Astrid Nunn
Der Alte Orient
Astrid Nunn
Der Alte Orient
Geschichte und Archäologie
Für
C., T., S., E., A.
C., J., M., M.
E., L.-M., P.-H., A.-S.
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Inhalt
Vorwort
I.
9
Archäologie im Vorderen Orient
11
1. Die ersten Reisen in das antike Mesopotamien 12
2. Die ersten Ausgräber und ihre Entdeckungen 13
3. Die Entzifferung der Keilschrift 17
4. Der Streit um „Babel und Bibel“ 18
5. Beginn der Orientalistik als Wissenschaft 19
6. Wer gräbt heute im Vorderen Orient aus? 20
7. Wie wird heute gegraben? Theorien, Methoden und Ziele 21
II.
Geographisches Umfeld
24
1. Zur Terminologie 24
2. Wüsten und Oasen, Gebirge und Flachland 25
3. Die Gewässer 27
4. Das Klima 30
5. Klimaverschiebungen 31
6. Der Küstenverlauf am Golf 31
7. Bodenschätze und Rohstoffe 31
8. Fauna 32
9. Flora 33
Inhalt
5
III.
IV.
Chronologie
36
Menschen und Sprachen
40
1. Woher kommen die Völker des Vorderen Orients? 40
2. Sumerer 40
3. Semiten 42
4. Akkadisch, Babylonisch und Assyrisch 44
5. Weitere Völker und Sprachen 46
6. Mehrsprachigkeit 48
V.
Vom Neolithikum bis etwa 4000 v. Chr.
49
1. Der Weg zur Sesshaftigkeit 49
2. Die letzten Höhlen und das akeramische Neolithikum 52
3. Das keramische Neolithikum 55
4. Das Ende des keramischen Neolithikums 57
5. Organisierte Dorfgemeinschaften: Die Obeidzeit 61
6. Gesellschaftliche, wirtschaftliche und religiöse Strukturen
zwischen dem 7. und dem 4. Jahrtausend v. Chr. 64
VI.
Vom Beginn des 4. Jahrtausends
bis zur Achämenidenzeit 67
1. Aufbruch zur Stadt: Die Uruk- und Gaurazeit 67
2. Djemdet Nasr- und Gaurazeit 68
3. Die ersten Königshäuser: Frühdynastische und Ninive 5-Zeit 70
4. Der erste Versuch einer politischen Einheit: Akkadzeit 73
5. Verwaltung und Ordnung: Ur III-Zeit 79
6. Rivalisierende Städte: Altbabylonische Zeit 81
7. Rivalisierende Staaten: Zweite Hälfte des 2. Jahrtausends 83
8. Das Ende des 2. Jahrtausends: Isin II-Dynastie
und Ende der mittelassyrischen Zeit 85
9. Die großen Reiche des 1. Jahrtausends: Neuassyrische Zeit 86
10. Spätbabylonische Zeit 88
11. Epilog: Achämenidische Zeit 91
VII.
Land, Städte und Städteplanung
92
1. Städtisches und ländliches Leben 92
2. Siedlungsmuster 92
3. Kommunikations- und Transportmittel 93
6
Inhalt
4. Was ist eine Stadt? 94
5. Stadtgründung und Stadtplanung 95
6. Straßen und Plätze 98
7. Gärten 99
8. Landkarten 100
9. Zerstörung von Städten 100
VIII.
Architektur
101
1. Bauen 101
2. Baumaterial 102
3. Sakral contra profan 103
4. Mittelsaalhaus 103
5. Tempel: Allgemein 104
6. Tempelgrundrisse in der Geschichte 107
7. Ziqqurrat 111
8. Paläste 113
9. Wohnhäuser 120
10. Aufriss und Rekonstruktion 121
IX.
Religion und Tempel
122
1. Götterwelt 122
2. Die wichtigsten Götter und Götterfamilien 123
3. Mischwesen 126
4. Theologie und Glaube 127
5. Leben nach dem Tod 129
6. Tempel und religiöse Praxis 129
7. Tempelinventar, Götter- und Kultbilder 131
X.
Ausbildung und Arbeit
132
1. Schreiben 132
2. Schriftbild und Schriftsystem 133
3. Sprache und Inhalt der ältesten Tontafeln 135
4. Alphabet 135
5. Wie viele Tontafeln kennt man heute? 136
6. Schrifttum 137
7. Lernen 137
8. Schulstufen, Schulstoff und „Schulgebäude“ 138
9. Der arbeitende Mensch 139
10. Erfindungen und Wissen 143
11. Gelehrte und Geheimwissen 145
Inhalt
7
12. Archive, Bibliotheken und Depots 145
13. Rationalität und Irrationalität 146
XI.
Bilder und Kunst
147
1. Das Viele und das Einzige 148
2. Formen und Material 148
3. Plastik 148
4. Flachkunst 154
5. Terrakotten 162
6. Stempelsiegel, Rollsiegel 163
7. Bilder 167
XII.
Alltag und Familie
172
1. Der Alltag 172
2. Die Familie 174
3. Die „Freizeit“ 175
XIII.
Lebensgefühl im Alten Orient
177
1. Die gemessene und die gefühlte Zeit 177
2. Lebenserwartung und Lebenseinstellung 178
Zur Chronologie
181
Auswahlbibliographie
Karte
200
Register
202
Abbildungsnachweis
8
Inhalt
187
208
Vorwort
O
bwohl das antike Mesopotamien dank der Bibel nie ganz aus dem
europäischen Gesichtskreis verschwunden war und uns seine zahlreichen Erfindungen bereits über die Griechen vermittelt wurden,
begann seine umfassende wissenschaftliche Erkundung erst nach dem Zweiten Weltkrieg, also wesentlich später als die Griechenlands und Ägyptens. Der
Nachholbedarf und die Tatsache, dass die Zahl der meist im universitären
System eingebundenen Spezialisten sehr klein ist, hatten zur Folge, dass der
Alte Orient im Schulunterricht heute quasi fehlt und lediglich von einer sehr
kleinen Lobby gefördert wird. Im Unterschied dazu steht eine beachtliche
öffentliche Aufmerksamkeit. Große Ausstellungen oder Vorlesungen an den
Universitäten erleben stets regen Zulauf. Das Ischtar-Tor im Vorderasiatischen
Museum zu Berlin bleibt ein Publikumsmagnet. So verbuchte die letzte große Ausstellung in diesem Museum, „Babylon: Wahrheit und Mythos“, die im
Sommer 2008 ihre Tore offen hielt, die Rekordzahl von 570 000 Besuchern.
In den neueren Einführungen und gut lesbaren Veröffentlichungen über
das antike Mesopotamien liegt die Betonung oft auf der Geschichte sowie
auf wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen. In der hier vorgelegten Darstellung sollen archäologisches und kunsthistorisches Material einen
großen Platz einnehmen, ohne den historischen und gesellschaftlichen Rahmen zu vernachlässigen. Das ergibt eine enorme Fülle. Daraus auszuwählen
bedeutete die größte Herausforderung. Eine grundsätzliche Wahl betraf auch
das geographische Gebiet. Ich habe es bevorzugt, die einzigartige mesopotamische Kultur etwas umfassender zu schildern, dafür musste ich aber bedauerlicherweise die umgrenzenden Gebiete vernachlässigen. Den gesamten
Vorderen Orient zu behandeln, hätte den Charakter dieses Buches gesprengt
oder zu einer nicht hinnehmbaren Oberflächlichkeit geführt.
Vorwort
9
(
(
Die Kapitelreihenfolge ist je nach Inhalt chronologisch oder diachronisch
geordnet. Die gegebenen Informationen sollen dem heutigen Leser den Einstieg in die Materie, aber auch in die bisher veröffentlichte archäologische
Literatur erleichtern. Andererseits verhehle ich nicht, dass für mich Archäologie nicht aus einer Datensammlung besteht, sondern die Rekonstruktion
des damaligen materiellen und geistigen Lebens ist. Sicher werden meine Einschätzungen nicht immer auf Zustimmung stoßen, den Leser aber hoffentlich umso stärker anregen.
Eine schwierige Frage betrifft die Umschrift der fremdsprachlichen Namen. Die meisten wurden ins Deutsche übertragen, bei sehr gebräuchlichen
Umschriften wurden auch nicht-deutsche Schreibweisen übernommen. Einige akkadische Namen sind jedoch in der wissenschaftlichen Umschrift
wiedergegeben. Dabei entsprechen die Buchstaben Ğ/ğ dem Laut „dj“,
H/h dem „ch“ in Bach oder dem englischen „kh“ und Š/š dem „sch“ oder dem
englischen „sh“. Ebenso problematisch ist die Wahl zwischen dem antiken
und dem modernen Ortsnamen. Ein bestimmter Gebrauch für jeden Ort hat
sich – gerechtfertigt oder nicht – in der Fachliteratur eingebürgert. Ich folge
ihm.
Schließlich bin ich Ursula Hellwag, Paul Kübel und Rudolf Nunn für
ihre kritische Lektüre zu größtem Dank verpflichtet.
10
Vorwort
Archäologie
im Vorderen Orient
I.
S
chon lange schweifen die Gedanken der Menschen zurück in die ältesten Zeiten. Dabei ging es ihnen zunächst nicht darum, Fakten zu sammeln oder ihre Vergangenheit historisch zu rekonstruieren, sondern
– im philosophischen Sinn – eine Ordnung zu schaffen, die sich auch zeitlich
gliedern lässt. Diese Vergangenheitsbetrachtung betrifft nicht die eigene
Geschichte und geschieht ohne archäologisches oder schriftliches Material.
Eine solche Geschichte kann nur abstrakt erdacht werden und einer Typologie ähneln. Sie entspringt auch psychisch-geistigen Mustern, die wohl erklären, weswegen sich die Weltbilder der alten Völker nahekommen. So steht in
allen antiken Kulturen am Anfang ein Zeitalter des Friedens und der Fülle,
gleichsam ein Paradies der Menscheitsgeschichte. Dieses erste Zeitalter ist
„golden“, weitere metallene Zeitalter folgen, das Silberne, das Bronzene und
das Eiserne, die den unwiederbringlichen Abstieg des Menschen widerspiegeln. Im sumerischen „Mythos von Dilmun“ wird die anfänglich reine und
ungefährliche Welt beschrieben. Dank der „sumerischen Königsliste“ wissen
wir, dass „vor der Sintflut“ die Weisen regierten. Der erste Weise, der in der
griechischen Überlieferung des im 3. Jahrhundert v. Chr. in Babylon lebenden Berossos Oannes heißt, war auch der Herr des Goldes und der Beschützer der Goldschmiede. Im 1. Jahrtausend v. Chr. geht dieses Interesse in
konkrete Suche über. Der babylonische König Nabonid grub unter dem
Boden des Schamasch-Tempels in Sippar und fand 18 Ellen tiefer den Gründungsstein „eines früheren Königs“, der den Namen Naram-Sin, Sohn des
Sargon von Akkad, trug. Nabonid regierte zwischen 555 und 539 v. Chr.,
Naram-Sin zwischen 2291 und 2236. Das Sammeln älterer Gegenstände,
womöglich der eigenen Vorfahren oder der eigenen Dynastie, hatte eine
stark religiöse und politische Dimension. Der assyrische König Assurbani-
I. Archäologie im Vorderen Orient
11
pal (668–627 v. Chr.) ist der berühmteste, aber nicht der erste, der in Ninive
durch das Zusammentragen zahlreicher Texte die altorientalische Kultur
überblicken wollte.
1. Die ersten Reisen in das antike Mesopotamien
Abb. 1 왔
Felsenrelief von
Behistun. Der
persische König
Darius I. setzt
den Fuß auf
den besiegten
Gaumata, davor
die gefesselten
neun „Lügenkönige“.
12
Unter den ältesten Reisenden in das Gebiet der altorientalischen Kulturen,
die sich auch für die antike Geschichte interessierten, werden heute die beiden Rabbis Benjamin von Tudela (einem Ort in Spaniens nordöstlicher Provinz Navarra) und Petachiah aus Regensburg genannt, die 1166 und Ende des
12. Jahrhunderts ihre jüdischen Gemeinden bis hin nach Persien besuchten
und Bücher darüber verfassten. Allerdings erschienen sie sehr viel später:
Benjamins Bericht – 1178 in Hebräisch verfasst – erschien 1543 in Konstantinopel und etwas später in Antwerpen auf Lateinisch, Petachiahs Bericht
wurde erst 1871 in Regensburg bekannt.
Pietro della Valle (1586–1652) untersuchte 1616 als Erster die Ruinen
in Babylon und im 20 km südwestlich liegenden antiken Borsippa genauer
(Abb. 52). Ebenfalls als Erster brachte er einige Ziegel mit einer unbekannten Schrift – der Keilschrift – nach Europa.
Um 1764 kopierte der niedersächsische Mathematiker Carsten Niebuhr
(1733–1815) im Rahmen einer von der dänischen Krone finanzierten Expedition die äußerst berühmt gewordene Inschrift auf einem Felsen bei Behistun (Abb. 1). Behistun liegt etwa 30 km östlich von Kermanschah (Iran). In
den Felsen hatte der achämenidische König Darius der Große (521–486
v. Chr.) anlässlich seines Sieges über die „Lügenkönige“ einen Text in Altpersisch, Elamisch und Babylonisch einmeißeln lassen.
I. Archäologie im Vorderen Orient
2. Die ersten Ausgräber und ihre Entdeckungen
Ende des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des 19. Jahrhunderts änderte sich
Europas politische Lage. Die Großmächte Großbritannien und Frankreich
strebten nach größerem politischem und wirtschaftlichem Einfluss und
interessierten sich für den Vorderen Orient, der zu diesem Zeitpunkt zum
Osmanischen Reich gehörte. 1798 ernannte die East India Company in Bagdad den Briten Sir Harford Jones Brydges zum Vertreter ihrer Interessen: 1802
wurde er in den Rang eines Konsuls erhoben. Den ersten Konsuln, die aus
verschiedenen Horizonten stammten, war gemeinsam, dass sie sich für Archäologie sehr aufgeschlossen zeigten. Claudius James Rich (1787–1821)
studierte früh Türkisch, Persisch und Arabisch, Hebräisch, Altsyrisch und
ein wenig Chinesisch. 1808 wurde er englischer Generalkonsul und Vertreter der East India Company in Bagdad, wo er sich mit seiner Frau Mary
niederließ. Anlässlich des Besuches ihrer Schwester 1811 begaben sie sich
nach Babylon. In den zehn Tagen dieses ausschlaggebenden Besuches entstand der erste Stadtplan. Im Laufe der folgenden Jahre zeichnete Claudius
Rich weitere Ruinen. 1820 stand er, gegenüber von Mossul, vor den Hügeln
Kuyundjik und Nebi Yunus und behauptete, dieser Ort habe dem antiken
Ninive entsprochen. Dabei berief er sich auf eine seit dem Mittelalter bestehende Vorstellung sowie auf die Prophetenbücher des Alten Testaments:
Im Buch Jona wird beispielsweise Ninive als die „Große Stadt“ tituliert. An
dem Nebi Yunus genannten Hügel steht ein islamisches Heiligtum mit dem
Grab des Propheten Jona, weil der Wal den „Nebi Yunus“, den „Propheten
Jona“ also, nach dreitägigem Aufenthalt in seinem Bauch an dieser Stelle
ausgespuckt haben soll. 1821 starb Claudius Rich im Alter von 35 Jahren in
Schiraz an der Cholera. Das Ehepaar Rich hatte Antiquitäten gesammelt.
Neben Münzen und altsyrischen Handschriften enthielt die Sammlung auch
Kopien großer Inschriften, unter anderen die des Felsens bei Behistun, vier
Zylinder, 22 teilweise fragmentarische Tontafeln, 13 gestempelte Ziegel – allesamt in Keilschrift geschrieben – und einige altorientalische Rollsiegel.
Ein weiterer bedeutender englischer Wissenschaftler war Sir Henry Creswicke Rawlinson (1810–1895). Er studierte klassische Literatur und Sprachen. Im Gegensatz zu Claudius Rich ging er ohne Kenntnisse orientalischer
Sprachen für die East India Company bereits 1827 nach Indien. 1833 wurde
er nach Persien geschickt, um ab 1835 die Truppen des Schahs zu organisieren. Dabei stattete er auch Behistun Besuche ab und kopierte die Inschriften.
Diese Kopierarbeiten dauerten bis 1847 und waren die Voraussetzung für
eine erfolgreiche Entzifferung der drei Keilschriftsprachen Altpersisch,
Babylonisch und Elamisch. 1843 wirkte er als Konsul in Bagdad, wo er bis
1855 blieb.
Frankreich hatte ein Konsulat in Mossul, im irakischen Norden, eingerichtet, dessen Konsul von 1841 an Paul-Emile Botta war. Die französische
2. Die ersten Ausgräber und ihre Entdeckungen
13
Abb. 2 왖
Victor Place, der
französische Konsul
in Mossul. Photographie von Gabriel
Tranchand.
14
Abb. 3 왔
Henry Layard in
persischer Tracht.
Öffentlichkeit und die Regierung befürworteten
eine archäologische Arbeit, die Ruhm bringen
könnte. Paul-Emile Botta (1802–1870), Sohn eines nach Frankreich geflohenen piemontesischen
Historikers, hatte eine Medizin-Ausbildung absolviert und war bereits 1836 als Arzt am Roten
Meer und im Jemen tätig. Im Dezember 1842
setzte er den Spaten auf dem Hügel Kuyundjik an.
Mit diesem zunächst bescheidenen Schnitt beginnt die mesopotamische Archäologie. Obwohl
Botta dort erfolgreich war, erzählten ihm Einheimische, dass es in einem 20 km nördlich liegenden Dorf namens Khorsabad mit Bildern versehene Steine gäbe. Im März 1843 verlegte er seine
Arbeit auf diesen neuen Hügel, wo er wundervoll verzierte, Orthostaten genannte Steinplatten
fand, so dass er diese Stadt für Ninive hielt und
unter diesem Namen publizierte. Erst 1847 erkannte er seinen Irrtum: Er hatte nicht Ninive,
sondern das antike Dur-Scharrukin, die ehemalige Hauptstadt des assyrischen Königs Sargon,
ausgegraben.
1851 wurde Victor Place zum französischen
Konsul in Mossul ernannt (Abb. 2). Er sorgte dafür, dass Reliefs und Funde aus Khorsabad nach
Paris gelangten. 1855 wurden 149 Kisten auf Flöße verpackt und auf dem Tigris nach Basra geschickt. Unweit des Zusammenflusses von Euphrat und Tigris in Qurna wurden diese Flöße von
Beduinen angegriffen. Nur wenig wurde gerettet,
die meisten Flöße versanken. Was blieb, erreichte
Paris 13 Monate später und kann heute im Louvre
bewundert werden (Abb. 86).
Austin Henry Layard (1817–1894) studierte
Jura in London (Abb. 3). Nebenbei lernte er Arabisch und Persisch und erwarb sich Grundkenntnisse in der Schifffahrt und in der Medizin. 1839
startete er nach Osten und erreichte 1840 erstmals
Mossul und die assyrischen Hügel. Er befreundete sich mit Paul-Emile Botta, der seit 1843 hauptsächlich in Khorsabad arbeitete. Beide Männer
waren übereingekommen, gleichzeitig den Hügel
von Kuyundjik ins Blickfeld zu nehmen. Im No-
I. Archäologie im Vorderen Orient
vember 1845 begann Layard auch in Nimrud zu
graben, wo er außerordentlich erfolgreich war.
Die Ablösung Bottas durch Victor Place und
Layards durch Henry C. Rawlinson 1851 änderte
nichts an der Zusammenarbeit zwischen den Vertretern beider Länder. Erst als sich Rawlinson
durch einen örtlichen Chaldäer namens Ormuz
Rassam (1826–1910) vertreten ließ, verschlechterte sich die Lage. Zwischen Rassam und Place
herrschte Abneigung. Ormuz Rassam ließ im
Dezember 1853 nachts auf dem „französischen
Sektor“ graben. Dabei kamen die berühmten
Orthostaten mit Assurbanipals Jagdszenen sowie
zahlreiche Tontafeln ans Licht, die heute das Britische Museum zieren. Place, durch diese Tätigkeit
und durch die fehlende finanzielle Unterstützung
seitens der französischen Regierung maßlos enttäuscht, verließ den Orient.
Obwohl ihre Suche auf sensationelle Funde abzielte und obwohl ihre Grabungstechniken nach
unseren heutigen Maßstäben zerstörerisch waren
(Abb. 4), sind diese Männer durch ihren Idealismus und ihren unermüdlichen Einsatz unter
schwierigsten Bedingungen, den sie allzu oft mit
ihrem Leben bezahlten, echte Pioniere gewesen.
Der Krimkrieg (1853–1856), in dem es auch
um den Besitz der heiligen Stätten im Vorderen
Orient ging, verursachte eine archäologische Pause von 20 Jahren. Der Schauplatz der ersten Ausgrabungen altorientalischer Städte war die historische
Gegend Assyrien im Norden des heutigen Irak. Nach dem Krimkrieg verlagerte sich die archäologische Forschung nach Süden, wo es ebenfalls
ausländische Vertretungen gab. Ernest Chocquin de Sarzec (1832–1901),
Frankreichs Vizekonsul in Basra, erfuhr 1877 von einem Ort, an dem Statuen liegen sollten. Dort – in Tello, dem antiken Girsu – grub eine französische Mannschaft alsbald aus und legte die Statuen des durch sie berühmt
gewordenen Königs Gudea von Lagasch frei. So wurden die sumerische
Kultur und Sprache entdeckt. Die Bedeutung dieser Entdeckungen blieb niemandem verborgen. 1888 nahm ein amerikanisches Team unter der Leitung
der University of Pennsylvania in Nippur seine Tätigkeit auf.
Für Deutschland begann die archäologische Forschung im Vorderen
Orient mit Heinrich Schliemann (1822–1890), der als erster Ausgräber Trojas in die Geschichte eingegangen ist. In Mesopotamien selbst begann die
Erkundung durch deutsche Archäologen dank der Gründung der Deut-
2. Die ersten Ausgräber und ihre Entdeckungen
왖 Abb. 4
Tunnelgrabungen
wie hier in Ninive
auf der Zeichnung vor Ort von
S. C. Malan sind
nach heutigen
Maßstäben zerstörerisch.
15
schen Orient-Gesellschaft (DOG) am 24. Januar 1898 in Berlin. Sie sollte die
Erforschung des Alten Orients ermöglichen und die dortige Arbeit logistisch
und finanziell erleichtern. 1901 übernahm der an Archäologie interessierte
Kaiser Wilhelm II. die Schirmherrschaft über die Gesellschaft und stellte große finanzielle Mittel zur Verfügung. Die ersten Grabungen der DOG galten
Babylon, der wichtigen assyrischen Stadt Assur, der ehemaligen hethitischen
Hauptstadt Boğazköy, der sumerischen Schlüsselstadt Uruk und der von
Amenophis IV. / Echnaton neugegründeten Hauptstadt Tell el-Amarna.
Robert Koldewey (1855–1925) leitete von 1899 bis 1917 die Grabungen in
Babylon. Im nördlichen Irak verantwortete von 1903 bis 1914 der Architekt
Walter Andrae (1875–1956) die Grabungen in Assur, nachdem er Assistent
Koldeweys in Babylon gewesen war. Beiden galt als erklärtes Ziel, eine stratigraphische Sequenz darzulegen und ganze Gebäude auszugraben. In Assur
wurde erstmals die Methode des Tiefschnitts im Ischtar-Tempel angewandt.
Der Erste Weltkrieg brachte abermals eine mehrjährige Unterbrechung.
1918 wurde das Osmanische Reich aufgelöst; in Folge davon wurden seine
ehemaligen östlichen Gebiete aufgeteilt. Irak, Jordanien und Palästina waren
nun britische Mandate, Syrien und Libanon französische. Diese Aufteilung
hatte zur Konsequenz, dass die meisten Grabungen britisch und französisch
waren. So begannen Campbell Thompson 1918 in Ur und Eridu, 1923 Stephen Langdon (1876–1937) in Kisch und im Libanon von 1921 an Pierre
Montet (1885–1966), dem Maurice Dunand (1898–1987) folgte, in Byblos.
Unter den zahlreichen französischen Grabungen in Syrien zählen zu den
wichtigsten Ras-Schamra (antik Ugarit) und Tell Hariri (antik Mari), wo jeweils 1930 und 1933 unter der Leitung von Claude Schaeffer (1898–1982) und
André Parrot (1901–1980) die Arbeit begann. Von 1922 an war auch Leonard
Woolley (1880–1960) im Irak tätig. 1926 entdeckte er in Ur den frühdynastischen „königlichen Friedhof “, dessen Prachtstücke heute im British Museum
zu bewundern sind. 1912/13 begannen die Architekten Julius Jordan (1877–
1945) und Conrad Preußer (1881–1964) in Uruk und knüpften damit an die
erste britische Untersuchung von William Kennet Loftus 1850 bis 1854 an.
Unter der Leitung von Pinhas Delougaz (1901–1975) folgte 1930 das Oriental Institute von Chicago unweit östlich von Bagdad im Diyala-Gebiet. All diese für jene Zeit zum Teil vorbildlichen Grabungen bedeuteten mit den guten
stratigraphischen Beobachtungen und ihrer Masse an gefundenem Material
den Start der mesopotamischen Archäologie und der Rekonstruktion der
Geschichte des Zweistromlandes. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die
Länder des Vorderen Orients unabhängig und bauten eigene Antikendienste
auf. Danach erlebte die archäologische Forschung in dieser Gegend sowohl
in der Zahl der Projekte wie auch in der Zahl der teilnehmenden Staaten
einen enormen Aufschwung. Damit verbunden war und ist noch immer ein
Wissenszuwachs, der dem eines naturwissenschaftlichen Faches in nichts
nachsteht.
16
I. Archäologie im Vorderen Orient
3. Die Entzifferung der Keilschrift
Der übliche Schriftträger im Alten Orient ist der Ton gewesen. Mit einem
spitzen Griffel wurde in den noch feuchten, zu einer Tafel geformten Ton geschrieben. Das Eindrücken der Griffelspitze ergibt eine dreieckige Form, die
an einen Keil erinnert (Abb. 5). Thomas Hyde und Engelbert Kaempfer aus
dem westfälischen Lemgo, die im Dezember 1685 einige Tage in Persepolis
weilten, sind die ersten Wissenschaftler, die Inschriften aus Persepolis in
Europa bekannt machten und ihre Schriftzeichen in ihren 1700 und 1712 erschienenen Werken als „keilförmig“ beschrieben. Die Keilschrift konnten sie
aber noch nicht lesen. 1802 hatte der junge Gymnasialprofessor für klassische Sprachen in Göttingen Friedrich Grotefend (1775–1853) der Göttinger
Gesellschaft der Wissenschaften eine auf Latein geschriebene Abhandlung
über die Übersetzung altpersischer Inschriften aus Persepolis vorgetragen
und sie in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen unter dem Titel De cuneatis, quas vocant, inscriptionibus persepolitanis legendis et explicandis relatio
왗 Abb. 5
Setzkasten einer
Druckerei, Stichel
und Lettern aus
der Schrift „Ninive
16“, entworfen
von Marcellin
Legrand, 1846.
3. Die Entzifferung der Keilschrift
17
veröffentlicht. Doch war die Zeit für diese großartige Leistung noch nicht reif.
Sie wurde nicht gewürdigt und geriet in Vergessenheit. 1837 gelang es Rawlinson in London, die altpersische Keilschrift erneut zu entschlüsseln. Einen
endgültigen Durchbruch erreichte er damit 1839, nachdem er eine zweite,
verbesserte Übersetzung an die Royal Asiatic Society geschickt hatte. Bei der
Entzifferung bedienten sich Grotefend und Rawlinson, genau wie 1822 auch
Champollion für die ägyptischen Hieroglyphen, mehrsprachiger Texte. Grotefend zog eine Inschrift aus dem Palast des Darius in Persepolis hinzu. Die
Genealogie im Altpersisch, Elamisch und Babylonisch verfassten Text „Darius, der Großkönig, König der Könige, König der Länder, des Vishtaspa
Sohn, der Achämenide, der diesen Palast gemacht hat“ hatte bereits Herodot
in seinen „Historien“ an verschiedenen Stellen tradiert. Zudem kannten Grotefend und Rawlinson das in denselben Sprachen geschriebene Felsenrelief
Darius’ I. in Behistun. Dies waren die allerersten Schritte. Dank wichtiger
Vorarbeiten von Edward Hincks (1792–1866) gelang Rawlinson 1850 die
Übersetzung des babylonischen Teils der Behistun-Inschrift, die er 1851 veröffentlichte. Es sollte allerdings noch Jahrzehnte dauern, bis Babylonisch
und Assyrisch im Großen und Ganzen verstanden und bis weitere Sprachen
wie Sumerisch, Hethitisch, Ugaritisch oder Elamisch entdeckt und entziffert
wurden.
4. Der Streit um „Babel und Bibel“
Einen Schub erlebte das Verständnis der assyrischen Sprachstufe des Akkadischen, als die Textsammlungen, die der neuassyrische Herrscher Assurbanipal im 7. Jahrhundert v. Chr. angelegt hatte, ab 1850 in Ninive ausgegraben
wurden. Auf diese Weise wurden die ersten altorientalischen mythologischen
und epischen Texte bekannt. Wie groß war die Überraschung, als George
Smith, ihr Übersetzer, 1872 einen Vortrag vor der Society of Biblical Archaeology in London hielt, in dem er erstmals eine mesopotamische Geschichte
über die Sintflut mit Einzelheiten der Erzählung in der Genesis verglich. Die
Reaktionen des Fachpublikums und der breiten Öffentlichkeit waren scharf,
entweder voller Enthusiasmus oder voller Entsetzen – enthusiastisch wegen
der neuen Forschungsergebnisse; entsetzt, weil die Geschichte des Alten
Testaments durch diese viel ältere Version ihre Einmaligkeit und damit ihren
Charakter als Grundlage der christlichen Religion verlor.
Ähnlich erging es dem Assyriologen Friedrich Delitzsch (1850–1922), als
er 1902 einen ersten und 1903 einen zweiten Vortrag in Anwesenheit Kaiser
Wilhelms II. vor der Deutschen Orient-Gesellschaft in Berlin hielt. Er vertrat die Meinung, die Bibel sei vollkommen von „Babel“ abhängig. Der sich
daran entzündende „Babel-Bibel-Streit“ dauerte zwei Jahrzehnte. Auf der
einen Seite standen die Wissenschaftler, die der Meinung waren, die altori-
18
I. Archäologie im Vorderen Orient
entalische Kultur sei der Ursprung aller weiteren kulturellen Entwicklungen,
auf der anderen Seite die Verfechter der Einmaligkeit des Judentums und des
Christentums. Eine Parallelerscheinung war der von Hugo Winkler (1863–
1913) initiierte „Panbabylonismus“. Er ging von einem weitreichenden Einfluss des sumerisch-babylonischen astralmythologischen Systems etwa auf
den römischen Kalender, unsere Zeitrechnung, den Karneval oder sogar den
Sängerkrieg auf der Wartburg aus.
5. Beginn der Orientalistik als Wissenschaft
1875 wurde mit der Berufung Eberhard Schraders als „Professor für Semitische Sprachen“ an die Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität erstmals die
„Keilschriftforschung“ als universitäres Lehrfach eingeführt. Als die Vorderasiatische Abteilung der Königlichen Museen zu Berlin 1899 gegründet
wurde, erhielt das Fach ein archäologisches Gegengewicht. Ihr erster Direktor war der Philologe Friedrich Delitzsch. Äußerst wichtig für die heutige
Gestalt des Vorderasiatischen Museums in Berlin war das Wirken Walter Andraes, des Ausgräbers von Assur. Er war es, der mit voller Energie das Ischtar-Tor (Abb. 33), die Prozessionsstraße und die Palastfassade aus den in 900
Kisten aus Babylon transportierten Ziegelfragmenten pünktlich zur Eröffnung 1930 rekonstruieren ließ1.
1920 wurde ein Lehrstuhl für die „Altertumskunde des Orients“ in Berlin eingerichtet. Sein Inhaber Ernst Herzfeld (1879–1948) ist vor allem für
seine Forschung in Iran bekannt. Im Jahre 1935 musste er emigrieren; 1937
wurde er von Eckhard Unger (1884–1966) abgelöst. Von 1938 an arbeitete
Anton Moortgat (1897–1977) als Kustos an der Vorderasiatischen Abteilung
der Staatlichen Museen zu Berlin. 1941 wurde er Honorarprofessor für Vorderasiatische Archäologie an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität
und schließlich 1948 (bis 1967) Inhaber des Lehrstuhls für „Vorderasiatische
Altertumskunde“ an der neu gegründeten Freien Universität in Westberlin.
Außerhalb Berlins richteten die Universitäten in Marburg und in Frankfurt/Main jeweils 1934 und 1943 Professuren für Vorderasiatische Archäologie ein.
Heute umfasst das Forschungsgebiet der Vorderasiatischen Archäologie
die Türkei, Syrien, Libanon, Israel, Palästina, Jordanien, Irak und Iran. Zu
ihren Randgebieten gehören Zypern, Saudi-Arabien, die Golfstaaten, Oman,
Jemen, die zentralasiatischen Staaten, Afghanistan und Pakistan.
Die Fundamente der historischen Zeit Mesopotamiens, die man mit der
Schrift um etwa 3200 v. Chr. beginnen lässt, wurden bereits lange zuvor
gelegt. Die archäologischen Quellen erlauben es, die Entwicklung von den
neolithischen Dorfstrukturen bis zu den königlichen Dynastien des 3. Jahrtausends – wenn auch mit vielen unbeantworteten Einzelfragen, so doch in
5. Beginn der Orientalistik als Wissenschaft
19
groben Zügen – zu verstehen. Diese einzigartige Entwicklung von der Zeit
um 10 000 v. Chr. an kann hier nur schemenhaft wiedergegeben werden: Der
Schwerpunkt unserer Darstellung liegt auf dem Zeitraum vom Ende des
4. bis zum 1. Jahrtausend v. Chr.
Am 12. Oktober 539 v. Chr. wurde Babylon kampflos durch Ugbaru, dem
Stellvertreter Kyros des Großen, eingenommen. Damit begann die Herrschaft der Achämeniden. Ihr Ende wurde im November 333 v. Chr. mit dem
Sieg Alexanders des Großen über den persischen König Darius III. Kodomannus eingeleitet.
