gegenstände handelt, die iSd der
316
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Begriffsbestimmungen des Archäologieschutzgesetzes als archäologische Denkmale zu betrachten
sind“.
Durch Beifügung dieses Nachsatzes zum ersten Satz des § 1 Abs. 1 DMSG, Streichung der spezifisch
archäologischen Schutzbestimmungen der §§ 8-11 und 30 Abs. 1 und Streichung der einschlägigen
archäologischen Strafbestimmungen des § 37 Abs. 2 Z 2, 3 Z 1-7 und 10 würde somit aus dem DMSG
ein Gesetz, dass sich ausschließlich mit der im öffentlichen Interesse physisch (so weit als möglich)
unverändert zu erhaltenden, nach konstitutivem Prinzip geschützten Bau-, Kunst- und sonstigen
Denkmalen und Archivalien befasst, die normalerweise noch in menschlichem Gebrauch stehen und
daher auch wenigstens jenen Menschen, die sie gebrauchen, bereits bekannt sind. Dem stünde
komplementär mit dem neuen Archäologieschutzgesetz ein zweites Gesetz zur Seite, dass sich in dafür
geeigneter Weise mit der im öffentlichen Interesse gelegenen Erhaltung, in erster Linie durch
Dokumentation und nur in besonders begründeten Einzelfällen auch tatsächlich physisch in situ „für
die Erforschung durch künftige Generationen“ (Europarat 1992) zu erhaltenden, lange aus dem
alltäglichen menschlichen Gebrauch und damit in Vergessenheit geratenen, archäologischen Quellen
bzw. Denkmalen beschäftigt.
Ein solches neues, eigenständiges Archäologieschutzgesetz könnte dann auch gleich von Anfang an
nach dem deklaratorischen Prinzip (DGUF 2013) aufgebaut und im Sinne der Valletta-Konvention mit
Baugenehmigungs- und Raumplanungsverfahren, Landschaftsschutz, UVP und der diese regelnden
Gesetzgebung verknüpft werden, um die archäologische Denkmalpflege auch wirklich dort
anzubinden, wo sie am ehesten maßgebliche Gefährdungen für derzeit (Großteils) noch unbekannte,
aber dennoch natürlich tatsächlich (noch) vorhandene, archäologische Denkmale abwehren kann. Für
den Schutz der archäologischen Quellen wäre das vermutlich mit Abstand das Beste, was passieren
könnte, denn es würde einen tatsächlich umfassenden, gefahrenzentrierten, nachhaltigen und
wirklich zukunftsorientierten Quellenschutz ermöglichen. Man könnte dieses Gesetz auch so einfach
als möglich halten, nicht nur in Bezug auf die ihm zugrundeliegende Legaldefinition des
archäologischen Denkmalbegriffs, sondern ganz allgemein: viel mehr als die Anzahl der
Bestimmungen, die schon jetzt im DMSG dem Schutz archäologischer Quellen dienen sollen, vielleicht
zuzüglich ein paar Durchführungs- und einer Strafbestimmung wären dafür vermutlich nicht
notwendig; auch wenn die eigentlichen Schutzbestimmungen wohl etwas anders zu fassen wären, als
sie derzeit sind (etwa in dem Sinn, wie sie noch weiter unten für die hier vorgeschlagene Änderung
des DMSG dargestellt werden).
Inwieweit die Schaffung einer komplett neuen, eigenständigen Gesetzgebung für den
Archäologieschutz aber tatsächlich in Österreich möglich ist, muss wenigstens als fraglich betrachtet
werden. Die Regierungsvorlage zur DMSG-Novelle von 1990 erwähnt ja, dass bei der DMSG-Novelle
von 1978 das Gebiet der „Bodendenkmale“ nicht weiter berücksichtigt und verändert worden war,
weil damals ein eigenes Gesetz über (archäologische) Fundhoffnungsgebiete geplant wurde (RV 1990,
10). Ein solches Gesetz hätte – wenngleich es vielleicht sehr anders ausgefallen wäre, als es mir heute
vorschweben würde – wenigstens im Prinzip dem entsprochen, was ich hier für ein neues
Archäologieschutzgesetz vorschlage, bei dem es ja ebenfalls letztendlich in gewissem Sinn um den
Schutz von Fundhoffnungsgebieten gehen würde; oder wenigstens um den Schutz von solchen
(archäologischen) Sachen, die (noch) nicht gefunden wurden, die aber dennoch für die archäologische
Wissenschaft als Quellen derart bedeutend sind, dass ihre Erhaltung – wenn auch primär durch
Dokumentation – deswegen im öffentlichen Interesse gelegen zu sein scheint. Dieses damals geplante
Gesetz ist aber letztendlich gescheitert, weil im Begutachtungsverfahrens des diesbezüglichen
Gesetzentwurfes „überwiegend – auch von den Ländern – die Meinung vertreten [wurde], es wäre
besser, diese Bestimmungen unmittelbar in das Denkmalschutzgesetz einzubauen“ (RV 1990, 10).
317
Rechtswidrige Denkmalpflege in (öffentlichen) Museumssammlungen
Ob man heute mehr Erfolg damit hätte, den Gesetzgeber davon zu überzeugen, dass Österreich zwei
separate statt nur ein Denkmalschutzgesetz braucht, wage ich nicht zu beurteilen; besonders
optimistisch bin ich diesbezüglich aber jedenfalls nicht. Im Rest dieses Buches wird daher diese
Möglichkeit auch nicht mehr in Betracht gezogen, auch wenn das, was in der Folge noch bezüglich
einer möglichen Änderung der archäologischen Schutzbestimmungen des DMSG vorgeschlagen wird,
eventuell eine Grundlage für ein solches, separates Archäologieschutzgesetz darstellen könnte.
Nachdem aber ein solches neues Gesetz eigentlich vom blanken Reißbrett begonnen werden sollte,
wäre es vermutlich dafür weit sinnvoller, gleich in einer größeren Gruppe von Denkmalpflegern,
Denkmalschutzjuristen, archäologischen Wissenschaftern außerhalb des Denkmalamtes (von
Universitäten, anderen Forschungseinrichtungen, Museen und aus dem kommerziellen
archäologischen Dienstleistungssektor) und Vertretern der interessierten Zivilgesellschaft ganz
grundlegend die Erfordernisse an dieses Gesetz zu durchdenken und es dann auch gemeinsam zu
planen, um von Anfang an nicht nur eine Sichtweise wie die meine, sondern mehrere verschiedene
Sichtweisen entsprechend berücksichtigen zu können. Vor allem würde aber hoffentlich ein
gemeinsam von einer solchen, breiter angelegten Experten- und Interessentengruppe entwickeltes
Gesetz von Anfang an nicht den Fehler machen, z.B. auf archäologische Sammlungsstücke in
öffentlichen Museumssammlungen einfach zu vergessen, und auch auf die vielen anderen Aspekte
der archäologischen Denkmalpflege, deren Verständnis notwendig ist, um ein neues Gesetz
hinreichend gut gestalten zu können, dass es vielleicht ein paar Jahrzehnte in der sich weiter
verändern werdenden Welt, in der wir leben, wenigstens einigermaßen erfolgreich überdauern kann.
Denn, wie bereits an der einen oder anderen Stelle angedeutet, war das DMSG in seiner Erstfassung
von 1923 ein durchaus zeitgemäßes und einigermaßen gut durchdachtes Gesetz, das auch unter den
inneren Erfordernissen der Archäologie und in den äußeren Umständen, die zur Zeit seiner Schaffung
für die Archäologie bestanden haben, halbwegs gut funktioniert haben dürfte (die schon damals
schändliche personelle und ressourcenmäßige Unterausstattung des BDA durch die damalige
Regierung einmal außer Acht lassend). Erst durch die mit dem Ablauf bedeutenderer Zeitspannen
unweigerlich eintretenden Veränderungen, denen letztendlich auch alle Denkmale wenigstens in ihrer
derzeitigen physischen Form zum Opfer fallen, ist es zunehmend überholt und erst durch vielleicht
schlau erscheinende, aber fachlich völlig undurchdachte, Verbesserungsversuche praktisch
unanwendbar und völlig unzureichend geworden. Das gleiche Schicksal wird daher, wie sich bei
zukunftsgerichteter Betrachtung prognostizieren lässt, früher oder später auch jedes – unter den
derzeitigen Voraussetzungen noch so gut durchdachte – neue Archäologieschutzgesetz ereilen;
weswegen eine einigermaßen regelmäßige Überprüfung des Gesetzes darauf, ob es auch aus
fachlicher Sicht überhaupt noch zeitgemäß ist, ebenfalls dringend angebracht wäre; ob es nun ein
DMSG oder zwei nebeneinander bestehende, komplementäre Gesetze sein werden.
318
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
… et respice finem
Letztendlich geht es bei der Gesetzgebung immer darum, das Verhalten der Normunterworfenen in
eine bestimmte, erwünschte Richtung zu steuern: Gesetze sagen Bürgern, was sie tun und was sie
lassen sollen, damit sie sich so verhalten, wie das der Gesetzgeber will. Der Gesetzgeber will durch
diese Verhaltenssteuerung in der Regel ein bestimmtes Ziel erreichen; konkreter gesprochen, bei
Denkmalschutzgesetzen soll das Ziel erreicht werden, dass solche Sachen, die er als Denkmale
definiert hat, die er als Allgemeinwohlgut betrachtet, möglichst den ihnen zugeschriebenen
Allgemeinwohlnutzen entfalten können. Einzelne Bestimmungen in einem Gesetz, wie z.B. in einem
Denkmalschutzgesetz, dienen letztendlich dazu, dem gesetzlichen Ziel wenigstens näher zu kommen,
wenn es nicht sogar – im Idealfall – tatsächlich zu erreichen.
Entwickelt man gesetzliche Bestimmungen, ist es daher essentiell, das Ziel des Gesetzes, für die man
sie entwickelt, im Auge zu behalten und die Bestimmungen, die man entwickelt, so zu gestalten, dass
sie bei realistischer Betrachtung der Wirklichkeit tatsächlich (voraussichtlich) in der Anwendung dazu
führen werden, dass das gesetzliche Ziel erreicht wird oder man sich wenigstens – im Vergleich mit
anderen gesetzlichen Regelungsmöglichkeiten – diesem Ziel stärker annähern kann als auf anderem
Weg. Es gilt also stets das Resultat abzuschätzen, das mutmaßlich eintreten wird, wenn man eine
gesetzliche Bestimmung auf eine bestimmte statt auf eine andere Weise gestaltet. Es gilt also gerade
auch in der Gesetzgebung stets, das Ende zu bedenken: quidquid agis, prudenter agas, et respice
finem.
Leider hat man gerade genau das in der österreichischen Denkmalschutzgesetzgebung, wenigstens in
den letzten Jahrzehnten, fast völlig vergessen. Statt die größte Aufmerksamkeit darauf zu legen, was
die mutmaßlichen Ergebnisse bestimmter gesetzlicher Regelung für den aus den archäologischen
Denkmalen gewonnenen Allgemeinwohlnutzen sind und sein sollen, hat man die Aufmerksamkeit
primär auf die Befriedigung der Wünsche und Hoffnungen (professioneller) Archäologen gelegt, die
gerade nicht am Allgemeinwohl, sondern primär an der Befriedigung ihrer eigenen
Partikularinteressen interessiert waren: die „archäologische Fachwelt“, oder vielleicht auch nur
konkreter die „archäologischen Denkmalpfleger“, wollten „die Archäologie“ möglichst vollständig
unter ihre (oft sogar nicht nur fachliche, sondern persönliche) Kontrolle bringen; wollten sich selbst
de facto (wenn auch nur bedingt de jure) zu den rechtlichen Eigentümern aller archäologischen Sachen
machen, um deren zukünftiges Schicksal willkürlich entscheiden und alle anderen von dieser
Entscheidungsbefugnis ausschließen zu können. Statt Georg Dehios Empfehlung von 1905 zu folgen,
„das Volk“ erst einmal so zu unterrichten, dass man ihm, „wo Gegenwart und Vergangenheit in
Konflikt kommen, die Wahl und Verantwortung“ (Dehio 1905, 273-274) überlassen kann, hat man
systematisch versucht, die Wahl vollständig an sich zu ziehen, während man die Verantwortung
möglichst an andere abzuschieben versucht hat.
Wem gehören denn eigentlich bewegliche Kleinfunde?
Ob das letztendlich zum Nutzen oder zum Schaden der Allgemeinheit, oder auch nur zum Nutzen oder
zum Schaden der Archäologie war, war dabei scheinbar für die Verantwortlichen weitgehend
irrelevant: sie haben das Ende eben nicht bedacht; oder wenigstens nur das Ende, das sie erreichen
wollten, nicht das, das sie erreichen sollten, und schon gar nicht das, das ihre Gesetzesänderungen
vorhersehbarerweise herbeiführen würden. Das lässt sich insbesondere am Beispiel der Regelung des
Eigentumsrechtes an beweglichen Kleinfunden zeigen; und daran, wie (und wohl auch warum) die
Regelung dieser Frage über die Zeit hinweg verändert wurde, und welche Effekte das im
Zusammenspiel mit anderen denkmalrechtlichen Regelungen hatte und hat.
319
… et respice finem
Wie bereits mehrfach erwähnt, mangelt es Österreich an einer systematischen archäologischen
Landesaufnahme. Zwar ist diese – theoretisch – auch eine Aufgabe, die das BDA erfüllen sollte, aber
in Anbetracht der personellen Ausstattung dieser Behörde mit archäologischen Fachkräften – fast
jeder der österreichischen archäologischen staatlichen Denkmalpfleger sollte neben allen anderen
seiner dienstlichen Aufgaben in den letzten ca. 25 Jahren die archäologische Landesaufnahme für
durchschnittlich ca. 7.000-9.500 km2 des österreichischen Bundesgebietes erledigen (je nachdem, mit
welchem Personalstand man jetzt genau rechnet, dieser variiert natürlich über die Zeit) – ist das
bestenfalls als Feigenblattaktion der Republik Österreich zu werten; bzw. als Aufgabe, welche die
staatlichen archäologischen Denkmalpfleger zwar am Papier erfüllen sollen, aber in der Praxis niemals
auch nur annähernd ausreichend erfüllen können. Tatsächlich ist die Republik auch nie davon
ausgegangen, dass die archäologischen Denkmalpfleger diese Aufgabe tatsächlich erfüllen sollen,
sondern hat schon lange vor der Gründung des Bundesdenkmalamtes darauf vertraut, dass diese
Aufgabe durch „das Volk“ bzw. ehrenamtlich tätige Bürger (Frodl 1988) in Form von Fundmeldungen
erledigt wird; die die Fachbeamten in der Behörde nur aufzunehmen, nötigenfalls wissenschaftlich
auszuwerten (und das nicht ernsthaft, weil auch dafür war die Personaldecke von archäologischen
Fachkräften des BDA stets viel zu dünn; d.h. auch da sollte eigentlich auf ehrenamtliches Engagement
zurückgegriffen werden) und dann zu verwalten bzw. in ihrem denkmalrechtlichen
Verwaltungshandeln entsprechend zu berücksichtigen haben.
Dabei ist man, insbesondere im 19. und frühen 20. Jahrhundert, d.h. auch noch zur Zeit der Erstfassung
des DMSG, wie schon oben gezeigt (Seiten 85-87), in erster Linie davon ausgegangen, dass
archäologische Denkmale primär bewegliche Kleinfunde von musealem Ausstellungswert sind, nicht
unbewegliche Bodenformationen, welche die meisten Bürger ohnehin nicht als archäologisch
relevante Strukturen erkennen konnten und die auch die Wissenschaft zu dieser Zeit noch bei weitem
als nicht so bedeutend erachtete, wie sie das heute tut. Daher erschien es in dieser Zeit, auch noch als
das DMSG erstmals erlassen wurde, für die archäologische Landesaufnahme besonders relevant, dass
die beweglichen Kleinfunde den dafür zuständigen staatlichen Behörden gemeldet werden würden.
Das zeigt sich schon in aller Deutlichkeit an den – aus heutiger Sicht selbstwidersprüchlichen –
Bestimmungen des § 10 DMSG idF BGBl. 533/1923, die heute immer noch in den – aus heutiger Sicht
ebenfalls selbstwidersprüchlichen – Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und 3 DMSG igF sinngemäß
unverändert nachleben. § 10 Abs. 1 idF BGBl. 533/1923 (vgl. § 9 Abs. 1 igF) besagte ja, dass der Zustand
der Fundstelle eines archäologischen Denkmals für vier (heute 5) Tage unverändert zu belassen sei;
während § 10 Abs. 2 idF BGBl. 533/1923 (vgl. § 9 Abs. 3 igF) die aufgefundenen Gegenstände für bis
zu vier (heute 6) Wochen automatisch kraft gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz stellte.
Das ist überhaupt kein Problem, so lange man unter den „Fundgegenständen“, um die es in diesen
Bestimmungen geht, ausschließlich bewegliche Kleinfunde versteht: diese kann man ja schließlich
(siehe dazu inzwischen auch § 9 Abs. 2 igF) einigermaßen problemlos von ihrem Fundort entfernen,
ohne dass man sie dadurch verändert, auch wenn sie (noch) mehrere Wochen bis zu einer allfälligen
endgültigen Entscheidung des BDA unter Denkmalschutz stehen. Geht man jedoch davon aus, dass
auch unbewegliche Bodenformationen – wie es archäologische Befunde nun einmal regelhaft sind –
Fundgegenstände im Sinne dieser Bestimmungen sein können, widersprechen sich die Bestimmungen
von § 10 Abs. 1 und 2 idF BGBl. 533/1923 (bzw. § 9 Abs. 1 und 3 igF): schließlich besagt § 10 Abs. 1 idF
BGBl. 533/1923 (bzw. § 9 Abs. 1 igF), dass der Zustand der Fundstelle und der entdeckten Gegenstände
für ein paar Tage nicht verändert werden darf, während § 10 Abs. 2 idF BGBl. 533/1923 (bzw. § 9 Abs.
3 igF) besagt, dass die aufgefundenen Gegenstände für mehrere Wochen automatisch unter
Denkmalschutz stehen.
320
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Betrachtet man auch unbewegliche Bodenformationen als Fundgegenstände im Sinne dieser
Bestimmungen, folgt daraus, dass man diese so lange unverändert belassen muss, als sie automatisch
gem. der zweiten Bestimmung unter Denkmalschutz stehen und der Zustand der Fundstelle somit
auch nicht nur, wie durch die erste Bestimmung festgelegt, vier (bzw. 5) Tage unverändert belassen
werden muss, sondern eben wenigstens entsprechend der zweiten Bestimmung bis zu vier (bzw. 6)
Wochen. Schließlich kann man die unbewegliche Bodenformation, die möglicherweise ein
bedeutendes Denkmal und daher für mehrere Wochen automatisch gesetzlich geschützt ist, nicht
unverändert belassen, ohne auch ihre Fundumstände – das umgebende Erdreich – unverändert zu
belassen.
Aus heutiger Sicht ist ein unbeweglicher „Fundgegenstand“ also ein Schrödingerisches Denkmal, dass
nach Ablauf der in § 10 Abs. 1 idF BGBl. 533/1923 (bzw. § 9 Abs. 1 igF) genannten Frist von 4 (bzw. 5)
Tagen bis zum Ablauf der in § 10 Abs. 2 idF BGBl. 533/1923 (bzw. § 9 Abs. 3 igF) genannten Frist von 4
(bzw. 6) Wochen gleichzeitig verändert und nicht verändert werden darf. Aus Sicht von 1923 bestand
dieses Problem aber überhaupt nicht: als Fundgegenstand im Sinne dieser Bestimmungen wurden nur
bewegliche Kleinfunde verstanden, die man selbstverständlich problemlos von ihrer Fundstelle
entfernen konnte, ohne sie dadurch in gesetzlich relevanter Weise zu verändern.
Die Fundeigentumsregelung des ABGB
Einen ausführlicheren Überblick über die Ideengeschichte der Denkmalpflege in Österreich hat ja erst
vor kurzem Marianne Pollak (2010) in einer ausgezeichneten, prägnanten Darstellung geliefert, die
hier nicht wiederholt werden muss. Erste staatliche Maßnahmen zum Denkmalschutz gehen ins 18.
Jahrhundert zurück: so gibt es vom 12. August 1749 ein Edikt von Kaiserin Maria Theresia zum Schutz
der Archivalien und Hofkanzlei-Verordnungen vom 24. Februar und 2. November 1776 und vom 14.
Februar 1782 sollten dafür sorgen, dass Münzfunde an die Hofkanzlei gesandt würden, um, wo
erwünscht, einen Ankauf durch das k.k. Münz-Kabinett möglich zu machen (Helfgott 1979, 1).
Eine weitere Hofkanzlei-Verordnung vom 5. März 1812, Z 2655/305, erweiterte dann die Liste der
Arten von Gegenständen, die nach ihrer Auffindung für einen allfälligen Ankauf durch den Staat an die
Hofkanzlei eingeschickt werden mussten: es ging nun nicht mehr nur um „alle alten Münzen und
Medaillien, sie mögen in Gold, Silber oder Kupfer bestehen, sondern in Zukunft auch alle anderen
aufgefundenen werdenden derlei Alterthümer und Denkmale“ (Helfgott 1979, 1), die das nunmehrige
k.k. Münz- und Antiken-Cabinett potentiell erwerben wollte, um es seiner Sammlung – hier noch
primär zu Ausstellungszwecken – hinzufügen zu können. Spezifischer werden genannt:
„1. Statuen, Brustbilder und Köpfe aus Erz oder Stein.
2. Kleinere Figuren und sogenannte Götzenbilder von edlen oder unedlen Metallen, Steinen oder
von Thon.
3. Waffen, Gefäße, Lampen und Geräthe von Erz oder anderen Stoffen.
4. Erhabene oder tiefgeschnittene Steine.
5. Steine mit halb erhobener Arbeit (Bas-reliefs).
6. Steine mit bloßen Aufschriften und Grabmäler“ (Helfgott 1979, 1-2)
Waren diese für eine Einsendung zu groß, war eine kurze Beschreibung bzw. Zeichnung zu
übersenden, damit sich das Münz- und Antiken-Cabinett ein Bild des betreffenden Gegenstandes
machen konnte (Helfgott 1979, 2). Bei diesen frühen Verordnungen ist der Fokus auf bewegliche
Kleinfunde, der für das 18. und 19. Jahrhundert durchaus als typisch betrachtet werden kann, also
ganz besonders deutlich erkennbar: vorerst ging es dem Staat ausschließlich um bewegliche Sachen.
321
… et respice finem
Dabei sind diese Verordnungen, insbesondere die Letztgenannte von 1812, natürlich nicht isoliert zu
betrachten, sondern im weiteren Kontext des großen Rechtswerkes der gleichen Zeit, nämlich des am
1. Juni 1811 als kaiserliches Patent verlautbarten und mit 1.1.1812 in Kraft getretenen Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuches (JGS Nr. 946/1811) zu sehen, insbesondere in dessen Bestimmungen zum
Eigentum an Funden verlorener, vergessener und verborgener Gegenstände. Diese Bestimmungen,
die derzeitigen §§ 388-401 ABGB, sind bis heute – teilweise sogar im Originalwortlaut, siehe z.B. § 398
ABGB mit der heute als veraltet zu gelten habenden Schreibung von „Eigenthümer“ und der heute
ebenso veralteten Verwendung des Begriffs „Obrigkeit“ – gültig und bestimmen allgemein, wie mit
Funden beweglicher Gegenstände zu verfahren ist und unter welchen Umständen wer das
Eigentumsrecht an ihnen erwirbt.
Schon § 390 ABGB idF JGS Nr. 946/1811 sah dabei vor, dass gefundene Sachen, die „nicht ohne Gefahr
in den Händen des Finders gelassen werden“ könnten, für eine Dauer von einem Jahr bei einem dafür
geeigneten Dritten (z.B. gerichtlich) zu hinterlegen seien; und § 399 ABGB idF JGS Nr. 946/1811 sah
darüber hinaus auch noch vor, dass bei sogenannten „Schätzen“ – gem. § 398 ABGB bis heute „… Geld,
Schmuck oder andere Kostbarkeiten, die so lange im Verborgenen gelegen haben, daß man ihren
vorigen Eigenthümer nicht mehr erfahren kann“ – ein Drittel des Eigentumsrechts dem
Staatsvermögen zufiel. Die Hofkanzlei-Verordnung vom 5. März 1812, Z 2655/305, teilte also im
Grunde genommen den Behörden des Reichs mit, welche Fundgegenstände iSd § 390 ABGB idF JGS
Nr. 946/1811 von diesen in jedem Fall vorerst einzubehalten und der Hofkanzlei entweder zum
gefälligen Erwerb (gegebenenfalls, wenn es sich dabei um einen „Schatz“ handelte, der
Eigentumsdrittel von Finder und Grundeigentümer) zuzusenden oder für ebendiesen Zweck
wenigstens sachdienlich zu melden waren.
Die in § 399 ABGB idF JGS Nr. 946/1811 vorgesehene Teilungsregel für „Schatzfunde“, die den
Vorläufer der heute im § 399 ABGB igF vorgesehenen und von diesem in § 10 Abs. 1 DMSG igF
übernommenen hadrianischen Teilungsregel darstellt, war schon damals ein offensichtlicher
Kompromiss: der Staat wollte weder auf den wirtschaftlichen Wert solcher „Schätze“ noch – sofern es
sich um interessante Antiquitäten handelte – auf deren wissenschaftlichen Wert verzichten; aber auch
nicht den Großgrundbesitz – d.h. insbesondere den Adel und die Kirche, auf die er gerade um diese
Zeit besonders angewiesen war – verärgern; und kannte seine gewöhnlichen Staatsangehörigen und
die Umstände, unter denen „Schatzfunde“ üblicherweise gemacht wurden, auch noch gut genug, um
zu verstehen, dass, wenn er diese gänzlich leer ausgehen lassen würde, diese einfach ihre Schatzfunde
verheimlichen und verhökern würden. Also entschloss man sich, „brüderlich“ mit allen zu teilen, die
man im Fall eines solchen Schatzfundes zu „allgemeinwohl-“ bzw. „staatsnützlichem“ Verhalten
animieren wollte. Damit gingen dem Staat zwar zwei Drittel des wirtschaftlichen Wertes solcher
Schatzfunde verloren, aber er hoffte auf diesem Weg wenigstens ein Drittel dieses und zusätzlich den
ganzen wissenschaftlichen Wert der in Schätzen enthaltenen Fundgegenstände für sich gewinnen zu
können. Der habsburgische Staat des frühen 19. Jahrhunderts hatte also sehr gut die erwartenden
Folgen seiner Gesetzgebung im Auge und erhoffte sich durch einen vergleichsweise bedeutenden
wirtschaftlichen Verzicht einen noch bedeutenderen wissenschaftlichen Gewinn zu verschaffen.
Es wurde allerdings in der Anwendung dieser gesetzlichen Bestimmung recht bald klar, dass der
erwünschte verhaltenssteuernde Effekt dieses wirtschaftlichen Verzichts des Staates nicht ausreichte,
um das erwünschte Ziel wirklich zu erreichen: Finder von Schätzen erwiesen sich als „gieriger“, als
man erwartet hatte, und unterschlugen ihre Schatzfunde trotzdem weiterhin. Das sollte in Anbetracht
der Umstände, unter denen Schatzfunde meist gemacht werden, auch nicht besonders verwundern:
die meisten Schatzfunde wurden und werden nicht sofort öffentlich ruchbar, sondern der Finder (bzw.
eine Gruppe von Findern) ist zu diesem Zeitpunkt meist völlig unbeobachtet allein auf weiter Flur.
322
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Meldet er (bzw. eine Gruppe von Findern) den Schatz, ginge ihm (bzw. ihnen) unter der Regelung von
1812 zwei Drittel des wirtschaftlichen Wertes an Dritte verloren, die von der Entdeckung des Schatzes
gar nichts wussten und vermutlich auch nie erfahren würden, wenn der/die Finder ihn
verheimlicht/en. In der Regel konnte unter diesen Umständen der Finder (und ebenso eine brüderlich
untereinander teilende Gruppe von Findern) damit rechnen, einen höheren wirtschaftlichen Gewinn
zu erzielen, wenn der Schatzfund einfach heimlich verkauft wurde als, wie vorgesehen, gemeldet.
Schatzfundmeldungen unterblieben daher zumeist.
Der Staat realisierte das einigermaßen rasch und versuchte gegenzusteuern, weil er schon zu diesem
Zeitpunkt am wirtschaftlichen Wert von Schatzfunden nur sehr bedingt, an ihrem wissenschaftlichen
Wert hingegen einigermaßen stark, interessiert war. Denn der wirtschaftliche Wert von Schatzfunden
war, vor allem im jeweiligen Einzelfall, aber auch bei der Gesamtbetrachtung aller jährlich getätigten
Schatzfunde – wenigstens im Hinblick auf den gesamten Staatshaushalt – vernachlässigbar gering. Das
ist immer noch der Fall: der Wert einzelner, selbst wirklich spektakulärer, Schatzfunde iSd § 398 ABGB
idF JGS Nr. 946/1811 übersteigt sogar heute, wo vielen solchen Funden bedeutender Wert als
Sammlerobjekt am Kunst- und Antikenmarkt und nicht primär nur Materialwert zukommt, nur selten
eine Millon €; und selbst der Gesamtwert aller alljährlich gefundenen Schatzfunde – selbst wenn man
mitrechnet, dass selbst „Kleinvieh“ heute am Antikenmarkt „Mist“ macht und auch schon eine
halbwegs gut erhaltene Fibel oder Münze ein paar, wenn nicht sogar ein paar Zehn € wert sein kann
und daher auch durch die von Metallsuchern gemachten „alltäglichen“ Funde einiges an
wirtschaftlichem Gesamtwert zusammenkommt – kaum die € 10 Millionen-Marke. Im Vergleich zum
Staatshaushalt, der in den letzten 5 Jahren in Österreich einnahmenseitig um die € 170 und
ausgabenseitig um die € 175 Milliarden gelegen hat (http://www.statistik.at/web_de/statistiken/
wirtschaft/oeffentliche_finanzen_und_steuern/oeffentliche_finanzen/einnahmen_und_ausgaben_d
es_staates/index.html [22.10.2017]), sind das keine nennenswerten Beträge (geschätzt weniger als
0,006%).
Daher wurde von der Habsburgermonarchie schon mit Hofkanzleidekret vom 15. Juni 1846, „um den
Schwierigkeiten zu begegnen, die sich der Erfahrung zufolge bei Anwendung der bestehenden
Vorschriften über die Behandlung archäologischer Funde ergaben“ und „die Bekanntmachung und
Erhaltung numismatischer und anderer antiquarischer Funde im Interesse der Kunst und Wissenschaft
zu befördern“ (zitiert bei Frodl 1988, 34; siehe zur Geschichte der Aufgabe des Staatsdrittels zuletzt
genauer Karl et al. 2017), das Eigentumsdrittel des Staates an Schatzfunden aufgegeben und
stattdessen die hadrianische Teilungsregel für Funde eingeführt, die bis heute gilt. Worum es dem
Gesetzgeber beim damaligen archäologischen Denkmalschutz ging, war, dass bewegliche Kleinfunde
nach ihrer Entdeckung gemeldet werden würden, damit Kunst und Wissenschaft Kenntnis von ihnen
erlangen konnten; unbewegliche Denkmale kümmerten den Gesetzgeber zu jener Zeit hingegen wenig
bis gar nicht (siehe dazu auch Helfgott 1979, 3).
Inwieweit durch die Einführung der hadrianischen Teilung in § 399 ABGB die Fundmeldewilligkeit der
Finder von Schätzen iSd § 398 ABGB wirklich soweit erhöht wurde, dass damit das Ziel erreicht wurde,
dass signifikant mehr Funde gemeldet werden würden, lässt sich sicher stark debattieren: der
wirtschaftliche Wert verheimlichter Funde im illegalen Verkauf an den Hehler mag immer noch
deutlich höher gewesen sein als ihre Meldung und ein allfällig darauffolgender legaler Verkauf des
hälftigen Eigentumsanteils des Finders. Aber es wurde sicherlich durch die Aufgabe des staatlichen
Eigentumsdrittels eine stärkere Annäherung an das erwünschte Ziel gefördert und vermutlich auch
tatsächlich erreicht; schon allein, weil die hadrianische Teilung zwischen Finder und Grundeigentümer
bei Schatzfunden den meisten Menschen – wenigstens solchen, die selbst Grundeigentum haben oder
sich in die Lage des Grundeigentümers versetzen können – einigermaßen fair erscheint (wenigstens
323
… et respice finem
solange sie nicht gerade einen Schatz gefunden haben). Denn es ist durchaus einsichtig, dass der
Grundeigentümer, der schließlich auch die Lasten des Eigentums tragen muss, nicht völlig leer
ausgeht, wenn auf seinem Grund von jemand anderem etwas gefunden wird, das rechtlich gesehen
als herrenloses Gut zu betrachten ist, also (noch) niemandem gehört. Und es ist ebenso einsichtig,
dass der, der den Fund gemacht hat, Belohnung verdient, wenn er zugunsten des Grundeigentümers
darauf verzichtet, sich die gefundene Sache einfach anzueignen und heimlich gewinnbringend zu
verscherbeln. Hier den unerwarteten Gewinn gleichmäßig zwischen den beiden, die einen Anspruch
auf den Schatz haben könnten, zu teilen, erscheint den meisten Menschen inhärent gerecht.
Der für uns in diesem Zusammenhang wichtige Punkt ist, dass der Staat das Ziel, dass er (wenigstens
nunmehr Mitte des 19. Jahrhunderts) mit der Fundeigentumsregelung bei Schatzfunden iSd § 398
ABGB verfolgte, nicht vergessen hatte, sondern weiterhin verfolgte. Er hatte die Wirkung der
gesetzlichen Bestimmung des § 399 ABGB idF JGS Nr. 946/1811 anhand seiner empirischen
Beobachtung der Wirklichkeit evaluiert und festgestellt, dass er das, was er damit zu erreichen
versucht hatte, so nicht erreichte. Daher modifizierte er – streng auf die mutmaßliche Wirkung seiner
gesetzlichen Regelung in Hinblick auf das mit ihr verfolgte Ziel abstellend – diese Regelung in einer
Weise, mit der er das von ihm verfolgte Ziel besser zu erreichen können glaubte; und vermutlich hatte
er damit auch wenigstens insofern recht, als die neue Regelung vermutlich das Verhalten der
Normunterworfenen besser und stärker in die vom Staat erwünschte Richtung steuerte. Er wollte,
dass Finder von möglicherweise wissenschaftlich wertvollen Sachen ihre Funde den zuständigen
Behörden anzeigten, damit diese entsprechend darauf reagieren, d.h. im Bedarfsfall die getätigten
Funde für die staatlichen Sammlungen erwerben und somit diese Denkmale vor Zerstörung bzw.
Veränderung bestmöglich schützen konnten. Was er tat, tat er klug, weil er das Ende bedachte.
Die Fundeigentumsregelung im DMSG
Nachdem diese Fundeigentumsregelung einigermaßen funktionierte, kam das DMSG auch bis
inklusive der Novelle BGBl. 473/1990 ohne jedwede eigene Regelung des Fundeigentums an
archäologischen Funden aus: es bedurfte keiner eigenen Eigentumsregelung für archäologische
Funde, weil das Fundeigentum ohnehin vollständig und abschließend durch die Bestimmungen des
ABGB geregelt wurden.
Dabei ist wichtig zu bedenken, dass das ABGB eben nicht nur die Entdeckung von Schatzfunden regelt,
sondern auch Fundregelungen für Funde anderer Art enthält. Das war auch archäologisch nicht
gänzlich irrelevant und zwar zum Vorteil und Nutzen der Archäologie. Denn das ABGB definiert, wie
schon oben ausgeführt, schließlich bis heute nur „… Geld, Schmuck oder andere Kostbarkeiten, die so
lange im Verborgenen gelegen haben, daß man ihren vorigen Eigenthümer nicht mehr erfahren kann“
(§ 398 ABGB igF; Hervorhebung: RK), d.h. auch tatsächlich wirtschaftlich wertvolle Sachen, als
„Schätze“, die den Bestimmungen der § 398-401 ABGB unterworfen sind. Nun sind aber die
überwiegende Mehrheit aller beweglichen archäologischen Kleinfunde, die entdeckt werden, alles
andere als wirtschaftlich wertvoll. Ganz im Gegenteil sind die meisten beweglichen archäologischen
Kleinfunde, wie zerscherbte Keramik, Fragmente von kleinen Metallgegenständen wie Fibeln oder
Schmuckgegenständen aus unedlen Metallen, etc., selbst am Antikenmarkt praktisch wertlos bzw.
wenigstens von derart geringem Wert, dass sie nicht einmal die in § 391 Abs. 2 ABGB genannte
Wertgrenze von € 10 überschreiten, die überhaupt erst die allgemeine Fundmeldepflicht des § 390
ABGB auslöst.
Vielmehr handelte es sich bei der überwältigenden Mehrheit von beweglichen archäologischen
Kleinfunden um Sachen, die nicht Schatzfunde iSd § 398 ABGB, sondern vielmehr gewöhnliche
„vergrabene, eingemauerte oder sonst verborgene Sachen eines unbekannten Eigentümers“ iSd § 397
324
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
ABGB waren. Auf diese waren daher auch nicht die Schatzfundbestimmungen der §§ 398-401 ABGB,
sondern vielmehr „sinngemäß“ die Bestimmungen für verlorene Sachen der §§ 388-396 ABGB
anzuwenden; nur ergänzt durch die – unabhängig von irgendwelchen Mindestwertgrenzen geltenden
– archäologischen Fundmeldebestimmungen des § 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923 bzw. BGBl.
167/1978 bzw. BGBl. 473/1990 samt dessen Rechtsfolgen. Das bedeutete nun aber, dass die
überwältigende Mehrheit aller beweglichen archäologischen Kleinfunde nicht entsprechend der
Bestimmungen des § 399 ABGB ins gleichteilig geteilte Eigentum von Finder und Grundeigentümer,
sondern im Gegenteil iSd § 395 ABGB nach Ablauf der dort genannten Jahresfrist ins alleinige,
ungeteilte Eigentum des Finders übergingen (so noch explizit erläutert – wenn dann auch
missverständlich ausgeführt – in der RV 1990, 20). Denn der gem. § 397 ABGB bei geringwertigen
(beweglichen archäologischen) Fundgegenständen sinngemäß anzuwendende § 395 ABGB bestimmt:
„Wird die Sache innerhalb eines Jahres von keinem Verlustträger angesprochen, so erwirbt der
Finder das Eigentum an der in seiner Gewahrsame befindlichen Sache mit Ablauf der Frist, an
der abgegebenen Sache mit ihrer Ausfolgung an ihn. Die Frist beginnt im Fall des § 391 Z 2 mit
dem Zeitpunkt des Findens, sonst mit der Erstattung der Anzeige (§ 390)“ (§ 395 ABGB).
Das bedeutet nun aber natürlich, dass – nachdem bei einer archäologischen Sache (vor allem im Sinn,
in dem der Begriff vor der Entwicklung der Neuzeitarchäologie verstanden wurde), die jedenfalls so
lange im Verborgenen gelegen ist, dass ihr letzter Eigentümer wenigstens seit etwa 400 Jahren tot
war, die Wahrscheinlichkeit, dass die Sache von diesem oder auch nur einem seiner Rechtsnachfolger
zurückgefordert werden könnte, praktisch gleich Null ist – de facto der Finder unmittelbar zum
ungeteilten Alleineigentümer aller solcher geringwertiger beweglicher archäologischer Kleinfunde
wurde und nicht mit dem Grundeigentümer teilen musste. Die hadrianische Teilungsregel des § 399
ABGB griff überhaupt nur in jenen eher seltenen Fällen, in denen tatsächlich auch wirtschaftlich
wertvolle Fundgegenstände entdeckt wurden, wie z.B. Schmuckgegenstände aus Edelmetall, oder
besonders gut erhaltene, eventuell auch künstlerisch wertvolle und daher einen bedeutenden
Sammlerwert aufweisende, Funde aus anderen Materialien.
Archäologisch hatte diese duale Regelung – Alleineigentum des Finders bei geringwertigen Funden,
hadrianische Teilung bei hochwertigen „Schatz“-Funden – zwei ungeheure Vorteile: erstens waren die
überwältigende Mehrheit der von interessierten Bürgern bei ihren Nachforschungen oder auch nur
zufällig gemachten archäologischen Funde keine Schatzfunde und ihr Finder somit maximal animiert,
diese Funde auch zu melden, um auch sicher rechtlich ihr ungeteilter Alleineigentümer zu werden.
Schließlich begann die Jahresfrist des § 395 ABGB, nach welcher rechtlich gesehen der
Eigentumserwerb durch den Finder eintrat, bei meldepflichtigen Funden erst zu laufen, wenn der Fund
gemeldet worden war; also war, nachdem für archäologische Funde gem. § 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl.
533/1923 bzw. BGBl. 167/1978 bzw. BGBl. 473/1990 eine solche bestand, davon auszugehen, dass der
rechtlich sichere Eigentumserwerb an einem archäologischen Fund erst ein Jahr nach Abgabe der
Fundmeldung eintrat.
Zweitens gehörten nahezu alle bei professionellen archäologischen Ausgrabungen getätigten
archäologischen Funde ebenfalls fraglos ihrem Finder, d.h. in der Regel ihrem Ausgräber. Nachdem
das bis 1990 vorwiegend öffentliche Einrichtungen wie das BDA selbst, eine der österreichischen
Universitäten, eines der öffentlichen Bundes- oder Landesmuseen oder Forschungseinrichtungen wie
das Österreichische Archäologische Institut oder die Österreichische Akademie der Wissenschaften
waren, die „ihre“ Funde entweder ihren eigenen archäologischen Sammlungen einverleibten oder
diese einer öffentlichen Museumssammlung überließen, kam das bei professionellen Grabungen
erzeugte „archäologische Fundarchiv“ automatisch nahezu komplett in eine professionell verwaltete
325
… et respice finem
öffentliche Sammlung. Eine verursacherfinanzierte kommerzielle Archäologie gab es praktisch noch
nicht. In den wenigen Fällen, in denen mit Verursacherfinanzierung gearbeitet wurde – etwas, was das
BDA schon spätestens in den 1980ern zu forcieren begann – war dies noch so geregelt, dass zwar
eventuell zur Verfahrensbeschleunigung die Grabungsarbeiter, Werkzeug und Gerät wie Bagger etc.
vom Verursacher (gewöhnlich Bau- oder Rohstoffabbaufirmen) bezahlt wurden, die entsprechende
Grabung aber offiziell vom BDA durchgeführt und auch noch regelhaft (wenigstens am Papier) von
einem Mitarbeiter der archäologischen Abteilung des BDA geleitet wurde, also eine „Amtsgrabung“
war.
Einzig bei höherwertigen Funden wurde es gelegentlich erforderlich, den Grundeigentümer finanziell
zu entschädigen; wobei es natürlich in seltenen Einzelfällen auch zu (rechtlichen)
Auseinandersetzungen kommen konnte, ab welchem Wert ein Fundgegenstand als Wertsache iSd §
398 ABGB und daher als Schatzfund zu betrachten war – d.h. ob die Wertgrenze von etwa € 10
heranzuziehen war oder erst ein höherer wirtschaftlicher Wert aus einem gewöhnlichen
Fundgegenstand einen Schatzfund machte. Aber dieses Problem ließ sich normalerweise leicht
dadurch aus der Welt schaffen, dass der Grundeigentümer einigermaßen großzügig pauschal
entschädigt wurde, statt den Wert jedes einzelnen Fundgegenstandes, dann natürlich wenigstens
hälftig auf Kosten des Grundeigentümers, gutachterlich bestimmen lassen zu müssen, weil das den
Grundeigentümer in der Regel deutlich mehr gekostet hätte, als er dadurch, dass er einen
Hälfteeigentumsanteil an vielleicht zwei oder drei zusätzlichen, aber eben gerade nicht besonders
hochwertigen, Gegenständen erhalten hätte, an zusätzlichem Gewinn lukrieren hätte können.
Aus administrativer Sicht scheint diese duale Regelung hingegen unpraktisch erschienen zu sein, weil
man schließlich wenigstens bei theoretischer Betrachtung aus Sicht des Juristen bei jedem einzelnen
Fund bestimmen musste, ob er ein Schatzfund ist oder nicht, ehe man richtig entscheiden konnte,
wessen Eigentum er ganz oder teilweise einzuverleiben war. Und sie hatte auch – nach Beginn der
Popularität der Verwendung von Metallsuchgeräten durch interessierte Bürger – einen
entscheidenden Nachteil für nahezu komplett auf die Bekämpfung des „Unwesens“ der Metallsuche
fokussierte archäologische Denkmalpfleger. Denn die Bestimmungen der §§ 388-401 ABGB lassen eine
Gesetzeslücke offen.
Zwar lässt sich durchaus argumentieren, dass bei meldepflichtigen Funden iSd § 397 ABGB der
rechtlich sichere Eigentumserwerb durch den Finder gem. § 395 ABGB erst eintritt, wenn die
Jahresfrist vom Zeitpunkt der Meldung gerechnet abgelaufen ist. Aber der Staat hat dennoch keine
rechtliche Handhabe, dem Finder einen nicht gemeldeten Gegenstand abzunehmen; denn die
Regelung des § 400 ABGB, dass der Eigentumsanteil dessen, der sich bei einem Fund „einer
unerlaubten Handlung schuldig gemacht; wer ohne Wissen und Willen des Nutzungseigenthümers den
Schatz aufgesucht; oder den Fund verheimlichet hat“ (§ 400 ABGB igF) dem, der ihn angezeigt hat,
oder, in Ermangelung eines solchen, dem Staat anheimfällt, gilt nur für Schatzfunde iSd § 398 ABGB,
nicht für Funde gewöhnlicher verborgener Sachen iSd § 397 ABGB. Einen Eigentumsanspruch an
einem verborgenen Fund iSd § 397 geltend machen kann daher nur sein letzter Eigentümer bzw.
dessen Rechtsnachfolger; und da dieser bei archäologischen Funden gewöhnlich schon seit vielen
Jahrhunderten tot ist und seine eventuell noch lebenden Erben gar nicht wissen, dass es diese
verborgene Sache gibt, geschweige denn, dass sie ihnen gehört, wird keiner von diesen jemals den
ihnen zustehenden Eigentumsanspruch erheben. Damit wurde die entsprechende Fundsache streng
rechtlich gesehen zwar niemals zum Eigentum ihres Finders, der ihre Meldung unterlassen (oder sich
irgendwelcher verbotenen Handlungen bei ihrer Entdeckung schuldig gemacht hat) hat, aber
wegnehmen durfte sie der Staat ihm trotzdem nicht.
Das tat scheinbar einigen Personen in Amt und Ministerium zu sehr weh.
326
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Daher wurde in der Novelle BGBl. I 170/1999 nun im DMSG selbst eine Fundeigentumsregelung
eingeführt, wenn auch immer noch mit Bezug auf die Fundeigentumsbestimmungen des ABGB. Wie
in der Regierungsvorlage ausgeführt wird:
„Die nunmehrige Vorgangsweise strafft einerseits das gesamte Verfahren und schließt überdies
rechtliche Lücken. § 10 bewirkt:
1. Sämtliche (bewegliche) Bodendenkmale werden ausdrücklich – unabhängig von ihrem
materiellen Wert – als “Schatzfund” im Sinne der §§ 398 ff ABGB (mit allen dort verbundenen
rechtlichen
Regelungen)
bezeichnet.
Diesbezüglich
gab
es
verschiedentlich
Meinungsverschiedenheiten über die Frage, ob tatsächlich in allen Fällen der Grundeigentümer
Hälfteeigentümer wird oder ob dies erst ab einem gewissen materiellen Wert (welcher?) der Fall
ist und der Finder das gesamte Eigentum an der Sache als Finder erwirbt.
Die nunmehrige Regelung hat zur Folge, dass bei jedem (beweglichen) Bodenfund Miteigentum
zwischen Grundeigentümer und Finder (je zur Hälfte) eintritt“ (RV 1999, 53-4).
Die vorgenommene Änderung wurde also dem Gesetzgeber als verfahrensstraffende Maßnahme
verkauft, die noch dazu eine bisher – verschiedentlich zu „Meinungsverschiedenheiten“ über die
Frage, ob der Grundeigentümer nun immer bei archäologischen Funden oder falls doch nicht immer
ab welchem Wert archäologischer Funde zu deren Hälfteeigentümer wird, führende – bestehende
Gesetzeslücke schließen würde, indem einfach kurzer Prozess gemacht und alle beweglichen
Bodendenkmale zu Schatzfunden iSd § 398 ABGB erklärt und somit das Fundeigentum eindeutig als
jeweils hälftig dem Finder und Grundeigentümer zustehend geklärt wird.
Wie irgendjemand ernsthaft auf die Idee kommen konnte, dass es darüber, ob dem Grundeigentümer
ein Hälfteeigentumsanteil an gewöhnlichen verborgenen Sachen iSd § 397 ABGB zustehen könnte,
verschiedentlich Meinungsverschiedenheiten geben könnte, entzieht sich mir völlig; denn die
Bestimmung des § 395 ABGB, die sinngemäß bei gewöhnlichen verborgenen Fundsachen iSd § 397
ABGB zweifellos (und auch noch den Erläuterungen der RV 1990, 20 zufolge) anzuwenden ist,
bestimmt vollkommen eindeutig, dass der Finder nach Ablauf der genannten Jahresfrist das Eigentum
an der betreffenden Sache erwirbt. Zwar kann – insbesondere in Anbetracht der genaueren
Ausführungen in der Regierungsvorlage zur Novelle 1990 (RV 1990, 20) – tatsächlich nicht gänzlich
ausgeschlossen werden, dass der damals zuständige Ministerialrat, aus dessen Feder alle drei
bisherigen größeren Novellen des DMSG stammen, tatsächlich juristisch so unglaublich inkompetent
war, dass er die Eigentumsregelung des § 395 ABGB – d.h. dass der Finder alleiniger Eigentümer der
von ihm gefundenen, verlorenen, vergessenen oder iSd § 397 verborgenen Sache wird – nicht richtig
verstanden hat. Besonders wahrscheinlich erscheint es mir jedoch nicht, nicht zuletzt deshalb, weil er,
wie wir ja schon weiter oben gesehen haben, auch bei anderen Änderungsvorschlägen für gesetzliche
Bestimmungen des DMSG gerne einmal getrickst und den Gesetzgeber durch gezielte Fehlinformation
– zumeist wenigstens insofern erfolgreich, als die entsprechenden Änderungen tatsächlich zum Gesetz
gemacht wurden – zu täuschen versucht hat.
Diese neue Regelung des Eigentums an archäologischen Funden mag aus administrativer Sicht den
Vorteil haben, dass man sich nicht mehr zu überlegen braucht, ob im konkreten Einzelfall der Finder
Alleineigentümer oder stattdessen Finder und Grundeigentümer jeweils zu gleichteiligen
Gemeinschaftseigentümern der betreffenden Sache werden. Und sie hat natürlich den Vorteil, dass
man damit nun den bösen Metallsuchern, die illegal nach archäologischen Funden geforscht haben,
dank jetzt fraglos bestehender Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 400 ABGB auf alle
327
… et respice finem
beweglichen archäologischen Kleinfunde ihre „ill-gotten gains“ wegnehmen kann. Aber damit hat es
sich mit den Vorteilen dieser Regelung auch schon.
Die archäologisch-denkmalpflegerischen und administrativen Nachteile der Neuregelung
Diesen beiden, einigermaßen unmaßgeblichen, Vorteilen stehen aber leider nun weit bedeutendere
archäologisch-denkmalpflegerische und administrative Nachteile der Neuregelung der
Eigentumsfrage an beweglichen archäologischen Kleinfunden durch § 10 Abs. 1 DMSG gegenüber, die
– wie es aussieht – wenigstens der Ministerialrat, der den Gesetzesänderungsvorschlag zu
verantworten hat, nicht ausreichend bedacht hatte, als er seine scheinbar schlaue Idee am
Gesetzgeber vorbeizuschummeln versucht hat.
Der unmittelbar größte Nachteil für den archäologischen Denkmalschutz ist der, dass nun nicht mehr
bei einer normalen Grabung über 99% der Funde dem Finder gehören, der in der Regel auch
gleichzeitig der Eigentümer der Grabungsdokumentation ist, und nur bei den wenigen wirklich
wirtschaftlich wertvollen Schatzfunden der Hälfteeigentumsanteil des Grundeigentümers abzulösen
ist, sondern nun plötzlich alles Fundmaterial zur Hälfte dem Grundeigentümer gehört. Das bedeutet
nun aber, dass bei nahezu allen Grabungen – nämlich bei allen Grabungen, bei denen Finder und
Grundeigentümer nicht ident sind – der Zusammenhang von Dokumentation und Fundmaterial nicht
mehr gesichert ist und es sehr leicht zu Streitereien über das Fundmaterial kommen kann.
Das ist ganz besonders dann ein Problem, wenn eine Gebietskörperschaft einer der Hälfteeigentümer
ist: will nämlich nun die Gebietskörperschaft den anderen Hälfteeigentümer gem. § 10 DMSG igF
ablösen, muss nicht nur der im redlichen Verkehr im Inland voraussichtlich erzielbare höchste
Verkaufspreis von ein paar wenigen, wirklich wirtschaftlich wertvollen, beweglichen Bodendenkmalen
sachverständig bestimmt werden (über den man sich, wie schon erwähnt, bis dahin in der Regel durch
eine großzügige Pauschale auch ganz ohne Sachverständigengutachten einigen konnte), sondern der
aller Grabungsfunde. Dabei reden wir, insbesondere bei größeren Ausgrabungen, über wenigstens
tausende, wenn nicht sogar zehn- oder mehr als hunderttausend Gegenstände, von denen die
überwältigende Mehrheit weniger als 10, vielleicht sogar weniger als 1 Cent wert ist. Dennoch, man
bedenke: sind die z.B. etwa 66.000 von Menschen geschaffenen Fundgegenstände einer einzigen
Ausgrabung, die Andreas Heege (2015, 44) in einem seiner Beispiele nennt – Bearbeitungsspuren
aufweisende Tierknochen bzw. deren Fragmente, die auch einen wie auch immer geringen Wert
haben, sind hier noch gar nicht mitgerechnet, unter denen sich auch bedeutenden Sammlerwert
habende Gegenstände befinden können – durchschnittlich auch nur 10 Cent pro Stück wert, beträgt
der gesamte Verkehrswert des Fundmaterials immer noch € 6.600, dem Grundeigentümer stünden
also € 3.300 als Ablöse zu.
Gerade bei Fundmassen macht eben auch Kleinvieh Mist; und das Problem ist, dass man sich diesen
Mist auch tatsächlich Stück für Stück anschauen muss, um den wahren Wert jedes Einzelstückes – und
nachdem eben an jedem Fund ein Hälfteeigentum entsteht, ist der Einzelstückwert ausschlaggebend
– überhaupt auch nur einigermaßen fair bestimmen zu können. Man muss nicht weiter Erwähnen,
was eine sachverständige Schätzung des Verkehrswerts von etwa 66.000 Gegenständen alleine an
Arbeitszeit des Sachverständigen kostet: selbst wenn man nicht alle notwendigen
Vorbereitungsarbeiten wie waschen, beschriften, verpacken und magazinieren der Funde, her- und
wegräumen von diesen für die Begutachtung durch den Sachverständigen etc., sondern nur die
Arbeitszeit des Sachverständigen rechnet, kommt man auf bedeutende Beträge, die den Verkehrswert
der Fundgegenstände selbst vermutlich zumeist übersteigen werden. Muss dieser jeden einzelnen
Fund begutachten – selbst nur durch bloße Inaugenscheinnahme und „freie“ Wertschätzung – muss
man für jeden einzelnen Fundgegenstand wenigstens ein paar Sekunden Betrachtungszeit rechnen;
328
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
sagen wir durchschnittlich nur 5 Sekunden pro Stück: das macht in Summe bei 66.000 Fundstücken
330.000 Sekunden bzw. 5.500 Minuten bzw. 91 Stunden und 40 Minuten oder etwa 11 ½ 8-StundenArbeitstage. Rechnet man ebenso viel Zeit dazu, um den Wert jedes Einzelfundes auch noch zu
notieren (weil im Endeffekt ja ein wirtschaftlicher Gesamtwert bestimmt werden muss) ist man bei 23
Arbeitstagen des Sachverständigen und damit jedenfalls bei einigen tausenden Euro an
Arbeitszeitkosten.
Wirklich wertvolle „Sensationsfunde“ fallen gewöhnlich schon bei der Grabung auf, werden auch
sorgsam einzeln verpackt, oft auch einzeln gelagert und sind daher auch einigermaßen rasch zu
schätzen. Es macht auch in der Regel keinen maßgeblichen Unterschied, ob sie jetzt € 1.000 oder €
1.000,01 wert sind. Bei 60.000 Wandscherben macht es hingegen einen bedeutenden Unterschied, ob
diese jetzt durchschnittlich € 0.01, € 0,02 oder € 0.03 wert sind: im oben genannten Beispiel pro Cent
mehr immerhin € 330 der Endsumme. Man muss also potentiell um Centwerte streiten, statt darum,
ob jetzt der Verkehrswert des einen Goldohrringes, der sich unter den 66.000 gefundenen Objekten
befindet, € 1.000 oder doch € 1.100 ist. Die Willigkeit des anderen Hälfteeigentümers auf eine genaue
Schätzung jedes Einzelstückes zu verzichten ist daher deutlich reduziert.
Setzt man das in Relation zur Bestimmung des § 391 Abs. 2 ABGB, dass der Finder einer verlorenen
oder vergessenen Sache, deren gemeiner Wert 10 Euro nicht übersteigt, von der sonst bestehenden
allgemeinen Fundmeldepflicht des § 390 ABGB ausgenommen ist und sich diese Sache daher sogar
unmittelbar aneignen darf, sieht man in Verbindung mit dem soeben Gesagten deutlich, wie
widersinnig es ist, alle beweglichen Bodendenkmale zu Schatzfunden iSd § 398 ABGB zu erklären.
Überhaupt ist die Vorstellung absurd, dass an sich wertlose Sachen Schatzfunde iSd § 398 ABGB sein
sollen und können: finde ich auf der Straße einen Koffer mit € 100.000 in Bargeld, dessen vormaliger
Eigentümer dessen Verlust nicht meldet, dann gehört dieser Koffer samt den € 100.000 Inhalt nach
Ablauf einer Jahresfrist ab Abgabe der Fundmeldung mir. Finde ich hingegen auf der Erdoberfläche
eine Wandscherbe eines alten Nachttopfes, deren gewöhnlicher Wert € 0,01 nicht übersteigt, dann
muss ich sie mir mit dem Grundeigentümer teilen, weil das ja ein „Schatzfund“ ist.
Resultat der Neuregelung durch § 10 Abs. 1 DMSG igF ist also in erster Linie, dass es, außer bei privat
finanzierten Grabungen auf Privatgrund und öffentlich finanzierten Grabungen auf öffentlichem
Grund, Fundeigentumsverhältnisse gibt, die der Erhaltung des Zusammenhangs zwischen
Grabungsdokumentation und Fundmaterial äußerst abträglich sind. Wirklich ablösen können die
Gebietskörperschaften privaten Hälfteeigentümern deren Anteil aufgrund der damit verbundenen
unverhältnismäßig hohen Schätzkosten und des noch unverhältnismäßigeren Zusatzaufwandes
eigentlich so gut wie gar nicht mehr, die privaten Hälfteeigentümer des gesamten Fundmaterials sind
weit weniger willig dieses einfach unbeschaut herzugeben und ungeklärte Eigentumsverhältnisse an
Funden daher die Regel, nicht mehr die Ausnahme.
Ein ganzer Rattenschwanz an Problemen ist die Folge, die auch die Administration treffen und
maßgeblich erschweren; nämlich dadurch, dass auch z.B. bei einem bedeutenden Anteil der wohl über
1 Million Fundgegenstände, die im Lager des BDA in der Kartause Mauerbach oder sonstigen Depots
des BDA liegen, die Eigentumsverhältnisse unklar sind bzw. Funde weiterhin wenigstens im
Hälfteeigentum, wenn nicht sogar im Alleineigentum, Dritter stehen und daher das BDA sie eigentlich
nicht einmal ohne Zustimmung des anderen Hälfteeigentümers restaurieren darf, geschweige denn
anderen Dritten zur wissenschaftlichen Bearbeitung zugänglich machen oder sie gar zu „entsammeln“.
Von den Eigentumsverhältnissen bezüglich der ca. 52% aller z.B. 2012 bei 573 professionellen
„archäologischen Maßnahmen“ entdeckten beweglichen Kleinfunde, die 2014 immer noch „in selbst
finanzierten und organisierten Depots“ von kommerziell tätigen Grabungsfirmen (bzw. Vereinen)
lagerten, wollen wir da gar nicht erst reden (Hinterwallner 2014).
329
… et respice finem
Ergebnis der scheinbaren Vereinfachung der Eigentumsverhältnisse ist also in der Praxis eine
gewaltige Verkomplizierung der Situation in Bezug auf über 99% aller Funde, die unter der zuvor
geltenden Regelung fraglos dem Finder gehört hatten. Für einen nachhaltigen archäologischen
Denkmalschutz ist das sicherlich schädlich; und auch die Administration gewaltig erschwert worden.
Aber um diese beiden Dinge ging es bei der Einführung dieser Bestimmung wohl auch gar nicht;
sondern, wie schon angedeutet, wohl um etwas ganz anderes: nämlich darum, dass sich der
zuständige Ministerialrat nicht den Kopf darüber zerbrechen musste, ab welchem Wert nun ein Fund
ein Schatzfund wird, und darum, dass man den bösen Metallsuchern ihre Funde abnehmen kann,
wenn man denn doch einmal einen in flagranti erwischt.
Langfristig gesehen noch viel problematischer ist allerdings, dass die Neuregelung des § 10 Abs. 1
DMSG igF gemeinsam mit der schon 1990 eingeführten Beschränkung der Bestimmungen des § 8 igF
samt seiner Rechtsfolgen auf ausschließlich „Zufallsfunde“ (und der damit verbundenen Zuordnung
von laienhaft durchgeführten Suchen nach archäologischen Denkmalen zu den in § 11 igF geregelten
„Nachforschungen“) und der ebenfalls erst 1999 endgültig formalisierten Beschränkung der
Möglichkeit, eine Grabungsgenehmigung gem. § 11 Abs. 1 igF erteilt zu bekommen, auf ausschließlich
graduierte Archäologen die dem DMSG und den Bestimmungen der §§ 388-401 ABGB zugrunde
liegende Absicht, Bürger, die archäologische Funde finden, zu deren Meldung an die zuständigen
Stellen zu motivieren, vollständig untergräbt.
Offensichtlicher Zweck der Regelung von Schatzfunden im ABGB war es ja, den „ehrlichen“ Finder von
(archäologischen) Schätzen durch seine Belohnung mit zuerst einem Drittel und – als sich
herausgestellt hatte, dass das nicht genügte, um das archäologisch-denkmalpflegerisch erwünschte
Ergebnis zu erzielen – ab 1846 mit einem Hälfteeigentumsanteil an von ihm getätigten Funden
wirtschaftlich wertvoller archäologischer Denkmale zur Einhaltung der Fundmeldepflicht der §§ 398
ABGB und dann später auch 8 Abs. 1 DMSG igF zu motivieren.
Dieser Belohnung wurde in der Schatzfundregelung des ABGB sogar konkret eine – wenn man es so
nennen möchte – Strafandrohung gegenübergestellt, nämlich die Bestimmungen des § 400 ABGB (die
ja durch Übernahme der Bestimmungen des § 398 ABGB samt aller sich daraus ergebenden
Rechtsfolgen der §§ 399-401 ABGB mittels der Bestimmungen des § 10 DMSG auch für alle
archäologischen Funde gelten), dass im Falle, dass der Finder bzw. auch der Grundeigentümer den
Fund verheimlicht, der Eigentumsanteil des derart schuldhaft Handelnden an den übergeht, der den
Fund stattdessen angezeigt hat. Diese „Strafandrohung“ für „unehrliche“ Finder (und gegebenenfalls
auch „unehrliche“ Grundeigentümer) ist gleichzeitig dann auch eine Belohnung für jenen „ehrlichen“
Zeugen, der die sträfliche Tat entdeckt und den zuständigen Autoritäten zur Anzeige gebracht hat.