Das Ende der altorientalischen oder mesopotamischen Kultur verläuft
naturgemäß nicht geradlinig und ist daher gewissermaßen akademisch
künstlich festgelegt. Traditionellerweise wird die Eroberung Alexanders des
Großen als eine so große Zäsur betrachtet, dass man die hellenistische Zeit
(333–64 v. Chr. in Westvorderasien) als den Beginn einer neuen Ära ansieht.
In Wirklichkeit sind die Übergänge fließend – Alexander wurde als der letzte Achämenide bezeichnet – und viele Aspekte des altorientalischen Kulturgutes fließen in die nachalexandrinische Zeit hinein2.
Die vermeintliche Zäsur spiegelt sich aber in der universitären Fächereinteilung der „Vorderasiatischen“ und der „Klassischen“ Archäologie wider, die
für den Vorderen Orient mit dem Hellenismus beginnt. Die Nachfahren
Alexanders des Großen etablierten sich nicht überall im Orient. Den Achämeniden folgten in Ostsyrien, Irak und Iran ab 312 v. Chr. die Seleukiden,
spätestens seit 129 v. Chr bis 224 n. Chr. die Parther und zuletzt von 224 bis
642 n. Chr. die Sasaniden, die bis zum Eindringen des Islams regierten. Sie
werden in diesem Buch nicht mehr berücksichtigt, obwohl sie heute ein
Teilgebiet der Vorderasiatischen Archäologie bilden.
6. Wer gräbt heute im Vorderen Orient aus?
Auch in moderner Zeit ist die Grabungsgeschichte sehr bewegt. Die iranische
Revolution zu Beginn des Jahres 1979 bedeutete eine Jahrzehnte andauernde Unterbrechung aller archäologischen Tätigkeiten. Dies hatte eine Verlagerung nach Syrien zur Folge, dessen Archäologie – auch wegen mehrerer
Staudammprojekte gefördert – seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts
eine wahre Explosion erlebte. Im Libanon verhinderte der Bürgerkrieg von
1974 bis 1990 jede archäologische Tätigkeit. Für den Irak galt nach dem
„Zweiten Golfkrieg“ 1991 ein internationales Embargo, das auch archäologische Arbeit verbot. Zwar wurde es nach 2003 aufgehoben, aber Unruhen
schränken dort bis heute jede Tätigkeit erheblich ein. Zur Zeit beteiligen
sich sämtliche wohlhabenden Länder der westlichen Welt sowie Russland an
Grabungen.
20
I. Archäologie im Vorderen Orient
7. Wie wird heute gegraben?
Theorien, Methoden und Ziele
Theorien, also das abstrakte Gerüst, mit dem man arbeitet, und Methoden,
also die Art und Weise, wie man diese Theorien umsetzt, sind ein unverzichtbares Arbeitsinstrument jeglicher Wissenschaft. Theorien, Methoden und
Ziele haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere wegen der
schnellen Entwicklung der Naturwissenschaften, sehr verändert. Ziel einer
Ausgrabung ist eine Menschen und Kultur umfassende und vernetzte Rekonstruktion der Siedlung in ihrer Umwelt.
Vor einer Grabung wird heute eine Geländebegehung auf dem auszugrabenden Areal gemacht, ein sogenannter Survey. Die Oberfläche wird zu Fuß
genauestens betrachtet und das verstreut herumliegende Material – in erster
Linie Keramikscherben – wird gesammelt.
Um aber einige Meter unter die Oberfläche „sehen“ zu können, werden
ausgeklügelte geophysikalische Messmethoden angewandt. Sie beruhen auf
Messungen des Bodenwiderstands, entweder der elektrischen Spannungen
(geoelektrische Methode) oder des natürlichen Erdmagnetfeldes (geomagnetische Methode), die je nach Material – Gestein, Metallen oder Keramik
– sehr unterschiedlich sind. Schließlich können durch Änderung der magnetischen Felder entstandene elektrische Spannungen (Induktion) im elektrogeomagnetischen Verfahren gemessen werden. Diese drei geophysikalischen
Methoden werden je nach Bodenbeschaffenheit angewandt. Bei einem guten
Ergebnis kann man schon vor dem ersten Spatenstich etwas über die Gebäude- und Straßenverteilung in Erfahrung bringen.
Hat die Grabung begonnen, werden neben den archäologischen Grabungsmethoden zahlreiche weitere naturwissenschaftliche Analysen an so
unterschiedlichem Material wie Pollen, Tier- und Menschenknochen (mit
möglichen DNA-Analysen), Ton, Metall, Glas oder Holz vorgenommen, um
ihr Alter oder ihre Zusammensetzung zu bestimmen. Für diese Vernetzung
aller naturwissenschaftlichen Methoden wird der Begriff „Archäometrie“
gebraucht. Dies hat große Auswirkungen auf die Klärung historischer Fragestellungen. Im Idealfall können Klima, Fauna, Flora und Umwelt, Essgewohnheiten, Krankheiten, Handelsbeziehungen, Produktionszentren,
kurzum die Geschichte und Entwicklung einer Siedlung erfasst werden. Was
auf diese Weise weniger erforscht werden kann, sind geistige und religiöse
Strömungen, Arbeitsvorgänge, soziale Strukturen, historische Fakten und
Feinchronologien. Obwohl eine genaue Befundbeobachtung – etwa die
exakte Freilegung eines Tempels und seines Materials – sehr viel zur Religion aussagt, bilden geschriebene Zeugnisse die sicherste Wissensquelle.
Ist das Material geborgen, muss es geordnet und ausgewertet werden.
Computergestützte Datenverarbeitung, Datenbanken und digital bearbeitete Fotos bilden den technischen Rahmen. Auch die Konservierung oder
7. Wie wird heute gegraben? Theorien, Methoden, und Ziele
21
Restaurierung sowohl der Funde als auch der freigelegten Bauten stellt die
Ausgräber vor große Herausforderungen.
Die Fund- und Befundanalyse unterliegt jedoch anderen Kriterien aus
sehr unterschiedlichen geisteswissenschaftlichen Richtungen. Da das mesopotamische Material erst seit dem 19. Jahrhundert und im Rhythmus der Grabungen bekannt wurde, haben die kunsthistorischen Ansätze eines Johann
Joachim Winkelmann (1717–1768) oder des großen Kunsthistorikers Erwin
Panofsky (1892–1968) nie eine große Rolle gespielt. Eine umso größere Rolle spielten die stilistische Einordnung und die Chronologie. Genau erarbeitete Stilkriterien erlauben es, das archäologische Material in eine Zeitabfolge
zu bringen. Auch in der Vorderasiatischen Archäologie gibt es die Einteilung
in Neolithikum, Chalkolithikum, Bronzezeit und Eisenzeit. Für Mesopotamien werden jedoch noch feinere Einteilungen verwendet, die nach völlig anderen Kriterien benannt wurden.
Im 19. Jahrhundert prägten einige geistige Strömungen – etwa der Evolutionismus, der Diffusionismus und der Kulturhistorismus – auch die archäologische Forschung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts blieben viele der
auf dem Feld des Alten Orients arbeitenden Wissenschaftler den nationalsozialistischen, völkisch geprägten Strömungen fern. Dennoch gab es auch
überzeugte Anhänger unter ihren Vertretern, Julius Jordan etwa, der als
Gauleiter noch vor 1933 eine Nazi-Zelle in Bagdad und das Deutsche Orientkorps organisierte. Dieses Korps, zu dessen Mitgliedern auch Adam Falkenstein und Heinrich Lenzen zählten, sollte den deutschen Vormarsch in den
arabischen Raum vorbereiten3.
Andererseits wurden die Gründungsväter der altorientalistischen Wissenschaften, der Assyriologe Benno Landsberger, der Hethitologe Hans G.
Güterbock oder der für Iran spezialisierte Archäologe Ernst Herzfeld auf
Grund ihrer jüdischen Herkunft ins Exil gezwungen.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde den herrschenden, aus
dem 19. Jahrhundert übernommenen Theorien vorgeworfen, sich zu sehr mit
Entwicklungen und der Einordnung von Kulturstufen zu beschäftigen und
dabei die Kulturen nicht als ein organisches Ganzes, sondern als mechanisch
zusammengefügte Elemente zu betrachten. Herausragende Bedeutung erlangte hier die soziale Anthropologie, in deren Mittelpunkt das integrierte
System einer Gesellschaft stand. Gordon Childe (1892–1967) setzte sich hinsichtlich des Alten Orients am stärksten mit den bekannten Theorien auseinander. 1935 erklärte er den kulturellen Wandel durch wirtschaftliche Prozesse, Umwelt und Technik. Er prägte den Ausdruck „Neolithische Revolution“,
mit der er die Sesshaftwerdung und den Übergang zu Ackerbau und Tierzucht mit allen Folgen für die menschliche Gesellschaft meinte. Vom Strukturalismus beeinflusst – einem System, das überindividuelle Grundprinzipien
in Form und Symbolik erkennt – entstand schon 1948 in den USA und Großbritannien die New Archaeology, die über die chronologische Beschreibung
22
I. Archäologie im Vorderen Orient
der konventionellen Archäologie hinaus Kulturen und kulturellen Wandel,
also Prozesse, von innen erfassen und dafür Gesetze aufstellen möchte. Deswegen werden ihre Vertreter auch Prozessualisten genannt. Eine Stratigraphie
soll zum Beispiel nicht als Sequenz von Aufbau und Zerstörungen analysiert
werden, ohne sich mit deren Ursachen auseinanderzusetzen. Um sie zu
erklären, muss man nach Gesetzen, Logik, Hypothese und die Kontrolle
darüber suchen. Eine Kultur wird als funktionaler Zusammenhang oder ein
dynamisches Netzwerk von Subsystemen verstanden. Die Kritik, nicht so sehr
am System, aber vielmehr an seiner Anwendung, folgte alsbald: Diese Sicht
der Geschichte sei zu einseitig und führe zur Vernachlässigung der Chronologie; Gesetze könne man gerade für entfernte Perioden zwar aufstellen, aber
nicht einhalten; die Rekonstruktion der achäologischen Daten sei einem zu
starken Determinismus unterworfen. Heute gehen einige Archäologen vom
Modell aus hypothetisch-deduktiv vor. In der Regel jedoch arbeiten sie, vom
Fund ausgehend, induktiv. Generell können sämtliche Geisteswissenschaften
zu Rate gezogen werden. Ethnologische Beobachtungen an noch lebenden
Gesellschaften oder Menschengruppen fließen analog in die Rekonstruktion
nicht mehr lebender Gesellschaften (Ethnoarchäologie) ein. Psychologie,
Verhaltensforschung, Religionswissenschaft, feministische Ansätze, Philosophie oder kunsthistorische Theorien können dazu beitragen, den Entstehungsprozess und den Ablauf oder Teilaspekte einer Kultur zu verstehen.
1 Marzahn – Schauerte (2008) 91–98.
2 Briant (2002) 876, 1051.
3 Englund (1998) Anm. 78. Stadnikow (2007).
7. Wie wird heute gegraben? Theorien, Methoden, und Ziele
23
II. Geographisches Umfeld
1. Zur Terminologie
Die Terminologie um die Erforschung des alten Mesopotamien ist vielfältig, ja verwirrend. Den Namen „Mesopotamien“, also „das Land zwischen
zwei Flüssen“, wenden wir heute auch auf die Gegend an, die das Gebiet
zwischen Euphrat und Tigris umfasst und ungefähr dem heutigen Irak entspricht. Tatsächlich taucht das Wort in seiner griechischen Form erstmals
unter Alexander dem Großen auf, wo es das Gebiet von Bagdad bis zur südlichen Türkei umfasst. Dieser Sprachgebrauch deckt sich mit dem aramäischen des 1. Jahrtausends v. Chr. Für die Assyrer des ausgehenden 3. Jahrtausends, die diesen Begriff prägten, war das Land „māt birītim“ oder „birīt
nārim“, also „das Land dazwischen“ oder „zwischen den Flüssen“, viel kleiner und deckte nur den Abschnitt von Mossul bis zum syrischen Euphratknie und dem Chabur-Gebiet. „Mesopotamien“ ist demnach zuerst die
Gegend gewesen, die sich zwar zwischen Euphrat und Tigris befand, nicht
aber im südlichen, sondern im nördlichen Irak. Die Erweiterung auf den
Südirak ist in der Antike nur bei dem griechischen Geographen Claudius
Ptolemaeus im 2. Jahrhundert n. Chr. belegt. Die Ausdehnung Mesopotamiens auf den gesamten Irak ist eine Konvention der neuzeitlichen europäischen Wissenschaft.
Dank der großartigen Entdeckungen der letzten 40 Jahre in Syrien ist
unser Bild der antiken Kulturen in dieser Gegend viel genauer. Wir wissen
heute, dass der geographisch zusammenhängende Landstrich vom Nordirak
über den südtürkisch-nordsyrischen Streifen bis hin zur Mittelmeerküste in
vielen Epochen gemeinsame kulturelle Züge aufwies. Nordostsyrien wird
deswegen auch noch zu Mesopotamien gezählt.
24
II. Geographisches Umfeld
Babylonien ist die in der Neuzeit geläufig gewordene Benennung für die
nach Babylon benannte und von Babyloniern bewohnte Gegend zwischen
Bagdad und dem Persischen Golf. Da aber Babylon und Babylonier erst ab
dem 2. Jahrtausend v. Chr. bestehen, spricht man für den Zeitraum davor
von Sumer (s. Kapitel IV). Vom Ende des 1. Jahrtausends an benutzten die
Griechen die Bezeichnung Chaldäa. Die Chaldäer waren semitische Nomaden, die sich um die Wende des 2. zum 1. Jahrtausend den ebenfalls kurz
zuvor in Babylonien eingedrungenen Aramäern zugesellten. Einige spätbabylonische Könige mit ihrer Hauptstadt Babylon waren sicher chaldäischen
Ursprungs. Infolge der großen Bedeutung dieser Dynastie nannten die
Griechen, die Römer und später die europäische Wissenschaft die Gegend
um Babylon Chaldäa. Dabei gab es aber auch schon in der griechischen
Geographie und Historiographie den Terminus „Babylonien“.
Die historische Bezeichnung der Gegend, die dem heutigen Nordirak entspricht, ist Assyrien, eine gräzisierte Form, die auf das Akkadische māt Aššur,
„Land Assur“, zurückgeht. Erst im Aramäischen und endgültig ab der Partherzeit ist mit „Assyrien“ das geographische und nicht ein religiös-politisches Gebiet zwischen Euphrat und Tigris in Obermesopotamien gemeint.
Der Name „Zweistromland“ bezieht sich meistens auf den heutigen Irak.
„Alter Orient“ und „Westvorderasien“ sind Begriffe, die das weite Feld des
gesamten „Vorderen Orients“ vom Mittelmeer bis nach Iran historisch und
flächenmäßig umfassen. Auch die Levante wird unterschiedlich gedeutet. In
ihrer weiten Ausdehnung umfasst sie vom türkischen Hatay bis nach Südisrael einen Streifen der Mittelmeerküste, der sich weit bis ins Binnenland ausdehnen kann. Legt man die Levante in einer engeren Weise aus, dann besteht
sie aus einem schmalen Küstenstreifen an der heutigen libanesischen und
nordisraelischen Küste.
Ebenso uneinheitlich ist die heutige Fachbezeichnung. Während sich der
Terminus „Altorientalistik“ mehr auf die Lehre altorientalischer Sprachen
bezieht, decken universitäre Institutsnamen wie „Vorderasiatische Altertumskunde“, „Vorderasiatische Archäologie“ oder „Archäologie und Kulturgeschichte des Vorderen Orients“ mehr den materiellen Aspekt der altorientalischen Kulturen ab.
2. Wüsten und Oasen, Gebirge und Flachland
Der Vordere Orient ist im Gegensatz zu Ägypten nach allen Himmelsrichtungen offen und damit eine Kontaktzone für Menschen und Kulturgüter aus
Europa, Asien und Afrika. Betrachtet man außerdem die geographischen Gegebenheiten des gesamten Vorderen Orients, so muss zuerst die erstaunliche
Vielfalt betont werden. Grüne Zonen in den nordmesopotamischen Bergen,
an den Gebirgsflanken des Zagros im westlichen Iran, des Taurus in der süd-
2. Wüsten und Oasen, Gebirge und Flachland
25
Abb. 6 왘
Behausungen
im Marschland
zwischen
Euphrat und
Tigris im
September
2003.
lichen Türkei oder in den westsyrischen Gebirgsketten umgeben den wüstenartigen Kern Südostsyriens und Südwestiraks. Auf die levantinische Küste
fällt ausreichend Regen. Einige Gegenden sind wegen ihrer Seen, ihrer Quellen – etwa die Oase Palmyra – oder wegen leicht möglicher Bewässerung
– etwa das Yarmuk-Tal – sehr vegetationsreich. Es sind diese durch ausreichende Regenfälle bewohnbaren Gegenden, welche die Form eines Halbmondes bilden und fruchtbar sind. Bei weniger als 200 bis 250 mm Regen im Jahr
– dies gilt für die mesopotamische Alluvialebene – ist Bewässerung notwendig, um überhaupt sesshaftes menschliches Leben zu ermöglichen. Während
mit der Sesshaftwerdung vor allem die grünen Randgebiete besiedelt wurden,
kamen mit dem Beginn der künstlichen Bewässerung nach dem Neolithikum
das künstlich bewässerte Gebiet zwischen Euphrat und Tigris hinzu. Der
„natürliche“ Fruchtbare Halbmond verschob sich etwas nach innen.
Einen weiteren geographischen Einzelfall stellt das Sumpfgebiet der
Marschen nach dem Zusammenfluss von Euphrat und Tigris dar (Abb. 6).
Es reichte früher sehr viel weiter nach Norden. In das 7. Jahrtausend zu datierende Binsen und Schilfreste aus Tell el-Uweili erlauben es, die Ausläufer
der Marschen bis zu dieser Höhe zu rekonstruieren. Wasserflächen gab es
überall in Sumer, heute noch sind sie bis auf die Höhe von Uruk zu sehen.
Stark ist der Kontrast zwischen höheren und flachen Landschaften. Der
höchste Berg des Vorderen Orients ist mit 5671 m der nordöstlich von Teheran liegende Demawend. Östlich von Rowanduz, an der iranischen Grenze,
steigt der irakische „Hadji Ibrahim“ bis zu 3600 m an. Der südsyrische Her-
26
II. Geographisches Umfeld
mon, heute wegen seiner häufigen, an einen Turban erinnernden Schneekalotte „Berg des Scheichs“ genannt, ist 2814 m hoch. Etwa ab Samarra
beginnt die Alluvialebene, die durch die Sedimentablagerung der sich ständig verlagernden Flüsse Euphrat und Tigris entstand. Sie erstreckt sich bis
zum Persischen Golf und weist über diese 600 km ein Gefälle von 45 Metern
auf. Assyrien hingegen ist gebirgig.
Diese entgegengesetzten geographischen Verhältnisse bedingen sehr
unterschiedliche Lebensarten. In regenreichen oder bewässerten Gegenden
werden Sesshafte und Viehzucht treibende Hirten in zumindest zeitweilig
wüstenartigen Gegenden auch in historischen Zeiten eine nicht immer reibungslose, dennoch notwendige Symbiose eingehen.
3. Die Gewässer
In Babylonien ist der Wasserspender nicht der Regen, sondern die Flüsse
Euphrat (Abb. 7) und Tigris. Der Euphrat ist mit 2850 km der längste vorderorientalische Fluss. Der Strom, der spätestens nach dem Zusammenfluss
von Murat und Kara-Su Euphrat heißt, fließt zunächst nach Süden durch den
Taurus und knickt an der Stelle nach Osten, wo sich heute der syrische Assad-Stausee befindet. Von dieser Stelle an etwa bewegt er sich stetig nach
Südosten durch Landschaften, die außerhalb des Uferstreifens immer kahler
werden und sehr flach sind. Seine wichtigsten Nebenflüsse Balich und Chabur liegen im nördlichen Syrien.
3. Die Gewässer
왔 Abb. 7
Der Euphrat in
Babylon. Der
Euphrat ist der
längste vorderorientalische
Fluss.
27
Der Tigris ist mit 1950 km wesentlich kürzer. Seine Quelle entspringt
unweit des Euphrats südöstlich von Elazığ. Im Gegensatz zum Euphrat
speisen ihn mehr Nebenflüsse – Großer Zab, Kleiner Zab im Zagros und
Diyala –, die alle dem Gebirge entströmen. Euphrat und Tigris erhalten
Wasser nur durch ihre Nebenflüsse. Ihre Fülle hängt also von der Schneemenge und dem Frühlingsniederschlag in den Bergen ab. Sie führen im März
und April am meisten, im Oktober am wenigsten Wasser. Im Durchschnitt
sind es 838 m3/Sekunde für den Euphrat in Höhe der Stadt Hit und 1236 m3/
Sekunde für den Tigris in Bagdad. Dabei variiert die geführte Wassermenge
erheblich von Jahr zu Jahr. Der Euphrat kann bis zu 5000 m3/Sekunde und
der Tigris bis zu 13 000 m3/Sekunde führen. An ihrem Zusammenfluss bei
Qurna führen sie im Durchschnitt 500 m3/Sekunde.
Beide Flüsse sind sehr unterschiedlich. Der Euphrat bekommt weniger
Wasser, fließt auch wegen des geringen Gefälles langsamer und hat daher
eine viel stärkere Verdunstung. Seine Ufer sind sanfter. Das Gefälle des Tigris
hingegen ist steiler, er bekommt wegen seiner Gebirgszuflüsse mehr Wasser
und fließt schneller. Er grub sich ein tieferes Bett, besitzt deshalb steilere
Ufer und einen schwierigeren Zugang. Wegen der Wassermengen ist er unberechenbar und gefährlich. Unvergessen bleibt eine Überschwemmung des
Tigris, die 1954 im Osten Bagdads einen 70 km großen und bis zu 24 m tiefen See hinterließ. Dieser See benötigte sieben Monate, um auszutrocken.
Die Geschichte der Sintflut im Gilgamesch-Epos oder in der Genesis
wurde bisher durch eine besonders gefährliche Überschwemmung im Zweistromland erklärt. Eine in den letzten Jahren entwickelte neue Theorie
beruht auf Entdeckungen am Schwarzen Meer. Zunächst war dieses ein vom
Mittelmeer durch eine Landbrücke auf der Höhe des Bosporus getrennter,
tiefer liegender Süßwassersee. Um 6800 oder 6300 v. Chr. soll diese Brücke
gebrochen sein, was eine gewaltige, 34 Jahre anhaltende Flut vom Mittelmeer
ins Schwarze Meer zur Folge hatte. Dabei wurden zahlreiche Dörfer überschwemmt. In den letzten Jahren konnten die alten Wasserläufe von Donau
und Dnjepr am Grund des Schwarzen Meeres sowie Reste menschlicher Siedlungen in 91 m Tiefe erkannt werden. Diese Naturkatastrophe hat sicherlich
die menschliche Fantasie lange angeregt. Dennoch liegt der Bosporus weit
vom südlichen Irak entfernt, und eine solche „Geschichte“ muss hautnah
erlebt worden sein, um zum Gründungsmythos einer Kultur zu gehören.
Eine besonders starke Überflutung durch die überbordenden Gewässer
des Euphrat oder des Tigris und eine dadurch verursachte Verlagerung ihres
Bettes, die Dörfer oder gar Städte zerstört hätte, bietet daher noch immer
eine ausgezeichnete Erklärung.
Ein Vergleich mit dem Nil vergegenwärtigt Unterschiede, die eine kulturhistorische Relevanz aufweisen. Der Nil stand für Ägypten mit dem landwirtschaftlichen Rhythmus im Einklang. Dank der vom Delta mehrere tausend
Kilometer entfernten Quelle und der Zuflüsse gelangte das Hochwasser erst
28
II. Geographisches Umfeld
im September nach Assuan. Im Frühling hatte es wieder einen tieferen Stand
erreicht. Euphrat und Tigris hingegen sind, weil unberechenbar, viel gefährlicher als der Nil. Der Rhythmus ihres Wasserstandes steht dem der Landwirtschaft entgegen. Denn im Herbst, zur Saatzeit, führen sie am wenigsten
Wasser. Im Frühling, wenn die Erntezeit naht, rollen ihre gewaltigen Wassermassen an und zerstören die Felder. Diese Unruhe der vorderasiatischen
Flüsse wohnte der Kultur inne, die sich an ihren Ufern entfaltete. Von Anbeginn an waren alle Anrainer gezwungen, mit ihren lebensnotwendigen
Wasserspendern zurechtzukommen und sie durch überlegene Technik zu
überlisten.
Heute sind diese zwei Lebensadern des Vorderen Orients durch Dämme,
die auch der Wasser- und Stromversorgung dienen, reguliert. Auch schon in
der Antike gab es zu wenig Wasser. Vom 3. Jahrtausend v. Chr. an bezeugen
Texte Wasserstreitigkeiten zwischen Nachbarn. Ein weiteres Problem war und
ist die Bodenversalzung. Sie entsteht, weil die gebirgigen Zuflüsse Salze und
Mineralien transportieren, die bei einer Bewässerung ohne ausreichende
Drainage nach einer gewissen Zeit an der Erdoberfläche eine regelrechte
Salzkruste bilden. Vor dem 1. Jahrtausend gab es keine Entwässerungsgräben. Ein Mittel dagegen war die Brache. Drei Jahre wurde der Boden beackert,
das vierte Jahr durfte er ruhen. Untersuchungen haben gezeigt, dass die
Kornproduktion um 2400 v. Chr. etwa 16 % Weizen neben 84 % der salzunempfindlichen Gerste betrug. Um 2100 v. Chr. waren es nur noch 2 % Weizen. Erbrachte der Gerstenanbau um 2400 etwa 2500 Liter je Hektar, so
waren es nur noch 1460 Liter um 2100 und 900 Liter um 1700. Die effektive
Nutzungsdauer eines frischen Bodens beträgt für Gerste auf der Höhe von
Bagdad 1200 Jahre und für Weizen 600 Jahre. 200 bis 300 km weiter südlich,
auf der Höhe von Lagasch und Ur, waren es nur noch 400 Jahre für Gerste
und 200 für Weizen.
Es ist sicher, dass die sumerischen und babylonischen Bauern unter der
Versalzung der Erde und der damit stark zurückgehenden Ertragsfähigkeit
zu leiden hatten. Ein Gedicht aus der Ur III-Zeit sagt: „Die Kanäle bitteres
Wasser bringen, die guten Getreidefelder (nur) Gras wachsen lassen, die
Steppe ,Weh-Kraut‘ hervorbringt … Euphrat und Tigris an den verödeten
Ufern böses Kraut wachsen lassen.“ Die Bodenversalzung wird sogar für das
Ende der altbabylonischen Zeit um 1500 v. Chr. und für das Ende der Glanzzeit Anfang des 13. Jahrhunderts n. Chr. verantwortlich gemacht. Von den
50er Jahren des 20. Jahrhunderts an versuchten Forscher die „Wanderung“
der altorientalischen Kulturzentren von Süden nach Norden auf diese Weise
zu erklären.
3. Die Gewässer
29
Abb. 8 왖
Uruk. Blick auf
die Ziqqurrat im
Stadtteil Eanna.
30
4. Das Klima
Die südliche Hälfte Mesopotamiens unterliegt einem warm-gemäßigten subtropischen Klima. Die Winter sind feucht und kühl, die Sommer heiß und
trocken. Hier variieren die Regenfälle zwischen 100 und 400 mm im Jahr.
Die meisten Niederschläge werden im Januar und Februar verzeichnet. Dennoch gibt es große Schwankungen. In Bagdad fallen jährlich durchschnittlich 149 mm Regen. 1899–1900 fielen jedoch 439 mm, dagegen waren es
1908–1909 nur 51 mm.
Die Niederschlagsmenge ist ausschlaggebend für die Art der Landwirtschaft, denn ab einer Mindestmenge von 200–250 mm Regen aufwärts im
Jahr ist schon Trockenanbau oder Regenfeldbau, also eine Landwirtschaft
ohne Bewässerung, möglich. Allerdings bieten 300 bis 350 mm Regen mehr
Wachstumssicherheit. Die Grenze der 400-mm-Niederschlagslinie (Isohyete) verläuft entlang der halbmondförmigen Gebirgsflanken, der türkischsyrischen Grenze, an Aleppo und Damaskus vorbei. Regenfeldbau ist in
der Levante, in Nordsyrien und im kernassyrischen Gebiet möglich. Südlich des mittleren Euphrats und entlang des Tigris südlich von Assur kann
landwirtschaftlich ohne künstliche Wasserzufuhr nichts produziert werden
(Abb. 8).
II. Geographisches Umfeld
5. Klimaverschiebungen
Dank der Analyse im Boden konservierter und Jahrtausende alter Pollen lässt
sich die Klima- und Vegetationsgeschichte annähernd rekonstruieren. Das
Klima war nicht immer so trocken wie heute. Vor 35 000 Jahren soll es verhältnismäßig niederschlagsreich gewesen sein. Zwischen 30 000 und 13 000
v. Chr. war es trockener und vor allem wegen der letzten Kaltzeit kühler als
heute. Die letzte Kaltzeit erreichte ihren Höhepunkt um 18 000 v. Chr. Die
Temperaturen lagen um etwa 10 Grad niedriger. Eine Zunahme an Eichenpollen in Nordisrael kündigte ab 12 000 v. Chr. den Wandel zu feuchteren
Lebensbedingungen an. Die Wärme verursachte die Schmelze des Polareises,
das Wasserniveau stieg. Um 9000 sind überall im Vorderen Orient vermehrte Niederschläge nachweisbar. Zwischen 9000 und 6000 – einem Klimaoptimum – waren die Temperaturen bei gleichbleibenden Niederschlägen
noch immer um einige Grade niedriger als heute. Um 6000 v. Chr. setzte erneut eine trockenere und wärmere Phase ein. Sie hielt bis 4000–3500 v. Chr.
an, dem Zeitpunkt, zu dem in etwa die heutigen Klimaverhältnisse eintraten.
Dennoch waren die Landschaften noch lange grüner als heute. Die letzten
6000 Jahre ist das Klima stabil geblieben.
6. Der Küstenverlauf am Golf
Das Wasserniveau des Persischen Golfs interessiert hier nur im Zusammenhang mit der ersten Besiedlung Sumers (s. Kapitel IV). Um 70 000 v. Chr.,
zwischen der Riss- und Würmeiszeit, lag das Golfniveau acht Meter höher, in
Folge dessen stand Mesopotamien bis zum Zusammenfluss von Euphrat und
Tigris unter Wasser. Mit der Klimaabkühlung sank der Wasserspiegel erneut.
Beim Höhepunkt der Würmeiszeit um 15 000–14 000 lag der Wasserspiegel
des Golfes 100 bis 120 m tiefer als heute; damals befand sich dort eine
Ebene, durch die Tigris und Euphrat flossen und in den Golf von Oman mündeten. Mit der Klimaerwärmung stieg nach 14 000 v. Chr. der Wasserpegel
erneut. Um 4000–3000 v. Chr. entsprach sein Niveau dem heutigen. Danach
stieg das Wasser auch wegen der Sedimentablagerungen weiter an und
erreichte um 3000 v. Chr. etwa die Nähe der Stadt Ur.
7. Bodenschätze und Rohstoffe
In Mesopotamien gibt es kaum Bodenschätze. Die heute erschlossenen Erdölquellen erschienen in altorientalischen Zeiten in Form von Bitumen an der
Erdoberfläche. Eine wichtige Quelle liegt bei Hit am Euphrat. Schon Hammurapi von Babylon und Zimri-Lim von Mari stritten um die Herrschaft über
7. Bodenschätze und Rohstoffe
31
diese Stadt. Hammurapi schrieb an Zimri-Lim: „Die Stärke Deines Landes,
das sind die Esel und die Wagen, die Macht des Landes von Hit, das sind die
Schiffe. Wegen des Bitumens und des Erdöls möchte ich diese Stadt wirklich
besitzen. Aus welchem anderen Grund möchte ich diese Stadt sonst noch
besitzen? Im Tausch gegen Hit schenke ich Zimri-Lim mein Gehör für alles,
was er mir schreiben wird.“1
Die Alluvialebene birgt vor allem Lehm, der die allgegenwärtige Lehmziegelarchitektur ermöglicht. Als 1930 der wegen seines Baumaterials sogenannte „Kalksteintempel“ in Uruk ausgegraben wurde, fragten sich die
Ausgräber, woher das Material für dieses späturukzeitliche Gebäude stamme
und fanden schon 50 km westlich von Uruk die nächsten Steinbrüche, deren
Gestein völlig dem in Uruk verwendeten entspricht. Im Norden hingegen
wird die assyrische Landschaft überwiegend durch Steinablagerungen geprägt. So lagen die Steinbrüche, aus denen die Steinplatten für die Paläste
oder die kolossalen Wächterfiguren gemeißelt wurden, für die neuassyrischen Könige vor Ort.
Sämtliche weiteren Rohstoffe mussten sich die Einwohner Mesopotamiens von weit her besorgen. Die wichtigsten waren Metalle, Bauholz und
Halbedelsteine für Schmuck oder Rollsiegel. Kupfer kam zunächst aus Anatolien und Oman, später aus Zypern und Jordanien. Eisen wurde in den
Gebirgszügen vom Taurus bis zum Zagros gefördert. Gold gab es im Taurus,
im Kaukasus, in Iran, in Ägypten und Nubien. Die begehrtesten Baumstämme waren in der Levante gewachsen und Halbedelsteine lagerten in den
umliegenden gebirgigen Regionen (Abb. 101). Lapislazuli wurde aus der
Gegend Badachschan, im heutigen Afghanistan, geholt. Türkis stammte
aus Ostiran und dem Sinai, Chlorit aus Südostiran. Karneol gab es in Iran
und im Indus-Tal und Muscheln in der Golfregion. Die Fundstätten des
im Neolithikum wichtigen Obsidians befanden sich in Ost- und Zentralanatolien.
8. Fauna
Der Vordere Orient ist reich an wilden Tieren und Pflanzen, die ebenso wie
Wasser die Voraussetzung zum Leben sind. Die Rekonstruktion der antiken
Tierwelt erfolgt durch die von Archäozoologen oder Osteoarchäologen
durchgeführte Analyse der ausgegrabenen Knochen.
An wilden Tieren gab es Gazellen, Hirsche, Esel, Onager, Rinder, Schafe,
Ziegen, Wildschweine, Schakale, Wölfe, Bären, Luchse, Leoparden, Löwen,
Hasen, Füchse, Schlangen, Kröten, Fische, Insekten, Vögel, Strauße, Enten
und Gänse, dazu in der Levante Elefanten und Flusspferde. Im Gegensatz zu
Babylonien streiften am Mittleren Euphrat und in Assyrien so viele Löwen
umher, dass sie gelegentlich zu einer ernsthaften Plage wurden. Bis 1942 leb-
32
II. Geographisches Umfeld
ten Löwen nahe Dizful (Iran) und bis etwa 1910 sollen noch einige Löwen
an den Flussauen „Arabistans“ und des Chaburs gesichtet worden sein2.