Die Bestimmung des § 397 ABGB für gewöhnliche, verborgene Fundgegenstände geht, vor allem im
Zusammenspiel mit den Fundmeldebestimmungen des § 8 Abs. 1 DMSG igF, sogar noch weiter als das
und belohnt den ehrlichen Finder, der seine Funde der zuständigen Behörde anzeigt, bei wirtschaftlich
geringwertigen (aber dennoch potentiell wissenschaftlich hochwertigen) Gegenständen mit dem
Alleineigentum an diesen.
Beiden Arten der Belohnung liegt die Idee zugrunde, dass man Finder von möglicherweise
bedeutenden, aber zuvor im Verborgenen gelegenen (wenigstens möglicherweise archäologischen)
Sachen irgendwie dazu motivieren muss, diese auch den zuständigen Behörden zur Kenntnis zu
bringen. Denn gerade Funde von vergessenen, verlorenen, verborgenen oder verlassenen
Gegenständen bieten sich dazu an, dass ihr Finder sie sich heimlich, still und leise selbst aneignet. Im
Bereich des Fundwesens steht der Finder, sozusagen durch die Umstände erzwungenermaßen,
praktisch immer vor der Gelegenheit, die sprichwörtlich Diebe macht: die Sache, die er entdeckt hat,
330
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
hat entweder gar keinen Eigentümer mehr, oder ihr Eigentümer, falls sie denn einen hat, weiß in der
Regel nicht (mehr), wo er sie gelassen hat, ja oft sogar nicht einmal (mehr), dass sie jemals sein
Eigentum war, und bemerkt daher ihren (endgültigen) Verlust wahrscheinlich gar nicht. In der Regel
weiß auch niemand anderer, dass dem Finder, wenn er sich die Sache einfach still und heimlich
aneignet, diese Sache nicht „schon immer“ gehört hat, also sein rechtmäßiges Eigentum ist. Somit hat
der Finder jede erdenkliche Möglichkeit, sich die betreffende Sache zu seinem eigenen Vorteil einfach
anzueignen und so zu tun, als ob ihm diese Sache ohnehin schon immer gehört hätte, und z.B. durch
ihren Verkauf oder ihre Nutzung wirtschaftlich zu profitieren. Belohnungen für „ehrliche“ Finder,
welche die Sache, die sie sich jederzeit weitgehend gefahrlos für sich selbst zu ihrem eigenen Vorteil
aneignen hätten können, sind daher so ziemlich die einzige Möglichkeit, Finder, die vielleicht nicht
ganz so ehrlich sind wie der Gesetzgeber und die Gesellschaft das wollen würden, dazu zu motivieren,
sich doch an die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zu Funden zu halten.
Gerade das österreichische DMSG baut nun aber für die – gerade für ein grundsätzlich nach dem
konstitutiven Prinzip (DGUF 2013) funktionierendes Gesetz absolut essentielle – archäologische
Landesaufnahme – aus den schon erläuterten historischen Gründen – primär auf der ehrenamtlichen
Mithilfe interessierter Bürger auf; d.h. darauf, dass Bürger, die archäologische Funde machen, diese
auch der zuständigen Denkmalschutzbehörde melden, die für die selbstständige Durchführung einer
systematischen archäologischen Landesaufnahme vom Staat weder die erforderlichen personellen
noch finanziellen Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommt. Genau diesen wird nun aber durch die
Kombination der drei 1990 bzw. 1999 neu geregelten Bestimmungen jedwede Motivation dafür
genommen, solche Meldungen vorzunehmen.
Denn sie dürfen ja – dank der Regelung des § 11 Abs. 1 DMSG igF, wenigstens so wie sie das BDA bisher
ausgelegt hat – gar nicht mehr nach archäologischen Funden suchen, wenn man dem BDA (2016, 112) glauben wollte, nicht einmal mehr nach Oberflächenfunden, geschweige denn nach noch unter der
Erdoberfläche verborgenen Gegenständen, ohne nicht zuvor ein archäologisches Universitätsstudium
abgeschlossen und eine Einzeluntersuchungsgenehmigung erteilt bekommen zu haben. Damit wird
jede gezielte „Nachforschung“ nach archäologischen Funden von solchen interessierten Bürgern aber
zu einer verbotenen Handlung iSd § 400 ABGB, d.h. Bürger, die nicht bloß rein zufällig irgendeinen
Fund gemacht haben, müssen wenigstens damit rechnen, dass sie nicht nur wegen Verstoß gegen die
Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 angezeigt, sondern ihnen zusätzlich noch dank der Regelung des
§ 10 Abs. 1 DMSG iVm § 400 ABGB auch ihre Funde abgenommen werden. Damit wird aber aus einem
System zur Belohnung ehrlicher Finder ein System der Bestrafung ehrlicher Finder, wenigstens, wenn
es sich bei ihnen – wie das meistens der Fall ist, wenn jemand archäologische Funde macht – um solche
handelt, die es gewagt haben, archäologische Funde nicht nur zufällig zu machen, sondern vorsätzlich
nach ihnen zu suchen; d.h. sich freiwillig in ihrer Freizeit archäologisch zu engagieren.
Damit bricht aber das – ohnehin eher fragile – System der archäologischen Landesaufnahme, von dem
das DMSG von Anbeginn an ausgegangen ist, notwendigerweise in sich zusammen. Dürfen engagierte
Bürger nicht mehr nach archäologischen Sachen suchen und müssen sie Bestrafung befürchten, die
die Konfiskation der Sachen inkludiert, für die sie sich interessieren, die dann in eines der öffentlich
unzugänglichen Depots (versuchen Sie z.B. einmal, Zutritt zum Zentrallager des BDA in der Kartause
Mauerbach zu bekommen: zeitweise hat das BDA nicht einmal einen Mitarbeiter für die Konservierung
der dort gelagerten Fundmassen beschäftigt, geschweige denn Personal, das interessierten
Mitgliedern der allgemeinen Öffentlichkeit Zugang geben und diese bei der Nutzung des „Archivs“
betreuen könnte; pers. Mitt. B. Hebert, BDA, 9.10.2017) des BDA verfrachtet werden, wo sie –
konservatorisch weitgehend unbetreut langsam vor sich hin vergammeln (siehe dazu schon Marius
2011, 32), dann sind sie – absolut vorhersehbarerweise – ganz bestimmt nicht mehr motiviert,
331
… et respice finem
irgendwelche Funde, die sie machen, und neue Fundstellen, die sie entdecken, dem BDA zu melden.
Aber tun sie das nicht, erfährt auch das BDA von neu entdeckten (oder schon zum x-ten Mal
„wiederentdeckten“) Fundstellen nichts mehr, von denen es Kenntnis erlangen müsste, wenn es sie
schützen können soll. Dies ist wohl einer der Hauptgründe, dass die Anzahl der dem BDA bekannten
Fundstellen seit Jahren weitgehend stagniert (Picker et al. 2016, 285).
Das Ziel des BDA, „keine Suchgenehmigungen mit Metalldetektoren“ (Szemethy 2004, 160) mehr
ausstellen zu „müssen“, schien also erreicht worden zu sein; und wie man Hubert Szemethys
Zusammenfassung seines Gesprächs mit der damaligen Leiterin der Abteilung für Archäologie im BDA
entnehmen kann, hat diese wenigstens gegenüber einem Fachkollegen, der sich mit der Frage der
„illegalen Archäologie“ in Österreich beschäftigte, den Eindruck erweckt an die Effektivität dieser
Lösung des „Metallsucherproblems“ zu glauben. Gleichzeitig hat sie sich aber gewundert, dass die „im
Gesetz verpflichtend vorgeschriebenen Fundmeldungen unterbleiben“ (Szemethy 2004, 160).
Was für eine Überraschung, wirklich!
Man hat also einfach nicht bis zum absolut vorhersehbaren Ende gedacht und auch nicht den mindesten
Gedanken ans Allgemeinwohl oder auch nur das Wohl der Archäologie verschwendet, sondern
versucht, auf dem am leichtesten erscheinenden Weg dadurch, dass man den Gesetzgeber darüber
anschwindelt, was man wirklich will, möglichst totale Kontrolle über archäologische Handlungen im
Land und das Schicksal der österreichischen Archäologie zu bekommen und seine eigennützigen Ziele
zu erreichen. Die dadurch erzeugten Probleme dürfen wir jetzt alle ausbaden.
Schon wieder derselbe denkmalrechtliche Denkfehler
Das vielleicht Pikanteste an all dem soeben ausgeführten ist aber, dass es in Wahrheit natürlich alles
sowieso nicht stimmt, weil all dem und insbesondere dem Verwaltungshandeln des BDA wieder
einmal ein fundamentaler denkmalrechtlicher Denkfehler zugrunde liegt.
Denn gem. § 10 Abs. 1 DMSG gelten ja nur bewegliche Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 automatisch als
Schatzfunde iSd § 398 ABGB, nicht alle aufgefundenen Fundgegenstände:
„Werden bei Grabungen und anderen wissenschaftlichen Nachforschungen, die durch Organe
von Gebietskörperschaften einschließlich deren Museen, Sammlungen oder sonstigen
wissenschaftlichen Einrichtungen oder auf deren Anordnung bzw. Ersuchen durchgeführt
werden, bewegliche Gegenstände gefunden oder zu Tage gefördert, die so lange im Boden
verborgen gewesen sind, dass ihr Eigentümer nicht mehr ermittelt werden kann und bei denen
es sich um Bodendenkmale handelt, so besteht im Interesse einer gesicherten Verwahrung in der
wissenschaftlichen Sammlung einer Gebietskörperschaft
ein Ablöserecht der
Gebietskörperschaft, die Hälfteeigentümerin ist, an jenem Eigentumsanteil, der dem Eigentümer
des Grundes durch die Bestimmung des § 399 ABGB zukommt. Das Gleiche gilt auch für jene
Fälle, in denen dem Bund gemäß § 400 ABGB im Hinblick auf unerlaubte Handlungen des Finders
dessen Anteil zugefallen ist. Bewegliche Bodendenkmale gelten - unabhängig von ihrem
Verkehrswert - stets als Schatzfund.“ (§ 10 Abs. 1 DMSG).
Nun sind aber – wie wir schon weiter oben (Seiten 141-158) gesehen haben – die überwältigende
Mehrheit aller – selbst aller bei systematischen archäologischen Ausgrabungen geborgenen –
archäologischen Bodenfunde überhaupt keine Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG. Zur Erinnerung:
nur Gegenstände, die infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit offenkundig den Beschränkungen
des DMSG unterliegen könnten, sind Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG.
332
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Zur Bestimmung der Antwort auf die Frage, ob ein Fundgegenstand ein Bodendenkmal ist, ist also eine
denkmalrechtliche Beurteilung dieses konkreten Gegenstandes vorzunehmen, bei der Erika Pieler
zufolge ein „allzu hoher Maßstab […] jedoch nicht angenommen werden“ darf (Karl et al. 2017, 111),
weil „ob es sich bei dem gefundenen Gegenstand „offenkundig“ um ein Denkmal handelt, […] objektiv
und unabhängig vom Kenntnisstand des Finders zu beurteilen“ ist (Bazil et al 2015, 56-7). Pieler
schreibt daher weiter zu dieser Frage, dass „der Fund eines römerzeitlichen Bronzehelms vermutlich
jedem Finder als bedeutend erscheinen mag“, während „sich die Lage etwa bei Relikten aus dem
Zweiten Weltkrieg anders“ darstelle (Karl et al. 2017, 112).
Es muss eben „offenkundig“ – d.h. für jeden gewöhnlichen (unvoreingenommenen) Finder bei bloßer
Betrachtung des Fundes unmittelbar und weitgehend zweifelsfrei erkennbar – sein, dass es sich bei
ihm um ein derart außergewöhnliches Denkmal iSd § 1 Abs. 1 DMSG handelt, dass seine Erhaltung
aufgrund seiner besonderen Bedeutung wenigstens (iSd § 1 Abs. 5) wahrscheinlich im öffentlichen
Interesse gelegen ist, damit er ein Bodendenkmal iSd § 8 Abs. 1 DMSG ist. Die überwältigende
Mehrheit aller – auch aller bei systematischen archäologischen Ausgrabungen entdeckten –
Bodenfunde entspricht aber der Legaldefinition des Bodendenkmalbegriffs in § 8 Abs. 1 DMSG nicht:
der über keinen besonderen Kenntnisstand (bzw. keinen besonderen fachlichen Sachverstand)
verfügende gewöhnliche Finder erkennt bei der überwältigenden Mehrheit aller archäologischen
Bodenfunde nicht, dass wahrscheinlich ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung besteht (Karl et
al. 2014, 8-13), geschweige denn, dass ihm das offenkundig wäre. Und das wiederum liegt nicht zuletzt
daran, dass auch in nahezu allen Fällen an der Erhaltung archäologischer Bodenfunde iSd § 1 Abs. 1
DMSG ein öffentliches Interesse iSd § 1 Abs. 2 DMSG tatsächlich nicht besteht, weshalb das BDA auch
so gut wie keinen beweglichen Bodenfund in seiner bald 100-jährigen Handhabungspraxis
rechtskräftig unter Denkmalschutz gestellt hat (siehe auch Seiten 141-144).
Damit hat der Gesetzgeber dadurch, dass er in § 10 Abs. 1 DMSG Funde von Bodendenkmalen generell
als Schatzfunde iSd § 398 ABGB definiert hat, also das ursprüngliche Problem nur verschoben. War es
früher primär von der Frage abhängig, ab welchem wirtschaftlichen Wert ein Fundgegenstand als
Schatz und nicht bloß als beliebiger herrenloser Gegenstand iSd § 397 ABGB betrachtet werden muss,
hängt die eigentumsrechtliche Zuordnung eines Fundes nun von der Frage ab, ob er „offenkundig“
bedeutend genug ist, um als Bodendenkmal iSd § 8 Abs 1 DMSG und daher iVm § 10 Abs. 1 DMSG als
Schatz iSd § 398 ABGB betrachtet werden muss oder nur ein beliebiger herrenloser Gegenstand iSd §
397 ABGB ist.
Nachdem die überwältigende Mehrheit aller archäologischen Bodenfunde weder Bodendenkmale iSd
§ 8 Abs. 1 DMSG sind noch ihr finanzieller Wert mehr als € 10 beträgt und sie daher auch nicht
aufgrund ihres wirtschaftlichen Werts Schatzfunde iSd § 398 ABGB sein können, gilt daher eigentlich
ohnehin unverändert für die Masse aller – auch bei systematischen Ausgrabungen entdeckten –
beweglichen Kleinfunde das freie Zueignungsrecht des Finders (gem. §§ 397 iVm 395 ABGB. Und das
gilt selbstverständlich insbesondere für von Metallsuchern entdeckte und durch unsachgemäße
Bergung dekontextualisierte Bodenfunde, denen eben nach vorherrschender Fachmeinung (z.B.
Kriesch et al. 1997, 25-6; Brunecker 2008, 19) praktisch keinerlei wissenschaftliche Bedeutung und
daher in aller Regel auch kein Denkmalwert mehr zukommen kann. Es hat sich im Vergleich zur
Regelung davor also – bis auf das marginale Detail, ob man nun zusätzlich zu über den finanziellen
eventuell auch über den Denkmalwert entdeckter beweglicher Bodenfunde streiten muss – im Prinzip
auch in dieser Beziehung seit 1923 überhaupt nichts geändert.
Auf die Vorstellung, dass in Österreich aufgrund der Bestimmung des § 10 Abs. 1 DMSG für alle
archäologischen Bodenfunde die hadrianische Teilungsregel des § 399 ABGB gilt, kann man nur
verfallen, wenn man den Begriff Bodendenkmal iSd § 8 Abs. 1 fälschlich als alle archäologischen Funde
333
… et respice finem
und Befunde umfassenden Begriff versteht. Das tut das BDA, wie wir ja schon weiter oben gesehen
haben (Seiten 296-303), bekanntermaßen auch allzu gerne, und braucht uns daher auch gar nicht zu
überraschen. Wir sehen hier neuerlich die devastierenden Folgen des Versuchs, mittels eines
Denkmalschutzgesetzes, das „von vornherein von einer klaren Beschränkung durch wissenschaftlich
überlegte Auswahl“ ausging und dem BDA daher als eine seiner „schwierigsten Aufgaben“ auftrug
„jene Auswahl in jenem Umfang für die Unterschutzstellungen zu treffen, die vom Fachlichen her
erforderlich ist und vom Administrativen her bewältigt werden kann“ (RV 1999, 39), einen totalen
archäologischen Denkmalschutz (Seiten 129-135) zu erreichen.
Na echt jetzt? Die ganzen Probleme mit dem Fundeigentum gibt es aus rechtlicher Sicht eigentlich gar
nicht, sondern das BDA hat sich die nahezu ausschließlich durch seine dem explizit ausgedrückten
Willen des Gesetzgebers diametral entgegengesetzte Auslegung und Anwendungspraxis der
gesetzlichen Bestimmungen des DMSG selbst verursacht? Wer hätte das gedacht, wo doch
Denkmalbehörden generell nie irgendwelche Fehler machen und über jede Kritik erhaben sind? Naja,
außer vielleicht sie kommt vom Rechnungshof (RH 2017), der nur irrtümlich die Probleme, die er im
BDA identifiziert hat, auf mangelhaftes Management und nicht darauf zurückgeführt hat, dass die
Behörde in vielen Fällen vorsätzlich das Gegenteil dessen zu erreichen versucht, was ihr der
Gesetzgeber aufgetragen hat. Was die Sache nicht besser, sondern nur noch schlechter macht…
Wie motiviert man Bürger, sich denkmalgerecht zu verhalten?
Wie man im Umkehrschluss aus dem soeben Gesagten ableiten kann, bedarf es, um jene, deren
Handeln archäologische Denkmale im Boden gefährden kann, dazu zu animieren, das aus
archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht „Richtige“ zu tun, geeigneter und auch einigermaßen
zielgenau treffender Anreize, denn nur solche erzeugen die erwünschte, verhaltenssteuernde
Wirkung; gleichgültig ob es sich bei diesen Anreizen nun um Strafen handelt, denen die Betroffenen
möglichst entgehen wollen, oder um Belohnungen, die die Betroffenen möglichst erhalten wollen. Um
solche Anreize auch tatsächlich bieten zu können, muss man sich daher – wenigstens kurz – mit dem
beschäftigen, was jene, deren Verhalten archäologische Denkmale im Boden gefährden könnte,
überhaupt bei ihren, archäologische Denkmale gefährden könnenden, Handlungen erreichen wollen.
Denn nur, wenn man weiß, was die, deren Handlungen man in bestimmte Richtungen steuern will,
überhaupt erreichen wollen, kann man ihnen Anreize geben, die auch tatsächlich ihr Verhalten
(einigermaßen effektiv) in die erwünschte Richtung lenken.
Es bringt schließlich weder etwas, jemandem, der mit einer Handlung ein Ziel erreichen möchte, als
„Anreiz“ diese Handlung in bestimmter Weise zu gestalten oder gar gänzlich zu unterlassen, etwas
anzubieten, was diesen Handelnden gar nicht interessiert. Noch bringt es etwas, ihn mit irgendeiner
Strafe bzw. Konsequenz zu bedrohen, deren Eintreten er nicht fürchtet oder für so unwahrscheinlich
hält, dass ihn die Drohung nicht schreckt. Vielmehr muss man, wenn man eine Person dazu bewegen
will, Handlung A zu unterlassen und stattdessen Handlung B zu setzen, dieser Person als Anreiz etwas
bieten, was sie mindestens ebenso sehr, wenn nicht sogar noch mehr möchte als das, was sie dadurch
erreichen würde, wenn sie Handlung A setzt. Damit man das kann, muss man aber eben zuerst einmal
wissen, was diese Person überhaupt will, weil man nur dann dieser Person auch etwas anbieten kann,
das sie dazu motivieren kann, statt Handlung A Handlung B zu setzen.
Für unser konkretes Problem, wie man die gesetzlichen Regelungen für die archäologische
Denkmalpflege so gestalten kann, dass sie das Verhalten jener, deren Handlungen archäologische
Denkmale im Boden gefährden könnten, einigermaßen effektiv in die erwünschte und archäologischdenkmalpflegerisch notwendige Richtung steuern, muss man sich daher insbesondere mit zwei
Personengruppen etwas genauer auseinandersetzen: mit jenen Individuen die – aus welchen Gründen
auch immer und egal ob allein oder als Gruppe – gezielt nach archäologischen Objekten im oder auf
334
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
dem Erdboden suchen wollen, also Heimatforschern, Metall- und Schatzsuchern sowie
professionellen Archäologen; und jenen Individuen, die – aus welchen anderen Gründen auch immer
– Handlungen setzen wollen oder müssen, bei denen es zwangsweise zu maßgeblichen Eingriffen in
den Erdboden kommt, also in der Bau-, Land- und Forstwirtschaft tätige Menschen, die im Rahmen
ihrer Arbeit „Löcher“ in den Boden machen (müssen). Alle anderen Menschen können uns in diesem
Zusammenhang hingegen weitgehend gleichgültig sein, denn diese setzen gewöhnlich keine
Handlungen, die archäologische Denkmale im Boden maßgeblich gefährden könnten. Von Letzteren,
wenn überhaupt, unter sehr außergewöhnlichen Umständen „zufällig“ gefundene archäologische
Objekte, die, aus welchen Gründen auch immer, an die Erdoberfläche gelangt sind, sind so selten, dass
man diese Menschen und ihre Funde – die noch dazu gewöhnlich schon „gestört“ und daher auch
wissenschaftlich nicht mehr „besonders“ bedeutend sind – getrost bei der Entwicklung geeigneter
archäologisch-denkmalschützerischer Anreize vernachlässigen kann.
Personen mit tatsächlicher („archäologischer“) Entdeckungsabsicht
Natürlich ist es so, dass Personen, die gezielt im Boden nach Gegenständen suchen, die – wenigstens
manche davon – derart beschaffen sind, dass sie als archäologische Denkmale zu betrachten sind, aus
zahllosen verschiedenen Gründen ihren Nachforschungen zum Zwecke der Entdeckung dieser
Gegenstände nachgehen und auch teilweise ganz unterschiedliche Endziele damit erreichen wollen.
Das Spektrum der Gründe erstreckt sich dabei von rein wissenschaftlichen Forschungsmotiven über
allgemeinwohlnützliche Motive wie das der Entdeckung, Sicherung und möglichst gefahrlosen
Entfernung bzw. Entsorgung von Gefahrenstoffen (wie z.B. noch explosiven Kriegsrelikten) bis hin zu
rein hedonistischen Motiven und der mehr oder minder bewussten Verarbeitung bzw. Bearbeitung
von „mehr oder weniger schweren Lebensproblem[en]“ (Jung 2010, 326).
Selbst innerhalb vergleichsweise geschlossener Untergruppen dieses weiten Feldes von
unterschiedlich motivierten Individuen handelt jede einzelne Person auch nur sehr selten aus bloß
einem einzigen Motiv: betrachtet man z.B. die Motivationen von MetallsucherInnen etwas näher,
stellt sich heraus, dass beinahe bei allen die Ausübung des Hobbys der Metallsuche nicht monokausal
durch ein einziges Motiv, sondern meist durch eine Kombination mehrerer Motive, die ihrerseits vom
„Interesse an der Geschichte“ und echten wissenschaftlichen Forschungsinteressen bis zu „nur so zum
Spaß“ und „um sich fit zu halten“ gehen, erklärbar ist (Karl 2011b, 122). Über alle Personen, die mit
tatsächlicher Entdeckungsabsicht nach Gegenständen suchen, unter denen sich auch archäologische
Denkmale befinden können, ist das Spektrum der Suchhandlungen auslösenden Motivationen nur
noch breiter und noch multikausaler (so z.B. suchen fast alle professionellen ArchäologInnen nach
archäologischen Gegenständen natürlich nicht nur aus wissenschaftlichem Erkenntnisdrang, sondern
auch, weil ihnen das Suchen und Finden Spaß macht, sie es oft auch aus verschiedenen Gründen für
notwendig halten und natürlich in vielen Fällen auch deshalb, weil das der Beruf ist, für dessen
Ausübung sie bezahlt werden; wobei dieser Motivmix in jedem Einzelfall – und zwar dem Einzelfall
jeder Suche, nicht nur jeder Person – wenigstens etwas unterschiedlich ist).
Wenigstens ebenso weit gestreut sind die Endziele, die diese verschiedenen Personen mit ihren
Suchhandlungen zu erreichen versuchen, also erreichen wollen. Dies umfasst u.a.: den Wunsch solche
Gegenstände langfristig dadurch zu erhalten, dass sie einer öffentlichen Sammlung überlassen
werden, in der sie für alle Zeit gut verwahrt und behandelt werden; sie daheim auf den Kaminsims
stellen und stolz Freunden zu zeigen; sie – wie z.B. im Fall von Kriegsmaterialien – sicher zu entsorgen;
bis dahin, dass die Person, die sie sucht, so rasch als möglich aus ihrem Verkauf so viel Geld als möglich
machen will, damit sie sich irgendetwas kaufen kann, das sie gerne hätte, auch wenn sie noch nicht
einmal weiß, was das, was sie gerne kaufen würde, überhaupt ist. In manchen Fällen ist sogar das
Endziel das Finden selbst bzw. das mit dem Suchen und Finden verbundene Gefühl.
335
… et respice finem
Es erscheint daher auf den ersten Blick sehr schwierig, wenn nicht sogar nahezu unmöglich, alle diese
verschiedenen Motive und Ziele so zusammenzufassen, dass sich ein all diesen oder wenigstens
nahezu all diesen Motiven und Zielen gemeinsamer Wunsch derer, die solche gezielten
Suchhandlungen vornehmen, isolieren lässt, den man dann durch gesetzliche Regularien
anzusprechen versuchen könnte. Das lässt es folglich nahezu unmöglich erscheinen, einen Anreiz zu
finden, der alle diese Personen dazu motivieren könnte, ihre Handlungen so zu modifizieren, dass die
gewünschte gesetzliche Verhaltenssteuerungswirkung dadurch erreicht werden kann.
Dennoch denke ich, dass es einen kleinsten gemeinsamen Nenner gibt, der all diese Motive und Ziele
vereint und daher auch einen Ansatzpunkt für gesetzliche Regelungen zur Schaffung geeigneter
Anreize bieten kann, die die gewünschte verhaltenssteuernde Wirkung entfalten könnten. Dieser
Ansatzpunkt ist noch dazu schon seit langem bekannt und wird gerade in der archäologischen
Denkmalpflege auch schon, wenigstens bis zu einem gewissen Grad, genutzt, wenn auch noch bei
weitem nicht in größtmöglichem Ausmaß.
Dieser kleinste gemeinsame Nenner ist der, dass allen Personen, die gezielt nach Gegenständen im
Boden suchen, unter denen sich auch archäologische Denkmale befinden könnten, gemein ist, dass
sie wenigstens die tatsächliche, und in den meisten Fällen auch die rechtliche, Verfügungsgewalt über
diese Gegenstände gewinnen wollen: sie suchen sie letztendlich nahezu alle dazu, damit sie dann mit
ihnen tun können, was sie mit ihnen tun wollen, was auch immer das genau ist, was sie dann mit ihnen
tun wollen. Dabei mag es durchaus der Fall sein, dass sie diese Verfügungsgewalt nicht dauerhaft, ja
nicht einmal mittelfristig haben wollen, sondern das Erringen der (wenigstens der tatsächlichen)
Verfügungsgewalt über diese Sachen nur Mittel zum Zweck ist. Dennoch, ob für kurz oder länger, für
allgemein- oder gänzlich eigennützige Zwecke, sie wollen sie – wenigstens vorerst einmal – in ihre
Gewalt bringen, was auch immer sie dann mit ihnen zu tun beabsichtigen.
Dass solche Personen die tatsächliche Verfügungsgewalt über die von ihnen gesuchten und
entdeckten Gegenstände erringen, lässt sich, wie die Erfahrung zur Genüge gezeigt haben sollte,
weder besonders effektiv verhindern noch besonders gut steuern: schließlich entdecken sie in der
Regel Gegenstände, von deren Existenz niemand anderer weiß und die daher in der Regel auch weder
vor ihrer Entdeckung noch vor der Inbesitznahme durch ihren Finder geschützt werden können. Auch
und gerade gesetzliche Bestimmungen die, wie das BDA das mittels seiner bisherigen Auslegung des
§ 11 Abs. 1 DMSG zu erreichen versucht hat, die Nachforschung zum Zwecke der Entdeckung dieser
Gegenstände verbieten (sollen), haben sich – auch im internationalen Vergleich – als absolut ineffektiv
erwiesen (Karl & Möller 2016): wer solche Gegenstände suchen will, der tut das; und zwar auch wenn
es verboten ist, weil er dieses Verbot entweder für falsch oder für sinnlos hält oder glaubt, dass er
ohnehin nicht erwischt werden wird.
Nachdem aber der Finder mit der – gewöhnlich von anderen unbemerkten – Entdeckung eines –
gewöhnlich allen anderen auch unbekannten – Gegenstandes nun die tatsächliche Verfügungsgewalt
über ihn erlangt, kann er nun auch tatsächlich darüber entscheiden, was mit diesem Gegenstand in
weiterer Folge geschehen soll. Selbst wenn der Finder ein professioneller Archäologe ist, der ihn
bestmöglich schützen will, kann dieser entscheiden ihn im Boden zu belassen oder auszugraben, ihn
gleich wieder wegzuwerfen oder mitzunehmen, und natürlich auch ihn sachgerecht zu dokumentieren
oder vollkommen undokumentiert zu lassen. Dasselbe gilt natürlich auch für jeden anderen Finder,
der gezielt nach solchen Gegenständen gesucht hat. Es ist daher genau dies der Zeitpunkt, an dem
allfällige gesetzliche Bestimmungen einen Anreiz bieten sollten und nötigenfalls auch müssen, der es
dem Finder möglichst vorteilhaft erscheinen lässt, den Gegenstand so zu behandeln, wie er aus
archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht behandelt werden sollte.
336
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Glücklicherweise ist es nun gerade bei „vorsätzlichen“ Findern so, dass diese normalerweise nicht nur
die tatsächliche Verfügungsgewalt über die gesuchten und entdeckten Gegenstände erringen wollen,
sondern auch die rechtliche Verfügungsgewalt. Denn nahezu alle möglichen Folgehandlungen, die der
Finder des gezielt gesuchten Gegenstandes mit oder bezüglich dieses Gegenstandes setzen wollen
kann, erfordern, dass der Finder nicht nur die tatsächliche, sondern auch die rechtliche
Verfügungsgewalt über den aufgefundenen Gegenstand erhält.
Das ist so bei professionellen Archäologen, die ihn sachgerecht dokumentieren und in weitere Folge
untersuchen und schließlich einer öffentlichen Museumssammlung überlassen wollen (wenn sie ihn
nicht ohnehin schon im Auftrag einer solchen als für diese Aufgabe entlohnte Arbeitskräfte finden,
d.h. eigentlich diese Museumssammlung die rechtliche Verfügungsgewalt über, d.h. das Eigentum an,
diesem Gegenstand erringen möchte). Das ist aber auch genauso bei Schatzsuchern, die den
Gegenstand dann möglichst gewinnbringend verkaufen wollen. Es ist auch so bei Heimatforschern,
die den Gegenstand ihrem Heimatmuseum überlassen wollen, ebenso bei Privatsammlern, die ihn
ihrer Privatsammlung hinzufügen wollen: alle diese brauchen einen rechtmäßigen
Eigentumsanspruch, um diese Folgehandlungen rechtmäßig setzen zu können. Das gilt selbst für den
Müllsammler, der nur das Feld des befreundeten Biobauern von schädlichem Altmetall befreien
möchte: damit er die aufgesammelten Gegenstände rechtmäßig wegwerfen darf, braucht auch der
Müllsammler einen rechtmäßigen Eigentumstitel an den wegzuwerfenden Gegenständen. Einzig
Mitarbeiter des Minenräumdienstes, die noch scharfe Kampfmittel zum Schutz des Allgemeinwohles
sprengen wollen, und alle „Sucher“, die „nur so zum Spaß“ oder „um sich fit zu halten“ oder des reinen
Findegefühls wegen die entdeckten Gegenstände gesucht haben, wollen vielleicht kein Eigentum an
den von ihnen entdeckten Gegenständen erwerben. Aber selbst bei den Letztgenannten kann man –
nachdem ja, wie bereits oben gesagt wurde, die wenigsten „Sucher“ nur aus einem einzigen Motiv
suchen – in der Regel davon ausgehen, dass sie, wenigstens, wenn sie irgendetwas finden, was
wertvoll ausschaut oder sich als Souvenir eignet, einen rechtlichen Eigentumstitel an den entdeckten
Gegenständen erwerben wollen.
Zwar brauchen viele davon den rechtlichen Eigentumstitel an den von ihnen gefundenen Sachen nicht
unbedingt: selbstverständlich kann man den entdeckten „alten Mist“ auch einfach in die nächste
Mülltonne werfen, ohne dass man die rechtliche Verfügungsgewalt über ihn hat; die tatsächliche
Verfügungsgewalt reicht dafür vollständig aus. Ebenso ist die rechtliche Verfügungsgewalt über den
Fund zu erhalten weitgehend irrelevant, wenn man ihn nur seiner eigenen Privatsammlung
einverleiben will und es einem auch egal ist, ob einstmals die eigenen Nachkommen diese Sammlung
auch rechtmäßig erben und gegebenenfalls zu Geld machen können: auch für die bloße Einverleibung
des Fundgegenstandes in die eigene Privatsammlung genügt die tatsächliche Verfügungsgewalt –
wenigstens vorerst – so gut wie vollständig. Dennoch: selbst für diese beiden Untergruppen der
„vorsätzlichen“ Finder, denen die tatsächliche Verfügungsgewalt eigentlich genügt, bietet der Erwerb
eines rechtmäßigen Eigentumstitels einen gewissen Vorteil.
Für praktisch alle anderen Finder hingegen ist der Erwerb des rechtmäßigen Eigentums an den
entdeckten Gegenständen eine essentielle Voraussetzung, um alle ihre weiter bezüglich des
Gegenstandes geplanten Folgehandlungen legal möglich zu machen: die Archäologen oder
Heimatforscher, die ihre Funde einem Museum – ob es nun öffentlich oder mehr oder minder privat
ist – überlassen wollen, können das nur dann legal tun, wenn ihnen die Funde, die sie dem Museum
schenken wollen, auch tatsächlich gehören. Haben sie hingegen keinen Nachweis eines rechtmäßigen
Erwerbs des Eigentumstitels, sollte das Museum, dem sie ihre Funde überlassen wollen, deren
Annahme verweigern, wenigstens wenn es sich an den Ethikkodex für Museen hält (ICOM 2017). Und
die Schatzsucher, die ihre Funde dann am nationalen oder internationalen Kunst- bzw. Antikenmarkt
337
… et respice finem
verkaufen wollen, bedürfen sowieso – wenn sie nicht den Schwarzmarkt bemühen wollen, auf dem
sie geringere Rendite als auf dem legalen Markt erzielen würden – eines rechtmäßigen
Eigentumsnachweises.
Dass letztendlich der rechtmäßige Erwerb eines Eigentumsanspruchs das Zuckerbrot ist, mit dem man
Findern verlorener, vergessener, verborgener oder verlassener Gegenstände ihre Meldung an die
zuständigen Behörden schmackhaft zu machen versucht, liegt ohnehin schon den Funde solcher
Gegenstände betreffenden Bestimmungen des ABGB zugrunde: deshalb erhält der Finder eines
Gegenstandes, der noch einen Eigentümer hat, einen Anteil am Wert des Gegenstandes als Finderlohn
erstattet, darf der Finder eines Gegenstandes, dessen Eigentümer nicht mehr ermittelt werden kann,
sich diesen zueignen und erhält der Finder eines Schatzes iSd § 398 ABGB gem. § 399 ABGB einen
Hälfteeigentumsanteil am gefundenen Schatz. Dass ein größerer Eigentumsanteil für jene, die – weil
sie den zuvor ja unbekannten Gegenstand gefunden haben – tatsächliche Verfügungsgewalt über ihn
haben, besser ist als nur ein geringerer, weil der größere Eigentumsanteil sie verstärkt zur Meldung
animiert, liegt schon der Aufgabe des staatlichen Eigentumsdrittels an Schatzfunden mittels des
Hofkanzleidekrets vom 15. Juni 1846 zugrunde, wie wir ja schon weiter oben gesehen haben (siehe
auch Frodl 1988, 34).
Diesen Gedanken braucht man nur konsequent zu Ende zu denken; und man hat den notwendigen
Anreiz, der vorsätzlichen Findern zuvor noch unbekannter archäologischer Denkmale das gibt, was sie
wollen, und mit dem man sie daher dazu motivieren kann, ihr Handeln in einer Weise zu gestalten,
dass die erwünschte gesetzliche Verhaltenssteuerungswirkung auch tatsächlich (wenigstens in einer
größeren Anzahl der Fälle als bisher) eintreten wird. Will man den Finder dazu motivieren, dass er
gesetzliche Fundmeldebestimmungen bzw. wie hier vorgeschlagen Dokumentationspflichten einhält,
die aus archäologisch-denkmalschützerischen Gründen notwendig erscheinen, muss man ihn eben an
dem Zeitpunkt, an der er die tatsächliche Verfügungsgewalt über die archäologischen Denkmale, die
man schützen möchte, erreicht, den Vorteil bieten, nicht nur die tatsächliche, sondern auch die
rechtliche Verfügungsgewalt über diese Gegenstände zu erwerben; eben unter der Voraussetzung,
dass er sich an die Bestimmungen hält, die aus archäologisch-denkmalschützerischer Sicht angebracht
erscheinen.
Dabei ist allerdings gleich auch zu beachten, dass man das nicht halbherzig tun darf, wie das bisher
durch die Bestimmungen des ABGB, vor allem in Verbindung mit den Bestimmungen des DMSG bzw.
deren Auslegung durch das BDA seit 1990 bzw. spätestens 1999 der Fall ist: statt wie durch § 10 Abs.
1 DMSG igF auf die Bestimmungen des § 399 ABGB für Schatzfunde und die damit verbundene
hadrianische Eigentumsteilungsregel abzustellen (oder, gar noch schlimmer, durch die Hintertüre der
angeblichen Verletzung der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG bei der Nachforschung durch
Rückgriff auf die Bestimmungen des § 400 ABGB einen staatlichen Hälfteeigentumsanspruch zu
generieren zu versuchen), muss man eben auf die Bestimmungen der §§ 395 und 397 ABGB, d.h. das
freie Aneignungsrecht von Funden herrenloser Güter durch ihren Finder abstellen, das, wie gerade
ausgeführt (Seiten 332-334), ohnehin auch derzeit tatsächlich für die überwältigende Mehrheit aller
archäologischen Bodenfunde gilt. Denn wir dürfen nicht vergessen: der Finder hat ja bereits durch
seine Entdeckung die tatsächliche Verfügungsgewalt über den entdeckten Gegenstand erlangt; d.h.
kann bereits tatsächlich mit ihm das tun oder auch lassen, was er will, auch wenn das (vielleicht)
gesetzlich verboten ist.
Unter diesen Voraussetzungen stellt für den Finder des Gegenstandes dessen Meldung und die damit
verbundene Aufgabe wenigstens eines Teils, wenn nicht sogar – wenn die Bestimmungen des § 400
ABGB zur Anwendung kommen sollten – der gesamten rechtlichen Verfügungsgewalt über den
Gegenstand zum Zeitpunkt, an dem er die tatsächliche Verfügungsgewalt über den ja noch allen
338
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
anderen gänzlich unbekannten Gegenstand bereits erreicht hat, einen nicht unbedeutenden Nachteil
dar: mit dem Verlust wenigstens der Hälfte, wenn nicht sogar der gesamten rechtlichen
Verfügungsgewalt über den Gegenstand wird seine tatsächliche Verfügungsgewalt über diesen
wenigstens stark beschränkt, wenn nicht sogar ihm gänzlich entzogen. Unterschlägt er den
Gegenstand hingegen, also sagt niemandem, und schon gar nicht den staatlichen Behörden, dass und
wo er ihn gefunden hat, hat er – und sei es nur im Zweifel, weil sich die Herkunft des Gegenstandes,
wenn er sie verschweigt, ja in der Regel nicht mehr ermitteln lässt – eine gute Chance, wenigstens die
tatsächlich uneingeschränkte Verfügungsgewalt über den Gegenstand zu erhalten, wenn nicht sogar
auch eine gute Chance, auch die rechtliche Verfügungsgewalt über den Gegenstand zu erlangen, weil
dieser ja keinem anderen möglichen Eigentümer abgeht.
Nur wenn sich der Finder des Gegenstandes sicher sein kann, dass er durch Beachtung gesetzlicher
Melde- bzw. Dokumentationspflichten nicht nur die (mehr oder minder uneingeschränkte)
tatsächliche Verfügungsgewalt, sondern auch die (weitgehend) uneingeschränkte rechtliche
Verfügungsgewalt über den Gegenstand erwerben kann, entsteht ihm aus der Beachtung der ihm
dafür auferlegten gesetzlichen Pflichten ein tatsächlicher Vorteil, der sein Verhalten in die Richtung
steuern kann, sich an die gesetzlichen Pflichten zu halten, auch wenn er dafür etwas mehr Aufwand
in Kauf nehmen muss, als wenn er den Gegenstand bloß einfach heimlich mitnimmt. Denn kann er
sich dessen sicher sein, dass er, wenn er die ihm im Fall der Entdeckung eines archäologischen
Denkmales auferlegten gesetzlichen Pflichten beachtet, auch tatsächlich die uneingeschränkte
rechtliche Verfügungsgewalt über den betreffenden Gegenstand erhält, dann kann er sich natürlich
auch sicher sein, dass er auch die tatsächliche Verfügungsgewalt über diesen Gegenstand – die er ja
bereits hat – sicher so lange behalten kann, wie er das möchte. Das ist dann natürlich wirklich ein
Vorteil für ihn, denn seine zwar tatsächlich, aber nur bei mehr oder minder dauerhafter
Geheimhaltung des Fundes, bestehende Verfügungsgewalt über diesen bleibt ja stets unsicher, wenn
er nicht auch die uneingeschränkte rechtliche Verfügungsgewalt über den Gegenstand erwirbt. Nur
der sichere Erwerb des Eigentumsrechtes an dem Gegenstand stellt für dessen Finder also einen
Vorteil dar, wenn er – da er ihn ja bereits gefunden hat – die tatsächliche, aber eben rechtlich noch
unsichere, Verfügungsgewalt über ihn bereits hat; und will man ihn dazu motivieren, sich an ihm
Aufwände verursachende gesetzliche Pflichten zu halten, muss man ihm diesen Vorteil auch
tatsächlich bieten.
Das sollte auch heutzutage ein viel geringeres Problem sein als 1812 oder auch 1846, als großen
Grundbesitz habender Adel und Klerus nicht auf einen Anteil an auf ihrem Grund und Boden
gefundenen Schätzen verzichten wollten und der Staat und insbesondere dessen monarchische
Führung auch ganz massiv auf die Unterstützung von Adel und Klerus zur Rechtfertigung und (auch
praktischen) Aufrechterhaltung der Staats- und Gesellschaftsordnung angewiesen war. Zwar hat der
Großgrundbesitz in Österreich immer noch nicht unmaßgeblichen politischen Einfluss; aber auch die
Großgrundbesitzer können eigentlich nichts gegen eine sinnvollere als die derzeitige
denkmalpflegerische Regelung des Umgangs mit beweglichen Kleinfunden haben.
Großgrundbesitzer brauchen auch das Einkommen aus möglicherweise auf ihrem Grund und Boden
gefundenen „archäologischen Schätzen“ nicht mehr; sondern eine privatrechtliche Lösung des
Eigentumsproblems wäre weit effektiver als die derzeitige staatlich verordnete hadrianische
Teilungsregel, die vorsätzliche Finder, wenn zu überhaupt irgendetwas, nur zur Unterschlagung von
Funden animieren kann. Denn GrundeigentümerInnen können Andere ja auch jederzeit von ihrem
Grundeigentum ausschließen und das unbewilligte Betreten ihres Grundes zum Zweck der
Nachforschung nach im Boden verborgenen Gegenständen nötigenfalls durch Besitzstörungsklagen
verfolgen; oder, was für sie noch weit sinnvoller ist und – wenigstens gerüchteweise – ohnehin schon
339
… et respice finem
von den einen oder anderen Eigentümern bekanntermaßen „archäologisch produktiver“ Grundstücke
getan wird, die Bewilligung zur Nachforschung auf ihren Grundstücken an interessierte Personen
verkaufen. Mit dem Verkauf von „privaten Nachforschungsgenehmigungen“ an interessierte
Personen kann ein Großgrundbesitzer, der nicht auf wirtschaftlichen Gewinn aus der archäologischen
Nachforschung nach Schätzen auf seinem Grund und Boden verzichten will, in der Regel vermutlich
weit mehr Gewinn lukrieren, als er aus zufällig oder auch vorsätzlich gefundenen Schätzen auf seinen
Grundstücken (die nicht durch ihre Finder unterschlagen werden) erwarten kann. Denn die
archäologische Schatzsuche ist letztendlich ein Glücksspiel, nicht anders als eine Lotterie, nur mit weit
geringeren Gewinnaussichten. Der Lotteriebetreiber gewinnt bekanntlich immer, während die
Lotteriespieler nur möglicherweise gewinnen, weil die meisten mehr einzahlen, als sie
herausbekommen.
Kleinere Grundbesitzer hingegen können ohnehin entweder ihren eigenen Grund und Boden nach
Schätzen durchsuchen, wenn sie denn vermuten, dass sich auf ihrem Grund und Boden welche finden
lassen könnten; oder aber einen Vertrag mit einem Schatzsucher ihres Vertrauens abschließen, der
ihnen für eine (wie auch immer vereinbarte) Fundwertteilung ihren Grund absucht. Eine per Gesetz
vorgeschriebene Eigentumsteilungsregel bringt also auch in diesem Fall wenig.
Wir dürfen auch nicht vergessen, dass gegen vorsätzliche Finder, die nur suchen, um sich selbst zu
bereichern zu versuchen, und dafür auch ungeniert das Eigentumsrecht anderer brechen, auch
gesetzliche Regelungen, die eine hadrianische Fundteilung vorsehen oder die Suche nach
archäologischen Denkmalen im Erdboden ganz verbieten, gar nichts nutzen. Wer vorsätzlich das
Gesetz brechen will, der lässt sich durch kein gesetzliches Verbot aufhalten und durch kein
gesetzliches Gebot zu bestimmten Verhalten bewegen: die verhaltenssteuernde Wirkung, die
gesetzliche Bestimmungen entfalten sollen, wirken stets nur bei solchen Menschen, die entweder
ohnehin freiwillig dazu bereit sind, sich an die Gesetze zu halten, oder die wenigstens durch
ausreichende Anreize dazu motiviert werden können. Die, die sich auch mit dem Grundeigentümer
nicht einigen wollen oder können, aber trotzdem heimlich seinen Grund durchsuchen und dann die
dort gemachten Funde unterschlagen wollen, werden das auch weiterhin tun, egal wie die
gesetzlichen Bestimmungen gestaltet sind.
Aber jene, die tatsächlich einen rechtmäßigen Eigentumsanspruch an ihren Funden erwerben wollen,
werden eher geneigt sein, ihre Funde zu dokumentieren und melden und sich auch mit dem
Grundeigentümer zu einigen, unter welchen Bedingungen (die gegebenenfalls auch eine Zahlung für
eine Sucherlaubnis beinhalten können) sie auf dessen Grund und Boden suchen dürfen, wenn sie sich
dann auch sicher sein können, tatsächlich das rechtmäßige Eigentum an ihren Funden zu erhalten.
Schafft man also diesen Anreiz, vergrößert man die Wahrscheinlichkeit maßgeblich, dass sich Finder
an Dokumentations- und Meldepflichten halten werden und erreicht somit eine Verhaltenssteuerung
in die erwünschte Richtung.
Natürlich funktioniert dieser Anreiz nur bei beweglichen Kleinfunden, nicht bei unbeweglichen
Strukturen und Kontexten im Boden; schließlich kann man Grundeigentümer nicht einfach enteignen,
nur weil jemand (ob nun mit oder ohne Einwilligung des Grundeigentümers) auf ihren Grundstücken
irgendwelche archäologischen Strukturen oder Kontexte entdeckt hat. Aber das ist glücklicherweise
ja insofern kein Problem, als es in der Regel allen oder wenigstens der überwältigenden Mehrheit
vorsätzlich archäologische Denkmale suchender Personen außer professionellen Archäologen nicht
um die Bodenbefunde und Kontexte geht, sondern eben – wenigstens primär – um die beweglichen
Kleinfunde. Für die überwältigende Mehrheit aller vorsätzlichen Archäologiesucher sollte also der
Erwerb des Eigentumsrechts an von ihnen gefundenen und sachgemäß dokumentierten und
gemeldeten beweglichen Artefakten als Motivation vollkommen genügen. Und um professionelle
340
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Archäologen braucht man sich beim Schaffen von Anreizen zur Befolgung archäologischdenkmalpflegerisch sinnvoller Bestimmungen nicht weiter kümmern, weil bei diesen kann man
hoffentlich davon ausgehen, dass sie den Sinn dieser Bestimmungen verstehen und sich daher gänzlich
freiwillig an sie halten werden, weil sie ihre Beachtung für notwendig und zum Erreichen ihrer eigenen
Ziele geeignet betrachten werden.
Verknüpft man also die gesetzlichen Dokumentations- und Meldepflichten mit dem rechtmäßigen
Erwerb des vollständigen Eigentumstitels an den aufgefundenen archäologischen Objekten, erzeugt
man eine maximale Steuerungswirkung in der erwünschten Richtung. Dies gilt umso mehr, als durch
die Einhaltung der Dokumentations- und Meldepflichten dieser Titel auch eindeutig beweisbar ist;
insbesondere wenn die eingegangenen Dokumentationen in einer auch wenigstens teilweise
öffentlich einsehbaren Datenbank gespeichert werden. Damit gibt man praktisch all jenen Personen,
die gezielt nach Gegenständen im Boden suchen, unter denen sich archäologische Denkmale befinden
können, und natürlich auch all jenen, die rein zufällig archäologische Denkmale entdecken, den Anreiz,
den sie sich auch tatsächlich in der überwältigenden Mehrheit aller Fälle wünschen: das tatsächliche
Recht, nach Anfertigung und Abgabe der geforderten Dokumentationsunterlagen mit den Sachen, die
sie gefunden haben, auch wirklich rechtmäßig tun und lassen zu können, was sie wollen.
Umgekehrt kann man damit gleichzeitig auch Nachteile schaffen, die sich aus der Nichtbeachtung der
gesetzlichen Dokumentations- und Meldepflichten ergeben; vor allem, wenn man gleichzeitig noch
eine Nebenbestimmung einführt. Schafft man nämlich eine vergleichbare Meldepflicht für alle – auch
über dem Erdboden befindliche – archäologische Denkmale, die sich schon derzeit im Eigentum
beliebiger Personen in Österreich befinden, die während einer bestimmten Übergangsfrist ebenfalls
zu melden sind, erhält man automatisch ein vollständiges Verzeichnis aller legalen, beweglichen
archäologischen Denkmale in Österreich.
Danach kann man aber gleichzeitig auch jedweden Besitz von beweglichen archäologischen
Denkmalen, deren Herkunft und eigentumsrechtliche Stellung ungeklärt ist, weil sie nicht in der
zentralen Funddatenbank verzeichnet sind, untersagen und archäologische Denkmale ungeklärter
Herkunft und ungeklärten Eigentums, wenn diese dem Staat oder seinen Organen bekannt werden,
beschlagnahmen. Schließlich ist, wenn jedes sachgerecht dokumentierte bewegliche archäologische
Denkmal in das Eigentum der Person übergeht, die es sachgerecht dokumentiert und gemeldet bzw.
ihre sachgerechte Dokumentation und Meldung veranlasst hat, und auch alle sich bereits derzeit im
Besitz irgendwelcher Personen befindlichen, beweglichen archäologischen Denkmale in das Eigentum
der Person übergehen, die ihre Existenz den zuständigen Behörden bekannt gemacht hat,
vorauszusetzen, dass jedes nicht sachgerecht dokumentierte und gemeldete archäologische Denkmal
rechtswidrig gefunden, geborgen oder erworben wurde und schon allein aus diesem Grund nicht im
Eigentum der Person stehen kann, in deren Besitz es sich befindet.
Das gilt dann ebenso für bewegliche archäologische Denkmale, die sich in einer beliebigen
Privatsammlung finden (egal aus welchen Gründen diese Privatsammlung nun dem Staat und dessen
Organen bekannt wird) wie für solche, die im Internet oder beliebigen anderen Orten zum Verkauf
angeboten werden (und die entweder offensichtlich aus Österreich stammen müssen oder aber als
Herkunftsort Österreich angegeben haben; oder auch nur deren Verkäufer seine Wohn- bzw.
Geschäftsadresse in Österreich hat und nicht ihren legalen Erwerb und ihre ebenso legale Einfuhr aus
dem Ausland nachweisen kann), und natürlich auch alle, die in einer Erbschaft auftauchen oder aber
von irgendjemandem einen Museum verkauft, geschenkt oder durch Hinterlassenschaft übertragen
werden sollen. Was nicht sachgerecht dokumentiert und gemeldet wurde, das verfällt dem Staat.
341
… et respice finem
Damit schafft man dann auch einen dem Vorteil der sachgerechten Dokumentation und Meldung
archäologischer Denkmale genau entgegengesetzten Nachteil, der sich für Finder (und sonstige
Besitzer) von archäologischen Denkmalen aus der Nichtbeachtung der gesetzlichen Dokumentationsund Meldepflichten ergibt. Damit hat man die Peitsche, die die Wirkung des Zuckerbrots noch
zusätzlich verstärkt und das Handeln von Findern (und sonstigen Besitzern) von archäologischen
Denkmalen in Richtung des erwünschten Verhaltens steuert.
Selbst wenn man dann natürlich immer noch nicht alle erreicht, deren Verhalten man verändern bzw.
in eine bestimmte Richtung steuern möchte, weil sich immer noch manche schon allein aus Prinzip,
oder aber auch aus reiner Bequemlichkeit (weil ihnen selbst die Dokumentationspflichten der
geringsten vorgesehenen Detailgenauigkeiten immer noch zu viel Aufwand sind), nicht an die
gesetzlichen Dokumentations- und Meldepflichten halten: eine solche Regelung wäre dennoch
wenigstens besser als gar keine, und jedenfalls viel besser als die, die wir derzeit haben. Will man also
nicht nur so tun, als ob man einen archäologischen Denkmalschutz hätte, sondern wirklich einen so
effektiv als möglich funktionierenden archäologischen Denkmalschutz erreichen, dann scheint dies die
einzig sinnvolle Möglichkeit, um dem Problem der vorsätzlichen Suche nach (archäologischen)
Gegenständen einigermaßen Herr zu werden und aus den tatsächlich nicht verhinderbaren Suchen
wenigstens den maximalen archäologisch-denkmalpflegerischen Gewinn zu ziehen.
Zur Umsetzung im DMSG
Geht man von dieser Motivationsanalyse aus, macht das erstens notwendig, die Bestimmungen zum
Fundeigentum, die derzeit gem. § 10 Abs. 1 DMSG generell durch Verweis auf die Bestimmungen des
§ 399 ABGB und seiner Rechtsfolgen auf die hadrianische Fundteilungsregel abstellen, d.h. dem Finder
und dem Grundeigentümer jeweils einen Hälfteeigentumsanteil an allen entdeckten Funden (von
Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG) zuerkennen, radikal anders zu gestalten. Statt der
hadrianischen Fundteilungsregel ist vielmehr das dem österreichischen Recht generell
zugrundeliegende freie Zueignungsrecht für herrenloses Gut als Grundlage heranzuziehen, denn auf
diesem Weg lässt sich den Findern tatsächlich auch die vollständige rechtliche Verfügungsgewalt über
die von ihnen gefundenen beweglichen archäologischen Denkmale zuerkennen; um Finder dazu zu
motivieren, sich auch tatsächlich an die gesetzlichen Dokumentations- und Meldepflichten zu halten.
Das wird zweifellos vielen Archäologen nicht gefallen: schließlich werden dadurch „Raubgräber“ und
„Schatzsucher“, die nach archäologischen Denkmalen nicht so sehr zu wissenschaftlichen
Erkenntniszwecken, sondern bloß des schnöden Mammons wegen suchen, auch noch dafür belohnt,
dass sie archäologische Denkmale suchen, die sie dann bloß meistbietend verkaufen wollen. Aber es
kann und darf keine Rolle spielen, was uns Archäologen gefällt: worum es gehen muss ist, dass
möglichst viele Finder, egal aus welchen Gründen sie ihre Funde entdecken, diese möglichst
denkmalgerecht behandeln; und das bedeutet in erster Linie, dass sie ihre Funde bei deren
Entdeckung möglichst sachgerecht dokumentieren und die von ihnen angefertigte Dokumentation
auch der Wissenschaft zur Kenntnis bringen. Dazu kann man sie nur motivieren, wenn man ihnen dafür
einen geeigneten Anreiz bietet; und der einzige dafür geeignete Anreiz, den wir ihnen bieten können,
ist, dass sie zu den rechtmäßigen Eigentümern ihrer Funde werden, wenn sie sich an die gesetzlichen
Dokumentations- und Meldepflichten halten; ob uns das nun gefällt oder nicht.
In zweiter Linie bedeutet das, dass sie, wenn sie Löcher in den Boden graben, diese möglichst nicht
„wild“ so tief graben sollten, dass sie in ungestörte archäologische Bodenschichten eindringen und
damit Befunde und Kontexte zerstören oder wenigstens beschädigen, sondern sich auf die
Bodenschichten beschränken, in denen signifikante Befunde und Kontexte – wenigstens in der
Mehrheit der Fälle – nicht mehr vorkommen. Aber auch dazu kann man sie nur dadurch motivieren,
342
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
dass man ihnen dafür einen Anreiz bietet; und auch dafür ist der einzige geeignete Anreiz der, dass,
wenn sie sich an die von uns aufgestellten Regeln halten, das, was sie finden, auch tatsächlich dann
ihnen gehört, neuerlich egal, ob uns das gefällt oder nicht.
Es bedeutet drittens, dass wir die Möglichkeit bekommen müssen, wenigstens mehr oder minder
unmittelbar nach der Entdeckung der Funde Zugang zu diesen zu bekommen, um sie – falls das nötig
erscheint – wissenschaftlich genauer untersuchen und gegebenenfalls auch für öffentliche
Sammlungen erwerben können, was allerdings nur möglich ist, wenn wir von ihrer Existenz erfahren.
Auch dafür ist es notwendig, die Finder zu motivieren; und auch das geht nur dadurch, dass man ihnen
die Sicherheit gibt, dass die Funde, die sie sich zueignen wollen, auch tatsächlich ihnen gehören, wenn
sie uns von ihnen berichten und sie uns gegebenenfalls sogar zeitweilig überlassen sollen, und auch
eine faire Entschädigung bekommen, wenn es im öffentlichen Interesse notwendig erscheint, ihnen
die „wichtigsten“ ihrer Funde abzukaufen, wieder egal, ob uns das gefällt oder nicht.
Bei allem Verständnis für fachliche moralische Entrüstung darüber, dass Personen, die kein
einschlägiges Universitätsstudium absolviert haben, sich einfach bewegliche archäologische
Denkmale aneignen dürfen und dann auch noch dafür belohnt werden: es ist hier einfach eine
pragmatische Lösung notwendig, weil nur eine pragmatische Lösung irgendeine Aussicht darauf hat,
auch tatsächlich erfolgreich zu funktionieren. Moralische Entrüstung bringt uns nichts und dem
bestmöglichen Schutz archäologischer Denkmale schon gar nichts; daher muss es vollkommen
gleichgültig sein, ob wir so eine Lösung für moralisch verwerflich halten. Was wir brauchen und was
vor allem die Archäologie braucht, die wir (ob nun angeblich oder tatsächlich) zum Wohl der
Allgemeinheit zu schützen versuchen, ist einen einigermaßen funktionierenden Schutz, der tatsächlich
angerichtete Schäden möglichst minimiert und den archäologischen Nutzen möglicherweise, aber
nicht notwendigerweise, schädlicher Handlungen maximiert. Aber das funktioniert nun einmal nicht
mit Verboten, an die sich niemand hält, sondern nur durch Bestimmungen, die möglichst
unschädliches und potentiell sehr nützliches Verhalten belohnen und dadurch jene, die man dazu
bewegen will, sich wie erwünscht zu verhalten, auch tatsächlich dazu motivieren, das zu tun.
Das bedeutet also, dass man jenen Personen, die bewegliche archäologische Denkmale finden, das
Eigentum an diesen Funden zuerkennen muss, wenn sie sich denkmalgerecht verhalten, d.h. ihre
Funde entsprechend dokumentieren und die dabei erzeugten Dokumentationsunterlagen dem BDA
übermitteln, damit die archäologische Wissenschaft und die Denkmalpflege aus ihren Entdeckungen
den maximalen Nutzen ziehen können. Das ist dann natürlich, wenn man die hier vorgeschlagene
Alternativlösung des archäologischen Denkmalschutzes umsetzt, auch nicht illegal oder schlecht oder
auch nur moralisch verwerflich, sondern ist genau das Verhalten, das auch erwünscht ist, weil es
sowohl zur archäologischen Landesaufnahme beiträgt als auch die verwertbare wissenschaftliche
Quellenbasis in einer Weise vergrößert, dass die zusätzlich zur Verfügung stehenden Daten auch
tatsächlich verlässliche Auswertungsgrundlagen darstellen.
Gleichzeitig mit der Belohnung der sachgerechten Dokumentation und Meldung beweglicher
archäologischer Denkmale sind aber auch empfindliche und möglichst effektive Strafen für die
Missachtung der gesetzlichen Dokumentations- und Meldepflichten vorzusehen; und zwar Strafen,
die tatsächlich in jedem Fall effektiv greifen. Auch und gerade dafür ist die eindeutige Klärung der
Ersteigentumserwerbsfrage bezüglich beweglicher archäologischer Denkmale notwendig, die durch
die Belohnung denkmalgerecht handelnder Finder mit dem vollständigen Eigentum über die von ihnen
dokumentierten und gemeldeten Funde gewährleistet wird. Denn bei beweglichen archäologischen
Gegenständen, bei denen man – weil es dazu derzeit meistens keinerlei Unterlagen gibt, schon gar
nicht solche, die dem Staat zur Verfügung stehen – nicht genau bestimmen kann, ob an ihnen
überhaupt ein rechtmäßiger Eigentumstitel besteht und falls ja, wem dieser zukommt, weil nicht
343
… et respice finem
einmal klar ist, ob der Ersteigentumserwerb rechtmäßig erfolgt ist und wem dabei welche
Eigentumsrechte am fraglichen Objekt entstanden sind, gewinnt im Zweifel immer der, der sich im
Besitz des Gegenstandes befindet; weil man im Zweifel nicht einmal den betreffenden Gegenstand
beschlagnahmen kann, solange man nicht seinem derzeitigen Besitzer nachweisen kann, dass er ihn
unrechtmäßig erworben hat.
Um dieses Problem kommt man (wenn man Findern einen Anreiz zum denkmalgerechten Verhalten
bieten will) nur dann herum, wenn man, wie hier vorgeschlagen, absolut eindeutig feststellt, dass
vollständiges, rechtmäßiges Ersteigentum an beweglichen archäologischen Denkmalen immer dann,
aber dafür auch ausschließlich nur dann, durch andere Rechtspersonen als den Staat erworben wird,
wenn diese das konkret betroffene bewegliche archäologische Denkmal bei seiner Entdeckung
sachgerecht dokumentiert und diese Entdeckung auch den zuständigen Behörden samt Übermittlung
einer bei der Entdeckung angefertigten Dokumentation gemeldet haben. Tut man das, ist nämlich
auch absolut eindeutig und unbestreitbar klar, dass jedes bewegliche archäologische Denkmal, das
nicht bei seiner Entdeckung sachgerecht dokumentiert und den zuständigen Behörden samt
Dokumentation gemeldet wurde, nicht rechtmäßig irgendeiner anderen Rechtsperson als dem Staat
gehören kann und daher dann auch – weil es sich ja schon um sein Eigentum handelt – vom Staat
jederzeit beschlagnahmt werden kann, wenn ihm die Existenz dieses konkreten Gegenstandes
bekannt wird. Man braucht sich dann eben nicht mehr mit komplizierter Beweisführung aufzuhalten,
weil der einzig relevante Beweis ist, ob dem BDA eine sachgerechte Dokumentation über die
Entdeckung des betreffenden Gegenstandes vorliegt oder nicht: tut sie das, gehört der Gegenstand
der Person, die ihn gefunden hat (bzw. der Person, an den diese – gegebenenfalls auch im Weg einer
langen Kette – das Eigentum rechtmäßig übertragen hat); andernfalls gehört der Gegenstand dem
Staat.
Hat man eine derartige eindeutige Klärung der Ersteigentumsfrage, hat man auch automatisch eine
jederzeit effektiv durchsetzbare Möglichkeit, Finder (bzw. sonstige Personen, die von diesen den
konkreten Gegenstand – dann aber jedenfalls rechtswidrig – erworben haben) für die nicht
denkmalgerechte Behandlung des beweglichen archäologischen Denkmals bei dessen Entdeckung zu
bestrafen: liegt die sachgerechte Dokumentation seiner Entdeckung dem BDA nicht vor, kann man
seinem Besitzer diesen Gegenstand wegnehmen, weil er kein rechtmäßiges Eigentumsrecht an diesem
Gegenstand haben kann, egal wie er in seinen Besitz geraten ist. Das gilt dann ebenso beim Verkauf
des Gegenstandes wie bei seiner Vererbung wie auch bei seiner Schenkung oder Stiftung, egal ob diese
jetzt an ein öffentliches oder privates Museum oder eine beliebige Privatperson erfolgt; und egal, ob
die Eigentumsübertragung im Inland oder ins Ausland erfolgen soll. Bewegliche archäologische
Gegenstände, die keinen rechtmäßigen Eigentümer haben, gehören dann nämlich dem Staat (es sei
denn, sie gehören einem anderen Staat, in welchem Fall sie gemäß den Bestimmungen des
Kulturgüterrückgabegesetzes an diesen zurückzuerstatten sind), komme, was da wolle.
Damit bleibt Findern, die sich nicht an die gesetzlichen Dokumentations- und Meldepflichten gehalten
haben, dann nur noch, darauf zu hoffen, dass ihre Privatsammlung niemals von jemanden gesehen
wird, der diese dann eventuell den Behörden melden könnte, bzw. der Schwarzmarkt zum Verkauf,
wenn sie ihre Funde zu Geld machen wollen. Sogar der Verkauf am Schwarzmarkt wird dadurch im
Gegensatz zur heutigen Situation erschwert, weil das Risiko, dass ein nicht gemeldeter Gegenstand zu
späterer Zeit von Staat beschlagnahmt wird, ja bestehen bleibt, wenn nicht gefälschte Papiere, die
eine Herkunft des Gegenstandes aus dem Ausland und deren legalen Erwerb belegen, dem
Gegenstand beigefügt werden. Das rentiert sich bei den meisten beweglichen archäologischen
Denkmalen, deren gewöhnlicher Wert selten über ein paar Euro steigt, überhaupt nicht; und selbst
bei wirklich wirtschaftlich wertvollen „Schatzfunden“ auch weniger, als diese gleich bei ihrer
344
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Entdeckung ordentlich sachgerecht zu dokumentieren und sie dann vollkommen legal für ihren
wahren und nicht dem im Vergleich damit stark reduzierten Schwarzmarktwert zu verkaufen.
Das Problem der Altsammlungen
Damit ein solches System auch wirklich funktioniert, bleibt allerdings noch ein Problem zu lösen,
nämlich das Problem der derzeit bereits bestehenden Altsammlungen. Denn diese gibt es zuhauf;
manche davon enthalten auch tatsächlich viele tausende, wenn nicht noch mehr, bewegliche
archäologische Denkmale; in den meisten Fällen ist die Eigentumsfrage bezüglich aller oder
wenigstens der meisten in diesen Altsammlungen enthaltenen beweglichen archäologischen
Denkmale komplett ungeklärt und wohl in der Regel auch nicht klärbar, weil sich der genaue Fundort
dieser Denkmale ebenso wie ob sie legal oder illegal gefunden wurden normalerweise gar nicht mehr
ermitteln lässt.
Man kann zwar durchaus vermuten, dass wenigstens manche, wenn nicht sogar viele davon
ursprünglich rechtswidrig in den Besitz der Person gelangt sind, die sie gefunden hat; aber nachdem
aufgrund der Unschärfe des bisher verwendeten Bodendenkmalsbegriffs weder klar ist, welche Funde
jetzt auch nur der Meldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG igF unterliegen, noch aufgrund der mit der
Auslegung der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG verbundenen Probleme klar ist, ob sie – falls sie
überhaupt ausgegraben und nicht nur auf der Erdoberfläche gefunden wurden – entgegen der
Bestimmungen dieses Paragrafen ausgegraben wurden, ist es auch praktisch unmöglich zu
bestimmen, ob ihre Finder rechtmäßiges Eigentum an diesen Gegenständen erworben haben oder
nicht. Und das berücksichtigt noch gar nicht die Möglichkeit, dass sich diese Gegenstände heute ja
potentiell gar nicht mehr im Besitz ihres ursprünglichen Finders befinden müssen, sondern
zwischenzeitlich gutgläubig von allfälligen Zwischenbesitzern und dann von ihrem derzeitigen Besitzer
erworben worden sein können, der daher zwischenzeitlich auch bereits einen rechtmäßigen
Eigentumsanspruch an ihnen ersessen haben kann.
Das führt aber unmittelbar zum Problem, dass, solange solche Altsammlungen und die in ihnen
enthaltenen beweglichen archäologischen Denkmale (außer ihrem Besitzer und vielleicht einiger
weniger anderer Personen) weitgehend bis gänzlich unbekannt sind, jeder, der heute bewegliche,
archäologische Denkmale findet und deren sachgerechte Dokumentation und Meldung unterlässt,
später jederzeit behaupten kann, dass sie aus einer derartigen (ererbten, geschenkt bekommenen
oder schon vor Jahrzehnten angelegten) Altsammlung stammen. Damit ließe sich aber mittels dieser
Behauptung die hier vorgeschlagene Dokumentations- und Meldepflicht und auch die für deren
Nichteinhaltung vorgesehenen Strafen erst recht problemlos umgehen: will ein „unehrlicher“ und für
die sachgerechte Dokumentation und deren Meldung zu fauler Finder seine Funde verkaufen oder
auch einfach nur behalten, wenn ihre Existenz aus welchen Gründen auch immer den Behörden
bekannt wird, ist alles, was er zu tun braucht, zu behaupten: „die sind aus einer Altsammlung“; und
schon hat der Staat praktisch keine Chance mehr, ihm diese Sachen wegzunehmen, weil er das
Gegenteil unmöglich beweisen kann. Das würde aber de facto das ganze hier neu vorgeschlagene
Regelungssystem aushebeln, weil damit zumindest eine breite Hintertüre offengelassen würde, durch
die sich alle jene vor der Einhaltung der hier vorgeschlagenen Dokumentations- und Meldepflichten
drücken könnten, denen ihre Einhaltung zu mühsam ist. Um das zu verhindern, ist es notwendig,
zuerst reinen Tisch zu schaffen.
Es scheint daher sinnvoll, das Problem der Altsammlungen auf vergleichbare Weise zu lösen wie das
der Neufunde beweglicher archäologischer Denkmale, indem man das gleiche Prinzip anwendet: wer
Altsammlungsfunde sachgerecht dokumentiert und sie samt Dokumentation dem BDA meldet, wird
vollständiger rechtmäßiger Eigentümer dieser Funde. Dabei hat man sich natürlich die sachgerechte
Dokumentation von Altsammlungsfunden nicht identisch zur sachgerechten Dokumentation von
345
… et respice finem
Neufunden vorzustellen: es gibt schließlich bei vielen keinen ursprünglichen Fundort mehr, der
dokumentiert werden muss, sondern der „Altsammlungsfundort“ ist die Altsammlung. Es sollte daher
genügen, die beweglichen archäologischen Denkmale selbst so zu dokumentieren, dass das jeweilige
dokumentierte Objekt einigermaßen eindeutig zu erkennen ist, um Verwechslungen mit anderen,
ähnlichen Objekten weitgehend ausschließen zu können. Das wird natürlich auch nicht bei allen
beweglichen archäologischen Funden möglich sein – viele Münzen z.B. sind so nahidentisch, bzw.
wenn es sich um modern massenproduzierte Münzen handelt tatsächlich identisch, zueinander, dass
eine Unterscheidung zwischen vielen Exemplaren kaum möglich ist – aber wenigstens bei den meisten
sollte das möglich sein; und das sollte genügen.
Selbstverständlich braucht eine solche durchgehende Dokumentation aller derzeit existierenden
Altsammlungen, deren derzeitige Besitzer auch tatsächlich ein sicheres, vollständiges, rechtmäßiges
Eigentum an den in ihren Sammlungen befindlichen Objekten erhalten wollen, einiges an Zeit, sowohl
einiges an Zeit der derzeitigen Besitzer dieser Sammlungen als auch einiges mehr an Zeit des BDA, das
ja dann die gesamten eingehenden „Altsammlungsfundmeldungen“ ebenfalls bearbeiten muss. Selbst
wenn man davon ausgehen kann, dass sicher nicht alle derzeitigen Besitzer von Altsammlungen dazu
motiviert werden können, ihre Sammlungen vollständig zu dokumentieren und dem BDA zu melden
und viele vielleicht gar nicht zur Dokumentation verleitet werden können, selbst wenn man ihnen
dafür das Eigentum an diesen Objekten zuerkennt, das sie ohnehin schon in den meisten Fällen
tatsächlich rechtmäßig haben, ist hier dennoch gerade für das BDA mit einem einigermaßen
gewaltigen Arbeitsaufwand zu rechnen: geht man davon aus, dass z.B. Metallsucher seit nunmehr bald
50 Jahren aktiv tätig sind und wenigstens den Großteil ihrer signifikanteren Funde behalten haben,
muss man wenigstens mit mehreren Millionen, wenn nicht mehreren zehn Millionen von solchen
Altsammlungsfunden rechnen, die derzeit in österreichischen Haushalten herumliegen. Selbst wenn
nur 10% der Besitzer solcher Altsammlungen die „besten“ 10% ihrer Funde melden, muss man
wenigstens mit mehreren zehntausend, wenn nicht sogar mehreren hunderttausend
„Altsammlungsfundmeldungen“ rechnen, die zu bewältigen sind.
Dass Nachmeldungen auch tatsächlich vorkommen, wenn man sie ermöglicht, selbst wenn dadurch
kein verbesserter Eigentumstitel für den derzeitigen Besitzer von Altsammlungsfunden entsteht, zeigt
auch die Erfahrung des britischen Portable Antiquities Scheme. Betrachtet man dessen Daten etwas
genauer, zeigt sich, dass oft auch Nachmeldungen noch viele Jahre nach der eigentlichen Entdeckung
der Funde vorgenommen werden: so z.B. waren im Jahr 2008 nur etwa 91,5% aller beim PAS
eingegangenen Meldungen solche von Funden aus den Jahren 2007 und 2008 (also wenigstens zeitnah
zum Fundzeitpunkt gemeldete Funde), während immerhin 1,1% der in diesem Jahr dem PAS
gemeldeten Funde vor 1980 gefunden worden waren. In absoluten Zahlen gesprochen stammten von
den 49.001 insgesamt 2008 dem PAS gemeldeten Funden 4.215 aus „Altsammlungen“ (PAS 2009, 33)
– also nach über 10 Jahren Betrieb des PAS und ohne, dass sich aus der Nachmeldung an das PAS ein
sicherer Eigentumstitel ergäbe als ohne diese.
Es wird daher eine relativ lange Übergangsfrist vorzusehen sein, während der diese Nachmeldung von
„Altsammlungsfunden“ möglich ist; selbst wenn man – was man jedenfalls sollte – ein elektronisches
Meldesystem dafür bereitstellt, in das die Besitzer von Altsammlungen weitgehend selbstständig ihre
Fundmeldungen eingeben können, die dann von Seiten des BDA nur noch auf ihre ausreichende
Sachgerechtigkeit geprüft werden müssen. Wie lange eine solche Übergangsfrist genau sein sollte, ist
selbstverständlich diskutierbar, mir scheint es allerdings angebracht, wenigstens eine Frist von etwa
5 Jahren, aber auch nicht mehr als eine Frist von 10 Jahren dafür vorzusehen. Denn diese Frist –
nachdem sich die gesetzliche Neuregelung auch erst unter Altsammlungsbesitzern herumsprechen
wird müssen – darf nicht zu kurz gewählt sein: schließlich enthalten manche Altsammlungen wohl
346
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
wenigstens tausende, wenn nicht sogar zehntausende bewegliche archäologische Denkmale, deren
Dokumentation und Meldung dann auch den, der sie derzeit in seinem Besitz hat, einige Zeit kosten
wird. Sie darf aber auch nicht zu lange angesetzt werden, weil sonst keine besondere Motivation für
Besitzer von Altsammlungen besteht, die in ihrer Sammlung enthaltenen, beweglichen
archäologischen Denkmale möglichst zeitnah zu melden, sondern insbesondere Besitzer kleiner
Altsammlungen diese Mühe dann bis kurz vor Fristende vor sich herschieben könnten und damit die
Wirkung der hier vorgeschlagenen alternativen Regelung nur sehr langsam einsetzt, falls überhaupt.
Wie lange man diese Übergangsfrist dann letztendlich ansetzt, nach ihrem Ablauf lassen sich dann
auch Altsammlungsfunde genauso wie Neufunde behandeln: wurde ein Altsammlungsfund nicht
innerhalb der Übergangsfrist sachgerecht dokumentiert und die Dokumentation dem BDA als
Meldung übermittelt, dann geht er ins Eigentum des Staates über und dieser kann ihn sich daher dann
auch jederzeit aneignen, sofern der Besitzer nicht einen rechtmäßigen Erwerb des Eigentums an den
jeweils betroffenen Gegenständen nachweisen kann. Damit schafft man dann den reinen Tisch, den
man braucht, damit sich niemand mehr darauf ausreden kann, dass die beweglichen Denkmale, die er
in Wahrheit gerade neu gefunden hat, Teil einer undokumentierten Altsammlung wären.
Hat man auf diesem Weg das Problem der Altsammlungen gelöst, sollte das hier vorgeschlagene
System von Belohnungen für den sachgerechten und Strafen für den nicht sachgerechten Umgang mit
(beweglichen) archäologischen Denkmalen einigermaßen zielsicher und effektiv funktionieren. Zwar
wird es weiterhin selbstverständlich Personen geben, denen die Anfertigung einer (in den meisten
Fällen minimal aufwändigen) Dokumentation ihrer Funde trotzdem zu mühsam ist oder die so derart
überhaupt nichts mit Behörden wie dem BDA zu tun haben wollen, dass sie nicht einmal der Anreiz
bei sachgerechter Dokumentation und Meldung ihrer Funde das vollständige, sichere, rechtmäßige
Eigentum an ihnen zu erhalten und die Gefahr, sie zu verlieren, wenn jemand von ihren nicht
entsprechend dokumentierten und gemeldeten Funden erfährt, davon überzeugen kann, dass sie sich
gesetzmäßig verhalten. Dennoch, ein solches System von Anreizen und Abschreckung wäre jedenfalls
wenigstens besser als gar nichts, und sicher viel besser als die „Lösung“, die Österreich derzeit für
dieses Problem gefunden hat. Es hat jedenfalls keinen Sinn, auf der schlechtesten aller möglichen
Lösungen zu beharren, weil eine neu vorgeschlagene, bessere Lösung nur gut, aber nicht perfekt ist:
perfekte gesetzliche Lösungen kann es schließlich nicht geben.
Voraussichtliche Auswirkungen: ein kleiner Vergleich mit dem PAS
Welche Auswirkungen eine Lösung wie die hier vorgeschlagene mittel- bis langfristig haben dürfte,
lässt sich auch mit einigermaßen hoher Sicherheit vorhersagen, indem man einen Vergleich mit dem
britischen PAS und dessen Auswirkungen anstellt, insbesondere mit seinen Auswirkungen auf die
archäologische Landesaufnahme.
Das PAS wurde 1997 als Pilotversuch in den englischen Regionen Kent, Norfolk, den West Midlands,
North Lincolnshire, North West und Yorkshire gestartet und ab 1999/2000 auf ganz England und Wales
ausgedehnt (https://finds.org.uk/about [5.5.2016]). Grundlage für das PAS war der 1996 erlassene
Treasure Act, der das zuvor (seit dem Mittelalter) bestehende englische (inklusive Wales) Schatzregal
genauer definierte und dabei den „Schatzbegriff“ des englischen Rechts im Sinne einer
denkmalschutzrechtlichen Bestimmung neu fasste und deutlich erweiterte (mit einer weiteren
Erweiterung durch eine geringfügige Novellierung 2002).
Waren zuvor nur Gegenstände aus Edelmetall (bzw. mit einem maßgeblichen Edelmetallanteil), die
vorsätzlich mit Wiedergewinnungsabsicht (animus revertendi) verborgen worden waren, Schatzfunde
im Sinne des mittelalterlichen Treasure Trove, galten ab 1997 (bzw. 1.1.2003) alle folgenden Sachen
als „Schätze“ (https://finds.org.uk/treasure/advice/summary [5.5.2016]):
347
… et respice finem
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•
Jeder Metallgegenstand, mit Ausnahme von Münzen, der zum Zeitpunkt seiner Auffindung
wenigstens 300 Jahre alt ist, vorausgesetzt wenigstens 10% seines Metallgewichts sind
Edelmetall (d.h. Gold oder Silber). Ist der Gegenstand aus prähistorischer Zeit, ist er ein Schatz,
wenn auch nur ein kleiner(er) Anteil davon aus Edelmetall besteht (d.h. auch wenn weniger
als 10% des Metallgewichtes aus Gold oder Silber bestehen).
Jede Gruppe von vergesellschaftet aufgefundenen zwei oder mehreren Metallgegenständen,
gleichgültig aus welchem Metall sie bestehen, die aus prähistorischen Zeiten stammen.
Jede Gruppe von zwei oder mehr vergesellschafteten Münzen, vorausgesetzt sie sind zum
Zeitpunkt ihrer Auffindung wenigstens 300 Jahre alt und enthalten mehr als 10% Gold oder
Silberanteil (oder 10 oder mehr, wenn der Gold- bzw. Silberanteil in ihnen weniger als 10%
ist). Normalerweise werden nur die folgenden Gruppen von Münzen als vergesellschaftet
betrachtet: Münzhortfunde die vorsätzlich verborgen wurden; kleinere Gruppen von Münzen
wie z.B. der Inhalt von Geldbörsen, die verloren gegangen sind; sowie als Votivgaben oder
rituell deponierte Gruppen von Münzen.
Jeder Gegenstand, aus welchem Material auch immer er gemacht sein mag, der gemeinsam
mit einem „Schatz“ im oben definierten Sinn aufgefunden wurde oder mit diesem früher eine
Einheit gebildet hat.
Jedes Objekt, das entsprechend dem mittelalterlichen Schatzregal ein „Schatz“ ist, aber in
keine der bisher genannten Kategorien fällt. Nur Gegenstände die zum Zeitpunkt ihrer
Entdeckung jünger als 300 Jahre alt sind, zu maßgeblichen Teilen aus Gold oder Silber
bestehen, die vorsätzlich mit Wiedergewinnungsabsicht verborgen wurden und deren
Eigentümer bzw. deren Erben nicht mehr ermittelt werden können, können in diese alte
Kategorie von Schatzfunden fallen.
Gemäß dem Treasure Act 1996 verfallen die genannten Gegenstände theoretisch der Krone; wobei
diese allerdings dem Finder und/oder Grundeigentümer (falls beiden gleichteilig) eine Entschädigung
in Höhe des wahren wirtschaftlichen Werts der zu Schatzfunden erklärten Gegenstände
auszubezahlen hat. In der Praxis bedeutet das, dass der Finder bzw. Grundeigentümer bzw. der
sonstige Eigentümer des Fundes diesen einem geeigneten Museum (normalerweise entweder das
British Museum, das National Museum of Wales, oder ein größeres Regionalmuseum) zu seinem
gutachterlich bestimmten wahren Wert zum Verkauf anbieten muss. Kauft dieses Museum den
Schatzfund binnen 6 Monaten nicht zu diesem Preis, bzw. erklärt es, nicht am Erwerb des Schatzfundes
interessiert zu sein, kann der Eigentümer des Schatzes mit diesem tun und lassen, was er will.
Prinzipiell sieht das englische Recht vor, dass der Grundeigentümer automatisch auch Eigentümer aller
unter der Erdoberfläche auf seinem Grund und Boden gefundenen Objekte wird, der Finder hingegen
Eigentümer aller an der Oberfläche getätigten Funde. Aus diesem Grund ist es in England und Wales
für Metall-, Schatzsucher und sonstige an der Entdeckung archäologischer Funde interessierte
Personen essentiell, vor einer allfälligen Suche eine schriftliche Vereinbarung mit dem
Grundeigentümer abzuschließen, in der privatrechtlich das Fundeigentum an allen von ihnen
gemachten Funden geklärt wird. Solche Vereinbarungen können variieren und gehen normalerweise
davon, dass der Finder das alleinige Eigentum an den gemachten Funden erhält, bis hin zur
hadrianischen Eigentumsteilung. Manche Grundeigentümer machen die Suchgenehmigung auch von
der Entrichtung einer Gebühr abhängig, nicht zuletzt z.B. die Krone selbst für die Nachforschung auf
öffentlichem Grund. In der Praxis ist es daher in der Regel so, dass Finder an den meisten von ihnen
gemachten Funden das vollständige Eigentumsrecht erwerben (und nur, wenn einer ihrer Funde ein
Schatzfund iSd Treasure Act 1996 ist, es zur hadrianischen Teilung kommt, wenn nicht eine andere
Vereinbarung zwischen Finder und Grundeigentümer auch für Schatzfunde getroffen wurde).
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Wie schon aus der oben wiedergegebenen Definition des Schatzfundbegriffes des Treasure Act 1996
hervorgeht, sind allerdings bei weitem nicht alle Funde beweglicher archäologischer Gegenstände
Schatzfunde. Vergleicht man die Zahlen von Schatzfunden mit jenen der alljährlich dem PAS
gemeldeten beweglichen archäologischen Funde in England und Wales, so zeigt sich, dass maximal 12% davon als Schatzfunde iSd Treasure Act 1996 klassifiziert werden (z.B. PAS 2009, vii). Im englischen
Recht besteht jedoch ausschließlich für Schatzfunde iSd Treasure Act 1996 eine Meldepflicht; während
Funde normaler beweglicher archäologischer Denkmale keinen Melde- oder sonstigen Pflichten
unterliegen. Das PAS wurde 1997 spezifisch dafür geschaffen, dass freiwillige Meldungen beweglicher
archäologischer Funde durch Mitglieder der Öffentlichkeit angeregt werden, damit nicht nur
Schatzfunde, sondern ein größerer Anteil aller tatsächlich getätigten archäologischen Funde in
England und Wales der archäologischen Wissenschaft bekannt werden (https://finds.org.uk/about
[5.5.2016]). Es ist also eine letztendlich pragmatische Lösung in Anbetracht einer Rechtslage, die nicht
einmal eine Fundmeldepflicht für gewöhnliche archäologische Funde vorsieht.
Die meisten in England und Wales dem PAS gemeldeten archäologischen Funde werden also nicht
etwa deshalb gemeldet, weil ihre Finder gesetzlich zu ihrer Meldung verpflichtet wären, sondern die
Finder melden sie vollkommen freiwillig. Auch verbessert sich die eigentumsrechtliche Stellung von
Findern durch eine Meldung ihrer Funde an das PAS überhaupt nicht: eigentumsrechtlich ist, wenn
der Fund nicht als Schatzfund bewertet und von der Krone (bzw. einem geeigneten Museum) gemäß
ihres Vorkaufrechts erworben wird, einzig die zwischen Grundeigentümer und Finder geschlossene,
privatrechtliche Vereinbarung relevant bzw. wird hadrianisch geteilt, wenn keine solche Vereinbarung
existiert. Das PAS bietet FinderInnen zwar gewisse Anreize, wie z.B. Hilfe bei der Bestimmung ihrer
Funde und – falls nötig – rechtliche Beratung, ob einer ihrer Funde ein Schatzfund iSd Treasure Act
1996 sein könnte und wie sie mit diesem dann zu verfahren haben; aber diese Anreize sind,
wenigstens im Vergleich zum sicheren, rechtmäßigen Eigentumserwerb wie er hier für Österreich für
„ehrliche“, d.h. ihre Dokumentations- und Meldepflichten sachgerecht erfüllende, Finder
vorgeschlagen wird, nur relativ gering. D.h. die meisten Finder, die ihre Funde dem PAS melden (und
diese auch zunehmend genau dokumentieren; Lewis 2015), melden ihre Funde also deshalb, weil sie
sie freiwillig melden wollen, weil das – auch für diese erkennbar – archäologisch-denkmalschützerisch
sinnvoll ist.
Trotzdem die Fundmeldung der meisten dem PAS gemeldeten archäologischen Funde völlig freiwillig
ist, haben die nun seit etwa 20 Jahren freiwillig von interessierten Bürgern (und zwar hauptsächlich
Metallsuchern) abgegebenen Fundmeldungen das Verständnis über die Verteilung archäologischer
Funde in der Landschaft Englands und Wales' vollkommen revolutioniert (siehe dazu auch z.B. Murgia
et al. 2014) und ganz maßgeblich zu einer Verbesserung des archäologischen Kenntnisstandes darüber
beigetragen, auf welchen Bodenflächen mit besonders bedeutenden, „ungestörten“ archäologischen
Objekten im Boden zu rechnen ist. Wie Abbildung Abb. 14 zeigt, ist heute die Landkarte von England
und Wales mit allein durch interessierte Bürger, die ihre Funde vollkommen freiwillig melden,
produzierten archäologischen Fundpunkten so dicht gefüllt, dass sich auf einer Darstellung wie hier
kaum noch weiße Flecken finden (die trotzdem vorhandenen weißen Flecken sind Hochländer oder
Moorgebiete, in denen die Besiedlungsdichte nie hoch war und auch heute noch sehr dünn ist).
Noch wichtiger ist jedoch, dass die hier gezeigten Fundpunktverbreitungskarten der kurz nach Beginn
des PAS, nach einigen Jahren seines Betriebs und schließlich heute dem PAS durch Bürger gemeldeten
Fundstellen zeigen, wie – bei entsprechender Förderung – die Dichte aus diesen Daten bekannter
Fundstellen massiv angestiegen ist (in Lincolnshire z.B. stammen 80% der dem PAS gemeldeten
Funden von zuvor den Behörden nicht bekannten Fundstellen; Daubney 2016, 100). Die pragmatische
Lösung, die bei einer Rechtslage zur Anwendung gebracht wird, die wohl nahidentisch mit der
349
… et respice finem
wenigstens derzeit in Österreich tatsächlich geltenden ist, funktioniert also um ein großes Vielfaches
besser als was man in Österreich mit nutzlosen Verboten und nicht durchsetzbaren Strafandrohungen
erreicht hat. Trotzdem scheint es in England und Wales pro Kopf der Bevölkerung und pro
Flächeneinheit deutlich weniger Metallsucher zu geben, als in Österreich (Karl & Möller 2016, 21520).
1998
1998-2003
1998-2009
1998-2012
Abb. 14: Ansteigen der Fundstellendichte durch freiwillige Fundmeldungen von interessierten BürgerInnen an das PAS
(Abbildungen freundlicherweise zur Verfügung gestellt von K. Roberts 2016)
Wurden vor der Einführung des PAS, als die britische Archäologie mit freiwillig ihre Funde melden
wollenden BürgerInnen, darunter insbesondere Metallsuchern, noch etwa so umging, wie das die
350
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
österreichische Archäologie bis heute tut, also insbesondere mit Belehrungen, Beschimpfungen und
Versuchen, die Finder zu bestrafen, jährlich maximal etwa 5.000 Funde Museen und anderen
archäologischen Einrichtungen von interessierten Bürgern bekannt gemacht, waren es zwischen
September 1997 und Oktober 1998 – dem ersten Jahr des Pilotversuchs für das PAS – schon 23.953
(PAS 2000, 37). In 2014 waren es schon 113.794 Funde aus 64.096 Fundmeldungen (Lewis 2015, 40),
die vom PAS registriert wurden; das inzwischen aufgrund der großen Menge an ihm vorgelegten
Funden bei weitem nicht mehr alle registriert (Lewis 2016a, 131). 2015 waren es hingegen „nur“
82,272 Funde (Lewis 2016b, 4; die Anzahl der Fundmeldungen wird leider nicht mehr angegeben), was
aber immer noch wenigstens das 16-fache des Maximums dessen ist, mit dem man vor der Einführung
des PAS rechnen konnte; seither ist diese Anzahl Jahr für Jahr etwa gleichgeblieben. Die jährliche Zahl
von Fundmeldungen hat sich also seit Einführung des PAS etwa um einen Faktor von ca. 20 vergrößert,
die Anzahl der durch Fundmeldungen von interessierten Bürgern bekannten Fundstellen ist
exponentiell angestiegen und es werden immer noch jedes Jahr zahlreiche zusätzliche, zuvor noch
gänzlich unbekannte, Fundstellen auf diese Weise entdeckt.
Natürlich waren England und Wales nicht unbeschriebene Blätter, was die Zahl der bekannten
Fundstellen betrifft: schon um 2000 waren in den National Monuments Records von England und
Wales etwa eine halbe Million archäologischer Fundstellen verzeichnet, weil ja in diesen Ländern seit
1907 bzw. 1908 die jeweils regional zuständigen, für die archäologische Landesaufnahme
geschaffenen, Royal Commissions diese auch tatsächlich schon beinahe ein Jahrhundert lang
systematisch betrieben hatten. Dennoch haben die Fundmeldungen durch interessierte Bürger die
Zahl der insgesamt bekannten Fundstellen seither deutlich vergrößert, wenn nicht sogar etwa
verdoppelt.
Man kann sich also vorstellen, welchen Effekt ein tatsächlich effektives Fundmeldesystem, das Bürger
auch – wie hier vorgeschlagen – stark dazu motiviert, ihre Funde – die viele davon ohnehin machen,
weil sie dem Hobby der Metallsuche nachgehen, ob uns das nun gefällt oder nicht – einigermaßen
sachgerecht zu dokumentieren und auch tatsächlich den Behörden zu melden, haben könnte. Gerade
in Österreich, wo die Ausgangsbasis aufgrund der seit langer Zeit fast vollständig unterlassenen
systematischen archäologischen Landesaufnahe um ein großes Vielfaches schlechter ist als die, von er
man in England und Wales ausgehen konnte, als durch Einführung des PAS die Fundmeldetätigkeit
durch interessierte Bürger zu fördern begonnen wurde, würde das binnen weniger Jahre dazu führen,
dass sich die Zahl der bekannten Fundstellen massiv erhöhen dürfte – und zwar um einen
bedeutenden Faktor: erinnern wir uns, dem BDA sind derzeit den jüngsten Angaben zufolge gerade
einmal ungefähr 19.550 Fundstellen bekannt (Picker et al. 2016, 285), bei einer Bodenfläche, die etwa
55% der von England und Wales ausmacht. Rechnet man von den inzwischen weit über 500.000 durch
systematische archäologische Landesaufnahme und Fundmeldungen durch interessierte Bürger aus
England und Wales bekannten archäologischen Fundstellen hoch, was in Österreich durch ein
effektives Fundmeldesystem erreicht werden könnte, kann man davon ausgehen, dass bei etwa
gleicher Effektivität des Systems binnen etwa 10-20 Jahren in Österreich dadurch jedenfalls über
100.000 derzeit noch unbekannte archäologische Fundstellen bekannt werden dürften. Es bedarf
keiner besonderen Erwähnung, dass das eine gewaltige Verbesserung des Standes der
archäologischen Landesaufnahme Österreichs bedeuten würde, die eine deutlich bessere präventive
archäologische Denkmalpflege gestatten würde, als dies bisher der Fall war.
Das PAS zeigt übrigens auch, dass man sich auf die Meldungen interessierter Bürger durchaus
verlassen kann und, wenn man gewisse Mindeststandards an Dokumentationsgenauigkeit
vorschreibt, auch sehr gute und verlässliche Ergebnisse geliefert bekommt. Das PAS hat es lange Zeit
unterlassen, auch nur einigermaßen verbindliche Mindeststandards für Dokumentationen und
351
… et respice finem
Meldungen vorzugeben. Dennoch ist von 1997 an die Meldegenauigkeit zunehmend gestiegen (siehe
dazu z.B. PAS 2009, 31 Tab. 7b). 2013 hat man sich aber schließlich entschlossen, doch einen
Mindeststandard für die Annahme von Fundmeldungen einzuführen, der dem entsprach, was 2013
von 99% aller Meldungen bereits erreicht wurde (Lewis 2014, 41 Tab. 5). Das hat dazu geführt, dass
2014 25,33% aller Fundmeldungen auf die als Mindeststandard geforderten 10 Mal 10 Meter genau,
34,47% aller Fundmeldungen auf 1 Mal 1 Meter genau, und 39,48% auf 10 Mal 10 Zentimeter genau
lokalisiert und damit gemeldet wurden; die geforderten Mindeststandards also – neuerlich völlig
freiwillig – in etwa drei Viertel aller Fälle deutlich übertroffen wurden (Lewis 2015, 41 Tab. 5). 2015
waren es dann 27,45% auf 100 m2, 29,33% auf 1m2 und 42,55% auf 100 cm2 genau (Lewis 2016b, 36
Tab. 4). Das sind Meldezahlen und Meldegenauigkeiten, von denen man derzeit in Österreich nicht
einmal träumen kann – und etwa 90% davon stammen von Metallsuchern (ibid., Tab. 3) von
durchpflügten Böden (ibid., Tab. 5), nur etwa 3% sind Zufallsfunde bei nicht-archäologischen
Aktivitäten wie Garten- oder Bauarbeiten und gerade einmal 0,41% stammen aus systematischen
archäologischen Ausgrabungen (ibid., Tab. 3).
Für eine archäologische Landesaufnahme, die für die – ebenfalls hier vorgeschlagene –
vorausschauende Berücksichtigung archäologischer Denkmale im Bereich des Planungswesens
erforderlich ist, genügt diese vom PAS nun als Mindeststandard gewählte Fundmeldegenauigkeit
bereits vollständig. Die tatsächlich erreichte Meldegenauigkeit genügt hingegen bereits sogar für
archäologische Forschungen und Auswertungen, wenn man die übliche Fundverschleppung im
gestörten Oberboden berücksichtigt (für eine Zusammenfassung siehe Seawright 2015, 2-4). Auch
professionell durchgeführte Linien- oder Rastersurveys (BDA 2016a, 12) sind nur unwesentlich
aussagekräftiger, falls überhaupt, schlicht und einfach, weil die Quellenbasis selbst keine genaueren
Informationen hergibt, selbst wenn man die derzeitige Fundlage eines Gegenstandes noch genauer
dokumentiert als auf 100 m2 genau. Solche Lokalisierungsgenauigkeiten sind auch gar nicht
überraschend: schließlich trägt heute nahezu jeder ein GPS-Positionierungsgerät mit einer
Standardabweichung von normalerweise nicht mehr als 5 Metern bei sich, nämlich sein Mobiltelefon,
das auch gleich die praktischste Möglichkeit ist, Koordinaten für eine Fundmeldung aufzuzeichnen. In
Dänemark benutzen die dortigen Denkmalbehörden dafür inzwischen eine Applikation, die sich jeder
Metallsucher auf seinem Mobiltelefon installieren und mit dem er die Fundmeldung auch gleich an
Ort und Stelle vornehmen kann, samt beigefügten aussagekräftigen Fotos und automatisch
aufgezeichneten GPS-Koordinaten (pers. Mitt. J, Weise, 22.6.2019).
Schreibt man also für eine Dokumentationspflicht für Oberflächen- und Oberbodenfunde eine
erwünschte Lokalisierungsgenauigkeit der Fundstelle entsprechend der üblichen Ortungsgenauigkeit
eines beliebigen tragbaren GPS-Gerätes (Mobiltelefon, Wandernavigationsgerät, etc.) vor, die (z.B. in
Form von GPS-Koordinatenangabe plus Standardabweichung) als sachgerechte Dokumentation der
Koordinaten im Sinne des hier vorgeschlagenen Systems gilt, kann man auch durchaus
berechtigterweise damit rechnen, dass man in der Regel auch in Bezug auf die Lokalisierung der
Fundstelle des entdeckten Gegenstandes verlässliche Daten erhält. Damit würde aber eine derart auf
Basis von bürgerlicher Eigeninitiative durchgeführte archäologische Landeaufnahme aller
Wahrscheinlichkeit nach nicht nur Daten liefern, die für eine präventive archäologische
Denkmalpflege notwendig sind, sondern sogar Daten in einer Qualität, wie sie für wissenschaftliche
Untersuchungen, wie z.B. für die Schlachtfeldarchäologie, erforderlich ist.
Dass das dann auch tatsächlich geschieht oder wenigstens geschehen kann, zeigen ebenfalls die
Erfahrungen des PAS: seit seiner Einführung wurde die Daten des PAS für 455 wissenschaftliche
Forschungsprojekte genutzt; darunter nicht zuletzt 95 Doktorarbeiten (Lewis 2014, 5). Wie es
Christoph Huth in seiner Diskussion des PAS ausgedrückt hat: „Die quantitativen und qualitativen
352
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Veränderungen in der dokumentierten Fundüberlieferung sind so tiefgreifend, dass man sich fragen
muss, ob man das Fundbild in England und Wales überhaupt noch mit dem auf dem Kontinent
vergleichen kann. Das gilt nicht nur für die bronzezeitlichen Funde, sondern auch für alle anderen
Epochen […]. Und das bedeutet in der Konsequenz, dass wir uns nicht einmal mehr sicher sein können,
worüber wir eigentlich reden.“ (Huth 2013, 136). Wissenschaftliche Untersuchungen auf Basis einer
England und Wales vergleichbaren Fundmeldedichte würden also aller Wahrscheinlichkeit auch unser
wissenschaftliches Verständnis über die österreichische Archäologie, wenigstens teilweise,
revolutionieren.
Der Vergleich mit dem PAS sollte jedenfalls zu denken geben, weil er einen Ausblick auf das gibt, womit
man rechnen kann, wenn man die Bevölkerung und vor allem jene ihrer Teile, die heute hauptsächlich
im Feld archäologische Funde machen, weil sie nach ihnen suchen, zur sachgerechten Dokumentation
und Meldung dieser Funde motivieren würde, statt sie davon abzuschrecken. Man kann natürlich aus
den Fehlern und Mängeln, die das PAS hatte oder immer noch hat, lernen und sich auch von Anfang
an ordentlich auf die zu erwarteten Folgen der Einführung von Bestimmungen, wie sie hier
vorgeschlagen wurden, einstellen. Denn das BDA mit seinen 15 archäologischen Fachbeamten, die
ohnehin schon mit viel zu viel Arbeit überlastet sind, wird die Aufgabe, mit der erwarteten
Fundmeldungsflut umzugehen, wohl kaum bewältigen können; selbst wenn man den Findern die
Möglichkeit bietet, ihre Funde selbst direkt elektronisch zu melden und die Fundmeldungen nur noch
amtlich auf ihre Qualität hin kontrolliert werden müssen.
Personen mit anderen Motiven für die Durchführung von Erdarbeiten
Damit bleiben als zweite, ebenfalls relevante Gruppe, deren Verhalten man möglichst in die
erwünschte Richtung steuern möchte, noch jene Personen, die Erdarbeiten aus anderen Gründen, d.h.
mit anderen Motiven als der Entdeckung von Gegenständen, unter denen sich auch archäologische
Denkmale befinden könnten, durchführen. Diese Gruppe von Personen ist mindestens ebenso divers
wie die soeben besprochene Personengruppe und hat wenigstens ebenso vielfältige Motive und Ziele
wie diese. Dennoch lässt sich auch bei dieser Personengruppe ein gemeinsamer Nenner finden, aus
dem sich ableiten lässt, welche Anreize man Personen dieser Gruppe bieten kann, um sie dazu zu
motivieren, ihre Handlungen so zu gestalten, dass die gesetzlichen Bestimmungen die erwünschte,
verhaltenssteuernde Wirkung maximal entfalten können.
Denn dieser Gruppe von Personen – ob es sich dabei nun um natürliche oder Rechtspersonen handelt
– ist gemein, dass die von ihnen durchgeführten Erdarbeiten gerade nicht darauf abzielen,
archäologische Denkmale entdecken, sondern die Entdeckung archäologischer Denkmale bei
derartigen Erdarbeiten einen Störfaktor darstellt, der dazu führen kann, dass der Zweck, zu dem die
Erdarbeiten durchgeführt werden sollen, eventuell nicht oder nur erschwert erreicht werden kann.
Worum es diesen Personen eigentlich geht sind, wenn man es aus archäologischer Sicht betrachtet,
gerade nicht die archäologischen Denkmale, sondern – in der Bauwirtschaft – der Boden, der diese
umgibt, oder sogar – in der Land- und Forstwirtschaft – hauptsächlich das, was auf diesem Boden
wächst oder wachsen soll. In letzter Analyse geht es auch dabei wieder um die Verfügungsgewalt, nur
in diesem Fall eben nicht um die Verfügungsgewalt über die archäologischen Denkmale im (und auf
dem) Boden, sondern um die Verfügungsgewalt über den nicht archäologisch „verseuchten“ Boden
selbst bzw. die Früchte, die dieser Boden erzeugen soll oder bereits erzeugt hat.
Für die Erdarbeiten zu anderen als archäologischen Entdeckungszwecken durchführenden Personen
ist daher in erster Linie wichtig, dass sie über – aus deren Sicht idealerweise archäologiefreien – Boden
die möglichst uneingeschränkte Verfügungsgewalt ausüben können. Dabei haben sie, nicht wesentlich
anders als Finder archäologischer Denkmale in der Regel bereits die tatsächliche Verfügungsgewalt
353
… et respice finem
über die Sache, über die sie diese Verfügungsgewalt ausüben wollen. In der Regel haben sie jedoch
auch – im Unterschied zu den Findern, die diese normalerweise zum Zeitpunkt der Entdeckung
archäologischer Denkmale noch nicht haben – bereits zu dem Zeitpunkt, an dem sie ihre Erdarbeiten
planen und jedenfalls zum Zeitpunkt, an dem sie diese durchführen (lassen), auch die rechtliche
Verfügungsgewalt über die Sachen, über die sie verfügen wollen. Man kann diesen Personen daher
nicht den Anreiz bieten, dass sie, wenn sie sich in der erwünschten Weise verhalten, die rechtliche
Verfügungsgewalt über die Sache erlangen, über die sie verfügen wollen; sondern muss im Gegenteil
ihre rechtliche Verfügungsgewalt über diese Sache einzuschränken versuchen, wenn sie sich entgegen
geltender gesetzlicher Bestimmungen nicht in der erwünschten Weise verhalten.
Dies ist derzeit allerdings überhaupt nicht der Fall, sondern ganz im Gegenteil müssen diese Personen
befürchten, dass ihre rechtliche Verfügungsgewalt über die Sache, über die sie diese ausüben wollen,
gerade dann beschränkt wird, wenn sie sich an die gesetzlichen Bestimmungen halten; während
wenigstens ihre tatsächliche Verfügungsgewalt über sie überhaupt nicht beschränkt wird, wenn sie
die geltenden gesetzlichen Bestimmungen einfach vorsätzlich zu umgehen versuchen oder sogar
einfach ignorieren. Schließlich sind ja derzeit alle Erdarbeiten zu anderen als archäologischen
Entdeckungszwecken, sofern diese nicht auf einem unter Schutz stehenden Denkmal durchgeführt
werden sollen, gar nicht denkmalschutzrechtlich bewilligungspflichtig und es ist daher die
Verfügungsgewalt der diese Erdarbeiten durchführen wollenden Personen auch gar nicht
denkmalrechtlich eingeschränkt. Zu einer denkmalrechtlichen Einschränkung ihrer Verfügungsgewalt
über die Sache, über die sie verfügen wollen, kann es daher überhaupt erst kommen, wenn auf dieser
entdeckte archäologische Denkmale dem BDA gemeldet werden.
Eine denkmalschutzrechtliche Bewilligungspflicht für alle maßgeblich in den Erdboden eingreifenden
Arbeiten würde einen ersten Schritt in die gewünschte Richtung darstellen: die rechtliche
Verfügungsgewalt von Personen über die Sache, über die sie bei diesen Erdarbeiten diese
Verfügungsgewalt ausüben wollen, wird dadurch einer – wenn auch nur so gering als möglich in diese
eingreifenden – geringfügigen Beschränkung unterworfen. Nachdem die Erteilung einer solchen
Bewilligung im hier weiter unten gemachten Vorschlag von der Durchführung sachgerechter
Voruntersuchungen abhängig gemacht wird und im Rahmen der Bewilligung dem Antragsteller auch
Auflagen erteilt werden können, die dazu geeignet sind, die sachgerechte Dokumentation der bei den
Erdarbeiten (möglicherweise) zerstört werdenden archäologischen Denkmale im Boden
sicherzustellen, wird allein durch diese Bestimmungen selbst ein gesetzlicher Anreiz für solche
Arbeiten planenden Personen geschaffen, ihr Handeln in einer Weise zu gestalten, die gesetzlich
gewünscht ist.
Der Anreiz, der Personen, die Erdarbeiten zu anderen als archäologischen Entdeckungszwecken
durchführen wollen, zum erwünschten Verhalten motivieren soll, ist dabei der, dass jene dieser
Personen, die sich an die gesetzlichen Bestimmungen halten, d.h. die notwendigen
Voruntersuchungen durchführen und die sachgerechte Dokumentation allfällig vorhandener
archäologischer Denkmale auflagengerecht vornehmen (lassen), dafür die Sicherheit erhalten, dass
sie ihre Erdarbeiten, wenn sie diese dann tatsächlich in Angriff nehmen, auch tatsächlich frei
durchführen dürfen und ihre Verfügungsgewalt über den Boden nicht, sozusagen erst nachträglich,
durch dann „zufällig“ entdeckte archäologische Denkmale zu einem Zeitpunkt beschränkt wird, an
dem derartige Einschränkungen ihnen maßgeblichen und vorab nicht kalkulierbaren wirtschaftlichen
Schaden verursachen. Der Anreiz ist also die Sicherheit, dann, wenn sie die freie Verfügungsgewalt
tatsächlich brauchen, sie auch tatsächlich zu haben.
Tatsächlich sollte auch die Durchsetzung eines solchen Anreizsystems schon alleine deshalb um ein
Vielfaches effektiver sein als das bisherige System des archäologischen Denkmalschutzes bei nicht aus
354
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
archäologischen Entdeckungszwecken durchgeführten Erdarbeiten, weil ein großer Teil der besonders
archäologiegefährdenden Erdarbeiten – nämlich wenigstens jene bei Bauarbeiten – bereits ohnehin
einer gesetzlichen Bewilligungspflicht unterworfen ist; die rechtliche Verfügungsgewalt der Personen,
die solche Erdarbeiten durchführen wollen, also ohnehin schon beschränkt ist und auch einigermaßen
effektiven Kontrollmechanismen unterliegt. Durch die Verknüpfung der denkmalschutzrechtlichen
Bewilligungspflicht mit diesen anderen Bewilligungspflichten, die auch kaum jemand vorsätzlich
missachtet (weil eine Folge davon schließlich sein kann, dass er ein um teures Geld errichtetes
Gebäude um noch mehr Geld wieder abreißen muss, was niemand will), ist auch einigermaßen
sichergestellt, dass sich Personen, die Bauarbeiten durchführen wollen, nicht um die
denkmalschutzrechtliche Bewilligung zu drücken versuchen, weil sie, wenn sie diese nicht erhalten,
sie ja dann auch die Baubewilligung nicht erhalten, womit den Personen, die die Bauarbeiten
durchführen wollen, eine Strafe droht, die nicht nur die Kosten der Befolgung der notwendigen
archäologischen Bestimmungen, sondern die Kosten des gesamten Bauprojekts übersteigt. Das ist
dann auch tatsächlich eine effektive Abschreckung, egal für welches Bauunternehmen.
Es gilt jedoch auch zu bedenken, dass viele anderen maßgeblich in den Erdboden eingreifenden
Arbeiten, insbesondere in der Land- und Forstwirtschaft, noch keinen besonderen
Bewilligungspflichten unterliegen und daher auch eine denkmalschutzrechtliche Bewilligungspflicht
leicht missachtet werden könnte: schließlich ist nicht ohne Weiteres festzustellen, ob ein Bauer nun
tiefer als ca. 30 cm pflügt. Wenn ein Forstbetrieb irgendwo eine Forststraße oder auch nur eine
Erntegasse für den Harvester anlegt, ist das ebenso oft von außen, d.h. von außerhalb des Waldes, in
dem diese Arbeiten stattfinden, nur schwer oder überhaupt nicht zu bemerken. Noch dazu ist es auch
sehr unwahrscheinlich, dass bei derartigen Arbeiten archäologische Denkmale auch nur zufällig
entdeckt werden, vor allem, wenn niemand gezielt nach ihnen sucht, weil bei diesen Arbeiten der
Boden oft gar nicht abgegraben, sondern nur von der Oberfläche aus maschinell durchwühlt wird, wie
z.B. bei Pflügetätigkeiten, dem Einsatz von Grubbern, oder, wie bei der Anlage von Erntegassen beim
Harvestereinsatz im Wald, durch das Gewicht des eingesetzten Geräts stark komprimiert und durch
dessen Räder teilweise umgewühlt wird. Personen, die derartige Erdarbeiten durchführen wollen,
könnten also denkmalschutzrechtliche Bewilligungspflichten einigermaßen leicht missachten, weil sie
ja die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Sache, auf der sie maßgeblich in den Erdboden
eingreifende Handlungen setzen wollen, bereits haben und die uneingeschränkte rechtliche
Verfügungsgewalt darüber gar nicht brauchen, weil ohnehin niemand bemerkt, dass sie
möglicherweise verbotenerweise archäologische Denkmale undokumentiert zerstören, ohne dafür
eine denkmalschutzrechtliche Bewilligung zu haben. Es bedarf daher auch einer recht starken
Abschreckungswirkung, um derartige Missachtungen der gesetzlichen Bestimmungen möglichst
nachteilhaft erscheinen zu lassen.
Auch hier kann man eventuell bei der Verfügungsgewalt jener ansetzen, die eventuell derartige
maßgeblich in den Erdboden eingreifende Maßnahmen unter Missachtung der
denkmalschutzrechtlichen Bewilligungspflichten durchführen könnten; wie das schon derzeit durch
die Möglichkeit der Unterschutzstellung gem. §§ 2a, 3 oder 9 Abs. 3 DMSG igF erreicht werden kann.
Eine solche Unterschutzstellung erfordert allerdings nicht nur die Feststellung, dass sich an einem Ort
tatsächlich archäologische Denkmale befinden, sondern auch die Feststellung, dass deren Bedeutung
wenigstens iSd § 1 Abs. 5 DMSG wahrscheinlich derart beschaffen ist, dass ihre Erhaltung im
öffentlichen Interesse gelegen ist. Dies ist aber oft nicht einfach feststellbar, insbesondere, wenn die
Hinweise, die auf das Vorkommen archäologischer Denkmale an einem bestimmten Ort deuten, eher
schwach sind (siehe dazu auch Hebert 2018, 84), d.h. sich z.B. auf Oberflächen- und Oberbodenfunde
und nicht übermäßig aussagekräftige Luftbildbefunde beschränken. Inwieweit eine solche
355
… et respice finem
Unterschutzstellung jedoch überhaupt sinnvoll ist, kann bezweifelt werden; vor allem, weil das
Ausmaß der Beschädigung eines zuvor unbekannten Denkmals nur sehr schwer festzustellen ist.
Ein weit effektiverer Zugang könnte es hingegen sein, die unbeweglichen archäologischen Denkmale
im Boden, nicht anders als die beweglichen Artefakte, als herrenlose Güter zu betrachten. Schließlich
sind unbewegliche archäologische Denkmale im Boden, also Befunde und Kontexte, ebenso in
Vergessenheit geraten wie ein vergessenes Artefakt bzw. hat der vormalige Eigentümer seinen
Eigentumsanspruch an den Sachen, die diese Befunde einst waren, schon so lange aufgegeben, dass
sie soweit verfallen konnten, dass von ihnen nicht mehr als ein paar nicht länger nutzbare Überreste
oder Ruinen übriggeblieben sind. Als herrenlose Güter, die jedoch untrennbar mit dem Boden, auf
oder in dem sie sich befinden verbunden sind, kann man diese in das Eigentum des Grundeigentümers
übergehen lassen, wenn sich dieser (bzw. ihr Finder) an die dafür notwendigen gesetzlichen
Bestimmungen – eben die Dokumentations- und Meldepflichten, die hier vorgeschlagen wurden –
hält: er (bzw. der Finder) behandelt sie schließlich rechtmäßig und sachgerecht; es spricht daher nichts
dagegen, ihn das Eigentumsrecht an ihnen erwerben zu lassen (insbesondere, weil sie ja in der Regel
bei ihrer sachgerechten Dokumentation ohnehin weitgehend zerstört oder wenigstens maßgeblich
verändert werden).
Bei nicht sachgerechter Behandlung kann man sie hingegen – im Sinne einer Servitut oder wie einen
Bodenschatz – ebenso wie bewegliche Funde, die nicht sachgerecht dokumentiert und gemeldet
wurden, in das Eigentum der Republik übergehen lassen. Dies ist im archäologischen Denkmalschutz
auch international nicht ungehört, z.B. ist es in Italien generell so, dass bewegliche und unbewegliche
archäologische Denkmale, die sich noch unter der Erdoberfläche befinden, mit ihrer Entdeckung
automatisch ins Staatseigentum übergehen, auch wenn der Boden, in dem sie sich befinden, einen
anderen Eigentümer hat (Art. 91 iVm Art. 10 Decreto Legislativo 22 gennaio 2004, n. 42, "Codice dei
beni culturali e del paesaggio, ai sensi dell'articolo 10 della legge 6 luglio 2002, n. 137"). Damit können
dann zwar nicht frühere Beschädigungen dieser archäologischen Denkmale im Boden, aber alle
weiteren ohne die notwendige denkmalschutzrechtliche Bewilligung an diesem Ort vorgenommenen
Erdarbeiten durch den Grundeigentümer, durch die mutmaßlich Schaden an den noch im Boden
befindlichen, im öffentlichen Eigentum stehenden Denkmalen angerichtet wurde, wenigstens als
Sachbeschädigung iSd § 125 StGB gewertet und entsprechend bestraft werden, auch wenn sie
überhaupt nicht unter Denkmalschutz stehen. Es versteht sich von selbst, dass die meisten
Grundeigentümer das Entstehen eines solchen staatlichen Eigentumsrechtes an archäologischen
Denkmalen, die sich unter der Oberfläche ihres eigenen Grundes befinden und auch gar nicht wirklich
sichtbar sind, nach Möglichkeit verhindern wollen werden; schon allein um dauernden Streitigkeiten
mit den Behörden aus dem Weg zu gehen.
Damit wird der Vorteil, der jener Person, die maßgeblich in den Boden eingreifende Arbeiten
vornehmen möchte, dadurch entsteht, dass sie bei Beachtung der gesetzlichen Bewilligungs-,
Dokumentations- und Meldepflichten die Sicherheit erhält, dass ihre Verfügungsgewalt bezüglich der
betroffenen Bodenflächen nicht nachträglich durch denkmalschutzrechtliche Bestimmungen
beschränkt wird, wenn doch archäologische Denkmale entdeckt werden, durch den Nachteil ergänzt,
dass die Person bei Nichtbeachtung der gesetzlichen Bewilligungs-, Dokumentations- und
Meldepflichten riskiert, plötzlich unter der Oberfläche des ihr gehörenden Bodens ein im öffentlichen
Eigentum stehendes Gut zu haben, das ihr nichts als Schwierigkeiten bereiten kann. Damit würden
sich auch in diesem Bereich Zuckerbrot und Peitsche gegenseitig verstärken und wären wohl auch
gemeinsam einigermaßen effektiv dabei, die erwünschte Verhaltenssteuerungswirkung zu entfalten:
hält man sich an die denkmalschutzrechtlichen Regelungen, hat man die Sicherheit, mit seinem Grund
356
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
und Boden weiterhin unbeschränkt tun und lassen zu können, was man möchte, tut man es hingegen
nicht, handelt man sich einfach zu vermeidende Schwierigkeiten ein.
Auch hiermit wird man natürlich nicht alle Personen erreichen, die irgendwelche Arbeiten ausführen
wollen, die maßgeblich in den Boden eingreifen und damit wirklich „besonders“ bedeutende
archäologische Denkmale im oben genannten Sinn im Boden gefährden können: manche werden
sicherlich weiterhin darauf hoffen, einfach unbemerkt damit davonzukommen, wenn sie solche
Arbeiten mehr oder minder heimlich, still und leise durchführen. Aber auch hier ist es so, dass die hier
vorgeschlagene Alternativlösung nicht nur jedenfalls besser als gar nichts, sondern insbesondere
besser als die derzeit bestehende Rechtslage wäre. Will man Grundeigentümer bzw. sonstige
Verfügungsberechtigte dazu bewegen, nicht einfach möglicherweise auf von ihnen bearbeiteten
Grundstücken vorkommende archäologische Denkmale zu verheimlichen und diese bei maßgeblich in
den Boden eingreifenden Arbeiten unbemerkt zu zerstören oder verändern, sondern diese möglichst
vor der Durchführung maßgeblicher in den Boden eingreifender Arbeiten aufspüren und sachgerecht
dokumentiert entsorgen zu lassen, wird man eine Lösung wie die hier vorgeschlagene anstreben
müssen.
Klar sollte jedenfalls sein, dass man mit Lösungsversuchen wie den hier vorgeschlagenen – einer
Fundmeldepflicht verbunden mit einem Belohnungssystem für die sachgerechte und einem
Strafsystem für die unsachgemäße Behandlung archäologischer Funde und Befunde und einem
ähnlichen Bestrafungs- und Belohnungssystem für Grundeigentümer, auf deren Grund- und Boden
sich unbewegliche archäologische Denkmale noch im Boden befinden, für den sachgerechten Umgang
mit diesen – wohl deutlich erfolgreichere archäologische Denkmalpflege betreiben wird können als
mit dem bisher in Österreich bestehenden System. Denn Großteils nur am Papier bestehende
„Unterschutzstellungen“ ohne sachgerechte Pflege der unter Denkmalschutz gestellten Denkmale, die
sie bloß in situ belässt, aber dort nicht erhält, und ebenfalls wenigstens in der Praxis im Feld praktisch
nur am Papier bestehende Verbote und Strafandrohungen, die entweder in der Realität ohnehin so
gut wie nirgendwo gelten und, wenn sie doch einmal gelten, praktisch kaum durchsetzbar sind,
erreicht man keinen wirklichen archäologischen Denkmalschutz und betreibt auch keine echte
archäologische Denkmalpflege; sondern hält nur ein gesetzliches Feigenblatt vor seine Scham, damit
man nicht ganz nackt dazustehen scheint.
357
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
Natürlich kann man all die in diesem Buch aufgezeigten Probleme einfach ignorieren und einfach so
weitermachen wie bisher, als ob nichts geschehen wäre und es nicht den mindesten Änderungsbedarf
geben würde, wenn man das so will.
Aber dann sollte, wenigstens meiner Meinung nach, die archäologische und denkmalpflegerische
Fachwelt in Österreich auch ehrlich zugeben, dass es ihr weder um die Erhaltung der archäologischen
Denkmale, noch um die Archäologie und schon gar nicht um das Allgemeinwohl geht, sondern um
gesetzliche Privilegien für uns und eine gesetzliche Rechtfertigung für unsere Existenz; sowie darum
recht zu haben und unsere eigenen selbstsüchtigen Interessen gegen die Eigentümer aller Sachen, die
wir als archäologisch betrachten, irgendwie durchsetzen zu können, wenn auch nur auf rechtswidrigen
Weg. Wenn es uns nur darum geht, möglichst alle von der Verfügung über alle die Sachen ausschließen
zu können, die wir für uns behalten wollen, d.h. alle außer uns selbst, und alle jene, die sich entgegen
unseres Willens dieser Sachen zu bemächtigen versuchen, als „böse Denkmalkriminelle“ bezeichnen
und privat wie öffentlich verdammen zu können, auch wenn das rechtlich gesehen in den meisten Fällen
gar nicht so stimmt; dann gibt es keinen wirklichen Grund, irgendetwas am derzeitigen DMSG und
unserem Verhalten als Berufsstand zu ändern. Aber dann kann man, und sollte man meiner Meinung
nach sogar, nicht nur das BDA, sondern auch unser Fach insgesamt abschaffen, weil dann unsere
Tätigkeit und unser Verhalten keinen gesellschaftlichen Nutzen (außer für uns selbst) hat und die
Gesellschaft, die Archäologie und die Wissenschaft weit besser dran wäre, wenn es uns und „unsere“
Gesetze gar nicht mehr gäbe.
Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der österreichische Gesetzgeber einen archäologischen
Denkmalschutz will, wie er derzeit in Österreich (nicht wirklich) existiert. Wenn er das doch tun sollte,
dann sollte er ebenfalls besser offen zugeben, dass ihn archäologischer Denkmalschutz; und vor allem
ein zeitgemäßer, den gegenwärtigen Anforderungen – sowohl der archäologischen Wissenschaft, als
auch der Gesellschaft und den derzeitigen äußeren Umständen in der Wirklichkeit – entsprechender
archäologischer Denkmalschutz einfach nicht interessiert. Wenn er ohnehin keinen zeitgemäßen
archäologischen Denkmalschutz will, kann er sich ihn – und die Kosten, die er verursacht – auch gleich
ganz sparen.
Nicht, dass das viele Einsparungen bringen würde, aber bekanntermaßen zählt jeder Cent.
Will man hingegen – und ich gehe davon aus, dass sowohl die österreichische archäologische und
denkmalpflegerische Fachwelt, der österreichische Gesetzgeber, als auch vor allem die österreichische
Gesellschaft das will (siehe dazu schon Karl et al. 2014), dann bedarf es dringend einer Änderung des
DMSG und auch eines gewissen, wenn auch sehr begrenzten, Aufwands durch die Politik, wenigstens
das Minimum an Ressourcen für die archäologische Denkmalpflege bereitzustellen, die man nun
einmal braucht, wenn man nicht nur ein fadenscheiniges Feigenblatt-Amt, sondern eine einigermaßen
erfolgreich ihre Aufgaben erfüllen könnende archäologische Denkmalbehörde haben will. Im
Folgenden erlaube ich mir daher, konkrete Vorschläge zu machen, die – im Sinne des oben Gesagten
– einen besseren, zeitgemäßeren archäologischen Denkmalschutz in Österreich herbeiführen und
damit sowohl den Schutz und die Erhaltung der Archäologie – und sei es auch nur durch ihre
sachgerechte Dokumentation bei ihrer Entfernung ex situ – als auch die archäologische Wissenschaft,
aber insbesondere das Allgemeinwohl, tatsächlich maßgeblich fördern würden.