Ein Teil der oben genannten Tiere wurde domestiziert: als Erstes um
11 000 v. Chr. der Hund. Dem folgte die Domestikation der Bezoar-Ziege zur
Hausziege um 8500–8000 v. Chr., des asiatischen Mufflons (ovis orientalis)
zum Hausschaf um 8000 v. Chr., des Wildschweins zum Hausschwein um
8000 v. Chr. und schließlich des Auerochsen (bos primigenius) zum Rind um
7000 v. Chr. Tiere müssen ein Minimum an Eigenschaften mitbringen, um
sie domestizieren zu können: Sie müssen normale Kost in annehmbaren
Mengen fressen, sie dürfen nicht zu langsam wachsen, keine Fortpflanzungsprobleme in Gefangenschaft haben, kein zu unberechenbares Naturell besitzen und nicht zu panikartiger Flucht neigen. Die meisten wilden Vorfahren
der domestizierten Tiere lebten in Herden, hatten schon eine entwickelte
Dominanzordnung und beanspruchten kein Revier. Es gab eine anerkannte
Hierarchie in der Herde mit einem sogenannten Alpha-Tier. Eine solche
Dominanzordnung ist ideal für den Menschen, da er das Alpha-Tier ersetzen kann. Weil die Wildpferde keine Alpha-Tiere kennen, erfolgte ihre
Domestikation erst um 4000 v. Chr. in der Ukraine.
9. Flora
Auch die Pflanzenwelt wird seit dem Zweiten Weltkrieg in den Grabungen
konsequent erforscht. Die Spezialisten, Paläobotaniker oder Palynologen,
ziehen ihre Erkenntnisse aus den naturwissenschaftlichen Analysen von
Pflanzenresten und Pollen.
Ebenso wie bei den Tieren bietet der Vordere Orient eine reichhaltige
Palette an Bäumen und Sträuchern: Palmen, Kiefernarten (Nadelbäume),
Zypressen, Platanen, Ahornbäume, Eschen und Eichen (Laubbäume), Wein,
Pistazien- und Mandelbäume. Um 4000 v. Chr. wurden die ersten Bäume
kultiviert: Oliven, Feigen, Granatäpfel und Nüsse. Erst sehr viel später, in
der Klassischen Antike, wurden Apfel-, Birn-, Pflaumen- und Kirschbäume
domestiziert. Sie können nicht aus Ablegern gezogen werden und das Einpflanzen von Samenkörnern bleibt meistens erfolglos. Zur Fortpflanzung
bedürfen sie der Kreuzbestäubung durch Pflanzen einer genetisch verschiedenen Unterart.
In Sumer lieferten Tamarisken und Pappeln das Alltagsholz. Beide sind
salzresistent und gedeihen an Fluss- oder Kanalufern. Die Königin der Bäume war im südlichen Mesopotamien die Palme. In einem Gedicht des beginnenden 2. Jahrtausends wird sie gepriesen und dankend gelobt. Die
Palme lieferte sämtliche Produkte, die ein Mesopotamier für den Alltag
brauchte. Außer ihrer Frucht, der Dattel, mit der man Wein, Essig, Honig
und Mehl produzierte, lieferte sie Fasern für verschiedene Mattenarten,
9. Flora
33
Viehfutter und Brennmaterial. Mehr als 45 Palmenarten waren in der Antike bekannt. In „Baumschulen“ ließ sich durch Umpflanzung von Schösslingen die ertraglose Zeit von acht bis 15 Jahren auf vier bis fünf Jahre
verkürzen. In der Natur sind es Wind und Insekten, die männliche und
weibliche Blüten verbinden. Um jedoch eine regelmäßige ertragreiche
Ernte zu gewährleisten, gab es im Palmenhain einen Spezialisten, der damit beschäftigt war, in der günstigsten Jahreszeit – zwischen Januar und
März – die weiblichen Blütenstände und die vom Baum herausgelösten
männlichen Blüten gegeneinander zu reiben. Von der Qualität dieser Arbeit
hing zu einem guten Teil die Erntemenge ab. Über diese Kunst hinaus
entwickelten die Altorientalen ein Verfahren zur künstlichen Reifung. Bei
der Ernte, die normalerweise in den Herbst fällt, sind die Datteln desselben
Büschels gewöhnlich ungleich reif. Um einen Verlust zu vermeiden, wurden die Früchte, bevor sie völlig reif waren, gepflückt und künstlich durch
Einschnitte zur gewünschten Reifung gebracht. Insgesamt konnte ein
Palmbaum bis zu 300 Liter Datteln pro Ernte hervorbringen. Ein Palmbaum lebt etwa 70 Jahre. Der Abstand zwischen den Bäumen betrug sieben bis zehn Meter. In ihrem Schatten wurden Obstbäume und Nutzpflanzen angebaut.
Die Herkunft der Palme bleibt im Dunkeln. Die älteste mesopotamische
Palme wurde vor nicht langer Zeit in Tell el-Uweili ausgegraben und geht auf
das 5. Jahrtausend zurück3.
Die bis dato bekannten und jüngeren Proben stammen aus Eridu, Teleilat Ghassul und Jericho. Wilde Palmen kennen wir aus Iran, Pakistan und
Ostafrika, jedoch nicht aus der Gegend von Tell el-Uweili, weil die Alluvialebene über so viele Jahrtausende kultiviert wurde, dass jegliche Spur eines
wilden Baumes verschwunden sein muss. So kann vorerst nicht entschieden
werden, ob es sie in Tell el-Uweili, also in Sumer, jemals gegeben hat. Palmen
mögen „den Kopf in der Sonne und den Fuß im Wasser“. Nichts spricht dagegen, dass dies in Tell el-Uweili der Fall war und dass daher auch hier wilde
Palmen gedeihen konnten.
Obwohl es in den letzten 6000 Jahren keine Klimaverschiebung gab,
bildet die heutige Waldrodung möglicherweise den größten Unterschied zur
antiken Umwelt. Die Rodung begann vor Jahrtausenden. Schon Sargon, der
akkadische König (2343–2314 v. Chr.), berichtet stolz, die Zedernwälder des
Libanon erreicht zu haben4.
Grundsätzlich ließen sämtliche Herrscher Mesopotamiens große Baumstämme aus dem Westen kommen. Im 2. Jahrtausend, vor allem aber im
1. Jahrtausend und später noch in römischer Zeit, wurde viel Holz zum
Schiffsbau gebraucht. Die natürliche Vegetation war durch die Abholzung
bereits vor 2000 Jahren nachhaltig verändert. Trotzdem bleibt die radikalste
Veränderung ein neuzeitliches Phänomen, das mit der schnell anwachsenden Bevölkerungszahl zusammenhängt.
34
II. Geographisches Umfeld
Das wichtigste Nahrungsmittel der Menschen ist Getreide. Vergleichbar
den Tier- und Baumarten bot der Vordere Orient seinen Bewohnern eine
Vielfalt an wilden Pflanzen. Die ältesten Getreidearten sind Einkorn (Triticum boeoticum, in seiner domestizierten Form Triticum monococcum),
Emmer (Triticum dicoccoides, domestiziert als Triticum dicoccum), Hafer
(Avena sativa), Roggen (Secale) und Gerste (Hordeum spontaneum). Wildes
Getreide ist in der Chromosomenzusammensetzung einfacher (meist diploid) als domestiziertes (meist tetraploid oder hexaploid) und trägt weniger
Körner. Zudem besitzt es einen Halm, der in der Reifezeit leicht bricht. Die
Körner werden auf den Boden abgeworfen. Diese Besonderheit ist für die
Ausbreitung der Art nützlich, behindert aber das Ernten und den Gebrauch
der Sichel. Mit der Domestikation verdichtete sich die Zahl der Körner und
der Halm wurde flexibel.
Nach unseren jetzigen Kenntnissen wurden Einkorn und Hafer bereits
im 9. Jahrtausend domestiziert. Als weitere Pflanzensorten gibt es außerdem
Linsen, Knöterich, Tragant (astragalus), Pfriemengras (stipa), Erbsen, Kichererbsen, Wicke und Flachs. Sie alle wurden ab 8000 in einem Landstreifen
gezüchtet, der von Nordmesopotamien über das Chabur-Dreieck, das BalichTal zum Mittelmeer und zum Toten Meer reicht.
Obwohl die Pflanzendomestikation mangels wilder Pflanzen nicht in
Sumer stattgefunden haben kann, beweisen die großartigen Funde von Tell
el-Uweili, dass es schon im 7. Jahrtausend Ackerbau in der Alluvialebene
gab.
1
2
3
4
Charpin u. a. (1988) 392, Brief Nr. 468, Zeilen 21–26.
Kinnear (1920) 37.
Neef (1991) 323.
Frayne (1993) 28–30.
9. Flora
35
III. Chronologie
D
ie Chronologie ist das Rückgrat der Geschichte – ob es sich um vergangene Kulturen ohne schriftliche Hinterlassenschaften handelt
oder um Epochen, für die wir Textzeugnisse besitzen. Herkömmlicherweise spricht man von „historischen“ Kulturen von dem Zeitpunkt an,
von dem an Schriftquellen für die entsprechende Kultur erhalten sind. Die
schriftlosen Kulturen werden demgegenüber als vorgeschichtlich oder prähistorisch bezeichnet. Diese Einteilung ist freilich künstlich, denn gerade in
Mesopotamien gibt es schon lange vor der Schrift Entwicklungen, Erfindungen oder archäologisch fassbare Hinweise auf hierarchische Strukturen, die
„Geschichte“ sind. Politische Geschehnisse oder königliche Dynastien lassen
sich dennoch nur dank schriftlicher Zeugnisse rekonstruieren.
Die Chronologie ist nach wie vor einer der schwierigsten Bereiche der Altorientalistik. Diese Unsicherheit erklärt, weshalb es für nahezu jedes Ereignis mehrere zeitliche Vorschläge gibt. Kohärenz erlangt man jedoch, wenn
man innerhalb eines Datensystems bleibt.
„1492 entdeckte Christoph Columbus Amerika“ ist ein absolutes Datum.
Ist aber lediglich bekannt, dass ein bestimmtes Ereignis X Jahre vor oder nach
einem anderen Ereignis stattgefunden hat oder dass ein ägyptischer Herrscher zur selben Zeit regierte wie ein gewisser babylonischer König oder auch,
dass eine ganze Periode vor einer anderen anzusetzen ist, spricht man von
relativer Chronologie. So kann man zeitliche Ketten bilden, die sich eines
Tages vielleicht an ein absolutes Datum anhängen lassen. Eine Koordination
mit unserem Datensystem setzt auch ein Jahr von 365 Tagen, also einen
Sonnenkalender, voraus. Im Alten Orient ist dies der Fall, obgleich im Alten
Orient der Sonnen- und der Mondkalender benutzt wurden und bei manchen Daten aus dem Mondkalender schwierige Berechnungen nötig sind.
36
III. Chronologie
Für die prähistorischen Zeiten spielen sowohl relative als auch absolute Datierungen eine große Rolle. Die Perioden werden meist an Utensilien – etwa Steingeräten oder später Keramik – festgemacht und tragen den
Namen des Ortes, wo diese erstmals gefunden wurden.
Absolute Daten können nur durch naturwissenschaftliche Methoden
herausgefunden werden. Wichtigste Methode ist die 14C- oder Radiokarbonmethode. Sie misst den radioaktiven Zerfall des Kohlenstoff-Isotops in der
Materie, dessen Halbwertzeit 5730 Jahre beträgt. Allerdings birgt diese
Methode eine Ungenauigkeitsmarge von einigen Jahrzehnten, die für jüngere Epochen zu hoch ist. Für die Vorgeschichte ist sie aber unverzichtbar. Für
das neolithische westliche Vorderasien ist das chronologische Gerüst erst
25 Jahre alt und wird ständig durch neue 14C-Daten verbessert1.
In den Gegenden, in denen es ausreichend Holz gab, ist die Jahresringanalyse (Dendrochronologie) ebenfalls eine Hilfe: Sie beruht darauf, dass die
Baumstämme jedes Jahr um einen Ring wachsen, dass diese unterschiedlich
breit sind, und dass man deswegen sich überlappende Jahresringketten bilden kann. Inzwischen konnten der Wissenschaftler Peter Ian Kuniholm und
sein Team (Cornell University, Ithaca, New York State) eine 9000 Jahre umfassende Chronologie für Anatolien und das östliche Mittelmeer erstellen2.
Für die Chronologie der historischen Zeit spielt die schriftliche Überlieferung eine maßgebliche Rolle. Den Aufbau der Chronologie muss man für
den Alten Orient gleichsam von heute her aufrollen3.
Der bereits im ersten Abschnitt erwähnte Berossos war im 3. Jahrhundert
v. Chr. Marduk-Priester in Babylon. Er verfasste eine Geschichte seines
Landes, die er „Babyloniaca“ nannte und dem seleukidischen Herrscher
Antiochos I. (etwa 281–260 v. Chr.) widmete. Diese Geschichte ist heute
nur durch die Zusammenfassung des griechischen Gelehrten Alexander
Polyhistor aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. bekannt. Diese Zusammenfassung übernahmen wiederum der zeitgleiche Historiker Flavius Josephus
sowie nach ihm, im 4. Jahrhundert, der Bischof Eusebius von Caesarea. Berossos hatte lange, bis ins 7. Jahrhundert v. Chr. reichende Listen altorientalischer Herrscher aufgestellt. Eine weitere Liste, von Antoninus Pius aus
dem 2. Jahrhundert n. Chr. überliefert, reicht bis 747 v. Chr. Die erwähnten
Daten sind astronomisch errechnet und somit auf unseren Kalender übertragbar.
Seit dem 24. Jahrhundert v. Chr. haben zahlreiche altorientalische Könige ihre Regierungsjahre nach einem bedeutsamen Ereignis benannt. Hammurapis neuntes Regierungsjahr hieß „Der Kanal Hammurapi-hegal wurde
gegraben“, sein zehntes Jahr „Heer und Bevölkerung von Malgû wurden
vernichtet“ oder sein 14. Jahr „Den Thron der Inanna von Babylon stellte er
(der König) her“4.
So können Königslisten rekonstruiert werden. Außerdem nennen die
Herrscher häufig ihren Vater und Großvater. Für Assyrien gilt die „Assyri-
III. Chronologie
37
sche Königsliste“, welche die assyrischen Könige „von Anbeginn“ um 1950
v. Chr. verzeichnet5.
Assyrische Könige hatten weiterhin die Gewohnheit, jedes Jahr nach einem hohen Beamten zu benennen. Die so entstandenen Listen nennt man
Jahreseponymenlisten (akkadisch limū): Sie führen uns mit einer Fehlergrenze von höchstens zehn Jahren bis zum ersten Regierungsjahr des assyrischen
Königs Adad-nirari II. im Jahr 911 v. Chr. Allgemein erlauben uns die assyrischen und babylonischen Königslisten die Chronologie bis etwa 1450 v. Chr.
festzulegen. Um 1450 v. Chr. enden dann die Angaben für eine absolute
Chronologie. Für den Zeitraum davor zwischen dem Beginn der Ur-III-Zeit
und dem Ende der altbabylonischen Zeit konnte ein 500-jähriger Block mit
der relativen Königsabfolge rekonstruiert werden. Für die Regierungsdaten
der einzelnen Könige gilt heute als erstes Regierungsjahr jenes, das dem Tod
des Vorgängerkönigs folgt. Dies ist eine Konvention, die freilich nicht immer
den historischen Abläufen entspricht. Denn für viele Könige des 1. Jahrtausends ist das genaue Datum der Thronbesteigung bekannt, davor jedoch
nicht.
Während die bisher erwähnten Listen uns als historische Grundlage dienen können, verfolgten andere einen politisch-ideologischen Zweck. Eine
berühmte Liste ist die um 2100 v. Chr. verfasste sogenannte „Sumerische
Königsliste“. Gleich zu Beginn heißt es, in fünf Städten hätten acht Könige
241 200 Jahre geherrscht. Hinter solchen Zahlen verbirgt sich die Botschaft,
dass Sumer und Akkad schon immer zusammengehörten.
Die je nach Wissenschaftler unterschiedliche Rekonstruktion und Einpassung der bekannten Listenteile erklärt die unterschiedlichen Regierungsdaten in der heutigen Forschung. Zudem werden ständig weitere Erkenntnisse
durch neue Texte oder Neuübersetzung altbekannter Texte gewonnen.
Das Gerüst der altorientalischen absoluten Chronologie wurde zu Beginn
des 20. Jahrhunderts erstellt. Dafür bedienten sich die Historiker astronomischer Daten6.
In neuassyrischen Texten des 7. Jahrhunderts v. Chr., die aber Kopien
altbabylonischer Vorzeichen-Texte sind, wird unter vielen astronomischen
Beobachtungen eine aus dem achten Regierungsjahr des babylonischen
Königs Ammisaduqa vermerkt, wonach der Venusfrühaufgang sich mit dem
Neulicht des Mondes deckte. Heutige Berechnungen vermögen das genaue
Datum festzulegen. Da sich dieses Phänomen in der altbabylonischen Zeit
jedoch mehrfach wiederholte, bieten sich mehrere Daten für das erste Regierungsjahr des Ammisaduqa an: 1702, 1646 und 1582. Nun wissen wir, dass
51 Jahre nach Ammiaduqas Regierungsantritt, also 1651, 1595 oder 1531,
der hethitische König Mursili Babylon zerstörte und zugleich das Ende der
altbabylonischen Dynastie besiegelte. Der Zeitraum zwischen 1450 und dem
Ende Babylons bestimmt den Namen der Chronologie. Weil aus diesem
Zeitraum keine schriftlichen Quellen vorhanden sind und auch kein sicher
38
III. Chronologie
datierbares archäologisches Material, wird er als „Dunkles Zeitalter“ betitelt.
Ein langes „Dunkles Zeitalter“ von 200 Jahren (1651–1450) ergibt die sogenannte „Lange Chronologie“, von 144 Jahren (1595–1450) die „Mittlere
Chronologie“ und von 80 Jahren (1531–1450) die „Kurze Chronologie“. Während die lange Chronologie generell nicht mehr in Betracht gezogen wird,
sprach sich nach neuen Berechnungen der Venusdaten sowie der Berücksichtigung anderer astrologischer Daten und keramischer Abfolgen ein in Gent,
Chicago und Harvard angesiedeltes Forscherteam für die „Ultrakurze Chronologie“ aus7. Demnach beträgt der Zeitraum zwischen 1450 und dem Fall
Babylons 1499 lediglich 48 Jahre. Nach der Mittleren Chronologie regierte
Hammurapi von 1792 bis 1750, nach der Kurzen Chronologie von 1728 bis
1686 v. Chr.
Auch wenn diese Vorzeichen-Texte heute als reine Wahrsagungen, also
nicht mehr als astronomische Beobachtungen und deshalb auch nicht mehr
als „wissenschaftlich“ betrachtet werden, prägen sie den Aufbau der Chronologie nach wie vor. Obwohl keine Chronologie völlig „sitzt“, stützen wir uns
im Folgenden auf die fast überall benutzte „Mittlere Chronologie“.
1
2
3
4
5
6
7
Aurenche – Evin – Hours (1987).
Manning – Jaye Bruce (2009).
Eder – Renger (2004) 6–8.
Ungnad (1938) 178–179.
Pruzsinsky (2009) 45–67, 83–92.
Pruzsinsky (2009) 69–82.
Gasche u. a. (1998).
III. Chronologie
39
IV. Menschen und Sprachen
1. Woher kommen die Völker
des Vorderen Orients?
Wegen der nach allen Seiten offenen Geographie war und ist der Vordere
Orient ein Ort der Einwanderungen und der Verschmelzungen von Völkern
und Kulturen. Hinzu kommt die Verlockung, welche die hochstehenden,
technisch entwickelten und reichen mesopotamischen Kulturen seit jeher
auf Menschen ausübten, die in Wanderungen aus allen Himmelsrichtungen
das Gebiet betraten. Sie brachten Unruhe, passten sich an, hinterließen dabei aber eigene Kulturmerkmale, prägten möglicherweise eine neue Kultur,
bis der nächste Strom kam. Wer die allerersten Bewohner des Alten Orients
gewesen sind, wissen wir nicht. Die ersten, denen wir einen Namen geben
können, sind die Sumerer.
2. Sumerer
Die Bezeichnung Sumer und sumerisch stammt nicht vom Sumerischen,
sondern vom akkadischen šumeru. Die Sumerer selbst nannten ihre Sprache
eme-gir15 und ihr Land ki.en.gi-r (akkadisch māt šumerim). Während emegir15 vielleicht „einheimische Sprache“ bedeutet, entzieht sich die Bedeutung
von šumeru unserer Kenntnis. Sumerisch ist eine agglutinierende Sprache,
das heißt statt der in den indoeuropäischen Sprachen geläufigen Flexion
werden Suffixe an einen festen Wortstamm angehängt; genetisch ist das
Sumerische mit keiner anderen Sprache verwandt. Die ältesten sumerischen
40
IV. Menschen und Sprachen
Texte gehen auf das Ende des 4. Jahrtausends zurück (s. Kapitel XII). Sumerisch wurde vom Akkadischen erstmals in der Akkadzeit ab 2350 und endgültig um 1800 v. Chr. abgelöst.
Woher kommen die Sumerer? Um die Mitte des 19. Jahrhunderts, nach
den ersten Ausgrabungen in Khorsabad und Ninive, wussten die Ausgräber
und Philologen genug, um festzustellen, dass die gefundenen Texte in einer
semitischen Sprache geschrieben waren, die als Assyrisch oder Babylonisch
bezeichnet wurde. Es wurden aber auch vereinzelt Texte gefunden, die offensichtlich nicht in dieser Sprache verfasst worden waren. 1852 hatte der britische Assyriologe Sir Henry Creswicke Rawlinson vorgeschlagen, diese
Sprache „Akkadisch“ zu nennen. Er konnte herausfinden, dass ihr Pronominalsystem dem der mongolischen Sprache ähnelte. Erst 1869 schlug der
deutsch-französische Assyriologe Jules Oppert (1825–1905) vor, sie „sumerisch“ zu nennen. Er bezog sich auf den Titel „König von Sumer und Akkad“.
Im Ausschlussverfahren vermutete er auch, dass Sumer im Süden Mesopotamiens gelegen haben musste. 1877 begannen die ersten Ausgrabungen
auf dem sumerischen Hügel Tello, dem antiken Girsu. 1899 wurde in Nippur
der Spaten angesetzt, wo Hunderte von sumerischen Tafeln ans Licht kamen.
Die Verwendung des Zeichens „Gebirge“ für das Land Sumer und die
stufenförmigen Tempel wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Beweis
für eine Herkunft aus einer gebirgigen Region herangezogen. Von allen
Mesopotamien umgebenden Gebirgsketten bevorzugten der britische Archäologe und Assyriologe Leonard W. King (1869–1919) sowie der amerikanische Orientalist Morris Jastrow (1861–1921) den Zagros. Er lag näher
als der Taurus im Norden oder der Amanus im Westen, und die Franzosen
waren gerade dabei, in Susa eine wichtige alte Kultur auszugraben.
Außerdem wurden Berossos’ „Babyloniaca“ herangezogen. Er hatte geschrieben, dass Babyloniens Einwohner zu Beginn „ohne Gesetze wie wilde
Tiere“ lebten. Dann entstieg ein seltsames Wesen namens Oannes, halb Fisch,
halb Mensch, dem Golf. Es besaß einen Fischkörper mit Kopf, Füßen und
einer Menschenstimme, es brachte den Wilden Technik und Wissenschaft,
Architektur und Landwirtschaft, Gesetze und geistiges Leben. Dann verschwand es wieder ins Meer. Waren die Sumerer etwa zu einem Zeitpunkt
über den Golf gekommen, als er trocken lag? Lange galt Karl Wittvogels Theorie als wahrscheinlich, wonach sich die sumerische Kultur erst mit einem ausgeklügelten Bewässerungssystem entfalten konnte. Da dieses wiederum nur
bei einer straff organisierten Herrschaftsform möglich gewesen sein konnte,
seien die Sumerer erst spät eingewandert und die sumerische Kultur habe
ihren ersten Höhepunkt nicht vor der Städtebildung des 4. Jahrtausends
erreicht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Zahl der Ausgrabungen sprunghaft an. Dadurch wurde Sumers Besiedlung immer früher angesetzt. Entscheidend war die Entdeckung des Tell el-Uweili, der etwa 40 km östlich von
2. Sumerer
41
Uruk liegt. Die dortigen Befunde zeigen, dass Sumers Kultur des 7. Jahrtausends genau dieselben Züge trägt wie noch drei Jahrtausende später. Sie
haben aber darüber hinaus neue Perspektiven eröffnet, wonach Menschen
Stichkanäle in einer Gegend, die ohnehin wasserreicher war als heute, auch
schon ohne komplizierte Organisation graben konnten.
Weil man heute die agglutinierende Sprache Sumerisch mit keiner anderen Sprache mehr verbindet, von der vieltausendjährigen Besiedlung Sumers
weiß und die Bewässerung nicht die angenommene Organisation verlangte,
ist die Frage nach dem Ursprung der Sumerer zweitrangig geworden. Obwohl
ihre Herkunft immer noch im Ungewissen liegt, neigen die meisten Wissenschaftler heute zu der Annahme, die Sumerer könnten schon sehr lange in
Sumer gewesen sein.
3. Semiten
Die Menschen, die den Vorderen Orient nach den Sumerern besiedelten,
waren Semiten, die ihren Namen nach Sem, einem der Söhne Noahs, tragen.
In der Genesis (10,21–31 und 11,10–26), dem ersten Buch des Alten Testaments, ist er der Stammvater unter anderem der Assyrer, der Aramäer und
der Hebräer. Während die arabische Halbinsel oder Nordwestafrika lange als
ihre Urheimat galten, werden heute beide in Frage gestellt. Nordafrika wurde vorgeschlagen, weil die semitischen Sprachen zur selben afroasiatischen
(oder hamito-semitischen) Sprachgruppe gehören wie das Altägyptische, die
Berbersprachen oder Kuschitisch. Möglicherweise siedelte sich eine semitische Bevölkerung schon um 3000 in Nordbabylonien an. Semitische Namen
werden in der sumerischen Königsliste schon für die erste Dynastie von
Kisch genannt (27. Jh.). Ihre Verbreitung erkennt man jedoch in den Personennamen der noch sumerisch geschriebenen Verwaltungstexte aus Kisch,
Fara, dem antiken Schuruppak, und verstärkt aus Abu Salabikh. Eine Inschrift
von Ur aus der Zeit Mesanepadas nennt Puabi und Dadailum, beides semitische Namen. Hier sei auf die Rolle der Namensforschung, der Onomastik,
verwiesen. Über sie erfährt man etwas über den Ursprung der Namensträger, bei einem Gottesnamen oft auch etwas über ihre Religion oder über
ihre soziale Stellung. Die Semiten sprechen die älteste bekannte semitische
Sprache – Akkadisch –, das mit seinen jüngeren Entwicklungen, Babylonisch
im Süden und Assyrisch im Norden, möglicherweise die einzige Sprache des
ostsemitischen Sprachzweiges bildet. Der Name Akkad stammt von einer
Stadt, die Sargon zu seiner Hauptstadt machte.
Akkadzeitliche und im sogenannten Sargonisch-Akkadischen geschriebene Archive fand man nordwestlich im syrischen Tell Brak, dem antiken
Nagar, in Tell Mozan, dem antiken Urkisch sowie nördlich in Yorghan Tepe,
dem akkadischen Gasur und östlich in Susa. Etwa 1975 wurde in Ebla, dem
42
IV. Menschen und Sprachen
modernen Tell Mardich nahe Aleppo in Nordsyrien, ein sehr großes, um 2400
zu datierendes Archiv entdeckt, dank dessen die neue Sprache Eblaitisch ans
Licht kam. Seine Beziehung zur zeitgleich in Nordmesopotamien gesprochenen Sprache ist umstritten. Entweder ist Eblaitisch ein akkadischer Dialekt
oder eine dem Akkadischen nah verwandte ostsemitische Sprache. Ein vergleichbarer Sprachhorizont zeigt sich in Tell Beydar, dem antiken Nabada.
Schon um 2600 war in Mesopotamien das Diyala-Gebiet, die Gegend bis
etwa Nippur (Abb. 9), 200 km südlich von Bagdad, semitisiert, während die
Gegend südlich davon von Sumerern bewohnt war und Sumerisch sprach.
In diesem nördlich und südlich von Bagdad gelegenen Bereich und möglicherweise dank zugewanderter Nomaden entstand das von uns so genannte
Akkad-Reich.
Migrationsströme von Nomaden in den Vorderen Orient waren nichts
Außergewöhnliches. In der zweiten Hälfte des 23. Jahrhunderts wurden erstmals die semitischen Nomadenstämme der Amurriter erwähnt, die sumerisch mar.tu und akkadisch Amurû heißen, was in beiden Sprachen „Westen“ bedeutet. Amurritisch ist eine der Sprachen, die zum westsemitischen
Zweig, dem zweiten Zweig der semitischen Sprachen, gehört. Die Amurriter
wurden nach und nach sesshaft, übernahmen Vieles von der sumerischakkadischen Kultur und bildeten mit den Einheimischen die als Babylonier
bezeichnete und in Babylonien wohnende Bevölkerung. Ihre Sprache ist vor
allem durch ihre Namen bekannt, die schon in den akkadzeitlichen Texten
auftauchen. Bereits in den Texten des beginnenden 2. Jahrtausends sind
die Amurriter überwiegend im militärischen Bereich gut eingeführt. Sie
gründeten selbst die altbabylonische Dynastie, deren Vertreter Hammurapi
als berühmtester gesetzgebender König in die Geschichte eingehen sollte. Die
Einwanderung und die Begegnung der Nomaden mit den Sesshaften ist nicht
3. Semiten
왖 Abb. 9
Nippur. Blick
auf die Ziqqurrat
und das am
Ende des 19. Jhs.
darauf gebaute
Grabungshaus.
43
immer reibungslos vonstatten gegangen. Lange war die heutige Sicht dieses
Prozesses durch einen sumerischen Text geprägt, wonach der Beduinengott
Mardu und sein Volk, die Amurriter, „Trüffel (am Rande) des Hochlands ausgruben, ihr Knie nicht zu beugen wußten, rohes Fleisch aßen, zeitlebens kein
Haus kannten und nach ihrem Tod nicht (richtig) bestattet wurden“1.
Somit galten sie in den Augen der sesshaften Bevölkerung kaum als Menschen. Auch später wird es neben den sesshaft gewordenen Nomaden immer
Hirten- oder Kleinviehnomaden geben, die in den leeren Gegenden zwischen
den Siedlungen lebten. In Wirklichkeit aber waren wohl beide Gruppen aufeinander angewiesen und ergänzten sich.
4. Akkadisch, Babylonisch und Assyrisch
Das ostsemitische Akkadisch ist eine flektierende Sprache. Die typische Wortbildung aller semitischen Sprachen fußt auf drei Radikalen, die meist Konsonanten sind. Diese Wurzel gibt die Grundbedeutung des Wortes wieder.
Der konkrete Wortsinn ergibt sich aus den verschiedenen Vokalen und der
Hinzufügung von Prä- und Suffixen. Als Beispiel seien die akkadischen Wurzeln r-k-b, „reiten“ und dazugehörig „Narkabtum“, der „Wagen“ genannt
sowie d-m-q „gut sein“ und „dumqum“, „das Gute“.
Nachdem Akkadisch von etwa 2250 an bis 2100 mehrheitlich gesprochen
und geschrieben worden war, setzt sich für die 100 Jahre danach zum letzten
Mal Sumerisch durch. Wann genau Sumerisch außer Gebrauch gerät, ist
umstritten. Zwischen 2000 und 1800 verschwinden jedoch Alltägliches wie
sumerische Briefe, Rechts- und Verwaltungsurkunden schrittweise, während
formelle Textgattungen wie Königsinschriften und literarische Texte weiter
bestehen. Die Muttersprache des sumerischen Königs Schulgi um 2100–2050
ist möglicherweise schon Akkadisch. Jedenfalls werden ab 2000 v. Chr.
sumerische Muttersprachler immer weniger. Von etwa 1800 an wird ihre
Sprache ausschließlich für kultische und wissenschaftliche Texte von Gelehrten gebraucht.
Die älteste Sprachstufe des nunmehr Babylonisch genannten Akkadischen heißt Altbabylonisch und wurde zwischen 1900 und 1500 v. Chr. in
Babylonien, Westiran und Nordsyrien gesprochen. Sprachkraft und große
Einheit charakterisieren sie, so dass sie in den nachfolgenden Epochen oft
kopiert und schon in der Antike als das „klassische“ Akkadisch angesehen
wurde. Die zeitgleiche Sprachstufe im Norden ist Altassyrisch (1900–1750
v. Chr.), dessen Texte zum Großteil aus der altassyrischen Handelskolonie
Kültepe stammen.
Die nachfolgende Sprachstufe ist die mittelbabylonische und parallel dazu die mittelassyrische (1500–1000 v. Chr.). Zu dieser Zeit ist Akkadisch die
lingua franca des Vorderen Orients. 1887 fand eine Bäuerin bei Feldarbeiten
44
IV. Menschen und Sprachen
im mittelägyptischen Tell el-Amarna einige Tafeln in Keilschrift. Es stellte sich
heraus, dass sie aus dem Palast der durch Amenophis IV./Echnaton (1353–
1335 v. Chr.) neugegründeten und nach seinem Tod verlassenen Hauptstadt
Achet-Aton stammten. Die etwa 350 dort gefundenen Briefe bildeten den diplomatischen Briefwechsel, den Amenophis III. in seinen letzten Jahren, Echnaton und seine zwei Nachfolger Tutanchamun und Aya mit babylonischen,
assyrischen, mittanischen, hethitischen und levantinischen Königen führten.
Die neubabylonische Sprachstufe ist durch Wirtschafts- und Verwaltungstafeln sowie Bauinschriften und Briefe bekannt (1000–600 v. Chr.). Die
unzähligen Texte aus allen Bereichen spiegeln die größere Wichtigkeit der
zeitgleichen neuassyrischen Sprachstufe wider. Die letzten derzeit bekannten
neuassyrischen Texte stammen aus dem ostsyrischen Ort Dur-Katlimmu
und datieren auf 603–600 v. Chr. Dem Untergang des neuassyrischen Reiches
folgt ein wichtiger Abschnitt in Babylonien, deren Sprachstufe Spätbabylonisch genannt wird. Er beginnt um 600 v. Chr. Akkadisch wurde bis zur
Jahrtausendwende gesprochen, aber wie Sumerisch bis in die nachchristliche
Zeit geschrieben.