Wie schon weiter oben ausgeführt, wäre es vermutlich am besten, ganz zum Reißbrett
zurückzukehren und unter breiter Beteiligung verschiedener Interessentengruppen – von der
archäologischen Fachwelt über interessierte Bürger bis hin zu Grundeigentümervertretern und der
Bauwirtschaft – vom blanken Blatt weg ein völlig neues Gesetz zu schaffen, statt das derzeitige DMSG
358
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
durch grundlegendere Änderungen an moderne Bedürfnisse anzupassen zu versuchen. Wie aber
ebenfalls schon weiter oben ausgeführt, wage ich auf einen derart radikalen Lösungsversuch nicht zu
hoffen und werde hier daher versuchen, Änderungsvorschläge zu machen, mit denen das DMSG
wenigstens halbwegs in ein auch unter modernen Umständen funktionieren könnendes Gesetz
umgeändert wird.
Archäologischer Denkmalschutz gemäß dem deklaratorischen Prinzip
Auch wenn wohl viele der deutschen Länder ihre Denkmalschutzgesetze in den letzten Jahrzehnten
nahezu ebenso, wenn nicht noch stärker, vergeigt haben als Österreich das seine, haben unsere
deutschen Kollegen mit der Insistenz darauf, dass der archäologische Denkmalschutz idealerweise
präventiv und nach dem deklaratorischen Prinzip funktionieren muss, durchaus richtig erkannt, in
welche Richtung sich der archäologische Denkmalschutz entwickeln muss, wenn er unter modernen
Umständen einigermaßen effektiv funktionieren können soll. Sie sind nur in wenigstens einigen (den
oben besprochenen und vermutlich noch einigen weiteren) Fällen in die Falle der so extrem
undefinierten Legaldefinitionen gegangen, anhand derer man unmöglich ex ante erkennen kann, ob
eine bestimmte Sache nun ein archäologisches Denkmal im Sinne des Gesetzes ist, auf das dessen
Schutzbestimmungen anzuwenden sind, dass ihre Gesetze im Endeffekt nur genauso eng beschränkt
anwendbar sind wie das österreichische DMSG in seinem derzeitigen Zustand.
Es gilt also zuerst, das Problem der Legaldefinition des archäologischen Denkmalbegriffs zu lösen:
diese muss einerseits so allgemeinverständlich sein, dass jeder unschwer erkennen kann, welche
Sachen er als archäologische Denkmale behandeln muss und mit welchen er tun und lassen kann, was
er will. Sie muss andererseits in die Begriffsdefinitions- und Anwendungsbereichsbestimmungen des
§ 1 DMSG aufgenommen werden, damit sie im DMSG auch tatsächlich dort steht, wo sie systematisch
hingehört. Dort ist dann auch gleich eindeutig zu bestimmen, dass die archäologischen
Schutzbestimmungen des neu novellierten DMSG auf Basis des deklaratorischen Prinzips, also ipsa
lege, auf alle Sachen anzuwenden sind, die der Legaldefinition des archäologischen Denkmalbegriffs
genügen.
Abgrenzung des archäologischen Denkmalbegriffs
Aus archäologischer Sicht am besten wäre es zweifelsfrei, einfach alle archäologisch aussagekräftigen
Objekte als archäologische Denkmale zu betrachten. Das ist jedoch in Österreich wenigstens rechtlich
aufgrund der Kompetenzverteilung der Bundesverfassung nicht möglich, weil Öko- und Geofakte, d.h.
von der belebten oder unbelebten Natur geschaffene Sachen nicht als Kulturdenkmale betrachtet
werden können und daher nicht unter die Bundeskompetenz des Denkmalschutzes sondern unter die
Landeskompetenz des Naturschutzes fallen (Bazil et al. 2015, 5-6). Es wäre auch insofern
problematisch, weil auch moderne Leitungen, Bauten und beliebige andere Teile der Materialkultur
archäologisch aussagekräftige Sachen sind (oder wenigstens sein können), weil die moderne
Archäologie inzwischen ja de facto jede Altersgrenze, die ein chronologisch jüngeres Ende ihres
Forschungsgebietes bestimmen würde, aufgegeben hat. Es können eben inzwischen, wenn man auch
die forensische Archäologie (Groen et al. 2015) als Teil der archäologischen Wissenschaft betrachtet,
wie man es wenigstens meiner Meinung nach auch tatsächlich wenigstens aus methodischer und
wissenschaftsstruktureller Sicht tun muss, auch Objekte, die zum Zeitpunkt ihrer wissenschaftlichen
Untersuchung nur wenige Stunden alt sind, archäologische Objekte sein. Es bedarf daher auch einer
Abgrenzung zwischen den Begriffen „archäologisches Objekt“ und „archäologisches Denkmal“, wobei
letzterer jenen Teil der archäologischen Objekte bezeichnet, die den spezifisch archäologischen
Bestimmungen des DMSG auch dann unterliegen, wenn ihre physische Erhaltung in situ weder im
öffentlichen noch im wissenschaftlichen Interesse gelegen ist.
359
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
Das Problem einer eindeutigen Abgrenzung ließe sich dabei eventuell – wie das in vielen anderen
Ländern der Welt der Fall ist – durch eine absolute Zeitgrenze erreichen, wie sie ohnehin schon derzeit
im österreichischen DMSG für bewegliche Gegenstände im Bereich der Unterschutzstellung kraft
gesetzlicher Vermutung gem. § 2 Abs. 1 Z 1 DMSG und Art. 1 Z 1 lit. a der Ausfuhrverordnung für
Kulturgüter (BGBl. II 1999/484) vorgesehen ist. Man könnte die an den beiden genannten Orten
eingezogene Altersgrenze von 100 Jahren einfach auf alle, auch unbewegliche, archäologische Objekte
ausdehnen und damit als archäologische Denkmale, die den spezifischen archäologischen
Bestimmungen des DMSG unterliegen könnten, alle archäologischen Objekte betrachten, die älter als
100 Jahre sind.
Das würde allerdings gleich zwei Probleme verursachen: zum einen würden dadurch zahlreiche
archäologische Objekte, an deren sachgerechter Dokumentation zum Zweck der Erhaltung der in
diesen gespeicherten historischen Informationen zweifellos bereits ein ausgeprägtes
wissenschaftliches und öffentliches Interesse besteht, die aber noch jünger als 100 Jahre sind, aus
dem archäologischen Denkmalsbegriff und damit auch dem Schutzbereich der spezifischen
archäologischen Bestimmungen des DMSG ausgeschlossen. So zum Beispiel sind archäologische
Objekte aus dem zweiten Weltkrieg sicherlich bereits von ausgeprägtem wissenschaftlichen Interesse
(Theune-Vogt 2014) und auch durchaus für bedeutende Anteile der Öffentlichkeit bereits wenigstens
subjektiv betrachtet Denkmale (Karl et al. 2014, 9); und wenigstens ein wissenschaftliches Interesse
besteht auch an noch deutlich jüngeren archäologischen Objekten wie Überresten des ehemaligen
eisernen Vorhangs. Zum anderen wiederum würden dadurch viele Objekte miteingeschlossen, die
zwar schon älter als 100 Jahre sind aber immer noch modern genutzt werden, insbesondere natürlich
alle noch ganz normal bewohnten Gebäude, die älter als 100 Jahre sind, aber auch über hundert Jahre
alte Kanäle und andere noch aktive Leitungsanlagen und vieles mehr. Denn der Begriff des
archäologisch bedeutenden Objektes schließt ja schließlich gerade nicht noch über der Erdoberfläche
erhaltene materielle Hinterlassenschaften der Vergangenheit aus, sondern mit ein, weil für die
Archäologie letztendlich irrelevant ist, ob eine materielle Hinterlassenschaft der Vergangenheit sich
nun unter oder über der Erdoberfläche erhalten hat. Würde man den archäologischen
Denkmalsbegriff also so abgrenzen, dass alle von Menschen geschaffenen oder gestaltend
veränderten Gegenstände, die älter als 100 Jahre alt sind, in den Bedeutungsbereich dieses Begriffes
fallen, würden auch zahllose bewegliche Gegenstände, die noch ganz normal in Benutzung stehen,
wie z.B. potentiell von den Urgroßeltern oder Großeltern geerbte Bücher, plötzlich zu archäologischen
Denkmalen werden, die den spezifisch archäologischen Bestimmungen des DMSG auch dann
unterliegen, wenn an ihrer Erhaltung gar kein Interesse besteht. Das ist jedoch nicht praktikabel.
Auch würde es relativ wenig nutzen, eine absolute Altersgrenze weiter in die Vergangenheit zu
verschieben, um weniger noch in ganz normaler Benutzung stehende Gegenstände in den
Wirkungsbereich des archäologischen Denkmalsbegriffs einzubeziehen. Denn zum einen müsste man
zeitlich recht weit zurückgehen, um wirklich nahezu alle noch modern genutzten archäologischen
Objekte aus dem archäologischen Denkmalsbegriff auszunehmen: schließlich haben auch noch viele
alte Bauernhäuser und andere bewohnte Gebäude, viele noch genutzte Kirchen, Burgen, Schlösser
etc. wenigstens manche Bauteile, die wenigstens viele hundert, wenn nicht sogar über tausend Jahre
alt sind. Zum anderen würde dadurch aber die Anzahl der Gegenstände, die nicht unter den
archäologischen Denkmalsbegriff fallen, weil sie zu jung sind, die aber wichtige historische
Informationen speichern, die wenigstens im wissenschaftlichen und wohl auch wenigstens teilweise
im öffentlichen Interesse zu erhalten wären, massiv ausgedehnt. Es kann, wenigstens aus
archäologisch-wissenschaftlicher Sicht, sicherlich nicht wünschenswert sein, auch archäologische
Objekte aus dem 14. Jahrhundert n. Chr. aus dem archäologischen Denkmalsbegriff auszunehmen,
360
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
weil es noch eine nicht zu unterschätzende Anzahl alter, aber noch in Gebrauch stehender Wohn- oder
Nutzobjekte gibt, die teilweise noch Bauteile aus diesem Jahrhundert enthalten.
Davon abgesehen wird es auch für gewöhnliche Staatsbürger zunehmend schwieriger zu erkennen,
ob ein Gegenstand alt genug ist, um noch in den Wirkungsbereich archäologischer
Schutzbestimmungen des DMSG zu fallen, je weiter die Altersgrenze, die ein archäologisches Objekt
zu einem archäologischen Denkmal macht, in die Vergangenheit verschoben wird. Ob etwas
(ungefähr) hundert Jahre oder doch älter oder vor allem eindeutig jünger ist, kann tatsächlich noch
jedermann mit einigermaßen ausreichender Sicherheit selbst entscheiden; aber ob ein
mittelalterlicher Gegenstand jetzt aus dem 13. oder doch erst aus dem 14. Jahrhundert datiert, ist
ohne besondere Sachkenntnis wohl kaum mehr zu entscheiden. Damit käme man aber genau zu dem
Problem zurück, das mit dem derzeitigen Bodendenkmalsbegriff besteht: gewöhnliche Staatsbürger,
die auf Gegenstände stoßen, die archäologische Denkmale sein könnten, müssten eine Entscheidung
treffen, die man ihnen bei ihrem mutmaßlichen Kenntnisstand nicht zumuten kann und darf. Auf
diesem Weg allein ist also keine Lösung des Problems zu finden.
Es erscheint daher sinnvoller, als hauptsächliches Unterscheidungsmerkmal auf jene Eigenschaft
abzustellen, durch die sich die archäologische Denkmalpflege von anderen Bereichen der bzw. der
traditionellen Denkmalpflege unterscheidet: nämlich eben, dass es letztendlich primäres Ziel der
archäologischen Denkmalpflege ist und sein muss, die historischen, künstlerischen und sonstigen
kulturellen Informationen zu erhalten, die in unbekannten archäologischen Objekten enthalten sind.
Denn es ist zwar selbstverständlich auch die Erhaltung von in bereits bekannten archäologischen
Objekten gespeicherten archäologischen Informationen interessant und wichtig, aber die
mutmaßliche wissenschaftliche Bedeutung dieser Objekte kann – da sie bereits an sich bekannt sind
– ja bereits jetzt oder aber nötigenfalls nach einer jederzeit erfolgen könnenden genaueren
Untersuchung dieser Objekte beurteilt und diese daher – wenn sie ausreichend besonders zu sein
scheint – durch das für die traditionelle Denkmalpflege charakteristische Listen- und physische
Erhaltungsprinzip geschützt werden.
Die in zuvor unbekannten archäologischen Objekten gespeicherte, besonders bedeutende
archäologische Information ist auch in der Regel bereits unmittelbar zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung
bzw. – wenn es sich bei der Methode der Entdeckung um ihre Ausgrabung handelt, egal aus welchen
Gründen und mit welchen Mitteln diese erfolgt – oft sogar durch die zu ihrer Entdeckung notwendigen
Handlungen durch maßgebliche Veränderungen oder gar Zerstörung bedroht und muss daher auch
unbedingt direkt im Kontext ihrer Entdeckung sachgerecht dokumentiert werden. Bei bereits
bekannten Objekten ist eine allfällige Bedrohung hingegen normalerweise weit weniger akut:
entweder ist der Kontext, in dem sich das Objekt befindet, ein (sich noch dazu stetig ändernder)
alltäglicher Kontext, der auch wissenschaftlich nicht besonders bedeutend ist (wie zum Beispiel bei
beweglichen Gegenständen, die derzeit im Gebrauch stehen); oder er ist – vor allem wenn es sich um
ein unbewegliches Objekt handelt – ebenso bekannt wie das Objekt selbst (z.B. bei Gebäuden, die
derzeit noch benutzt werden); oder aber der archäologisch eigentlich relevante „ursprüngliche“
Kontext, in dem sich das Objekt befand, ist bereits lange irreversibel zerstört und kann daher auch
beim besten Willen nicht mehr dokumentiert werden (wie z.B. bei römischen Artefakten
undokumentierter Herkunft, die sich in einer öffentlichen oder privaten Sammlung befinden).
Kriterium Unbrauchbarkeit
Ob etwas bekannt oder (noch) unbekannt ist, ist zudem mit einer besonders relevanten Eigenheit von
Gegenständen korreliert, die essentiell dafür ist, Probleme wie jene des Bodendenkmalbegriffs – dass
z.B. eigentlich auch noch aktive moderne Leitungen Bodendenkmale sind – zu vermeiden. Denn
bekannte Gegenstände stehen in der Regel noch heute in aktuellem Gebrauch (von einigen wenigen
361
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
Ausnahmen wie Ruinen einmal abgesehen, die zwar bekannt sind, aber nicht mehr [in ihrer
ursprünglichen Funktion] in Gebrauch stehen), während unbekannte Gegenstände normalerweise
derzeit nicht in Gebrauch stehen. Natürlich kann der Grad der Bekanntheit noch in Gebrauch
stehender Gegenstände durchaus variieren: man muss nicht genau wissen, wo eine aktive
Stromleitung verlegt und wie genau das Kabel beschaffen ist, das den Strom leitet, aber man weiß
dennoch – aufgrund der Tatsache, dass man Strom hat – dass es das Kabel geben muss und es in einem
bestimmten Bereich verlegt sein muss. Letztendlich weiß man von (noch) in Gebrauch stehenden
Gegenständen, unabhängig davon wie genau der Grad der Bekanntheit dieses Gegenstandes ist, dass
es sie gibt; während nicht (mehr) in Gebrauch stehende Dinge dazu neigen, vergessen und dadurch
unbekannt zu werden. Es ist genau hier, wo wir die Unterscheidung zwischen archäologischen und
anderen Denkmalen finden, die wir benötigen.
Denn die Archäologie interessiert sich ja – als historische Kulturwissenschaft – hauptsächlich nicht
dafür, wie Sachen gegenwärtig gebraucht werden, sondern versucht vorwiegend aus Sachen, die aus
dem Gebrauch geraten sind, Informationen über die Vergangenheit – eben, wie und wozu diese
Sachen früher einmal im Gebrauch standen und was man daraus über die Vergangenheit lernen kann
– zu gewinnen. Die Archäologie ist also nahezu ausschließlich an Objekten interessiert, die aus dem
Gebrauch geraten sind, und die daher oft – wenngleich auch keineswegs immer – vergessen wurden
und daher heute unbekannt sind. Darum spielen Funde auch eine so große Rolle in der Archäologie:
nicht weil sie, wie z.B. der Bodendenkmalbegriff impliziert, irgendwann einmal im Boden gelegen sind
oder noch im Boden liegen, noch weil das Finden von Sachen so spannend ist, sondern weil die Sachen,
die etwas darüber verraten können, was in der Vergangenheit geschehen oder gewesen ist, seit der
Zeit, über die sie uns etwas verraten können, außer Gebrauch und daher in der überwältigenden
Mehrheit aller Fälle in Vergessenheit geraten sind. Sie sind eben seit damals nicht mehr verwendet
und daher nicht mehr verändert worden, sind seit damals „ungestört“, und müssen nur deshalb oft
gefunden werden, weil eben Dinge, die seit Jahrhunderten nicht mehr gebraucht wurden, auch schon
seit Jahrhunderten niemandem mehr wichtig waren und daher vergessen wurden.
Umgekehrt sind es genau die (von Menschen geschaffenen bzw. gestaltend veränderten) Sachen, die
auch derzeit (noch) in Gebrauch stehen und daher auch derzeit noch (wenigstens in ihrer Existenz,
wenn auch nicht unbedingt in allen ihren Details) bekannt sind, die möglichst nicht von
denkmalschützerischen Bestimmungen betroffen werden sollten, bzw. von diesen Bestimmungen
ausschließlich dann betroffen werden sollten und dürfen, wenn sie – aus welchen Gründen auch
immer – so bedeutend sind, dass man sie auch vor durch ihre gegenwärtige Benutzung
möglicherweise entstehenden Schäden und Veränderungen schützen soll. Letztendlich zielt das
Denkmalschutzgesetz, wie z.B. schon der Langtitel der ursprünglichen Fassung dieses Gesetzes,
„Bundesgesetz vom 25. September 1923, betreffend Beschränkungen in der Verfügung über
Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung (Denkmalschutzgesetz)“
(BGBl. 533/1923, Hervorhebung: RK), darauf ab, die Verfügungsgewalt allfällig bezüglich bestimmter
(nämlich geschichtlich, künstlerisch oder kulturell bedeutender) Gegenstände Verfügungsberechtigter
über diese besonderen Gegenstände zu beschränken. Diese Verfügungsgewalt darf vom Staat noch
dazu nur so gering als möglich beschränkt werden, weil die Verfügungsgewalt ja genau das ist, was
das gem. Art. 5 StGG verfassungsgesetzlich geschützte Eigentumsrecht ausmacht, das der Staat – auch
gem. Art. 1 1. ZProt. EMRK und Art. 17 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU
2010, 395) – nur dann beschränken darf, wenn dies aufgrund eines rechtswirksamen öffentlichen
Interesses erforderlich und mit diesem Interesse verhältnismäßig ist (Berka 1999, 406-13).
Die Verfügungsgewalt betrifft nun aber in der Praxis nur solche Sachen, die gegenwärtig noch in
Gebrauch stehen und daher (wenigstens was ihre Existenz betrifft) auch bekannt sind. Dabei ist die
362
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Gegenwärtigkeit durchaus weit auszulegen: auch eine Sache, die man derzeit gerade nicht benutzt,
aber die man, z.B. um sie zu späterer Zeit wieder zu gebrauchen, aufgehoben hat, steht in diesem Sinn
noch im gegenwärtigen Gebrauch, selbst wenn man ganz darauf vergessen hat, dass man sie
überhaupt noch hat und sich ihrer erst wieder erinnert, wenn man sie zu späterer Zeit zufällig
wiederfindet. Aber diese Gegenwärtigkeit findet spätestens dann ein Ende, wenn der betreffende
Gegenstand so lange außer Gebrauch geraten ist, dass seine Brauchbarkeit nicht mehr besteht: wenn
der Gegenstand durch irgendwelche äußeren Einwirkungen, darunter den natürlichen Materialverfall
durch zu lange bzw. nicht sachgerechte Lagerung, so beschädigt worden ist, dass er nicht mehr für
den Zweck verwendet werden kann, für den man ihn gebrauchen will, kommt sein derartiger
Gebrauch zu Ende; wird also zu einem vergangenen Gebrauch. In der Regel wird dann ein solcher,
nicht mehr brauchbarer Gegenstand – sozusagen als letzter Akt der Verfügung seines Eigentümers –
entsorgt, also in den Mist geschmissen; wenigstens, wenn er so unbrauchbar geworden ist, dass seine
Reparatur nicht mehr möglich oder wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll ist.
Genau das ist aber eigentlich der Zeitpunkt, an dem der Gegenstand für die Archäologie interessant
wird: er ist nun so lange außer Gebrauch geraten, dass er gegenwärtig nicht mehr gebraucht wird
(bzw. gar nicht mehr gebraucht werden kann, wenigstens nicht in der Art wie er gebraucht werden
sollte) und somit zur historischen Quelle für seinen vergangenen Gebrauch geworden. Gerade weil er
nicht mehr gegenwärtig gebraucht wird und in der Regel sein (ehemaliger) Eigentümer ihn auch gar
nicht mehr gebrauchen und normalerweise auch nicht mehr über ihn verfügen will, ja in der Mehrheit
aller Fälle seine Existenz entweder bereits gänzlich vergessen hat oder, wenn er sich noch an ihn
erinnert, sich höchstens noch seiner entledigen will, greifen nun allfällige gesetzliche Bestimmungen,
die der Staat bezüglich dieses Gegenstandes erlässt oder erlassen will, auch nicht mehr in die
Verfügungsgewalt seines Eigentümers ein und müssen daher auch nicht mehr den Geboten der
Erforderlichkeit für und Verhältnismäßigkeit mit einem rechtswirksamen öffentlichen Interesse
gehorchen. Im rechtlichen Sinn ist der Gegenstand „herrenlos“ geworden und der Staat darf daher
bezüglich dieses Gegenstandes gesetzlich weitgehend tun und lassen, was er will, so z.B. auch
gesetzliche Bestimmungen erlassen, die von jemand anderem, der sich diesen nun herrenlosen
Gegenstand aneignen will, eingehalten werden müssen, damit dadurch ein rechtmäßiger
Eigentumserwerb entsteht.
Die noch oder nicht mehr gegebene gegenwärtige Gebrauchsfähigkeit eines Gegenstandes bietet uns
somit ein erstes, rechtlich einwandfreies Abgrenzungskriterium zwischen archäologischen
Denkmalen, auf die spezifisch archäologische Bestimmungen des DMSG auch dann angewendet
werden können, wenn an der Erhaltung des Gegenstandes selbst gar kein rechtswirksames
öffentliches Interesse besteht, und beliebigen anderen Sachen, die erst und nur dann den
Beschränkungen des DMSG unterworfen werden können, wenn an ihrer physischen Erhaltung ein
rechtswirksames öffentliches Interesse besteht. Zieht man diese Unterscheidung als erste Grundlage
der Legaldefinition des Begriffs „archäologisches Denkmal“ heran, ist auch bei praktisch jedem
Gegenstand für jedermann offensichtlich erkennbar, ob es sich bei einem Gegenstand um ein solches
handelt oder nicht: ist der Gegenstand so kaputt, dass man ihn nicht mehr dafür verwenden kann,
wofür er ursprünglich einmal gedacht war (oder sogar außer als archäologisches Ausstellungs- oder
Sammlerstück für überhaupt nichts mehr verwenden kann), ist er ein archäologisches Denkmal, das
den einschlägigen archäologischen Bestimmungen des DMSG unterliegt. Kann man den Gegenstand
noch dazu verwenden, wofür er ursprünglich gedacht war, ist er hingegen – wenigstens auf Basis
dieses Abgrenzungskriteriums – kein archäologisches Denkmal, unterliegt also den spezifisch
archäologischen Bestimmungen nicht.
363
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
Diese Unterscheidung schließt praktisch alle Gegenstände, die noch gegenwärtig in Benutzung stehen,
eindeutig aus dem archäologischen Denkmalsbegriff aus und praktisch alle Gegenstände, die nicht
mehr in Gebrauch stehen, aber die archäologische Forschung aufgrund der in ihnen gespeicherten
archäologischen Informationen interessieren, in den archäologischen Denkmalbegriff ein.
Ausgenommen davon sind grundsätzlich nur zwei Kategorien von archäologischen Objekten, von
denen die eine in den so definierten Begriff eingeschlossen ist, obwohl sie aus ihm ausgeschlossen
sein sollte und die andere aus ihm ausgeschlossen ist, obwohl sie in ihn eingeschlossen sein sollte, um
sowohl rechtlichen als auch archäologisch-denkmalpflegerischen Anforderungen zu genügen.
Kriterium Herrenlosigkeit
Die erste dieser Kategorien von Gegenständen sind solche, die zwar für die Funktion, für die sie
ursprünglich geschaffen wurden, nicht mehr brauchbar sind, aber dennoch weiterhin in fortgesetztem
oder neuerlichem Gebrauch in einer anderen als ihrer ursprünglichen Funktion stehen. Beispiele für
solche Gegenstände wären z.B. das ehemalige T-Shirt, das so zerrissen war, dass es nicht mehr als
Kleidungsstück getragen werden kann, nun aber als Putzlappen gebraucht wird; oder archäologische
Artefakte, die zwar so beschädigt sind, dass sie nicht mehr dafür gebraucht werden können, wofür sie
ursprünglich gedacht waren, aber nun als archäologische Sammlungs- oder Ausstellungsstücke
dienen; gleichgültig ob sie sich in einer privaten oder öffentlichen Sammlung befinden. Diese Stücke
sind also (noch oder wieder) bekannt und werden auch gebraucht und haben daher auch (wenigstens
in der Regel) einen Eigentümer, in dessen Eigentumsrecht rechtswidrig eingegriffen würde, wenn man
auch diese Gegenstände als archäologische Denkmale betrachten würde, die den archäologischen
Bestimmungen des DMSG auch dann unterliegen, wenn an ihrer (physischen) Erhaltung kein
öffentliches Interesse besteht.
Diese Gegenstände können aber sehr leicht durch Einführung eines zweiten Abgrenzungskriteriums
ausgeschlossen werden; nämlich dadurch, dass man alle Gegenstände, die (noch oder wieder) einen
Eigentümer haben, aus dem Bedeutungsbereich des archäologischen Denkmalsbegriffs ausschließt.
Archäologische Denkmale wären dann gemäß diesem Kriterium solche Gegenstände, die wirklich
herrenlos sind, die also keinen feststellbaren derzeitigen oder vormaligen Eigentümer haben. Auch in
dieser Hinsicht wird jedermann, der einen Gegenstand findet, einigermaßen leicht und eindeutig
entscheiden können, ob dieser Gegenstand als archäologisches Denkmal zu betrachten ist oder nicht:
wird der Gegenstand scheinbar derzeit noch in irgendeiner Weise benutzt, ist er kein archäologisches
Denkmal, wird er hingegen scheinbar nicht mehr benutzt, ist er vermutlich ein archäologisches
Denkmal (oder, wenn nicht, wenigstens ein normaler Fundgegenstand, der entsprechend der
allgemeinen Fundmeldebestimmungen der §§ 388-401 ABGB zu behandeln ist, bei dem es also auch
nicht stört, wenn seine Fundumstände z.B. entsprechend den oben genannten
Dokumentationspflichten dokumentiert werden, ehe er einer Fundmeldebehörde gemeldet wird –
einzig müsste eventuell das BDA in einem solchen Fall eine offensichtlich „falsche“
Dokumentationsmeldung an die Fundmeldebehörden weiterleiten, statt wie bisher nur umgekehrt die
Fundmeldebehörden Meldungen von Bodendenkmalen an das BDA weiterleiten).
In diesem Zusammenhang ist auch zu bemerken, dass es sich bei derartigen Gegenständen in
gewissem Sinn ohnehin wenigstens aus archäologischer Sicht nur um ein Randproblem handelt: die
Situation, dass ein Gegenstand zwar nicht mehr in seiner ursprünglichen Funktion verwendet werden
kann, aber immer noch, allerdings in einer anderen Funktion, verwendet wird, kann in der Praxis
nahezu ausschließlich bewegliche Gegenstände betreffen, die sich (noch oder wieder) über der
Erdoberfläche befinden. Derartige Gegenstände sind aber nun – auch wenn sie für die Archäologie
nicht völlig uninteressant sind – solche, die für die Archäologie normalerweise ohnehin nur von
vergleichsweise geringer Bedeutung sind, und noch dazu bekannte Gegenstände, die gegebenenfalls
364
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
– wenn sie doch von besonderer archäologischer Bedeutung sein sollten – ganz normal entsprechend
dem traditionellen Listenprinzip unter Denkmalschutz gestellt werden können. Sollte also doch einmal
ein Gegenstand aufgrund einer Fehlentscheidung seines Finders fälschlich nicht ausreichend
sachgerecht dokumentiert werden, ist der dadurch angerichtete archäologische Sachschaden
vermutlich durchaus verschmerzbar: man kann ohnehin nicht alles, auch nur durch Dokumentation,
erhalten, gewisse Verluste sind also nicht nur zu erwarten, sondern auch zu verkraften.
Nachgeordnetes Kriterium Alter
Die zweite Kategorie von Gegenständen, die durch das erstgenannte Abgrenzungskriterium nicht
richtig in die Gruppe der als archäologische Denkmale zu betrachtenden und behandelnden
Gegenstände eingeordnet werden, die somit noch als zu lösendes Problem verbleiben, sind solche,
deren Eigentümer zwar nicht mehr ermittelt werden kann, die aber nicht so stark beschädigt sind,
dass ihre ursprüngliche Funktion sich nicht problemlos wiederherstellen ließe. Beispiele für solche
Gegenstände sind zum Beispiel Schmuckstücke, insbesondere solche aus Edelmetall, wie sie z.B. –
wenn auch nur sehr selten – in prähistorischen Gräbern, Hortfunden oder (noch seltener) in anderen
archäologischen Fundkontexten entdeckt werden. Ein Goldring z.B. kann – auch wenn er 3000 oder
mehr Jahre alt sein sollte – ohne größere Schwierigkeiten wieder als Schmuckstück getragen werden,
wenn er ausreichend gut erhalten ist; und zwar ganz ohne, dass man ihn irgendwie reparieren müsste.
Ebenso kann ein vollständig erhaltenes bronzenes Vollgriffschwert auch nach seiner Entdeckung
wieder als Schwert verwendet werden, ohne dass man es irgendwie besonders behandeln müsste.
Dennoch sollten solche Gegenstände selbstverständlich trotzdem unter den archäologischen
Denkmalsbegriff fallen.
Derartige Gegenstände können jedoch sehr leicht dadurch in den archäologischen Denkmalsbegriff
eingeschlossen werden, indem man noch als drittes Abgrenzungskriterium nun doch ein absolutes
Alterskriterium einführt, wie es ja schon derzeit z.B. in § 2 Abs. 1 Z 2 DMSG vorgesehen ist. Bezieht
man auch alle von Menschen geschaffenen oder gestaltend veränderten Gegenstände, die keinen
feststellbaren Eigentümer mehr haben (dürften, z.B. weil sie unter der Erdoberfläche bzw. dem Grund
unter Wasser entdeckt wurden oder in einem alten Gemäuer eingemauert waren und offensichtlich
nicht mehr in Gebrauch stehen) und die zum Zeitpunkt ihrer Wiederentdeckung mindestens 100 Jahre
alt sind, schließt man auch diese verbleibende Kategorie von Gegenständen, die unter den
archäologischen Denkmalsbegriff fallen sollte, in dessen Wirkungsbereich mit ein.
Auch dieses Kriterium ist einigermaßen leicht durch jedermann beurteilbar, wenn auch vielleicht nicht
exakt: natürlich lässt sich, wenn ein solcher Gegenstand wiederentdeckt wird, durch Finder nicht
genau bestimmen, wie alt der Gegenstand nun wirklich ist. Finder wissen allerdings sehr wohl, welche
Arten von Gegenständen während ihrer bisherigen Lebenszeit im alltäglichen Gebrauch gestanden
sind oder noch gegenwärtig im alltäglichen Gebrauch stehen. Die meisten Finder werden auch von
Familienfotos und dergleichen Gegenstände einigermaßen gut kennen, die vor ihrer Geburt zur
Lebenszeit ihrer Eltern und Großeltern, eventuell auch noch ihrer Urgroßeltern, im alltäglichen
Gebrauch standen. Die meisten Finder werden auch – wenn auch eventuell nur unterbewusst –
erkennen, dass diese „alltäglichen“ Dinge schon während ihrer eigenen Lebenszeit, und mehr noch
der Lebenszeit ihrer Eltern und Großeltern, dem unterworfen waren, was ArchäologInnen als
„typologischen Wandel“ bezeichnen würden: Sachen, die zu Lebenszeiten der eigenen Großeltern
alltäglich waren, haben in der Regel deutlich anders ausgesehen als die, die zur eigenen Lebenszeit
des Betrachters alltäglich sind. Damit können Finder in der Regel Gegenstände, die jünger als ungefähr
hundert Jahre alt sind von solchen die älter als ungefähr hundert Jahre alt sind halbwegs verlässlich
unterscheiden (sei es, weil sie aussehen wie Sachen, die zu Lebenszeiten der Urgroßeltern der Finder
alltäglich waren; oder sei es, weil sie anders aussehen als alle Gegenstände, die dem Finder als zu
365
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
ihren eigenen Lebenszeiten, denen ihrer Eltern, Großeltern und gegebenenfalls Urgroßeltern alltäglich
waren); ohne dafür besondere Sachkenntnis haben zu müssen.
Begriffs- und Anwendungsbereichsbestimmung: archäologisches Denkmal
Nimmt man diese drei genannten Abgrenzungskriterien zusammen, ergibt sich für den Begriff
„archäologisches Denkmal“ eine ausreichend eindeutige Definition, die Gegenstände, die in den
Bedeutungsbereich dieses Begriffes fallen, eindeutig von anderen (von Menschen geschaffenen oder
gestaltend veränderten) Sachen zu unterscheiden erlaubt; und zwar gleichermaßen für alle
Staatsbürger weitgehend unabhängig von deren subjektiven Kenntnis- und Wissensstand; d.h. ganz
ohne die Notwendigkeit irgendwelche besondere Sachkenntnis zu haben Die Definition des Begriffs
„archäologisches Denkmal“, die sich aus der gemeinsamen Verwendung der drei genannten
Abgrenzungskriterien ergibt, lässt sich wie folgt zusammenfassen und mit einer
Anwendungsbereichsbestimmung verbinden:
Archäologische Denkmale sind vergessene, verlorene, verlassene oder verborgene, von
Menschen geschaffene bewegliche oder unbewegliche Gegenstände (einschließlich Überresten
und Spuren gestaltender menschlicher Bearbeitung sowie künstlich errichteter oder gestalteter
Bodenformationen), deren Eigentümer sich nicht mehr feststellen lässt und die entweder so
lange aus dem Gebrauch geraten sind, dass sie sich nicht ohne unverhältnismäßig großen
Aufwand wieder in Gebrauch nehmen lassen, oder außer Gebrauch geraten und zum Zeitpunkt
ihrer Wiederentdeckung wenigstens ungefähr hundert Jahre alt sind. Auf archäologische
Denkmale, sofern es sich dabei nicht um für die Entsorgung vorgesehenen, gegenwärtigen Abfall
handelt, finden die Bestimmungen der §§ 8-11 dieses Gesetzes Anwendung, auch wenn an ihrer
Erhaltung iSd § 1 Abs. 1 DMSG kein öffentliches Interesse besteht.
Diese Begriffs- und Anwendungsbereichsdefinition, die sinnvollerweise ins derzeitige DMSG in § 1 als
Abs. 1a (um nicht die bestehende Nummerierung ändern zu müssen) aufgenommen werden sollte,
erlaubt es, spezifisch archäologische Bestimmungen des DMSG auch dann auf diese Gegenstände bzw.
archäologischen Denkmale anzuwenden, wenn an der (physischen) Erhaltung der betreffenden
Gegenstände gar kein öffentliches Interesse besteht. Dabei ist die Anwendung sowohl auf bewegliche
Denkmale, unabhängig davon, ob sie sich über oder unter der Erdoberfläche befinden, als auch auf
unbewegliche Denkmale möglich, die noch im Verborgenen gelegen sind (d.h. in der Regel primär auf
solche, die sich noch unter der Erdoberfläche befinden) oder verlassen wurden (wie z.B. Ruinen).
Denn handelt es sich um bewegliche Denkmale, die so lange vergessen, verloren oder verborgen
gewesen sind, dass sich ihr Eigentümer nicht mehr feststellen lässt, sind diese jedenfalls im Sinne der
Bestimmungen §§ 386, 388, 397 und 398 ABGB mutmaßlich herrenlose Güter. Bezüglich dieser darf
aber der Staat – nachdem er dadurch mutmaßlich nicht in Eigentümerrechte oder jedenfalls nicht
signifikant in die Verfügungsgewalt eines allfällig doch existieren könnenden Eigentümers eingreift –
gesetzliche Bestimmungen und Beschränkungen erlassen, wie mit ihnen im Falle ihrer (Wieder-)
Entdeckung zu verfahren ist.
Ähnliches gilt für unbewegliche archäologische Objekte, die so lange im Verborgenen gelegen und
außer Gebrauch geraten sind, dass sich ihre ursprüngliche Funktion nicht ohne unverhältnismäßig
großen Aufwand wiederherstellen lässt: in der überwältigenden Mehrheit aller Fälle wird es sich dabei
um archäologische Bodenbefunde handeln, bzw. falls nicht um Bodenbefunde, dann um Ruinen, d.h.
um Überreste und Spuren von ehemaligen Gebäuden bzw. Einbauten. Diese stehen zwar iSd § 294
ABGB mit dem Grundstück, auf dem sie sich befinden, in fortdauernder Verbindung, das Recht über
sie zu verfügen kann jedoch, nachdem es so lange nicht gebraucht wurde, dass diese Sachen gar nicht
mehr wie bei ihrer Herstellung vorgesehen genutzt werden können, iSd § 1478 ABGB – wenigstens
366
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
nach 30 Jahren unterlassener Möglichkeit, sie zu gebrauchen – als verjährt betrachtet werden. Auch
wenn es sich tatsächlich – wie z.B. bei Ruinen oder im Erdboden erhaltenen Mauerfundamenten oder
Pfostengruben von Häusern oder anderen Bauwerken – um Sachen handelt, die ursprünglich als
Gebäude iSd § 297 ABGB in der Absicht, „daß sie stets darauf bleiben sollen“, aufgeführt wurden, ist
durch ihre Nichtbenutzung und -instandhaltung über so lange Zeit, dass sie soweit verfallen sind oder
gar übertägig vollständig entfernt wurden, die bei ihrer ursprünglichen Errichtung gegebene Absicht
des dauerhaften Verbleibens nicht mehr gegeben und somit das Eigentum sowohl am ehemals
bestehenden Gebäude als auch seinen Überresten von ihrem vormaligen Eigentümer aufgegeben
worden, indem er diese Sachen verlassen hat. Damit können auch derart verlassene bzw. verborgene
unbewegliche archäologische Objekte als herrenlose Güter betrachtet werden, bezüglich derer der
Staat – nachdem er dadurch mutmaßlich nicht in Eigentümerrechte oder jedenfalls nicht signifikant in
die Verfügungsgewalt eines allfällig doch existieren könnenden Eigentümers eingreift – gesetzliche
Bestimmungen und Beschränkungen erlassen kann, wie mit ihnen im Falle ihrer (Wieder-) Entdeckung
zu verfahren ist.
Die durch diese Definition vorgenommene Abgrenzung des Begriffsinhaltes gestattet es auch,
pauschal alle jene unbekannten archäologischen Objekte, an denen die archäologische Wissenschaft
tatsächlich hauptsächlich interessiert ist und die aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht tatsächlich
alle besonders bedeutend sind, den spezifisch archäologischen Schutzbestimmungen des DMSG zu
unterwerfen, ohne dass dadurch – wie das derzeit beim Begriff „Bodendenkmal“ der Fall ist, wenn
man ihn so weit auslegt, dass alle archäologischen Objekte, denen auch nur irgendeine archäologische
Bedeutung zukommen könnte, unter ihn fallen – entweder das moderne Leben praktisch zum
Stillstand gebracht wird oder aber willkürlich zwischen an sich gleichartigen, im bzw. auf dem
Erdboden bzw. dem Grund unter Wasser aufgefundenen, Gegenständen mit möglicher
archäologischer Bedeutung unterschieden werden muss, ohne dass diese Bedeutung zuvor
festgestellt wurde oder auch nur festgestellt hätte werden können. Dadurch, dass nur die, aber dafür
auch alle die, Gegenstände, die gegenwärtig nicht mehr in (fortgesetztem) Gebrauch stehen, unter
den hier definierten Begriff „archäologisches Denkmal“ fallen, ist nicht nur ihre konkrete
archäologische Bedeutung gleichgültig, sondern es kann bezüglich dieser Gegenstände auch nicht zu
einer Situation kommen, in der „Gegenwart und Vergangenheit in Konflikt kommen“ (Dehio 1905,
274): ein „archäologisches Denkmal“ im Sinn der hier vorgeschlagenen Definition ist immer eine reine
„Sache der Vergangenheit“.
Diese „Sache der Vergangenheit“ ist als solche, wenn sie in der Gegenwart (wieder-) entdeckt wird,
auf bestimmte, gesetzlich vorgegebene Weise zu behandeln. Wird sie allerdings auf diese Weise
behandelt, wird sie, sobald ihre vorgesehene Behandlung als „Sache der Vergangenheit“
abgeschlossen ist, automatisch zur „Sache der Gegenwart“, in der dann ihr Eigentümer (oder sonstige
Verfügungsberechtigte) über sie verfügen dürfen wie mit jeder anderen gegenwärtigen Sache auch,
nämlich wie es ihnen gefällt. „Archäologisches Denkmal“ ist die Sache nur, solange sie sich sozusagen
noch „in der Vergangenheit“ befindet, solange sie noch nicht wieder durch neuerlichen gegenwärtigen
Gebrauch in die heutige Welt wiedereingegliedert ist.
Sachen, die gegenwärtig (noch) gebraucht werden, fallen hingegen per Definition nicht in den Bereich
des archäologischen Denkmalbegriffs, auch wenn sie, wie alle anderen Sachen auch, letztendlich „aus
der Vergangenheit“ stammen und ihnen selbstverständlich auch eine wie auch immer geartete
„geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung“ (§ 1 Abs. 1 DMSG) zukommt. Als
durch ihren gegenwärtigen Gebrauch gekennzeichnete Sachen sind sie eben auch keine „Sachen der
Vergangenheit“, die deshalb von besonderer archäologisch-wissenschaftlicher Bedeutung sind, weil
sie „unveränderte“ Informationen aus der und über die Vergangenheit speichern. Als „Sachen der
367
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
Gegenwart“ sind sie auch derzeit bekannt und bedürfen daher nur dann des Schutzes durch das
DMSG, wenn ihnen aus anderen Gründen als dem soeben genannten – z.B. weil sie schon so lange in
fortgesetztem gegenwärtigen Gebrauch stehen, dass sie trotzdem bedeutende Informationen über
die Vergangenheit speichern, oder weil sie als identitätsstiftende Symbole, als besonders
charakteristische Repräsentanten irgendwelcher wichtigen Arten von Objekten oder auch als Dinge,
die mit besonders wichtigen historischen Ereignissen oder Personen in Verbindung stehen, besonders
gut zum Wachhalten des Gedenkens an diese Ereignisse oder Personen geeignet erscheinen – eine
derart besondere Bedeutung zukommt, dass ihre – dann aber auch tatsächlich physische – Erhaltung
dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist. Sofern bezüglich dieser – noch
gegenwärtig genutzten – Sachen dann tatsächlich „Gegenwart und Vergangenheit in Konflikt
kommen“ (Dehio 1905, 274), kann und muss man sie gemäß dem schon derzeit für alle Arten von
bekannten Denkmalen vorgesehenen Schutzlisten- und physischen Erhaltungsprinzip unter
Denkmalschutz stellen.
Abb. 15: Flussdiagramm zur Bestimmung der Frage, ob eine beliebige Sache ein "archäologisches Denkmal" im Sinne der hier
vorgeschlagenen Legaldefinition ist.
Am vielleicht wichtigsten ist aber, dass die hier vorgeschlagene Definition gewöhnliche Staatsbürger,
die letztendlich selbstständig zu entscheiden haben, ob eine Sache, die sie (ob nun zufällig oder
intentionell) entdeckt haben, den spezifischen archäologischen Bestimmungen des DMSG unterliegt,
nicht vor eine für sie unlösbare Frage stellt, zu deren Beantwortung wenigstens besonderer
Sachverstand nötig ist; sondern allen Staatsbürgern erlaubt, diese Frage einfach und tatsächlich völlig
unabhängig von ihrem subjektiven Kenntnisstand mit nahezu kompletter Sicherheit richtig zu
beantworten. Denn diese müssen unter der hier vorgeschlagenen Definition nicht richtig erraten, ob
ein archäologisches Objekt, das sie entdeckt haben (oder sogar bloß entdecken wollen) von derart
beschaffener Bedeutung ist, dass irgendwelche Fachwissenschafter in einer vollkommen
intransparenten Bundesbehörde amtssachverständig schlussfolgern würden, dass diese so besonders
ist, dass seine Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen sein könnte. Vielmehr können Staatsbürger
diese Frage schon dadurch richtig beantworten, dass sie das betreffende archäologische Objekt
anschauen und feststellen, ob es überhaupt noch gegenwärtig gebraucht werden kann und – falls ja –
es überhaupt noch jemand gegenwärtig gebraucht und – falls nicht – es älter ausschaut als alles, was
ihre eigenen Großeltern tagtäglich gebraucht haben (Abb. 15). Oder anders gesagt: sie müssen das
368
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Objekt als Gegenstand erkennen, den offensichtlich niemand mehr gebraucht oder auch nur
gebrauchen könnte, selbst wenn er das wollte.
Die hier vorgeschlagene Definition des Begriffs „archäologisches Denkmal“ sollte es somit erlauben,
die aus dem derzeitigen „Bodendenkmalsbegriff“ entstehenden Probleme für den archäologischen
Denkmalschutz vollständig zu lösen und eine effektivere, modernen Anforderungen entsprechende,
Gestaltung des archäologischen Denkmalschutzes zu ermöglichen.
Ausnahmeregelung für archäologische Denkmale in Museumssammlungen
Zwar werden bewegliche archäologische Denkmale dadurch, dass sie einer Museumssammlung
einverleibt und damit, eigentlich, in ihrem modernen Kontext betrachtet, schon wieder Gegenstände
sind, die (in diesem Fall nun eben seit ihrer Wiederentdeckung) in fortgesetztem Gebrauch stehen und
daher im hier angenommenen Sinn eigentlich – wenn sie nicht schon vor mehr als 100 Jahren
aufgefunden und einer im öffentlichen Eigentum stehenden Museumssammlung einverleibt wurden
– nicht durch die automatische Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung des § 2 DMSG
erfasst werden. Dennoch erscheint es sinnvoll – und sei es nur um ganz sicher zu gehen – dennoch
eine Ausnahmeregelung für archäologische Denkmale in im öffentlichen Eigentum stehenden
Museums- und sonstigen Sammlungen vorzusehen, die den Kuratoren und Konservatoren, die zu ihrer
sachgerechten Betreuung von den betreffenden Organisationen, die Eigentümer dieser Sammlungen
sind, beschäftigt werden, erlauben ihre alltägliche Arbeit so durchzuführen, dass sie nicht dauernd
beim BDA um eine Bewilligung für alles, was sie tun, ansuchen müssen.
Dies könnte entweder dadurch geschehen, dass der Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 2 DMSG ein
weiterer Satz betreffend dieser Sammlungsobjekte hinzugefügt wird, z.B.:
Ebenfalls ausgenommen von dieser Vermutung sind bewegliche archäologische Denkmale im Sinne
des § 1 Abs. 1a in Sammlungen, die im Eigentum der in Abs. 1 genannten juristischen Personen stehen.
Eine solche Ausnahmeregelung hätte sowohl den Vorteil als auch den Nachteil, dass sie tatsächlich
archäologische Sammlungsobjekte, die im öffentlichen Eigentum stehen, generell aus der
automatischen Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung ausschließen würde. Konsequenz
davon wäre sowohl, dass Kuratoren und Restauratoren archäologische Gegenstände in ihren
Sammlungen uneingeschränkt sammlungsgerecht behandeln, d.h. bei Bedarf auch frei mit invasiven
Methoden wissenschaftlich untersuchen, restaurieren und gegebenenfalls auch zur Erhöhung ihrer
Ausstellungstauglichkeit rekonstruieren etc. dürften; als auch, wenn ein Sammlungsobjekt, ob nun
Neueingang oder Altstück, sich aus welchen Gründen auch immer als nicht mehr sammlungstauglich
oder sammlungswert erweist, dieses entsprechend der Kassationsstrategie ihrer Sammlung
entsorgen; ganz wie sie es für richtig halten, ohne das dem BDA auch nur in irgendeiner Weise
kommunizieren zu müssen, geschweige denn eine Genehmigung des BDA gem. § 5 Abs. 1 DMSG dafür
zu benötigen. Es hätte allerdings auch den Nachteil, dass die im öffentlichen Eigentum stehenden
archäologischen Sammlungen – sofern sie nicht erst recht wieder vom BDA gem. § 3 per Bescheid
unter Denkmalschutz gestellt werden – dann überhaupt nicht mehr unter Denkmalschutz stehen und
man den Verfügungsberechtigten (oder Eigentümern) solcher Sammlungen vertrauen müsste, diese
auch ohne Denkmalschutz so zu behandeln, wie es das Allgemeinwohl und der Gesetzgeber
gewünscht hätte.
Wenngleich das in der Praxis vermutlich nur ein eher geringes Problem darstellen dürfte, würde das
solche archäologischen Sammlungen dem Risiko aussetzen, dass Dienstvorgesetzte der unmittelbaren
Sammlungsverantwortlichen diese dazu anweisen könnten, die archäologischen Sammlungen, für die
sie verantwortlich sind, nicht sammlungsgerecht zu behandeln, oder sogar Politiker beschließen
369
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
könnten, einzelne archäologische Sammlungsobjekte oder auch archäologische Sammlungen in ihrer
Gesamtheit zu verkaufen; z.B. um Budgetlücken im Haushalt der Gebietskörperschaft, der die
Sammlung gehört, zu schließen. Selbst wenn Letzteres heutzutage vermutlich einen Sturm von Kritik
auslösen würde, sollte man nicht vergessen, dass die Ursprünge der modernen antiquarischen
Sammeltätigkeit letztendlich in den Schatzkammern der europäischen Königs- und Fürstenhäuser
liegen; und dass der schnöde Mammon oft vielen Leuten wichtiger ist als irgendwelche Depots voll
von angeblich bedeutenden Museumsstücken, die kein Mensch außerhalb der betreffenden
Sammlung je zu sehen bekommt.
Die größere Gefahr für den Sammlungserhalt liegt aber im Bereich des Erstgenannten: was, wenn der
neue Museumsdirektor künstlerische Visionen hat und auf die Idee kommt, die archäologischen
Sammlungsobjekte statt als archäologisches Quellenarchiv für eine interaktive Installation zu nutzen,
für die ein Riesenberg von Scherben und alten Töpfen in der Eingangshalle des Museums
aufgeschüttet wird und sich jeder Besucher etwas davon mitnehmen und/oder etwas dazu hinzufügen
darf? Stehen die beweglichen Kleinfunde in der archäologischen Sammlung nicht unter
Denkmalschutz, gibt es nichts und niemanden, der diesen fiktiven Museumsdirektor davon abhalten
kann, auf solche Weise mit den archäologischen Sammlungsobjekten seines Hauses umzugehen.
Selbst wenn das einen Skandal auslöst: Skandale verkaufen Kunst und erhöhen wahrscheinlich auch
die Besucherzahlen des Museums, das sich so etwas leistet.
Es dürfte daher angebrachter erscheinen, statt bewegliche archäologische Denkmale in solchen
Sammlungen generell aus der automatischen Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung des §
2 DMSG auszunehmen, die Ausnahmeregelung für sammlungsgerechte Veränderungen und
Zerstörungen von beweglichen archäologischen Denkmalen in Sammlungen, die im öffentlichen
Eigentum stehen, den Verbotsbestimmungen des § 4 DMSG anzuschließen. Dies könnte z.B. dadurch
geschehen, dass diesem Paragrafen als neuer Abs. 3 die folgende, auch in einigen deutschen DSchG
(z.B. § 9 DSchG-BW) in ähnlicher Form vorgesehene, Bestimmung angeschlossen wird:
Ausgenommen von den Bestimmungen des Abs. 1 und der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen
sind Zerstörungen und Veränderungen von kraft gesetzlicher Vermutung geschützter
beweglicher Denkmale in Sammlungen der in § 2 Abs. 1 genannten Personen, die entsprechend
der Statuten dieser Sammlung im Rahmen der normalen sammlerischen Verwaltungstätigkeit
erforderlich, von fachlich geeignetem Personal vorgenommen, und im Katalog bzw. den
Sammlungsbüchern in geeigneter Form dokumentiert werden.
Durch eine derartige Ausnahmeregelung würden (nicht nur archäologische, sondern alle über 100
Jahre alten beweglichen Denkmale in) Sammlungen im öffentlichen Eigentum der normalen
sammlungsverwaltenden Arbeit der Sammlungskuratoren und Restauratoren zugänglich, ohne dass
diese für praktisch jede normale Tätigkeit, die sie alltäglich durchführen sollten, einschließlich der
Kassation nicht mehr sammlungswerter oder sammlungstauglicher Objekte, eine eigene
Genehmigung gem. § 5 Abs. 1 DMSG durch das BDA beantragen und ausgestellt bekommen müssen.
Sie würden dennoch weiterhin alle automatisch gem. § 2 DMSG unter Denkmalschutz stehen und
daher nicht so ohne Weiteres bei Geldmangel verkauft oder für andere Zwecke als ihre
sammlungsgerechte Behandlung gebraucht werden können.
Bewilligungspflichten bei archäologische Denkmale gefährdenden Maßnahmen
Statt wie bisher im DMSG die eigentlichen, spezifisch archäologischen Schutzbestimmungen des
DMSG mit Bestimmungen für die (zufällige) Entdeckung von Denkmalen zu beginnen, scheint es in
Anbetracht der hier geplanten, neu gefassten präventiven Regelung der archäologischen
Denkmalpflege entsprechend des deklaratorischen Prinzips (DGUF 2013) sinnvoller, mit einer
370
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Definition von Handlungen zu beginnen, die denkmalschutzrechtlichen Genehmigungspflichten
unterworden sein sollen. Dies dient dem Zweck, im Sinne des auf Abb. 4 dargestellten Ablaufs vorweg
alle jene (geplanten) Handlungen zu definieren, bei deren Durchführung (besonders bedeutende)
archäologische Denkmale gefährdet werden können; die daher entsprechend des von jeder der
jeweiligen Handlungen ausgehenden könnenden Gefährdungspotentials für solche Denkmale einer
Bewilligungspflicht unterworfen werden.
Dies sind, wie bereits weiter oben angedeutet wurde, weniger gezielte Nachforschungshandlungen,
bei denen archäologische Denkmale entdeckt oder untersucht werden sollen (obwohl sowohl
unsystematische als auch systematische archäologische Ausgrabungen, die großflächiger und / oder
tiefgehender in den Boden eingreifen, ebenfalls zu den bedeutende archäologische Denkmale
maßgeblicher gefährden könnenden Handlungen gehören), sondern primär Baumaßnahmen,
Erdarbeiten zur Extrahierung von Rohstoffen aus dem Boden sowie land- und forstwirtschaftliche
Arbeiten, die großflächiger und tiefgehender in der Erdboden eingreifen. Diese sind also in erster Linie
einer gesetzlichen Pflicht zur Vorabprüfung, ob bei ihrer Durchführung aller Wahrscheinlichkeit nach
bereits bekannte oder noch unbekannte, maßgebliche archäologische Denkmale verändert oder
zerstört werden dürften, zu unterwerfen, auf deren Basis dann die geplante Handlung entweder –
gegebenenfalls verbunden mit sachdienlichen Auflagen – behördlich bewilligt oder ihre Durchführung
untersagt werden kann.
Ebenfalls besondere Rücksicht zu nehmen ist in einer solchen Regelung auf bereits tatsächlich gemäß
dem konstitutiven Prinzip (DGUF 2013) unter Denkmalschutz gestellte archäologische Denkmale,
deren besondere Bedeutung ja bereits festgestellt wurde und deren Erhaltung deshalb im öffentlichen
Interesse gelegen ist. Bei solchen geschützten archäologischen Denkmalen ist daher das Spektrum der
Handlungen, die voraussichtlich ein solches geschütztes Denkmal durch – und sei es nur
unbeabsichtigte – Veränderungen oder Zerstörungen gefährden dürften, entsprechend weiter zu
fassen als bei anderen, (noch) nicht unter Denkmalschutz gestellten oder überhaupt noch gar nicht
bekannten archäologischen Denkmalen.
In der Folge wird nun zuerst der Vorschlag für einen neuen Gesetzestext wiedergegeben und
anschließend die einzelnen vorgeschlagenen Bestimmungen genauer erläutert.
§ 8 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut
„§ 8. (1) Sämtliche Maßnahmen, zu welchem Zweck auch immer sie durchgeführt werden, die
archäologische Denkmale, an deren Erhaltung aufgrund ihrer Unterschutzstellung gem. § 2a oder 3 ein
rechtswirksames öffentliches Interesse besteht (geschützte archäologische Denkmale), mittel- oder
unmittelbar gefährden könnten (darunter auch das Sammeln von Oberflächenfunden, die mit
beabsichtigten Fundbergungsmaßnahmen in unmittelbarem Zusammenhang stehende Verwendung
von Metall- oder sonstigen Bodensuchgeräten, die Entnahme von Proben zur wissenschaftlichen
Untersuchung, Verwendung aggressiver Düngemittel, substanzverändernde Restaurierungs- oder
Renovierungsmaßnahmen usw.), bedürfen einer Bewilligung des Bundesdenkmalamtes, sofern Abs. 3
nichts Anderes vorsieht. Eine derartige Bewilligung kann nur an Personen erteilt werden, die zur
Durchführung der von ihnen geplanten Maßnahmen berechtigt sind (z.B. Grundeigentümer, vom
Grundeigentümer zur Durchführung der geplanten Maßnahmen berechtigte Personen,
Entminungsdienst etc.). Bewilligungen können nur für konkrete Arbeitsvorhaben erteilt werden, die im
Bewilligungsbescheid klar (unter Anschluss von Plänen und anderen das Arbeitsvorhaben eindeutig
beschreibenden Unterlagen, die der Antragsteller beizubringen hat) zu umschreiben sind.
Bewilligungen gemäß diesem Absatz können mit Einschränkungen, Auflagen und Sonderregelungen
verbunden sein (z.B. hinsichtlich Fläche und Tiefe, Art der Durchführung, zu erbringenden
371
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
Kompetenznachweisen des Durchführenden, Meldepflichten, Kontrollen, Klärung des langfristigen
Fundverbleibes usw.). Bewilligte Maßnahmen gemäß diesem Absatz sind jedenfalls entsprechend den
Bestimmungen für ungestörte archäologische Denkmale gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 bzw., wenn sie länger
als ein Jahr dauern, gemäß § 9 Abs. 2 Z 4 zu dokumentieren. Ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer
solchen Bewilligung auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes besteht nicht. Eine
Bewilligung gemäß diesem Absatz ersetzt nicht die bei tatsächlich im Rahmen der nach diesem Absatz
bewilligten Maßnahmen eintretenden Veränderungen oder Zerstörungen von Denkmalen ebenfalls
notwendige Bewilligung des Bundesdenkmalamtes gemäß § 5 Abs. 1.
(2) Sämtliche Grabungen oder sonstige Arbeiten (z.B. bau-, land- und forstwirtschaftliche Arbeiten
usw.), die maßgeblich in die Erdoberfläche oder den Grund unter Wasser eingreifen und daher
ungestörte archäologische Denkmale gefährden könnten, bedürfen einer Bewilligung des
Bundesdenkmalamtes, sofern Abs. 3 nichts Anderes vorsieht. Maßgebliche Eingriffe im Sinne dieses
Absatzes sind:
1. Eingriffe, die 30 cm Eindringtiefe und 1 Quadratmeter Fläche übersteigen, sowie alle Eingriffe
in den Grund unter Wasser, die 1 Quadratmeter Fläche übersteigen.
2. Eingriffe, die in der Fläche weniger als 1 Quadratmeter betreffen, aber 1 Kubikmeter
betroffenes Bodenvolumen übersteigen.
Antragsteller haben dem Bewilligungsantrag alle notwendigen, aussagekräftigen Unterlagen (z.B.
Berichte über die Ergebnisse sachgemäß durchgeführter archäologischer Voruntersuchungen, die
zeigen, ob und mit welchen archäologischen Denkmalen auf der betroffenen Fläche zu rechnen ist;
Darstellung geplanter Ersatzmaßnahmen usw.) beizufügen, die dem Bundesdenkmalamt die rasche
wissenschaftliche Beurteilung des Antrags und allfällig geplanter Ersatzmaßnahmen ermöglichen. Bei
geplanten Bau- und anderen Maßnahmen, die auch Bewilligungen durch die Raumplanungsbehörden
erforderlich machen, kann der Antrag auf denkmalpflegerische Bewilligung gemeinsam mit den
anderen erforderlichen Bewilligungsanträgen direkt bei der zuständigen Planungsbehörde gestellt
werden; diese hat einen solchen Antrag derart unverzüglich an das Bundesdenkmalamt weiterzuleiten,
dass er bei diesem spätestens am dritten Werktag nach Eingehen bei der Planungsbehörde vorliegt.
Liegen dem Bewilligungsantrag für die Beurteilung der Gefährdung allfällig auf den betroffenen
Flächen vorkommender archäologischer Denkmale unzureichende Unterlagen bei, ist dieser
abzuweisen. Eine derartige Bewilligung kann nur an Personen erteilt werden, die zur Durchführung der
von ihnen geplanten Arbeiten berechtigt sind (z.B. Grundeigentümer, vom Grundeigentümer zur
Durchführung der geplanten Arbeiten berechtigte Personen, etc.). Bewilligungen können nur für
konkrete Arbeitsvorhaben erteilt werden, die im Bewilligungsbescheid klar (unter Anschluss von Plänen
und anderen das Arbeitsvorhaben eindeutig beschreibenden Unterlagen, die der Antragsteller
beizubringen hat) zu umschreiben sind. Bewilligungen gemäß diesem Absatz können mit
Einschränkungen, Auflagen und Sonderregelungen verbunden sein (z.B. hinsichtlich Fläche und Tiefe,
Art der Durchführung, zu erbringenden Kompetenznachweisen des Durchführenden, Meldepflichten,
Kontrollen, Klärung des langfristigen Fundverbleibes usw.). Bewilligte Maßnahmen gemäß diesem
Absatz sind jedenfalls entsprechend den Bestimmungen für ungestörte archäologische Denkmale
gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 bzw., wenn sie länger als ein Jahr dauern, gemäß § 9 Abs. 2 Z 4 zu dokumentieren.
Ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer solchen Bewilligung aufgrund der Bestimmungen dieses
Bundesgesetzes besteht nicht, selbst wenn im Rahmen des Antrags vorgeschlagene Ersatzmaßnahmen
eine vollständige Erhaltung aller auf der betroffenen Fläche vorkommenden archäologischen
Denkmale durch Dokumentation sicherstellen.