Zum westsemitischen Zweig gehört neben anderen Sprachen Ugaritisch,
das durch die Grabung in Ugarit ab 1929 und den Fund zahlreicher Tontafeln aus dem 14. und 13. Jahrhundert v. Chr. bekannt wurde. Diese Entdeckung wurde von einem ungeheuren theologischen Interesse begleitet, erkannte man doch in der ugaritischen Literatur auffallende Ähnlichkeiten zu
zahlreichen biblischen Texten wie den Psalmen, zu biblischen Figuren wie
dem Seher Daniel oder zum Ungeheuer Leviathan. Sie gelten als Vorläufer
der Bibel und gehören zu einem gemeinsamen kulturellen Fundament.
Zu Beginn des 1. Jahrtausends werden im Westen die westsemitischen
Sprachen Aramäisch, Phönizisch und Hebräisch wichtig. Unter ihnen erfährt
Aramäisch die größte Expansion.
Die letzte große Einwanderungswelle semitischer Nomaden war die der
Aramäer. Sie lebten, vielleicht seit dem 13. Jahrhundert v. Chr., im ChaburGebiet, dem Nordosten des heutigen Syrien, und waren Kleinviehzüchter. Die
älteste bekannte Nennung finden wir in den Texten Tiglatpilesars I. (1114–
1076 v. Chr.). Dort heißen sie Ahlamū, daraus wurde Aramū.
Aus noch nicht bekanntem Grund breiteten sich diese aramäischen
Nomaden aus ihrer angestammten Gegend ab dem Ende des 12. Jahrhunderts
zum Mittleren Euphrat, nach Palmyra, Nordbabylonien und schließlich nach
Assyrien aus, wo sie im 11. und 10. Jahrhundert überall sesshaft wurden. Assyriens Kontrolle bis zum Mittelmeer trug paradoxerweise zur Ausbreitung
der aramäischen Sprache bei. Besonders ab der Zeit Salmanassars III. bis
zu Tiglatpilesar III. mehrten sich die aramäischen Namen unter den nichtassyrischen Herrschern, Statthaltern, Heerführern, Priestern, Gelehrten und
vielen anderen. Vielleicht trug auch die alphabetische Schrift des Aramäischen zu seiner Verbreitung bei, die ungleich einfacher ist als die Keilschrift.
4. Akkadisch, Babylonisch und Assyrisch
45
Abb. 10 왖
Steinplatte aus
dem Palast
Tiglatpilesars III.
in Nimrud. British
Museum, London.
Gefangene und
Viehherden beim
Auszug aus einer
babylonischen
Stadt. Der vordere Schreiber
schreibt auf eine
Tafel, der hintere
Aramäisch auf
eine Rolle.
Assyrien war teilweise zweisprachig. Mehrere neuassyrische Bilder – darunter eine Steinplatte Tiglatpilesars III. (Abb. 10) – zeigen zwei Schreiber, die
wohl jeweils Keilschrift auf eine Tontafel und Aramäisch auf eine Papyrusoder Pergamentrolle schreiben. Wie viele Nomaden vor ihnen integrierten
sich die Aramäer in die babylonische Bevölkerung. Auch die Namen der
Dörfer, also der ländlichen Gegenden, weisen auf eine starke Aramäisierung.
Aramäisch wurde weiterhin in der achämenidischen Zeit gesprochen und
geschrieben. Dank des trockenen ägyptischen Klimas blieb ein wichtiges
Archiv aus achämenidischer Zeit in Elephantine erhalten (5. Jh. v. Chr.). In
Syrien und Palästina sprach man Aramäisch. Der christlichen Welt ist Aramäisch noch heute ein Begriff, weil Jesus Christus es gesprochen hat. Einzelne Textpassagen des Alten Testaments wurden in Aramäisch geschrieben
(Buch Daniel, Buch Ezra), und auch in dem auf Griechisch verfassten Neuen Testament haben sich aramäische Wendungen erhalten. Schließlich wird
Aramäisch heute noch als Altsyrisch in einigen Dörfern nördlich von Damaskus gesprochen.
5. Weitere Völker und Sprachen
Nach heutigen Kenntnissen tauchen in einem Text, der in das 53. Regierungsjahr von Rim-Sin I. datiert wird (1770 v. Chr.), Namen von Angehörigen
einer neuen störenden Volksgruppe auf. Es waren die Kaššû, welche die Griechen Kossaioi und wir Kassiten nennen. Zu diesem Zeitpunkt werden sie als
Feldarbeiter, Söldner oder Angreifer genannt: Auch diese Kassiten waren eingewandert. Mangels kassitisch geschriebener Texte beschränkt sich unsere
46
IV. Menschen und Sprachen
Kenntnis des Kassitischen auf Götter- und Personennamen. Dies aber reicht
aus, um festzustellen, dass Kassitisch mit keiner anderen altorientalischen
Sprache verwandt ist und daher die Frage nach ihrem Ursprung unbeantwortet bleibt.
Zu den schwer einzuordnenden Sprachen zählen auch Hurritisch und
Urartäisch. In den spätakkadischen Texten von Urkisch (Tell Mozan) und
Nagar (Tell Brak) tauchen erstmals hurritische Namen auf. Da hurritische
Namen in den etwas älteren Texten (2400 v. Chr.) von Ebla und Tell Beydar
fehlen, müssen die Hurriter während der Akkadzeit ab 2300 v. Chr. nach
Syrien eingewandert sein. Diese neue, nicht semitische Bevölkerungsgruppe
kam wohl aus den östlich von Syrien liegenden Gebirgszügen des Taurus oder
des Zagros. Das Hurritische ist, wie das Urartäische, eine agglutinierende und
ergative Sprache (d. h. sie unterscheidet zwischen dem Subjekt eines transitiven und dem Subjekt eines intransitiven Verbums), die keine genetische
Verbindung zu irgendeiner anderen Sprache des Alten Orients aufweist. Das
Wort „hurritisch“ selbst stammt von einer Einwohnerbezeichnung in hethitischen Texten.
Eine akkadzeitliche Rollsiegelabrollung aus dem Palast in Tell Mozan
zeigt den König von Urkisch, hurritisch endan. Er trug den hurritischen
Namen Tupkisch, seine Frau jedoch den akkadischen Uqnitum, was „Lapislazuli-Mädchen“ bedeutet. Der älteste hurritische Text ist die Anfang des
2. Jahrtausends datierende Inschrift des Königs Tischatal, endan von Urkisch.
Im 2. Jahrtausend prägten Hurriter die Kultur des geographisch einheitlichen
Streifens vom südöstlichen Anatolien, über Nordsyrien nach Nordirak. Die
wichtigsten hurritisch-geschriebenen oder hurritisch-beeinflussten Texte
datieren in das 15. und 14. Jahrhundert und stammen aus Yorghan Tepe (antik Nuzi) im Nordirak, aus Alalakh in der türkischen Provinz Hatay um
Antakya, aus dem Amarna-Archiv und Ugarit.
Weniger gut bezeugt ist Urartäisch. In dieser Sprache verfasste Inschriften und wenige Tontafeln finden sich zwischen dem späten 9. Jahrhundert
und etwa 600 v. Chr. vor allem in Ostanatolien.
In der Elam genannten westiranischen Region, die vom heutigen Irak
geomorphologisch nicht zu trennen ist und die deswegen stets dem mesopotamischen Einfluss ausgesetzt war, wurde häufig Sumerisch und Akkadisch
geschrieben.
Die einheimischen Elamiter sprachen jedoch Elamisch, vielleicht weitläufig mit den Drawiden-Sprachen verwandt. Es ist erst seit den 1960er Jahren besser bekannt, obwohl Texte in dieser Sprache immer noch selten
sind. Die älteste Stufe des Elamischen ist durch Namen in sumerischen und
akkadischen Texten (2600–1500 v. Chr.) bezeugt. Erst von 1500 an gibt es
Inschriften auf Ziegeln, Statuen oder Reliefs aus Susa und Choga Zanbil. In
der Achämenidenzeit schrieben die Könige offizielle Inschriften wie auf
dem Behistun-Felsrelief oder Verwaltungstafeln auf Elamisch. „Protoela-
5. Weitere Völker und Sprachen
47
misch“ ist eine noch nicht entzifferte Schrift auf Texten, die mehrheitlich in
Susa, aber auch in Sistan gefunden worden sind und die zwischen 3100 und
2900 v. Chr. datieren. Die Bezeichnung ist in diesem Fall geographisch und
nicht linguistisch.
Die achämenidischen Könige sprachen und schrieben das indogermanische Altpersisch.
Viele der in Kleinasien gesprochenen Sprachen gehörten zum anatolischen Zweig der indoeuropäischen Sprachen. Die älteste gut bekannte
unter ihnen ist Hethitisch. Die moderne Bezeichnung Hethiter/hethitisch
geht auf Luthers Übersetzung des Namens des im Alten Testament genannten Volkes hittīnu zurück. Die Hethiter nannten ihren Staat „Land Hatti“
und ihre Sprache nešili nach der Stadt Neša (Kanisch, heute Kültepe), die als
Herkunftsort der hethitischen Dynastie gilt. In den altassyrischen Texten aus
der Handelsstadt Kanisch finden sich einige der ältesten hethitischen Sprachreste (18. Jh. v. Chr.). Die Hauptfunde stammen jedoch aus dem Archiv der
hethitischen Hauptstadt Hattusa (modern Boğazköy) und erstrecken sich
über den Zeitraum von 1600 bis 1200 v. Chr. Vor den Hethitern sprachen
die Menschen in Zentralanatolien Hattisch, dessen Verbindung zu Hethitisch
jedoch unklar ist. Luwisch, Lydisch, Lykisch und Karisch sind wichtige indoeuropäische Sprachen des 1. Jahrtausends.
6. Mehrsprachigkeit
Mehrsprachigkeit ist sicher ein Charakteristikum des Alten Orients. Nicht
nur an historischen Schnittstellen – etwa als die Semiten die Sumerer ablösten –, sondern auch in den vielen ethnisch gemischten Gebieten waren
viele Menschen mehrerer Sprachen mächtig. Der Fall, dem sich heutige
Gelehrte am häufigsten gewidmet haben, ist die Zweisprachigkeit von Sumerisch und Akkadisch. In einem Text antwortet der König Schulgi auf Amurritisch den amurritischen Boten und auf Elamisch den elamischen Boten. In
einem anderen Text desselben Königs steht, dass man ihn nicht täuschen
kann, denn er kenne fünf Sprachen, die einem weiteren Text zufolge Sumerisch, Elamisch, Amurritisch, Subaräisch (wahrscheinlich Hurritisch) und
Meluhhäisch (Sprache der Indus-Tal-Kultur) sind. Dazu kommt wohl die
nicht erwähnte Muttersprache, die nur Akkadisch sein kann.
1 Römer (1990) 505–506.
48
IV. Menschen und Sprachen
V.
Vom Neolithikum
bis etwa 4000 v. Chr.
D
ieses Kapitel beschreibt von der Sesshaftwerdung bis etwa 4000
v. Chr. die gesellschaftliche, wirtschaftliche und religiöse Entwicklung, die die Fundamente der mesopotamischen Hochkulturen
bildet. Mit Beginn des 4. Jahrtausends, vom nächsten Kapitel an, werden die
einzelnen Aspekte in unterschiedlichen Kapiteln geschildert. Die Zäsur ist
künstlich, trägt aber dem breiteren Informationsfluss Rechnung und zeichnet die Kontinuität in den Einzelgebieten besser auf.
1. Der Weg zur Sesshaftigkeit
Die meisten Menschen sind heute sesshaft. Im Blick auf die Menschheitsgeschichte aber ist die Sesshaftwerdung ein sehr spätes und nach wie vor
ungeklärtes Phänomen.
Wahrscheinlich wanderten die ersten Menschen – sie gehörten zur
Gruppe des homo erectus – vor etwa eineinhalb Millionen Jahren aus Afrika
in den Vorderen Orient und an die Mittelmeerküste. Die ältesten derzeit
bekannten Skelettreste – ein Schädel und zwei Zähne – kamen in Ubaidiya,
drei Kilometer südlich des Sees Genezareth, ans Licht und werden auf eine
halbe Million Jahre angesetzt. Im Irak ist Masnaa in der Haditha-Region,
etwa 250 km nordwestlich von Bagdad, der Ort, an dem der älteste bearbeitete Feuerstein gefunden wurde. Mehrere Orte aus dem Moustérien
(150 000–100 000) deuten auf eine menschliche Präsenz im Nordirak und
im Euphrat- und Tigristal. Die frühesten Skelette auf irakischem Boden
sind hingegen jünger. In der nahe von Rowanduz liegenden SchanidarHöhle wurden neun Skelette – sieben Erwachsene und zwei Kleinkinder –
1. Der Weg zur Sesshaftigkeit
49
Abb. 11 왘
In der nordirakischen SchanidarHöhle wurden
neun Skelette
von Neandertalern gefunden.
von Neandertalern aus dem Zeitraum zwischen 60 000 und 45 000 entdeckt
(Abb. 11). Stockrosen-Pollen, die neben einem Skelett lagen, haben sie berühmt gemacht. Sollten diese Pollen tatsächlich ursprünglich mit bestattet
und nicht von Mäusen eingeschleppt worden sein, stellten sie ein Beispiel
für eine sehr frühe symbolische Handlung dar.
Alle waren damals Jäger und Sammler, bis spätestens zwischen 14 000 und
12 000 v. Chr. die sesshaften Phasen im „natürlichen“ Fruchtbaren Halbmond
immer länger wurden. Mit der Sesshaftwerdung begann die Suche nach anderen Ernährungsstrategien, die in Pflanzen- und Tierdomestikation mündeten. Um 6000 v. Chr. sprechen wir von Bauern und Viehzüchtern. In den
dazwischen liegenden Jahrtausenden haben die Menschen des Vorderen Orients den Prozess zwischen Nomadentum und Ackerbau sehr schnell durchlaufen. Es ist dieser wegweisende Prozess, den Gordon Childe „Neolithische
Revolution“ nannte und den man heute, auch weil man ihn besser kennt, als
„Evolution“ bezeichnet. Die Forschungen der letzten Jahrzehnte haben Entwicklungen aufgedeckt, welche die Übergänge viel differenzierter darstellen:
Eine Vorratswirschaft gab es schon in der Jägergesellschaft, die ersten sesshaften Menschen waren Jäger und Sammler zugleich. Landwirtschaft und
Tierdomestikation gelangten über Anatolien nach Griechenland, wo sie in
Europa die Voraussetzung für ihren weiteren Fortgang bildeten.
Wie kann diese folgenreiche Umstellung erklärt werden? Zeigen doch
Studien, dass es in einer umweltfreundlichen Gegend viel einfacher ist, Jäger
und Sammler zu sein als Bauer? Drei Arbeitsstunden täglich reichen einem
Jäger und Sammler, um seine Familie zu ernähren. Der Bauer hingegen muss
ununterbrochen arbeiten und kämpft gegen zahlreiche Unwägbarkeiten. Der
Verlust der Jäger- und Sammlergesellschaften hinterließ möglicherweise
sogar eine so große Sehnsucht im kulturellen Gedächtnis der Menschheit,
dass diese Frühzeit in fast allen Kulturen religiös oder mythisch als „Goldenes Zeitalter“ verankert wurde.
50
V. Vom Neolithikum bis etwa 4000 v. Chr.
Die verschiedenen Erklärungsmuster zur Domestikation betonen unterschiedliche Ursachen. Sicher bietet die klimatisch für Vegetation und Tierleben äußerst günstige Lage des Vorderen Orients die allerbeste Voraussetzung für das Vorpreschen dieser Gegend. Vielleicht zwang aber auch ein
zwar sehr reiches, aber von Jägern und Sammlern doch zu arg ausgebeutetes
Umfeld zu neuen Strategien. Dennoch: Auch wenn die Umwelt bestimmte
Lebensweisen begünstigt, kann sie allein die sehr unterschiedliche Menschheitsentwicklung nicht ausreichend erklären. Die Menschen haben schon zu
diesem frühen Zeitpunkt aktiv neue Lebensformen erprobt.
Das Studium der ältesten Entwicklungen hat für die Levante, Syrien
und Anatolien in den letzten Jahrzehnten sprunghafte Fortschritte gemacht,
anders als für den Irak, wo das Studium der ältesten Epochen durch den
Golfkrieg jäh unterbrochen wurde. Die Phaseneinteilung beruht auch hier
vor dem Auftauchen der Keramik auf der Entwicklung der Steinwerkzeuge.
Exkurs: Der Hausbau
Der Prozess der Sesshaftwerdung und
die damit verbundene Wohnarchitektur
hinterlassen kaum Spuren. In der Höhle
von Iraq ez-Zigan, östlich von Haifa,
beobachtet man, wie in der kebarischen
Zeit (18 000–12 000) der Vorplatz erstmals zu einer Terrasse ausgebaut und sogar mit Mauern umgeben wurde. So verfügten die Menschen über 25 bis 50 m2
bedeckter Wohnfläche und zusätzlich
100 m2 Bewegungsfläche unter freiem
Himmel. Lange dachte man, Höhlen seien die ältesten und häufigsten Wohnräume. Im Jahre 1989, als der Wasserspiegel
des Sees Genezareth besonders niedrig
war, wurden im Ort Ohalo runde Hütten
entdeckt. Dieser Ort datiert auf 20 000
v. Chr. und nimmt sämtliche Merkmale
vorweg, die man bisher von wesentlich
jüngeren Orten kannte. In Ein Gev zum
Beispiel, das am selben See liegt, war
schon eine runde Hütte mit einem
Durchmesser von etwa 6 Metern freigelegt worden. Sie war in den sandigen
Boden eingetieft. Ihre mit Steinen ausgekleideten Grubenwände waren noch
auf 40 cm Höhe erhalten. Vermutlich
hörten sie auch tatsächlich bei dieser
Höhe auf und gingen in einen Aufsatz
aus Ästen, Schilf und Lehm über. Für
das 13. Jahrtausend sind mindestens
fünf vergleichbare Orte in der Levante
bekannt, die allerdings noch keine Dörfer bilden. Heute können wir feststellen,
dass es vor der ständigen Sesshaftwerdung schon Hütten gab, und wir können
nur vermuten, dass Menschen vielleicht
doch häufiger in selbst gebauten Hütten
als in Höhlen wohnten.
Der Startschuss für den Hausbau und
für die Entstehung von Dörfern wird in
der natufischen Zeit gegeben, also ab
etwa 12 000 v. Chr. Die besterhaltene
Häusergruppe stammt aus Ain Mallaha,
das am Westufer des nordisraelischen,
heute ausgetrockneten Hule-Sees liegt.
Die Häuser sind rund und zum abfallenden Hang hin geöffnet. Die steigende
Hangseite bietet eine willkommene Stütze, woran sich die Mauer – hier aus Stein,
verputzt und rot bemalt – lehnen kann.
Bodenlöcher dienten dazu, Pfosten aufzunehmen, die das leichte Dach aus
Ästen und Schilf trugen. Innen gab es einen Ofen. In den syrischen Orten Mureybet und Jerf el-Ahmar kann man beobachten, wie im 10. Jahrtausend 0,70 m
bis zu 1,35 m hohe Holz- oder Steintrennwände eingeführt wurden. Sie teilten das Haus in Zellen, die sich zu einem
mittleren Gang öffneten. Die Hauseinteilung war der erste Schritt zur Rechteckigkeit, die bald danach zum Standard
in der Architektur wurde.
1. Der Weg zur Sesshaftigkeit
51
2. Die letzten Höhlen und
das akeramische Neolithikum
Die Zarzische Zeit, die bis etwa 10 200 v. Chr. währte, ist der letzte Zeitabschnitt vor Beginn des Neolithikums im Irak. Namensgeber war die nahe
Kirkuk gelegene Höhle von Zarzi, in der eine im Gegensatz zur Levante
wahrscheinlich noch nicht völlig sesshafte Jägergesellschaft zeitweilig wohnte. Über ihre weitere Behausung in den sogenannten Summer camps weiß
man nichts. Auch die bereits erwähnte Höhle von Schanidar war noch bewohnt.
Neben den Höhlen gab es aber auch gebaute Siedlungen. Zawi Chemi
Schanidar liegt unweit von Schanidar auf 425 m Höhe am linken Ufer des
großen Zab bei Rowanduz. Eine runde Struktur mit 2,20 m Durchmesser
war wahrscheinlich eine Hütte. In der Nähe davon lagen 17 Raubvogelflügel,
15 Wildziegenschädel und über 250 Reibsteine. Der nahe Zagros lieferte
viele wilde Körner, die möglicherweise schon zu einem „Proto“-Ackerbau
anregten. Auch ohne domestizierte Pflanzen und ohne zu säen, überwachten die Menschen Felder und ernteten das darauf wachsende Wildgetreide.
Zeitgleich liegt, 200 km südlich von Schanidar und auf 850 m Höhe, der Ort
Karim Shahir. Eine gepflasterte Fläche von mindestens 500 m2 war von elf
runden Gruben durchbrochen, die mit Kohle und zersprungenen Steinen
gefüllt waren. Eine davon besaß einen rotbemalten Boden, worauf eine sehr
grobe Menschenfigur aus wenig gebranntem Ton lag.
Zeitgleich mit der Klimaerwärmung ab etwa 10 000 v. Chr. lässt sich eine
verbesserte Kontrolle der Umwelt durch die Menschen beobachten, eine Voraussetzung für die Entwicklung zum Ackerbau und zur Tierdomestikation.
Im „Hausbau“, in der Werkzeugtechnologie und in der Vorratswirtschaft gibt
es nun deutliche Fortschritte. Mit diesen Bemühungen beginnt das Neolithikum. Es wird in eine Phase „ohne Keramik“ (akeramisch) und mit Keramik
(keramisch) eingeteilt.
Der Zarzischen Zeit folgt im Irak ein Zeitabschnitt, der „Nemrikien“ oder
„Mléfatien“ genannt wird (10 200–7000 v. Chr.). In dieser Umbruchsphase
lösten Dörfer die Höhlen ab. Die Bevölkerung war nunmehr sesshaft, lebte
aber nach wie vor vom Jagen und Sammeln. Ihre Pfeilspitzen ähnelten denen,
die erstmals im israelischen Ort el-Khiam gefunden wurden und daher
el-Khiam-Pfeilspitzen heißen. In Mlefaat, unweit von Mossul, legten polnische Archäologen etwa zehn runde Häuser frei (s. Exkurs Hausbau), die aus
modellierten Lehmziegeln bestanden (s. Exkurs Ziegel). Diese sind vorerst
die ältesten in Mesopotamien und wie in Jericho „zigarrenförmig“ (Abb. 14a).
Zeitgleiche Häuser wurden in Qermez Dere, 60 km westlich von Mossul,
ausgegraben. Eines davon war ebenfalls rund, aber mit vier mehrmals erneuerten Pfeilern versehen. Vieles erinnert hier an die Levante, doch Pfeiler gab
52
V. Vom Neolithikum bis etwa 4000 v. Chr.
왗 Abb. 12
Nemrik, Schicht
IV: Rundes Haus
aus Lehmziegeln
mit vier Pfeilern,
ca. 8000 v. Chr.
es dort nicht. Nemrik, 50 km nördlich von Mossul, ist der einzige Ort im Irak,
dessen archäologische Abfolge über den langen Zeitraum von 1500 Jahren
im 9. und 8. Jahrtausend bezeugt ist. Die älteren Häuser – etwa zehn an der
Zahl – waren rund, aus „zigarrenförmigen“ Ziegeln gebaut und im Durchmesser 7 bis 8 m groß. Die Wände waren innen verputzt. Von Steinen umgebene Löcher innen deuten auf Pfosten, die ein Dach trugen, das aus
Lehm über Holzbalken bestand. In den jüngeren Phasen von Nemrik ersetzten gebaute Pfeiler die Holzpfosten (Abb. 12) und Schaf, Ziege, Rind und
Schwein wurden domestiziert. Jagd und wilde Tiere spielten jedoch weiterhin eine herausragende Rolle. Davon zeugen fünf Vogelköpfe aus Flussgestein, die zu den bemerkenswertesten Funden des frühen Irak gehören
(Abb. 13). Diese allerfrüheste Kultur in der Nähe von Mossul zeigt mit der
Bauweise und den Pfeilspitzen gemeinsame Züge mit der Levante. Aus Zentralanatolien wurde Obsidian schon in der Zarzischen Zeit geholt. All dies
deutet auf Kontakte zwischen West und Ost. Dennoch blieb das irakische
Neolithikum eigenständig.
왗 Abb. 13
Nemrik, Schicht
IV: Vogelköpfe,
H. 10,4 cm und
11,4 cm, Flussgestein, ca. 8000
v. Chr., Bagdad,
Iraq Museum.
2. Die letzten Höhlen und das akeramische Neolithikum
53
Abb. 14 왘
Verschiedene
Ziegelformen.
a: Jericho,„zigarrenförmige“
Ziegel, ca. 50 cm,
9. Jt. v. Chr.
b:„Plankonvexe“
Ziegel, hier aus
dem Abu-Tempel
von Tell Asmar, in
Fischgrätenmuster
gelegt,
ca. 2700 v. Chr.
c: Tell Rimah,
Tempelfassade mit
spiralenförmig
angelegten
Halbsäulen,
Beginn des
18. Jhs. v. Chr.
d: Türlaibung aus
dem SchamaschTempel in Larsa,
kassitisch.
e: Quadratische
Ziegel aus Nippur,
ca. 30 ҂ 30 cm,
kassitisch bis
achämenidisch.
a
b
c
e
d
Kurz vor der Keramikerfindung findet der ebenso folgenreiche Übergang von der runden zur eckigen Architektur statt, den wir unter anderem in
Nemrik, Jarmo und in Umm Dabaghiya beobachten können. In Maghzalia
bestehen die ältesten eckigen Wohnbauten aus einem 10 bis 12 m2 großen
Raum, die jüngeren hingegen aus mehreren Räumen, die insgesamt eine bis
zu 100 m2 große Fläche bilden. In den jüngsten Phasen sind ihre Bauweise
mit Kalksteinsockel und ihr Grundriss, bestehend aus zwei Langräumen mit
einem Querraum, bemerkenswert. Weiterhin umfasst die jüngere Siedlung
eine außergewöhnliche, noch 60 m lange Mauer, deren Sockel aus Kalkstein-
54
V. Vom Neolithikum bis etwa 4000 v. Chr.
Exkurs: Ziegel
Die ältesten Ziegel kamen im Westen in
Jericho und Netiv Hagdud nahe Jericho
und im Osten in Mlefaat und Nemrik
ans Licht. Wahrscheinlich wurden sie
unabhängig voneinander in diesen beiden Gegenden im 9. Jahrtausend entwickelt. Diese Ziegel erreichen bis zu
70 cm Länge. Wegen ihrer Form bezeich-
neten sie einige Ausgräber als „Zigarren“
(Abb. 14a). Die bisher genannten Ziegel
waren handgeformt. Sollten die Ziegel
aus den drei syrischen Orten Tell Buqras,
Ramad und Tell el-Kowm wirklich in einem Model hergestellt worden sein, so
geht diese Technik auf die Zeit zwischen
7500 und 7000 v. Chr. zurück.
blöcken besteht und bis zu 1,80 m Höhe erhalten geblieben ist. Diente sie der
Abwehr? In Maghzalia wurden zahlreiche Frauen- und Tierterrakotten,
Steinschmuck und Steingefäße gefunden. Keramik fehlte noch, aber Gefäße
der sogenannten „Weißen Ware“, einer aus erhitztem Kalkstein hergestellten
„Keramik“, (siehe Exkurs: Beginn der Keramik) sowie ein Gefäß aus ungebranntem Ton kündigten die Keramik bereits an.
Mit Tell Rihan III verlassen wir gebirgige oder hügelige Landschaften.
Dieser Ort liegt im Hamrin-Gebiet, 120 km nördlich von Bagdad, und ist die
älteste Siedlung, die nahe an der Grenze zu Bewässerungsgebieten bisher
gefunden wurde. Der Architekturwandel von den runden, später ovalen Häusern zu solchen, deren Wände bereits gerade, die Ecken aber noch abgerundet sind, kann besonders gut beobachtet werden.
3. Das keramische Neolithikum
Neben Ackerbau und Tierdomestikation ist die Erfindung der aus gebranntem Ton bestehenden Keramik eine wegweisende technische Erneuerung.
Nach der neuesten Forschung wurde diese um 7000 v. Chr. in Zentral- und
Südanatolien entwickelt und verbreitete sich zunächst nach Nord- und Mittelsyrien, dann über den gesamten Vorderen Orient. Der Gebrauch von Keramik setzte sich langsam durch und diente zunächst mehr zum Kochen als
zum Aufbewahren. Zu den ältesten Keramiken gehören die Dark Faced
Burnished Ware und die Coarse Ware. Mit zunehmendem Wissen wird klar,
dass trotz einheitlicher Grundelemente schon zu Beginn des 7. Jahrtausends
zahlreiche lokale Stile bestanden. Am Ende des 7. Jahrtausends trug die
Keramik über weite Gebiete ähnliche Züge, die auf einen bereits relativ
ausgedehnten Handel weisen.
Vom Neolithikum an werden trotz einer ziemlich einheitlichen Kultur
regionale Kulturfacetten im Norden, Zentrum und Süden Iraks unterschieden, die eigene Bezeichnungen tragen.
3. Das keramische Neolithikum
55
Exkurs: Der Beginn der Keramik
Abb. 15 왔
Umm Dabaghiya, Schicht III.
Wandmalerei,
auf der eine
Onagerjagd
abgebildet ist,
Länge ca. 70 cm,
1. Hälfte des
7. Jts. v. Chr.
56
Der Ton muss bei mindestens 500 bis
600 Grad gebrannt werden, um wasserresistent zu sein. Bis vor kurzem galt
weltweit Japan als die Gegend, in der
die erste Keramik hergestellt worden
war. Neuen Erkenntnissen nach liegen
die Ursprünge der Töpferei aber möglicherweise in der chinesischen Provinz
Hunan. Ein Forscherteam der Bar-IlanUniversität in Ramat Gan (Israel) hat mit
Hilfe der Radiokarbonmethode (siehe
S. 37) ein Alter von 17 500 bis 18 300
Jahren für Tonscherben bestimmt. Vor
der Verbreitung von Keramik hatte es in
Vorderasien eine andere Art gegeben,
feste Nahrung und Flüssigkeit zu fassen.
Bei mindestens 800 Grad erhitzte man
Kalk- oder Kreidestein, der dadurch
weich wurde. Wie bei einem Keramikgefäß baute man mehrere Kalkwülste
aufeinander und glättete sie dann.
Wegen des Materials spricht man von
„Weißer Ware“ (white ware). Sobald das
Gefäß trocken war, wurde es wasserundurchlässig. Diese Technik setzte sich
aber nicht durch.
Ein wichtiger technischer Fortschritt ist
die Erfindung der Drehscheibe, die für
den Alten Orient nur durch die Machart
der Keramik, nicht aber durch Funde
belegt werden kann. Die einfachste besteht aus einer Holz- oder Tonscheibe,
die über einem Sockel mit der Hand
gedreht wird. Diese langsame Drehscheibe, auch tournette genannt, gibt
es spätestens seit dem 6. Jahrtausend.
Die sogenannte schnelle Drehscheibe
– eine auf einer Achse montierte Scheibe – wurde vielleicht zu Beginn des
2. Jahrtausends eingeführt1.
Unter den irakischen Orten ist Jarmo sowohl für die Entwicklung zur eckigen Architektur als auch für die Einführung von Keramik aufschlussreich.
Einer der Hausgrundrisse zeigt den sogenannten „Grill-Plan“, der aus schmalen, langen Räumen besteht. Diese bildeten, wie man heute weiß, nicht das
Haus selbst, sondern seine Substruktur. Insgesamt wurden in Jarmo 5500
V. Vom Neolithikum bis etwa 4000 v. Chr.
Tonfigurinen gefunden, die vor allem fettleibige Frauen und Tiere abbilden.
Mit der Keramikverbreitung sind ebenso die Siedlungen Umm Dabaghiya
und Sotto verbunden. In Umm Dabaghiya fällt die außergewöhnlich große
Onagerzahl auf. 65 bis 70 % der dort gefundenen Tierknochen stammen von
diesem Tier, dessen Jagd auch auf einer Wandmalerei dargestellt wird (Abb.
15). Möglicherweise lieferte der Onager die wirtschaftliche Subsistenz dieser
Siedlung.
Im keramischen Neolithikum sind die Menschen sesshafte Bauern, die in
kleinen Dörfern von Ackerbau und Tierzucht leben. Es sind sehr egalitäre
Stammesgesellschaften, in denen die Ältesten entscheiden. Die Erträge werden gesammelt und gleichmäßig verteilt, ein Vorgehen, das als häusliche
Produktionsweise bezeichnet wird.
Exkurs: Der Obsidianhandel
Obsidian – ein vulkanisches Glasprodukt, dessen Kanten besonders scharf
abgeschlagen werden können – stellt
die wichtigste Ware des frühesten Handels dar. Für den Vorderen Orient liegen
die ältesten ausgebeuteten Quellen
um Çiftlik im südlichen Zentralanatolien
und weiter im Osten um den Van-See.
Obsidian wurde seit dem 12. Jahrtausend gehandelt. Geographisch bedingt
fand sich der zentralanatolische Obsi-
dian in der Levante, während der ostanatolische überwiegend in den Nordirak gelangte. Wie genau der Warentransport in dieser frühen Zeit organisiert war, können wir nur ahnen.
Möglicherweise transportierte jeweils
eine Person die Ware bis zu einem nicht
allzu entfernten Dorf, wo sie abgelöst
wurde. Jedenfalls waren Ent-fernungen
von 1000 km zwischen dem Ursprungsund dem Ankunftsort keine Seltenheit.
4. Das Ende des keramischen Neolithikums
Die Hassunazeit
Der Ort Hassuna liegt 30 km südlich von Mossul. Mit ihrer typischen geritzten und gemalten Keramik ist die nach diesem Ort benannte Kultur die Weiterentwicklung der Umm Dabaghiya-Kultur. Zum ersten Mal gibt es viele
kleine Dörfer mit „Einfamilienhäusern“. Darüberhinaus tauchen Stempelsiegel in Mesopotamien auf. Aus den bereits im 12. Jahrtausend vorhandenen Amuletten leiten sich in einigen syrischen Orten Objekte ab, die man
ab 7000 zunächst in Gips und ab dem 6. Jahrtausend in Ton abdrückt. In dieser frühesten Phase sind Stempelsiegel Schutzobjekte und Eigentumsmarken,
die der Kontrolle in der Vorratswirtschaft dienen. Im Handel spielen sie noch
keine Rolle2.
4. Das Ende des keramischen Neolithikums
57
Die Halafzeit
Abb. 16 왔
Tell Hassan:
Keramikvase mit
geometrischen
Mustern, Ende
der Halafzeit.
Bagdad, Iraq
Museum.
58
Der Hassunazeit folgt die Halafzeit, die sich von Nordsyrien-Südanatolien
nach Nordirak erstreckt. Die Halaf-Kultur ist hauptsächlich durch die zwei
Merkmale „Tholos“ und „bemalte Keramik“ charakterisiert, die Baron Max
von Oppenheim kurz vor dem Ersten Weltkrieg im nordsyrischen Tell Halaf
fand.
Tholoi sind nach der griechischen Architekturform benannt worden,
weil es sich um Rundbauten mit einem eckigen Zugangskorridor handelt.
Gute Beispiele auf irakischem Boden wurden von Max Mallowan in Tell
Arpatchiyah ausgegraben. Ihre Fundamente waren aus Stein, die Wände
aus Stampflehm und nicht aus den üblichen Lehmziegeln. Sie dienten häuslichen Aktivitäten, aber auch als Vorratsräume und Gemeinschaftsbauten.
Über die Hälfte der Keramik war bemalt (Abb. 16). Die Muster waren
oft schlicht geometrisch, aber zugleich zu raffinierten und farbigen rot-weißschwarzen Kompositionen kombiniert. Anders als die serien- und berufsmäßige jüngere Keramikproduktion der Obeid- und Urukzeit war die halafzeitliche Keramik noch „individuell“ und hausgemacht. Das erstaunlich
große Verbreitungsgebiet dieser Keramik vom Mittelmeer bis nach Westiran
erklärt sich vielleicht durch den Handel oder durch heiratsbedingte Ortsveränderungen von Frauen, die diese Keramik in die Familie ihres Mannes
mitnahmen.
Auch Steine, Obsidian und Werkzeuge wurden gehandelt. Die wegen
ihrer Tropfen-, Sichel-, Hand- oder Kreuzform genannten Amulettsiegel
und die runden Stempelsiegel zeigten fast immer
geometrische Muster. In Tell Arpatchiyah wurden
die Siegel auf Gefäßdeckel und auf Tonbullen abgedrückt, die an einem verschlossenen Gefäß hingen. 14 der 26 Siegelungen zeigten den Abdruck
ein- und desselben handförmigen Stempelsiegels.
Der burnt room genannte Raum, wo man die Abdrücke fand, muss eine wirtschaftliche Funktion
besessen haben. Das einem oder mehreren Besitzern gehörende Siegel liefert einen eindeutigen
Hinweis auf die Rolle der Siegel im Warenaustausch. All dies war völlig neu.
Die Halaf-Kultur war aber in vielen anderen
Punkten – etwa der ziegellosen Bauweise, der
Keramikherstellung ohne Drehscheibe oder der
Ikonographie mit dickleibigen Frauen – sehr traditionell. Sie übernahm immer mehr von der
südlichen „moderneren“ Obeid-Kultur, bis sie
selbst eine Facette der Obeid-Kultur wurde.
V. Vom Neolithikum bis etwa 4000 v. Chr.
Die Samarrazeit
Während sich im westlichen Nordirak die Halaf-Kultur verbreitete, galt
zwischen Nordirak und Westiran die etwa zeitgleiche Samarra-Kultur. Der
Ort Samarra, der 100 km nördlich von Bagdad liegt, wurde von Ernst Herzfeld 1911–1913 ausgegraben. Auch hier war zunächst die Keramik das „Wahrzeichen“. Sie ist durch eine braune oder hellgraue Tonfarbe sowie, als Dekor,
durch dynamische Kompositionen mit Vögeln, Fischen, Kapriden im Kreis,
Ziegen, Schlangen, Skorpionen aber auch durch Menschendarstellungen
charakterisiert.
Bemerkenswert ist die Architektur. Tell es-Sawwan, wenige Kilometer
von Samarra entfernt, ist der Ort, wo man sie am besten beobachten kann. In
den vier Schichten Tell es-Sawwan I–IV fanden sich Häuser, die aus ungebrannten, in einem Model geformten Lehmziegeln gebaut worden waren.
Diese Lehmziegel waren etwa 59 bis 70 cm lang und 21 bis 30 cm breit.
In den Schichten I (Abb. 17) und II war der Grundriss dieser etwa 150 m2
großen Häuser mit seiner dreigeteilten Grundstruktur ziemlich einheitlich.
Dieser Typus war neu und konnte nur mittels eines durchdachten Planes
entstanden sein. Etwa 400 Gräber, fast ausschließlich von Kindern, wurden
in den Boden eines Hauses der Schicht I eingetieft. Unter den zahlreichen Bei-
왗 Abb. 17
Tell es-Sawwan:
Schichten I
(in der linken
Hälfte) und III.
6200–5900 v. Chr.
4. Das Ende des keramischen Neolithikums
59
Abb. 18 왖
Tell es-Sawwan:
Frauenfigur aus
Alabaster.
H. 5,4 cm.
Paris, Louvre.
60
gaben gab es einige Frauen- und Männerfiguren
sowie Gefäße aus Ton und viele aus Alabaster
(Abb. 18). Die etwa 6 bis 11 cm großen Figuren
besitzen bisweilen eingelegte Augen. Dies ist der
erste Beleg für die später äußerst übliche Art und
Weise, ein Gesicht zu gestalten. Einige Statuetten
tragen Ketten mit Muschel-, Alabaster-, Türkis-,
Karneol- oder Knochenperlen.
In den Schichten III (Abb. 17) und IV waren
die Häuser nur noch halb so groß wie vorher. Ihr
Grundriss bestand nunmehr aus einem T-förmigen Kopfbau. Für diese wie für viele andere Bauten aus allen Zeiten ist die Frage des Stockwerks
ungeklärt. Schmale Räume stellten zwar Treppenaufgänge dar, die aber bisweilen zum Dach führten. Sollte es ein Stockwerk gegeben haben, war
eine Ebene dem Magazinieren und die andere dem
Wohnen vorbehalten. In jedem Haus wohnte eine
Kernfamilie von fünf bis sechs Personen, im Dorf
also 50 bis 60 Personen. Die Siedlung war in der
Schicht IIIA von einem Graben und einer Umfassungsmauer von etwa 50 m ҂ 60 m umgeben.
Wofür die Umfassung diente – Schutz im Krieg
oder vor Tieren – bleibt wie für alle sehr frühen
„Verteidigungsanlagen“ ungeklärt.
Samarra selbst gehört nicht mehr zum Regenfeldbaugebiet, sondern benötigt Bewässerung. Im 6.
Jahrtausend waren die Bauern so weit, dass sie die
Bewässerung in ariden Gegenden beherrschten.
In dieser Anfangszeit scheint der Unterschied in den Erträgen zwischen einem Regenfeldbau und einer bewässerten Landwirtschaft nicht groß zu sein.
Wichtig war lediglich, dass sich Menschen nunmehr in Gegenden ansiedeln
konnten, wo es kaum regnet. Für diese Erkenntnis spielte die Grabung in
Choga Mami, wo Spuren von etwa zwei Meter breiten Kanälen mit einem
breiteren Hauptkanal gefunden wurden, eine große Rolle. Dank Bewässerung bauten die Menschen Weizen, Gerste, Emmer und Flachs an. Dazu lebten sie von Schaf- und Ziegenzucht und jagten Gazellen, Hirsche und Auerochsen.
Anders als in Tell es-Sawwan zeigen die Häuser von Choga Mami nur
wenige Quadratmeter große Zellen, die jedoch für Substrukturen von Kornspeichern gehalten werden. Die Wohnhäuser lagen möglicherweise um die
Kornspeicher. Die sehr charakteristischen Frauenterrakotten aus Choga
Mami zeigen längliche „Kaffeebohnenaugen“.
V. Vom Neolithikum bis etwa 4000 v. Chr.
Die Wichtigkeit der Samarrazeit liegt im Beginn der bewässerten Landwirtschaft, in der neuen Architekturform mit Dreiteilung und im verbreiteten Gebrauch von modelgeformten Lehmziegeln. All dies bedeutet Planung
und Uniformisierung, die mit gesellschaftlichen Veränderungen einhergehen.
5. Organisierte Dorfgemeinschaften:
Die Obeidzeit
Die Bezeichnung Chalkolithikum wird für den Zeitraum von 5500 v. Chr.
ab für weite Gebiete, unter ihnen Westvorderasien, nicht aber für Mesopotamien gebraucht. Die griechische Bedeutung von „Kupferzeitalter“ verweist
darauf, dass man in diesem Zeitalter Kupfer brauchte, obwohl es Kupferobjekte bereits im 10. Jahrtausend gibt. Sie bleiben jedoch bis in die Mitte
des 3. Jahrtausends sehr selten, einer Epoche, die schon Bronzezeit genannt
wird. Bronze wiederum ist im 2. Jahrtausend weit verbreitet.
Die Obeidzeit im Süden
Im südlichen Irak trägt die Kultur den Namen des etwa 6 km von Ur entfernten Orts Tell el-Obeid, der zwischen 1919 und 1937 von Harry Reginald Hall
und Sir Leonard Woolley ausgegraben wurde. Gezielt die ältesten Schichten
der Geschichte Sumers in den meterhohen Ablagerungen des Euphrats
und des Tigris, die zudem ihren Lauf ständig wechselten, zu suchen und
zu finden, ist unmöglich. Sämtliche Funde sind deswegen Zufallsfunde, die
häufig während Kanalbauten gemacht wurden.
Um etwa 1940 wurde die Obeid-Kultur in vier Stufen eingeteilt: die Obeid
1-zeitlichen Schichten fanden sich unter anderem in Tell el-Obeid und
Eridu und die Obeid 2-zeitlichen in Uruk. In ihren jüngeren Stufen 3 und
4 verbreitete sich diese Kultur im Irak, Syrien und Iran mit lokalen Facetten.
Dies war der Kenntnisstand bis zum zufälligen Fund von Tell el-Uweili.
Dieser Ort wurde ab 1970 von der Grabung in Larsa aus erkundet und
ab 1976 ausgegraben. Dort entdeckte man eine Kulturstufe, die sämtliche
Kulturmerkmale der späteren Obeidzeit aufwies, jedoch älter war. Die Entdeckung der allerältesten Kultur des späteren Sumer kam einer Sensation
gleich.
Wie aber sollte diese neue Phase benannt werden? Der Ausgräber JeanLouis Huot entschied sich für die Bezeichnung Obeid-0. Eine absolute
Datierung dieser Kultur ist schwierig. 14C-Daten legten den Ausgräbern
nahe, den Beginn der Obeidzeit in die erste Hälfte des 7. Jahrtausends zu
setzen. Diese älteste künstlich bewässerte Landwirtschaft im Alluvialgebiet
ist somit teilweise zeitgleich mit der Hassuna- und Samarrazeit.
5. Organisierte Dorfgemeinschaften: Die Obeidzeit
61
Mehrere Häuser wurden in Tell el-Uweilis Obeid 0-Schicht ausgegraben.
Sie bestanden aus meist in zwei Reihen gesetzten Lehmziegeln, die zwischen
zwei Holzplanken hergestellt wurden. Der Grundriss war dreigeteilt und
durch eine große Symmetrie charakterisiert. Die Wohnfläche betrug 150 bis
200 m2. Auf Lehmziegelbasen gesetzte Holzstämme trugen das Dach. Im
mittleren Raum gab es einen Herd und eine zweite Feuerstelle. Etwa zwölf
Personen bewohnten ein Haus.
Die Keramik bestand aus beige-grünem hellem Ton mit sepiafarbenem
Dekor. Becher, Schüsseln, Teller oder Vasen waren mit einfachen geometrischen Mustern von geraden oder welligen Linien und Dreiecken auf der
oberen Gefäßhälfte versehen.
Abgesehen von der Keramik ist nur wenig Material bekannt. Terrakotten
stellen meist nackte Frauen dar. Ihre Gesichter zeigen nach wie vor Kaffeebohnenaugen.
Wer waren diese Menschen, die in einer unwirtlichen Umgebung diese
hochstehende Kultur entwickelten? Die kulturelle Beziehung zur Samarrazeit
ist überdeutlich, genau wie die Kontinuität bis zur Urukzeit. Obwohl auch die
Bewohner Uruks im 4. Jahrtausend eine für uns nicht sicher identifizierbare
Sprache sprachen, deutet Vieles darauf hin, dass es sich um Sumerer handelt.
Demnach liegt es nahe, Sumerer in Tell el-Uweili zu vermuten.
Die in der Obeid 0-Zeit vorhandenen Merkmale bestanden weiterhin.
Obeid 3-4-zeitliche Orte gab es überall in Sumer. Die Hausgrundrisse waren
weiterhin dreiteilig. Eine beeindruckende Sequenz lieferte der Ort Eridu.
Die Mauern waren außen mit vorspringenden Pfeilern und im Mittelraum
die Türlaibungen mit Nischen und Abtreppungen versehen. Nischen und
Abtreppungen blieben ein Zeichen der Sakralität bis zum Ausklang der alt-
Abb. 19 왘
Obeidzeitliche
Keramik (5. Jt.
v. Chr.) mit
einem typischen
geometrischen
Muster.
62
V. Vom Neolithikum bis etwa 4000 v. Chr.
orientalischen Kulturen. In Uruk erstaunte der Fund
eines obeidzeitlichen Tempels. Er beweist, dass
diese Stadt, die später ein Hort großartiger Erfindungen wurde, bereits 1000 Jahre zuvor eine aktive Siedlung war.
Die jüngere obeidzeitliche Keramik
bestand aus gelblich-grünlichem Ton und
war mit Schach-, Gitter-, Zickzack- und
Kreuzmustern sowie Schraffuren verziert (Abb. 19). Das Gebiet, in dem
Obeid-Keramik oder Obeid-ähnliche Keramik gefunden wurde, erstreckt sich vom Mittelmeer bis zu den heutigen Emiraten am Persischen Golf. Ein in die späte Obeidzeit zu datierendes, 25 cm langes Bootsmodell aus Eridus Friedhof zeigt, dass spätestens
seit dieser Zeit kleine Segelschiffe im Persischen Golf verkehrten (Abb. 36).
Auf dem Schalenboden deutet eine Fassung auf einen Mast, wogegen die seitlichen Löcher der Befestigung der Takelage dienten.
Typisch für die Obeidzeit waren Sicheln aus gebranntem Ton (Abb. 20).
Sie dienten zum Sammeln der Körner oder zum Schneiden des Schilfs. Der
größte Fund mit mehr als 1600 Sicheln in Abu Salabikh stammt aus dem Ende der Urukzeit um 3000 v. Chr. Aus einem unbekannten Grund verschwand
dieser Sicheltyp in der frühdynastischen Zeit. So häufig wie Sicheln fanden
sich nagelförmige Tonobjekte, deren weicher Ton sich vielleicht zum Fleischoder Lederklopfen eignete. Es gab auch Spinnwirteln und Netzgewichte.
Terrakotten zeigten schlanke nackte Frauen und Männer sowie Tiere,
deren Details mit Farbe untermalt waren.
Von der Halafzeit an wurden Siegel abgedrückt und dienten der Kontrolle bei wirtschaflichen Transaktionen. Frühe Original-Stempelsiegel bleiben
selten. Obeidzeitliche Siegel waren häufiger aus Marmor und Alabaster im
Süden und aus Steatit und Serpentin im Norden. Neben Obsidian wurden
Bergkristall, Lapislazuli und Achat gehandelt.
왖 Abb. 20
Irak: Sichel aus
gebranntem Ton,
ca. 20–25 cm breit,
5./4. Jt. v. Chr.
Die Obeidzeit im Norden
Im Nordirak erachtete Max Mallowan den Übergang von der Halaf- zur
Obeid-Kultur als gewalttätig, weil er in seiner Grabung in Tell Arpatchiyah
diesen Übergang an einer Brandschicht festgemacht hatte. Heute ist klar,
dass es einen langsamen Übergang von der einen in die andere Kultur gegeben hat. In Tepe Gaura, Hassuna oder Ninive wird die Halaf-Keramik immer
einfacher und seltener, bis die Obeid-Keramik überhandnimmt. Die aus
dem Süden stammende Obeid-Kultur wird an- und übernommen. Da dies
aber nicht als blinde Kopie des Südens geschah, wurde diese Phase auch als
Nord-Obeid bezeichnet.
5. Organisierte Dorfgemeinschaften: Die Obeidzeit
63
Abb. 21 왖
Tell Abada,
Schicht II.
Ca. 190 ҂ 150 m,
ca. 5000 v. Chr.
Die Nord-Obeid-Kultur wird an den
Orten Tepe Gaura, Ninive und Tell Arpatchiyah festgemacht, die alle in der Nähe von
Mossul liegen, wo Bewässerung nicht nötig
ist. Ähnliche Keramik war von Syrien bis ins
Hamrin-Gebiet verbreitet.
Tepe Gauras beeindruckendste Schicht
war die Schicht XIII. Drei mit Pfeilern
geschmückte Mittelsaalhäuser verteilten
sich um einen „Platz“ von etwa 15 ҂ 18 m
(270 m2). Die Räume des Nordbaus waren
weiß und die des Zentral- und Ostbaus rot
bemalt.
Die obeidzeitliche Kultur im HamrinGebiet entwickelte eigenständige Züge. Ein
außergewöhnlicher Fund war der Ort Tell
Abada (Abb. 21). Die mit Tepe Gaura XIII
zeitgleiche Schicht II bestand innerhalb einer Umfassungsmauer aus zehn gut erhaltenen Gebäuden und Straßen. Die Häuser
zeigten einen Mittelraum mit T-förmigem Kopfbau. Das Haus A besaß drei
Einheiten mit Mittelraum, seine Wände waren mit Pfeilern versehen und
eine Mauer schützte die Nordseite. Des Weiteren befanden sich darin kaum
Haushaltsgegenstände, dafür aber 56 der 127 in der Schicht begrabenen Kinderurnen und alle 90 aus Tell Abada stammende tokens. Tokens sind kleine
Tonobjekte, die wirtschaftlichen Aufzeichnungen dienten (siehe Kapitel X).
6. Gesellschaftliche, wirtschaftliche
und religiöse Strukturen zwischen dem
7. und dem 4. Jahrtausend v. Chr.
Die Besiedlung in der Alluvialebene, die Entwicklung der Bewässerung und
der neue dreigeteilte Hausgrundriss der Samarrazeit gingen sicherlich mit
sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen einher, die auf lange Sicht
zu Hierarchie, Arbeitsteilung und Spezialisierung führten. Die Obeidzeit war
eine agrare, noch sehr egalitäre Gesellschaft. Aber die besonderen Funde in
einigen dreigeteilten Bauten und die reicheren Beigaben in wenigen Gräbern
weisen auf eine Gesellschaft von chiefdom und big man. Diese Begriffe stammen aus der Anthropologie. Chiefdom ist eine mehrere Dörfer und Klans
umfassende Gesellschaftsform, die komplexer als ein Stamm, aber noch weit
entfernt von jeglicher Staatsform ist. Der big man besitzt zwar Einfluss,
64
V. Vom Neolithikum bis etwa 4000 v. Chr.
jedoch keine formale Autorität, es sei denn durch seine Erfahrenheit und
seine Weisheit. Nicht mehr alle Stammesältesten entscheiden, sondern immer weniger werdende, nach Alter und Klan ausgewählte Männer, die möglicherweise schon am Ende der Obeidzeit eine gesonderte Gruppe bilden.
Damit einher läuft auch die Entwicklung zum Abgabensystem und zur
„tributären Produktionsweise“. Den Abgaben oder dem Tribut der einzelnen
Familien folgt eine Rückgabe, die mit der Zeit von Familie zu Familie nicht
mehr gleichmäßig sein wird. Die mit der Produktion der Grundnahrungsmittel und Tierzüchtung verbundene Lebensform fördert diese gesellschaftlich-politische Entwicklung. Denn das (zentralisierte) Speichern des Korns
und die Verteilung von Saatgut, die Abwechslung von Perioden mit intensiver Arbeit (säen und ernten) und von jenen ohne Arbeit verlangt eine
Organisation, die eine gesellschaftliche Ungleichheit schneller vorantreibt
als das Jagen.
Im Neolithikum bestatteten die Menschen ihre Verstorbenen teils in
ihren Häusern, teils verstreut außerhalb. Die ersten heute bekannten Nekropolen gehen auf die späte Obeidzeit zurück. In den etwa 50 Gräbern der
Nekropole in Ur und den 200 Gräbern in Eridu befanden sich bis zu 13 Gefäßen am Kopf und an den Füßen der Bestatteten. Diese Gräber unterscheidet wenig, ausgenommen die seltenen Steinkeulen, Steinäxte, Kupferlanzen
und Bergkristall- und Obsidianperlen. In Tepe Gaura wurden durch alle
Schichten hindurch 800 Gräber inner- oder außerhalb von Bauten freigelegt.
Von den Schichten XIV bis XIII an werden die Beigaben zahlreicher und
aufwändiger. Es mehren sich zwar die Anzeichen für Veränderungen in
den sozialen Strukturen, dennoch deuten die Beigaben auf eine noch sehr
geringe soziale Differenzierung. Diese wird erst am Ende des 4. Jahrtausends
eindeutig.
Denken wir an altorientalische Götter, so fallen uns zahllose Bilder mit
anthropomorphen Darstellungen und vielleicht auch noch ihre Symbole ein
(siehe Kapitel IX). Um etwa 2700 v. Chr. taucht als charakteristischstes Merkmal die Hörnerkrone auf. Wissenschaftliche Abhandlungen über mesopotamische Religion beginnen stets mit dem 3. Jahrtausend v. Chr., einem Zeitpunkt, wo die Götter in einer Form vorhanden sind, die sich nicht mehr
grundsätzlich ändern wird. Aber seit wann existieren die bekannten Götter
An oder Inanna? Mit „Gott“ ist hier ein Wesen gemeint, das angerufen wird,
dem geopfert wird, eine gestaltete Macht, die eine bestimmte Identität besitzt.
Im Neolithikum abgebildete, verwandtschaftlich verbundene Wesen, unpersönliche Mächte, allgemeine magische Geisteswesen und Dämonen werden
in der Ethnologie als „Höchste Wesen“ angesprochen. Die Verschiebung
religiöser Bilder – Tiere verlieren ihre vorherrschende Rolle und werden
durch symbolische und menschliche Götterdarstellungen ersetzt – zeugt von
dem Religionswechsel, der in Mesopotamien mit dem Frühdynastikum um
3000 abgeschlossen ist.
6. Gesellschaftliche, wirtschaftliche und religiöse Strukturen
65
Abb. 22 왘
Susa: Beidseitig
graviertes
Stempelsiegel,
Ende 5. Jt. v. Chr.
Auf einer Seite
bändigt ein
Mensch mit
Hörnern zwei
Löwen, auf der
anderen ist ein
Mensch in einer
Kultszene zu
sehen.
Während der Obeidzeit sind die Gesichter und die Schädel der männlichen und weiblichen Terrakottafiguren länglich. In der Obeid 3-Zeit erscheint das erste aus menschlichen und tierischen Elementen gemischte
Wesen. Es besteht aus einem nackten menschlichen Körper und einem gehörnten Kopf mit länglichem Gesicht. Auf der ältesten heute bekannten
Darstellung – sie stammt aus Tell el-Uweili – bändigt dieser Mann mit Hörnern zugleich zwei Tiere. Dies ist das älteste altorientalische Beispiel für den
so geläufigen Bildtyp des „Herrn der Tiere“. Zeitgleich ist ein zweiter nackter
Mann, der dasselbe längliche tierische Gesicht wie der „Mann mit Hörnern“,
aber keine Hörner besitzt. Auch er ist von Tieren umgeben, kommt aber auch
in anderen Szenen mit ähnlichen Menschen vor.
Die längliche Verformung scheint die Inanspruchnahme und Einverleibung tierischer positiver Eigenschaften in den Menschen darzustellen. So wie
Hörner offensichtlich den „Mann mit Hörnern“ mit der Tierwelt verbinden,
verbindet sich das Längliche mit der Kraft eines Tieres, das eine Schlange sein
könnte.
Aus Susa stammt ein um 4000 v. Chr. zu datierendes Siegel, dessen zwei
Seiten bebildert sind (Abb. 22). Eine Seite zeigt den Menschen mit Hörnern,
der zwei Löwen bändigt. Auf der anderen Seite erscheint der auf einem
Hocker sitzende Mensch ohne Hörner in einer Szene, die als Kultszene
gedeutet werden kann. Er hebt seine Arme nach oben im Sinne einer Darbietung. Die Götter, die man etwas später mit der Schrift besser fassen kann,
sind im Begriff zu entstehen. Um 3500 v. Chr. verschwinden Tiermensch
und längliche Gesichter. Die neuen Götter weisen keine so enge Verbindung
mehr zu Tieren auf, die älteren tiernahen Figuren überleben gleichwohl,
übernehmen aber als Helden oder Mischwesen eine völlig neue Rolle.
1 Moorey (1994) 146–148.
2 von Wickede (1990) 71, 78–92.
66
V. Vom Neolithikum bis etwa 4000 v. Chr.
Vom Beginn des
4. Jahrtausends bis zur
Achämenidenzeit
VI.
1. Aufbruch zur Stadt: Die Uruk- und Gaurazeit
Das letzte Kapitel endete mit der Obeidzeit um 4300 v. Chr. Die Ereignisse
des nächsten Jahrtausends bis zur späten Urukzeit sind nach wie vor äußerst
schlecht bekannt. Am Ende der Obeidzeit wurden zahlreiche Siedlungen verlassen. Danach wuchsen wenige, dafür aber große urbane Zentren. Maßgeblich beim chronologischen Aufbau des 4. Jahrtausends ist für den irakischen
Süden Uruks und für den Norden Tepe Gauras Schichtabfolge. Deswegen
spricht man von Urukzeit im Süden und Gaurazeit im Norden.
Die späte Urukzeit ist in vielen Orten – im Süden in Abu Salabikh, Nippur, Adab, Tell Uqair, Eridu, Ur oder im Norden in Tepe Gaura, Ninive und
Arpatchiya – vorhanden. Uruk war jedoch der alles überragende Ort. Der
Zeitraum ab 3500 v. Chr. ist durch eine atemberaubende Entwicklung im
Bereich der Technik, der Wissenschaft und der Kunst charakterisiert. In
dieser Zeit wurde auch die Schrift erfunden.
Die großen Bauten (Abb. 45), die kunstvollen Gegenstände, seien es
Statuen (Abb. 23, 78), Rollsiegel (Abb. 98a, b), Steinvasen, eingelegte Steinobjekte wie Tiere oder Vasen oder der großartige Bauschmuck mit Steinstiften zeigen zur Genüge, dass sich in der Stadt gegen Ende des 4. Jahrtausends
eine Arbeitsspezialisierung durchgesetzt hat. Dies setzte voraus, dass ausreichend Nahrungsmittel produziert wurden, um Menschen zu ernähren, die
selbst keine erzeugten. Für ihre Arbeit wurden die Arbeiter mit Naturalien
entlohnt (siehe Exkurs: Die antiken Wirtschaftssysteme).
Nach der Erfindung der Schrift (siehe Kapitel X) waren etwa 85 % der
urukzeitlichen Tafeln Wirtschaftstafeln und Verwaltungsaufzeichnungen
mit Eintragungen über Güter- und Personenbewegungen. Die Güter bestan-
1. Aufbruch zur Stadt: Die Uruk- und Gaurazeit
67
Abb. 23 왖
Uruk: Mann mit
unbekleidetem
Oberkörper und
Rock, der als
En gedeutet wird.
H. 18 cm, Alabaster. Ende des
4. Jts. Bagdad,
Iraq Museum.
den aus Weizen, Gerste und Gemüsepflanzen, die
die Menschen im 4. Jahrtausend anbauten und
Schafen, Ziegen, Rindern und Schweinen, die sie
hielten.
In der späten Urukzeit ist das Keramikrepertoire einigermaßen standardisiert. Aus diesem Rahmen fallen die Glockentöpfe, im gesamten Vorderen Orient verbreitete, in einem Model hergestellte
unterschiedlich große Schalen. Welche Funktion sie
besaßen, ist unklar. Häufig werden sie als Gefäße
angesehen, worin Rationen verteilt wurden.
Zentralisierungstendenzen, eine Hierarchisierung der Gesellschaft und komplexer werdende
Verwaltung und Wirtschaft brauchen eine lenkende Hand. An erster Stelle stand in Uruk der häufig
abgebildete En (Abb. 23), der die politisch und
religiös noch ungetrennten Ämter ausübte. In
den Listen tauchen weitere Ämternamen von „Beamten“ auf, die den En umgaben und wohl mitbestimmen durften.
Schon die obeidzeitliche Kultur erfuhr eine
weite geographische Ausdehnung, die von der Urukzeit nicht übertroffen
wurde. Dennoch scheint die Expansion etwas anders verlaufen zu sein. Groß
war die Überraschung, als in den 1970–80ern im Zuge von Staudammbauten am Euphrat in Syrien und in der Türkei Orte entdeckt wurden, in denen
die Kultur derart der urukäischen entsprach, dass sie ganz offensichtlich vom
Süden in den Norden gebracht worden war. In Anlehnung an das Konzept
von Immanuel Wallerstein war die Rede vom „Uruk World System“, in dessen Rahmen Material, Produktionsweisen und gesellschaftliche Vorstellungen gewandert wären. Ein plausibler Grund für diese Expansion könnten
wirtschaftliche Belange gewesen sein.
Das Ende der Urukzeit bleibt ungeklärt. Die Siedlungen in Syrien und Südanatolien wurden verlassen. Am Ende der Schicht IVa wurden in Uruk selbst
alle Gebäude abgebrochen und die kultischen Gegenstände im sog. Riemchengebäude gesammelt (Abb. 45). All dies deutet auf eine große Krise.
2. Djemdet Nasr- und Gaurazeit
Der neue Abschnitt der sumerischen Geschichte verdankt dem Ort Djemdet
Nasr seinen Namen und verläuft zwischen 3100–2900 v. Chr. zeitgleich mit
der Uruk III-Schicht. Im assyrischen Norden entspricht dieser Zeithorizont
der Schicht VIII in Tepe Gaura.
68
VI. Vom Beginn des 4. Jahrtausends bis zur Achämenidenzeit
Djemdet Nasr liegt 26 km nordöstlich von Kisch und wurde 1925 entdeckt. Dort fand eine britische Mannschaft eine neue bemalte Keramik, die
qualitätsvolle pflaumenfarbene sogenannte „Scharlach-Ware“ (Scarlet Ware),
und mindestens 245 beschriftete Tontafeln mit einer bisher unbekannten
Schriftart. Auch die Rollsiegel-Abrollungen auf diesen Tafeln konnte man
nicht einordnen. Dies veranlasste 1983 in Tübingen eine Konferenz, die durch
Schriftart und Keramikformen definierte Djemdet Nasrzeitliche Kultur
endgültig einzuführen. Ihr Kern lag zwischen Nippur und dem DiyalaGebiet.
Die gefundenen Tafeln berichten über Arbeitskraft-, Nahrungsmittelund Landverteilung, über Kornverarbeitung und Tierverwaltung. Dies alles
geschah hierarchisch innerhalb komplizierter und umfangreicher Verwaltungsstrukturen. Der Sanga war der Tempelverwalter, der Ugula é-gal der
„Vorsteher des großen Hauses“. Hier taucht wohl der älteste Beleg für das
sumerische Wort Egal „großes Haus“ im Sinne von Palast (Akkadisch ekallum) auf, wo sich auch diese Vorgänge abspielten.
13 Tafeln von Djemdet Nasr tragen die Abrollung eines sogenannten
Städtesiegels mit Städtenamen (Abb. 24). Wie in der Urukzeit bestand Sumer
wahrscheinlich aus unabhängigen Städten, die Städtesiegel deuten jedoch auf
einen Städtebund.
Die Djemdet Nasrzeit ist eine nach wie vor schwer zu fassende Epoche, was
auch an der Materialarmut liegt. Immerhin verweisen die Objekte auf weitreichende Kontakte und die Keilschrifttafeln auf ein (relativ) dichtes Handelsnetz. Einiges, was wir ab der frühdynastischen II-Zeit besser fassen
können – etwa die Durchsetzung einer königlichen Hierarchie mit Dynastie,
einer gut organisierten Verwaltung oder einer endgültigen Festlegung des
Pantheons –, muss sich in dieser Phase weiter entwickelt haben.
2. Djemdet Nasr- und Gaurazeit
왖 Abb. 24
Djemdet Nasr:
Abrollung eines
Siegels mit
Städtenamen.
Um 3000 v. Chr.
69
3. Die ersten Königshäuser:
Frühdynastische und Ninive 5-Zeit
Die frühdynastische Zeit erhielt ihren Namen, weil in diesen Abschnitt der
altorientalischen Geschichte die ersten Königsinschriften fallen, die auf eine
zumindest theoretisch geregelte dynastische Abfolge deuten. Sie wird in drei
Abschnitte geteilt, deren erster, die frühdynastisch I-Zeit, nur wenig bekannt
ist. Die Anzahl der Siedlungen wuchs stetig. Surveys deuten in Sumer darauf,
dass 80 % der Menschen in „städtischen“ Siedlungen wohnten, die größer als
40 ha waren und 10 % in Siedlungen mit weniger als 4 ha. Wichtig waren unter ihnen Kisch, Nippur, Abu Salabikh, Larsa, Isin, Umma, Lagasch, Girsu,
Uruk, Ur, Eridu oder Mari sowie die Orte im Diyala-Gebiet Tell Asmar und
Chafadje. Im Norden und in Ost-Syrien ist die in Ninives 5-Schicht gefundene „Ninive 5-Keramik“ nunmehr so geläufig, dass sie diesem Zeitabschnitt
in Nordmesopotamien ihren Namen gegeben hat. Ihre Motive sind geritzt
oder eingekerbt.