(3) Eine Bewilligung des Bundesdenkmalamtes gemäß Abs. 1 und 2 ist nicht erforderlich, wenn es sich
372
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
1. um amtswegige Maßnahmen des Bundesdenkmalamtes handelt.
2. um Grabungen, Arbeiten oder sonstige Maßnahmen im Auftrag des Bundesministers für
Kultur oder des Landeshauptmanns handelt, die im Rahmen von Berufungsverfahren oder in
Wahrnehmung der Aufsichtspflicht (§ 30 Abs. 1) im unbedingt notwendigen Ausmaß erfolgen.
In diesem Falle können die Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen bei umgehender
Mitteilung an das Bundesdenkmalamt durchgeführt werden, wobei die
Dokumentationspflicht gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 bzw., wenn sie länger als ein Jahr dauern, gemäß
§ 9 Abs. 2 Z 4 einzuhalten ist.
3. um Grabungen, Arbeiten oder sonstige Maßnahmen zur Beseitigung von das Leben, die
Gesundheit oder das Eigentum bedrohenden, plötzlich und unerwartet auftretenden Gefahren
handelt. In diesem Falle können die Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen bei
umgehender Mitteilung an das Bundesdenkmalamt durchgeführt werden, wobei die
Dokumentationspflicht gemäß § 9 Abs. 2 Z 1-3, soweit dies unter den konkreten
Gefährdungsumständen möglich ist, einzuhalten ist.
4. um auf bereits in den letzten fünf Jahren auf den gleichen Grundstücken in gleicher Weise
durchgeführte Erdarbeiten im Rahmen normaler landwirtschaftlicher Tätigkeiten wie Pflügen,
Eggen usw. handelt, die zur produktiven landwirtschaftlichen Nutzung der betroffenen
Flächen notwendig sind.
5. um zu wissenschaftlichen Zwecken durchgeführte Grabungen einer Person handelt, die vom
BDA eine Lizenz erteilt bekommen hat, die die Einzelgenehmigungspflicht für Grabungen iSd
Abs. 2 ersetzt. Eine solche Grabungslizenz kann nur an natürliche Personen erteilt werden, die
eine einschlägige Ausbildung für die Durchführung wissenschaftlicher archäologischer
Forschungen abgeschlossen haben. Sie ist auf maximal 10 Jahre Gültigkeitsdauer beschränkt
und kann auf Antrag in bis zu ebenso 10 Jahre langen Intervallen erneuert werden. Die
Grabungslizenz kann mit Einschränkungen, Auflagen und Sonderregelungen verbunden sein
(z.B. hinsichtlich Fläche und Tiefe, Art der Durchführung, Meldepflichten, Kontrollen, Klärung
des langfristigen Fundverbleibes usw.). Die Grabungslizenz kann verweigert oder entzogen
werden, wenn der Behörde Gründe bekannt werden, welche die fortgesetzte Eignung des
Antragstellers bzw. Lizenzinhabers zur sachgerechten Durchführung wissenschaftlicher
Ausgrabung in Zweifel zu ziehen geeignet sind (z.B. Verletzung der Dokumentations- und
Meldepflichten des § 9 Abs. 1 und 2; zum Entzug akademischer Titel oder professioneller
Akkreditierungen führendes, schweres wissenschaftliches Fehlverhalten; etc.). Die
Grabungslizenz im Sinne dieser Bestimmung ersetzt nicht die Bewilligungspflichten gem. §§ 5
Abs. 1 und 8 Abs. 1 für wissenschaftliche Ausgrabungen auf gem. §§ 2a oder 3 geschützten
Denkmalen.
(4) Die nach Abs. 1 oder 2 Berechtigten haben den Beginn und Ende der bewilligten Grabungen,
Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen auf einem Grundstück bzw. mehreren zusammenhängenden
Grundstücken dem Bundesdenkmalamt unverzüglich schriftlich anzuzeigen.“
Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 8 DMSG
Die hier vorgeschlagene Neufassung des § 8 DMSG vollzieht eine zentral wichtige, fundamentale
Wende weg von einem reaktiven, fundzentrierten Ansatz wie er für das bisherige DMSG
charakteristisch war, hin zu einem präventiven, gefährdungszentrierten archäologischen
Denkmalschutz. Dies wird erreicht durch eine Verlagerung und Modifikation der bisher in § 11 DMSG
igF enthaltenen Bestimmungen zu Grabungen und anderen potentiell archäologische Denkmale
gefährden könnenden Handlungen: dadurch, dass die Bewilligungsbestimmungen für archäologische
Denkmale gefährdende Maßnahmen an den Anfang der speziell „archäologischen“ Bestimmungen des
DMSG gesetzt werden, wird der aktuellen Realität Rechnung getragen, dass die überwiegende
373
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
Mehrheit aller archäologischen Denkmale nicht zufällig gefunden wird und auch nicht mehr primär
durch „archäologisch“ motivierte Ausgrabungen gefährdet wird, sondern in erster Linie durch bau-,
land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten, bei denen aufgrund der starken Mechanisierung aller dieser
Wirtschaftbereiche Zufallsfunde archäologischer Denkmale unwahrscheinlich geworden sind und ihre
vorsätzliche Entdeckung überhaupt nicht beabsichtigt ist. Die gesetzliche Regelung setzt damit also an
jener Stelle an, an der die höchste Gefährdung noch unentdeckter und nicht ausreichend
wissenschaftlich dokumentierter archäologischer Denkmale besteht und erlaubt damit präventives
Gefahrenmanagement im archäologischen Denkmalschutz, wie es auch nicht zuletzt durch die
Bestimmungen des Art. 3 Z 1 lit a und b des Europäischen Übereinkommens zum Schutz des
archäologischen Erbes (revidiert) (Europarat 1992), vorgesehen ist.
Abs. 1
Der neue Absatz 1 übernimmt, wenn auch in deutlich modifizierter Form, die bisher nahezu
ausschließlich gegen Metallsucher gerichteten Schutzbestimmungen des § 11 Abs. 8 DMSG igF und
weitet sie dahingehend aus, dass nicht nur die Verwendung von Metall- und anderen
Bodensuchgeräten auf geschützten archäologischen Denkmalen, sondern alle geplanten Tätigkeiten
und Maßnahmen, die ein bereits unter Denkmalschutz stehendes archäologisches Denkmal
(ernsthaft) gefährden könnten, einer Bewilligungspflicht durch das BDA unterworfen werden. Dies
scheint aus mehreren Gründen angebracht:
Erstens dient die Erweiterung dieser Bestimmung dem Zweck, eindeutig klarzustellen, dass nicht nur
die Verwendung von Metallsuchgeräten, sondern auch das bloße Auflesen von z.B.
Oberflächenfunden auf einem geschützten archäologischen Denkmal einer Bewilligung durch das BDA
bedarf. Das Auflesen von Oberflächenfunden auf geschützten archäologischen Denkmalen ist zwar an
sich bereits derzeit aufgrund der Bestimmungen des § 1 Abs. 9 igF verboten, da es sich bei
Oberflächenfunden auf einem geschützten archäologischen Denkmal um automatisch mitgeschützte
Teile des Bestandes (der Substanz) des Denkmals handelt und ihre Aufsammlung und Entfernung
daher streng genommen nur mit Bewilligung des BDA gem. § 5 Abs. 1 zur Veränderung des
betroffenen Denkmals erlaubt ist; dies ist aber selbst für Fachleute schwer und für Laien überhaupt
nicht erkennbar. Eine explizitere Hervorhebung dieser Tatsache, dass nicht nur die Verwendung von
Metallsuchgeräten, sondern auch alle anderen Handlungen, die ein geschütztes archäologisches
Denkmal gefährden können, einer Bewilligung durch das BDA bedürfen, ist schon allein deshalb
wünschenswert.
Zweitens dient die Erweiterung dieser Bestimmung dem Zweck deutlicher klar zu machen, dass auch
andere unter Denkmalschutz stehende archäologische Denkmale betreffende Maßnahmen wie z.B.
die Verwendung aggressiver Düngemittel auf unter Denkmalschutz stehenden archäologischen
Denkmalen, aber genauso die Entnahme von Proben aus archäologischen Denkmalen, wie z.B. von
Bodenproben zur Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen, einer Bewilligungspflicht
unterliegt. Ob eine solche Bewilligungspflicht bisher nach den Bestimmungen des § 5 Abs. 1 bereits
besteht, ist jedenfalls in manchen Fällen (z.B. bei der Verwendung von aggressiven chemischen
Düngemitteln, die die Bodenchemie und damit auch die Erhaltungsbedingungen für noch an Ort und
Stelle im Erdboden befindliche bewegliche und unbewegliche archäologische Denkmale maßgeblich
verändern können) keineswegs eindeutig klar. Auch hier klärt die explizitere Bestimmung einer
Bewilligungspflicht aller Maßnahmen, die die Erhaltung geschützter archäologischer Denkmale direkt
oder mittelbar gefährden könnten, genauer als bisher, dass nicht nur die intentionell beabsichtigte
Veränderung oder Zerstörung eines denkmalgeschützten archäologischen Denkmales, die überhaupt
erst die Bewilligungspflicht des § 5 Abs. 1 auslöst, oder die in vorsätzlicher Zerstörungsabsicht erfolgte
Unterlassung von Instandhaltungsmaßnahmen, die gemäß § 4 Abs. 2 verboten ist, ohne Bewilligung
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
zur Veränderung oder Zerstörung denkmalgeschützter archäologischer Denkmale verboten ist,
sondern auch alle Handlungen, die als – potentiell sogar vom Handelnden unbeabsichtigte –
Nebenwirkung die Veränderung oder Zerstörung des geschützten Denkmals zur Folge haben könnten,
ohne ausdrückliche Bewilligung des BDA verboten sind.
Drittens dient die Erweiterung dieser Bestimmung dazu, auch solche Handlungen der
Bewilligungspflicht durch das BDA zu unterwerfen, die nicht im engeren Sinn das Denkmal selbst,
sondern seine Umgebung in einer Weise betreffen, die mittelbar zu einer Gefährdung geschützter
Denkmale führen kann. Solche Handlungen können z.B. das Abholzen von Baumbestand neben dem
Denkmal sein, durch das Baumstämme oder maschinell entferntes Astwerk auf das Denkmal stürzen
oder schwere forstwirtschaftliche Maschinen über das Denkmal fahren und dadurch Schäden
verursacht werden können; oder auch z.B. die Errichtung von Hochwasserschutzbauten, die zu einer
Veränderung des Wasserhaushalts des Bodens von und um geschützte Denkmale und damit erhöhter
Erosion führen können.
Schließlich dient die Erweiterung dieser Bestimmung auch dazu, das derzeit bestehende
Missverhältnis zwischen der durch die Bestimmungen des bisherigen § 11 Abs. 8 DMSG
hervorgehobenen potentiellen Gefährdung geschützter archäologischer Denkmale durch die
Verwendung von Metallsuchgeräten durch Laien und anderen ebenfalls bestehenden, oft noch weit
gravierenderen, Gefährdungspotentialen für geschützte archäologische Denkmäler zu beheben.
Dadurch, dass derzeit dafür eine eigene gesetzliche Bestimmung besteht, wird durch die derzeitige
Gesetzeslage der vollkommen falsche Eindruck erweckt, dass die Verwendung von Metallsuchgeräten
auf geschützten archäologischen Denkmalen die mit Abstand größte Gefahr wäre, der archäologische
Denkmale ausgesetzt wären.
Zwar ist durchaus korrekt, dass die mit Grabungs- bzw. Fundbergungsabsicht verbundene
Verwendung von Metallsuchgeräten auf archäologischen Fundstellen – ob diese nun
denkmalgeschützt sind oder nicht – durchaus ein gewisses Gefährdungspotential für archäologische
Denkmale in sich birgt; aber diese ist keineswegs die einzige oder auch nur größte Gefährdung, der
geschützte archäologische Denkmale ausgesetzt sind (Karl 2018b). Tatsächlich stellt die Metallsuche
bzw. Verwendung sonstiger Bodensuchgeräte, ob nun auf unter Denkmalschutz stehenden oder
sonstigen archäologischen Denkmalen, die nicht mit Grabungs- bzw. Fundbergungsabsicht erfolgt,
überhaupt keine Gefährdung der archäologischen Denkmale auf dem oder im Erdboden dar, sondern
kann eine wichtige Prospektionsmaßnahme zur Vermeidung oder Verminderung künftiger Gefahren
für die dadurch entdeckten, aber unverändert an Ort und Stelle im Boden belassenen, archäologischen
Denkmale sein. Nur die unzulässig verallgemeinerte Unterstellung, jede Verwendung eines Metalloder sonstigen Bodensuchgeräts auf archäologischen Denkmalen würde notwendigerweise stets mit
Grabungs- bzw. Fundbergungsabsicht von noch im Boden verborgenen Objekten durchgeführt,
ermöglicht es überhaupt, die bloße Verwendung derartiger Geräte als „Gefährdung“ geschützter
archäologischer Denkmale zu betrachten.
Die Hervorhebung der Verwendung von Metall- und anderen Bodensuchgeräten durch ein eigenes
gesetzliches Verbot wirkt daher – vor allem im Vergleich mit wenigstens ebenso schädlichen, aber
nicht eigens verbotenen Handlungen wie z.B. das Fahren von Motocross-Maschinen, Quad-Bikes oder
Mountain-Bikes über geschützte archäologische Denkmale wie z.B. Grabhügel oder Wallanlagen,
Handlungen, die regelhaft zu schweren Erosionsschäden an diesen Denkmalen führen – wie eine
sachlich ungerechtfertigte Diskriminierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (der
„Metallsucher“) aufgrund ihres gewählten Hobbies, nicht aufgrund des tatsächlich angerichteten
archäologischen Schadens. Die Erweiterung des gesetzlichen Metallsuchverbots auf
denkmalgeschützten archäologischen Denkmalen auf alle diese Denkmale potentiell gefährden
375
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
könnenden Handlungen entfernt diese einseitige Diskriminierung einer bestimmten
Bevölkerungsgruppe und lenkt das Augenmerk zurück auf den Aspekt dieser Bestimmung, der ihren
eigentlich relevanten Kern darstellt, nämlich die präventive Vermeidung von Schaden an
archäologischen Denkmalen, gleichgültig, aus welchen Handlungen dieser resultiert.
Im zweiten Satz des vorgeschlagenen Textes wird bestimmt, dass die gemäß des ersten Satzes dieses
Absatzes notwendige Bewilligung nur an Personen erteilt werden darf, die zur Durchführung der
geplanten Maßnahmen berechtigt sind, z.B. an den Grundeigentümer, von diesem berechtigte
Personen oder Personen die aus anderen Gründen das Recht oder sogar die Pflicht haben,
archäologische Denkmale im Sinne des DMSG (sowohl Bodendenkmale im Sinne der geltenden
Fassung als auch im Sinne des obigen Neuvorschlags der Begriffsdefinition von „archäologisches
Denkmal“) zu bergen, wie z.B. der Entminungsdienst zur Sicherung von potentiell noch scharfer
Munition/Kriegsrelikten aus dem 2. Weltkrieg. Dies geht von der bisherigen Regelung des § 11 Abs. 1
DMSG ab, das Recht „archäologische“ Bewilligungen erteilt zu bekommen auf physische Personen zu
beschränken, die ein einschlägiges Universitätsstudium absolviert haben, die allerdings in der Regel
keine rechtliche Verfügungsgewalt über irgendwelche der archäologischen Denkmale haben, die sie
entdecken, die ja letztendlich unter der derzeitigen Eigentumsregelung wenigstens hälftig beim
Grundeigentümer und iSd § 401 ABGB die Finderhälfte bei dem liegt, der die professionellen
Archäologen „ausdrücklich zur Aufsuchung eines Schatzes gedungen“ hat. Dadurch, dass die
Bewilligungsmöglichkeit an die rechtlich bezüglich des betroffenen Grundstücks und zumeist auch
allfällig entdeckter Kleinfunde Verfügungsberechtigten gebunden wird, treffen unter dieser Regelung
die mit Bewilligungen möglicherweise verbundenen Einschränkungen, Auflagen und Sonderregeln
auch jene Personen, die (im Kontext der weiter ausgeführten eigentumsrechtlichen Regelungen des
neu vorgeschlagenen § 10 DMSG) auch die tatsächliche rechtliche Verfügungsgewalt über allfällig
entdeckte archäologische Denkmale haben.
Um dennoch weiterhin im Sinne des Art. 3 Z ii der Valletta-Konvention (Europarat 1992), sicherstellen
zu können, dass, sofern geplante Maßnahmen die Durchführung systematischer archäologischer
Untersuchungen mit einschließen, diese durch entsprechend fachlich qualifiziertes Personal
durchgeführt werden (und der einzige erkennbare Grund für die bisherige Bindung des Rechts der
Erteilung einer Grabungsbewilligung an AbsolventInnen einschlägiger Universitätsstudien war der
Zweck sicherzustellen, dass archäologische Ausgrabungen durch fachlich qualifiziertes Personal
durchgeführt oder wenigstens begleitet werden), wird in der Aufzählung möglicher Auflagen in
Bewilligungsbescheiden explizit die Möglichkeit einen bestimmten Kompetenznachweis des
Durchführenden vorzuschreiben angeführt. Das bedeutet, dass das BDA dem rechtlich
Verfügungsberechtigten, der eine Maßnahme durchführen möchte, die ein geschütztes
archäologisches Denkmal gefährden könnte, verbindlich vorschreiben kann, dass, wo es dem BDA für
nötig erscheint, diese Maßnahme von über entsprechende fachliche Qualifikationen verfügenden
ArchäologInnen durchgeführt oder wenigstens begleitet werden muss.
Gleichzeitig wird durch diese Möglichkeit nicht, wie bisher durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1
DMSG igF, die verfassungsgesetzlich garantierte Freiheit der wissenschaftlichen Forschung, zu der
selbstverständlich auch die Freiheit der archäologischen Feldforschung gehört, auf die weniger als
1.000 derzeit praktizierenden, graduierten ArchäologInnen beschränkt, die es in Österreich gibt,
sondern vielmehr effektiv durch Bescheidauflagen auch in Fällen, in denen interessierte Laien
archäologische Untersuchungen anstellen wollen, wo notwendig, eine fachlich kompetente
archäologische Begleitung dieser Untersuchungen sichergestellt. Dies ist nicht zuletzt weit besser mit
den Bestimmungen des Rahmenübereinkommens des Europarates über den Wert des Kulturerbes für
376
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
die Gesellschaft (Europarat 2005) vereinbar, speziell dessen Art. 12 lit. a erster Punkt, als die derzeit
gewählte gesetzliche Lösung.
Ebenfalls explizit verwiesen wird auf die Dokumentationspflicht des neu vorgeschlagenen § 9 (siehe
weiter unten), wobei bei bewilligten Maßnahmen auf geschützten archäologischen Denkmalen
jedenfalls der höchste fachliche Dokumentationsstandard vorgeschrieben ist. Dies stellt gemeinsam
mit der Möglichkeit, Bescheidauflagen zu erteilen, sicher, dass, unabhängig vom Zweck der geplanten
Maßnahme, die bestmögliche archäologische Dokumentation aller das Denkmal möglicherweise
gefährden könnenden Maßnahmen gewährleistet ist.
Schlussendlich wird auch noch explizit darauf hingewiesen, dass die Bewilligung der Durchführung von
Maßnahmen, die geschützte archäologische Denkmale potentiell gefährden könnten, gemäß diesem
Absatz nicht die Bewilligung der tatsächlichen Veränderung oder Zerstörung von Denkmalen gemäß §
5 Abs. 1 DMSG igF ersetzt. Das bedeutet, dass eine geplante Maßnahme, die ein geschütztes
archäologisches Denkmal nicht nur gefährden könnte, sondern auch tatsächlich verändern oder
zerstören wird, wie z.B. eine systematische archäologische Ausgrabung eines geschützten
archäologischen Denkmals, sowohl eine Bewilligung gemäß diesem Absatz als auch eine Bewilligung
gemäß § 5 Abs. 1 bräuchte, wie dies ja auch schon derzeit durch die Bestimmungen des § 11 Abs. 1
und 5 DMSG igF vorgesehen ist. Bei aus wissenschaftlichen Forschungsgründen stattfindenden
archäologischen Ausgrabungen geschützter archäologischer Denkmale ändert sich also durch die hier
vorgeschlagene Regelung im Vergleich zum derzeit Geltenden überhaupt nichts.
Zu einer bedeutenden Veränderung gegenüber dem derzeitigen Zustand kommt es hingegen durch
die hier vorgeschlagene Regelung bei allen anderen Maßnahmen, durch die geschützte archäologische
Denkmale verändert oder zerstört werden sollen, die aber nicht dem Zweck der wissenschaftlichen
Untersuchung dieser Denkmale dienen. Bei solchen anderen Zwecken dienenden Maßnahmen, die
eine Veränderung oder Zerstörung eines geschützten Denkmals zur Folge haben, ist derzeit nicht eine
spezifische archäologische Bewilligung der geplanten Maßnahmen, sondern nur eine Bewilligung des
BDA gemäß § 5 Abs. 1 DMSG notwendig. Bescheide gemäß § 5 Abs. 1 können zwar (gemäß der RV
1990) auch Bedingungen und Auflagen enthalten, wodurch dem Antragsteller die Durchführung einer
die Veränderung oder Zerstörung begleitenden archäologischen Ausgrabung vorgeschrieben werden
kann. Allerdings sind in einem Verfahren gemäß § 5 Abs. 1 grundsätzlich nur Gründe gegeneinander
abzuwiegen, die für und die gegen die Erhaltung des Denkmals sprechen, während die sachgemäße
archäologische Dokumentation der Zerstörung oder Veränderung des Denkmals keine oder nur eine
sehr untergeordnete Rolle spielt: die ausreichende archäologische Untersuchung und Dokumentation
des betroffenen archäologischen Denkmals ist eventuell ein in dieser Abwägung zu berücksichtigender
Grund, kann allerdings kaum gegen die Veränderung oder Zerstörung des Denkmals sprechen weil,
wie in derzeitig gültigen Gesetzestext in § 11 Abs. 5 igF konkret erläutert wird, die Ausgrabung eines
archäologischen Denkmals stets zwangsläufig mit Veränderungen oder gar der Zerstörung dieses
Denkmals verbunden ist.
Die sachgerechte archäologische Dokumentation eines Denkmals im Rahmen seiner Zerstörung kann
daher, falls überhaupt, ein Grund sein, der für die Zerstörung dieses Denkmals spricht; ein Fehlen einer
solchen Dokumentation hingegen kein Grund, der gegen seine Zerstörung oder Veränderung spricht,
weil diese Dokumentation ohnehin überhaupt nur dadurch erreicht werden kann, dass das Denkmal
verändert oder zerstört wird. Nachdem aus eben diesem Grund unter der derzeit geltenden
Gesetzeslage auch nicht argumentiert werden kann, dass die sachgerechte archäologische
Dokumentation der Veränderung oder Zerstörung des Denkmals eine sachdienliche Maßnahme zu
seiner Erhaltung ist – schließlich ist im § 1 Abs. 1 igF Erhaltung bisher nur als „Bewahrung vor
Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland“ definiert, während das Prinzip der Erhaltung
377
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
durch Dokumentation derzeit noch keine Berücksichtigung findet – können derzeit streng rechtlich
gesehen auch die Kosten für im Rahmen einer bewilligten Zerstörung eines geschützten
archäologischen Denkmals notwendig werdenden Ausgrabungen oder sonstigen Untersuchungen
dem Denkmaleigentümer eigentlich nicht aufgetragen werden, weil alle derartigen Untersuchungen
nicht als denkmalschutzrechtliche Instandhaltungsmaßnahmen interpretiert werden können, ohne
den Wortlaut des Gesetzes dazu in sein Gegenteil verkehren zu müssen.
Die im hier gemachten Änderungsvorschlag gewählte Lösung überträgt hingegen die Verantwortung,
allfällig notwendig werdende archäologische Untersuchungen durchführen zu lassen, auf den
Verursacher der geplanten Veränderung oder Zerstörung des betreffenden Denkmals,
Untersuchungen die auch im Sinne des oben neu vorgeschlagenen § 1 Abs. 1a eine Erhaltung durch
Dokumentation darstellen und somit auch eine Instandhaltungsmaßnahme sind, für deren Kosten der
Denkmaleigentümer aufzukommen hat. Die hier vorgeschlagenen Änderungen des DMSG schaffen
also, neben den bereits genannten anderen Vorteilen, auch eine solide Rechtsgrundlage für eine
finanzielle Entlastung des Staatshaushaltes.
Abs. 2
Der neue Absatz 2 übernimmt, ebenfalls in deutlich modifizierter und erweiterter Form, die
Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG igF zur Bewilligung von Grabungen und sonstigen
Nachforschungen an Ort und Stelle zur Entdeckung und Untersuchung von beweglichen und
unbeweglichen Denkmalen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche. Diese Bestimmung hat in der bisher
geltenden Fassung und allen vorhergehenden Fassungen des DMSG in erster Linie auf das Motiv, also
die Intention, des Grabungen oder sonstige Nachforschungen vornehmenden Handelnden abgestellt,
was zu diversen absurden Folgen führt, von denen die wohl gravierendste und absurdeste die ist, dass
der mit Zerstörungsabsicht handelnde Bauunternehmer (bzw. der von diesem zum Wegbaggern von
archäologischen Denkmalen angehaltene Baggerfahrer) gänzlich ohne denkmalschutzrechtliche
Bewilligung und völlig rechtmäßig archäologische Denkmale zerstören darf (siehe dazu schon weiter
oben Seiten 108-111), während der zum Schutz allfällig an Ort und Stelle vorhandener archäologischer
Denkmale mit dem Zwecke der Entdeckung und Untersuchung dieser Denkmale in die von dem
soeben genannten Baggerfahrer ausgehoben werdende Baugrube schauende Passant gegen die
Bewilligungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF verstößt und sich damit eines Vergehens gegen die
Denkmalschutzbestimmungen schuldig macht.
Die hier vorgeschlagene Neufassung geht vom Intentionsprinzip als Auslöser der gesetzlichen
Schutzwirkung ab und zieht stattdessen das Gefährdungspotential für archäologische Denkmale, das
völlig unabhängig von der Intention, mit der sie ausgeführt werden, mit in die Erdoberfläche bzw. den
Grund unter Wasser eingreifenden Handlungen verbunden ist, als Auslöser für die gesetzliche
Schutzwirkung heran.
Die neu vorgeschlagenen Bestimmungen dieses Absatzes unterwerfen alle maßgeblich in den Boden
eingreifenden Handlungen der Bewilligungspflicht durch das BDA, die noch ungestört an Ort und Stelle
befindliche archäologische Denkmale gefährden könnten, unabhängig davon, welche Intention der
Handelnde mit seinen Bodeneingriffen verfolgt. Dies entspricht den Anforderungen des Art. 1 Z i lit. a
der Valletta-Konvention (Europarat 1992), dass „Verfahren zur Genehmigung und Überwachung von
Ausgrabungen und sonstigen archäologischen Tätigkeiten so anzuwenden“ sind, „dass jede unerlaubte
Ausgrabung oder Beseitigung von Elementen des archäologischen Erbes verhindert wird“. Diese
Bestimmung kann selbstverständlich nicht so interpretiert werden, dass damit ausschließlich solche
Ausgrabungen oder Beseitigungen des archäologischen Erbes gemeint sind, die mit dem Zweck der
Entdeckung und Untersuchung dieses archäologischen Erbes, oder auch nur dem Zweck seiner
Entdeckung samt beliebigen sonstigen Nebenzwecken durchgeführt werden, sondern
378
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
selbstverständlich nur so, dass damit auch jede andere Beseitigung des archäologischen Erbes, aus
welchen Gründen auch immer, verhindert werden soll; insbesondere natürlich auch die vorsätzliche
und mutwillige Zerstörung noch unentdeckten archäologischen Erbes. Die hier vorgeschlagene
Änderung der einschlägigen Bewilligungsbestimmungen des DMSG ist also schon allein deshalb nötig,
um die Bestimmungen des DMSG an die in diesem von Österreich ratifizierten europäischen
Übereinkommen enthaltenen Bestimmungen entsprechend anzupassen.
Dabei ist es allerdings, schon alleine aus praktischen Gründen, notwendig zu bestimmen, ab wann ein
Bodeneingriff so maßgeblich wird, dass er eine derart ernstzunehmende Gefährdung an Ort und Stelle
vorkommender archäologischer Denkmale darstellt, dass eine vorherige Bewilligung des geplanten
Eingriffs durch das BDA nötig wird. Würde kein solches die gesetzliche Bewilligungspflicht auslösendes
Mindestmaß definiert, würde nämlich jedweder Bodeneingriff, also auch das Einpflanzen von Blumen
oder Gemüse in privaten Gärten und natürlich auch jeder landwirtschaftlich notwendige, alltägliche
Bodeneingriff plötzlich einer Bewilligungspflicht durch das BDA unterworfen; was weder sinnvoll sein
kann noch praktisch umsetzbar ist. Die hier vorgeschlagenen Maße von wenigstens 30 cm
Eindringtiefe in den Boden und wenigstens einem Quadratmeter Fläche oder maximal einem
Kubikmeter Volumen unabhängig von der Tiefe des Eingriffes sind selbstverständlich diskutierbar,
erscheinen aber deshalb einigermaßen sinnvoll, weil dadurch die überwiegende Mehrheit aller
alltäglichen seichten, kleinflächigen oder geringvoluminösen Bodeneingriffe, die für das moderne
Leben notwendig sind, sowie diverse notwendige (z.B. geologische, sedimentologische usw.)
Bodenbeprobungen aus der Bewilligungspflicht dieses Absatzes automatisch herausfallen. Sie
entsprechen auch etwa dem, was soeben die Niederlande in Bezug auf geringfügige Bodeneingriffe
im Rahmen von Metallsuchen gesetzlich erlaubt haben: die neue niederländische Regelung nimmt
Bodeneingriffe bis zu 30 cm Tiefe aus den gesetzlichen Bewilligungspflichten für Grabungsarbeiten aus
(Koninkrijk der Nederlanden 2016; Art. 2.2 Z 1).
Der Bewilligungspflicht dieses Absatzes unterliegen hingegen alle jene Erdarbeiten, die Dimensionen
erreichen, die maßgeblichen archäologischen Sachschaden anrichten können, und zwar gänzlich
unabhängig davon, aus welchem Grund sie durchgeführt werden. Das bedeutet, dass, nicht anders als
bereits derzeit der Fall, alle systematischen archäologischen Ausgrabungen, die von professionellen
ArchäologInnen zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn durchgeführt werden, vollständig der
Bewilligungspflicht dieses Absatzes unterliegen. In dieser Beziehung gibt es also keinerlei Unterschied
zur bisherigen Handhabung der derzeitigen gesetzlichen Regelung des § 11 Abs. 1 durch das BDA, die
sich allerdings zwischenzeitlich, wie schon oben (Seiten 8-26) ausgeführt, als rechtswidrig erwiesen
hat. Durch die hier vorgeschlagenen Änderungen der einschlägigen Bestimmungen des DMSG wird die
bisherige Anwendungspraxis der einschlägigen Bestimmungen des § 11 Abs. 1 bei tatsächlich
maßgeblich in den Boden eingreifenden archäologischen Maßnahmen, diesmal aber auf rechtlich
korrekte Weise, wiedereingeführt.
Im Unterschied zur bisherigen Rechtslage fallen allerdings gemäß der hier vorgeschlagenen
Neufassung auch alle anderen Erdarbeiten, also bau-, land- und forstwirtschaftliche Arbeiten, die so
stark in den Erdboden eingreifen, dass an Ort und Stelle vorhandene, aber bisher noch unbekannte,
archäologische Denkmale durch sie stark gefährdet werden könnten, die bisher keiner
denkmalschutzrechtlichen Bewilligungspflicht durch das BDA unterliegen und, wenn überhaupt, nur
dann dem BDA zur Kenntnis gebracht werden müssen, wenn es sich dabei um Erdarbeiten handelt,
die im Zusammenhang mit Maßnahmen stehen, die dem UVP-G unterliegen, unter die
Bewilligungspflicht durch das BDA. Dies ist nicht zuletzt deshalb von großer Bedeutung, weil unter
heutigen Umständen, d.h. beim Einsatz moderner bau-, land- und forstwirtschaftlicher Maschinen,
Zufallsfunde archäologischer Denkmale nahezu ausgeschlossen sind und daher die
379
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
Zufallsfundbestimmungen der derzeitigen §§ 8 und 9 DMSG igF, die unter den 1923 gegebenen
Verhältnissen noch durchaus adäquat waren, weitgehend obsolet geworden sind. Ein weiteres
Beharren auf 1923 adäquaten, aber heute vollständig inadäquaten, Schutzbestimmungen für
archäologische Denkmale, die zwar vorhanden sind, aber aufgrund der heute verwendeten Praktiken
in Bau-, Land- und Forstwirtschaft kaum mehr zufällig entdeckt werden können, würde eine grobe
Vernachlässigung ihrer aus internationalen Übereinkommen und eigenen Verfassungsbestimmungen
erwachsenden Verpflichtung durch die Republik Österreich darstellen, im öffentlichen Interesse für
einen adäquaten (auch archäologischen) Denkmalschutz zu sorgen, eine Änderung wie die hier
vorgeschlagene ist daher zwingend notwendig.
Ein weiterer, wenn auch weniger deutlicher, Unterschied zur derzeitigen Situation ergibt sich aus der
hier vorgeschlagenen Neufassung auch für Nachforschungen nach nicht denkmalgeschützten
archäologischen Denkmalen durch professionelle Archäologen und Laien, insbesondere unter
Verwendung von Metall- und anderen Bodensuchgeräten. Obwohl hier die derzeit bestehende
Rechtslage inzwischen als eindeutig zu betrachten ist (auch wenn sich das BDA dieser Tatsache immer
noch verweigert), wurden bisher die NFG-Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG igF durch die
zuständigen Behörden, insbesondere durch das BDA (2016), aber auch – wenn auch in weit weniger
eindeutiger Weise – durch die Strafverfolgungsbehörden, derart ausgelegt, dass alle Nachforschungen
an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher
Bodendenkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche dieser Bewilligungspflicht unterliegen (siehe
dazu z.B. Strafbescheid der BH Melk vom 23.9.2013, MES2-V-12 10139/5; vgl. im Gegensatz
Magistratisches Bezirksamt Wien Innere Stadt MBA 01 – S 48902).
Die in diesem Bereich wenigstens bis zum Erkenntnis des VwGH vom 23.2.2017, Ro 2016/09/0008
bestanden habende, massive Rechtsunsicherheit wird durch die hier vorgeschlagenen neuen
Bestimmungen vollständig beseitigt: kleinere Grabungen, die weniger als das genannte Mindestmaß
in den Boden eingreifen, sind unter der hier vorgeschlagenen Neuregelung bewilligungsfrei erlaubt;
und zwar auch dann, wenn ein solcher Bodeneingriff von einem Laien, der ein Metall- oder sonstiges
Bodensuchgerät mit dem Zweck der Entdeckung und Untersuchung nicht unter Denkmalschutz
stehender archäologischer Denkmale verwendet, durchgeführt wird. Entgegen der zu dieser Frage von
manchen Archäologen vielleicht vertretenen Ansicht, stellt die hier vorgeschlagene Lösung allerdings
keineswegs eine Verschlechterung der Rechtslage zu „Raubgrabungen“ dar, sondern vielmehr eine
Verbesserung, und wird in Verbindung mit den hier neu vorgeschlagenen neuen Bestimmungen der
§§ 9 und 10 DMSG (siehe weiter unten) zu einer deutlichen Verbesserung der gesetzlichen Steuerung
des Verhaltens archäologische Denkmale suchender Bürger in einer für die langfristige Erhaltung
archäologischer Denkmale und Informationen weniger schädlichen Weise führen, also zur
verbesserten Erhaltung dieser Denkmale und Informationen (siehe dazu schon weiter oben Seiten
334-358).
Durch die hier vorgeschlagene Bestimmung des Abs. 2 werden hingegen alle Grabungen, die in ihren
Dimensionen das gesetzlich vorgesehene Maß überschreiten, unabhängig vom Zweck, mit dem sie
unternommen werden, der Bewilligungspflicht dieses Absatzes unterworfen; und zwar gleichermaßen
die von Laien wie die von professionellen Archäologen. Damit wird nun aber die bisher nur für gemäß
§§ 2a oder 3 DMSG geschützte Denkmale mit Sicherheit bestehende Bewilligungspflicht für
Grabungen und sonstige invasive Nachforschungen an Ort und Stelle gemäß § 11 Abs. 1 DMSG igF
eindeutig auch auf alle Grabungen, die in ihren Dimensionen das gesetzliche Mindestmaß
überschreiten, auch auf nicht gemäß §§ 2a oder 3 DMSG denkmalgeschützten archäologischen
Denkmalen, ausgedehnt. Dies stellt jedenfalls gegenüber der jetzigen Rechtslage, bei der aller
Wahrscheinlichkeit nach nicht gemäß §§ 2a oder 3 DMSG denkmalgeschützte Denkmale vor keinerlei
380
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Grabungen geschützt sind, eine dramatische Verbesserung dar, weil die hier vorgeschlagene Regelung
mit Sicherheit alle bekannten archäologischen Denkmale vor maßgeblicheren Grabungen schützt.
Insgesamt unterwirft also die hier vorgeschlagene Neuregelung im Vergleich zur bisherigen Regelung
des § 11 Abs. 1 igF mit Sicherheit weit mehr möglicherweise archäologische Denkmale gefährden
könnende Grabungen und sonstige Erdarbeiten der Bewilligungspflicht durch das BDA. Das bedeutet
nicht zuletzt, dass – weil dadurch ja auch zahllose bau-, land- und forstwirtschaftliche Arbeiten, die
bisher von der NFG-Pflicht des DMSG nicht betroffen waren, nun dieser Bewilligungspflicht
unterworfen werden – auf das BDA und vor allem dessen archäologische Fachabteilung bedeutende
Mehrarbeit zukommt. Diese Mehrarbeit wird – um dies gleich festzuhalten – sicherlich nicht im
Vergleich zur derzeitigen Lage kostenneutral durchführbar sein, sondern die Anstellung zusätzlichen
Fachpersonals, ob nun in der betreffenden Fachabteilung des BDA oder in anderen geeigneten
Behörden (z.B. im Sinne einer unteren Denkmalbehörde, wie es sie in den meisten deutschen
Bundesländern gibt, in den für die Raumplanung und Bewilligung von Bauvorhaben zuständigen
Behörden) zur Bewältigung des zusätzlichen Arbeitsmehraufwandes notwendig machen. Inwieweit
der damit verbundene finanzielle Mehraufwand durch die Ersparnisse aus der oben erläuterten
Neufassung des Abs. 1 gänzlich kompensiert werden kann, kann derzeit nicht mit Sicherheit
abgeschätzt werden.
Um den mit der Neuregelung des Abs. 2 verbundenen Mehrarbeitsaufwand für das BDA so gering als
möglich zu halten, wird im oben vorgeschlagenen Gesetzestext vorgesehen, dass die Ermittlung der
zur Entscheidung notwendigen Fakten, ob eine Bewilligung von Grabungen oder sonstigen Arbeiten
gemäß den Bestimmungen dieses Absatzes möglich ist, durch den Antragsteller selbst vorgenommen
werden muss. Diese Fakten sind dann in Form aussagekräftiger Beweismaterialien (wie z.B. Berichte
über archäologische Voruntersuchungsergebnisse) samt einer Beschreibung geplanter
Ersatzmaßnahmen zur Mitigation mutmaßlich notwendiger Veränderungen oder Zerstörungen
archäologischer Denkmale als Beilagen zum Bewilligungsantrag dem BDA zur wissenschaftlichen
Beurteilung vorzulegen (in ähnlichem Sinn siehe auch die in Vorbereitung befindliche ÖNORM S 2411;
Karl 2019d).
Im Gegensatz zu den 1920ern gibt es heute neben der Möglichkeit der Konsultation des
Fundstellenkatasters des BDA zahlreiche, relativ verlässliche, nicht invasive archäologische
Vorerkennungsmethoden wie z.B. die Auswertung von Luftbildern in Bezug auf Schatten- und
Bewuchsmerkmale oder verschiedene geophysikalische Prospektionsmethoden (siehe für
Kurzdarstellungen z.B. BDA 2016, 10, 12-6), durch die mit einigermaßen hoher Verlässlichkeit die
Wahrscheinlichkeit des Vorkommens unbeweglicher archäologischer Denkmale im Erdboden bzw.
unter dem Grund unter Wasser bestimmt werden kann. Diese können zusätzlich durch nicht invasive
archäologische Oberflächenfundaufsammlungen und nur wenig invasive archäologische Surveys, z.B.
unter Verwendung von Metallsuchgeräten, die gemäß den hier vorgeschlagenen Regelungen keiner
Bewilligungspflicht durch das BDA unterliegen und daher jederzeit überall außer auf
denkmalgeschützten Grundstücken von jedem durchgeführt werden dürfen, ergänzt werden,
wodurch die Treffsicherheit von Vorhersagen, ob auf einer bestimmten Bodenfläche bzw. einem
bestimmten Grundstück mit einer starken oder nur geringen Durchsetzung mit archäologischen
Denkmalen zu rechnen ist, zusätzlich erhöht werden kann.
Alle diese archäologischen Vorerkundungen sind auch vergleichsweise kostengünstig, stellen also
jeweils einen bloß geringen finanziellen Aufwand dar. Selbst die Anlage von nur geringfügig in den
Erdboden eingreifenden Test- oder Suchschnitten (die z.B. in der britischen und nordamerikanischen
Archäologie als test pits mit unter 1 Quadratmeter Fläche häufig genutzt werden; siehe z.B. Webster
2016, 55-8) ist unter den hier vorgeschlagenen Regelungen bewilligungsfrei möglich, solange diese
381
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
Schnitte in ihren Dimensionen das explizit definierte gesetzlich erlaubte Maß nicht überschreiten,
wodurch sich die Vorhersagekraft von archäologischen Vorerkennungsmaßnahmen noch weiter
vergrößern lässt; auch wenn die letztgenannte Maßnahme im Vergleich zu den zuvor genannten
verhältnismäßig kostenintensiv ist.
Jedenfalls gestattet die Durchführung derartiger Vorerkundungsmaßnahmen Antragstellern eine
vernünftige und auch erhöhte Planungssicherheit gewährende Abschätzung, welche archäologischen
Ersatzmaßnahmen vor der Durchführung geplanter bau-, land- oder forstwirtschaftlicher Arbeiten
notwendig erscheinen, um eine sachgerechte archäologische Untersuchung und Dokumentation
allfällig zu erwartender archäologischer Denkmale sicherstellen zu können. Werden die durch
einschlägige Voruntersuchungen gewonnenen Erkenntnisse samt der in Betracht gezogenen
Ersatzmaßnahmen dann dem BDA zur Beurteilung vorgelegt, kann es auf Basis der ihm vorliegenden
Evidenz rasch und ohne die Notwendigkeit eigene Ermittlungen anzustellen zu einer Entscheidung
kommen, ob – auch in Anbetracht der vom Antragsteller vorgeschlagenen Ersatzmaßnahmen – eine
Bewilligung der geplanten Arbeiten aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht möglich ist oder der
Antragsteller weitere Voruntersuchungen durchführen oder andere Ersatzmaßnahmen einplanen
muss. Dieses Verfahren entspricht grundsätzlich dem in Umweltverträglichkeitsprüfungen nach dem
UVP-G angewandten Vorgehen, ist also in der österreichischen Rechtsordnung bereits fest etabliert,
und wird durch die hier vorgeschlagene Bestimmung nur – ganz im Sinne des Art. 5 Z iii und iv und des
Art. 6 Z ii der Valletta-Konvention (Europarat 1992) – auf alle Erschließungs- und sonstigen Erdarbeiten
ausgedehnt, unabhängig davon, ob diese einer UVP-Pflicht unterliegen oder nicht.
Die Kosten für die Ermittlung der für den Antrag notwendigen Beweisunterlagen hat
selbstverständlich der Verursacher zu tragen, es kommt dadurch auf die Republik also keine
zusätzliche finanzielle Belastung zu. Ganz im Gegenteil wird durch die bessere Planbarkeit
archäologischer Maßnahmen und die dadurch verringerte Notwendigkeit zur Durchführung von
Rettungsgrabungen die finanzielle Belastung der Republik durch diese Regelung eher verringert.
Soweit kleine Bauvorhaben betroffen sind, bei denen die durch die notwendigen archäologischen
Voruntersuchungen entstehende finanzielle Belastung dem Antragsteller unzumutbar ist, kann der
Staat diese gemäß der Bestimmungen des § 32 Abs. 1 DMSG igF finanziell fördern und somit, wie auch
in der RV (1999) vorgesehen, allfällig entstehende wirtschaftliche Härten mildern.
Um gerade bei Bauverfahren, bei denen ohnehin ein Bewilligungsantrag an die Baubehörden zu
stellen ist, für Antragsteller nicht zusätzliche Behördenwege zu verursachen wird des Weiteren in der
hier vorgeschlagenen Neufassung vorgesehen, dass Anträge auf Bewilligung archäologischer Arbeiten
gemeinsam mit dem Antrag auf die andere notwendige Bewilligung bzw., in Fällen wo UVP
durchzuführen sind, gemeinsam mit der Umweltverträglichkeitserklärung, gestellt werden können
und die dafür zuständige Behörde (sofern diese nicht ohnehin, wie in UVP-Verfahren, den Antrag samt
Umwelterklärung dem BDA zur dortigen Prüfung weiterleiten muss) den Antrag bzw. die
archäologischen Antragsteile dem BDA zur Prüfung weiterleiten muss.
Wie schon bei den Bestimmungen des neuen Abs. 1 ist auch für den neuen Abs. 2 vorgesehen, dass
Bewilligungen nach diesem Absatz nur an zur Durchführung der Arbeiten berechtigte Personen erteilt
werden können, damit auch tatsächlich durch die ebenfalls vorgesehenen Bescheidauflagen,
Einschränkungen oder Sonderregelungen die rechtlich Verfügungsberechtigten getroffen werden,
nicht wie bei der bisherigen Regelung die über bezüglich der entdeckten archäologischen Denkmale
keine rechtliche Verfügungsgewalt verfügenden ArchäologInnen. Damit wird nicht nur auch im
Kontext von Bewilligungen des neuen Abs. 2 sichergestellt, dass das BDA durch entsprechende
Bescheidauflagen sicherstellen kann, dass allfällig notwendige archäologischen Maßnahmen nur
durch entsprechend fachlich kompetente ArchäologInnen durchgeführt oder wenigstens fachlich
382
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
begleitet werden (siehe dazu Art. 3 Z ii der Valletta-Konvention; Europarat 1992), sondern auch der
langfristige Fundverbleib gleichermaßen durch wirkmächtige Bescheidauflagen geklärt und
sichergestellt werden kann. Ebenfalls entsprechend der Bestimmungen des Abs. 1 ist auch die
Dokumentationspflicht gemäß den Bestimmungen des neuen § 9 Abs. 2 Z 3 bzw. 4 explizit genannt,
um eine ausreichende Erhaltung der entdeckten archäologischen Denkmale durch Dokumentation zu
gewährleisten.
Abschließend wird in der vorgeschlagenen Neufassung dieses Absatzes explizit festgehalten, dass ein
Rechtsanspruch auf die Erteilung einer § 8 Abs. 2-Bewilligung aufgrund der Bestimmungen dieses
Bundesgesetzes auch dann nicht besteht, wenn im Rahmen des Antrags vorgeschlagene
Ersatzmaßnahmen eine vollständige Erhaltung aller auf der betroffenen Fläche vorkommenden
archäologischen Denkmale durch Dokumentation sicherstellen. Diese Ausführung ist deshalb
notwendig, weil Art. 4 Z ii und Art. 5 Z iv der Valletta-Konvention (Europarat 1992) explizit die
Erhaltung archäologischer Denkmale an Ort und Stelle als bevorzugte Erhaltungsmaßnahme
ausweisen. Selbst wenn also im Bewilligungsantrag vorgeschlagene Ersatzmaßnahmen eine
vollständige Erhaltung aller an Ort und Stelle vorkommenden archäologischen Denkmale durch
Dokumentation sicherstellen, muss das BDA dennoch, wenn ausreichende denkmalpflegerische
Gründe für eine Erhaltung dieser archäologischen Denkmale an Ort und Stelle vorliegen, welche die
Gründe, die für ihre Zerstörung an Ort und Stelle sprechen überwiegen, aufgrund der dann zu
bevorzugenden Erhaltung dieser Denkmale an Ort und Stelle gegen den Antrag entscheiden können.
Die Neufassung der Bestimmungen dieses Absatzes, die hier vorgeschlagen werden, wären also
jedenfalls archäologisch-denkmalschützerisch bedeutend vorteilhafter als die bisherige Regelung der
Grabungsbewilligungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG igF und würden auch weit besser als die bisherige
Regelung die Bestimmungen der Valletta- (Europarat 1992) und Faro-Konvention (Europarat 2005),
erfüllen. Sie wären allerdings mit einer bedeutenden Arbeitsmehrbelastung für die archäologische
Fachabteilung des BDA verbunden, die diese nur mit einer Personalaufstockung leisten könnte, und
daher nicht gänzlich kostenneutral umzusetzen.
Abs. 3
Die hier vorgeschlagene Neufassung des Abs. 3 bestimmt Ausnahmen von den Bewilligungspflichten
der Absätze 1 und 2 dieses Paragrafen. Die meisten davon, nämlich die in Z 1, 2 und 3 genannten
Ausnahmen, entsprechen bereits in den derzeit geltenden gesetzlichen Bestimmungen des § 11 DMSG
igF vorgesehenen Ausnahmen von der Bewilligungspflicht archäologischer Ausgrabungen durch das
BDA. Keiner Bewilligung bedürfen gemäß dieser Bestimmungen amtswegige Maßnahmen des BDA
(entspricht der derzeit geltenden Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 2 igF); Grabungen, Arbeiten oder
sonstige Maßnahmen im Auftrag des Bundesministers für Kultur oder des Landeshauptmanns handelt,
die im Rahmen von Berufungsverfahren oder in Wahrnehmung der Aufsichtspflicht (§ 30 Abs. 1) im
unbedingt notwendigen Ausmaß (entspricht der derzeit geltenden Ausnahmeregelung des § 11 Abs.
9 igF) durchgeführt werden; und Grabungen, Arbeiten oder sonstige Maßnahmen zur Beseitigung von
das Leben, die Gesundheit oder das Eigentum bedrohenden plötzlich und unerwartet auftauchenden
Gefahren (entspricht der derzeit geltenden Ausnahmeregelung in § 11 Abs. 8 igF, sinngemäß
ausgeweitet von der Verwendung von Metallsuchgeräten auf alle Maßnahmen, die archäologische
Denkmale betreffen könnten, was schon allein deshalb notwendig ist, weil auch noch scharfe
Fliegerbomben aus dem 2. Weltkrieg archäologische Denkmale – und übrigens auch im Sinn der
Bestimmungen des § 8 Abs. 1 igF Bodendenkmale – sind).
Hinzugefügt zu diesen bereits derzeit mehr oder minder ident geltenden Ausnahmebestimmungen zur
Bewilligungspflicht archäologischer Maßnahmen wurde eine neue Ausnahmebestimmung, die seit
längerem in gleicher Weise durchgeführte Erdarbeiten, die im Rahmen normaler landwirtschaftlicher
383
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
Tätigkeiten liegen, von der Bewilligungspflicht der Abs. 1 und 2 ausnimmt. Derartige Erdarbeiten wie
Pflügen, Eggen oder auch Grubbern usw., die zur produktiven landwirtschaftlichen Nutzung der
betroffenen Flächen notwendig sind, sind auch dann von der Bewilligungspflicht des Abs. 2
ausgenommen, wenn sie tiefer als 30 cm und auf über einem Quadratmeter Fläche oder in über 1
Kubikmeter Volumen in den Erdboden eingreifen. Dies liegt nicht nur daran, dass die alljährliche
Neubewilligung derartiger alltäglicher landwirtschaftlicher Arbeiten praktisch nicht bewältigt werden
kann, sondern auch und insbesondere daran, dass, wenn auf den betroffenen Flächen die
betreffenden Tätigkeiten in gleicher Weise bereits seit fünf oder mehr Jahren durchgeführt wurden,
allfällig durch sie angerichteter Schaden an vorhandenen archäologischen Denkmalen bereits
entstanden ist und daher gar nicht mehr verhindert werden kann. Es wäre daher denkmalpflegerisch
weitgehend bis vollständig sinnlos, sie einer Bewilligungspflicht zu unterwerfen.
Zu bemerken ist allerdings, dass eine neu in Angriff genommene Bearbeitung seit längerem nicht
ackerbaulich bewirtschafteter Flächen nicht unter diese Ausnahmeregelung von der
Bewilligungspflicht des Art. 2 fällt: ist eine Fläche zum Beispiel seit längerer Zeit nur als Weideland
genutzt und nicht regelmäßig umgeackert worden, ist eine neu in Angriff genommene ackerbauliche
Bewirtschaftung, bei der mit dem Pflug tiefer als die in Abs. 2 genannte Tiefe in den Boden eingegriffen
wird, sehr wohl durch die Bewilligungspflicht des Abs. 2 betroffen. In einem derartigen Fall kann
nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass allfällig auf der Fläche vorhandene archäologische
Denkmale bereits durch die langjährige gleichartige Bewirtschaftung soweit beschädigt wurden, dass
ein (erstmaliges oder neuerliches) Pflügen des Bodens keinen neuen Schaden an den vorhandenen
archäologischen Denkmalen erzeugen würde.
Gleichermaßen nicht ausgenommen von der Bewilligungspflicht des Art. 2 sind durch die
Bestimmungen des Abs. 3 Z 4 forstwirtschaftliche Maßnahmen, die stärker als das in Abs. 2 Z 1 bzw. 2
genannte Maß in den Waldboden eingreifen; insbesondere nicht die Schlägerung mit modernen
Forstmaschinen, die zusätzlich zum Baumschnitt auch gleich den zurückbleibenden Baumstrunk
ausreißen. Die dadurch erzeugten Ausrissgruben greifen nahezu regelhaft stärker in den Waldboden
ein als das in Abs. 2 Z 1 und 2 definierte, die Bewilligungspflicht von Erdarbeiten auslösende, Maß und
bedrohen oftmals ungestörte archäologische Denkmale mit wenigstens maßgeblicher Veränderung,
wenn nicht vollständiger Zerstörung (siehe dazu z.B., wenn auch im konkreten Fall Windverbruch
geschuldet,
http://www.mirror.co.uk/news/world-news/medieval-skeleton-bursts-out-ground6435841 [26.10.2017]). Hinzu kommt, dass heute geschlagene Bäume wenigstens mehrere Jahrzehnte
gewachsen sind und daher eine allfällige vorherige Schlägerung in der Regel noch nicht mit schweren
Maschinen erfolgt ist, bislang also im Waldboden vorhandene archäologische Denkmale noch nicht
oder wenigstens noch nicht im gleichen Ausmaß durch den Ausriss von Baumstrünken gestört wurden,
wie dies heute der Fall wäre. Eine Ausnahme derartiger Forstarbeiten aus den
Bewilligungsbestimmungen des Abs. 2 scheint also derzeit – wenigstens noch – nicht angebracht.
Ebenfalls hinzugefügt wurde eine Ausnahmebestimmung für zu wissenschaftlichen Zwecken durch
Personen mit nachgewiesener fachlicher Kompetenz durchgeführte archäologische Ausgrabungen auf
nicht gemäß §§ 2a oder 3 geschützten archäologischen Denkmalen, denen zu diesem Zweck vom BDA
eine Grabungslizenz erteilt wurde. Die Sinnhaftigkeit einer solchen Grabungslizenz wurde bereits
weiter oben ausführlich diskutiert (Seiten 209-226). Die hier vorgeschlagene Ausnahmebestimmung
entspricht auch sinngemäß, wenn auch in deutlich veränderter und erweiterter Form, etwa der
Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 2 DMSG idF BGBl. 473/1990, die auch Angehörige „der Bundes- und
Landesmuseen, der Universitätsinstitute, des Österreichischen archäologischen Institutes und der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften, die eines der in Abs. 1 umrissenen Studien absolviert
haben“ aus der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 idF BGBl. 473/1990 ausgenommen hatte.
384
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Diese Ausnahmeregelung wurde zwar in der Novelle BGBl. I 170/1999 mit der Begründung wieder
aufgegeben, dass aus „Gründen der Gleichstellung […] seit dem Beitritt Österreichs zu den
Europäischen Gemeinschaften (eigentlich sogar bereits zum EWR) eine völlige Gleichbehandlung von
Universitäten anderer EU-Staaten bei Fragen der Erteilung von Grabungsgenehmigungen, der
Befreiung von der Notwendigkeit einer persönlichen Grabungsgenehmigung usw. erfolgen [müsse].
Unterschiedliche Voraussetzungen in den verschiedenen EU-Staaten, was die universitäre Ausbildung
betrifft, sowie Probleme bei der Lenkung der Grabungen, welche auch zugleich im Interesse Österreichs
gelegen sind (beispielsweise vorrangig Rettungsgrabungen)…“ (RV 1999, 55) würden daher die
Aufgabe dieser Ausnahmeregelung erforderlich machen. An dieser Stelle völlig beiseite lassend, dass
diese Begründung auch bereits, als sie in der RV 1999 angeführt wurde, sachlich gesehen falsch war –
in allen anderen EU-Staaten ist die universitäre archäologische Ausbildung auch nicht schlechter
(gewesen) als in Österreich und an in anderen europäischen Bundes- und Landesmuseen,
Universitäten, nationalen archäologischen Instituten und Akademien der Wissenschaften beschäftigte
WissenschafterInnen sind im Durchschnitt ebenso kompetent (gewesen) wie ihre KollegInnen an
entsprechenden österreichischen archäologischen Einrichtungen – ist die erforderliche
Gleichbehandlung bei dennoch bestehender Kompetenzkontrolle eben auch durchaus auf anderem
Weg als einer allgemeinen Unterwerfung auch kompetenter WissenschafterInnen unter eine
normalerweise gar nicht notwendige Einzelnachforschungsgenehmigungspflicht erreichbar.
Um die tatsächlich wissenschaftliche Erforschung nicht bereits aufgrund der ihnen bereits
bekanntermaßen zukommenden besonderen Bedeutung gem. § 2a oder 3 DMSG unter
Denkmalschutz gestellten archäologischen Denkmale – die, wie oben gezeigt wurde, letztendlich die
einzige Möglichkeit ist, diese dauerhaft oder wenigstens langfristig über ihre letztendlich
unvermeidliche Zerstörung in situ hinaus zu erhalten – zu erleichtern, wird daher in der Bestimmung
der Z 5 vorgesehen, dass wissenschaftlichen Zwecken dienende Grabungen ausreichend qualifizierter
Personen, deren Kompetenz auch vom BDA im Rahmen des Lizenzerteilungsverfahrens geprüft wurde,
von der Einzelfallgenehmigungspflicht des § 8 Abs. 2 ausgenommen sind, wenn sie eine aktuell gültige
Lizenz gem. § 8 Abs. 3 Z 5 innehaben. Eine solche Lizenz kann ausschließlich an natürliche Personen
erteilt werden, die ausreichend kompetent dafür erscheinen, wissenschaftliche Grabungen
durchzuführen (bzw. zu leiten) und kann im Fall, dass die Kompetenz des Lizenzwerbers aus konkreten
Gründen fragwürdig erscheint (bzw. geworden ist, z.B. durch vergangenes denkmalschutzrechtliches
oder wissenschaftliches Fehlverhalten) verweigert oder auch entzogen werden. Sie ist auch spätestens
alle zehn Jahre zu erneuern, wobei das BDA gegebenenfalls auch überprüfen kann, ob der
Lizenzwerber zwischenzeitlich durch Absolvierung entsprechender Fortbildungen am Stand der
wissenschaftlichen Kunst geblieben ist oder auf veralteten, wissenschaftlich nicht länger anerkannten,
Methoden beharrt. Die Lizenz kann darüber hinaus mit sachdienlichen Auflagen verbunden sein, z.B.
bei noch vergleichsweise wenig erfahrenen Ausgräbern auf die Durchführung bzw. Leitung eher
kleinflächiger oder nur wenig tiefgehender archäologischer Grabungen beschränken bzw.
gegebenenfalls auch bestimmte Arten von Grabungen, zu denen der Lizenzwerber nicht kompetent
erscheint, aus der Lizenz ausschließen, z.B. Unterwassergrabungen bei Personen, die nur für
terrestrische und nicht auch für Unterwassergrabungen ausgebildet wurden.
Zu beachten ist hier allerdings (insbesondere in Zusammenhang mit dem weiter oben zu Lizenzen
Gesagten), dass nicht ein bestimmter Ausbildungsgrad, wie z.B. der Abschluss eines einschlägigen
Universitätsstudiums, zur Voraussetzung für die Erteilung einer Grabungslizenz iSd § 8 Abs. 3 Z 5
gemacht wird. Primärer Grund dafür ist, dass – wie bereits oben erwähnt – die tatsächlich für die
Durchführung und Leitung von Grabungen erforderliche Ausbildung – die Teilnahme an
Lehrgrabungen und gegebenenfalls auch begleitenden Lehrveranstaltungen – selbst in den
archäologischen Universitätsstudien, in denen vergleichsweise hoher Wert auf die Ausbildung
385
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
Studierender in Grabungstechnik gelegt wird (und das sind keineswegs alle), niemals mehr als einen
kleinen Teil der universitären Ausbildung ausmacht: in der Regel nicht mehr als etwa 200-400
nominelle Stunden theoretische Ausbildung und etwa 160-320 Stunden tatsächliche Feldpraxis.
Dieses Ausmaß von Ausbildung in Grabungsmethodik und -technik kann allerdings auch leicht
außeruniversitär angeboten werden; und es spricht auch – insbesondere im Sinne der sich aus der
Faro-Konvention (Europarat 2005) ergebenden Verpflichtungen – nicht das mindeste dagegen, dass
z.B. interessierten Bürgern, die eine vergleichbare – ob nun universitäre oder außeruniversitäre –
Ausbildung absolviert haben, ebenfalls eine solche Lizenz erteilt werden könnte; z.B. zur Durchführung
kleinerer Forschungsgrabungen im Sinne einer teilweise selbstbestimmten Bürgerarchäologie. Das
war nicht nur wenigstens bis in die 1970er auch unter früheren Fassungen des DMSG möglich, es ist
auch in vielerlei Hinsicht sinnvoll und entspricht auch dem Gedanken der Förderung der
Bürgerwissenschaft. Dabei ist selbstverständlich erforderlich, dass jene BürgerwissenschafterInnen,
die eine solche Lizenz erhalten, ihrerseits ausreichend kompetent dafür sind, selbstständig Grabungen
durchzuführen; aber dass sie dafür zuerst ein vollständiges Archäologiestudium absolvieren müssen,
in dem die Ausbildung in Grabungsmethodik und -technik nicht einmal 10% des gesamten
Studieninhalts ausmacht, ist weder sinnvoll noch mit den Erfordernissen des archäologischen
Denkmalschutzes verhältnismäßig.