Die Menge des archäologischen Materials steigt für die frühdynastische Zeit sprunghaft an. Neben Archiven (siehe Kapitel X) sind bisweilen
beschriftete Steinobjekte wie „Beterstatuetten“, „Weiheplatten“, Rollsiegel
und Weihgaben aller Arten, Metallobjekte, etwa als Tempelzierde dienende
Tierplastiken, Schmuck, intarsierte Objekte (siehe Kapitel XI) oder auch die
keramische Leitform des Solid Footed Goblet charakteristisch.
Von der frühdynastisch III-Zeit an kennen wir einige dynastische Abfolgen,
unter ihnen am genauesten die Dynastien von Ur und Lagasch. Der wichtigste Herrschertitel heißt auf sumerisch Lugal, was „große Person“ oder „der
Große“ bedeutet. Wir übersetzen diesen Titel mit „König“. Der zumindest in
Uruk sehr wichtige Titel En wird mit „Priesterherr“ wiedergegeben. Der
„Stadtfürst“ in Lagasch hieß Ensi.
Dabei deuten die sogenannten Reformtexte des Urukagina aus Lagasch
auf einen Konflikt zwischen weltlicher und religiöser Macht und somit auf
eine zumindest strukturell immer stärker werdende Trennung. Diesem
König missfiel, dass das Herrscherhaus und sein Verwaltungsapparat sich
Rechte und Eigentum angemaßt hatten, die den Göttern und den Tempeln
zustanden. Urukagina setzte den Stadtgott Ningirsu, seine Frau Baba und
ihren Sohn in sein Haus und seine Felder wieder ein.
Ein wesentliches Stichwort für die frühdynastische Zeit ist der „sumerische Stadtstaat“. Die Städte waren unabhängig. Ihre territoriale Ausdehnung
ist kaum bekannt und bei ihrer Festlegung ging es nicht immer friedlich zu.
Wahrscheinlich im 26. Jahrhundert regierte über Adab und Lagasch der
König Mesilim von Kisch. Auf der berühmten, in Tello gefundenen Geierstele (Abb. 25) schildert Eanatum von Lagasch bildlich und schriftlich
70
VI. Vom Beginn des 4. Jahrtausends bis zur Achämenidenzeit
왗 Abb. 25
Tello: Geierstele
des sumerischen
Königs Eanatum,
180 ҂ 130 cm,
Kalkstein,
um 2420 v. Chr.
Paris, Louvre.
einen Vorfall, der wohl kein Einzelfall war. Mesilim hatte etwa 100
Jahre davor den Grenzverlauf zwischen den Städten Umma und
Lagasch geregelt und eine Stele errichtet. Einige Generationen später durchbrach Usch von Umma diese Grenze und warf den Stein um.
Es kam zur Schlacht zwischen beiden Staaten, in der Eanatum von
Lagasch trotz Verletzung siegte. Es wurde ein neuer Graben gezogen, in dem man die alte Mesilim-Stele wieder errichtete. Daneben
stellte Eanatum seine eigene Stele auf.
Im Laufe der frühdynastischen Zeit zeichneten sich Bestrebungen
ab, größere Territorien zusammenzubringen. Ideologisch waren solche Feldzüge immer vom Willen des jeweiligen Stadtgottes untermauert. Der letzte große Herrscher des sumerischen Südens hieß
Lugalzagesi. Dem Namen seines Vaters Bubu nach zu urteilen, war er
akkadischer Herkunft. Lugalzagesi eroberte Uruk, wo er den Titel
„König von Uruk und König des Landes Sumer“ annahm. Er war somit ein Vorläufer Sargons von Akkad, der ihn dann auch besiegte.
Die frühdynastische Zeit ist ein maßgebender Abschnitt in der
Entwicklung der Merkmale, die trotz aller späteren Veränderungen
die altorientalischen Kulturen bis zu ihrem Ausklang prägen werden. Im
Religiösen existieren viele Götter nunmehr in ihrer „klassischen“ Form
(siehe Kapitel IX). Die dynastische Herrschaftsform setzte sich durch. Dank
der Schrift konnten kulturelles Gedächtnis und das sich daraus
entwickelnde Geschichtsbewusstsein den nachkommenden Generationen
vermittelt werden. Heute erfahren wir von diesem neuen Selbstbewusstsein
der Könige und sogar der Männer und Frauen (Abb. 26) der Elite durch ihr
Abbild auf Stelen und durch ihre Statuen (Kapitel XI).
3. Die ersten Königshäuser: Frühdynastische und Ninive 5-Zeit
왖 Abb. 26
Ur: Frühdynastische Statue einer
Frau, H. 25,5 cm.
Alabaster, um
2500 v. Chr. Bagdad, Iraq Museum.
71
Exkurs: Die antiken Wirtschaftssysteme
Produktion und Handel bildeten das
Rückgrat des altorientalischen Wohlstandes. Die lokalen Produkte entstammten
der Landwirtschaft und der Tierzucht.
Neben Nahrungsmitteln wurden zahlreiche Fertigprodukte, etwa Stoffe aus Wolle
oder Flachs, Lederwaren oder Flechtwerk
hergestellt und verteilt. Die Rohstoffe
Metall, Stein und Edelsteine mussten
zwar importiert werden, wurden aber in
Mesopotamien verarbeitet und weiterverkauft. Diese technische Überlegenheit
brachte Reichtum, auch ohne selbst
Rohstoffe zu besitzen. Unter den zahlreichen Steinimporten standen allen voran
Lapislazuli aus Afghanistan und Chlorit
aus Ostiran. Die Pracht der im frühdynastischen königlichen Friedhof von Ur
gefundenen Objekte zeigt, wie wertvolle
Steine eine Prestigequelle darstellten.
Etwa 200 000 Verwaltungs- und Wirtschaftstexte geben Einblick in die Veränderungen zwischen 3200 und 300 v. Chr.
Die drei Pole sind der Tempel, der Palast
und Privatpersonen.
Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Tello,
dem antiken Girsu, im Tempel der Göttin
Bau ein Lugalanda- und Urukagina-zeitliches Archiv von 1600 Tafeln gefunden.
Diese Tontafeln, die lange das einzige
Fundament sämtlicher Theorien zur sumerischen Wirtschaft bildeten, weisen
auf eine Tempelwirtschaft. Die Bearbeitung zahlreicher neuer Texte hat diese
Meinung nuanciert. Von der frühdynastischen Zeit an übte der König die oberste
Wirtschaftskontrolle aus. Neben Palast
und Tempel als Großgrundbesitzer gab
es bereits zu Beginn des 3. Jahrtausends
Privateigentum an Ackerland.
Gleichgültig bei wem man arbeitete, wurde bis zum 2. Jahrtausend die produzierte Ware ohne Marktmechanismen und
von einer Institution verteilt. Sie funktionierte ohne Marktplatz, ohne Geld und
ohne Preisbindung. Arbeitende erhielten
Naturalrationen, deren Höhe sich nicht
nach der Leistung richtete, sondern die
lediglich den Mindestbedarf deckten und
aus Gerste, Öl, Wolle, Bier, vielleicht auch
72
aus verarbeiteten Textilien bestanden.
Ab und zu – etwa zum Jahresbeginn –
gab es Sonderzuteilungen in Form von
teureren Naturalien oder sogar ein wenig
Silber.
Vom Beginn des 2. Jahrtausends an,
vielleicht auf Druck der einsickernden
Nomaden und der fortschreitenden
Bodenversalzung, verallgemeinerte sich
eine andere Wirtschaftsform. Tausende
von Urkunden weisen auf Geschäfte zwischen den Grundbesitzern Tempel, Palast
und Privatpersonen, die ein Stück Land
oder ein Amt als Lehen oder zur Pacht
bekamen und die dafür dem Besitzer
einen Teil der Produktion überlassen
mussten. Privat konnten auch die handwerkliche Produktion und der Handel
sein. 20 000 Briefe und Geschäftsurkunden assyrischer Kaufleute, die in Familienfirmen eine Handelsniederlassung im
Karum Kanisch, dem heutigen türkischen
Kültepe nahe Kayseri, gegründet hatten,
unterrichten uns über den „freien“ Handel. Von etwa 1940 bis 1735 brachten
assyrische Kaufleute Zinn und Textilien
nach Kanisch und im Austausch dafür
Silber nach Assur zurück. Das Zinn kam
wahrscheinlich aus Nordiran und die
Stoffe aus Babylonien. Im 1. Jahrtausend
häuften eigenständig handelnde Kaufleute einen teilweise enormen Reichtum
an.
Sowohl Naturalrationen wie auch Versorgungsfelder waren knapp bemessen.
Fast alles wurde aufgebraucht und der
Spielraum für Neuanschaffungen war eingeschränkt. Deswegen spielte der Tausch
eine wichtige Rolle. Da aber dieser Vorgang meist mündlich vonstatten ging,
sind Informationen darüber selten. Laut
altbabylonischen Briefen wurden in 63 %
der Fälle Nahrungsmittel, in 19 % Wolle
und Textilien und in 5 % Haushaltsutensilien gegen Silber oder andere Güter
getauscht. Geld war noch unbekannt.
Der Naturalienpreis, in erster Linie der
des Korns, war jedoch in Silber konvertierbar. Er unterlag erheblichen Schwankungen.
VI. Vom Beginn des 4. Jahrtausends bis zur Achämenidenzeit
4. Der erste Versuch einer politischen Einheit:
Akkadzeit
Die Akkadzeit brachte mit einer eigenen, semitischen Sprache, der zentralen
Herrschaft über ein größeres Territorium, neuen Bild- und Kunstformen große Veränderungen, wenngleich dies auch in Frage gestellt wird. Schließlich
sei damals Nordbabylonien bereits semitisiert und Lugalzagesi, der letzte
frühdynastische König von Umma, habe auch schon mehrere Städte seinem
Gebiet zugeschlagen. Weil die Akkadzeit nicht lange währte, ist sie archäologisch an nur wenigen Orten bezeugt. Zu ihnen gehören Eschnunna (Tell
Asmar), Yorghan Tepe, Tepe Gaura, Tell Brak und Mari.
Der sagenumwobene erste König heißt Sargon, Akkadisch Šarru-kīn „der
König ist legitim“. Sein Aussehen kennen wir durch eine Stele (Abb. 27). Vor
dem König steht in Keilschrift geschrieben „Sargon der König“ und unterhalb des Massakerbilds „eine Schlacht hat er gewonnen … sein Samen möge
vernichtet werden“. Um seine wenig glanzvolle nomadische Abstammung
zu verbergen, ließ Sargon die sogenannte „Sargonlegende“ erfinden, wonach
er als Kind der Flut ausgesetzt und – Zeichen der göttlichen Zuneigung –
gerettet wurde. Zunächst wurde Sargon Adoptivsohn eines Palmgärtners,
später bekam er das hohe Amt des Mundschenks am Hofe des Urzababa,
Königs von Kisch. Diese Geschichte ist aus zahlreichen späteren Abschriften
bekannt. Dem Abendland ist sie inhaltlich allerdings als Moses-Geschichte
vertraut (Exodus 2,1–10). In der sumerischen Königsliste heißt es weiter: „Er
wurde dann selbst in Akkade König. Er erbaute Akkade und regierte als
König 56 Jahre.“ Von Kisch aus besiegte er Lugalzagesi, den er mit einem
Halsstock nach Nippur brachte und im Enlil-Tor nackt zur Schau stellte.
Sargon vereinigte unter seiner Herrschaft, so scheint es, ein Gebiet zwischen
4. Der erste Versuch einer politischen Einheit: Akkadzeit
왔 Abb. 27
Susa: Stele des
akkadischen
Königs Sargon,
H. 91 cm, Diorit,
links: Sargon
schreitet vor
Würdenträgern,
rechts (Rückseite):
Geier und Hunde
fressen die
Leichen der
Besiegten.
Paris, Louvre.
73
Abb. 28 왘
Susa: Stele des
Königs NaramSin, H. 2 m,
Der König und
Soldaten im
Kampf gegen
die Lulubäer.
Sandstein.
Paris, Louvre.
74
Syrien und dem Persischen Golf. Zur Hauptstadt erkor er den bereits vorhandenen aber bisher unwichtigen Ort Akkade.
Für seine Lokalisierung wurden schon zahlreiche Vorschläge gemacht.
Texten sowie politisch- und wirtschaftlich-strategischen Überlegungen zufolge könnte Akkade unter oder in der Nähe von Bagdad1 oder in der Gegend
von Samarra2 gelegen haben.
Als Herausforderung für Sargon und seine Nachfolger stellte sich die Aufgabe, die sumerische und akkadische Kultur in Einklang zu bringen. Die
Stadtfürstentümer wurden mit „Söhnen von Akkad“ besetzt. Er nutzte ebenfalls die Begabung seiner Tochter Enheduana, die er als Priesterin im sumerischen Zentrum Ur einsetzte. Ihre in einem höchst literarischen Sumerisch
komponierten „Preislieder“ auf semitische Gottheiten sollten Konflikte etwa
zwischen Nanna, dem sumerischen Stadtgott von Ur, und Inanna, der Göttin von Kisch und Akkade, lösen helfen.
Trotzdem prägte die städtische und technisch fortgeschrittenere sumerische Kultur die akkadische. Unzählige akkadische Wörter, darunter viele
Fachbegriffe, sind sumerischen Ursprungs.
Von den sumerischen Stadtstaaten bis zu den assyrischen und babylonischen Reichen des ersten Jahrtausends wurde das Staatsgebiet immer größer.
Dennoch prägten starke Abspaltungstendenzen die gesamte altorientalische
Geschichte. So hatte es Sargons Sohn Rimusch nicht leicht, die Unabhängigkeitstendenzen nach dem gewaltigen Triumph seines Vaters in Schach zu
halten. Ihre Kontrolle scheint ihm aber gelungen zu sein. Nach Rimuschs
gewaltsamem Ende wurde Manischtusu Herrscher. Auch er berichtet über
Feldzüge und über eine Schiffsexpedition zum „Unteren Meer“, dem Persischen Golf. Dieser Vorstoß zielte auf den Zugang zu den Rohstoffen Kupfer sowie Diorit und Gabbro aus Magan, dem heutigen Oman. Er erweiterte
sein Herrschaftsgebiet bis nach Elam und Assur. Auch er starb eines gewaltsamen Todes.
Sein Sohn Naram-Sin zählt zu den berühmtesten Herrschern der gesamten altorientalischen Geschichte. Der Grund dafür ist zum einem seine
große Bekanntheit in der Antike selbst und zum anderen trägt eines der
interessantesten altorientalischen Denkmäler seinen Namen (Abb. 28). Darauf sehen wir ihn als starken Vorkämpfer, der über flehende Besiegte hinweg
einsame Gipfel erklimmt. Naram-Sin nennt sich „König der vier (Welt-)Ufer“,
ein Titel, den Könige nach ihm noch lange tragen werden.
An der Gratwanderung zwischen königlichem Tun und Gotterergebenheit scheiterte Naram-Sin. Zunächst konnte er sich auf die Unterstützung der
Göttin Ischtar verlassen, die aus seiner Hauptstadt die schönste und einflussreichste der Welt machen wollte. Aber nach einer Weile erklärte sich Ischtar
mit ihren Opfereinnahmen unzufrieden und entzog ihm ihre Hilfe. Das
geschah auf Geheiß des Ekur, Enlils Tempel in Nippur. Die Stadt Akkade
büßte ihre Macht und ihren Reichtum ein. Sieben Jahre lang beugte sich
VI. Vom Beginn des 4. Jahrtausends bis zur Achämenidenzeit
4. Der erste Versuch einer politischen Einheit: Akkadzeit
75
Naram-Sin seinem Schicksal. Dann wollte er den Ekur restaurieren, erhielt
aber kein eindeutiges Omen von den Göttern. Als Reaktion mobilisierte er
seine Truppen und zerstörte den Tempel, worauf Enlil die wilden Gutäer
aus den Bergen rief und den aufsässigen Naram-Sin mit der Zerstörung
seines Reiches bestrafte. Diese Geschichte, heute als „Fluch gegen Akkade“
bekannt, wurde über 1500 Jahre immer wieder abgeschrieben und diente
als Beispiel für eine zu vermeidende Anmaßung. Naram-Sin hätte sich der
ihm ungünstigen Entscheidung des Ekur ohne Widerrede fügen sollen. So
ging Naram-Sins Bild zwischen Fähigkeit und Größenwahnsinn in die
Geschichte ein.
Scharkalischarri, Naram-Sins Sohn, restaurierte das Enlil-Heiligtum in
Nippur. Auch er führte zahlreiche Kriege oder Feldzüge, die ihn bis an die
Quellen des Euphrat und Tigris brachten. Er kämpfte gegen die Gutäer,
die etwas später das Ende der eigenen Dynastie besiegeln sollten. Erstmals
wurden die Amurriter erwähnt, die er im Gebirge Basar, dem heutigen zentralsyrischen Djebel Bischri, bekämpfte. Scharkalischarri starb eines gewaltsamen Todes.
Die Zentralisierung hatte eine Standardisierung des Gewichtssystems,
des Kalenders und der Wirtschaft zur Folge. Die Funde weisen auf ein
weites, sich nach Elam, zum Golf und zum Mittelmeer hin ausbreitendes
Handelsnetz.
In der sumerischen Königsliste heißt es für die Zeit nach Scharkalischarri: „Wer war König? Wer war nicht König?“, und weiter, dass Dudu
und Schudurul als letzte Könige 36 Jahre regierten. Zu ihrer Zeit bestand das
Akkad-Reich nur noch als Rumpfstaat. Seine Konkurrenten hießen Ur mit
Urnammu und Lagasch mit Gudea. Zwischen diesen letzten Königen und
dem Beginn der Herrschaft Urnammus werden 40 Jahre angesetzt.
Die Zerstörer der altorientalischen Reiche waren entweder semitische
Nomaden aus dem Westen und dem Südwesten oder Bergvölker aus dem
Osten, zu denen die Gutäer zählten. Sie werden für den Untergang des Akkad-Reiches verantwortlich gemacht. Wer dieses Volk war, bleibt weitgehend
unbekannt. Auch ihre Sprache kann noch nicht eingeordnet werden. Aber
wie immer bei Eroberern gibt es neben Zerstörung auch Anpassung. Eine
akkadzeitliche und akkadisch geschriebene Inschrift berichtet, dass der Gutäer-Herrscher Erridupizir dem Gott Enlil in Nippur Statuen weihte, auf
denen er sich „König von Gutium und der vier (Welt-)Ufer“ nennt.
Die Akkadzeit zählt zweifelsohne zu den Glanzzeiten der altorientalischen
Kultur. Die in Akkad gesprochene Sprache hieß lišanum akkadītum, eine
Bezeichnung, die sich nach der modernen Entzifferung des Akkadischen
für diese Sprache einbürgerte. Es wurde eine neue Keilschriftform entworfen
und die in Stein gemeißelte Keilschrift galt noch Jahrhunderte als Vorbild
für Monumentalschriften. Neue, nach unseren Maßstäben realistische und
freie Kunstformen wurden entwickelt.
76
VI. Vom Beginn des 4. Jahrtausends bis zur Achämenidenzeit
Für die Altorientalen selbst ging die Akkadzeit als kulturelle Referenz
in die Nachwelt ein. Sargon I. (etwa 1920–1880 v. Chr), König in Assur und
Naram-Sin I. (etwa 1818 – ? v. Chr.), König in Eschnunna, stellten durch
ihren Namen einen Bezug zur Akkadzeit her. Zu den großen Verehrern Sargons zählt der altassyrische König Schamschi-Adad (1808–1776 v. Chr.), der
die akkadische Herrschertitulatur übernahm und den Tempel des Manischtusu in Ninive renovierte. Sargon „II.“ von Assyrien (721–705 v. Chr.), ahmte die altakkadische Plastizität auf den Orthostatenreliefs seines neuen Palasts
in Khorsabad nach. Bis zur Achämenidenzeit wurden Statuen akkadischer
Herrscher verehrt.
Exkurs: Das Königtum
„Menschen ohne König sind (wie) Schafe
ohne Hirten“ besagt ein babylonisches
Sprichwort3.
Für den Altorientalen gehörte das Königtum zur menschlichen Ordnung. In der
Liste der me, jener von den Göttern den
Menschen geschenkten zivilisatorischen
Einrichtungen, stehen das Hirtentum
und das Königtum mit den königlichen
Insignien Krone, Thron, Zepter, Stab,
Leitseil und Gewand ganz oben (siehe
Kapitel X). Als Vermittler zwischen Göttern und Menschen waren Könige und
Königtum auch notwendig, um die Fürsorge der Götter zu garantieren und
die ungeordneten irdischen Verhältnisse
zu ordnen. Könige waren nicht frei, insofern als von ihrem Verhalten die göttliche
Gnade abhing.
In seiner Stadt achtete der König auf
Tempelbau und -pflege, Palast, Stadtmauer und Verteidigung und sorgte für
das Bewässerungssystem und den wirtschaftlichen Ertrag, um die Bevölkerung
zu ernähren. Er verpflichtete sich, die
Schwachen vor den Starken und besonders die Witwen und die Waisen zu
schützen. Der König war ein „König der
Gerechtigkeit“ und, seit dem frühdynastischen König Lugalzagesi von Uruk,
ein „Hirte“ (rē’û).
König und Götter
Altorientalische Könige unterhielten eine privilegierte Beziehung zu den Göttern, ein Gott wurden sie aber dadurch nicht. Der König Mesilim (um 2530
v. Chr.) nannte sich in einer Inschrift „geliebter Sohn der Ninhursag“. Erstmals stellten Naram-Sin und sein Sohn Scharkalischarri ihrem Namen das
Schriftzeichen für Gott dingir voran. Nach Schulgi ließen die Könige,
der Ur III-Zeit, vereinzelt auch noch altbabylonische und kassitische Könige
ihren Namen mit dingir schreiben. Dabei wurde vielmehr das Amt als der König selbst als göttlich angesehen. Der neuassyrische König war Stellvertreter
des Gottes Assur und hieß iššiakku. Der „gute Schutzgott“ šēdu und der „gute Genius“ lamassu wohnten seinem Leib inne.
4. Der erste Versuch einer politischen Einheit: Akkadzeit
77
Wahl des Königs
Theoretisch war nicht fest geregelt, wer König wurde. Am allerwichtigsten
war die Zustimmung der Götter, die den König wählten und „an die Hand
nahmen“. Nirgends stand geschrieben, dass der Königssohn König werden
musste. Aber meistens wurde er es doch. Ein natürlicher Tod, ein gewaltsamer Tod durch Mord oder Kampf oder eine Usurpation läuteten das Ende
einer Regierungszeit ein.
Bei der Erbfolge mussten die Königsfamilie und der Hof häufig mit den
Göttern feilschen, damit diese sich mit dem „richtigen“ Sohn einverstanden
erklärten. Neuassyrische Texte zeigen, dass die Verhandlungen mit den Göttern und ihre Befragung durch den König oft sehr lange andauerten. Darin
spiegeln sich natürlich dynastische Machtkämpfe, da nicht immer der ältere
Sohn bevorzugt wurde.
Regierungsform
Ob En, Lugal oder Ensi, der altorientalische König verfügte selten über absolute Macht. Das Königtum ist im Laufe der historischen Entwicklung
sicherlich immer despotischer geworden. Dennoch gab es stets Versammlungen, die lokale Belange regelten, oder, vermehrt im 1. Jahrtausend v. Chr.,
Einschränkungen seitens des Militärs, des Klerus, der Großgrundbesitzer
und der reichen „adeligen“ Familien4.
Ersatzkönig
Wurde in einem Omen etwas Negatives für den König und sein Territorium
vorausgesagt, machte man vorübergehend einen anderen zum Ersatzkönig,
übertrug ihm Amt und vorhergesagte Gefahr für eine gewisse Zeit und
tötete ihn anschließend. In den Babylonischen Chroniken wird von einem
einmaligen Fall berichtet, der wahrscheinlich schon damals die Menschen
beeindruckte. Eine Gefahr schwebte über Erra-imitti, König von Isin (1862–
1839 v. Chr.), so dass der Gärtner Enlil-bani als Ersatzkönig auf den Thron
gesetzt wurde. Aber während dieser Zeit aß Erra-imitti einen so heißen Brei,
dass er davon starb. Enlil-bani blieb König und regierte noch 24 Jahre.
Königsdarstellungen
Die ältesten für uns erkennbaren Königsdarstellungen zeigen den späturukzeitlichen En in rituellen Handlungen (Abb. 98b), in Kriegsszenen und als
Löwenjäger. Der Herrscher erscheint hier wie auch später Hammurapi auf
seiner Kodex-Stele (Abb. 30) in zeitlosen Bildern, die aber einen historischen
Bezug nicht ausschließen. Ein umgekehrtes Verhältnis erkennen wir auf
78
VI. Vom Beginn des 4. Jahrtausends bis zur Achämenidenzeit
den Stelen Eanatums (Abb. 25), Naram-Sins (Abb. 28) oder Urnammus
(Abb. 29) und selbst noch auf den neuassyrischen Orthostaten. Trotz des
inschriftlich bezeugten historischen Bezugs verweisen die Bilder auf die
andauernde Fähigkeit des Herrschers zu bauen, kultische Handlungen auszuführen und sich, auch mittels Krieg, um die Belange seines Königtums
zu kümmern.
왖 Abb. 29
Ur: Stele des
Königs Ur-Nammu. H. ca. 3m.
Kalkstein.
Philadelphia,
University
Museum.
5. Verwaltung und Ordnung: Ur III-Zeit
Die Ur III-Zeit ist wie die Akkadzeit ein kurzer Abschnitt in der altorientalischen Geschichte. Ohne ein „Feuerwerk“ zu sein, brachte sie dennoch viele Neuerungen, die man bisweilen als „ordnend“ bezeichnen kann.
Die Verwaltung wurde straff organisiert. Es entstanden als literarische
Gattung die Königshymne, in der Architektur die Ziqqurrat und in der
Alltagskunst die modelgeformte Terrakotta. In vielen Städten bauten die
Könige Tempel neu oder um.
Nachdem die Gutäer, die die akkadische Dynastie zu Fall gebracht hatten,
selbst vertrieben worden waren, gründete Urnammu eine Dynastie, die wir
als die dritte von Ur bezeichnen, weil in der Sumerischen Königsliste schon
zwei vorausgehende Herrscherfamilien für Ur erwähnt werden.
5. Verwaltung und Ordnung: Ur III-Zeit
79
Zum „Staatsbauer“ wurde allerdings sein Sohn Schulgi, der den sumerischen Süden mit Babylonien um Sippar und Akkad vereinigte. Allgemein
zogen die Könige der Ur III-Dynastie diplomatische Bemühungen dem Krieg
vor, etwa durch die Vermählung ihrer Töchter an fremde Könige.
Einer der berühmtesten altorientalischen Herrscher ist Gudea. Er verdankt seinen Ruhm den vom ihm überlieferten Hymnen und den zahlreichen
ihn darstellenden Statuen aus Tello (Abb. 83). Er ist der zweite Herrscher
der II. Dynastie von Lagasch und scheint kurz vor Urnammus Machtantritt
mindestens elf Jahre regiert zu haben. Zahllose Berichte belegen seine
Freude am Bauen, aber auch an dem schönen und kostbaren Diorit seiner
Statuen.
Zwei Klagelieder und ein Archiv aus Isin (30 km südlich von Nippur) informieren uns über das Ende der dritten Ur-Dynastie. Darin wird beschrieben, wie Ischbi-Erra von Ibbi-Sin, dem letzten Herrscher, zunächst zum
Statthalter in Mari ernannt worden war. Ischbi-Erra baute Isin zu seiner
Residenz aus und eroberte Ur, während die Elamiter Ur zerstörten. Ibbi-Sin
wurde gefangen und nach Anschan in Elam gebracht. Das Königtum ging an
Isin über.
Wir kennen heute über 30 000 Ur III-zeitliche Verwaltungstafeln. Archive sind in Ur, Nippur, Puzrisch-Dagan, Umma oder Tello bezeugt. Diese
hohe Zahl ist die Folge einer straffen Strukturierung aller Verwaltungsbereiche.
Von Schulgi an unterstanden 40 Provinzen jeweils einem Ensi. Ensis
waren für die Verwaltung der „Haushalte“ und ihrer Angestellten, die Finanzen, die Rechtsprechung und die Feste zuständig. Jede Provinz musste Abgaben leisten, mit denen der König seinen Staatsapparat und seine Bauvorhaben finanzierte. Schreiberschulen wurden eingeführt, Schrift, Maß- und
Gewichtssystem, Kalender und Steuersystem zwischen Sumer und Babylonien vereinheitlicht. Kerninstitution der Wirtschaft war das „bala“-System.
Trotz zahlreicher Studien bleibt die Definition des „bala“ unklar: Waren und
Dienstleistungen, die eine Provinz abliefern muss, Wert des Abgelieferten
oder Art der verteilten Waren?
Das staatliche, 1908 oder 1909 von Raubgräbern geplünderte Archiv von
Puzrisch-Dagan (modern Drehem) gewährt Einblick in die tägliche Buchführung eines gigantischen Viehhofs in der Nähe von Nippur, der dessen
Tempel mit Schlachtopfern belieferte. Die Tiere – hauptsächlich Schafe und
Ziegen, aber auch Rinder (10 : 1) und Gazellen – wurden eingeliefert, zur Ausgabe vorbereitet und an Tempel und Paläste überwiesen. Im Jahre 5 von
Amar-Sin wurden beispielsweise je nach heutiger Berechnung zwischen
60 000 und 77 000 Stück Vieh verwaltet.
Auch in der Ur III-Zeit herrschte reger Handel. Ur hatte einen Hafen, von
wo aus die Schiffe bis nach Tilmun (Bahrein) und Magan (Oman) segelten.
Auf dem Landweg führte der Handel ebenfalls in die Susiana.
80
VI. Vom Beginn des 4. Jahrtausends bis zur Achämenidenzeit
6. Rivalisierende Städte: Altbabylonische Zeit
Die altbabylonische Zeit besteht aus den drei Abschnitten mit jeweils in Isin,
Larsa und Babylon vorherrschenden Dynastien.
Nachdem Ur von den Elamitern eingenommen worden war, gründete
Ischbi-Erra in Isin eine Dynastie, mit der die Isinzeit beginnt. Das Territorium der Isin-Dynastie war jedoch nie sehr groß, da viele wichtige Städte
unabhängig blieben.
Parallel zu Isin gründete Naplanum eine Dynastie in Larsa. Ihr fünfter
König Gungunum eroberte Ur und setzte Larsa als babylonisches Zentrum
durch. In Babylon wiederum hatte der Amurriter Sumuabum eine Königsdynastie gegründet. Ihr sechster König Hammurapi besiegte den letzten
König der Larsa-Dynastie Rim-Sin und dehnte sein Reich auf Babylonien,
Akkad, das Diyala-Gebiet, Mari und Assyrien aus. Texte weisen auf unaufhörliche Kriegszüge. Mit Hammurapi beginnt Babylons Dominanz.
Aber schon unter Hammurapis Sohn Samsuiluna brach das Territorium
wieder auseinander. Die alten sumerischen Städte revoltierten. Außerdem
störte abermals ein neues, diesmal das aus dem Osten einwandernde Volk
der Kassiten. Samsuiluna bekam die Lage zwar in den Griff, dennoch folgte
alsbald der Zerfall. Die Ursachen dafür waren vielfältig. Die Größe des Territoriums war den logistischen Möglichkeiten nicht angemessen und Ernten
fielen der Bodenversalzung wegen aus. Babylons I. Dynastie währte 300 Jahre. Unter ihrem letzten König Samsuditana nahm der hethitische König
Mursili Babylon ein und zerstörte es.
Parallel zur altbabylonischen Zeit wurde für Assyrien die Bezeichnung
„altassyrisch“ geprägt. Zeitlich erstreckt sich diese Epoche zwischen dem
Beginn des 2. Jahrtausends und dem Wiedererstarken des assyrischen Reiches in der sogenannten Mittelassyrischen Zeit im 14. Jahrhundert. Die alles
prägende Persönlichkeit der altassyrischen Zeit war Schamschi-Adad. Er
stammte aus Ekallatum, einer nicht lokalisierten Stadt am Tigris unweit
von Assur. Nach etwa 25-jähriger Regierung eroberte er Assur und regierte
weitere 33 Jahre. Er starb vermutlich im 17. Regierungsjahr des Königs Hammurapi von Babylon. Sein Reich umfasste in seiner größten Ausdehnung
ein Territorium zwischen Samarra und dem Euphrat bis zu seinem syrischen
Zufluss Balich. Wohl einige Jahre nach Maris Eroberung vertraute er seinem
Sohn Ischme-Dagan die Gegend um Ekallatum an. Seinem zweiten Sohn
Jasmach-Addu hingegen, der sich als sehr unfähig erwies, oblag die Verwaltung von Mari. Als Schamschi-Adad starb, war niemand in der Lage, das
von ihm aufgebaute Reich weiterzuführen.
Zahlreiche Texte informieren uns über die altbabylonische Gesellschaft.
Sie war in Freie und Unfreie eingeteilt. Frei waren die Bürger der Städte,
Bauern und Hirten. Im Kodex Hammurapi heißen sie awīlum, was „Mensch“
bedeutet und im Gegensatz zu Göttern und Tieren steht. Sie waren reich oder
6. Rivalisierende Städte: Altbabylonische Zeit
81
Exkurs: Das Recht
Abb. 30 왔
Susa: Kodex
Hammurapi.
H. 2,25 m. Basalt.
Paris, Louvre.
82
Was wir unter „Recht“ verstehen, deckt
sich mit dem sumerischen Wort níĝ-gi-na
„das Richtige, das Wahre“ und dem akkadischen kittum„das Feste, das Beständige“.
Die ältesten heute bekannten Gesetzestexte sind Paragraphensammlungen
oder einzelne Gesetze. Urnammu hinterließ 40 kurze Paragraphen, in denen
es zumeist um Straftaten geht. Vom
20. Jahrhundert v. Chr. an gibt es dann
Gesetzessammlungen, unter denen der
„Kodex Lipit-Ischtar“ die älteste ist (etwa
1930 v. Chr.) und der „Kodex Hammurapi“ (Abb. 30) die berühmteste. Sie werden Kodizes genannt, obwohl sie nach
heutiger Definition keine sind. Denn
ein Kodex behandelt sämtliche
Rechtsgebiete in einer systematisch geordneten Form.
Selbst der Kodex Hammurapi behandelt in seinen
282 Paragraphen nur
Personen-, Ehe-, Adoptions-, Erb-, Eigentumsund Strafrecht sowie die
Regelung bei Diebstahl,
Verleumdung, Inzest und
Vergewaltigung.
Die Gesetze sind kasuistisch formuliert und leiten mit šumma,„wenn“,
die Konsequenz ein.