Die hier vorgeschlagene Ausnahmeregelung von der Grabungsgenehmigungspflicht des § 8 Abs. 2 für
entsprechend kompetente Personen für die Durchführung archäologischer Ausgrabungen zu
wissenschaftlichen Zwecken hat zudem auch zusätzliche Vorteile, sowohl für die archäologische
Wissenschaft als auch für die (bodenverändernde Maßnahmen planende) Wirtschaft. Es ermöglicht
nämlich, im Vorfeld von geplanten Baumaßnahmen noch lange bevor irgendwelche
Baubewilligungsanträge gestellt werden, wissenschaftliche Forschungsgrabungen auf von derartigen
Baumaßnahmen möglicherweise betroffenen Bodenflächen durchführen zu können, auf denen sich
nicht (bereits) aufgrund ihrer besonderen Bedeutung gem. § 2a oder 3 DMSG geschützte
archäologische Denkmale, befinden, ohne zuvor eine eigene Einzelfallgenehmigung dafür einholen zu
müssen. Bauunternehmen, die sichergehen wollen, dass die Flächen, auf denen sie Baumaßnahmen
planen, daher so frühzeitig als möglich – und damit nicht unter „Rettungsgrabungsbedingungen“,
sondern eben unter den normalerweise weit denkmalgerechteren Bedingungen einer echten
wissenschaftlichen Forschungsgrabung – archäologisch erforscht werden können und somit zum
Zeitpunkt der Einreichung eines Baubewilligungsantrags bereits garantiert „archäologiefrei“ sind; bzw.
jedenfalls ausreichend frühzeitig geklärt werden konnte, dass an Ort und Stelle tatsächlich derart
bedeutende Bodendenkmale vorhanden sind, dass deren Unterschutzstellung gem. § 3 DMSG
erforderlich ist. Damit wird der Druck auf beide Seiten maßgeblich reduziert und tatsächlich an Ort
und Stelle vorhandene Archäologie kann entweder unter nahoptimalen Bedingungen wissenschaftlich
komplett ausgegraben oder aber wenigstens soweit wissenschaftlich erforscht werden, dass ihre
allfällige Unterschutzstellung zeitgerecht möglich wird.
Abs. 4
Absatz 4 des neu vorgeschlagenen Gesetzeswortlautes bestimmt die Meldepflicht an das BDA von
Beginn und Ende von gemäß Abs. 1 oder 2 bewilligten Grabungen, Arbeiten oder sonstigen
Maßnahmen. Dies entspricht im Wesentlichen der Bestimmung des § 11 Abs. 3 DMSG igF, gemäß
welcher der Beginn, wenn auch nicht das Ende, der bewilligten Arbeiten dem BDA anzuzeigen war.
Die Meldepflicht des Endes der bewilligten Arbeiten erscheint deshalb sinnvoll, weil das BDA
Kontrollrechte ausüben kann, solange die bewilligte Maßnahme am Laufen ist. Damit vom BDA keine
Kontrollversuche unternommen werden, wenn die Maßnahme bereits zu ihrem Ende genommen ist,
ist die Mitteilung des Endes einer Maßnahme ebenfalls sinnvoll und notwendig.
386
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Dokumentations- und Meldepflichten bei der Entdeckung archäologischer Denkmale
Zentral für den hier vorgestellten Vorschlag einer grundlegenden Änderung und Anpassung des
archäologischen Denkmalschutzes im DMSG sind die von mir als neuer § 9 vorgesehenen
Dokumentations- und Meldepflichten, die im Wesentlichen die bisherigen, seit 1990 primär auf
„Zufallsfunde“ beschränkten, Meldepflichten des § 8 DMSG igF ablösen bzw. in gewissen Sinn
erweitern sollen. Wie bereits oben festgestellt, ist für – insbesondere bis zu ihrer Entdeckung noch
unbekannte, aber auch bereits bekannte – archäologische Denkmale aus moderner archäologischer
Sicht essentiell, dass sie bei ihrer Entdeckung bzw. Untersuchung sachgerecht dokumentiert und die
dadurch aufgezeichneten Informationen der wissenschaftlichen Fachwelt in ihrer Gesamtheit,
idealerweise im Wege eines staatlichen Zentralarchivs für archäologische Informationen, zur
Verfügung gestellt werden, während die physische Erhaltung der archäologischen Denkmale in situ –
vor allem wenn sie für den Durchschnittsbürger gar nicht sinnlich wahrnehmbar unter der
Erdoberfläche bzw. dem Grund unter Wasser verborgen liegen – eigentlich sekundär (wenn auch, wo
das tatsächlich möglich ist, wünschenswert) ist.
Insbesondere für noch völlig unbekannte, aber – wenn sie durch invasive archäologische Maßnahmen
untersucht oder durch sonstige Erdarbeiten in situ zerstört werden sollen – auch für bekannte
archäologische Denkmale, ist letztendlich, wie oben (Seiten 166-182) gezeigt wurde, die Erhaltung
durch Dokumentation nahezu immer die zu bevorzugende denkmalpflegerische Schutzmaßnahme.
Denn nur durch sie kann sichergestellt werden, dass wenigstens jene Informationen, die man mit den
Methoden des Zeitpunkts ihrer Untersuchung und Dokumentation aufzeichnen kann, dauerhaft oder
wenigstens über ihre jedenfalls wenigstens langfristig gesehen unvermeidliche Zerstörung in situ,
erhalten werden kann. Für eine wirklich moderne, langfristig nachhaltige, archäologische
Denkmalpflege ist es also von absolut zentraler Bedeutung, dass die denkmalschutzgesetzlichen
Regelungen, auf denen sie aufbaut, möglichst dafür sorgen, dass bei der Entdeckung bzw.
Untersuchung bzw. bevorstehenden oder stattfindenden Zerstörung bzw. Veränderung
archäologischer Denkmale so viele archäologisch derzeit als relevant betrachtete Informationen in so
hochwertiger Qualität als sinnvoll möglich tatsächlich dokumentiert und die angefertigten
Dokumentationsunterlagen für die zukünftige Verwendung durch die archäologische Wissenschaft so
dauerhaft und sicher wie möglich archiviert werden.
Die hier vorgeschlagenen Regelungen zu Dokumentations- und Meldepflichten bei der Entdeckung
und Untersuchung archäologischer Denkmale versuchen dieser Notwendigkeit so gut als möglich
gerecht zu werden, indem sie dem schon oben (Seiten 200-201) beschriebenen Muster folgen: es
werden nach Eingriffsstärke in den Boden gestaffelte Mindestdokumentationsstandards vorgesehen,
deren Einhaltung zur Motivation ihrer Finder mit den oben beschriebenen verhaltenssteuernden
Eigentumsregelungen verknüpft werden. Zusätzlich werden Verpflichtungen für das BDA bezüglich der
zeitgemäßen Archivierung und öffentlichen Zugänglichmachung der ihm in seiner hier vorgesehen
Funktion als archäologisches Dokumentationszentralarchiv jedenfalls zu übermittelnden
archäologischen Dokumentationsunterlagen vorgeschlagen.
Im Folgenden wird neuerlich zuerst der Vorschlag für den neuen Gesetzeswortlaut gemacht und in der
Folge genauer erläutert.
§ 9 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut
„§ 9. (1) Werden archäologische Denkmale entdeckt, hat der Entdecker eine sachgemäße
Dokumentation des Denkmals und seiner Fundumstände anzufertigen bzw. von entsprechend
qualifizierten Personen anfertigen zu lassen. Diese Dokumentation hat wenigstens in einer Qualität
entsprechend durch Verordnung des Bundesministers für [Name des zuständigen Ministeriums]
387
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
bestimmter Vorgaben (Mindeststandards) zu erfolgen und ist binnen angemessener Frist (Abs. 2) vom
Entdecker oder den von ihm damit beauftragten Personen im Original oder originalidenter Kopie digital
an das Bundesdenkmalamt zur Kenntnis und Archivierung zu übermitteln.
(1a) (Übergangsbestimmung) Funde beweglicher archäologischer Denkmale, die vor der oder zur Zeit
der Gültigkeit der zuvor geltenden Bestimmungen des § 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923, BGBl.
167/1978 und BGBl. 473/1990 oder § 8 Abs. 1 DMSG idF BGBl. I 170/1999 gemacht und, aus welchen
Gründen auch immer, noch nicht nachweislich dem Bundesdenkmalamt in einer Weise gemeldet
wurden, die ihre eindeutige Identifikation erlaubt, sind bis spätestens [Ende der Übergangsfrist] von
ihrem derzeitigen Eigentümer bzw. Besitzer dem Bundesdenkmalamt in einer Weise anzuzeigen, die
eine eindeutige Identifikation aller dabei angezeigten archäologischen Denkmale (z.B. durch
aussagekräftige Fotografien, die der Anzeige beizufügen sind) ermöglicht, sofern dieser derzeitige
Besitzer nicht das Bundesdenkmalamt, ein öffentliches Museum einer der Gebietskörperschaften, ein
Universitätsinstitut, das österreichische Archäologische Institut oder die Österreichische Akademie der
Wissenschaften ist. Soweit bezüglich solcher archäologischen Denkmale irgendwelche
Dokumentationsunterlagen der Fundumstände bzw. des Fundortes verfügbar sind, sind diese dem
Bundesdenkmalamt ebenfalls gemeinsam mit der Nachmeldung im Original oder originalgetreuer
Kopie zu übermitteln. Liegen keine derartigen Dokumentationsunterlagen mehr vor und ist der Fundort
des jeweiligen Denkmales nicht mehr bekannt, ist dies in der Nachmeldung zu vermerken und statt
eines Fundortes der derzeitige Aufbewahrungsort des Denkmales anzugeben. Von einer
Strafverfolgung des Meldenden wegen Verletzung der jeweils zur Zeit des Fundereignisses geltenden
Fundmelde- und Grabungsbewilligungsbestimmungen, sofern diese Verletzung nicht ohnehin bereits
verjährt ist, ist in allen Fällen abzusehen, in denen die Nachmeldung entsprechend dieser
Übergangsbestimmung nicht vorsätzlich unrichtig erfolgt ist.
(2) Spezifische Vorgaben zur sachgemäßen Dokumentation neu entdeckter archäologischer Denkmale
sind vom Bundesminister für [Name des zuständigen Ministeriums] durch Verordnung zu erlassen.
Dabei sind, soweit dies wissenschaftlich notwendig und sinnvoll ist, unterschiedliche Vorgaben zu
erlassen für
1. Funde archäologischer Denkmale, die lediglich durch Ereignisse wie Regen, Pflügen, Erosion
oder dergleichen zufällig teilweise oder vollständig an die Erdoberfläche oder auf den Grund
unter Wasser gelangten („Oberflächenfunde“), die als unbewegliche archäologische Denkmale
einen Teil der Erdoberfläche bilden („Bodenmerkmale“; z.B. Grabhügel, Erdwallanlagen,
Hohlwege etc.) oder über diese bzw. den Grund unter Wasser hinausragen („Ruinen“) oder
ohne im Verborgenen gelegen zu haben über der Erdoberfläche bzw. dem Grund unter Wasser
entdeckt wurden („Überbodenfunde“; z.B. in einem Vogelnest aufgefundene bewegliche
archäologische Denkmale). Von diesen ist wenigstens ein Foto der Fundstelle in ihrem weiteren
landschaftlichen Kontext und ein möglichst aussagekräftiges Foto des Denkmales selbst (bei
beweglichen Denkmalen idealerweise in Fundlage) anzufertigen und möglichst genaue
topografische Koordinaten aufzuzeichnen. Die angefertigte Dokumentation ist binnen 14
Tagen digital dem Bundesdenkmalamt zu übermitteln, sofern sie nicht als Teil eines
umfangreicheren systematischen Forschungs- oder Landesaufnahmeprojektes erzeugt wurde,
in welchem Fall die in Abs. 2 Z 4 genannten Fristen zur Anwendung kommen.
2. Funde beweglicher und unbeweglicher archäologischer Denkmale, die sich vor ihrer
Entdeckung im stark durch moderne Störungen veränderten Oberboden befunden haben
(„Oberbodenfunde“ und „Oberbodenbefunde“) oder in über die Erdoberfläche bzw. den Grund
über Wasser hinausragenden Denkmalen verborgen waren („Versteckfunde“). Von diesen sind
wenigstens ein Foto der Fundstelle in ihrem weiteren landschaftlichen Kontext und
388
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
aussagekräftige Fotos im Freilegungszustand in Fundlage, eine schriftliche Beschreibung der
Fundumstände sowie möglichst genaue topografische Koordinaten aufzuzeichnen. Die
angefertigte Dokumentation ist binnen 14 Tagen digital dem Bundesdenkmalamt zu
übermitteln, sofern sie nicht als Teil eines umfangreicheren systematischen Forschungs- oder
Landesaufnahmeprojektes erzeugt wurde, in welchem Fall die in Abs. 2 Z 4 genannten Fristen
zur Anwendung kommen.
3. Funde beweglicher und unbeweglicher archäologischer Denkmale, unabhängig davon ob sie
zufällig oder vorsätzlich entdeckt wurden, die sich vor ihrer Entdeckung in durch moderne
Einflüsse weitgehend ungestörten tieferliegenden Bodenschichten befunden haben
(„Bodenfunde“ und „Bodenbefunde“). Diese sind entsprechend allgemeiner archäologischer
Grabungsstandards zu dokumentieren. Die angefertigte Grabungsdokumentation ist binnen 6
Monaten ab ihrer Anfertigung gemeinsam mit einem aussagekräftigen Grabungsbericht
digital dem Bundesdenkmalamt zu übermitteln, sofern sie nicht als Teil eines umfangreicheren
systematischen Forschungs- oder Landesaufnahmeprojektes erzeugt wurde, in welchem Fall
die in Abs. 2 Z 4 genannten Fristen zur Anwendung kommen.
4. Funde bei umfangreicheren systematischen Forschungs- oder Landesaufnahmeprojekten mit
voraussichtlicher Dauer der Feldarbeiten von wenigstens 6 Monaten. Diese sind wenigstens
gemäß den ihrer in Abs. 2 Z 1-3 bestimmten Art entsprechenden Standards zu dokumentieren.
Die angefertigte Dokumentation ist binnen 6 Monate nach Ende der Feldarbeit gemeinsam mit
einem aussagekräftigen Bericht, bei über ein Jahr dauernden, fortlaufenden Forschungs- oder
Landesaufnahmeprojekten zusätzlich in Form eines Zwischenberichts einmal pro Jahr,
spätestens 6 Monate nach Ende des Kalenderjahres, in dem sie erzeugt wurden, digital dem
Bundesdenkmalamt zu übermitteln.
(3) Das Bundesdenkmalamt hat sämtliche eingehenden Dokumentationen sachgerecht dauerhaft
digital zu archivieren und das damit erzeugte Dokumentationsarchiv zu wissenschaftlichen Zwecken
allgemein zugänglich zu machen. Innerhalb eines Kalenderjahres eingegangene Fundmeldungen,
Grabungs- und sonstige Forschungsberichte sind, soweit sie wissenschaftlich relevant sind, im Rahmen
einer jährlichen Open Access-Online Publikation als übersichtliche Gesamtdokumentation
zusammenzufassen. Die Zeit bis zum Erscheinen dieser Publikation soll 2 Kalenderjahre ab Ende des
dokumentierten Jahres nicht überschreiten.
(4) Bei Vorliegen gewichtiger (z.B. wissenschaftlicher, wirtschaftlicher oder datenschutzrechtlicher
usw.) Gründe, die das öffentliche Interesse an der öffentlichen Zugänglichkeit von
Dokumentationsunterlagen überwiegen und die eine Geheimhaltung beim Bundesdenkmalamt
archivierter Dokumentationsunterlagen erforderlich erscheinen lassen, kann das Bundesdenkmalamt
amtswegig oder auf Antrag einer dazu berechtigten Partei (z.B. Eigentümer, Auftraggeber der
Dokumentation, Entdecker von Funden oder Fundstellen usw.) entgegen der Bestimmungen des Abs.
3 den öffentlichen Zugang zu Teilen der oder zu allen ihm vorliegenden Dokumentationsunterlagen
über einzelne oder miteinander in Zusammenhang stehende archäologische Denkmale auf eine Dauer
von bis zu 5 Jahren beschränken oder verweigern. Diese Geheimhaltungsfrist ist amtswegig oder auf
Antrag berechtigter Parteien in Intervallen von bis zu jeweils maximal 5 Jahren verlängerbar, so lange
die Geheimhaltungsgründe weiterhin vorliegen. Archäologische Denkmale, die entsprechend der
Bestimmungen dieses Absatzes der Geheimhaltung unterliegen, sind in geeigneter Weise im öffentlich
zugänglichen Archiv und den in Abs. 3 genannten jährlichen Open Access-Online Publikationen des BDA
auszuweisen (z.B. durch einen kurzen Hinweis in welchem Bezirk oder welchen Bezirken sich wie viele
archäologische Denkmale bzw. Fundstellen welcher Zeitstellung befinden, zu denen der
Geheimhaltung unterliegende Dokumentationen dem Bundesdenkmalamt vorliegen).
389
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
(5) Unabhängig von allen anderen rechtlichen Folgen gelten die Bestimmungen dieses Paragrafen auch
für jene Funde beweglicher und unbeweglicher archäologischer Denkmale, die unter Nichtbeachtung
der Bewilligungspflichtsbestimmungen (§§ 5, 8) dieses Gesetzes gemacht wurden oder keiner
gesetzlichen Bewilligungspflicht unterlagen.“
Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 9 DMSG
Die hier vorgeschlagene Neufassung des § 9 DMSG vollzieht, nicht anders als die oben vorgeschlagene
Neufassung des § 8, eine fundamentale und bedeutende Wende weg von einem archäologischen
Denkmalschutz, der davon ausgeht, dass die archäologische Dokumentationsarbeit im Feld in erster
Linie durch eine staatliche Zentralstelle, das BDA, erledigt wird, hin zu einem archäologischen
Denkmalschutz, der davon ausgeht, dass die archäologische Dokumentationsarbeit im Feld in erster
Linie von diversen privaten Akteuren, seien es archäologieinteressierte Laien oder professionelle
Archäologen, die für private Archäologieunternehmen oder andere Organisationen arbeiten oder
auch selbstständig beschäftigt sind, durchgeführt wird, und bei der der staatlichen
Denkmalschutzbehörde nur eine Archiv- und Kontrollfunkton zukommt. Dies entspricht auch der
bereits derzeit gegebenen Realität in der archäologischen Denkmalpflege in Österreich und stellt
somit eine wichtige Anpassung an derzeit real gegebene Verhältnisse dar.
Die hier vorgeschlagene Neufassung des § 9 ersetzt und erweitert die Bestimmungen des derzeit
geltenden § 8 DMSG zur Meldepflicht von „Bodendenkmalen“. Der tatsächlich bereits gegebenen
Realität, dass die überwältigende Mehrheit aller derzeit in Österreich angefertigten archäologischen
Dokumentationen nicht durch das BDA, sondern durch archäologische Privatunternehmen oder
andere Organisationen oder Personen angefertigt werden, und dass die überwältigende Mehrheit
aller archäologischen Denkmale, die in Österreich derzeit alljährlich archäologisch dokumentiert
werden nicht aus „Zufallsfunden“ resultiert, sondern aus systematischen archäologischen
Ausgrabungen und anderen (mehr oder minder systematischen archäologischen) Feldforschungen
stammen, wird durch die Einführung einer allgemeinen Dokumentationspflicht für neu entdeckte
archäologische Denkmale Rechnung getragen und vorgesehen, dass die gesamte angefertigte
Dokumentation dem BDA in Original oder originalidenter Kopie zur Verfügung gestellt werden muss.
Dadurch wird das bisher bestehende Problem, dass die Dokumentation archäologischer Denkmale,
abgesehen von dem gemäß § 11 Abs. 6 DMSG igF beim BDA in regelmäßigen Abständen zu
übermittelnden aussagekräftigen Grabungsbericht, vollständig im Eigentum des Auftraggebers der
oder die archäologische Dokumentation anfertigenden Person verbleibt und daher – spätestens nach
Abgabe des verpflichtenden Grabungsberichts – vernichtet werden kann, gelöst. Gleichzeitig werden
bestehende Langzeit-Archivierungsprobleme in Bezug auf diese Dokumentation, z.B. im Fall des
Scheiterns einer Grabungsfirma oder auch nur im Fall, dass diese eine regelmäßige Anpassung ihrer
archivierten Datenfiles an neue Speicherformate unterlässt, dadurch gelöst, dass die
Langzeitarchivierung der angefertigten Dokumentationen dem BDA als Zentralarchiv für
archäologische Informationen in Österreich übertragen wird. Gleichzeitig ermöglicht und erfordert die
gewählte Regelung die Einführung von Mindeststandards für archäologische Dokumentationen, die
verbindliche Geltung haben und damit einen maßgeblichen Beitrag zur archäologischen
Qualitätssicherung und Datenvergleichbarkeit leisten. Dies trägt ebenfalls maßgeblich zum Erreichen
zahlreicher in der Valletta-Konvention (Europarat 1992) definierter Ziele und Verpflichtungen bei,
insbesondere der der Art. 7 und 8 Z ii dieses Übereinkommens.
Abs. 1
Der neu vorgeschlagene Abs. 1 bestimmt die Pflicht des Entdeckers eines archäologischen Denkmales,
eine sachgemäße Dokumentation seiner Entdeckung anzufertigen oder – z.B. falls er selbst dazu nicht
ausreichend kompetent ist – eine zur Anfertigung einer solchen Dokumentation ausreichend
390
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
kompetente Person damit zu beauftragen. Die Qualität der angefertigten Dokumentation hat dabei
wenigstens den in einer Verordnung des zuständigen Bundesministers näher zu bestimmenden
Mindeststandards zu entsprechen. Die Dokumentation ist anschließend an ihre Erzeugung binnen
einer in Abs. 2 näher definierten Frist im Original oder originalidenter Kopie elektronisch dem BDA zu
übermitteln. Durch die Verpflichtung zur Übermittlung der Dokumentation an das BDA wird die bisher
vorgesehene Meldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG igF ungebrochen weitergeführt.
Die Einführung einer den Entdecker treffenden Dokumentationspflicht entsprechend verbindlich
vorgegebener Standards soll, insbesondere mit den Bestimmungen des neuen gefassten § 10 Abs. 2
und 3, eine Verhaltenssteuerwirkung erzielen, die Finder von archäologischen Denkmalen, ob sie diese
nun zufällig oder vorsätzlich gefunden haben, zu deren sachgerechten Dokumentation anhalten soll,
wie bereits weiter oben genauer erläutert wurde. Diese Dokumentation, nicht die bloße Kenntnis von
der Existenz eines neu entdeckten archäologischen Denkmales, die durch die derzeit geltende
Meldepflicht des § 8 Abs. 1 igF zu erreichen versucht wird, ist nämlich das, was die Entdeckung eines
archäologischen Fundes überhaupt erst bedeutend macht. Wird eine sachgerechte Dokumentation
archäologischer Funde erreicht und wird diese auch für die archäologische Wissenschaft verfügbar, ist
es gleichgültig, von wem diese Dokumentation angefertigt wurde und weshalb das archäologische
Denkmal, das sachgerecht dokumentiert wurde, entdeckt wurde.
Dadurch, dass nicht nur eine Meldepflicht von Zufallsfunden, sondern eine Dokumentationspflicht
aller Funde archäologischer Denkmale, unabhängig davon von wem sie aus welchen Gründen entdeckt
wurden, eingeführt wird, geht die hier vorgeschlagene Regelung also weit über die derzeit bestehende
Meldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG hinaus. Damit diese Verpflichtung nicht zufällige Finder von
archäologischen Denkmalen unmäßig belastet oder durch eine Verpflichtung, die sie nicht erfüllen
können, weil sie nicht die dazu notwendige Kompetenz haben, überlasten, sind die in der Folge
erläuterten Bestimmungen des Abs. 2 notwendig.
Abs. 1a (Übergangsbestimmung)
Um eine möglichst vollständige Nachmeldung aller bereits vor Inkrafttreten der hier vorgeschlagenen
Bestimmungen entdeckten Funde zu ermöglichen, wird in der Übergangsbestimmung des Abs. 1a
vorgesehen, dass Nachmeldungen von Funden, deren Meldung bislang aus welchen Gründen auch
immer unterlassen wurde, soweit die betreffenden Handlungen noch nicht verjährt sind mit
strafbefreiender Wirkung, von ihrem derzeitigen Eigentümer bzw. Besitzer bis zum Ende einer
genauer zu bestimmenden gesetzlichen Übergangsfrist (z.B. ca. 5 Jahre ab Inkrafttreten der hier
vorgeschlagenen neuen Bestimmungen) dem BDA zu übermitteln sind. Bei einer derartigen
Nachmeldung sind die nachgemeldeten Denkmale möglichst so zu dokumentieren (z.B. durch
aussagekräftige Fotos), dass sie eindeutig identifizierbar sind, allfällig noch vorhandene Unterlagen,
die ihren Fundort und ihre Fundumstände dokumentieren, der Meldung anzuschließen oder, wenn
keine solchen Unterlagen mehr vorliegen und der Fundort des betreffenden Denkmals inzwischen in
Vergessenheit geraten ist, dies entsprechend in der Meldung zu vermerken und stattdessen der
derzeitige Aufbewahrungsort des Denkmals anzugeben (der damit zum mittelbaren Fundort des
Denkmals wird).
Ziel dieser Generalamnestie ist es, in Verbindung mit der zugehörigen Übergangsbestimmung des
weiter unten neu vorgeschlagenen § 10 Abs. 2a Eigentümer bzw. Besitzer archäologischer Denkmale
dazu zu motivieren, in ihrem Besitz befindliche archäologische Denkmale in ein soweit als möglich
vollständiges Inventar aller bis zum Ende der gesetzlichen Übergangsfrist in Österreich bekannten
archäologischen Denkmale einzutragen und damit die Eintragung eines Denkmals in diesem Inventar
zu einem rechtmäßigen Eigentumserwerbs- und Herkunftsnachweis zu machen. Damit kann dann in
weiterer Folge die unten vorgeschlagene neue Bestimmung des § 10 Abs. 3, dass alle nicht
391
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
gesetzeskonform dokumentierten und gemeldeten archäologischen Denkmale in das Eigentum der
Republik Österreich übergehen, für alle nicht in dieses Inventar eingetragenen archäologischen
Denkmale angewendet werden und somit allgemein greifen.
Das Zusammenspiel der hier neu vorgeschlagenen Bestimmungen der §§ 9 Abs. 1, 1a und 2 und 10
Abs. 1, 2, 2a und 3 zielt darauf ab, die größtmögliche verhaltenssteuernde Wirkung zur sachgerechten
Dokumentation und Meldung an das Bundesdenkmalamt aller archäologischen Denkmale zu erzielen
und, spätestens ab Ende der Übergangsfrist dieses Absatzes, das gesetzeskonforme und
denkmalschützerisch erwünschte Verhalten konsistent durch den rechtmäßigen Eigentumserwerb
des Finders bzw. Grundeigentümers an entdeckten archäologischen Denkmalen zu belohnen und die
Unterlassung dieses erwünschten Verhaltens ebenso konsistent durch Verlust jedweder
Eigentumsansprüche zu bestrafen. Damit das auch wirklich konsistent möglich ist, muss aber Findern
von archäologischen Denkmalen die Möglichkeit genommen werden, im Fall, dass bei ihnen
archäologische Denkmale entdeckt werden, die nicht sachgerecht dokumentiert und gemeldet
wurden, zu behaupten, dass sie diese Denkmale vor Inkrafttreten der hier vorgeschlagenen
gesetzlichen Regelung gefunden hätten und diese daher der „neuen“ gesetzlichen Dokumentationsund Meldepflicht gar nicht unterliegen würden, oder sie diese von ihrem Vater, Großvater,
Urgroßvater usw. geerbt hätten und diese daher gar nicht melden mussten.
Die hier vorgeschlagene Übergangsbestimmung ermöglicht es den derzeitigen Eigentümern bzw.
Besitzern archäologischer Denkmale, alle archäologischen Denkmale, die sich derzeit in ihrem Besitz
befinden, straffrei dem BDA zu melden, selbst wenn sie diese Funde ursprünglich widerrechtlich
erworben haben, und dadurch iVm den unten neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 10 Abs. 2a
das alleinige Eigentum an diesen Funden zu erwerben. Jeder Eigentümer bzw. Besitzer noch nicht im
rechtmäßigen Eigentum Dritter stehender archäologischer Denkmale, der diese auch tatsächlich
dauerhaft seinem Eigentum einverleiben möchte, kann dies also durch die den hier vorgeschlagenen
Bestimmungen entsprechende „Nachmeldung“ aller sich derzeit in seinem Besitz befindlichen
archäologischen Denkmale erreichen, muss dies dafür aber auch tun, wenn er sich nicht der Gefahr
aussetzen will, durch die unterlassene Nachmeldung nach Ende der hier gesetzlich vorgesehenen
Übergangsfrist gemäß dem unten neu vorgeschlagenen § 10 Abs. 3 jedweden Eigentumsanspruch an
diesen Denkmalen an die Republik Österreich zu verlieren.
Damit wird sozusagen „reiner Tisch“ geschaffen: alles, was schon früher dem BDA in einer Weise
gemeldet wurde, dass es eindeutig identifizierbar ist, gehört bereits eindeutig jemandem; alles, was
bis zum Ende der hier gesetzlichen Übergangsfrist dem BDA ebenso „nachgemeldet“ wurde, dass es
eindeutig identifizierbar ist, gehört dann eindeutig dem, der die Nachmeldung vorgenommen hat;
alles, was legal neu gefunden und ordnungsgemäß dokumentiert wird, gehört dann eindeutig jenen,
die in den unten neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 10 Abs. 1 und 2 bestimmt werden; und
alles andere gehört ebenso eindeutig der Republik Österreich. „Ausreden“ sind dann in Hinkunft nicht
mehr möglich und jedes archäologische Denkmal, das nicht einen dieser Herkunftsnachweise
aufweist, wird automatisch Eigentum des Staates.
Abs. 2
In diesem Absatz werden etwas genauere Vorgaben für die vom zuständigen Bundesminister zu
erlassende Verordnung zur Dokumentationspflicht neu entdeckter archäologischer Denkmale
gemacht. Dabei ist die wichtigste und hauptsächliche Vorgabe für diese Verordnung die, dass – soweit
dies wissenschaftlich notwendig und sinnvoll ist – unterschiedliche Vorgaben für die Dokumentation
unterschiedlicher Arten archäologischer Denkmale zu machen sind, die auch mit unterschiedlich
langen bzw. kurzen Dokumentationsabgabe- bzw. -meldefristen verbunden sind.
392
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Die erste, in Z 1 ausgewiesene, Art archäologischer Denkmale, für deren Dokumentation jedenfalls per
Verordnung konkretere Vorgaben zu erlassen sind, sind solche archäologischen Funde, die in der
überwiegenden Anzahl der Fälle die Art von Funden sind, die auch unter den heutigen Bedingungen
tatsächlich noch als „Zufallsfunde“ gemacht werden. Dazu gehört zuerst die große Gruppe der
sogenannten „Oberflächenfunde“, also jene in der Regel beweglichen archäologischen Denkmale, die
durch Ereignisse wie Regen, Pflügen, Erosion oder dergleichen zufällig teilweise oder vollständig an
die Erdoberfläche oder auf den Grund unter Wasser gelangt sind, die, soweit es sich dabei um Funde
auf der Erdoberfläche handelt, gelegentlich auch tatsächlich rein zufällig von Laien, z.B. beim
Spazierengehen oder Wandern bzw. am Grund unter Wasser von Tauchern, entdeckt werden.
Ebenfalls dazu gehört die kleinere, aber dennoch nicht gänzlich unbedeutende, Gruppe der
unbeweglichen archäologischen Denkmale, die sich entweder als mehr oder minder deutliche
„Bodenmerkmale“, also z.B. leichte, annähernd kreisrunde Hügel, die auf Grund ihrer Form als
mutmaßliche (prä-) historische Grabhügel interpretiert werden können, Erdwallanlagen oder
Hohlwege erkennbar abzeichnen, oder die z.B. als Reste ehemaligen Mauerwerks oder anderer
Bauelemente wie Holzpfähle von Pfahlbauten, Stegen, Brücken usw. oder Schiffs- bzw. Bootwracks
über die Erdoberfläche bzw. den Grund unter Wasser hinausragen, die hier als „Ruinen“ bezeichnet
werden. Auch derartige, zuvor noch unbekannte, unbewegliche archäologische Denkmale werden
noch heute, wenn auch aufgrund des über mehrere Jahrhunderte angewachsenen Kenntnisstandes
über oberflächlich erkennbare archäologische Denkmale weit seltener als die zuerst genannten
„Oberflächenfunde“, zufällig von Spaziergängern, Wanderern, Tauchern oder anderen sich in freier
Natur bewegenden Menschen zufällig neu entdeckt.
Und schließlich, als kleinste Gruppe, gehören dazu bewegliche archäologische Denkmale die über der
Erdoberfläche bzw. dem Grund unter Wasser entdeckt werden, die hier als „Überbodenfunde“
bezeichnet werden. Derartige Funde sind auf trockenem Boden über der Erdoberfläche ausnehmend
selten und sind, wenn sie doch auftreten, gewöhnlich ursprünglich „Oberflächenfunde“ gewesen, die
durch Tiere oder seltener Menschen vertragen wurden, wie z.B. von einem Vogel in sein Vogelnest.
Unter der Wasseroberfläche kommen solche „Überbodenfunde“, also bewegliche archäologische
Denkmale, die sich niemals unter oder auch nur auf dem Grund unter Wasser befunden haben,
hingegen deutlich häufiger vor, z.B. auf und in Schiffswracks, wo sie von Tauchern zufällig entdeckt
werden können.
Nachdem diese Funde gewöhnlich (ob nun zufällig oder vorsätzlich) von nicht archäologisch
vorgebildeten Bürgern gemacht werden und sich auch (mit Ausnahme der beweglichen
archäologischen Gegenstände auf Schiffswracks unter Wasser) in der Regel nicht mehr in einer
weitgehend ungestörten Fundlage befinden, sondern eben in der überwiegenden Mehrheit der Fälle
durch Ereignisse der jüngeren und jüngsten Vergangenheit verlagert und oft auch teilweise zerstört
wurden, ist es jenen, die diese Gegenstände am ehesten finden, weder zumutbar noch aus
archäologisch-fachlicher Sicht sinnvoll, besonders genaue Dokumentationsvorgaben zu erlassen.
Vielmehr genügt es in Fällen solcher Funde in der Regel völlig, ein aussagekräftiges Foto des
betreffenden Gegenstandes, bei beweglichen Denkmalen idealerweise in Fundlage, anzufertigen und
möglichst genaue topografische Koordinaten des Fundorts aufzuzeichnen und dies als Dokumentation
an das BDA zu übermitteln. Die Aufzeichnung dieser Dokumentationsunterlagen ist auch heute, da die
überwiegende Mehrheit der Bevölkerung moderne Mobiltelefone mit sich trägt, die sowohl über eine
eingebaute Digitalkamera als auch eine GPS-Lokalisierungsfunktion verfügen, dem durchschnittlichen
Staatsbürger, der zufällig ein archäologisches Denkmal entdeckt, zumutbar, ebenso wie man die
notwendige Kompetenz dazu von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung durchaus erwarten
kann. Nötigenfalls könnte das BDA sogar die Entwicklung einer „Funddokumentationsapplikation“ für
393
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
moderne Mobiltelefonbetriebssysteme in Auftrag geben, mittels derer sich die Fotografie anfertigen,
die GPS-Koordinaten der Fundstelle automatisch aufzeichnen und die Dokumentation durch eine
einfache Sendefunktion direkt und praktisch sofort an das BDA weiterleiten lässt; damit vergleichbare
Systeme sind z.B. in Wales im Vereinigten Königreich bereits seit mehreren Jahren (siehe
http://www.cofiadurcahcymru.org.uk/arch/archwilio_pages/english/app.html [26.10.2017]) und seit
Kurzem auch in Dänemark erfolgreich in Betrieb.
Die Dokumentationspflicht solcher Funde entspricht also im hier vorgeschlagenen Gesetzestext im
Großen und Ganzen der bisherigen Meldepflicht für „Zufallsfunde“ des § 8 DMSG igF, nur an moderne
Verhältnisse und Möglichkeiten angepasst. Nicht anders als bisher, ist die „Meldung“ eines echten
Zufallsfundes leicht möglich und mit nur geringem Aufwand verbunden und die
Dokumentationspflicht so gering, dass jedem Zufallsfinder auch die Kompetenz zur Anfertigung der
notwendigen Dokumentation zugetraut werden kann. Die wesentlichsten Unterschiede zur bisherigen
Meldepflicht sind, dass von Findern neben der Meldung des Fundortes auch die Anfertigung einer
digitalen Fotografie erwartet wird und dass die Meldefrist im Gegensatz zur bisherigen Regelung, die
die Abgabe einer Fundmeldung binnen eines Werktages ab der Auffindung des Gegenstandes
vorgeschrieben hat, auf 14 Tage ab Auffindung des Gegenstandes ausgedehnt wurde.
Die Ausdehnung der Meldefrist auf 14 Tage gegenüber der bisherigen Frist von einem Werktag des §
8 Abs. 1 DMSG igF erscheint angebracht, weil diese Frist deutlich praktikabler ist und die
Notwendigkeit der unmittelbaren Meldung unter den Bestimmungen der hier vorgeschlagenen
Neufassung der archäologischen Paragrafen des DMSG nicht mehr notwendig erscheint. Wie bereits
ausgeführt, ging das DMSG bisher – und inzwischen fälschlicherweise – davon aus, dass die meisten
archäologischen Denkmale zufällig im Rahmen von Bauarbeiten entdeckt werden, die keiner
Bewilligung durch das BDA bedürfen und die nicht systematisch archäologisch begleitet werden, und
davon, dass das BDA die meisten archäologischen Dokumentations- bzw. „Rettungsmaßnahmen“ im
Feld selbst durchführt. Unter diesen bisher geltenden gesetzlichen Voraussetzungen war es also, wenn
ein archäologisches Denkmal wie vom Gesetzgeber angenommen „zufällig“ bei Bauarbeiten entdeckt
wurde, notwendig, dass das BDA gem. § 8 Abs. 1 DMSG igF möglichst rasch informiert wurde und
möglichst rasch notwendige „Rettungsmaßnahmen“ vornehmen konnte, bevor die in § 9 Abs. 1 DMSG
igF geltende Frist von fünf Werktagen, für die die Fundstelle unter der derzeit geltenden Gesetzeslage
unverändert belassen werden muss, auslief.
Unter den in diesem Entwurf neu vorgeschlagenen Bestimmungen der §§ 8 und 9 DMSG, unter denen
vom BDA nicht bewilligte und archäologisch nicht überwachte Bauarbeiten nicht mehr vorkommen
sollten, fällt also der Zeitdruck, dass das BDA rasch von Zufallsfunden auf Baustellen erfahren muss,
damit es zeitgerecht Rettungsmaßnahmen durchführen kann, weitestgehend weg, weil die meisten
Baustellen ohnehin entsprechend archäologisch voruntersucht und Bauarbeiten, wo notwendig,
archäologisch begleitet werden sollten. Sollte aber dennoch wider Erwarten und entgegen derzeitiger
Wahrscheinlichkeiten bei Bauarbeiten, vor denen archäologische Voruntersuchungen auf der
geplanten Baustelle darauf hingewiesen haben, dass keine archäologischen Denkmale zu erwarten
sind, bedeutendere archäologische Denkmale auftreten, bewirkt überdies die Dokumentationspflicht
der Z 3 und 4 (siehe weiter unten), dass der Entdecker zu einer sachgemäßen archäologischen
Dokumentation dieser zufällig entdeckten Denkmale verpflichtet ist. Selbst im Fall eines solchen
„Zufallsfundes“ bei archäologisch unbegleiteten Bauarbeiten gibt es also keine Notwendigkeit, das
BDA unmittelbar zu informieren, damit es entsprechende „Rettungsmaßnahmen“ an Ort und Stelle
binnen einer bestimmten Frist durchführen kann, sondern der Entdecker – im Fall einer Baustelle die
Bauarbeiten durchführende Baufirma – hat selbst für die sachgerechte Dokumentation dieser
archäologischen Denkmale zu sorgen, was er – vorausgesetzt er hat die ausreichende Kompetenz dazu
394
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
– entweder selbst durchführen oder womit er ein archäologisches Dienstleistungsunternehmen
beauftragen kann, damit dieses die notwendige Dokumentation so rasch als möglich vornimmt. Eine
kurze gesetzliche Meldefrist an das BDA für „Zufallsfunde“ ist daher unter den hier neu
vorgeschlagenen Bestimmungen nicht mehr nötig, sondern man kann den Findern von Zufallsfunden,
insbesondere von Zufallsfunden der Art, die unter die Bestimmungen des Abs. 2 Z 1 fallen, eine längere
Frist zur Meldung des Fundes und zur Übermittlung der Dokumentation einräumen.
Die zweite, in Z 2 ausgewiesene, Art archäologischer Denkmale, für deren Dokumentation jedenfalls
per Verordnung konkretere Vorgaben zu erlassen sind, sind solche archäologischen Denkmale, die nur
durch Veränderungen der Erdoberfläche oder des Grundes unter Wasser oder über den Boden
hinausragender Denkmale entdeckt werden können. Dazu gehören die sogenannten
„Oberbodenfunde“, d.h. bewegliche archäologische Denkmale, wie sie heute überwiegend durch
Metallsucher (d.h. intentionell, nicht zufällig) gefunden werden, die sogenannten
„Oberbodenbefunde“, d.h. unbewegliche archäologische Denkmale im stark durch moderne
Störungen veränderten Oberboden (z.B. Reste von Mauerwerk), sowie die sogenannten
„Versteckfunde“, d.h. Gegenstände, die in anderen Denkmalen intentionell verborgen waren (z.B.
Münzschätze in zugemauerten Nischen in noch stehenden Gebäuden oder Ruinen). Die Entdeckung
archäologischer Denkmale dieser Art kann zwar auch ein Zufallsereignis sein, z.B. wenn bei
Umbauarbeiten Mauerwerk entfernt wird, das eine Nische, in der ein Münzschatz versteckt wurde,
verschlossen hat, erfolgt heute aber in der überwältigenden Mehrzahl als Resultat intentioneller
Nachsuchen, insbesondere durch Laien, die ein Metall- oder sonstiges Bodensuchgerät benutzen.
Nachdem solche Funde aus einem, wenn auch in der Regel bereits mehr oder minder stark gestörten,
Kontext stammen, wird durch die Bestimmung des Abs. 2 Z 2 eine genauere Dokumentation gefordert.
Als Mindestdokumentationsstandard wird für derartige Denkmale die Anfertigung aussagekräftiger
Fotos im Freilegungszustand in Fundlage, eine schriftliche Beschreibung der Fundumstände sowie die
Aufzeichnung
möglichst
genauer
topografischer
Koordinaten
vorgesehen.
Diese
Dokumentationsweise sollte aus archäologisch-fachlicher Sicht bei derartigen Funden, wenigstens in
der überwältigenden Mehrheit aller Fälle, ausreichend sein (siehe dazu das oben ausgeführte Beispiel
des britischen PAS; Lewis 2016a) und ist, nachdem wie erwähnt die meisten dieser Funde durch
intentionell nach ihnen suchenden Personen gemacht werden, den Entdeckern in der Regel auch
zumutbar: wer als Hobby intentionell nach archäologischen Denkmalen sucht, von dem kann durchaus
auch erwartet werden, dass er die für die ausreichend qualitative fachliche Dokumentation
notwendigen Techniken erlernt und diese dann auch bei einer Entdeckung anwendet. Auch kann die
Kompetenz zur Anfertigung fachlich ausreichend qualitativer Dokumentationen solcher Funde
einigermaßen leicht und rasch erlernt werden (wobei nötigenfalls Kurse durch das BDA oder private
archäologische Dienstleistungsunternehmen zur Vermittlung der notwendigen Kompetenzen
angeboten werden könnten). Ebenso wie für die Meldung reiner Zufallsfunde wäre es auch möglich,
eine Mobiltelefonapplikation für die Dokumentation und Meldung von Funden der Kategorie Z 2 zu
entwickeln, um den Dokumentations- und Meldeprozess zu standardisieren und automatische
Meldungen an das BDA zu ermöglichen. Die Meldefrist für Funde der Kategorie Z 2 entspricht der für
Funde der Kategorie Z 1, aus den gleichen Gründen.
Besonders zu beachten ist bei den hier vorgeschlagenen Bestimmungen des Z 2, dass diese,
gemeinsam mit den Bestimmungen des neu vorgeschlagenen § 8 Abs. 2 und des weiter unten genauer
erläuterten neu vorgeschlagenen § 10 Abs. 2 einen verhaltenssteuernden Effekt insbesondere auf jene
Personen entfalten sollten, die – wie es schon derzeit mehrere tausende ÖsterreicherInnen tun – als
Hobby der Suche nach archäologischen Funden mit Metall- oder anderen Bodensuchgeräten
nachgehen. Diese sollen durch das Zusammenwirken der genannten neu vorgeschlagenen
395
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
Bestimmungen stark dazu motiviert werden, Funde, die sie machen, auch tatsächlich sachgerecht zu
dokumentieren und dem BDA zu melden. Dies ist nicht zuletzt deshalb notwendig, weil sich – wie
nunmehr bald 50 Jahre erfolgloser Kampf der archäologischen Fachwelt durch immer schärfere
Verbote und Strafandrohungen gegen diese Bevölkerungsgruppe zeigt (Karl 2016b) – diese
Personengruppe auch nicht durch noch so scharfe, aber praktisch nicht exekutierbare, gesetzliche
Verbote von der Ausübung ihres Hobbies abhalten lässt; während die gesetzlichen Verbote und
Strafandrohungen in erster Linie dazu führen, dass Fundmeldungen durch Mitglieder dieser
Bevölkerungsgruppe weitgehend unterlassen werden und Dokumentationen der Fundumstände so
gut wie regelhaft nicht angefertigt werden, weil diese – im Fall, dass wider Erwarten ein Metallsucher
doch einmal „erwischt“ oder Ziel einer Hausdurchsuchung wird – derzeit als Beweis für
widerrechtliches Handeln gegen den Metallsucher verwendet werden kann. Die derzeitige
Gesetzeslage erzeugt also eine starke Motivation für Metallsucher, ihre Funde möglichst nicht zu
dokumentieren. Die hier vorgeschlagene Lösung kehrt hingegen diese durch die derzeitigen
gesetzlichen Vorschriften erzeugte Motivation in ihr Gegenteil um, indem sie, wie in den
Erläuterungen zu § 10 Abs. 2 und 3 neu noch genauer ausgeführt werden wird, die sachgerechte
Dokumentation archäologischer Denkmale belohnt und stattdessen das Unterlassen der
Dokumentation bestraft.
Gleichzeitig ist besonders zu beachten, dass die hier vorgeschlagene Dokumentationspflicht eine
Überprüfbarkeit von Angaben, die von Dokumentierenden gemacht werden, erzeugt: bei Vorliegen
einer Dokumentation, zu der Fotos, Beschreibung der Fundumstände und topografische
Koordinatenangaben gehören, lässt sich sowohl einigermaßen eindeutig überprüfen, ob eine zur
Fundbergung durchgeführte Grabung die gesetzlichen Maße des § 9 Abs. 2 überschritten hat (und die
Grabung somit der dort vorgesehenen Bewilligungspflicht unterworfen gewesen wäre), als auch
einigermaßen leicht objektiv nachprüfen – und sei es durch Nachgrabungen am durch die
angegebenen Koordinaten bestimmten Ort – ob das betreffende archäologische Denkmal tatsächlich
am angegebenen Ort aufgefunden worden sein kann. Diese Nachweisbarkeit ist derzeit aufgrund der
durch die geltende Gesetzeslage starken Motivation für Finder, ihre Funde nicht zu dokumentieren,
praktisch niemals gegeben, d.h. selbst wenn bei einer Hausdurchsuchung bei einer Person, von der
vermutet wird, dass sie die Bestimmungen des DMSG verletzt hat, archäologische Denkmale entdeckt
werden, ist der Nachweis, dass diese tatsächlich aus illegalen Grabungen stammen, praktisch
unmöglich.
Wird hingegen, wie hier in Verbindung von Z 2 und § 10 Abs. 2 neu vorgeschlagen, der legale
Eigentumserwerb an archäologischen Denkmalen an deren ordentliche Dokumentation gebunden,
wird dem intentionell handelnden Entdecker archäologischer Denkmale eine starke Motivation
gegeben, seine Entdeckungen sachgerecht zu dokumentieren und damit seinen Eigentumsanspruch
an entdeckten archäologischen Denkmalen abzusichern. Die Pflicht, beweisen zu können, wo und
unter welchem Umständen ein archäologisches Denkmal entdeckt wurde, wird durch die hier
vorgeschlagene Lösung auf dessen Entdecker verlagert, statt wie bisher die Beweislast dem Staat bzw.
seiner Denkmalschutzbehörde aufzubürden.
Die dritte, in Z 3 ausgewiesene, Art archäologischer Denkmale, für deren Dokumentation per
Verordnung konkretere Vorgaben zu erlassen sind, sind solche archäologischen Denkmale, die aus
durch moderne Einflüsse weitgehend ungestörten, tieferliegenden Bodenschichten stammen, die hier
– sofern es sich um bewegliche archäologische Denkmale handelt – als „Bodenfunde“ und – wenn es
sich um unbewegliche archäologische Denkmale handelt – als „Bodenbefunde“ bezeichnet werden.
Derartige Funde treten heute in der Regel nur noch bei Grabungen, Arbeiten oder sonstigen
Maßnahmen auf, die entsprechend der weiter oben vorgeschlagenen Neufassung des § 8 Abs. 1 und
396
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
2 bewilligungspflichtig sind. Die einzige Möglichkeit, wie solche Funde unter den hier neu
vorgeschlagenen Bestimmungen noch zufällig entdeckt werden können, ist als Folge größerer
Erosionsereignisse (Murenabgänge, Starkregenbodenerosion, Windbruch von Bäumen durch den
Baumstrünke samt dem an den Wurzeln anhaftenden Erdreich aus dem Boden gerissen wurden, etc.)
oder wenn bei archäologischen Voruntersuchungen vor gem. § 8 Abs. 1 und 2 bewilligungspflichtigen
Maßnahmen tatsächlich im Boden vorhandene archäologische Denkmale nicht erkannt wurden. Das
bedeutet, dass davon ausgegangen werden kann, dass in der überwiegenden Mehrheit aller Fälle, in
denen derartige archäologische Denkmale entdeckt werden, sie im Rahmen systematischer
archäologischer Grabungen oder archäologisch begleiteter Maßnahmen zu Tage treten.
Daher ist in Z 3 vorgesehen, dass archäologische Denkmale dieser Kategorie durchgehend
entsprechend allgemeiner archäologischer Grabungsstandards, die in der genannten ministeriellen
Verordnung zu definieren wären, zu dokumentieren sind. Nachdem in der Regel davon auszugehen
ist, dass unter den hier vorgeschlagenen Bestimmungen bei ihrer Entdeckung professionelle
Archäologen anwesend oder wenigstens zeitnah verfügbar sind, kann vom Entdecker erwartet
werden, dass er entweder selbst die ausreichende Kompetenz zur sachgerechten archäologischen
Grabungsdokumentation verfügt oder, falls nicht, Personen mit ausreichender Kompetenz verfügbar
hat, die er mit der Durchführung dieser sachgerechten Dokumentation beauftragen kann.
Aber selbst wenn bei Bauarbeiten, die aufgrund einer Fehldiagnose bei der archäologischen
Vorerkennung nicht archäologisch begleitet werden, überraschend doch Zufallsfunde archäologischer
Denkmale auftreten und keine Archäologen vor Ort anwesend sind, ist eine sachgerechte
Dokumentation leicht zu beschaffen, indem die die Arbeiten durchführende Baufirma ein
archäologisches Dienstleistungsunternehmen mit der Durchführung der notwendigen
Dokumentationsarbeiten beauftragt. Dies wird in der Regel – nachdem die Baufirma vermutlich
bereits für die archäologischen Voruntersuchungen, die für die Beantragung der Bewilligung gem. § 8
Abs. 1 oder 2 notwendig waren, mit einem archäologischen Dienstleistungsunternehmen
zusammengearbeitet bzw. ein solches mit der Durchführung dieser Vorerkundungen beauftragt
gehabt hat – rasch möglich sein und die sachgemäße Dokumentation und Bergung der zufällig
entdeckten archäologischen Denkmale schneller als in den derzeit gesetzlich vorgesehenen 5 Tagen
ermöglichen und damit auch Stehzeiten auf der Baustelle minimieren.
Ähnliches gilt bei größeren Erosionsereignissen, bei denen noch dazu aller Wahrscheinlichkeit im
Gegensatz zu unerwarteten Zufallsfunden bei Bauarbeiten auch weit weniger Zeitdruck besteht: in
einem solchen Fall kann vom Grundeigentümer oder einem beliebigen sonstigen Entdecker der
archäologischen Denkmale ein archäologisches Dienstleistungsunternehmen für die sachgerechte
Dokumentation der angetroffenen Denkmale beigezogen werden. In diesem letztgenannten Fall ist
selbstverständlich eine Förderung der notwendigen Maßnahmen gemäß § 32 Abs. 1 DMSG igF
angebracht, um wirtschaftliche Härtefälle abzufangen, insbesondere dann, wenn der Entdecker rein
zufällig an der auserodierten Fundstelle vorbeigekommen ist und daher weder der Eigentümer des
Grundstücks noch Verursacher der notwendig werdenden archäologischen Maßnahmen ist.
Nötigenfalls wären in solchen Fällen auch archäologische Rettungsmaßnahmen direkt vom BDA selbst
durchzuführen bzw. bei geeigneten Dritten in Auftrag zu geben.
Die Meldefrist bzw. Abgabefrist für Dokumentationen für archäologische Funde gemäß Z 3 wurde auf
6 Monate ab ihrer Anfertigung festgesetzt, weil davon auszugehen ist, dass die zur Entdeckung
derartiger archäologischer Denkmale notwendigen Grabungen oder sonstigen Maßnahmen längere
Zeit, oft mehrere Wochen, Monate oder sogar Jahre dauern und eine 14-tägige Meldefrist daher
deutlich zu kurz gegriffen erscheint. Die hier gewählte Sechsmonatsfrist gestattet es den die
archäologischen Maßnahmen Durchführenden, Dokumentationsunterlagen über längere Zeit zu
397
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
sammeln und dann als Sammelbericht auf einmal abzugeben, z.B. bei tatsächlich mehrere Monate
dauernden Grabungen einmal alle drei bis vier Monate. In dieser Zeit sollte sich für die
Durchführenden auch ausreichend Zeit für die Anfertigung des ebenfalls geforderten aussagekräftigen
Grabungsberichtes einplanen lassen, bei längerdauernden Maßnahmen gegebenenfalls auch in Form
eines Zwischenberichts über die z.B. in den vergangenen 4 Monaten durchgeführten Arbeiten (zu
dessen Anfertigung dann bis zum Fristende für die Übermittlung der zu Beginn der 4 Monate
angefertigten Dokumentationsunterlagen immer noch 2 Monate verbleiben).
Z 4 sieht schließlich noch Sonderregelungen für Funde bei umfangreichen archäologischen
Forschungs- oder Landesaufnahmeprojekten in Bezug auf die Berichtspflichten und Meldefristen vor.
Als umfangreiche archäologische Projekte sind solche Projekte zu betrachten, bei denen bereits vor
ihrem Beginn damit zu rechnen ist, dass die dafür nötigen Feldarbeiten mehr als 6 Monate in Anspruch
nehmen werden. Bei derartigen umfangreichen Projekten endet die Frist für die Übermittlung der
Dokumentation samt aussagekräftigem Bericht erst sechs Monate nach Ende der Feldarbeit. Bei
Projekten von über einem Jahr Dauer ist darüber hinaus zur Sicherung der Dokumentationsunterlagen
einmal pro Jahr, spätestens 6 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese angefertigt
wurden, die Dokumentation in Form eines Zwischenberichts (gesammelte Dokumentation des
Vorjahres mit zum Verständnis notwendigen Erläuterungen) dem BDA zu übermitteln.
Alle in diesem Absatz getroffenen Bestimmungen gelten selbstverständlich vollinhaltlich auch für alle
archäologischen Voruntersuchungen mit nicht invasiven oder invasiven Methoden, sofern bei diesen
archäologische Denkmale entdeckt wurden.
Auf diese Weise wird sichergestellt, dass alle relevanten archäologischen Dokumentationsunterlagen
im Original oder originalgetreuer Kopie in einem archäologischen Zentralarchiv im BDA gesammelt
werden können und damit auch langfristig für zukünftige Forschungen zur Verfügung stehen. Dies löst
das bereits oben genannte Problem, dass bei der derzeitigen Rechtslage die angefertigten
Dokumentationsunterlagen im Eigentum des Auftraggebers oder Durchführenden der
archäologischen Untersuchungen verbleiben, der nur gem. § 11 Abs. 6 igF zur Ablieferung eines
aussagekräftigen Berichtes an das BDA verpflichtet ist, die Originaldokumentationsunterlagen aber
jederzeit vernichten darf, wenn er das möchte, ohne dass auch nur wenigstens eine Kopie davon
langfristig erhalten bleibt. Nachdem aber Originaldokumentationsunterlagen regelhaft mehr
Informationen enthalten als ein – wie auch immer detailliert ausgeführter – zusammenfassender
Bericht, gerade diese zusätzlichen Informationen in den Originaldokumentationsunterlagen aber für
die langfristige Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen essentiell
sind, stellt dies ein bedeutendes Problem für die langfristige Nutzbarkeit der aufgenommenen Daten
dar.
Dadurch, dass gemäß der hier vorgeschlagenen Neufassung Dokumentationsunterlagen im Original
oder in originalgetreuer Kopie dem BDA zur Archivierung überlassen werden müssen, ist die
langfristige Nachvollziehbarkeit archäologischer Feldforschungen hingegen gesichert. Die hier
vorgeschlagene Dokumentationspflicht stellt daher auch in dieser Beziehung eine deutliche
Verbesserung der denkmalschützerischen Bestimmungen des DMSG im Sinne insbesondere des Art.
8 der Valletta-Konvention (Europarat 1992) dar.
Abs. 3
Dieser neu vorgeschlagene Absatz bestimmt die Pflichten des BDA als archäologisches Zentralarchiv
und entspricht im Wesentlichen, modernen Verhältnissen angepasst, den bereits bisher geltenden
Bestimmungen des § 11 Abs. 7 DMSG. Die wesentlichste Veränderung zu den derzeit geltenden
Bestimmungen ist die verstärkte Verpflichtung für das BDA, die von ihm als archäologisches
398
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Zentralarchiv gesammelten Daten auch öffentlich zugänglich zu machen. Diese Änderung gegenüber
den derzeit geltenden Bestimmungen ist im Sinne der Art. 7-9 der Valletta- (Europarat 1992) und der
Art. 4 lit a., 5 lit. b-d, 12 lit. a und d, 13 lit. a und 14 lit. c und d der Faro-Konvention (Europarat 2005).
Im gleichen Sinn ist die Änderung zur bisherigen Situation zu verstehen, dass die Fundberichte aus
Österreich als jährliche Open Access-Publikation zu veröffentlichen sind. Beide vorgeschlagenen
Änderungen dienen der breiteren öffentlichen Verbreitung des Wissens über und der Verbesserung
der Möglichkeit zur Teilhabe am archäologischen Kulturerbe Österreichs.
Abs. 4
Der neu vorgeschlagene Abs. 4 trägt der Tatsache Rechnung, dass gewichtige Gründe bestehen
können, die für eine Geheimhaltung von archäologischen Dokumentationsunterlagen sprechen, nicht
zuletzt auch wissenschaftliche und wirtschaftliche Interessen (z.B. geistige Eigentumsrechte, die
gemäß Art. 14 lit. c der Faro-Konvention parallel zur Überwindung von Zugangshürden zum kulturellen
Erbe zu schützen sind; Europarat 2005).
Geheimhaltungsinteressen können aus verschiedenen Gründen bestehen, so zum Beispiel ein
Interesse an der Geheimhaltung der Ergebnisse archäologischer Voruntersuchungen, die von einer
Baufirma in Auftrag gegeben wurden, um die Entwicklung neuer Bauprojekte voranzutreiben, und die
daher nicht allfälliger Konkurrenz des planenden Bauunternehmens kostenlos zur Verfügung stehen
sollen; aber auch um z.B. eine Fundstelle, an der besonders reiche Funde zu erwarten sind, vor bei
Bekanntgabe der Dokumentationsunterlagen von an dieser Fundstelle bereits durchgeführten
archäologischen Untersuchungen zu befürchtenden Plünderungen durch illegale Grabungen zu
schützen. Gleichermaßen kann das wissenschaftliche Interesse, eine Erstpublikation wesentlicher
Erkenntnisse, die der Dokumentierende selbst gewonnen hat, nicht durch verfrühte Veröffentlichung
der Datengrundlagen zu gefährden, auf deren Basis KollegInnen die Erkenntnisse des
Dokumentierenden bereits vor diesem publizieren können, eine Grundlage für eine
Geheimhaltungsnotwendigkeit sein.
Liegen derartige Gründe vor, kann das BDA amtswegig oder auf Antrag einer dazu berechtigten Partei
(z.B. dem geistigen Eigentümer der Dokumentationsunterlagen, dem archäologische
Voruntersuchungen in Auftrag gegeben habenden Bauunternehmen usw.) die betreffenden
Dokumentationen ganz oder teilweise auf maximal fünf Jahre (in gleich langen Intervallen
verlängerbar, solange die Gründe dafür weiterhin vorliegen) der Geheimhaltung unterstellen und die
betroffenen Dokumentationen und Berichte nicht öffentlich im Open Access zugänglich machen. Um
dennoch sicherzustellen, dass die Verlässlichkeit und Nachvollziehbarkeit wissenschaftlicher Studien
gewährleistet ist, die sich mit Themen befassen, für die vom BDA der Geheimhaltung unterlegte
archäologische Denkmale von wissenschaftlicher Relevanz sein könnten, aber aufgrund der
Geheimhaltung der Dokumentationsunterlagen nicht berücksichtigt werden können, ist vom BDA in
geeigneter Weise öffentlich auszuweisen, dass und wie viele archäologische Denkmale der
Geheimhaltung unterliegen. Dies kann z.B. ein kurzer Hinweis in den Archivunterlagen und den
Fundberichten aus Österreich sein, in welchem politischen Bezirk bzw. welchen politischen Bezirken
wie viele archäologische Denkmale bzw. Fundstellen welcher Zeitstellung der Geheimhaltung
unterliegen, oder auch nur – wenn die Angabe eines politischen Bezirkes bereits potentiell zu viele
Informationen über die betreffenden archäologischen Denkmale preisgeben würde – wie viele
archäologische Denkmale bzw. Fundstellen welcher Zeitstellung der Geheimhaltung unterliegen. Auf
diese Weise können wissenschaftliche Untersuchungen archäologischer Denkmale darauf verweisen,
dass zum Zeitpunkt ihrer Durchführung eine gewisse Anzahl potentiell relevanter Daten nicht
berücksichtigt werden konnte, weil sie zu dieser Zeit der Geheimhaltung unterlagen. Darüber hinaus
lässt sich anhand dieser veröffentlichten Informationen auch jederzeit feststellen, welcher Anteil der
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Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
bekannten und dokumentierten archäologischen Denkmale in Österreich der Geheimhaltung
unterliegt und daher nicht öffentlich zugänglich ist.
Die dem BDA verfügbaren Daten stehen selbstverständlich dem BDA für seine eigene
denkmalpflegerische Tätigkeit, z.B. für Unterschutzstellungsverfahren, auch dann zur Verfügung,
wenn sie der Geheimhaltung unterliegen. Das BDA hat jedoch in diesem Fall zu beachten, dass bei
eigenen wissenschaftlichen Forschungen des BDA und daraus erwachsenden Publikationen die
Einhaltung der Geheimhaltung gewahrt bleibt.
Abs. 5
Absatz 5 bestimmt, dass die Bestimmungen dieses Paragrafen unabhängig von anderen rechtlichen
Folgen auch für jene Funde beweglicher und unbeweglicher archäologischer Denkmale gelten, die
unter Nichtbeachtung der Bewilligungsbestimmungen dieses Bundesgesetzes gemacht wurden. Die
Dokumentations- und Meldepflichten gelten also auch bei widerrechtlich durchgeführten
Maßnahmen und bei archäologischen Maßnahmen (z.B. nicht invasiven geophysikalischen
Prospektionen), die den Bewilligungspflichten des DMSG gar nicht unterliegen.