Die meisten Delikte
wurden mit Silber abgegolten. Das Strafrecht ist ungleich schärfer als in den älteren
Gesetzen. Ob und wie
der Kodex Hammurapi
angewandt wurde,
ist jedoch unbekannt.
In Fällen, in denen
man keiner Partei
Schuld oder Unschuld nachweisen konnte, setzte man das Ordal ein. Im Alten
Orient gab es wohl nur das Flussordal.
Man nahm an, dass die Menschen nicht
schwimmen konnten. Da die Flüsse als
Götter galten, würde der Flussgott den
Unschuldigen ans Land werfen und den
Schuldigen ertrinken lassen. Anders als
heute, wo der Kläger sein Recht nachweisen muss, musste sich der Beschuldigte dem Ordal unterziehen. Hatte
der Flussgott nachgewiesen, dass der
Beschuldigte unschuldig war, wurde die
angedrohte Strafe am Kläger vollzogen.
In der Praxis handelte es sich besonders
häufig um Hexerei, Mordfälle und um
Ehebruch.
Sämtliche wichtigen Geschäfte und
Vereinbarungen wurden schriftlich abgeschlossen. So gab es neben den
Gesetzessammlungen zahlreiche Privatverträge und Gerichtsurkunden über
Darlehen, Haus- Land- oder Sklavenkauf,
Feldpacht oder Adoption sowie – meist
in der Spätzeit – Pfründenverkäufe und
Schuldscheine. Die Tafeln wurden mit
den Namen der Parteien und der Zeugen versehen, mit einem Datum, das
Monat, Tag und Jahr angab, mit einer
Siegelabrollung oder ab und zu mangels
Siegel mit dem Abdruck des Gewandsaumes oder eines Fingernagels. Alle,
Männer, Frauen und Sklaven, konnten
Rechtsgeschäfte vornehmen, nur Minderjährige mussten sich vertreten lassen.
Die Menschen konnten leicht durch Tod,
Krankheit oder Missernte von einem
Tag auf den anderen ihre Existenzgrundlage verlieren. Dann waren sie verpflichtet, Kredite aufzunehmen. Um einer völligen Verarmung der Bevölkerung vorzubeugen, gewährten Könige regelmäßig
Schuldenerlasse, so auch Samsuiluna
und Ammisaduqa.
VI. Vom Beginn des 4. Jahrtausends bis zur Achämenidenzeit
arm, übten unterschiedliche Berufe aus, konnten frei heiraten und durften
Grund besitzen. Aus dieser Schicht rekrutierte der König seine Beamten und
Militärs.
Handwerker, Angestellte im Dienst des Palastes, Händler oder kleine
Grundbesitzer bildeten die nicht grundsätzlich mittellose Hauptmasse der
Bevölkerung und hießen muškēnū.
Am unteren Rande der gesellschaftlichen Skala gab es Sklaven (wardum)
und Sklavinnen (amtum). Das Wort wardum bedeutet „Diener“ und wurde
auch für Könige im Angesicht vor den Göttern benutzt. Sklaven gehörten dem
Tempel, dem Palast oder Privatpersonen. Ihre Zahl scheint ziemlich hoch gewesen zu sein. Sklave wurden man qua Geburt oder durch Strafen, wegen
Schulden oder Kriegsgefangenschaft.
Sklaven mussten besondere Sklavenzeichen tragen – etwa einen halb geschorenen Kopf –, um ihre Flucht zu erschweren. Sie waren jedoch nicht ohne Rechte. Sie konnten mit Zustimmung ihrer Herren auch geschäftlich tätig sein, sich freikaufen oder auch freigelassen werden. Sie durften Töchter
von freien Bürgern heiraten. Kinder aus einer solchen Ehe waren freie Bürger. Wenn Sklavinnen ihrem Herrn Kinder gebaren, entschied der Vater über
die Stellung der Kinder.
Am Ende der Regierung Hammurapis war Sumerisch endgültig ausgestorben. In der altbabylonischen Zeit sprach man das gepflegteste Akkadisch.
Aus dieser Zeit stammen sämtliche Textgattungen, die wir kennen (siehe Kapitel X). Zahlreiche Tafeln sind Abschriften älterer Texte, die altbabylonischen
Texte wurden wiederum lange kopiert. Überlegungen zur Alphabetisierung
fallen heute jedoch anders aus als noch vor einem Jahrzehnt. Die Keilschrift
bot zwar Schwierigkeiten, jedoch konnte man in der altbabylonischen Zeit
schon mit 82 Zeichen einen normalen Text schreiben. Neue Studien über den
Wortgebrauch von „zuhören“ und „sehen“, zeigen, dass die Schreib- und Lesefähigkeit zumindest einfacher Texte seit dem Ende des 3. Jahrtausends und
zunehmend bis ins 1. Jahrtausend unter Beamten, Höflingen, in Familien,
zwischen Geschäftspartnern und selbst unter Königen weiter verbreitet war
als bisher vermutet.
7. Rivalisierende Staaten:
Zweite Hälfte des 2. Jahrtausends
Der altbabylonischen Zeit folgte die kassitische (oder mittelbabylonische)
und der altassyrischen die mittelassyrische Zeit.
Nachdem die Hethiter 1595 v. Chr. Babylon zerstört hatten, verließen
sie es und hinterließen politisches Chaos. In dieser Situation etablierten die
Kassiten ihre Macht. Seit dem 18. Jahrhundert v. Chr. bildeten sie kleine
Gruppen, die als Landarbeiter oder als Söldner in der babylonischen Armee
7. Rivalisierende Staaten: Zweite Hälfte des 2. Jahrtausends
83
dienten. 36 kassitische Könige, von denen nur wenige gut bekannt sind,
regierten etwa 450 Jahre. Ab etwa 1225 v. Chr. tragen sie nur noch babylonische Namen.
Neben den Kassiten in Babylonien wurden auch die Hethiter, die Ägypter und die mittanischen Könige in Nordmesopotamien und Nordsyrien,
an deren Stelle um etwa 1350 v. Chr. die Assyrer traten, in ein ebenso raffiniertes wie kompliziertes Beziehungsnetz verwickelt. Äußerst modern mutet
die Koalitionspolitik der unterschiedlichen Parteien an, die lediglich nach
taktischen Gesichtspunkten agierten, durch Kriege, Allianzen oder Heirat
ihre Ziele erreichten und die Schwäche ihres Rivalen bedenkenlos ausnutzten.
Agum II., „König der Kassiten und Akkader“, herrschte von Babylon aus
über Babylonien und das iranische Randgebiet. Die Kontrolle über den Weg
nach Elam und die Handelsroute am Diyala waren den Kassiten so wichtig,
dass Kurigalzu I. um 1400 die Hauptstadt von Babylon nach Dur-Kurigalzu,
dem modernen Aqr Quf in einem westlichen Vorort Bagdads, verlagerte. Er
nannte sich „König der Gesamtheit“ und pflegte Beziehungen zum Pharao
Tutmosis IV.
Mit Tutmosis IV. hatte auch der mittanische König Kontakte. Mittanisch
bezeichnet ein Land und nicht eine Sprache oder ein Volk. Das Wort Maittu
ist weder hurritisch noch indoarisch, auch wenn einige der Herrschernamen
indoarisch sind (Kapitel IV). Sie deuten lediglich auf Kontakte zwischen dem
in Mittani lebenden Volk und den Indoariern in ihrem Ursprungsland oder
während ihrer Wanderung. Vom 15. Jahrhundert an verschmelzen die mittanische und die hurritische Kultur.
Ihr zentrales Gebiet lag im ostsyrischen Chabur-Gebiet. Der mittanische
König Sauschtatar plünderte Assur und näherte sich Ägypten an, um gemeinsam gegen die Hethiter zu agieren. Sein Sohn Aratarma I. schloss Frieden
mit Tutmosis IV., der dessen Tochter heiratete. Aratarmas Sohn Schutarna II.
wiederum heiratete eine Tochter Amenophis’ III.
Zuvor hatte Kurigalzus Nachfolger Kadaschman-Enlil I. eine Tochter
Amenophis’ III. und dieser eine Tochter Kadaschman-Enlils zur Frau genommen. Burnaburiasch II. stand in Briefwechsel mit Amenophis III., später mit
Echnaton und Tutanchamun. Auch er heiratete eine Tochter Amenophis’ III.
Tuschrata aus Mittani, ein Nachfolger Schutarnas, hatte ebenso enge Beziehungen zu Amenophis III., der als weitere Frau Tuschratas Tochter Taduhepa wählte. Tuschrata wurde ermordet, was einen Bürgerkrieg in Mittani und
dessen Ende bedeutete.
Der hethitische König Suppiluliuma I. nutzte dieses Vakuum aus und der
assyrische König Assur-uballit erweiterte Assyriens Territorium über Assur
hinaus. Hethiter und Assyrer fanden einen Modus Vivendi: der hethitische
Einfluss reichte bis zur Euphrat-Kurve, der Süden verblieb in der ägyptischen,
der Nordosten in der assyrischen Einflusssphäre.
84
VI. Vom Beginn des 4. Jahrtausends bis zur Achämenidenzeit
Assur-uballit war der erste starke König der mittelassyrischen Zeit, die
man um 1000 v. Chr mit der nächsten Schwächezeit Assyriens enden lässt.
Nach Assur-uballits Tod war es zunächst schwierig, das Erreichte zu halten. Einige Jahrzehnte später festigte Salmanassar I. die assyrische Kontrolle
über Obermesopotamien wieder. Sein Nachfolger Tukulti-Ninurta I. war
noch ein energischer König mit Expansionswünschen. Nach ihm jedoch
verfielen Assyrien und Babylonien in eine Schwächephase, die der elamische
König Schutruk-Nahhunte um 1165 v. Chr. ausnutzte. Er eroberte etwa 700
Städte in Mesopotamien, aus denen er unzählige repräsentative Objekte als
Tribut nach Susa verschleppte. Wir verdanken diesem Raubzug den Fund
zahlreicher äußerst wertvoller Objekte in Susa, die sonst vielleicht verschwunden wären. Die wichtigsten sind die Naram-Sin-Stele (Abb. 28), der KodexHammurapi (Abb. 30) und die Statuen der Herrscher in Eschnunna (Abb. 85).
Schutruk-Nahhuntes Sohn machte 1155 v. Chr. der kassitischen Dynastie ein
Ende.
Obwohl einige kassitische Fachwörter für Pferdefarben und Pferdemarkierungen in die babylonische Sprache eingingen, wird heute die Ansicht
abgelehnt, wonach sie auf Pferde, Karren oder den Waffengebrauch spezialisiert waren. Denn zu dem Zeitpunkt, als die Kassiten an der Macht waren,
verbreitete sich der Gebrauch von Pferden und Wagen.
Charakteristisch für die kassitische Zeit sind die „Kudurrus“ genannten
Steine, worauf Landschenkungsurkunden und Angaben über Landbesitz und
Privilegien privater Personen eingraviert sind. Sie weisen darauf hin, dass privatem Land eine zunehmende Wichtigkeit zukam (siehe Kapitel XI).
Die außergewöhnliche Heiratspolitik zwischen Babylonien und Ägypten
hatte zur Folge, dass die Kassitenzeit die einzige Epoche war, in der Gold und
nicht Silber den Standard im Handel bildete. Geschenke waren ein wohl kalkuliertes und dosiertes Politikum. Aus Ägypten kamen neben Gold Schmuck,
Silber, Bronze, Elfenbein, Ebenholz, Möbel, hochwertige Gewänder sowie
Steingefäße mit erstklassigem Öl. Die Kassiten hingegen schenkten afghanischen Lapislazuli, schöne und trainierte Pferde und dazu die Wagen.
8. Das Ende des 2. Jahrtausends: Isin II-Dynastie
und Ende der mittelassyrischen Zeit
Elamische und assyrische Eroberungszüge besiegelten die kassitische Dynastie. Darauffolgende Konflikte zwischen Assyrien und Elam wurden teilweise auf babylonischem Territorium ausgetragen. Isin lag in Südbabylonien,
möglicherweise abseits des Kriegsschauplatzes und konnte sich deswegen als
Sitz einer neuen Dynastie – der Isin-II-Dynastie – behaupten. Sie währte von
1157 bis 1026 v. Chr. Nebukadnezar I., ihr wichtigster König, kämpfte erfolgreich gegen Elam und holte Marduks Kultbild zurück, das die Elamiter aus
8. Das Ende des 2. Jahrtausends: Isin II-Dynastie und Ende der mittelassyrischen Zeit
85
dem Marduk-Tempel von Babylon geraubt hatten.
In Assyrien schrieb Tiglatpilesar I. als Erster Annalen über seine Feldzüge. Ein halbes Jahrhundert
später um 1000 v. Chr. befanden sich sowohl Babylonien wie auch das assyrische Reich in einer
Schwächephase.
9. Die großen Reiche
des 1. Jahrtausends:
Neuassyrische Zeit
Abb. 31 왖
Nimrud: Statue
Assurnasirpals II.
H. 1,06 m,
Kalkstein.
London, British
Museum.
86
Nach Jahrzehnte andauernden Problemen mit den
Aramäern setzte sich die zweite „Meerland“-Dynastie in Babylonien durch. In Assyrien begann
die neuassyrische Zeit, charakterisiert durch territoriale Expansion und den damit verbundenen
wirtschaftlichen Nutzen. Er erlaubte große königliche Projekte wie die Errichtung der Stadt- und
Palastbauten (siehe Kapitel VIII), die Herstellung
von Orthostaten (siehe Kapitel XI), die Urbarmachung weitläufiger Landflächen oder die Anlage
großer Parkanlagen mit ausgeklügelten Bewässerungssystemen. Auch das Straßennetz musste aus
logistischen Gründen verbessert werden.
Unter Tukulti-Ninurta II. blühte Assyrien erneut auf. Zahlreiche Bauten in Assur gehen auf
ihn zurück. Sein äußerst aktiver Nachfolger Assurnasirpal II. (Abb. 31) gründete Nimrud neu, wo
es seit der Mitte des 3. Jahrtausends nur eine bescheidene Besiedlung gegeben hatte. Er ließ den
Schutthügel terrassieren, eine acht km lange Umfassungsmauer und, als erster assyrischer König,
einen großen Palast bauen, den er mit bebilderten
Steinplatten schmückte (Abb. 35, 74).
Von Salmanassar III. besitzen wir einen chronologischen Bericht über seine Feldzüge, in denen Meder und Araber erstmals erwähnt werden.
Unter Tiglatpilesar III. wurde das nunmehr sehr
große assyrisch kontrollierte Territorium organisiert und die eroberten Provinzen gezwungen,
festgelegte Tributzahlungen zu leisten. Sargon
gründete erneut eine Hauptstadt. Er kämpfte
VI. Vom Beginn des 4. Jahrtausends bis zur Achämenidenzeit
gegen Urartu und beschrieb diesen „achten Feldzug“ in einer bemerkenswerten, an die Götter adressierten Schilderung. Er kämpfte ebenso gegen Babylonien, dessen König Marduk-apla-iddina II. er 710 v. Chr. vertrieb. Weil sein
Tod während eines Feldzugs als schlechtes Vorzeichen gedeutet werden musste, verlegte sein Sohn Sanherib die Hauptstadt seines Vaters auf Ninive. Sanherib stieß auf Widerstand in der Levante, Israel und Babylon. Nachdem sein
Sohn umgebracht worden war, beschädigten 689 v. Chr. assyrische Soldaten
Babylon schwer und verschleppten Marduks Kultbild. Nach Sanheribs Ermordung durch seinen zweiten Sohn Urdu-Mullissi bestieg Asarhaddon, der
jüngste Sohn, den Thron. Er machte sich sofort an Babylons Wiederaufbau.
Anders als sein energischer Vater war er abergläubisch und ängstlich, führte
dennoch zahlreiche Feldzüge durch und starb auf dem Weg nach Ägypten,
wo er eine Rebellion niederschlagen wollte. Sein Nachfolger und Sohn Assurbanipal (Abb. 32) ist mit Nebukadnezar II. der berühmteste König des
Alten Orients. Als Sardanapal kommt er in unzähligen Opern, Romanen und
historisierenden Bildern vor. Er war ein gelehrter und kulturbeflissener Herrscher, der viele Feldzüge anführte. Sein Bruder Schamasch-schumu-ukin,
den er als Gouverneur in Babylon eingesetzt hatte, rebellierte 652 und wurde 648 v. Chr. getötet. Von 639 v. Chr. an gibt es kaum noch Nachrichten über
Assurbanipal. Er starb im Jahre 630 oder 627 v. Chr. Ihm folgten noch zwei
Könige. 626 v. Chr. machte sich Babylonien unabhängig, Nabupolassar
wurde König und gründete die letzte babylonische Dynastie. Die Babylonier
und die Meder vereinten ihre Kräfte gegen Assyrien. 612 v. Chr. belagerten
sie Ninive, das nach drei Monaten eingenommen wurde. Über das Schicksal
des letzten assyrischen Königs in Ninive Sin-schar-ischkun wissen wir nichts.
Eine griechische Sage besagt, dass sich „Sarakos“ in seinem Palast verbrannt
habe. Nach dem Fall Ninives ließ sich als allerletzter assyrischer König Assur-uballit II. in Harran krönen und regierte bis 609 v. Chr.
9. Die großen Reiche des 1. Jahrtausends: Neuassyrische Zeit
왖 Abb. 32
Ninive:
Orthostatenrelief
aus dem Palast
Assurbanipals,
ca. 645 v. Chr.
Königliches Mahl
im Garten nach
einer Schlacht
gegen die Elamiten. London,
British Museum.
87
Abb. 33 왘
Babylon: Rekonstruktion des Ischtar-Tors. Ursprünglich erbaut unter
König Nebukadnezar II., um
600–580 v. Chr.
Berlin, Vorderasiatisches Museum.
Den Niedergang des neuassyrischen Reiches verursachten sicherlich
mehrere Faktoren: die logistisch schwer handzuhabende Größe, ständige
Rebellionen, Interessenskonflikte innerhalb Assyriens, vielleicht auch die
Unfähigkeit der letzten assyrischen Könige und schließlich die Entschiedenheit der Babylonier.
10. Spätbabylonische Zeit
Schon Nabopolassar hatte die babylonische Macht über Assyrien verstärkt.
Nebukadnezar II. wurde 605 v. Chr. babylonischer König. Probleme bekam
er vor allem im Westen und mit Ägypten. 597 v. Chr. eroberte er Jerusalem,
zerstörte den im 10. Jahrhundert v. Chr. von Salomon erbauten ersten Tempel und deportierte die jüdische Oberschicht nach Babylonien. Das zweite,
uns nur durch die Bibel bekannte Exil fand im Jahre 586 statt und ist als
„Babylonische Gefangenschaft“ bekannt. Der achämenidische König Kyros
II. gestattete 538 den Juden, nach Jerusalem zurückzukehren.
Nebukadnezar war ein großer Bauherr. In Babylon selbst baute er den
Marduk-Tempel und seine Ziqqurrat, die Prozessionsstraße mit dem Ischtar-Tor (Abb. 33), Paläste und die Stadtmauer.
Nach einem kurzen Intermezzo usurpierte Nabonid die Herrschaft, vielleicht mit der Hilfe seines Sohnes Bel-schara-usur, der als Belschazzar in
das Buch Daniel einging. Auch Nabonid renovierte überall in Babylonien
Tempel und Ziqqurrate. Aber er war ein Sonderling. Seine Mutter Addaguppi war Priesterin in Harran gewesen. Zu Beginn seiner Regierung hatte
er einen Traum, wonach er den Sin-Tempel in Harran wieder aufbauen
solle. Nabonid führte diesen Traum etwa 553 v. Chr. aus.
Es brachen schlechte wirtschaftliche Jahre und eine Hungersnot in Babylonien aus, die Nabonid angelastet wurde, weil er den Staatsgott Marduk
vernachlässigt habe. Daraufhin ging Nabonid freiwillig ins nordarabische
Teima ins Exil, wo er etwa 10 Jahre blieb. Die Abwesenheit des Königs tat
Babylonien nicht gut. Er kehrte 543 v. Chr. zurück, zu spät jedoch, um die
sich zu einer Weltmacht formierenden Perser und Meder aufzuhalten. Am
12. Oktober 539 v. Chr. nahm die persische Armee von Kyros dem Großen
kampflos Babylon ein. Wir kennen das Schicksal, das Nabonid und Belschara-usur ereilte, nicht.
Das neubabylonische Reich war so groß wie das neuassyrische. Es konnte nur durch ständige militärische Eingriffe gehalten werden. Obwohl man
über die Reichsorganisation nicht viel weiß, lief das Tributsystem weiter. In
den babylonischen Städten spielten die großen und reichen Tempel eine herausragende politische und wirtschaftliche Rolle. Die Spannung zwischen
Priesterschaft und Königtum war jedoch wesentlich geringer als zwischen
König und städtischer Elite.
88
VI. Vom Beginn des 4. Jahrtausends bis zur Achämenidenzeit
10. Spätbabylonische Zeit
89
Abb. 34 왘
Persepolis, Palast
des Darius: Relief
Darius I. mit zwei
Schirmträgern,
5. Jh. v. Chr.
90
VI. Vom Beginn des 4. Jahrtausends bis zur Achämenidenzeit
11. Epilog: Achämenidische Zeit
Mit der Einnahme Babylons durch Kyros II. wurde das gesamte spätbabylonische Territorium achämenidisch. Für Mesopotamien währte dieses letzte
große Reich vor Alexander dem Großen bis 331 v. Chr. Darius I. (Abb. 34)
begründete eine neue Dynastie und organisierte das von Thrakien und
Makedonien bis hin zum Pandschab reichende Territorium in Satrapien. Allgemein bekannt sind der „Ionische Aufstand“ (500–494 v. Chr.) sowie unter
ihm und seinem Sohn und Nachfolger Xerxes I., die persischen Niederlagen
490 bei Marathon und 480 v. Chr. bei Salamis, die allerdings die persische
Macht nicht erschütterten. Im Bruderstreit zwischen Artaxerxes II. und
Kyros dem Jüngeren wurde dieser 401 v. Chr. in Kunaxa bei Babylon besiegt.
Unter den griechischen Söldnern, die an Kyros’ Seite gekämpft hatten, befand
sich Xenophon (ca. 430–ca. 350 v. Chr.), der ihren abenteuerlichen Rückmarsch nach Westen in der „Anabasis” beschrieb und so diese Niederlage in
der Weltliteratur verewigte.
Babylon blieb während der Perser-Zeit ein äußerst aktives „multikulturelles“ Zentrum, wo die altorientalischen Götter noch verehrt werden und
Mythen, Epen, Omina oder astronomische Texte weiterhin auf akkadisch und
sumerisch in Keilschrift geschrieben wurden. Es wurde sogar ein Pavillon
nach persischer Art im Westen der Südburg gebaut.
Jede Satrapie musste von ihr produzierte Waren in einer Menge abliefern, die ihrer Wirtschaftskraft entsprach. Dazu kamen Steuern, die als
Luxusgüter oder zur Münzprägung in den Schatzhäusern der zentralen
Residenzen gehortet wurden. Darius I. prägte ab 510 v. Chr. die ersten altorientalischen Münzen. In Babylonien gewannen Familienunternehmen an
Wichtigkeit. Die Egibi-Familie aus Babylon und die Muraschu-Familie
aus Nippur besaßen so viel Land, dass sie durch Agrarverträge, Pacht, Darlehen oder Pfand unermesslich reich wurden und wie „Bankhäuser“ etwa
die königlichen Feldzüge vorfinanzierten.
Die persischen Provinzen wurden jedoch durch Abgaben ausgesaugt und
der angehäufte Reichtum nicht ausreichend investiert. Rebellionen und
interne Probleme schwächten das Reich. Im Jahre 333 v. Chr. besiegte Alexander der Große Darius III. bei Issos. 331 zog er in Babylon ein. Dort starb
er am 10. Juni 323 v. Chr. abends. Alexanders ungeklärte Nachfolge löste langanhaltende Kämpfe aus.
Mit der Achämenidenzeit endet eine glanzvolle Kultur, deren Religion
und Architektur bis heute in Iran fortleben.
1
2
3
4
Wall-Romana (1990).
Reade (2002).
Lambert (1960) 232.
Yoffee (2005) 109–112.
11. Epilog: Achämenidische Zeit
91
VII. Land, Städte
und Städteplanung
1. Städtisches und ländliches Leben
Die Stadtbewohner des antiken Mesopotamien empfanden ihr Leben als
äußerst kultiviert. Städte waren religiöse, politische, militärische, wirtschaftliche und kulturelle Zentren und Sitz der Zivilisation. Durch die Natur streifende Hirtennomaden galten als „nicht domestizierte“ und unkultivierte
Menschen, eine bukolische Betrachtung der Landschaft war allen fremd.
Wahrscheinlich eignete sich das Land seiner Kargheit wegen auch nicht zu
„romantischen“ Beschreibungen. Doch schätzte man Bäume und Pflanzen
als Schutz vor der mörderischen Hitze.
2. Siedlungsmuster
In Sumer und Babylonien bedingte die Kanalbewässerung kleine bebaubare
Fluren, auf denen die Menschen dicht zusammenleben mussten. In Assyrien,
wo es Regenfeldbau gab, war die Besiedlungsart viel lockerer. Die Lage im
Flachland, in einem Tal oder auf einem Gebirgshang, in Wassernähe, die Erreichbarkeit über (Handels-)Wege, der Rohstoffzugang und die geopolitische
Lage, die sich im Laufe der Geschichte verschob, erklären, weshalb Siedlungen an einem bestimmten Ort entstanden sind und nur einige zu Jahrtausende überdauernden Knotenpunkten wurden. Siedlungen standen im Mittelpunkt oder am Rande einer Region. Im Mittelpunkt zu stehen, bedeutete
bisweilen nicht im geographischen Zentrum zu liegen, sondern funktional
wichtig zu sein. Solche Orte versorgten andere mit Gütern oder Dienstleistungen, waren dabei aber nicht unbedingt groß oder politisch von Bedeutung.
92
VII. Land, Städte und Städteplanung
3. Kommunikations- und Transportmittel
In der Antike spielten Kommunikation und Kommunikationswege dieselbe
Rolle wie heute. Durch sie verbreiteten sich Menschen und ihre Sprachen,
Religionen und Waren, dazu aber auch ihre Techniken, Ideen und Erfindungen.
Der bequemste Transportweg ging über Wasser (Abb. 35). In Babylonien
lagen die Städte in Fluss- und/oder Kanalnähe. Wegen Überbauung und Abfall stieg das Niveau der Städte, also lagen die Kanäle immer tiefer, und ihre
Hänge wurden immer steiler. Die Kanäle, die in Kriegszeiten abgeschnitten
werden konnten, wurden am Stadtrand durch Tore bewacht.
Auf den Kanälen und den Flüssen verkehrten segellose, runde Schiffe, die
aus über ein Holzgerüst gespannten und mit Bitumen abgedichteten Häuten
bestanden. Sie wurden durch Staken mit Stöcken oder Treideln flussaufwärts
bewegt und ließen sich flussabwärts treiben oder tragen. Diese Arabisch
genannten Guffa, die einen Durchmesser von einem bis 5,5 Meter hatten,
konnten zwölf bis 16 Tonnen Last befördern. Auf neuassyrischen Reliefs sind
Flöße abgebildet, die aus Holzbalken über aufgeblasenen Schläuchen bestanden und bis zu fünf Tonnen Last trugen. Für Sumer und Babylonien war das
wichtigste Meer der Persische Golf. Ein ins 5. Jahrtausend zu datierendes
Bootsmodell aus Eridu zeigt, dass es hier seit dieser Zeit kleine Segelschiffe
3. Kommunikations- und Transportmittel
왔 Abb. 35
Nimrud, Palast
Assurnasirpals II.
König im Streitwagen beim Übersetzen. London,
British Museum.
93
Abb. 36 왖
Eridu: Bootsmodell, Ton,
5. Jt. v. Chr.
gab (Abb. 36). Erst in neuassyrischer Zeit ließen
die Könige große, von Rudern bewegte Holzschiffe für das Mittelmeer bauen.
In jeder größeren Siedlung muss es Kais zum
Be- und Entladen gegeben haben, die heute aber
nur schwer erkennbar sind. In Larsa, MaschkanSchapir und Ur wurden dank sorgfältiger Grabung
mögliche Häfen innerhalb der Stadtmauern lokalisiert. Nach den überlieferten Texten lag in Ur
jedoch der wichtigste Hafen außerhalb der Mauern. In Babylon verlief auf der Höhe des MardukTempels eine Brücke über dem Euphrat (Abb. 50).
Sieben neun Meter dicke, stromlinienförmige
Pfeiler wurden ausgegraben, die auf eine Brückenlänge von 123 Meter schließen lassen. Die Breite
der Brücke, deren Gehfläche aus Balken bestand,
dürfte 21 Meter betragen haben.
Wege verliefen entlang der Kanäle. Lediglich
für kurze Entfernungen wurden von Tieren gezogene Karren verwendet. Esel konnten eine schwere Last über längere Strecken
tragen und legten dabei täglich 25 bis 30 km, im Gebirge nicht mehr als neun
bis zehn Kilometer zurück. Wie die Logistik im Detail funktionierte, wissen
wir nicht. Die Straßen waren schlecht. Ihr Ausbau erfolgte erst, als sich großflächige Reiche im 1. Jahrtausend v. Chr. bildeten. Die Achämeniden rühmten sich ihres Postsystems, das zugleich ein Kontrollsystem war. Schnelleres
Reisen wurde im 1. Jahrtausend mit Speichenrädern (Abb. 74), welche die bis
dahin verwendeten Scheibenräder ablösten, möglich. Dennoch konnten
leicht verderbliche Waren nicht über längere Strecken transportiert werden.
4. Was ist eine Stadt?
Große Siedlungen spielten im Alten Orient eine entscheidende Rolle. Die
ersten Orte, die als „Stadt“ bezeichnet wurden, sind die beiden neolithischen
Siedlungen Jericho und Çatal Hüyük. Bei beiden Orten konnten sich die
Ausgräber nicht vorstellen, dass ihre Bewohner Bauern waren und vermuteten, dass es unter den Einwohnern bereits eine Spezialisierung sowie eine
ausgeprägte Hierarchie gegeben haben müsse. Aber schon 1957 betrachtete
Robert Braidwood beide als neolithische Dorfgemeinschaften. Was definiert
also eine Stadt? Zu den formalen Kriterien gehört die Fläche. Jericho ist im
8. Jahrtausend v. Chr. drei ha, Uruk um 3000 v. Chr. 500 ha und Susa zur
selben Zeit 25 ha groß. Bis etwa 2500 v. Chr. überschreiten die Siedlungen
kaum eine Fläche von 50 ha. Zwischen 2500 und 1000 v. Chr. messen sie
94
VII. Land, Städte und Städteplanung
durchschnittlich 50 bis 100 ha. Danach erreichen sie viel größere Ausmaße,
Ninive etwa 775 ha in neuassyrischer und Babylon 975 ha in neubabylonischer Zeit.
Die Methode Henry Frankforts und Robert McAdams, die Einwohnerzahlen zu errechnen, gilt noch heute. Für das künstlich bewässerte Mesopotamien vermuteten sie 200 Personen pro Hektar, für Assyrien wahrscheinlich nicht mehr als 100. Diese Vermutung beruhte auf Texten wie Lohnlisten
und auf modernen ethno-archäologischen Beobachtungen. Es ist anzunehmen, dass die Wohndichte in Stadt und Dorf unterschiedlich war. Außerdem
war im Vergleich zu heute die allgemeine Bevölkerungszahl außerordentlich
gering. Die Bevölkerung von Sumer um 2500 v. Chr. schätzt man auf 200 000
Einwohner. Da die genaue Siedlungsfläche meist unbekannt ist, gehen die
wenigen Schätzungen der Einwohnerzahlen bisweilen stark auseinander. Die
vorgeschlagene Zahl für das neuassyrische Ninive etwa schwankt zwischen
75 000 und 300 000 Einwohnern.
Erst um 3000 v. Chr. werden Stadtmauern üblich, aber sie sind nicht in
jeder Siedlung vorhanden. Eine 15 m breite und sehr sorgfältig gebaute
Mauer schützte die urukzeitliche kleine Siedlung von Abu Salabikh. Nach
unserem heutigen Verständnis stand diese Mauer in keinem Verhältnis zur
Größe der befestigten Siedlung. Offenbar stellten Mauern bereits sehr früh
auch einen symbolischen Wert für Stärke und Macht dar. Eine 9,5 km lange,
sieben Meter hohe und durch über 900 eckige und runde Türme versehene
Mauer schützte Uruk. Teile davon sind altbabylonisch, andere dank der plankonvexen Ziegel als frühdynastisch erkennbar (siehe Abb. 146 S. 102). Aus
diesem Grunde wird gemutmaßt, dass Gilgamesch sie gebaut haben könnte.
Der australische Archäologe und Theoretiker Gordon Childe hat zehn
Punkte als Kriterium für eine Stadt zusammengefasst: die Erweiterung der
bewohnten Fläche, die Hierarchisierung der Gesellschaft, die Anwesenheit
von ganztags arbeitenden Spezialisten, das Vorhandensein staatlicher Organisation, Überproduktion und organisierte Landwirtschaft, Handel über
weite Entfernungen, große Architektur, Standardisierung der Kunstideale,
Schrift und Entwicklung der Wissenschaft. Entsprechend dieser Definition
kann Uruk am Ende des 4. Jahrtausends als Stadt bezeichnet werden.
5. Stadtgründung und Stadtplanung
Die Gründung einer Stadt ist im Augenblick des Geschehens oder auch im
Rückblick eine sehr wichtige Tat. Deshalb gibt es weltweit dazu zahlreiche,
oft gewalttätige Geschichten. Im Alten Testament tötete der Ackerbauer Kain
den Hirten Abel, seinen Bruder (Genesis 4,1–8, 17). Kain gründete später
eine Stadt, die er nach seinem Sohn Henoch nannte. Die erste Stadt war
also das Werk einer Untat und zugleich das Ergebnis des Kampfes zwischen
5. Stadtgründung und Stadtplanung
95
Abb. 37 왘
Tell Harmal:
Stadtplan,
altbabylonisch.
einem Nomaden und einem siegreichen – sesshaften – Bauern. Ebenso mit
einem Makel behaftet ist die Gründung Roms: Romulus erschlug Remus
im Streit, weil dieser spottend den entstehenden Mauerring übersprungen
hatte.