Eigentumserwerb, Ankaufsrechte von Gebietskörperschaften
Wie bereits weiter oben ausgeführt, ist das zentrale Motivationsmittel, mittels dessen Finder
archäologischer Denkmale und Eigentümer von Grundstücken, auf denen sich archäologische
Denkmale befinden, zur denkmalgerechten Behandlung dieser Denkmale angespornt werden sollten,
die Regelung der rechtlichen Verfügungsgewalt, d.h. der Erwerb von Eigentumsrechten, an den
betroffenen Denkmalen. Die Frage des Erwerbs bzw. Verlust des Eigentumsrechts an archäologischen
Denkmalen, die im neu gefassten § 10 DMSG geregelt werden soll, ist daher also ebenfalls ganz zentral
dafür, dass die hier vorgeschlagene gesetzliche Regelung des archäologischen Denkmalschutzes auch
tatsächlich effektiv funktionieren kann.
Die hier vorgeschlagenen Regelungen setzen die Idee um, die bereits weiter oben ausführlicher
diskutiert wurde (Seiten 332-358), dass „verlässliche“ Finder und Eigentümer von Grundstücken, die
archäologische Denkmale, die sie entdecken oder die sich auf ihren Grundstücken befinden,
denkmalgerecht behandeln (eben z.B. entsprechend den im neu vorgeschlagenen § 9 vorgesehenen
Dokumentationspflichten sachgerecht dokumentieren und auch die dort angeführten Meldepflichten
beachten), mit dem vollständigen Eigentum an den von ihnen denkmalgerecht behandelten,
beweglichen (bei Findern) und unbeweglichen (bei Grundeigentümern) Sachen belohnt werden.
Umgekehrt werden „unzuverlässige“ Finder und Grundeigentümer dadurch bestraft, dass die
beweglichen (bei Findern) und unbeweglichen (bei Grundeigentümern) archäologischen Denkmale,
die sie nicht denkmalgerecht behandelt haben, in das Eigentum der Republik übergehen. Dies erzeugt
im jeweils relevanten Handlungskontext zum jeweils relevanten Handlungszeitpunkt – nämlich wenn
ihre Handlungen archäologische Denkmale entweder denkmalgerecht oder nicht denkmalgerecht
behandeln könnten – die maximale Motivation für Finder von archäologischen Denkmalen bzw.
Grundeigentümer von Grundstücken, auf denen sich archäologische Denkmale befinden, sich auf die
vom Gesetzgeber erwünschte Weise und nicht anders zu verhalten.
Auch hier wird zuerst wieder der neu vorgeschlagene Gesetzeswortlaut vorgestellt und dann genauer
erläutert.
§ 10 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut
„§ 10. (1) Unbewegliche archäologische Denkmale gehen mit ihrer Entdeckung in das Eigentum des
Grundeigentümers des Grundstückes über, auf dem sie sich befinden; sofern dieser nicht die
Bestimmungen zur Bewilligungspflicht von Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen des § 8
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Abs. 1 oder 2 oder die Dokumentationspflicht gemäß § 9 Abs. 1 und 2 verletzt hat. Hat der
Grundeigentümer bei der Entdeckung der unbeweglichen archäologischen Denkmale eine oder
mehrere der Bestimmungen der §§ 8 Abs. 1 oder 2 oder 9 Abs. 1 oder 2 verletzt, gehen diese
unbeweglichen archäologischen Denkmale in das Eigentum der Republik Österreich über.
(2) Werden, aus welchen Gründen auch immer, bewegliche archäologische Denkmale entdeckt, deren
vormaliger Eigentümer nicht mehr ermittelt werden kann, gehen diese Denkmale in das Eigentum der
Person über, die ihre Dokumentation entsprechend der Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und 2 in Auftrag
gegeben oder aber in Ermangelung eines solchen Auftraggebers selbst durchgeführt hat. Hat diese
Person bei der Entdeckung der beweglichen archäologischen Denkmale vorsätzlich oder fahrlässig die
Bestimmungen zur Bewilligungspflicht von Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen des § 8
Abs. 1 verletzt, gehen diese Denkmale in das Eigentum der Republik Österreich über.
(2a) (Übergangsbestimmung) Sofern es sich bei beweglichen archäologischen Denkmalen um solche
handelt, die vor Inkrafttreten dieser Bestimmung gefunden und erst danach gemäß der Bestimmungen
des § 9 Abs. 1a nachgemeldet wurden, gehen diese entgegen der vor Inkrafttreten dieser gesetzlichen
Bestimmungen geltenden hadrianischen Fundeigentumsteilungsregel in das ungeteilte Eigentum der
Person über, die ihre Meldung an das Bundesdenkmalamt vorgenommen hat.
(3) Werden bewegliche archäologische Denkmale entdeckt, deren rechtmäßiger Eigentümer nicht
(mehr) ermittelt werden kann, die nicht entsprechend der Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und 2 DMSG
dokumentiert wurden, gehen diese Denkmale in das Eigentum der Republik Österreich über.
(4) Die Gebietskörperschaften haben das Recht bewegliche und unbewegliche archäologische
Denkmale anzukaufen, wenn die Erhaltung und öffentliche Zugänglichkeit dieser Denkmale nur durch
den Eigentumserwerb durch die Gebietskörperschaften langfristig gesichert werden kann. Dieses
Ankaufsrecht muss binnen drei Jahren, nachdem die Entdeckung des Denkmals oder die Tatsache, dass
ein privater Eigentümer die langfristige Erhaltung und öffentliche Zugänglichkeit nicht mehr
sicherstellen kann, dem Bundesdenkmalamt mitgeteilt wurde, schriftlich geltend gemacht werden. Der
Eigentümer des Denkmals hat im Falle der gänzlichen oder teilweisen Ausübung des Ankaufsrechts
Anspruch auf einen im redlichen Verkehr üblichen Preis in Höhe des im Inland voraussichtlich
erzielbaren höchsten Verkaufspreises einschließlich Umsatzsteuer an den Letztkäufer (Verkehrswert).
Kosten der Grabung oder sonstiger Arbeiten oder Maßnahmen, die zur Entdeckung des betreffenden
Denkmales geführt haben oder zu seiner Reinigung oder Restaurierung notwendig waren, die dem
Eigentümer nicht entstanden sind, können bei der Berechnung des Preises nicht aufgerechnet werden
und auch eine durch Reinigung oder Restaurierung erfolgte Wertsteigerung des Denkmales kann von
dem, der die Kosten der Restaurierung nicht getragen hat, nicht geltend gemacht werden. Soweit eine
Einigung nicht zustande kommt, ist das Ankaufsrecht im Zivilrechtsweg geltend zu machen, andernfalls
erlischt das Ankaufsrecht fünf Jahre nach der Bekanntgabe der Entdeckung des Denkmals oder der
Tatsache, dass ein privater Eigentümer die langfristige Erhaltung und öffentliche Zugänglichkeit nicht
mehr sicherstellen kann, an das Bundesdenkmalamt.“
Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 10 DMSG
Die hier vorgeschlagene Neufassung des § 10 DMSG stellt ebenfalls eine fundamentale Neuregelung,
in diesem Fall der Eigentumserwerbsbestimmungen in Bezug auf Funde beweglicher und
unbeweglicher archäologischer Denkmale, die bisher primär in §§ 397-401 ABGB in Verbindung mit
den Bestimmungen des § 10 DMSG igF geregelt wurden. Unter der bisher geltenden Rechtslage gelten
gemäß § 397 ABGB für verborgene Gegenstände sinngemäß die Bestimmungen der §§ 388-396 ABGB
für verlorene oder vergessene Gegenstände, d.h. wenn sich der vormalige Eigentümer der
verborgenen Gegenstände nicht binnen eines Jahres ermitteln lässt, gehen diese gem. § 395 ABGB zur
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Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
Gänze in das ungeteilte Eigentum des Finders über. Bewegliche archäologische Bodendenkmale sind
hingegen gemäß der Bestimmungen des § 10 Abs. 1 DMSG igF iVm §§ 398-401 ABGB als Schatzfunde
zu behandeln, d.h. es gilt – sofern sich der Finder bei der Entdeckung keiner unerlaubten Handlung
schuldig gemacht hat – die hadrianische Fundteilungsregel, nach der Schatzfunde jeweils zur Hälfte in
das Eigentum von Finder und Grundeigentümer übergehen. Die hier vorgeschlagene Regelung sieht
hingegen vor, dass bewegliche archäologische Denkmale, deren vormaliger Eigentümer sich nicht
mehr feststellen lässt, in das Eigentum dessen übergehen, der ihre gemäß § 9 sachgemäße
Dokumentation vorgenommen oder in Auftrag gegeben hat. Dadurch werden durch die hier
vorgeschlagene Neuregelung die Bestimmungen der §§ 397-401 ABGB obsolet und können gestrichen
werden.
Allgemein ist dazu zu bemerken, dass die §§ 398-401 ABGB schon derzeit außer als Rechtsgrundlage
für den Eigentumserwerb von beweglichen archäologischen Funden iVm § 10 Abs. 1 DMSG igF,
weitgehend obsolet geworden sind, denn Schatzfunde im Sinne des § 398 ABGB, also „Geld, Schmuck
oder andern Kostbarkeiten, die so lange im Verborgenen gelegen haben, daß man ihren vorigen
Eigenthümer nicht mehr erfahren kann“ sind in allen Fällen, in denen solche „Schätze“ im Boden
entdeckt werden, schon derzeit normalerweise auch Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG igF. Außer
im ausnehmend seltenen Fall, dass ein „Schatz“ iSd § 398 ABGB also als „verborgener Gegenstand“
iSd zweiten und dritten Falles des § 397 ABGB eingemauert oder sonst verborgen und nicht vergraben
gewesen ist, gibt es also unter der derzeitigen Rechtslage eigentlich keine „Schatzfunde“ iSd § 398
ABGB mehr, sondern nur noch Funde von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG igF. Dass die
Eigentumserwerbsbestimmungen für „Schatzfunde“ im ABGB zu finden, sind hat also nur noch
historische Gründe, während sie inzwischen sinngemäß viel besser in das DMSG passen würden, weil
schon derzeit praktisch alle Schatzfunde und, gemäß der hier in § 9 DMSG neu vorgeschlagenen
Bestimmungen, auch alle „verborgenen“ Gegenstände iSd § 397 ABGB igF als bewegliche
archäologische Denkmale zu betrachten sind, die den Bestimmungen des DMSG unterliegen und
daher die Regelung des Eigentumserwerbs an derartigen Gegenständen im DMSG viel naheliegender
ist. Will man im AGBG weiterhin eine Bestimmung zu Gegenständen enthalten wissen, die so lange im
verborgenen gelegen sind, dass sich ihr vormaliger Eigentümer nicht mehr feststellen lässt, wäre es
weit sinnvoller, diese so zu formulieren, dass diese darauf verweist, dass der Eigentumserwerb
derartiger Gegenstände durch die einschlägigen Bestimmungen des DMSG neu geregelt wird.
Zentral ist für die hier neu vorgeschlagenen Bestimmungen zum Eigentumserwerb an beweglichen
und unbeweglichen archäologischen Denkmalen die Bindung des Eigentumserwerbs an die
sachgerechte Dokumentation der an Ort und Stelle vorhandenen beweglichen und unbeweglichen
archäologischen Denkmale iSd oben erläuterten § 9. Wie bereits weiter oben erläutert, ist diese
Dokumentation aus archäologisch-fachwissenschaftlicher Sicht essentiell, um die langfristige
Erforschbarkeit des archäologischen Erbes sicherstellen zu können. Die Bindung des
Eigentumserwerbs an die sachgerechte Dokumentation dient in diesem Zusammenhang dem Zweck,
den Entdecker eines archäologischen Denkmales möglichst stark dazu zu motivieren, dieses auch
tatsächlich sachgerecht zu dokumentieren und die Dokumentation, wie im oben besprochenen § 9
Abs. 1 und 2 vorgesehen, dem BDA zur Archivierung und öffentlichen Zugänglichmachung zu
übermitteln. Sie dienen also der Verhaltenssteuerung in einer bestimmten, vom Gesetzgeber
gewünschten Richtung, im konkreten Fall dazu, Finder von archäologischen Denkmalen dazu zu
bewegen, den Bestimmungen des oben besprochenen § 9 Abs. 1 und 2 DMG entsprechend zu
handeln. Wer entsprechend handelt, wird dafür dadurch belohnt, dass ihm das Eigentum an den im
Sinne des Gesetzes dokumentierten und gemeldeten Denkmalen zuerkannt wird.
402
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Dieses Prinzip ist auch derzeit schon gut etabliert und liegt sowohl der ursprünglich im ABGB in seiner
Erstfassung 1812 eingeführten Regelung des Eigentumserwerbs von „Schatzfunden“, der zu Folge dem
Finder, dem Grundeigentümer und dem Staat jeweils ein Dritteleigentumsanspruch zukommt, als
auch der Aufgabe des Dritteleigentumsanspruchs des Staates mit Hofkanzleidekret vom 15. Juni 1846,
JGS Nr. 970/1846, zu Grunde, wie bereits oben (Seiten 319-334) genauer erläutert wurde: dadurch,
dass dem Finder ein bedeutender, und nach der Aufgabe des Eigentumsdrittels des Staates sogar noch
größerer Anteil, nämlich eben die Hälfte, des Eigentums an von ihm gefundenen Schätzen zuerkannt
wird, sollen „ehrliche“ Finder dazu motiviert werden, den Fund von „Schätzen“ zu melden, damit der
Staat von ihrer Existenz Kenntnis erlangt. Diese „Belohnung“ des Finders wurde zwar ursprünglich
wenigstens teilweise auch aus fiskalischen Erwägungen eingeführt – ein gemeldeter Schatz, von
dessen Wert der Staat ein Drittel erhält oder, später, dessen Verkaufserlös er wenigstens besteuern
kann, bringt dem Staat jedenfalls mehr Einkünfte, als wenn alle Schätze von ihren Findern vor dem
Staat verheimlicht werden und dieser daher weder aus ihrem Verkauf noch aus ihrer Besteuerung
Einnahmen lukrieren kann – aber wurde wohl schon anfänglich, aber sicherlich ab 1846, als den
Schatzfundbestimmungen des ABGB immer größere denkmalpflegerische Bedeutung zugewiesen
wurde, auch aus dem Grund so geschaffen oder wenigstens so belassen, damit die Finder beweglicher
archäologischer Denkmale zu deren Meldung motiviert werden. Dies zeigt sich nicht zuletzt an der
entgegengesetzten „Strafbestimmung“ des § 400 ABGB, dass dem Finder bzw. Grundeigentümer, der
den Fund vorsätzlich verheimlicht, sein gemäß § 399 ABGB etablierter Eigentumsanteil an dem Schatz
zugunsten jener Person verloren geht, die diesen Schatz an seiner Statt gemeldet hat. Es wird also
schon durch die derzeit geltenden Bestimmungen der §§ 399 und 400 ABGB eine Verhaltenssteuerung
versucht, indem die Fundmeldung durch die Zuerkennung eines Eigentumsanteils am Fund an den
Meldenden belohnt und die Verheimlichung des Fundes durch die Aberkennung jedweden
Eigentumsanteilsanspruches am Fund bestraft wird.
Die im hier vorgeschlagenen neuen § 10 DMSG vorgenommene Verhaltenssteuerung durch Bindung
des Eigentumserwerbs an archäologischen Denkmalen folgt also dem gleichen, durch die derzeit
bereits bestehende Regelung dieser Frage wohletablierten, Prinzip und baut dies nur zeitgemäß
weiter aus und verstärkt den heute hauptsächlichen Zweck der Eigentumserwerbsregeln für
„Schatzfunde“ der §§ 399-400 ABGB igF, nämlich die Sicherstellung eines möglichst effektiven
(archäologischen) Denkmalschutzes. Die fundamentale Änderung in den hier neu vorgeschlagenen
Bestimmungen des § 10 ist also nicht, dass durch die hier vorgeschlagene Eigentumserwerbsregelung
in Bezug auf neu entdeckte archäologische Denkmale eine Verhaltenssteuerung hin zu einem dem
Denkmalschutz zuträglichen Verhalten bewirkt werden soll, sondern wodurch der Eigentumserwerb
ausgelöst und wie dieser auf unterschiedliche Personenarten, nämlich insbesondere Finder und
Grundeigentümer, verteilt wird.
Abs. 1
Der hier neu vorgeschlagene Absatz 1 regelt den Eigentumserwerb an neu entdeckten unbeweglichen
archäologischen Denkmalen. Dieser wurde bisher nicht gesondert geregelt, sondern unbewegliche
archäologische Denkmale wurden generell als Teil des Grundes betrachtet, in dem sie sich befinden,
und standen damit automatisch im Eigentum des Grundeigentümers. Davon wird in der hier
vorgeschlagenen Fassung insofern, wie schon oben (Seiten 353-358) genauer erläutert, abgegangen,
als unbewegliche archäologische Denkmale zwar auch weiterhin in das Eigentum des
Grundeigentümers übergehen, allerdings nur, wenn dieser bei ihrer Entdeckung nicht gegen die
Bestimmungen der hier neu vorgeschlagenen §§ 8 Abs. 1 oder 2 oder 9 Abs. 1 oder 2 verstoßen hat.
Dass der Eigentumserwerb von unbeweglichen archäologischen Denkmalen – die im DMSG igF
generell sehr stiefmütterlich behandelt werden – bisher nicht näher geregelt worden ist, hat neuerlich
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Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
in erster Linie historische Gründe und seine Ursache darin, dass das DMSG 1923 erstmals erlassen und
seitdem nicht maßgeblich neu überdacht oder geändert wurde. Generell sind die archäologischen
Bestimmungen des DMSG 1923 sehr stark „fundzentriert“, weil, wie ebenfalls bereits weiter oben
(Seiten 85-87) ausgeführt, 1923 die Bergung beweglicher Kleinfunde noch das hauptsächliche Ziel aller
archäologischen Maßnahmen war, während unbewegliche archäologische Denkmale – wenn
überhaupt – bestenfalls kursorisch dokumentiert und oftmals kaum weiter beachtet wurden: der
bewegliche Kleinfund als historisches und potentiell auch kunstgeschichtlich wichtiges Denkmal stand
damals noch im Zentrum der überwältigenden Mehrheit aller archäologischen Forschungen, während
unbewegliche archäologische Denkmale – sofern es sich nicht gerade um römische, mittelalterliche
oder spätere Bauten oder deren aussagekräftige oder kunstgeschichtlich wertvolle Überreste
handelte – noch weitgehend als bedeutungslos betrachtet wurden.
Diese Fundzentriertheit zeigt sich bis heute z.B. an den Bestimmungen des § 9 Abs. 1, 3 und 4 DMSG
igF, die nur wenig Wert auf die Erhaltung der Fundumstände, die gemäß § 9 Abs. 1 DMSG igF nur bis
zum Ablauf von 5 Werktagen ab Abgabe der Fundmeldung unverändert erhalten bleiben müssen, weit
größeren Wert hingegen auf den Schutz der beweglichen Kleinfunde legen, die gemäß § 9 Abs. 3 DMSG
igF automatisch vom Zeitpunkt ihrer Auffindung bis zum Abschluss ihrer wissenschaftlichen
Auswertung und Dokumentation entsprechend er Bestimmungen des § 9 Abs. 4 DMSG igF, längstens
aber auf die Dauer von 6 Wochen ab Abgabe der Fundmeldung, unter Denkmalschutz stehen. Dass
mit den in § 9 Abs. 3 DMSG igF genannten „Bodendenkmalen“ tatsächlich primär bewegliche
Kleinfunde und nicht unbewegliche archäologische Denkmale gemeint sein müssen, geht eindeutig
aus der Tatsache hervor, dass sie „bis zum Abschluss der in Abs. 4 genannten Arbeiten“, die sich aber
ausschließlich auf die wissenschaftliche Auswertung und Dokumentation von beweglichen
Bodenfunden beziehen, unter Denkmalschutz stehen, nicht etwa bis zum Abschluss von Grabungsund Dokumentationsarbeiten auf der Fundstelle, die ja gemäß Abs. 1 überhaupt nur für bis zu 5
Werktage ab Abgabe der Fundmeldung unverändert belassen werden muss. Dies widerspricht
weitgehend heute üblichen archäologisch-wissenschaftlichen Erfordernissen für die Dokumentation
der Fundumstände auf archäologischen Fundstellen, die oftmals nicht in 5 Tagen, sondern nur in
einem viel längeren Zeitraum möglich sind, weil es heute der Archäologie eben nicht mehr nur um die
rasche Bergung beweglicher Kleinfunde und die höchstens kursorische Dokumentation ihrer
Fundumstände geht, sondern heute die Bergung der Funde oft nur wenige Minuten, die zuvor
notwendige Dokumentation der Fundumstände hingegen oftmals viele Stunden, wenn nicht sogar
Tage oder Wochen in Anspruch nimmt.
Hinzu kommt, dass 1923 tatsächlich die überwiegende Mehrheit jener archäologischen Denkmale, die
traditionell als „unbewegliche“ archäologische Denkmale betrachtet und bezeichnet werden, in der
Praxis tatsächlich so gut wie unbeweglich war, weil bei Bau- oder sonstigen Grabungsmaßnahmen so
gut wie ausschließlich mit menschlicher Arbeitskraft das Auslangen gefunden wurde. Heute ist das,
dank schwerer moderner Baumaschinen und moderner Bergetechniken, hingegen in der Regel nicht
mehr der Fall: auch sogenannte „unbewegliche“ archäologische Denkmale sind heute, wenngleich
auch meist nur mit enorm hohem Aufwand, dank moderner technischer Möglichkeiten sehr wohl
beweglich, sei es in Form von Blockbergung im Gesamten oder Bergung in Teilstücken. Das wohl
prominenteste Beispiel für ein archäologisches Denkmal, das 1923 noch praktisch vollkommen
unbeweglich gewesen wäre, aber bereits 1968 in Teilstücken etwa 200 Meter in der Horizontalen und
etwa 65 Meter in der Vertikalen verlagert wurde, ist die ursprünglich in den anstehenden Fels
gehauene ägyptische Tempelanlage von Abu Simbel, die im Zusammenhang mit dem Bau des NasserStaudammes in durchschnittlich 20 Tonnen schwere Blöcke zersägt und an neuem Ort wieder errichtet
wurde.
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
1923 stellte sich daher die Frage, ob und wie man das Eigentum an unbeweglichen archäologischen
Denkmalen regeln sollte oder könnte, gar nicht: sie galten wissenschaftlich als weitgehend
uninteressant und mussten – sofern sie bei Grabungen oder anderen Erdarbeiten nicht zerstört
wurden – gezwungenermaßen an dem Ort und der Stelle verbleiben, an der sie angetroffen worden
waren. Damit war, wenn man – wie das auch tatsächlich der Fall war und weiterhin ist – die
Unverletzlichkeit des Grundeigentums nicht antasten wollte, vollkommen klar, dass unbewegliche
archäologische Denkmale als untrennbar mit dem Grundstück, auf dem sie angetroffen wurden,
verbundene Teile auch automatisch Teil des Grundeigentums des Grundstückseigentümers und damit
auch sein Eigentum waren.
Heute stellt sich jedoch in Anbetracht der Tatsache, dass der wissenschaftliche Wert unbeweglicher
archäologischer Denkmale – seien es jetzt Mauerreste oder „nur“ archäologisch aussagekräftige
Bodenschichten – viel höher bewertet wird als 1923, diese „unbeweglichen“ archäologischen
Denkmale heute an sich durchaus beweglich sind und es auch im Gegensatz zu 1923 Methoden gibt,
mit denen man die Präsenz solcher unbeweglichen Denkmale erkennen kann, ohne dass man dazu
überhaupt durch Grabungen in den Erdboden eingreifen muss, die Frage nach dem Eigentum dieser
unbeweglichen archäologischen Denkmale sehr wohl. Es ist heute weder praktisch notwendig noch
unbedingt auch rechtlich die beste Lösung, unbewegliche Denkmale einfach aufgrund der Tatsache,
dass sie auf einem bestimmten Grundstück angetroffen werden, auch ins Eigentum des
Grundeigentümers übergehen zu lassen, auch wenn man keineswegs die Unverletzlichkeit des
Eigentums antasten möchte.
Hinzu kommt, dass heute im Gegensatz zu den 1920ern das archäologische Erbe deutlich verstärkt als
Allgemeingut betrachtet wird, wie ja auch in den jüngsthin von Österreich ratifizierten Konventionen
von Valletta (Europarat 1992) und Faro (Europarat 2005) festgehalten wird, und weit weniger als das
ausschließliche Privateigentum jener betrachtet wird, die entweder den Grund und Boden, auf dem
sich archäologische Denkmale befinden, oder diese Denkmale selbst als ihr Eigentum besitzen wollen.
Eine – auch eigentumsrechtliche – Trennung zwischen dem Eigentum am Grund und Boden, auf dem
sich ein unbewegliches archäologisches Denkmal befindet, und dem Eigentum am unbeweglichen
archäologischen Denkmal selbst, ist also sehr wohl möglich und ist auch in anderen europäischen
Staaten, wie z.B. Italien, durchaus üblich, wie ebenfalls schon weiter oben erwähnt wurde.
Die Möglichkeit einer eigentumsrechtlichen Trennung zwischen dem Eigentum am Grund und Boden,
auf dem sich unbewegliche archäologische Denkmale befinden, und dem Eigentum an diesen
archäologischen Denkmalen selbst, bedingt andererseits aber noch keineswegs, dass diese Trennung
auch vorgenommen werden muss. Ganz im Gegenteil ist es, nicht zuletzt aus praktischen Gründen, in
vielen Fällen sogar durchaus sinnvoll, das Eigentum an den unbeweglichen archäologischen
Denkmalen, die sich auf einem bestimmten Grundstück befinden, auch tatsächlich jener Person
zuzusprechen, die schon der Eigentümer des betreffenden Grundstückes ist; insbesondere dann,
wenn sich diese Person durch ihr Verhalten im Umgang mit unbeweglichen archäologischen
Denkmalen, die auf ihrem Grund und Boden entdeckt wurden, als verantwortungsvoll erwiesen hat.
Hat der Grundeigentümer also seine Verantwortlichkeit dadurch bewiesen, dass er die zum Schutz
und zur Erhaltung von auf seinem Grund und Boden angetroffenen Allgemeingut, eben den
unbeweglichen archäologischen Denkmalen, notwendigen Handlungen, eben die sachgerechte
Dokumentation dieser Denkmale und deren Übermittlung an das BDA, sachgerecht unternommen
und verbotene Handlungen unterlassen hat, spricht nichts dagegen, ihm auch das Eigentumsrecht an
diesen Denkmalen zuzusprechen. Dem wird durch die hier vorgeschlagene Bestimmung entsprochen,
dass unbewegliche archäologische Denkmale, die auf einem Grundstück entdeckt werden, in das
405
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
Eigentum des Grundeigentümers übergehen, wenn er nicht gegen die Bestimmungen der §§ 8 Abs. 1
oder 2 oder 9 Abs. 1 oder 2 verstoßen hat.
Für den umgekehrten Fall, dass nämlich der Grundeigentümer seiner Verantwortung gegenüber der
Allgemeinheit, die auf seinem Grundstück vorkommenden unbeweglichen archäologischen Denkmale
nicht entgegen der Bestimmungen des hier vorgeschlagenen § 8 Abs. 1 oder 2 ohne Bewilligung des
BDA durch Grabungen, Arbeiten oder sonstige Maßnahmen zu gefährden und diese nach ihrer
Entdeckung gemäß der Bestimmungen des hier vorgeschlagenen § 9 Abs. 1 und 2 zu dokumentieren,
nicht nachgekommen ist, ist er hingegen nicht auch noch durch den Eigentumserwerb an den von ihm
fahrlässig gefährdeten oder nicht dokumentierten unbeweglichen Denkmalen zu belohnen; sondern
eben eine Trennung des Eigentums am Grund und Boden, auf dem sich diese Denkmale befinden, und
dem Eigentum an diesen Denkmalen selbst vorzunehmen. Diese Denkmale fallen in einem solchen Fall
stattdessen an den Staat als Vertreter der Interessen der Allgemeinheit, damit dieser in Hinkunft als
Eigentümer dieser Denkmale im Falle ihrer neuerlichen Gefährdung durch den Grundeigentümer
effektiver einschreiten kann.
Dies stellt dennoch keinen Eingriff in die Unverletzlichkeit des Grundeigentums dar, sondern ist analog
zu einer Servitut zu sehen: so wie die auf Basis einer Servitut über einen fremden Grund verlegte
Wasserleitung nicht dem Eigentümer dieses fremden Grundes, sondern dem Eigentümer der Servitut
gehört, gehört dann eben auch die unter dem Erdboden über den Grund eines fremden Eigentümers
laufende römische Wasserleitung dem Staat. Der Staat kann dieses „unbewegliche“ archäologische
Denkmal dann entweder, weil dies heute ja technisch durchaus möglich ist, vom Grund und Boden
des Grundeigentümers auf eigene Kosten entfernen, wodurch die durch das rechtwidrige Handeln des
Grundeigentümers entstandene Servitut dann selbstverständlich erlischt, oder aber an Ort und Stelle
im Boden belassen, um es dort – wie auch von der Valletta-Konvention (Europarat 1992) als
bevorzugte Erhaltungsmaßnahme vorgesehen – ungestört zu erhalten, wodurch die Servitut weiter
besteht, weil sie ja durchgehend genutzt wird.
Nachdem Grundeigentümer in der Regel wohl vermeiden werden wollen, dass aufgrund ihres DMSGwidrigen Handelns Servituten auf einem oder gar mehreren ihrer Grundstücke entstehen, stellt diese
Bestimmung eine starke Motivation für Grundeigentümer dar, nicht entgegen den hier neu
vorgeschlagenen Bestimmungen des DMSG unbewilligte Grabungen, Arbeiten oder sonstige
Maßnahmen zu unternehmen, durch die unbewegliche archäologische Denkmale auf ihrem Grund
und Boden gefährdet werden könnten, und, falls sie solche unbeweglichen archäologischen Denkmale
auf ihrem Grund entdecken, diese sachgerecht zu dokumentieren und die Dokumentation dem BDA
zu übermitteln. Das zur Erreichung dieser Verhaltenssteuerung verwendete Prinzip entspricht exakt
dem bei beweglichen archäologischen Denkmalen: gesetzeskonformes Handeln zum Schutze und der
Erhaltung archäologischer Denkmale an Ort und Stelle wird durch den Eigentumserwerb an der
geschützten Sache belohnt, gesetzeswidriges Handeln, das dem Schutz- und Erhaltungsziel des
Gesetzes entgegenläuft, wird hingegen durch Entzug des Eigentumsanspruchs an der zu schützenden
Sache bestraft.
Sobald ein archäologisches Denkmal durch die gesetzeskonforme Erstbehandlung bei seiner
Entdeckung durch den Grundeigentümer sein Eigentum und gleichzeitig bekannt geworden ist, ist es
– wenn dies dem BDA aufgrund der besonderen Bedeutung dieses Denkmals erforderlich erscheint –
wie auch schon bisher gem. § 3 DMSG (gegebenenfalls auch im Sinne der Bestimmungen des § 1 Abs.
5 DMSG für noch nicht ausreichend erforschte Denkmale bei Gefahr im Verzug) auch unter
Denkmalschutz zu stellen. Eine Enteignung eines Grundeigentümers zu späterer Zeit, z.B. weil er sich
später dazu entschließt, das infolge seines denkmalgerechten Verhaltens bei der Erstentdeckung in
sein Eigentum übergegangene archäologische Denkmal nicht mehr denkmalgerecht behandeln zu
406
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
wollen, ist daher nicht erforderlich. Tritt dieser Fall ein, besteht offenkundig Gefahr im Verzug und das
BDA kann, wenn es dafür ausreichend bedeutend ist, eine Unterschutzstellung des Denkmals
veranlassen. Ist es hingegen nicht ausreichend bedeutend dafür, ist sein Verlust vermutlich auch
archäologisch zu verschmerzen.
Abs. 2
Absatz zwei setzt das gleiche Prinzip in Bezug auf bewegliche archäologische Denkmale um, nur noch
deutlich radikaler als die bisher bestehende hadrianische Teilungsregel des § 399 ABGB. Dabei ist die
derzeit geltende gesetzliche Regelung neuerlich in erster Linie aus ihrer historischen Entstehung zu
erklären, die bereits weiter oben dargestellt wurde, und den heutigen Realitäten und
Notwendigkeiten nicht mehr angemessen.
Heute ist es so, dass die überwältigende Mehrheit beweglicher archäologischer Denkmale, die – ob
zufällig, bei vorsätzlichen Nachforschungen durch Metallsucher oder bei systematischen
archäologischen Ausgrabungen – gefunden werden, keineswegs im Sinne der Bestimmungen des §
398 ABGB „Geld, Schmuck oder andere Kostbarkeiten“ sind, sondern zu weit über 99% wirtschaftlich
nahezu vollkommen oder gänzlich wertlos und auch wissenschaftlich in der Regel nur von geringer
Bedeutung: zerscherbte Keramik, Tierknochen und stark fragmentierte und korrodierte
Metallobjekte, die selbst als Sammlerstücke weniger als 1 Euro wert sind, machen die überwältigende
Mehrzahl aller beweglichen archäologischen Denkmale aus, die tagtäglich in Österreich gefunden
werden. Die Entdeckung von Gegenständen, die tatsächlich im Sinne des § 398 ABGB als
„Schatzfunde“ zu betrachten wären, ist hingegen kaum wahrscheinlicher als ein Gewinn in der
Lotterie, selbst bei der Verwendung von Metall- oder anderen Bodensuchgeräten. Der normale
archäologische Fund gleicht also in seiner Natur heute weit eher dem Fund „verlorener oder
vergessener Gegenstände“ iSd § 388 bzw. „verborgener Sachen“ iSd § 397 ABGB als „Schatzfunden“
im Sinne des § 398 ABGB.
Auch der Zweck, zu dem die Bestimmungen des § 10 Abs. 1 DMSG iVm § 399 ABGB zur
Eigentumsregelung von beweglichen archäologischen Funden heute verwendet werden, entspricht
nicht mehr dem primär wirtschaftlichen Zweck der 1812 bzw. wohl bis zu einem gewissen Grad auch
noch 1846 der Regelung des „Schatzfundeigentums“ im ABGB zugrunde lag, sondern diese
Eigentumsregelungen dienen heute in erster Linie einem denkmalschützerischen Zweck: eben dem
Zweck, Finder beweglicher archäologischer Denkmale dazu zu motivieren, ihre Funde auch tatsächlich
dem BDA zu melden, damit dieses davon Kenntnis erhält, an welchen Stellen in Österreich mit
bedeutenden archäologischen Denkmalen zu rechnen ist, bei denen geprüft werden muss, ob sie im
öffentlichen Interesse zu erhalten und daher unter Denkmalschutz zu stellen sind; und damit die
archäologische Wissenschaft nicht wichtiger archäologischer Quellen verlustig geht, die sie zur
Erforschung der Vergangenheit zum Vorteil der Allgemeinheit braucht; statt sie heimlich am
Schwarzmarkt zu verkaufen oder ebenso heimlich daheim in einem Keller oder auf einem Dachboden
zu horten.
Darüber hinaus ist heute auch der großgrundbesitzende Adel (und Klerus) für das Fortbestehen und
Funktionieren der Republik Österreich nicht mehr wichtig; ganz im Gegenteil, der Adel ist abgeschafft
und der Klerus nicht mehr rechtlich privilegiert. Es gibt also keinen gewichtigen Grund mehr, ein
wirtschaftliches Profitinteresse des Großgrundbesitzes (das im frühen 19. Jahrhundert auch bis zu
einem gewissen Grad mit einem Interesse am privaten Sammeln beweglicher archäologischer
Denkmale verbunden war) an auf seinem Grund und Boden gemachten „Schatzfunden“ dadurch zu
befriedigen, dass man dem Eigentümer eines Grundstückes, auf dem ein Schatz gefunden wurde,
einen Eigentumsanteil an dem Schatz zuspricht. Tatsächlich gibt es sogar, wenn man davon ausgeht,
dass es sich bei beweglichen (und unbeweglichen) archäologischen Denkmalen ganz grundsätzlich
407
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
entweder um Allgemeingut oder aber um herrenloses Gut handelt, oder wenigstens um Gut handelt,
dessen vormaliger Eigentümer (und damit auch dessen allfällig noch lebender Rechtsnachfolger) sich
nicht mehr ermitteln lässt, überhaupt keinen Grund dem Grundeigentümer, der nichts zur Entdeckung
eines beweglichen archäologischen Gegenstandes beigetragen hat, einen Eigentumsanteil an auf
seinem Grund und Boden gefundenen archäologischen Denkmalen zuzuerkennen. Vielmehr ist es so,
dass es – ganz parallel zu den Bestimmungen der §§ 388-397 ABGB – der österreichischen
Rechtstradition viel besser entsprechen würde, dem Finder beweglicher archäologischer Denkmale
ein freies Aneignungsrecht an diesen verlorenen, vergessenen oder verborgenen Gegenständen
zuzusprechen.
Der hier neu vorgeschlagene Abs. 2 greift diesen Gedanken in Verbindung mit dem Argument auf, dass
der größte verhaltenssteuernde Effekt, wenn man den Finder zur sachgemäßen Dokumentation und
Meldung beweglicher archäologischer Funde motivieren möchte, dann erreicht wird, wenn man dem
Finder, der die sachgemäße Dokumentation und Meldung des Fundes selbst durchführt oder in
Auftrag gibt, dafür auch mit dem alleinigen Eigentum an dem rechtmäßig gefundenen und sachgemäß
dokumentierten und gemeldeten Fund belohnt. Bindet man also, wie hier vorgeschlagen, den Erwerb
des Eigentums an beweglichen archäologischen Funden an deren sachgemäße Dokumentation und
Meldung, bewegt man Finder, gleichgültig ob sie ihre Funde nun behalten oder gewinnbringend
verkaufen wollen, am ehesten dazu ihre Funde auch tatsächlich sachgerecht zu dokumentieren und
dem BDA zu melden.
Um gleichzeitig sicherzustellen, dass Personen, die nach archäologischen Funden suchen, nicht um
diese zu finden Grabungen vornehmen, die gegen die hier neu vorgeschlagenen Bestimmungen des §
8 Abs. 1 verstoßen, d.h. tatsächlich denkmalgeschützte archäologische Denkmale betreffen, ist es aber
auch wichtig vorzusehen, dass als Bestandteile eines bereits geschützten Denkmals automatisch
mitgeschützte bewegliche archäologische Gegenstände, die bei ohne die notwendigen Bewilligungen
gem. § 5 Abs. 1 und 8 Abs. 1 DMSG durchgeführten Grabungen entdeckt wurden, nicht in das Eigentum
ihres – in diesem Fall ja rechtswidrigen – Finders übergehen, selbst wenn dieser sie sachgemäß
dokumentiert hat. Daher wird im hier neu vorgeschlagenen Abs. 2 vorgesehen, dass Funde, die bei
Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen entdeckt wurden, die entgegen der genannten
Bewilligungspflichtbestimmung durchgeführt wurden, in das alleinige Eigentum der Republik
übergehen. Dem liegt neuerlich, wie schon bei den Bestimmungen des Abs. 1 der Gedanke zu Grunde,
dass, falls sich der Entdecker eines archäologischen Denkmales bei dessen Entdeckung
verantwortungslos verhalten hat, der Staat als Vertreter der Interessen der Allgemeinheit jene
Rechtsperson ist, die am besten zur Wahrung der Interessen der Allgemeinheit an der Erhaltung und
dem Schutz der betroffenen archäologischen Denkmale geeignet ist.
Darüber hinaus sorgt die Regelung, dass der Staat zum ungeteilten Eigentümer all jener Funde wird,
die bei ohne Bewilligung des BDA durchgeführten Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen,
die der Bewilligungspflicht des hier neu vorgeschlagenen § 8 Abs. 1 unterlegen hätten, entdeckt
wurden, dazu, dass auch im Falle der Existenz einer Dokumentation die Eigentumsrechtslage völlig
klar ist und der Staat sich nicht weiter darum bemühen muss herauszufinden, welcher
Grundeigentümer nun potentiell unter hadrianischer Teilungsregel durch den mit illegalen Grabungen
oft verbundenen Eigentumsentzug geschädigt wurde; und auch kein Grundeigentümer einen
Anspruch auf Funde erheben kann, die von Dritten illegal auf seinem Grund und Boden ausgegraben
wurden.
Dass durch diese Bestimmungen bewegliche Kleinfunde, die bei zwar gem. § 8 Abs. 2
bewilligungspflichtigen, aber ohne Vorliegen der erforderlichen Bewilligung durchgeführten,
Grabungen oder sonstigen Erdarbeiten entdeckt, aber sachgerecht entsprechend der Bestimmungen
408
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
des § 9 Abs. 1 und 2 dokumentiert wurden, dennoch ins Eigentum ihres Finders übergehen, liegt
daran, dass es keinen Sinn hat, den Finder für die zwar rechtswidrige, aber dennoch sachgerecht
durchgeführte und dokumentierte Entdeckung durch den Fundeigentumsverlust zu bestrafen. Ziel der
hier vorgeschlagenen Neuregelung der archäologischen Bestimmungen ist es schließlich, Handelnde
möglichst stark dazu zu animieren, sich in ihrem eigenen Interesse möglichst denkmalgerecht zu
verhalten; und zwar in erster Linie dadurch, dass sie von ihnen entdeckte bewegliche und
unbewegliche archäologische Denkmale möglichst sachgerecht dokumentieren und ihre
Dokumentation auch dem BDA als staatlichem Zentralarchiv für derartige Dokumentationen
übermitteln. Ist nun eine Grabung sachgerecht durchgeführt und sind dabei entdeckte bewegliche
und unbewegliche Denkmale auch tatsächlich sachgerecht dokumentiert worden, ist wenigstens
dieses Ziel wenigstens in diesem konkreten Fall auch ganz ohne Einhaltung der Bewilligungspflicht des
§ 8 Abs. 2 erreicht worden, die ja ihrerseits primär dem Zweck dient, vorab präventiv möglichst dafür
sorgen zu können, dass das betreffende Denkmal nicht unsachgemäß ausgegraben wird.
Nachdem die nun schon einmal durchgeführte Grabung auch nicht mehr rückgängig gemacht werden
kann, ist es auch retrospektiv gesehen einigermaßen gleichgültig, dass sie ohne Bewilligung
durchgeführt wurde, selbst wenn sich vielleicht bei der präventiven Prüfung von
Voruntersuchungsergebnissen herausgestellt hätte, dass es vielleicht besser gewesen wäre, wenn das
betreffende archäologische Denkmal in situ erhalten worden wäre. Das einzige Ergebnis, dass man
also erreichen würde, wenn man den Finder von beweglichen Kleinfunden nicht mit deren Eigentum
belohnt, sondern ihn vielmehr mit Strafe bedroht, ist, dass er seine rechtswidrig ohne Genehmigung
durchgeführte Grabung einfach gänzlich verheimlich und daher auch gleich ihre sachgerechte
Dokumentation unterlassen kann. Damit wäre man aber bei der Situation zurück, die wir jetzt schon
haben. Nachdem es – nachdem der Schaden nun schon einmal eingetreten ist bzw. am Eintreten ist,
immer noch besser ist, das zerstört oder wenigstens maßgeblich verändert werdende archäologische
Denkmal wird dabei sachgerecht dokumentiert und die Dokumentation auch anschließend dem BDA
übermittelt, ist daher die einzig mögliche, logische Konsequenz, dass man dennoch dem Finder das
Eigentumsrecht an den entdeckten beweglichen Denkmalen überträgt, um ihn damit wenigstens zum
halbwegs sachgerechten Vorgehen zu motivieren.
Für Grundeigentümer verschlechtert die hier vorgeschlagene Regelung zwar bis zu einem gewissen
Grad die Rechtslage im Falle eines wirklichen Zufallsfundes eines echten Schatzes iSd § 398 ABGB igF
durch eine dritte Partei – z.B. im Fall, dass ein Spaziergänger vollkommen zufällig einen Topf voll
römischer Gold- und Silbermünzen auf ihrem Grund erspäht und diesen dann auch sachgemäß
dokumentiert und meldet, an dem dann dem Grundeigentümer nicht mehr wie bisher ein
Hälfteeigentumsanteil zusteht, sondern der dann zur Gänze seinem Finder gehört – allerdings kaum
die Realität, was geschieht, wenn tatsächlich auf ihrem Grund und Boden bewegliche archäologische
Denkmale entdeckt werden. Derartige Schatzfundereignisse unter solchen Fundumständen sind
nämlich in der Wirklichkeit so außergewöhnlich selten, dass die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens
so gering ist, dass sie praktisch vernachlässigbar ist; einmal abgesehen davon, dass bei der derzeit
geltenden hadrianischen Teilungsregel die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Finder einen solchen
Schatzfund einfach heimlich aneignet, nicht unbedeutend ist.
Daher ist es auch schon bei der derzeitigen Rechtslage so, dass, selbst wenn ein solches ohnehin schon
extrem unwahrscheinliches Ereignis eintritt, der Grundeigentümer vermutlich niemals seinen
Hälfteeigentumsanteil am entdeckten Schatz erhalten wird, weil er von diesem niemals Kenntnis
erlangt und der Finder – wissend, dass er den Schatz mit dem Grundeigentümer teilen müsste, wenn
er den Schatzfund korrekt meldet – entweder gar keine Angaben zum Fundort aufzeichnet oder diese
so fälscht, dass er selbst zum Alleineigentümer des Schatzes wird. Dies gereicht dem damit in seinem
409
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
ihm gesetzlich zustehenden Eigentumsanteil am Schatzfund geschädigten Grundeigentümer nicht
zum Vorteil, dem archäologischen Denkmalschutz und der archäologischen Wissenschaft, die
entweder keine oder falls doch aller Wahrscheinlichkeit nach gefälschte Daten zu den Fundumständen
des Schatzfundes erhält, hingegen zum Nachteil.
In allen anderen Fällen des Fundes beweglicher archäologischer Denkmale, also bei Grabungen,
Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen, die entweder durch Personen, die mit Metall- oder anderen
Bodensuchgeräten oder – da sie entsprechend der hier vorgeschlagenen Bestimmungen des § 8 Abs.
1 und 2 DMSG bewilligungspflichtig sind – von professionellen Archäologen durchgeführt werden,
verschlechtert hingegen die hier vorgeschlagene Eigentumsregelung bezüglich beweglicher
archäologischer Funde die Rechtsstellung des Grundeigentümers im Vergleich zur derzeitigen
Rechtslage gar nicht, sondern verbessert sie sogar eher, weil in diesem Fall die hier vorgeschlagenen
neuen Regelungen ebenfalls ihre verhaltenssteuernde Wirkung in einer Weise entfalten, die dem
Grundeigentümer nützt.
Nicht anders als derzeit ist es bei den hier neu vorgeschlagenen Regelungen weiterhin so, dass
Grabungen oder sonstige in den Erdboden eingreifende Arbeiten oder Maßnahmen ebenso wie das
bloße Betreten zu Suchzwecken des fremden Grundes nur dann gestattet sind, wenn sie der
Grundeigentümer dem Durchführenden erlaubt hat; schließlich bleibt die rechtliche
Verfügungsgewalt des Grundeigentümers über sein Grundeigentum durch die hier neu
vorgeschlagenen Regelungen vollkommen unangetastet. Personen, die auf fremden Grund
bewegliche archäologische Denkmale suchen und bergen wollen, bedürfen also in jedem Fall der
Erlaubnis des Grundeigentümers. Suchen Personen hingegen ohne die Zustimmung des
Grundeigentümers auf seinem Grund und Boden nach beweglichen archäologischen Denkmalen,
machen sie sich jedenfalls der Besitzstörung und, wenn sie vom Grundeigentümer nicht gestattete
Grabungen durchführen, jedenfalls auch der Sachbeschädigung schuldig.
Bei der derzeit geltenden Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG, bei der ein Finder bloß einen Fundort
angeben, diesen aber nicht entsprechend sachgerecht dokumentieren muss, um einen
Eigentumsanspruch am gemeldeten Fund zu erwerben, ist es für Finder, wie bereits ausgeführt,
jederzeit möglich, Fundortangaben zu fälschen und statt dem Grundstück, auf dem sie den Fund
tatsächlich entdeckt haben, ein eigenes Grundstück oder das eines Verwandten, Freundes, Bekannten
usw., der bei diesem Betrug mitzumachen bereit ist, anzugeben. Der Nachweis, dass der Fundort
gefälscht wurde, kann in einem solchen Fall in der Regel überhaupt nicht oder, wenn doch, nur mit
gewaltigem Aufwand geführt werden, geschweige denn, dass sich nachweisen ließe, wo der Fund
tatsächlich herkommt, wenn der Finder diese Information verschweigt.
Die hier neu vorgeschlagenen Regelungen für den Eigentumserwerb in Verbindung mit den weiter
oben erläuterten Bestimmungen zur Dokumentationspflicht machen es hingegen für den Finder, der
rechtmäßig das Eigentum an den von ihm gemachten Funden erwerben will, notwendig, eine
sachgerechte Dokumentation anzufertigen und dem BDA zu übermitteln die, wie im oben
vorgeschlagenen neuen Wortlaut des § 9 Abs. 2 Z 1 und 2 vorgesehen, wenigstens ein Foto der
Fundstelle in ihrem weiteren landschaftlichen Kontext, der getätigten Funde, idealerweise in
Fundlage, sowie einigermaßen genaue topografische Koordinaten der Fundstelle beinhalten muss.
Damit wird die Fälschung von Fundortangaben erheblich erschwert, weil der Aufwand dafür
maßgeblich größer wird als unter der derzeitigen Rechtslage, bei der eine bloße grobe Lokalisierung
des Fundorts für den Eigentumserwerb durch den Finder genügt, und gleichzeitig die Überprüfbarkeit
der Richtigkeit der gemachten Angaben deutlich erhöht: gegebenenfalls können bei Nachgrabungen
am vom Finder angegebenen Ort Bodenproben entnommen und auf ihre chemische
Zusammensetzung untersucht werden, woraus sich mit guter Wahrscheinlichkeit rückschließen lässt,
410
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
ob sich der betreffende Fund tatsächlich längere Zeit an Ort und Stelle im Boden befunden hat, wie
z.B. die Nachuntersuchungen am Fundort der sogenannten Himmelsscheibe von Nebra gezeigt haben,
oder ob das nicht der Fall war.
Diese erhöhte Nachprüfbarkeit der Fundortangaben des Finders wiederum macht es für Finder, die
tatsächlich einen rechtmäßigen Eigentumstitel an den von ihnen gemachten Funden erwerben wollen,
notwendig korrekte Fundortangaben zu machen und, damit sie diese auch tatsächlich machen
können, ihre Untersuchungen an Ort und Stelle tatsächlich nicht ohne Erlaubnis durch den
Grundeigentümer vorzunehmen. Dieser muss diese Erlaubnis aber selbstverständlich nicht
bedingungslos erteilen, sondern kann privatrechtlich mit der Person, die auf seinem Grund und Boden
bewegliche archäologische Funde suchen möchte, entweder eine finanzielle Entschädigung für die
Erlaubnis auf seinem Grund und Boden der Suche nach beweglichen archäologischen Funden
nachzugehen oder aber eine Teilung des Eigentums an allfällig vom Suchenden entdeckten und
sachgerecht dokumentierten und gemeldeten Funden vereinbaren, z.B. entsprechend der
hadrianischen Teilungsregel. Tatsächlich werden, wenigstens wenn man Gerüchten aus der Szene der
Metallsucher glauben kann, schon derzeit solche Vereinbarungen zwischen Metallsuchern und
Eigentümern von Grundstücken, auf denen mit guter Wahrscheinlichkeit interessante und auch
potentiell wirtschaftlich wertvolle bewegliche archäologische Funde entdeckt werden können,
geschlossen und von den betreffenden Grundeigentümern „Sucherlaubnisgebühren“ eingehoben
oder eine Realteilung der Funde entsprechend der hadrianischen Teilungsregel zwischen
Grundeigentümern und Finden vorgenommen; derzeit allerdings all das natürlich ohne Kenntnis des
BDA und ohne Abgabe der eigentlich gesetzlich verpflichtend vorgeschriebenen Fundmeldungen
gemäß § 8 Abs. 1 DMSG igF.
Damit würden durch die hier vorgeschlagenen Regelungen die Grundeigentümer im Unterschied zur
derzeitigen Lage also ebenfalls besser gestellt: zwar verlieren sie durch diese Regelungen ihren
„automatischen“, gesetzlichen Anspruch auf einen Hälfteeigentumsanteil an allen gemachten Funden,
können diesen aber entweder am Weg privatrechtlicher Vereinbarungen wieder erwerben, wenn sie
das wollen, oder aber völlig rechtmäßig mit an der Suche nach beweglichen archäologischen
Denkmalen auf ihren Grundstücken interessierten Dritten Gebühren vereinbaren, die ihnen aller
Wahrscheinlichkeit nach mehr wirtschaftliche Profite bescheren als ihnen ein Hälfteeigentum an den
– normalerweise eben weitgehend wertlosen – entdeckten beweglichen archäologischen Funden
einbringen würde. Vergleichbares gilt schließlich bei der Entdeckung beweglicher archäologischer
Denkmale bei systematischen archäologischen Ausgrabungen auf fremden Grund: nachdem diese
keinesfalls ohne Zustimmung des Grundeigentümers stattfinden dürfen, normalerweise auch im
Rahmen von Erdarbeiten oder anderen Maßnahmen, die der Grundeigentümer in Auftrag gegeben
hat, stattfinden, und der Grundeigentümer in diesem Fall aller Wahrscheinlichkeit nach ohnehin auch
Auftraggeber der archäologischen Arbeiten und damit auch der dabei angefertigten Dokumentation
ist, werden Grundeigentümer in diesem Fall gewöhnlich ohnehin als „Finder“ im Sinne der hier
vorgeschlagenen Regelungen zum Eigentümer der bei den von ihnen in Auftrag gegebenen Arbeiten
dokumentierten und gemeldeten beweglichen archäologischen Funde.
Die hier vorgeschlagene Regelung des Eigentumserwerbs an sachgerecht dokumentierten und legal
geborgenen beweglichen archäologischen Funden ist also aufgrund des dadurch erwartungsgemäß zu
erzielenden verstärkten Verhaltenssteuerungseffektes sowohl für den archäologischen
Denkmalschutz und die archäologische Wissenschaft als auch für den Finder von derartigen Funden
sowie den Eigentümer des Grundstückes, auf dem sie gefunden wurden, eine deutlich bessere Lösung
als die derzeitige Rechtslage.
411
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
Abs. 2a (Übergangsbestimmung)
Absatz 2a setzt das gleiche Prinzip wie der vorhergehende Absatz auf gem. dem oben neu
vorgeschlagenen § 9 Abs. 1a „nachgemeldete“ bewegliche archäologische Denkmale um, die vor dem
Inkrafttreten der hier vorgeschlagenen gesetzlichen Bestimmungen gefunden wurden. Ziel davon ist,
wie schon in den Erläuterungen zu § 9 Abs. 1a ausgeführt, alle derzeitigen Eigentümer bzw. Besitzer
möglicherweise rechtwidrig erworbener und jedenfalls rechtswidrig verheimlichter archäologischer
Funde zu deren nachträglicher Meldung zu bewegen, indem ihnen das Eigentum an diesen Funden
zuerkannt wird, wenn sie diese melden; und auf diesem Weg ein „vollständiges“ Archiv aller derzeit
in Österreich vorhandenen archäologischen Denkmale zu schaffen, das ab Ende der gesetzlichen
Übergangsfrist des oben neu vorgeschlagenen § 9 Abs. 1a erlaubt, alle danach im Besitz von Personen
entdeckten beweglichen archäologischen Gegenstände, die nicht entsprechend der hier
vorgeschlagenen oder bereits früher geltenden gesetzlichen Bestimmungen dem BDA gemeldet
wurden, den Bestimmungen des § 10 Abs. 3 zu unterwerfen und zum Eigentum der Republik
Österreich zu machen.
Auf diese Weise wird das den hier neu vorgeschlagenen gesetzlichen Bestimmungen unterliegende
Prinzip der Belohnung des gesetzestreu handelnden, von ihm gefundene archäologische Denkmale
sachgerecht dokumentierenden und dem BDA meldenden Finders durch den rechtmäßigen Erwerb
des alleinigen Eigentums an den von ihm gefundenen Denkmalen im Sinne eines freien
Aneignungsrechtes für verlorene, vergessene oder verborgene Sachen, deren vormaliger Eigentümer
sich nicht mehr ermitteln lässt, und Bestrafung des rechtswidrig diese Dokumentation und Meldung
unterlassenden Finders durch Aberkennung dieses freien Aneignungsrechtes konsistent umsetzbar.
Das erzeugt einen maximal verhaltenssteuernden Effekt hin zum denkmalpflegerisch und
archäologisch-wissenschaftlich erwünschten Handeln, nämlich eben der sachgerechten
Dokumentation der gemachten archäologischen Funde und ihrer Meldung an das
Bundesdenkmalamt.
Abs. 3
Der hier vorgeschlagene neue Absatz 3 zielt in Verbindung mit den Bestimmungen des Abs. 2 und 2a
darauf ab, den erläuterten Verhaltenssteuerungseffekt auch tatsächlich zu erreichen, indem in ihm
bestimmt wird, dass bewegliche archäologische Funde, die nicht sachgerecht dokumentiert und dem
Bundesdenkmalamt gemäß der Bestimmungen des neu vorgeschlagenen § 9 Abs. 1, 1a und 2
gemeldet wurden, automatisch in das Eigentum der Republik Österreich übergehen. Die Bestimmung
des Abs. 3 ist also das Gegenstück zu den Bestimmungen des Abs. 2 und 2a, das dazu führt, dass der
Finder, der bei der Neuentdeckung eines beweglichen archäologischen Fundes nach Inkrafttreten der
hier vorgeschlagenen gesetzlichen Bestimmungen die gesetzlich vorgeschriebene Dokumentation und
Meldung unterlässt, dadurch bestraft wird, dass ihm kein Eigentumsanspruch an den entdeckten
Funden erwächst.
Ein weiterer Vorteil der hier vorgeschlagenen Bestimmungen ist es, dass im Sinne der Verbindung der
Bestimmungen der §§ 9 Abs. 1, 1a und 2 und 10 Abs. 2, 2a und 3 die sachgerechte Dokumentation
und Meldung von Funden beweglicher archäologischer Denkmale (inklusive der Nachmeldung bereits
entdeckter aber bisher noch nicht gemeldeter Funde) an das BDA gleichzeitig einen eindeutigen
Eigentumserwerbs- und Herkunftsnachweis für bewegliche archäologische Funde darstellt; der für
Funde, unabhängig davon ob sie vor oder nach Inkrafttreten dieses Gesetzes entdeckt wurden, von
nun an verpflichtend vorgesehen ist. Damit kann ab Ende der gesetzlichen Übergangsfrist des oben
vorgeschlagenen § 9 Abs. 1a davon ausgegangen werden, dass sich alle beweglichen archäologischen
Funde, für die ihr Besitzer keinen derartigen oder anderen rechtmäßigen Eigentumserwerbs- und
412
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Herkunftsnachweis vorweisen kann (z.B. einen Kaufnachweis), eigentlich im Eigentum der Republik
Österreich befinden und daher beschlagnahmt werden können, wenn Ihre Existenz bekannt wird.
Damit wird dann auch ab Ende der gesetzlichen Übergangsfrist des oben neu vorgeschlagenen § 9
Abs. 1a die unzulässige Ausfuhr und Übereignung von Kulturgütern im Sinne des Übereinkommens
über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung
von Kulturgut, http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00456, das Österreich ebenfalls
ratifiziert hat, bedeutend erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht: hat der Verkäufer keinen
eindeutigen Eigentumserwerbs- und Herkunftsnachweis für ein archäologisches Denkmal aus
Österreich, der auch anhand des vom BDA geführten, weitestgehend öffentlich zugänglichen
archäologischen Archivs jederzeit überprüfbar ist, dann versucht er illegalerweise ein archäologisches
Denkmal zu verkaufen, das eigentlich im Eigentum der Republik Österreich steht.
Nur wenn ein archäologische Denkmal nachweislich nicht aus Österreich stammt – also z.B. durch
einen auch entsprechend dokumentierten Ankauf aus dem Ausland nachweislich rechtmäßig
erworben wurde (siehe dazu auch die Bestimmungen des KGRG) – ist die Bestimmung des hier
vorgeschlagenen Absatzes nicht anwendbar: die reine Behauptung, das Denkmal würde aus dem
Ausland stammen, genügt nicht, weil gemäß der Begriffsdefinition des hier neu vorgeschlagenen § 1
Abs. 1a iVm den Dokumentations- und Meldepflichten und den Eigentumserwerbsregeln der §§ 9 Abs.
2 Z 2 und 10 Abs. 2 und 2a auch archäologische Denkmale, die in Österreich über der Erdoberfläche
aufgefunden wurden und deren vormaliger Eigentümer sich nicht mehr ermitteln lässt, als in
Österreich gefundene bewegliche archäologische Denkmale zu betrachten sind, selbst wenn ihre
Entdeckung im Lager oder Verkaufsraum eines Händlers gemacht wurde.
Kann also der derzeitige Besitzer eines archäologischen Denkmals in Ermangelung eines rechtmäßigen
Eigentumserwerbsnachweises nicht nachweisen, dass er tatsächlich der rechtmäßige Eigentümer des
betreffenden Denkmals ist, und in Ermangelung eines rechtmäßigen Herkunftsnachweises auch nicht
nachweisen, dass es nicht auf österreichischem Bundesgebiet entdeckt wurde, unterliegt dieses
Denkmal vollständig den hier neu vorgeschlagenen Bestimmungen und geht somit automatisch in das
Eigentum der Republik Österreich über. Dies hat im Fall, dass sich später herausstellt, dass dieses
Denkmal widerrechtlich im Ausland entdeckt und aus diesem nach Österreich verbracht wurde, z.B.
wenn ein anderer Staat einen Eigentumsanspruch auf das betreffende Denkmal im Sinne der
Bestimmungen des Übereinkommens über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der
unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut, http://www.parlament.gv.at/
PAKT/VHG/XXV/I/I_00456, oder nach dem KGRG erhebt, den bedeutenden Vorteil, dass die in diesem
Übereinkommen geforderte und im KGRG gesetzlich vorgesehene Rückerstattung an diesen
ausländischen Staat einfach und rasch möglich ist.
Die hier vorgeschlagenen Bestimmungen sind also sowohl aufgrund ihres verhaltenssteuernden
Effektes in Hinblick auf die möglichst sachgerechte Dokumentation neu entdeckter archäologischer
Denkmale und ihre Meldung an das Bundesdenkmalamt als auch deshalb, weil sie eine effektive
Unterbindung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut im Sinne des
einschlägigen internationalen Übereinkommens, das Österreich ratifiziert hat, den derzeit geltenden
Bestimmungen eindeutig überlegen und diesen daher vorzuziehen.
Abs. 4
Dieser Absatz dehnt das derzeit schon bestehende Recht der Gebietskörperschaften gemäß § 10
DMSG igF, dem anderen Teileigentümer bewegliche archäologische Denkmale, die bereits aufgrund
der hadrianischen Teilungsregel des § 399 ABGB igF im Teileigentum der betreffenden
Gebietskörperschaft stehen, für deren inländischen Verkehrswert abzulösen, auf alle in Österreich
413
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
entdeckten beweglichen und unbeweglichen archäologischen Denkmale aus, unabhängig davon, ob
diese bereits zum Teil im Eigentum der betreffenden Gebietskörperschaft stehen oder nicht. Dies ist
unter den Bedingungen der hier vorgeschlagenen Änderung der archäologischen Bestimmungen des
DMSG schon alleine deshalb sinnvoll und notwendig, weil aufgrund der hier vorgeschlagenen
Neuregelung des Eigentumserwerbs an beweglichen archäologischen Denkmalen die
Gebietskörperschaften nur noch dann zum Eigentümer – und dann ohnehin zum Alleineigentümer –
solcher Denkmale werden, wenn diese entweder bei archäologischen Maßnahmen, die die
betreffende Gebietskörperschaft in Auftrag gegeben hat, dokumentiert wurden oder im Falle des
Staates auch, wenn – und weil – diese bei ihrer Entdeckung überhaupt nicht dokumentiert wurden.
Dadurch können allerdings bedeutende bewegliche oder unbewegliche Funde verloren gehen, weil
sie ihr Eigentümer – selbst wenn sie unter Denkmalschutz gestellt werden – nicht langfristig erhalten
und öffentlich zugänglich machen kann; z.B. weil diesen die dafür notwendigen Mittel und
Möglichkeiten fehlen.
In einem solchen Fall, und zwar nur in einem Fall, in dem die Erhaltung und öffentliche Zugänglichkeit
der betreffenden archäologischen Denkmale nur durch den Eigentumserwerb durch die
Gebietskörperschaften und nicht durch den privaten Eigentümer langfristig gesichert werden kann,
kann durch eine Gebietskörperschaft das Ankaufsrecht geltend gemacht werden. Die
Geltendmachung des Ankaufsrecht muss schriftlich und binnen drei Jahren ab der Mitteilung der
Entdeckung bzw. dem Bekanntwerden der Tatsache, dass ein privater Eigentümer die langfristige
Erhaltung und öffentliche Zugänglichmachung des betroffenen archäologischen Denkmales nicht
mehr sicherstellen kann, an das Bundesdenkmalamt erfolgen. Die restlichen Bestimmungen dieses
Absatzes entsprechen den bereits bisher geltenden Bestimmungen des § 10 DMSG igF.
Auf diese Weise können Gebietskörperschaften archäologische Denkmale oder sonstige Denkmale,
die durch Zerstörung durch Unzumutbarkeit der Instandhaltung durch ihren Eigentümer gefährdet
sind oder deren öffentliche Zugänglichkeit im Sinne der Faro-Konvention (Europarat 2005) nicht
sichergestellt werden kann, solange sie sich im privaten Eigentum befinden (z.B. weil der private
Eigentümer sich weigert, sie öffentlich zugänglich zu machen) unter Voraussetzung einer
angemessenen wirtschaftlichen Entschädigung ihres privaten Eigentümers zum Vorteil und Nutzen
der Allgemeinheit erwerben. Gleichzeitig können die Gebietskörperschaften aber nicht einem
privaten Eigentümer archäologischer Denkmale einfach deshalb das Eigentum an diesen Sachen
entziehen, weil sie selbst einen Vorteil daraus ziehen wollen, der sonst dem privaten Eigentümer
entstehen würde, z.B. indem er einen besonders prominenten archäologischen Fund gewinnbringend
in einem öffentlich zugänglichen, aber nur gegen Eintrittsgeld zu besichtigenden Privatmuseum
ausstellt und sich eine Gebietskörperschaft diesen Fund für eines ihrer (eventuell ebenfalls nur gegen
Eintrittsgeld zu besichtigenden) Museen sichern möchte. Auch in diesem Fall bleibt also die
Unverletzlichkeit des Eigentums gesichert, solange die Ausübung der privaten Eigentumsrechte des
Eigentümers nicht seine privaten Eigentumsinteressen überwiegende öffentliche Interessen
gefährdet.
Maßnahmen zur Sicherung von Fundstellen und archäologischen Denkmalen
Zusätzlich zu den zuvor vorgeschlagenen Bestimmungen ist es auch noch notwendig, Bestimmungen
für Maßnahmen zur Sicherung von Fundstellen und (anderen) archäologischen Denkmalen
vorzusehen, die dem BDA als staatliche Kontrollbehörde ermöglichen, im Bedarfsfall einzuschreiten
und unbedingt erforderliche Maßnahmen selbst zu setzen oder Dritte setzen lassen zu können. Diese
Bestimmungen finden sich im neu für § 11 DMSG vorgeschlagenen Gesetzeswortlaut.
414
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Insbesondere ist hier vorzusehen, dass – nach dem hier vorgelegten Vorschlag ja möglichst präventiv
und wenigstens teilweise ohne Erfordernis einer vorherigen Genehmigung durch das BDA
durchzuführenden archäologischen Feldforschungsmaßnahmen – das BDA solche archäologischen
Feldarbeiten, deren unsachgemäße bzw. nicht denkmalgerechte Durchführung ihm während deren
Durchführung bekannt wird, unmittelbar – wegen Gefahr im Verzug – einstellen und nötigenfalls
selbst durchführen oder von geeigneteren Personen als die, die nicht denkmalgerecht gearbeitet
haben, entsprechend denkmalgerecht durchführen lassen kann. Ebenfalls ist hier vorzusehen, dass,
nachdem das Eingreifen der staatlichen Kontrollbehörde ja überhaupt nur deshalb notwendig wird,
weil sich jemand nicht entsprechend denkmalgerecht verhält, der Verursacher und nicht etwa die
Republik zur Kostentragung heranzuziehen ist. Schließlich ist noch die im neuen Vorschlag fehlende
Möglichkeit für das BDA vorzusehen, bewegliche archäologische Denkmale, deren wissenschaftliche
Auswertung durch ihren Finder unterlassen wird oder nicht ausreichend gesichert scheint, zum Zweck
der für ihre wissenschaftliche Nutzbarmachung erforderlichen Bearbeitung dem BDA zeitweilig zu
überlassen sind.
Auch hier wird wieder zuerst der Vorschlag für den neuen Gesetzeswortlaut vorgestellt, ehe genauere
Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen dieses Paragrafen folgen.
§ 11 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut
„§ 11. (1) Unbeschadet der Bestimmungen des § 30 Abs. 1 ist das Bundesdenkmalamt berechtigt, alle
Grabungen, Arbeiten und sonstige Maßnahmen, die archäologische Denkmale gefährden könnten,
jederzeit fachlich zu kontrollieren oder zu beaufsichtigen und nötigenfalls, auch wenn die Grabungen,
Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen zuvor gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 bewilligt wurden, die
Weiterführung von unsachgemäß durchgeführten Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen,
die archäologische Denkmale tatsächlich gefährden, einzustellen. Die gefährdeten Denkmale
unterliegen im Fall einer derartigen Einstellung bis zum Abschluss der in Abs. 2 und 3 beschriebenen
Arbeiten, längstens aber auf die Dauer von sechs Wochen ab dem Tag der Einstellung, den
Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, und zwar während dieser Zeit einheitlich gemäß den
Bestimmungen bei Unterschutzstellung durch Bescheid (§ 3 Abs. 1). Bis zum Ende dieser Frist hat das
Bundesdenkmalamt zu entscheiden, ob diese archäologischen Denkmale weiterhin den
Beschränkungen dieses Bundesgesetzes (in allen Fällen nach den Rechtsfolgen für
Unterschutzstellungen durch Bescheid gemäß § 3 Abs. 1) unterliegen; einem Rechtsmittel gegen diesen
Bescheid kommt keine aufschiebende Wirkung zu. Soweit hinsichtlich archäologischer Denkmale
bereits vor ihrer konkreten Auffindung (Ausgrabung) gemäß einem in § 1 Abs. 4 genannten Verfahren
festgestellt wurde, dass die Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist, erübrigt sich eine
neuerliche bescheidmäßige Entscheidung des Bundesdenkmalamtes gemäß den Bestimmungen dieses
Absatzes.
(2) Besteht die Gefahr, dass archäologische Denkmale in Folge der gemäß Abs. 1 vorgenommenen
Einstellung von Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen zu Schaden kommen, kann das
Bundesdenkmalamt geeignete Rettungsgrabungs- oder sonstige Ersatzmaßnahmen in Auftrag geben
oder selbst durchführen. Die Kosten für aufgrund einer Einstellung unsachgemäß durchgeführter
Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen notwendig werdende archäologische
Rettungsgrabungs- oder sonstige Ersatzmaßnahmen hat der Verursacher dieser Maßnahmen zu
tragen.
(3) Unbeschadet der Bestimmungen des § 30 Abs. 1 sind Finder, Eigentümer, dinglich
Verfügungsberechtigte oder unmittelbare Besitzer des Fundgrundstückes verpflichtet, die auf diesem
aufgefundenen beweglichen archäologischen Denkmale über Verlangen des Bundesdenkmalamtes –
415
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
befristet auf längstens zwei Jahre – diesem zur wissenschaftlichen Auswertung und Dokumentation zur
Verfügung zu stellen.
(4) Unabhängig von allen anderen rechtlichen Folgen gelten die Bestimmungen dieses Paragrafen auch
für jene Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen, die entgegen den Bestimmungen der §§ 8
Abs. 1 oder 2 durchgeführt werden oder überhaupt keiner Bewilligungspflicht unterliegen.“
Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 11 DMSG
Der abschließende neu vorgeschlagene Paragraf der „archäologischen“ Bestimmungen des DMSG
betrifft Maßnahmen zur Sicherung von Fundstellen und archäologischen Denkmalen und übernimmt
– wenn auch teilweise deutlich aufgrund der Änderung der anderen Paragrafen modifiziert – im
Wesentlichen Bestimmungen, die schon bisher im DMSG igF enthalten waren. Die wesentlichsten
Änderungen zur bisherigen Situation sind das nun auch explizit gefasste Recht des BDA, unsachgemäß
durchgeführte archäologische Maßnahmen einzustellen, sofern durch ihre Weiterführung
archäologische Denkmale tatsächlich gefährdet werden und das Recht im Falle einer solchen
Einstellung von unsachgemäßen Arbeiten, sofern durch diese Einstellung eine Beschädigung
archäologischer Denkmale zu befürchten ist, Ersatz- bzw. Rettungsmaßnahmen anzuordnen oder
selbst durchzuführen, für deren Kosten der Verursacher der Einstellung aufzukommen hat. Diese
Sicherungsmaßnahmen waren bisher im § 9 DMSG igF zu finden und betrafen in erster Linie
Zufallsfunde von archäologischen Denkmalen. Nachdem aber, wie bereits oben ausgeführt wurde,
Zufallsfunde von archäologischen Denkmalen inzwischen seit langem die Ausnahme und nicht mehr
wie bei der Einführung des DMSG 1923 die Regel sind, wurden sie in der hier vorgeschlagenen
Neufassung der archäologischen Bestimmungen des DMSG an deren Ende gereiht, weil sie sich
nunmehr durchgehend auf in der Neufassung zuvor erläuterte Maßnahmen beziehen und daher nur
in der hier gewählten Reihenfolge wirklich verständlich sind.
Abs. 1
Der hier neu vorgeschlagene Absatz 1 übernimmt im Wesentlichen die bereits bisher geltenden
Bestimmungen des § 9 Abs. 3 DMSG igF, passt sie an den Rahmen, den die hier vorgeschlagene
Neufassung des DMSG setzt, an und erweitert sie so, dass sie auch die in diesem Rahmen notwendige
Wirkung entfalten können. Wie bereits mehrfach erwähnt, sind besondere Schutzbestimmungen von
archäologischen Zufallsfunden im Kontext der hier in den oben erläuterten §§ 8 und 9 DMSG
eingeführten Bewilligungs- und Dokumentationspflichten nicht mehr notwendig, weil Zufallsfunde
schon derzeit und unter den hier vorgeschlagenen Neuregelungen praktisch überhaupt nicht mehr
vorkommen können und, wenn sie wider Erwarten doch auftreten, nicht anders zu dokumentieren
und melden sind, als wenn sie nicht zufällig entdeckt worden wären.
Was jedoch im DMSG igF bisher weitgehend fehlt und insbesondere im Zusammenhang mit der hier
vorgeschlagenen Neuregelung des archäologischen Denkmalschutzes notwendig erscheint, ist eine
auch explizit im Gesetz geregelte Möglichkeit für das BDA, unsachgemäß durchgeführte Grabungen,
Arbeiten oder sonstige Maßnahmen, ob diese nun gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 bewilligt wurden oder
nicht, bei denen die notwendige sachgerechte Dokumentation gemäß den neu vorgeschlagenen
Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und 2 gefährdet erscheint, einzustellen und eine sachgemäße
Durchführung und Dokumentation der durchgeführten Maßnahmen sicherzustellen. Dies wird in
diesem Absatz durch die Übernahme und Ausweitung der bisher für Zufallsfunde vorgesehenen
Sicherungsmaßnahmen des § 9 Abs. 3 DMSG igF erreicht.
Gemäß der hier neu vorgeschlagenen Bestimmungen wird dem BDA – wie ohnehin auch schon bisher
vorgesehen und unbeschadet der Bestimmungen des § 30 Abs. 1 DMSG – das Recht eingeräumt, alle
Grabungen, Arbeiten und sonstige Maßnahmen, die archäologische Denkmale gefährden könnten,
416
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
unbeachtlich ob diese bereits zuvor gemäß der Bestimmungen des neuen § 8 Abs. 1 und 2 bewilligt
wurden, jederzeit fachlich zu kontrollieren oder zu beaufsichtigen sowie, wenn aufgrund ihrer
unsachgemäßen Durchführung die Erhaltung und sachgerechte Dokumentation tatsächlich an Ort und
Stelle vorhandener archäologischer Denkmale gefährdet wird, diese Grabungen, Arbeiten und
sonstigen Maßnahmen auch jederzeit einzustellen. Eine aus diesen Gründen erfolgte Einstellung durch
das BDA zieht dann die Rechtsfolgen nach sich, die bisher im Fall von Zufallsfunden vorgesehen waren,
nämlich die automatische Unterschutzstellung des betroffenen archäologischen Denkmales (und zwar
nunmehr gleichgültig ob es beweglich oder unbeweglich ist) auf die Dauer von bis zu 6 Wochen ab der
Einstellung, um das betroffene archäologische Denkmal nötigenfalls in einem beschleunigten
Verfahren auch dauerhaft unter Denkmalschutz stellen zu können und Zeit für in Abs. 2 vorgesehene,
allfällig notwendige Ersatzmaßnahmen bzw. Rettungsgrabungen zu gewinnen.
Damit wird dem BDA die Möglichkeit gegeben, im akuten Notfall, wenn archäologische Denkmale
durch Zerstörung oder Veränderungen gefährdet sind, entsprechend einzugreifen und die
unmittelbare Gefährdung vorerst einmal abzuwenden. Nachdem aber im Gegensatz zur derzeitigen
Situation die Bestimmungen dieses Absatzes nicht jedes Mal automatisch greifen, wenn
archäologische Denkmale entdeckt werden, sondern erst zu greifen beginnen, wenn das BDA
befürchten muss, dass akut Schaden an archäologischen Denkmalen entstehen könnte, ist die hier
vorgeschlagene Bestimmung weniger invasiv als die bisherige Bestimmung des § 9 Abs. 3 DMSG igF.
Bedenkt man, dass entsprechend der hier vorgeschlagenen Neufassung der archäologischen
Paragrafen des DMSG die meisten Grabungen, Arbeiten und sonstigen Maßnahmen, bei denen
archäologische Denkmale gefährdet werden könnten, ohnehin einer Bewilligung des BDA gem. § 8
Abs. 1 oder 2 bedürfen und daher in der Regel von professionellen Archäologen sachgemäß
durchgeführt werden dürften, ist davon auszugehen, dass diese Eingriffsmöglichkeit des BDA nur in
den seltensten Fällen genutzt werden wird und daher Grabungen, Arbeiten oder sonstige Maßnahmen
die archäologische Denkmale gefährden könnten weit seltener eingestellt werden müssen, als das
derzeit der Fall ist. Unerwartete Verzögerungen, z.B. von Bauarbeiten, durch die gemäß der
Bestimmungen dieses Absatzes verfügte Einstellung von Arbeiten an Ort und Stelle, sollten also durch
diese Neuregelung im Vergleich zur derzeitigen Situation deutlich abnehmen.
Abs. 2
Der hier neu vorgeschlagene Absatz 2 führt das neu geschaffene Recht des BDA ein,
Rettungsgrabungen oder sonstige notwendig werdende Ersatzmaßnahmen anzuordnen oder selbst
durchzuführen, wenn durch die notwendig gewordene Einstellung von Arbeiten gemäß den
Bestimmungen des Abs. 1 an Ort und Stelle vorkommende archäologische Denkmale zu Schaden
kommen könnten. Die Kosten für diese notwendig werdenden Maßnahmen hat ihr Verursacher zu
tragen, d.h. jene Person, die eine Einstellung notwendig machenden unsachgemäß durchgeführten
Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen in Auftrag gegeben oder selbst durchgeführt hat,
d.h. in der Regel bei Bauarbeiten der Bauträger.
Dabei ist dieses Recht des BDA so gefasst, dass es möglichst wenig in vom Verursacher archäologischer
Maßnahmen getroffene Arrangements oder Vereinbarungen eingreift: das BDA kann
Rettungsgrabungen oder sonstige Ersatzmaßnahmen nur dann anordnen oder selbst durchführen,
wenn durch die Einstellung der Arbeiten an Ort und Stelle, also bereits dadurch, dass dort vorerst
einmal keine weiteren Arbeiten unternommen werden, eine Gefahr für die dort vorhandenen
archäologischen Denkmale entsteht. Genügt also die bloße Einstellung der Arbeiten an Ort und Stelle
bereits, um die archäologischen Denkmalen drohende Gefahr der Beschädigung abzuwenden, kann
das BDA nicht Rettungsgrabungen oder sonstige Ersatzmaßnahmen anordnen. Vielmehr kann in
einem solchen Fall der Verursacher der Einstellung der Arbeiten, also z.B. ein Bauträger, der die
417
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
Ausgrabung und Dokumentation an Ort und Stelle vorkommender archäologischer Denkmale selbst
vorzunehmen versucht hat, dazu aber nicht ausreichend kompetentes Personal beschäftigt und diese
daher nicht ausreichend sachgemäß ausgegraben und dokumentiert hat, selbst z.B. ein ausreichend
kompetentes archäologisches Dienstleistungsunternehmen damit beauftragen, die sachgemäße
Ausgrabung und Dokumentation der angetroffenen archäologischen Denkmale durchzuführen, oder
selbst ausreichend kompetentes Personal dafür anstellen, wie es ihm besser gefällt und zu den
Konditionen, die er mit diesem Unternehmen oder diesen Mitarbeitern vereinbart. Nur dann, wenn
bereits das bloße „Nichtstun“ an Ort und Stelle wahrscheinlich dazu führen würde, dass die dort
vorkommenden archäologischen Denkmale beschädigt werden, kann das BDA zu seinen eigenen
Konditionen die an Ort und Stelle notwendigen Arbeiten entweder selbst durchführen oder – z.B. bei
einem ausreichend kompetenten archäologischen Dienstleistungsunternehmen – in Auftrag geben
und dem Verursacher die dadurch entstehenden Kosten in Rechnung stellen.
Ziel der in Abs. 1 und 2 neu vorgeschlagenen Regelungen ist die ausreichende Qualitätssicherung
archäologischer Arbeiten im Sinne der Bestimmungen des Art. 3 Z ii der Valetta-Konvention (Europarat
1992). Durch die Möglichkeit der Einstellung von Arbeiten, die nicht in der notwendigen Qualität
durchgeführt werden, und die Möglichkeit, diese nötigenfalls auf Kosten des Verursachers selbst
durchzuführen oder von ausreichend kompetenten Dritten durchführen zu lassen, soll dafür gesorgt
werden, dass Personen, die archäologische Arbeiten selbst durchführen oder in Auftrag geben
müssen, nicht dadurch Schaden an archäologischen Denkmalen erzeugen, dass sie die notwendigen
Arbeiten durch billige aber nicht ausreichend kompetente Anbieter durchführen lassen.
Abs. 3
Übernimmt weitgehend wörtlich, nur sprachlich angepasst, die bereits bisher geltenden
Bestimmungen des § 9 Abs. 4 DMSG igF.
Abs. 4
Übernimmt wörtlich, nur in Bezug auf die Paragrafennummern der Bewilligungsparagrafen der hier
vorgeschlagenen Neufassung angepasst, die Bestimmungen des § 9 Abs. 5 DMSG igF.
Strafbestimmungen
Durch die hier vorgeschlagenen Änderungen ergibt sich auch zwingend die Notwendigkeit, die
Strafbestimmungen des § 37 DMSG entsprechend anzupassen.
§ 37 DMSG – Vorschlag für einen neuen Gesetzeswortlaut
„§ 37. (1) Wer entgegen den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 ein Einzeldenkmal oder ein
als Einheit unter Denkmalschutz gestelltes Ensemble oder eine als Einheit unter Denkmalschutz
gestellte Sammlung zerstört, ist, wenn die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer
gerichtlicher Strafe bedroht ist, vom Gericht mit einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
Neben der Geldstrafe ist für den Fall, dass die in § 36 vorgesehene Wiederherstellung nicht verfügt
oder die zwar verfügte Wiederherstellung vorsätzlich trotz förmlicher Mahnung nicht vorgenommen
wird, auf eine Wertersatzstrafe zu erkennen. Unter diesen Voraussetzungen ist auf eine
Wertersatzstrafe auch dann zu erkennen, wenn die Tat nach einer anderen Bestimmung mit strengerer
gerichtlicher Strafe bedroht ist. Die Höhe der Wertersatzstrafe hat entweder den Kosten, die zur
Wiederherstellung oder zur Herstellung eines gleichwertigen Gegenstandes aufgewendet hätten
werden müssen, oder dem höheren durch die Tat erzielten Nutzen zu entsprechen. Die
Wertersatzstrafe ist allen an der Tat Beteiligten unter Bedachtnahme auf die Grundsätze der
Strafbemessung (§§ 32 bis 35 StGB) anteilsmäßig aufzuerlegen. Das Strafverfahren obliegt den
Gerichtshöfen erster Instanz.
418
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
(2) 1. Wer vorsätzlich entgegen den Bestimmungen
–
–
des § 4 Abs. 1 und 2 bzw. § 5 Abs. 1 ein Denkmal verändert oder
der §§ 17, 18, 19 und 22 bzw. entgegen der Verordnung (EG) Nr. 116/2009 und der
Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1081/2012 zu der Verordnung (EG) Nr. 116/2009,
ABl. Nr. L 324 vom 22.11.2012 S. 1 Kulturgut widerrechtlich ins Ausland verbringt oder
widerrechtlich belässt, ferner
–
wer die gemäß §§ 31 oder 36 angeordneten Maßnahmen verhindert oder zu
erschweren sucht, ist, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit
der
Gerichte
fallenden
strafbaren
Handlung
bildet,
von
der
Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis 50 800 Euro zu bestrafen.
2. Wer vorsätzlich entgegen den Bestimmungen des § 6 Abs. 5 ein Denkmal aus einer Sammlung
veräußert, belastet oder erwirbt, ist, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die
Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, mit Geldstrafe bis
25 400 Euro zu bestrafen. Auch können die aus einer Sammlung gemäß § 1 Abs. 5 letzter Satz
ohne Bewilligung gemäß § 6 Abs. 5 veräußerten Gegenstände für verfallen erklärt werden.
3. Wer vorsätzlich entgegen der Bestimmungen des § 8 Abs. 1 oder 2 Grabungen, Arbeiten oder
sonstige Maßnahmen ohne die dafür vorgesehene Genehmigung durchführt, ist, sofern die Tat
nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung
bildet, mit Geldstrafe bis zur Höhe des mutmaßlichen wirtschaftlichen Gesamtwertes der
geplanten Arbeiten (z.B. des Bauprojekts), zu deren Durchführung die Missachtung der
Bewilligungspflicht beigetragen hat, bzw. bei Maßnahmen zur Bergung von wirtschaftlich
wertvollen Fundgegenständen mit Geldstrafe bis zur Höhe des wahren wirtschaftlichen Wertes
(Verkehrswertes) der dabei entdeckten Fundgegenstände, zu bestrafen.
4. Die Bestimmungen des Abs. 1 hinsichtlich der Verhängung einer Wertersatzstrafe gelten
gleichermaßen für Strafverfahren aufgrund dieses Absatzes.
(3) Wer vorsätzlich
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
die sachgerechte Dokumentation und deren Übermittlung an das Bundesdenkmalamt
gemäß § 9 Abs. 1 und 2 unterlässt oder unrichtige Angaben macht,
nach einer Einstellung von unsachgemäßen Arbeiten durch das Bundesdenkmalamt
ohne dessen Erlaubnis den Zustand einer Fundstelle oder der aufgefundenen
Gegenstände entgegen den Bestimmungen des § 11 Abs. 1 verändert,
die Durchführung von durch das Bundesdenkmalamt in Auftrag gegebenen oder selbst
vorgenommenen Grabungen oder sonstigen Ersatzmaßnahmen gemäß § 11 Abs. 2
unterlässt oder zu vereiteln sucht,
Fundgegenstände entgegen den Bestimmungen des § 11 Abs. 3 nicht zur Verfügung
stellt,
die Möglichkeit der Geltendmachung und Durchsetzung des Ablöserechtes gemäß §
10 Abs. 4 verhindert,
die Kennzeichnung als geschütztes Denkmal (§ 12) oder gemäß der Haager Konvention
(§ 13 Abs. 6) missbräuchlich verwendet oder die bescheidmäßig angeordneten
Kennzeichnungen unterlässt,
die in § 30 vorgesehenen Auskünfte und Meldungen nicht oder unrichtig erstattet,
die gemäß § 30 vorgesehene Besichtigung und wissenschaftliche Untersuchung von
Denkmalen und vermuteten Bodenfunden sowie die vorgesehene Überwachung durch
das Bundesdenkmalamt zu behindern oder zu vereiteln sucht,
419
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
ist, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren
Handlung bietet, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis 5 000 Euro zu bestrafen. Die
Bestimmungen des Abs. 1 hinsichtlich der Verhängung einer Wertersatzstrafe gelten gleichermaßen
für Strafverfahren aufgrund dieses Absatzes.
(4) Wer vorsätzlich
1.
2.
3.
eine Meldung über die Unmöglichkeit der Vornahme notwendiger geringfügiger
Instandsetzungsmaßnahmen gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 unterlässt,
ohne Bewilligung gemäß § 6 Abs. 1 ein Denkmal veräußert,
die gemäß § 6 Abs. 4 vorgesehene Verständigung des Bundesdenkmalamtes von der
Veräußerung eines Denkmals oder die Inkenntnissetzung des Erwerbers von der
Tatsache,
dass
dieses
unter
Denkmalschutz
steht
oder
ein
Unterschutzstellungsverfahren eingeleitet wurde, unterlässt,
ist, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren
Handlung bildet, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis 2 100 Euro zu bestrafen. Die
Bestimmungen des Abs. 1 hinsichtlich der Verhängung einer Wertersatzstrafe gelten gleichermaßen
für Strafverfahren aufgrund dieses Absatzes.
(5) Bei den Entscheidungen gemäß den Abs. 2 bis 4 sind Kriterien der Verhältnismäßigkeit und
Zumutbarkeit zu berücksichtigende Umstände.
(6) Soweit das Bundesdenkmalamt in Fällen, in denen ein Strafverfahren bereits läuft, eine
nachträgliche Bewilligung erteilt oder bescheidmäßig feststellt, dass ein öffentliches Interesse an der
Erhaltung eines Denkmals in situ oder durch Dokumentation tatsächlich nicht besteht oder bestanden
hat, ist dieses einzustellen.
(7) Die Verjährungsfrist gemäß § 31 Abs. 2 VStG beginnt bei den in den Abs. 2 bis 4 aufgezählten
Delikten erst ab dem Zeitpunkt, zu dem das Bundesdenkmalamt von den unerlaubt vorgenommenen
Handlungen oder Unterlassungen Kenntnis erlangt hat und die schuldtragende Person ausgeforscht
ist; die Frist endet jedenfalls fünf Jahre nach Beendigung der Tat.
(8) In Strafverfahren gemäß Abs. 1 bis 4 sind Äußerungen des Bundesdenkmalamtes einzuholen.
(9) Die gemäß § 37 eingehenden Gelder fallen dem Bund zu und sind für Ausgaben im Rahmen des
Denkmalfonds zweckgebunden.“
Erläuterungen zu den neu vorgeschlagenen Bestimmungen des § 37 DMSG
Als eine Folge der oben vorgeschlagenen Neuregelungen und insbesondere der Umstellung der
Reihenfolge der „archäologischen“ Paragrafen sind einige kleinere Folgeänderungen in den
Strafbestimmungen des § 37 DMSG erforderlich. Dabei handelt es sich mit Ausnahme einer Änderung
nur um Anpassungen von Paragrafen- und Absatznummern sowie sprachliche Änderungen, nicht um
inhaltliche Änderungen. Die Strafbestimmungen des § 37 Abs. 2 Z 6 und 7 igF werden, weil obsolet,
gestrichen.
Die eine erwähnte, bedeutendere inhaltliche Änderung findet sich im neu vorgeschlagenen Abs. 2 Z 3,
in dem der Strafrahmen für entgegen der Bewilligungspflichten des § 8 Abs. 1 und 2 in der hier
vorgeschlagenen Fassung durchgeführte Grabungen, Arbeiten oder sonstigen Maßnahmen bestimmt
wird. Diese ersetzt die bisher in Abs. 2 Z 2 igF enthaltene (und aus diesem nun ausgegliederte)
Strafbestimmung für Verstöße gegen die Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 igF, die einen
Strafrahmen von bis zu € 25.400 vorgesehen hat.
420
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Der bisher vorgesehene Strafrahmen ist jedoch aus gleich zweierlei Gründen höchst problematisch: er
ist für Verwaltungsübertretungen durch gewöhnliche Bürger, die z.B. bei der Metallsuche
irgendwelche weitgehend wertlosen Fundstücke entdeckt haben, viel zu hoch (und wird daher auch
in der Praxis durch die Anwendung der Bestimmungen des Abs. 3 igF normalerweise auf
durchschnittlich € 250-500 reduziert) und daher auch als Verhaltenssteuerungsmaßnahme für den
Durchschnittsbürger, der das Gesetz liest, vollkommen sinnlos. Denn der Bürger, der diese Zahl sieht
und diese mit seinem Einkommen vergleicht, glaubt, dass die Strafe für die Verletzung des § 11 Abs. 1
igF etwa zwei Drittel seines Jahreseinkommens beträgt (oder wenigstens betragen könnte), was den
Durchschnittsbürger unmittelbar ruinieren würde. Das macht die angedrohte Strafe für seine weiteren
Erwägungen weitgehend irrelevant, weil es für ihn nur noch darauf anzukommen scheint, ob er
überhaupt erwischt wird. Das führt einerseits dazu, dass die Meldewilligkeit von Bürgern, die entgegen
der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 igF nach Funden gesucht haben, noch weiter sinkt und andererseits
dazu, dass die Fundumstände nur noch weniger dokumentiert werden, weil ja, solange ein Loch im
Boden erkenntlich ist, die Chance erwischt und auch bestraft werden zu können am größten ist.
Umgekehrt ist die Strafhöhe für Bauunternehmen und andere größere Erdarbeiten durchführende
Personen, deren potentiell archäologische Denkmale im Boden gefährden könnende Handlungen ja
im
hier
vorgelegten
Änderungsvorschlag
ebenfalls
den
denkmalschutzrechtlichen
Bewilligungspflichten des § 8 Abs. 1 und vor allem 2 unterworfen werden sollen, (übrigens ebenso wie
die € 50.800, die die Maximalstrafe für die Zerstörung eines geschützten Denkmals darstellen) oftmals
viel zu gering, vor allem wenn es sich um größere Bauvorhaben handelt. Gerade bei
Großbauvorhaben, deren Wert oftmals im Bereich mehrerer 10 Millionen, wenn nicht sogar mehrerer
100 Millionen oder sogar über 1 Milliarde Euro liegen kann, sind Strafen bis zu € 25.400 nicht einmal
erwähnenswert, weil sie das Bauunternehmen, das die Grabungsgenehmigungspflichten missachtet,
auch locker aus der Portokasse bezahlen kann. Folglich ist die abschreckende Wirkung solcher Strafen
marginal, wenn nicht gleich Null.
Um beiden diesen Problemen entgegenzutreten, wird – ganz im Sinne des oben schon zu gestaffelten
Strafhöhen entsprechend des wirtschaftlichen Wertes der Arbeiten Gesagten, deren
denkmalgerechte Durchführung durch die Strafbestimmungen gefördert werden soll – hier
vorgeschlagen, die Strafhöhe vom wirtschaftlichen Wert der geplanten Arbeiten abhängig zu machen,
zu deren Durchführung die Missachtung der Bewilligungspflicht beigetragen oder die sie sogar
überhaupt erst ermöglicht hat. Es wird daher vorgeschlagen, dass bei geplanten wirtschaftlich
motivierten Handlungen wie z.B. Bauarbeiten als Obergrenze des Strafrahmens der wirtschaftliche
Gesamtwert des geplanten Bauprojektes, bei Handlungen, die auf wirtschaftlichen Gewinn z.B. aus
dem Verkauf der bei den entgegen der gesetzlichen Bewilligungspflichten entdeckten beweglichen
archäologischen Denkmale ausgerichtet sind, hingegen der wahre Wert (Verkehrswert im Inland) der
entdeckten Gegenstände herangezogen wird.
Dadurch, dass man wirtschaftlich motivierte, vorsätzliche Verstöße gegen die denkmalrechtlichen
Genehmigungspflichten wirklich empfindlichen, am erzielten (oder zu erzielen beabsichtigten)
wirtschaftlichen Vorteil orientierten, Strafen unterwirft, wird jenen, die durch die eine
Verhaltenssteuerung in Richtung möglichst denkmalgerechtes Handeln bezweckenden Belohnungen
nicht dazu motiviert werden, sich freiwillig wie vom Gesetzgeber gewünscht zu verhalten, der von
ihnen durch ihr nicht denkmalgerechtes, rechtswidriges Handeln zu erzielen versuchte Vorteil
genommen. Damit werden auch die, die das Gesetz vorsätzlich zu brechen bereit sind – also
unverantwortliche Bauunternehmer, Land- und Forstwirte etc. und „Schatz-“ bzw. „Raubgräber“ – nun
eben mittels der gesetzlichen Peitsche, zum denkmalgerechten Verhalten animiert, weil sie –
wenigstens, wenn sie erwischt werden – den angestrebten Vorteil für sich nicht mehr erzielen können,
421
Änderungsvorschläge für archäologische Bestimmungen des DMSG
sondern im Gegenteil mit empfindlichen Schaden rechnen müssen. Der Schatzsucher, der damit
rechnen muss, nicht nur den Gewinn, den er am Schwarzmarkt aus dem Verkauf seiner rechtswidrig
ausgegrabenen Funde lukriert hat, als Strafe für die rechtswidrige Missachtung ihn treffender
denkmalrechtlicher Genehmigungs- und/oder Dokumentationspflichten zu bezahlen, sondern deren
wahren Wert, wird sich das weit eher überlegen. Der Bauunternehmer, der den Gesamtwert des
Bauvorhabens als Strafe zahlen muss, bei dem er sich durch Missachtung der denkmalrechtlichen
Genehmigungspflicht ein paar Promille dieses Gesamtwerts als zusätzlichen Gewinn zu verschaffen
versucht oder den Zuschlag als Billigstbieter dadurch bekommen hat, dass er sich die notwendigen
archäologischen Untersuchungen erspart hat, wird sich das auch mehr als zweimal überlegen.
Derartige Strafen und vor allem ein solcher flexibler Strafrahmen sind also auch dafür geeignet und
tragen dazu bei, dass Handelnde, die ihr Verhalten entweder möglichst denkmalgerecht oder nicht
denkmalgerecht gestalten können, so stark als möglich dazu motiviert werden, sich so zu verhalten,
dass das gesetzliche Schutzziel so sehr als möglich erreicht wird.
Ersetzungen von Begriffen im Wortlaut anderer Bestimmungen des DMSG
Die hier vorgeschlagenen Änderungen machen eine Ersetzung des Begriffs „Bodendenkmal“ durch
„archäologisches Denkmal“ in § 1 Abs. 5, § 5 Abs. 5 und § 32 Abs. 2 nötig. Gegebenenfalls könnten
auch Anpassungen von Verweisen auf Paragrafennummern archäologischer Bestimmungen in
anderen Paragrafen des DMSG notwendig werden, mir sind allerdings bei einer Durchsicht des
Gesetzeswortlautes des DMSG igF keine aufgefallen. Es wird dennoch keine Gewährleistung dafür
übernommen, dass ich nicht den einen oder anderen Querverweis oder weitere Nennungen des
Begriffs Bodendenkmal in anderen als den oben genannten Paragrafen übersehen habe.
422
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Abschließende Bemerkungen
Ändert man die Bestimmungen des DMSG wie im vorigen Kapitel vorgeschlagen, sollten sich die
meisten Probleme der archäologischen Denkmalpflege in Österreich, bzw. wenigstens die, die durch
die inzwischen vollkommen unbrauchbar gewordenen Bestimmungen des DMSG igF ergeben,
einigermaßen effektiv lösen lassen. Der archäologische Denkmalschutz in Österreich würde von der
bisherigen, reaktiven und rein konstitutiven Lösung, die man als „fundzentrierte“ Lösung des
archäologischen Denkmalschutzes bezeichnen kann und die ausschließlich bereits bekannte, bereits
unter Denkmalschutz gestellte archäologische Denkmale schützen kann; auf eine präventive und nach
dem deklaratorischen Prinzip (DGUF 2013) funktionierende Lösung umgestellt, die man als
„gefahrenzentrierte“ Lösung des archäologischen Denkmalschutzes bezeichnen kann, mit der sich
tatsächlich alle – d.h. auch die noch unbekannten – archäologischen Denkmale einigermaßen effektiv
schützen lassen. Eine solche, präventive Lösung ist auch dringend notwendig, wenn es dem
Denkmalschutz tatsächlich darum gehen soll, Allgemeinwohlinteressen zu fördern und er gleichzeitig
so wenig als möglich in die ebenfalls berechtigten Interessen der gegenwärtig lebenden Menschen
eingreifen soll, ihr Leben und Handeln so zu gestalten, wie sie es wollen.
Brutal gesagt ist die bisher gewählte Lösung für die archäologische Denkmalpflege in Österreich
kaputt; und zwar irreparabel. Man kann zwar durchaus versuchen, sich weiter irgendwie daran zu
klammern und damit dennoch irgendwie – wenn auch eher schlecht als recht – etwas zu tun, was bei
gutmütiger und nicht allzu genauer Betrachtung nach innen wie nach außen als etwas, was so ähnlich
wie ein archäologisch-denkmalpflegerisches Feigenblatt wirkt, das einen vor vollständiger nationaler
und internationaler Blamage schützt, verkauft werden kann. Wirklichen Sinn hat das aber nicht, weil
man damit nur irgendwelche, noch dazu weitgehend willkürlich ausgewählten, angeblich „besonders“
bedeutenden alten Sachen erhält, die weder der archäologischen Wissenschaft noch der
Allgemeinheit wirklich etwas nutzen und Staat wie Gesellschaft nur weitgehend unnötig Geld kosten,
das man sich ebenso gut sparen oder besser verwenden könnte. Denn alles, was man damit erreicht,
ist, bei genauerer Betrachtung, nicht einmal besser als gar nichts; sondern es wäre weit besser, wenn
man sich die gesetzlichen Regelungen und die Behörde spart, die in erster Linie die archäologische
Wissenschaft behindern, während die tatsächlich gefährdeten, bedeutenden archäologischen
Denkmale dadurch weder erhalten noch effektiv zur Förderung des Allgemeinwohls genutzt werden.
Eine Denkmalverwaltung, die zum bürokratischen Selbstzweck verkommen ist – und das ist die
archäologische Denkmalpflege in Österreich derzeit – hat keinen Sinn und bringt niemandem etwas;
außer vielleicht den drei Handvoll Beamten, die dadurch, dass sie sich als Fachbeamte in dieser
Behörde ihren Lebensunterhalt verdienen können, vor der Arbeitslosigkeit geschützt sind. Aber
ehrlich gesagt und so sympathisch mir die meisten der KollegInnen, die das Glück hatten, im BDA einen
Job zu bekommen, auch sind: wenn es nur darum geht, diese ca. 15 AkademikerInnen vor der
Arbeitslosigkeit zu bewahren, wäre es weit sinnvoller, sie dafür zu bezahlen, dass sie das machen
können, was die meisten von ihnen wenigstens meiner Wahrnehmung nach viel lieber tun wollen
würden als irgendwelche Genehmigungsverfahren durchzuführen, Unterschutzstellungsverfahren
vorzubereiten, und tausend andere bürokratische Aufgaben zu erledigen, nämlich dafür,
archäologische wissenschaftliche Forschung zu betreiben. Denn das würde nicht nur der
archäologischen Wissenschaft weit mehr bringen, sondern auch einem besseren Schutz der
archäologischen Denkmale bewirken; und, was am wichtigsten ist, am meisten das Allgemeinwohl
fördern, weil dann wenigstens die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse dieser 15 KollegInnen der
Öffentlichkeit vermittelt werden und damit dieser nützlich sein könnten.
423
Abschließende Bemerkungen
Letztendlich ist das Problem mit dem DMSG igF, dass es für moderne Erfordernisse nicht mehr
geeignet ist. Das heißt nicht, dass es immer ein schlechtes Gesetz war: in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts, in dem die Grundlagen, auf denen es beruht, geschaffen wurden, wäre es ein nahezu
perfektes Gesetz gewesen, seiner Zeit in gewissem Sinn sogar noch voraus. 1923, als es schließlich
erlassen wurde, war es wenigstens immer noch einigermaßen gut geeignet, um den mit ihm
angestrebten Zweck zu erreichen, damals als wirklich „bedeutend“ betrachtete archäologische
Denkmale zu schützen und die noch in ihren akademischen Kinderschuhen steckende archäologische
Wissenschaft ausreichend zu fördern, ohne das damalige Leben und die damalige Wirtschaft zu sehr
zu beschädigen.
Heute ist es jedoch für nichts mehr geeignet, weder für die Erhaltung der überwältigenden Mehrheit
der archäologischen Denkmale, sei es nun durch ihre wissenschaftliche Dokumentation bei ihrer
Entfernung ex situ oder durch ihre „unveränderte“ physische Erhaltung in situ, noch für die
archäologische Wissenschaft, die durch es heute weit mehr behindert als gefördert wird, noch für die
moderne Gesellschaft und Wirtschaft. Denn der Gesellschaft bringt es praktisch nichts, wenn
irgendwo unter der Erdoberfläche, wo niemand einen Nutzen davon hat, etwas über tausend
archäologische Denkmale etwas langsamer vor sich hin verfallen als die hunderttausenden noch
gänzlich unbekannten archäologischen Fundstellen, die zig Millionen von zusammenhängenden
Befundkomplexen, die sich in diesen befinden, die hunderten Millionen Einzelbefunde, aus denen sich
diese zusammensetzen, und die Milliarden an beweglichen Kleinfunden, die in und zwischen diesen
herumliegen, die es sonst überall im Lande gibt. Und die Wirtschaft wird durch ein reaktives Gesetz
wie das DMSG igF bestenfalls behindert, wenn sie das tun will, wofür sie da ist, nämlich den heute
lebenden Menschen das Einkommen und die Güter zu verschaffen, die sie sich wünschen.
Die archäologische Fachwelt, und nicht nur die, ist daher auch völlig unzufrieden damit; so sehr dass
sich die archäologische Denkmalpflege – die ja de facto von professionellen ArchäologInnen, die als
Fachbeamte tätig sind, betrieben wird – dazu genötigt fühlt, die gesetzlichen Regelungen so zu beugen
und notfalls auch zu brechen, dass das mit einer auf dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip beruhenden,
ordnungsgemäßen staatlichen Verwaltung nicht mehr das Entfernteste zu tun hat, um wenigstens
ansatzweise einen halbwegs funktionierenden – und zwar einigermaßen präventiven –
archäologischen Denkmalschutz zu erreichen; statt nur Verwalter des unaufhaltsamen Verfalls der
archäologischen Denkmalsubstanz zu sein, dem sie nur weitgehend tatenlos zusehen kann. Die grob
rechtswidrige archäologische Denkmalpflege, die in Österreich, wenigstens in den letzten
Jahrzehnten, von BDA betrieben wurde – und die in dieser Realsatire, die dann doch weit ernster
geendet hat, als sie begonnen wurde, dargestellten Probleme sind in dieser Beziehung bei weitem
nicht die einzigen Vorkommnisse (siehe dazu schon Karl 2011a; 2016a), sondern vieles habe ich nicht
einmal richtig erwähnt – ist eine zwingende Folge davon.
Denn den Denkmalpflegern – insbesondere den archäologischen Denkmalpflegern – bleibt in
Wahrheit gar nichts anderes übrig, als sich das Gesetz zu hinzubiegen zu versuchen, dass es doch
irgendwie zu funktionieren scheint, bis es irgendwann so überbogen wurde, dass man es, ohne es
wirklich zu bemerken, schon gebrochen hat, dass sie die Aufgabe wenigstens irgendwie erledigen
können, die ihnen der Staat vorgeblich aufgetragen hat: nämlich (archäologische) Denkmale in
wenigstens einigermaßen zeitgemäßer Weise zu schützen, zu erhalten und auch das Allgemeinwohl
fördernd zu nutzen. Denn das geht nur – weil sich die archäologische Wissenschaft, die Gesellschaft,
die Wirtschaft und natürlich auch die Gefahren, welchen die Archäologie da draußen in der Landschaft
ausgesetzt ist, seit 1923 so maßgeblich verändert haben, dass heute nichts mehr so ist, wie es damals
war – indem man präventive Denkmalpflege statt reaktivem Denkmalschutz betreibt. Eine präventive
Denkmalpflege gibt das derzeitige DMSG aber beim besten Willen nicht her.
424
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
Gleichzeitig hatte und hat die archäologische Denkmalpflege aber auch seit Jahrzehnten zunehmende
Angst vor jeder Gesetzesänderung, denn man glaubt, dass das Gesetz mit jeder weiteren Änderung
nur noch schlechter wird und noch weniger funktioniert als je zuvor. Damit hat man auch bis zu einem
gewissen Grad recht: einerseits, weil sich eben die Welt seit 1923 zunehmend geändert hat und daher
ein nicht fundamental überarbeitetes Gesetz auch jedes Jahr – völlig unabhängig davon, ob es nun
(ein klein wenig) geändert wurde oder nicht – wenigstens ein wenig schlechter funktioniert als noch
im Jahr davor; und andererseits, weil das Herumdoktern an den gesetzlichen Bestimmungen, wenn es
denn einmal dazu gekommen ist, stets zu noch mehr Problemen geführt hat, als durch die versuchten
Verbesserungen (letztendlich zumeist gar nicht) gelöst wurden.
Ob Letzteres jetzt tatsächlich, wie das in der archäologischen Denkmalpflege gerne geglaubt wird,
dadurch verursacht wurde, dass die unverständige Politik lieber auf die nur an ihren eigennützigen
Interessen und an mehr Gewinn und einer Kostensenkung interessierten Wirtschafts- und
Grundeigentümerlobbys hört, die jede Verbesserung des DMSG sabotiert haben, weil das weit
bequemer als die Alternative ist, soll dahingestellt bleiben. Ob es nicht viel mehr daran liegt, dass der
zuständige Ministerialrat, der für alle drei größeren Novellen des Denkmalschutzgesetzes 1978, 1990
und 1999 als Autor verantwortlich war, entweder von sich aus so inkompetent war, dass er ein Gesetz,
das durch äußere Umstände ohnehin schon zunehmend obsolet wurde, durch jeden seiner
Verbesserungsversuche nur noch schlechter gemacht hat, oder von selbst nicht tief genug
nachgedacht habenden, auf bestimmte Themen übermäßig konzentrierten oder ihrerseits hochgradig
inkompetenten ehemaligen MitarbeiterInnen der Abteilung „für Bodendenkmale“ des BDA einfach
schlecht beraten wurde, oder den Gesetzgeber durch zunehmend kreative juristische Tricks und
Ablenkungsmanöver über die wahren Absichten und Bedürfnisse der archäologischen Denkmalpflege
zu täuschen versucht hat und damit den Salat verursacht hat, den wir nun haben; ist eine andere
Frage.
Aber letztendlich sind die Ursachen auch egal: Tatsache ist und bleibt, dass sich entweder die
archäologische Fachwelt und Denkmalpflege damit anfreunden muss, dass der österreichische
Gesetzgeber kein ordentliches, modernes DMSG will, mit dem man auch modernen Anforderungen
und Bedürfnissen genügende archäologische Denkmalpflege betreiben kann, sondern mit etwa 1.100
archäologischen Denkmalen genug hat, die auch gar nicht wirklich erhalten, sondern bloß in situ
belassen werden, damit sie dort langsam und weitgehend unbeachtet vor sich hin verfallen können.
Kultur ist in Österreich schließlich Mozart und Sisi, nicht Archäologie. Dann kann man das BDA aber
auch gleich ganz abschaffen, oder wenigstens seine archäologische Abteilung zusperren, weil das ist
dann auch schon egal.
Oder der Gesetzgeber muss sich dazu entschließen oder von uns ArchäologInnen, den archäologischen
DenkmalpflegerInnen und den BürgerInnen, die sich für Archäologie und den archäologischen
Denkmalschutz interessieren, dazu bewegt werden, ein neues, verbessertes und vor allem den
gegenwärtigen Anforderungen und Bedürfnissen einer nachhaltigen archäologischen Denkmalpflege
genügendes Gesetz zu schaffen; ein Gesetz, dass auch die Verpflichtungen erfüllt, die Österreich durch
die Ratifikation internationaler Konventionen wie jenen von Valletta (Europarat 1992) und Faro
(Europarat 2005) eingegangen ist. Mit einem solchen Gesetz – und einen Vorschlag für ein solches
habe ich hier vorgestellt – kann ein von der Regierung auch mit den dafür notwendigen personellen
und finanziellen Ressourcen ausgestattetes BDA dann auch tatsächlich rechtmäßig die einigermaßen
moderne, nachhaltige archäologische Denkmalpflege betreiben und umsetzen, die sich Österreich und
seine Archäologie, aber vor allem die österreichische Bevölkerung, auch tatsächlich verdient hat.
425
Nachwort zu einer (nicht nur österreichischen) Realsatire
Nachwort zu einer (nicht nur österreichischen) Realsatire
Also wirklich, der Herr Karl schon wieder! Warum kann der nicht einmal seine viel zu große Klappe
halten? Es war doch eh alles in Ordnung mit der archäologisch-denkmalpflegerischen Welt in
Österreich! Wir wissen doch eh alle, dass es das eine oder andere Problem gibt, einen wirklich
effektiven archäologischen Denkmalschutz umzusetzen; vor allem, weil ja alle anderen so gemein zu
uns sind und nicht verstehen, dass wir uns tagtäglich im Schweiße unseres Angesichts abrackern, dass
wir so viel von den archäologischen Denkmalen retten, als man nur irgendwie retten kann; und nicht
verstehen, dass und warum Archäologie wichtig ist und man sie erhalten muss.
Aber wenn dem so ist, dass alle anderen so gemein und so unverständig sind, an wem liegt das? Sind
nur wir so schlau, so weltgewandt und so gebildet, dass nur wir, die Philosophen-Könige der
Archäologie, die Wahrheit kennen und sie daher allen anderen aufzwingen müssen, zu ihrem eigenen
Wohl, auch wenn sie das gar nicht wollen? Und wenn wir das sind, warum haben wir all den anderen,
unverständigen und ungebildeten Toren nicht schon längst erfolgreich erklärt, warum wir recht haben
und sie nicht? Liegt es daran, dass einfach alle anderen schlicht und einfach zu dumm sind, zu verstehen,
was wir schon lange verstanden und schon immer gewusst haben? Oder liegt es nicht viel mehr daran,
dass wir seit zwei Jahrhunderten das Gleiche tun und argumentieren; und uns jedes Mal, wenn wir damit
wieder keinen Erfolg haben, darüber wundern, warum es denn diesmal schon wieder nicht funktioniert
hat?
Albert Einstein soll angeblich gesagt haben, dass es Wahnsinn sei, „wenn man immer wieder das
Gleiche tut, aber andere Resultate erwartet“, obwohl dieses Zitat, soweit sich das nachvollziehen lässt,
wohl eher von der amerikanischen Schriftstellerin Rita Mae Brown (1990) geprägt worden sein dürfte.
Egal von wem das Zitat nun wirklich stammt, es beschreibt nahezu exakt den Zustand der
archäologischen Denkmalpflege in Österreich: wir tun seit Jahrzehnten immer das Gleiche, aber
erwarten andere Resultate. Und wenn sich diese nicht einstellen, dann ist das nie unsere Schuld, sondern
schuld ist immer wer anderer.
Die archäologische Denkmalpflege verhält sich seit Jahrzehnten so, als ob die Probleme, die wir haben,
nur unbedeutende Ausnahmen von der Regel sein würden; frei nach dem Motto: Fehler passieren
vereinzelt überall einmal, das kann man nicht verhindern. Man tut so, als ob Mängel, deren Existenz
man anerkennen muss, weil sie inzwischen so augenfällig geworden sind, dass man sie nicht einmal
beim besten Willen mehr ableugnen kann, ohne sich vollkommen lächerlich zu machen, nur ein
temporäres Problem wären, an dessen Behebung man ohnehin schon mit aller Kraft arbeiten würde und
das in baldiger Zukunft vollkommen aus der Welt geschafft sein würde, weil man die Lösung für alle
Probleme ohnehin schon kennt und es nur derzeit, gerade in diesem Augenblick, noch an irgendeiner
Kleinigkeit fehlt, die leider im Bereich von jemand anderem als uns liegt, damit endlich das
archäologische Paradies auf Erden erreicht ist. Weil wir wissen ja schließlich alle, was wahr, gut und
richtig für die Archäologie und die archäologische Denkmalpflege ist!
Was es braucht ist, wie wir alle wissen, nur noch ein ganz kleines bisserl mehr von dem, was wir schon
immer versucht haben: ein noch ein bisserl strengeres Gesetz, eine noch ein bisserl weitreichende
Auslegung des Gesetzes, nur noch ein ganz kleines bisserl (oder mehr als ein kleines bisserl) strengere
Verbote, Strafen und rechtliche Möglichkeiten, die Archäologie „…qua Gesetz im Interesse aller … vor
dem Zugriff aller…“ (Lüth 2006, 102) zu schützen. Was es braucht ist, dass wir nur noch das kleine
Eitzerl mehr Kontrolle über die Archäologie und die archäologischen Denkmale an uns reißen, die wir
noch brauchen, damit endlich nicht mehr jeder dahergelaufene Dolm unsere heiligen Kühe gefährden
kann; damit sie künftigen Generationen unversehrt erhalten bleiben, die sie dann mit besseren Methoden
als wir heute erforschen können.
Und weil wir die Wahrheit ja schon kennen, brauchen wir uns auch gar nicht mehr mit der Suche nach
ihr aufzuhalten, brauchen keine Evidenzen zu sammeln und uns Gedanken darüber zu machen, wie man
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Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
das, was auch bei der hunderttausendsten Wiederholung noch immer nicht funktioniert, vielleicht so
verbessern könnte, dass es wenigstens ein bisserl besser funktioniert als der Blödsinn, den wir schon
seit Jahrzehnten erfolglos versuchen. Wir setzen lieber unseren Willen durch; und wenn es dafür
notwendig ist, die Gesetze, die wir an allererster Stelle befolgen sollten, zu biegen und zu brechen, dass
es nur so kracht, dann ist das halt so; weil wo gehobelt wird, da fliegen halt Späne!
Dass die Mängel, die wir weitgehend ignorieren, und Fehler, die wir dabei begehen, zu guten Teilen
gravierend, systembedingt, aber vor allem hauptsächlich von uns selbst und unserem gleichermaßen
wiederholt wahnsinnigen Verhalten verursacht werden, habe ich in diesem Buch anhand der
rechtswidrigen Denkmalpflegepraktiken, die in Österreich – aber, wie ich anhand einiger
Vergleichsbeispiele aus Deutschland gezeigt habe, nicht nur da – die letzten Jahrzehnte gang und gäbe
waren, wie ich hoffe einigermaßen eindeutig gezeigt. Die Probleme, mit denen wir kämpfen, sind zwar
selbstverständlich nicht nur, aber doch hauptsächlich, von uns selbst und unserem dogmatischen
Beharren auf ungeeigneten Lösungsmethoden verursacht, weil wir Fehler immer bei anderen suchen,
nicht selbstkritisch über unsere Praktiken und deren Grundlagen reflektieren und schon gar nicht
darüber nachdenken, geschweige denn systematische Forschungen darüber anstellen, was denn die
Allgemeinheit, zu deren Wohl wir vorgeblich handeln wollen, aber die wir nur als Ausrede dafür
benutzen, um jeden Einzelnen von dem, was wir als „unseres“ betrachten, ausschließen zu können,
wirklich von uns und der Archäologie, die wir angeblich für sie und überhaupt nicht für uns schützen
und erhalten wollen, will und erwartet. Dass wir, und wie wir, unsere Position als „die Experten“ für
archäologische Denkmale und archäologisches Wissen, unsere Machtposition, die wir sowohl aufgrund
unseres fachlichen Wissensvorsprungs als auch der uns vom Staat übertragenen Gewaltbefugnisse im
Bereich der archäologischen Denkmalverwaltung, seit inzwischen weit über eineinhalb Jahrhunderten
haben, dazu ausgenutzt haben und immer noch ausnutzen, unseren Glauben – weil es nichts anderes als
ein solcher ist, weil das, was wir in der archäologischen Denkmalpflege tun, mit Wissenschaft
wenigstens schon seit langem nichts mehr zu tun hat – mit fundamentalistischem Eifer allen anderen
aufzuzwingen zu versuchen, wirft kein gutes Licht auf uns, unsere Disziplin, und unseren Berufsstand.
Die „bösen“ Raubgräber sind wenigstens – zumindest in der überwältigenden Mehrheit – vor sich selbst
ehrlich genug um sich einzugestehen, dass sie die laut uns geltenden Gesetze brechen, weil das, was
wir behaupten, offensichtlich selbstwidersprüchlich, kontraproduktiv und eigeninteressiert ist und sie
sich deshalb nicht daran zu halten brauchen, was wir sagen. Wir hingegen lügen uns seit Ewigkeiten
selbst in die Tasche und tun mit abscheulicher Scheinheiligkeit so, als ob wir überhaupt nichts für uns
selbst und alles nur für die anderen tun würden, während wir ja von überhaupt niemanden irgendetwas
anderes erwarten, als dass er sich an die Gesetze hält, während wir ungeniert diese Gesetze biegen und
brechen, wie und weil uns das selbst zum Vorteil gereicht und uns erlaubt, unsere Interessen auf Kosten
aller anderen zu befriedigen. Gesetze, die wir so kompliziert und so unverständlich als möglich gemacht
haben, weil wir damit unsere Position als die einzigen, die wahren, Experten rechtfertigen können, die
es dafür braucht, dass man sagen kann, was denn nun ein archäologisches Denkmal ist, das so bedeutend
ist, dass man es zum Wohl der Allgemeinheit erhalten muss, und auch die einzigen sind, die richtig
bestimmen können, was denn das Schicksal der archäologischen Denkmale sein soll, nämlich dass
niemand außer uns damit irgendetwas machen darf, weil es ja alle anderen, ob unabsichtlich oder
vorsätzlich, nur kaputt machen würden.
Weil wir wissen ja schließlich alle, was im Allgemeinwohl mit archäologischen Denkmalen zu
geschehen hat: sie sind von uns, und ausschließlich uns, für alle anderen aufzuheben und von diesen ja
nicht in irgendeiner Weise anzurühren, damit wir, wenn wir sie in unsere Herrschaftsgewalt bekommen,
sie hegen und pflegen und wie den Schatz, den sie für uns darstellen, in unseren großen Schatzkammern
horten können, die wir bewachen wie der sprichwörtliche Drache, damit uns ja niemand auch nur eine
kleine Scherbe von unserem Schatz stiehlt. Das ist deshalb notwendig, weil wir diesen Schatz ja
schließlich, wenn wir irgendwann einmal irgendeinen Teil davon erforschen wollen, noch absolut
dringend brauchen, weil uns ja sonst der letzte Ring, mit dem wir die Kette der wissenschaftlichen
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Nachwort zu einer (nicht nur österreichischen) Realsatire
Erkenntnis endlich schließen könnten, sonst fehlen könnte. Und er ist ja so schön, der eine Ring, so
wertvoll. My precioussssss….
Gehen’s Herr Karl, jetzt sind sie aber gemein! Wir bemühen uns doch alle so, und auch wirklich ehrlich!
Was Sie uns da unterstellen, stimmt alles nicht!
Jein.
Wir bemühen uns wirklich alle ehrlich: Archäologie und archäologische Denkmalpflege sind nicht nur
Berufe, sondern vor allem Berufung. Wir alle wissen, dass man nicht reich davon wird, dass man
Archäologie betreibt; und auch nicht berühmt wird, wenn man nicht gerade das zweite TutanchamunGrab oder das zweite Troja oder etwas Vergleichbares findet (und dann noch kräftig die
Werbetrommel in eigener Sache rührt). Ganz im Gegenteil, die meiste Zeit kämpfen wir wie Don
Quixote, nur unbedankt und unbesungen, gegen Windmühlenflügel und bemühen uns tatsächlich
redlich, unser Bestes zu tun. Und wir glauben auch tatsächlich, die meisten von uns ehrlich und aus
tiefster Seele, dass wir nur das Beste für das Allgemeinwohl tun und zu erreichen versuchen.
Das Problem damit, vor dem schon Paul Watzlawick (2001, 23-30, 101-6) gewarnt hat, ist, dass man,
wenn man das Gute zu viel, oder auch nur zu viel des Guten will, meist nicht das Bessere, sondern das
Schlechteste erreicht. Nicht unsere Motive und Absichten sind das Problem, die tatsächlich wirklich,
wenigstens in den meisten Fällen, so hehr und edel sind, wie wir es glauben. Unser Problem – das
Problem, das dazu geführt hat, dass wir in Österreich die archäologische Denkmalpflege seit
Jahrzehnten so vergeigt haben, wie man sie nur vergeigen kann – ist, dass wir uns stets aufgrund
unserer hehren und edlen Motive und aufgrund unseres Glauben, auch wirklich schon zu wissen, was
denn nun nicht nur unserem Geschmack nach für uns, sondern auch für alle anderen das Beste ist,
eingeredet haben, dass wir nur noch mehr desselben tun müssen, um unser angestrebtes Ziel zu
erreichen; statt uns die Konsequenzen unseres Handelns selbstkritisch anzuschauen und
herauszufinden zu versuchen, ob und wenn ja was wir nicht vielleicht doch falsch machen oder besser
machen könnten.
Darob haben wir, in der besten Absicht dem Allgemeinwohl so förderlich zu sein, wie wir nur können,
vergessen, dass das, was unserer Ansicht nach das Beste (für uns und die Archäologie) wäre, nicht
unbedingt auch tatsächlich das Beste für alle ist, nicht unbedingt das ist, was dem Allgemeinwohl am
besten dient, und nicht einmal unbedingt das ist, was das Beste für die Archäologie wäre. Wir sind,
wie Platon, hochmütig geworden und haben, wie Platon es empfohlen hat (Watzlawick 2001, 102),
ebenso hochmütig versucht, das was wir für am besten für alle halten auch allen anderen
aufzuzwingen, im Notfall auch gegen ihren Willen und im Notfall auch wider das Gesetz; statt wie
Sokrates bescheiden zu bleiben und uns einzugestehen, dass wir, in Wahrheit, nicht wissen, und uns
daher so redlich als möglich bemühen müssen, das Beste überhaupt erst zu finden. Wir haben
vergessen, dass auch wir Fehler machen können; und es daher unsere erste und wichtigste Pflicht ist,
nach diesen Fehlern zu suchen und aus ihnen zu lernen zu versuchen. Deshalb braucht die
österreichische archäologische Denkmalpflege nicht nur dringlich ein neues DMSG, sondern vor allem
am dringlichsten einen Selbstreinigungsprozess.
428
Raimund Karl, Rechtswidrige Denkmalpflege?
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