In Mesopotamien war die Stadt das Werk der Götter, auch wenn die
Durchführung der Bautätigkeiten dem König oblag. Lediglich der Götterwille sicherte nach ihrer Gründung ihren Fortbestand. In dem „Fluch über
Akkade“ genannten Text1 wird geschildert, wie die Göttin Inanna die Stadt
Akkade baute. Solange sie über die Stadt wachte, gedieh sie. Als sich Inanna
aber von ihr abwandte, versank sie, und selbst der große akkadische König
Naram-Sin blieb machtlos. Die meisten Siedlungen entwickelten sich an
günstigen Lagen. Dennoch gab es einige politisch gewollte Stadtgründungen;
es fällt auf, dass ihre Zahl nach 1500 v. Chr. zunimmt. Dies hängt mit dem
stärker werdenden „Großmachtgehabe“ mehrerer Staaten zusammen. Ägyptische Neugründungen, die in denselben Zeitraum fallen, sind Malqata bei
Theben durch Amenophis III., die politisch-religiös motivierte Gründung
Achet-Atons (heute Tell el-Amarna) durch Amenophis IV./Echnaton und
Piramesse durch Ramses II.
Während in Mesopotamien die Neugründungen des 2. Jahrtausends – etwa Dur-Kurigalzus und Kar-Tukulti-Ninurtas – vor allem durch aufwändige Tempelanlagen auffallen, stechen die neuassyrischen Gründungen des
1. Jahrtausends durch Palastanlagen hervor. Der neuassyrische König Sargon
II. träumte von einer eigenen Residenz. Dafür wählte er einen Ort 16 km
nördlich von Ninive und nannte ihn Dur-Scharrukin, „Sargons Festung“.
Er erzählt, dass es an diesem Ort bereits ein Dorf gab, dessen Einwohner er
mit Silber und Kupfer entschädigte. Denjenigen, die kein Geld von ihm annehmen wollten, schenkte er Felder. Sargon beschränkte sich nicht nur auf
die Errichtung von Mauern, Palästen und Tempeln, sondern ließ große
96
VII. Land, Städte und Städteplanung
Flächen Brachland kultivieren und
ausgedehnte Olivenbaumplantagen
anlegen.
Idealstädtische Planungen im moralischen Sinne wie Platos Staat oder
Thomas Morus’ Utopia fehlten wohl
im Alten Orient. Ebenso wenig gab
es wie im Hellenismus eine Vereinheitlichung des Urbanismus über ein
gesamtes Reich. Streben nach Symmetrie, die möglicherweise einen
Machtanspruch symbolisiert, sowie
regelmäßige Planung als Ordnungsa
faktor fanden aber durchaus statt, wie
die altbabylonische Stadt Schaduppum, der moderne Tell Harmal in Bagdad, zeigt
(Abb. 37). Eine besondere Neugründung bietet
das antike Haradum, eine vor etwa 30 Jahren entdeckte Soldatensiedlung, die von den altbabylonischen Königen als Befestigung der Westgrenze am
Euphrat ausgebaut wurde. Die Gesamtanlage
misst 100 ҂ 100 m. Ein regelmäßiges Straßennetz
teilte die Fläche in quadratische Inseln, in deren
Mitte der Tempel und um ihn herum die größeren
Häuser standen.
Erst seit kurzem versuchen Archäologen, den
Gesamtplan einer Siedlung, also die sakralen und
profanen Areale, Wohn- und Arbeitsgebiete sowie
Straßen und Kanäle zu rekonstruieren. Im Gilgamesch-Epos (I.17–22) lesen wir über Uruk: „Ein
Sar die Stadt, ein Sar die Palmengärten, ein Sar die
Flussniederung.“ Uruk war also dreigeteilt: Ein
Drittel war bewohnt und ein Drittel wurde beackert. Das letzte Drittel diente als Weidefläche für
Tiere oder für Obsthaine und Gärten. Bemerkenswerterweise finden wir diese Einteilung auch auf
der Karte von Nippur eingezeichnet (Abb. 38a, b).
Diese außergewöhnliche Tontafel wurde 1899
durch die Expedition der Universität von Pennsylvanien (Philadelphia) in Nippur gefunden. Der
deutsch-amerikanische Assyriologe Hermann
Hilprecht kaufte die Tafel und vermachte sie 1925
der Universität Jena, wo sie sich noch heute befin-
b
왖 Abb. 38
a: Tontafel mit
dem Stadtplan
von Nippur,
23,5 ҂ 17,5 cm,
um 1300 v. Chr.
b: Umzeichnung
der Tontafel. Die
5. Stadtgründung und Stadtplanung
Hauptgebäude
sind auf der Tafel
mit Beischriften
(akkadisch)
angegeben.
Jena, HilprechtSammlung.
97
Abb. 39 왔
Chafadje: Stadtplan, frühdynastisch bis
altbabylonisch.
det. Die Tafel ist 21 ҂ 18 cm groß. Sie wird um 1300 v. Chr. datiert und stellt
somit den ältesten Stadtplan der Welt dar. Ein Vergleich zwischen den mit akkadischer Beischrift beschriebenen Bauten und Einrichtungen auf der Karte
und den tatsächlichen Ausgrabungen zeigt, dass die Karte nicht nach NordSüd, sondern in einem Winkel von 54º zu dieser Achse orientiert ist. Sie ist
aber korrekt und gibt die Entfernungen richtig wieder.
Im Normalfall gab es ein „Zentrum“ mit Tempel und Palast, das erhöht
sein konnte, sich aber nicht zwangsläufig in der Siedlungsmitte befand. In
Assyrien waren Tempel und Palast eindeutig von den Wohngebieten getrennt, während sich die größeren und reicheren Häuser in Babylonien in
Tempelnähe befanden. Zahlreiche Wohnviertel waren aber auch gemischt.
Soweit sich dies erschließen lässt, lagen die Werkstätten innerhalb der Stadtmauer.
6. Straßen und Plätze
Straßen teilten sich in Haupt- und Nebenstraßen, die gerade oder winkelig
verliefen. Die geraden und regelmäßigen Straßen dienten der Anbindung
wichtiger Gebäude, etwa als Prozessionsstraßen zwischen Haupttempel und
Neujahrsfesthaus. Die winkeligen Straßen waren im Laufe der Wohnbebauung eher zufällig entstanden und oft
nur zwei bis drei Meter breit. Für dieses an unsere mittelalterlichen Städte
erinnernde Straßengewirr liefern Ur
und Tutub (Chafadje) (Abb. 39) zwei
schöne Beispiele. Straßen trugen oft
einen Namen. Juristische Dokumente,
die Grundbesitz lokalisieren, zeigen,
dass sie häufig nach Göttern oder nach
der Herkunft ihrer Bewohner benannt
worden waren. Für die Straßen war keine „Stadtverwaltung“ zuständig. Vorschriften über Anlage und Erhaltung
der öffentlichen Wege gab es nicht. In
Abu Salabikh wurden Schweinezähne
auf den Straßen gefunden. Daraus
schließt man, dass frei herumlaufende
Schweine den Unrat fraßen.
98
VII. Land, Städte und Städteplanung
Öffentlicher Raum fiel bescheiden aus. Gab es ihn, lag er im zentralen
Bereich, nicht aber in Wohnvierteln. Weite Plätze als Handelszentrum waren
in den altorientalischen Städten unbekannt. Produkte aus dem städtischen
Hinterland wurden wahrscheinlich an Toren getauscht oder verkauft.
7. Gärten
Der biblische „Garten Eden“ oder die „Hängenden Gärten von Babylon“ – eines der Sieben Weltwunder – bringen zum Ausdruck, welche Bedeutung das
Grüne im alltäglichen Leben der Altorientalen besaß. Die altorientalischen
Gärten waren nicht alle gleich. Es gab Nutz- und Wirtschaftsgärten, Lustgärten zum Vergnügen und zur Erholung, Landschaftsgärten mit botanischem
Charakter und heilige Gärten. Zur Versorgung der städtischen Bevölkerung
wurden Gemüse und Obststräucher im Schatten großer Bäume gepflanzt.
Assyrische Hauptstädte waren von gartenähnlichen Landschaften umgeben,
wo Sanherib (704–681 v. Chr.) etwa sogar einen Pavillon einrichten ließ. Für
die Wasserzufuhr legte man Kanäle und Aquädukte an. Der am besten erhaltene Aquädukt wurde ebenfalls von Sanherib gebaut und brachte das Wasser
vom 40 km Luftlinie weiter südwestlich gelegenen Jerwan nach Ninive (Abb.
40). Um das Wasser vom Fluss hinauf in den Garten zu befördern, bediente
man sich eines Hebebrunnens, eines sogenannten Schadufs.
Die berühmtesten Gärten des Alten Orients sind zweifellos die Hängenden Gärten von Babylon. Sie gerieten dank der griechischen Überlieferung
nie in Vergessenheit, wenngleich man bis zu den Ausgrabungen von Robert
Koldewey in Babylon nichts Genaues mehr wusste. Der Palast, in dem die Gär-
7. Gärten
왖 Abb. 40
Ninive, Nordpalast: Orthostat
des Königs Assurbanipal, auf dem
ein Aquädukt
zu sehen ist, mit
dessen Hilfe
das Wasser nach
Ninive transportiert wurde.
London, British
Museum.
99
ten vermutet werden, wurde von Nebukadnezar II.
(605–562 v. Chr.) gebaut.
Spätestens von der Achämenidenzeit an wurden Gärten geplant und zeigten ein subtiles Spiel
zwischen Natur, Vegetation und Wasser. In Pasargadae sind die verschiedenen Bauten und die umfangreichen Gärten, die Kanäle und die Becken in
der Planung aufeinander abgestimmt. Die achämenidischen und sasanidischen Könige besaßen
weite Jagdparkanlagen mit einer großen rechteckigen, von einer Lehmmauer umgebenen Grünfläche. Auf Avestisch hießen sie pairi-daeza, auf
Altpersisch paridaida. Dieses Wort, das eigentlich
„umzäunt, ummauert“ bedeutet, wurde zum griechischen paradeisos – unserem „Paradies“.
Abb. 41 왖
Tontafel mit
der Umgebung
von Nuzi,
ca. 7,5 ҂ 6,5 cm,
akkadzeitlich. In
der Mitte ist der
Fluss Rahium
mit seinen drei
Nebenarmen zu
sehen; Gebirge
sind schuppenförmig dargestellt. Cambridge/Mass.
8. Landkarten
Der „Stadtplan“ von Nippur wurde oben erwähnt (Abb. 38 a, b). Aus dem
Alten Orient sind zwölf Landkarten, darunter fünf Stadtpläne bekannt. Allgemein dienten sie der Anfertigung von Katastern, um Eigentumsverhältnisse sicherzustellten. Die besterhaltene und zugleich älteste Karte stellt die
Umgebung von Nuzi dar und geht auf etwa 2250 v. Chr. zurück (Abb. 41).
Schuppen geben zwei Gebirgszüge wieder, Wellen den Hauptfluss und drei
Nebenflüsse, sowie Kreise die Felder.
9. Zerstörung von Städten
Unzählige Städte sind im Laufe ihrer Geschichte untergegangen. Doch ist
bei einigen die Zerstörung zugleich ein Symbol für das verdiente oder unverdiente Ende einer Kultur. Die Geschichte des trojanischen Pferdes gilt
in der europäischen Kultur als Symbol für die List der Griechen. So galt die
Zerstörung des akkadischen Reichs im 21. Jahrhundert durch das Bergvolk
der Gutäer als göttliche Bestrafung Naram-Sins. Viele Städte erlitten irgendwann eine Zerstörung, etwa Babylon am Ende der altbabylonischen Zeit oder
Ninive 612 v. Chr. Babylon erlebte jedoch eine weitere, 700 Jahre anhaltende
Blütezeit, Ninive hingegen blieb dünn besiedelt. Die meisten Städte wurden
nach und nach aufgegeben, weil ihre Existenzgrundlage verschwunden war.
1 S. unter Kapitel VI. Sallaberger – Westenholz (1999), 23 Anm. 31.
100
VII. Land, Städte und Städteplanung
VIII.
Architektur
1. Bauen
Bauen war ein vielfältiger öffentlicher oder privater Vorgang, verbunden mit materiellem und geistigem Aufwand. Gleichgültig,
ob das zu bauende Gebäude ein Tempel, ein Palast oder ein Haus
war, seine Errichtung erforderte die Einhaltung zahlreicher Vorschriften. Es wurden Omina eingeholt, um die Stelle des zukünftigen Tempels und den günstigsten Zeitpunkt zu ermitteln – oder
im Traum teilte ein Gott dem Bauherren mit, dass er nun einen
Tempel bauen könne oder solle. Baurituale wurden vorgelesen.
Dabei spielte der mesopotamische Ziegelgott Kulla die zentrale
Rolle. Zum symbolischen Schutz legte man vom 5. Jahrtausend an
bei der Anlage des Fundaments beschriftete Tafeln oder Figuren als
Gründungsbeigaben bei (Abb. 42). Von etwa 2600 bis 1900 v. Chr.
hatten diese Beigaben oft die Form eines in einem Nagel endenden
göttlichen oder königlichen Oberkörpers. Die Nägel veranschaulichten die symbolische Verankerung des Gebäudes in festem
Boden. Damit das Bauwerk weiterhin von den Göttern beschützt
blieb, wurde es gleichsam „getauft“ und bekam einen Namen. So
können wir heute den Tempelbestand einer Stadt wie Babylon zwar
nicht archäologisch, aber doch über Texte rekonstruieren. Nach
dem rituellen Baubeginn waren wichtige Stationen für den Tempel
das Einsetzen des Kultbildes und des Priesters. Dabei scheint die
Orientierung eine große Rolle gespielt zu haben: Tempel lagen oft
in einer Achse, etwa auf dem Sonnenverlauf der Sonnen- oder
Winterwende1.
왖 Abb. 42
Tello: Gründungsnagel mit knieendem Gott. Urbau,
Gudeas Vater.
Kupfer, um 2110
v. Chr. Paris,
Louvre.
1. Bauen
101
2. Baumaterial
Das Baumaterial Mesopotamiens ist der Lehm. Seine einfachste Art ist
Stampflehm. Sehr früh jedoch wurde Lehm zu Ziegeln verarbeitet. Handgeformte Ziegel tauchen im 9. Jahrtausend auf, in einem Model hergestellte
vielleicht zwischen 7500 und 7000 v. Chr. (siehe S. 55). Sicherlich modelgeformt sind in Mesopotamien die Ziegel in Tell es-Sawwan, Schicht I–II
(6200–6000 v. Chr.). Von diesem Zeitpunkt an können Ziegel unterschiedliche, länglichere oder flacherere Formen annehmen. In Tell es-Sawwan I–II
sind sie mit 59–70 cm Länge, 21–30 cm Breite und 6–8 cm Höhe immer noch
sehr groß. Typisch für die Uruk IV-II-Schichten ist das Riemchen, dessen
Schnitt quadratisch ist. Obwohl diese Form schon bei den ältesten Ziegeln
auftaucht, wird der „plankonvexe“ Ziegel in der frühdynastischen Zeit standardisiert und zu ihrem regelrechten Wahrzeichen (Abb. 14b). Eine Seite
dieser kleinen, fischgrätenförmig gelegten Ziegel ist gerade, die andere plankonvex. Ihr Maß beträgt 13 ҂ 19 cm, größere messen 22 ҂ 31 cm. Im 1. Jahrtausend wurden ziemlich große Flachziegel von etwa 40 ҂ 40 cm benutzt
(Abb. 14e).
Die meisten Bauten bestehen aus ungebrannten Lehmziegeln. Gebrannt
wurden sie nur für außergewöhnliche Bauten, wie etwa für die Grüfte der
Könige der Ur III-Dynastie in Ur oder für die Außenschale von Stufentürmen. Des weiteren mussten gebrannte Ziegel an Stellen verlegt werden,
die entweder der Witterung und dem Durchzug zahlreicher Menschen
ausgesetzt waren – dies gilt für Bodenplatten in Höfen oder für Schwellen –
oder die mit Wasser in Berührung standen, etwa in Bädern oder im Mauerverband um Kanalisationen. Die Ziegel wurden durch Lehmmörtel zusammengehalten. Dann wurden die Wände mit Lehm oder sehr häufig mit
Kalk verputzt.
Da Stein in der Levante und in Anatolien vorhanden ist, lieferte er ein beliebtes Baumaterial. Die Grenze zwischen Lehm- und Steinarchitektur verläuft am Euphrat. Holz brauchte man nur für Türen und das Dach, das aus
lehm- und strohbedeckten Holzbalken bestand. In einer Architektur ohne
Säulen und Pfeiler konnte die Raumbreite die Höhe der größten Bäume, aus
denen die Dachbalken hergestellt wurden, nicht überschreiten. In den neuassyrischen Palästen erreicht mit libanesischen Zedern die maximale Raumbreite etwas über zwölf Meter.
Eine weitere Besonderheit im Alten Orient ist die statische Sicherung
der Mauern oder der Ziegelverbände. Schon Ende des 3. Jahrtausends wurde der Stufenturm in Uruk mit Strohmattenschichten gegen Erdbeben stabilisiert.
102
VIII. Architektur
3. Sakral contra profan
Grundsätzlich gab es eine sakrale und eine profane Raumqualität. Sakral
waren Tempel und Kapellen, aber auch Quellen, Steine oder Bergkuppen,
die von keiner Architektur begleitet waren und die man heute nur über
schriftliche Quellen ermitteln kann. Sakraler Boden wurde zunächst durch
kultische Handlungen eingegrenzt und in einem zweiten Schritt durch einen
Temenos „abgeschnitten“. Die Abgrenzung erfolgte meist durch eine Mauer,
die den Tempel symbolisch vor dem Unreinen und dem Bösen der irdischen
Welt schützte. Profan waren Paläste und Wohnräume, aber auch Wehrarchitektur, Verwaltungsbauten, Speicher, Aquädukte, Brücken, Kanäle oder Staudämme.
Wie erkennt man ein sakrales Gebäude? Es kann ungekennzeichnet
sein und lediglich vom kollektiven Bewusstsein wahrgenommen werden.
Das Gebäude kann aber auch in einem abgegrenzten Gebiet liegen, groß
sein und eine architektonisch unerhebliche Mauerdicke, eine typische Raumabfolge und Einbauten wie Postamente, Bänke oder Opferstätten besitzen.
Altorientalische profane und sakrale Architektur auseinanderzuhalten ist
dennoch nicht immer leicht. Paläste heben sich wiederum durch ihre Größe,
eine Kapelle oder Funde von Häusern ab. Die Grenze zwischen einem Palast
und dem stattlichen Haus einer wichtigen Familie ist aber fließend.
Auch innerhalb eines Gebäudes versucht man die Funktion der einzelnen
Räume zu bestimmen. Zu ihrer Erfassung helfen Raumlage, Einbauten und
Funde. Dennoch ist es allzu oft unmöglich. Zum einen besaßen Räume je
nach Jahreszeit, Aktivität oder Familienzusammensetzung mehrere Funktionen, zum anderen waren sie nicht selten fundleer.
Grundrisse lassen sich typologisch2, als Raumfunktion, bautechnisch
oder als Kulturphänomen eines bestimmten Gesellschaftstyps3 betrachten.
4. Mittelsaalhaus
Die ältesten Häuser des Kernlands Mesopotamien befinden sich dem jetzigen Kenntnisstand nach in Tell el-Uweili. Sie sind dreigeteilt und werden deswegen als Mittelsaalhäuser bezeichnet. Bauten desselben Grundrisses, die ein
halbes Jahrhundert zuvor in Uruk freigelegt worden waren, beeindruckten
ihrer Größe, ihrer symmetrischen Gliederung und ihrer Nischengliederung
wegen derart, dass sie zunächst für Tempel gehalten wurden. Die Forschung
der letzten zwei Jahrzehnte hat den Zweck dieser Bauten korrigiert. Zwar erlaubt ihre Stellung in Uruk keine Deutung als einfaches Wohnhaus. Diese
Prachtbauten werden jedoch heute als religiöse, aber auch als politische und
wirtschaftliche Kommunalgebäude angesehen. Obwohl der dreigeteilte
Grundriss nach der Urukzeit nicht völlig verschwunden ist, hat er nie mehr
4. Mittelsaalhaus
103
den Leitfaden gebildet, den er in der Frühzeit darstellte. Gründe für seine Entwicklung und seine langzeitige Übernahme wie auch für sein Verschwinden
zu finden, ist schwierig. Vielleicht machten ihn neue Strukturen in Wirtschaft, Politik und Familie obsolet.
5. Tempel: Allgemein
Abb. 43 왔
Grundtypen der
Tempelgrundrisse.
104
Tempelarchitektur ist eine Antwort auf Gottesvorstellungen und kultische
Abläufe. Die Gotteshäuser der monotheistischen Religionen bestehen aus
festgelegten Bauteilen und Einrichtungsgegenständen. Der chalkolithische
Mittelsaalgrundriss ist schon deswegen polyvalent, weil das Sakrale und das
Profane ungetrennt waren. Eine vorrangige religiöse Funktion von Bauten,
die wir als Tempel bezeichnen, können wir erst zu Beginn des 3. Jahrtausends
feststellen.
Von der frühdynastischen Zeit an besitzen die Tempel einen Hof, eine
Vorcella und eine Cella. Höfe waren geräumig, mit einer Wasserquelle und
häufig mit Podesten oder Bänken versehen. Der Hof war die zentrale Lichtquelle, Öffnungen an den Außenwänden gab es nicht, um sich gegen Staub
und Hitze zu schützen. Für Bauten ohne Hof wird gemutmaßt, dass der
zentrale Raum ein erhöhtes Dach besaß, dessen Tragmauern durchbrochen
waren.
Trotz miserablen archäologischen Befunds ist anzunehmen, dass sämtliche Tempel ein Tor besaßen, um das Tempelareal zu versperren. Dazu
waren Tempel zu heilig und zu reich. Die Cella besaß kein Fenster, ihr
Inneres war also kühl und dunkel. Auch sie konnte mit einer Tür verschlossen werden.
Im deutschsprachigen Gebrauch orientiert sich die Benennung der
Grundtypen am Verhältnis von Tempeleingang und Platzierung des Allerheiligsten oder des „Altars“ (Abb. 43). Bei dem Knickachstempel befindet sich
der Eingang an einer Längsseite und das Allerheiligste an der entferntesten
Schmalseite. Die Knickachse entsteht dadurch, dass sich der Besucher nach
dem Eingang zum „Altar“ wenden muss. Dieser Typ entstand zu Beginn
des 3. Jahrtausends im Diyala-Gebiet. Typisch für den sumerischen Süden ab
der Ur III-Zeit (2100 v. Chr.) ist der Breitraum. Der Eingang befindet sich
an einer Längsseite, unmittelbar davor der „Altar“. Schließlich gibt es im Norden den Langraum, dessen ältestes Beispiel dem heutigen Kenntnissstand
nach aus dem ostsyrischen Tell Leilan des 18. Jahrhunderts v. Chr. stammt.
Der Eingang liegt an einer Schmalseite und an der entgegengesetzten Schmalseite der „Altar“. Die Entfernung zwischen Eingang und „Altar“ beträgt demnach die gesamte Tempellänge.
Innen scheint es einen besonderen Schmuck nur selten gegeben zu haben. Ein Orthostatenrelief mit der Darstellung eines geflügelten Genius im
VIII. Architektur
왗 Abb. 44
Uruk: Karaindasch-Tempel,
H. der Figuren
ca. 1,65 m,
15. Jh. v. Chr.,
Fassadenschmuck
mit wasserspendenden Gottheiten. Berlin, VAM.
Eingang des Ninurta-Tempels in Nimrud bildet eine Ausnahme. Tempelspezifisch waren Einbauten wie Postamente und Inventar wie Räucherständer.
Votivgaben, der materialisierte Ausdruck einer Beziehung zwischen zwischen Dedikant und Gottheit, waren äußerst vielgestaltig und reichten von
einfachen Objekten zu aufwändigen Weihstatuetten aus Gold. Außendekor
bestand in der Urukzeit in der Nischengliederung der gesamten Tempelwände, danach nur noch der Eingänge (Abb. 14d). Im 2. Jahrtausend und auf die
Fassade beschränkt gab es torsadierte Halbsäulen (Abb. 14c) (siehe unten)
und ausnahmsweise figürlichen Schmuck, der Gottheiten darstellte. Sie
waren in Ziegel geformt wie in Uruks Karaindasch-Tempel (Abb. 44) oder
kleine Steinplatten wie in Tell Rimah.
Der altorientalische Tempel bestand aus viel mehr Räumen als den bisher
erwähnten. Um den Hof reihten sich Räume, wo die unterschiedlichsten
Funde gemacht wurden. Von der Verwahrung wichtiger Dokumente und
Texte bis zur Herstellung und Speicherung von Nahrungsmitteln gab es
im Tempelareal alles.
Eine Unterscheidung der Tempel je nach Gottheit gab es nicht. Man erkannte die Schutzgottheit nur an beschrifteten Objekten oder an den Weihgaben.
Neben den Tempeln standen kleine Heiligtümer an den Straßen, in Privathäusern oder in Palästen.
5. Tempel: Allgemein
105
Exkurs: Architektur in Uruks Schichten VI–IV
Über die Ursprünge von Uruk wissen
wir nichts. Vielleicht wuchsen ursprünglich zwei Dörfer, Kullaba und Eanna,
zusammen. Die auf einer Fläche von
etwa 600 m ҂ 300 m verteilten Bauten
in diesen zwei Vierteln bilden eines der
großartigsten Gebäudeensembles des
antiken Mesopotamien (Abb. 45).
Neben den spätobeidzeitlichen Tempeln
entstand, in dem Viertel Kullaba, auf
Terrassen, die später die Anu-Ziqqurrat
bilden werden, der wegen seiner weiß
getünchten Wände sogenannte „Weiße
Tempel“ (Abb. 45). Er misst 18 m ҂ 22 m
(396 m2). Das halbunterirdisch angelegte
Steingebäude liegt am Fuß der Terrassen
und wurde im Laufe der Zeit durch neue
Terrassen überdeckt. Es besteht aus Kalkstein und ist 27 m ҂ 32 m groß. Auffällig
ist der labyrinthartige Grundriss mit einer
Außenmauer von 2 m – 2,60 m Dicke und
einer 5 m ҂ 10 m großen Mittelkammer.
Alle Wände waren sorgfältig verputzt,
die Kammer ausgenommen, in deren
Mitte sich ein 4,40 m langes und 3,10 m –
3,20 m tiefes Postament befindet. Kenotaph und Tempel mit überirdischem
Aufbau sind nur zwei Vorschläge für
die bislang ungeklärte Funktion dieses
Gebäudes.
Das Eanna-Viertel ist dicht bebaut. Einen
Ursprung in den ältesten Schichten von
Eanna (Uruk VI-V4) haben das Steinstiftgebäude (früher „Steinstifttempel“ oder
„Mosaiktempel“), das Kalksteingebäude
sowie die Bauten C, F, G und H, sämtlich
dreigeteilt. Das Steinstiftgebäude ist
27 m ҂ 36 m groß. Das Baumaterial Stein
sowie die mit Steinstiften (siehe unten)
verzierte Außenwand und die genischte
Umfassungsmauer verweisen auf Reichtum. Das Kalksteingebäude fällt ebenso wegen des Baumaterials Kalkstein
und wegen seines Maßes von etwa 75 m
҂ 30 m auf (2250 m2). Der Bau C war
etwa 54 m ҂ 22 m groß (ca. 1200 m2)
und durch einen quergelegten Kopfbau
charakterisiert, der dem Bau eine T-Form
verlieh.
Zu den älteren Phasen der Schicht Uruk
IV gehören die zahlreichen Bauten B, D,
106
VIII. Architektur
K, J, N und das aus Riemchen über dem
Steinstiftgebäude gebaute „Riemchengebäude“. Am Ende von Uruk IVa wurden
die Bauten in Eanna eingeebnet und die
wertvollen Gegenstände im Riemchengebäude gesammelt. Daher war die
Fundbeute reichhaltig: Steinvasen, Silexwaffen und –utensilien, Metall- und
Muschelobjekte, Intarsienreste und
„Pfosten“. Der sehr zerstörte Bau D
könnte etwa 50 m ҂ 60 m gemessen
haben5.
Die Längswände tragen zwei 6,45 m ҂
5 m große Nischen mit ebenfalls gegliederten Wänden. Zwischen ihnen liegen
kleinere Nischen. Als Heinrich Lenzen
„den Bau mit vier Sälen“ ausgrub, nannte
er diesen Bau zunächst „Tempel E“, später
„Empfangssaal“. Der stark rekonstruierte
und völlig symmetrische Bau ist etwa
50 m ҂ 50 m (2500 m2) groß. Sowohl die
Außenecken wie auch die Ecken des
900 m2 großen Hofes sind in wahrhaftig
barocker Manier geschnitten. In den
Außenwänden sitzen sechsfach abgetreppte, etwa zwei Meter tiefe Nischen.
Diesen einfach durch die Setzung von
Lehmziegeln erlangten Formenreichtum wird es in der altorientalischen
Architektur nach der Urukzeit nie wieder
geben.
Zur jüngeren Uruk IV-Schicht gehören
die Rundpfeilerhalle, die Pfeilerhalle
und der Hallenbau. Stiftmosaikverzierung charakterisiert diese Bauten, wie
auch schon das Steinstiftgebäude. Die
Stifte oder Nägel sind in der Regel aus
Ton, selten auch aus Stein hergestellt.
Sie werden in Lehm oder Gipsmörtel eingetieft und mit ihren roten, weißen
oder schwarzen Köpfen zu geometrischen Motiven angeordnet. Der Stiftdekor der zwölf genischten Pfeiler der
Pfeilerhalle gab Anlass, diese Halle als
Begegnungsort zweier Chöre und als
Kalenderhaus zu interpretieren. Ganz in
dieser Technik verzierte Bauten fanden
sich nur in Uruk. Stifte wurden aber in
Syrien und in Anatolien gefunden, im
Vergleich zu Uruk allerdings in geringen
Mengen.
6. Tempelgrundrisse in der Geschichte
In Eridu, Tell Uqair oder Tepe Gaura Schicht VIII finden wir späturukzeitliche vergleichbare dreigeteilte Bauten. Diese Tradition der Dreiteiligkeit
lebte in den frühen Schichten I–X von Chafadjes Sin-Tempel (Abb. 46). Allerdings machten diese Tempel kaum ein zwanzigstel der Uruk-Bauten aus,
waren Knickachstempel und besaßen erstmals einen Hof.
Vielfalt charakterisierte die frühdynastische Zeit. Der Inanna-Tempel
von Nippur bestand aus einer Abfolge langer und schmaler Höfe und Räume
mit einem Doppeltempel. In der frühdynastischen II-zeitlichen Phase waren
왖 Abb. 45
Uruk: EannaViertel im 4. Jt.
v. Chr.
왗 Abb. 46
Chafadje:
Sin-Tempel,
ca. 32 ҂ 18–25 m,
frühdynastische
I-Zeit.
6. Tempelgrundrisse in der Geschichte
107
der Abu Tempel in Tell Asmar (Square Tempel III-I) und der Schara-Tempel
in Tell Agrab ein Hofhaustempel mit bis zu drei Knickachs-Cellen. Assurs
Ischtar-Tempel H (frühdynastisch III) bot bereits die typisch assyrische
Längsachse.
Zahlreiche Tempel der späten frühdynastischen Zeit standen über einer
bisweilen ovalen Terrasse. Solche Tempelterrassen fanden sich in Chafadje
(„Temple Oval“), in Lagasch, dem modernen Al-Hibba (Ibgal-Tempel der
Inanna) und in Tell el-Obeid, wo der Tempel der Ninhursag sehr reich mit
Tieren aus getriebenem Kupfer, Steinvögeln, Einlagefriesen von schreitenden
Stieren und Melkszenen, Nägeln mit blumenförmigem Kopf und Mosaiksäulen dekoriert war.
Während akkadzeitliche Architektur kaum bezeugt ist, können wir feststellen, dass die Ur III-zeitliche Architektur wieder regelmäßige Grundrisse
bietet. Der besterhaltene Plan stammt aus der Hauptstadt Ur. Wichtigster
Bau ist die neue von Urnammu erfundene Bauform der Ziqqurrat. Südlich
davon verteilen sich mehrere Bauten, darunter das annähernd quadratische,
79 m ҂ 76,50 m große giparu oder „Priesterinnenkloster“. Im südlichen Teil
befindet sich ein Kultraum mit Vorcella, Hof (C7) und Vorhof (C3). Hier
taucht erstmals der Breitraum auf. Andere Bauten sind das Ganunmah,
zunächst Verwaltungszentrum für Tempelwirtschaft mit Magazinen, dann
von der altbabylonischen Zeit an Schatzhaus, und der Kisalguen, möglicherweise ein Königspalast. Diese Gesamtanlage wird mit kleinen Verschiebungen bis zur neubabylonischen Zeit bestehen.
Altbabylonischzeitliche Bauten befanden sich in zahlreichen Städten.
Bemerkenswert ist der streng symmetrische, etwa 100 m ҂ 65 m große Inanna-Kititum-Tempel im Neribtum, dem modernen Ischcali (Abb. 47). Die
Abb. 47 왘
Neribtum:
Inanna-KititumTempel,
ca. 107 ҂ 70 m,
altbabylonisch.
108
VIII. Architektur
Tempelanlage bestand aus zwei Breiträumen
und einer dritten Cella, vielleicht ein Langraum. Sämtliche wichtige Toreingänge besaßen
gestufte Torlaibungen und die Türme waren
mit abgetreppten Nischen geschmückt. Der
Enki-Tempel in Ur fiel durch den mit einem
Gang getrennten Cellabereich auf.
In der zu diesem Zeitpunkt unabhängigen Stadt
Eschnunna, dem modernen Tell Asmar, baute der
König Naram-Sin ein erstaunliches Gebäude, das
seine Ausgräber in den 1920ern „Audienzhalle“
nannten. Es kombinierte sakrale Merkmale wie
die Gliederung seiner Außenfassaden mit der profanen Architektur von Hof und Räumen.
Typisch für die altbabylonische Zeit waren Tempeleingänge bewachende Löwen
(Abb. 48). Meist aus Ton sollten sie dem
herannahenden Besucher Angst einflößen. Maris
Tempeleingang bewachten zwei Metalllöwen von innen.
Im altassyrischen Assyrien war der Hauptort Assur. Der wahrscheinlich
in der frühdynastischen III-Zeit gegründete Assur-Tempel wurde in der
Zeit Schamschi-Adads neu errichtet. Der Tempel war 108 m ҂ 54 m groß
und besaß einen Hof, eine Vorcella und eine Knickachscella. Der völlig
symmetrische Doppeltempel für Sin und Schamasch – möglicherweise von
Assur-nirari I. (1533–1508) gebaut – zeigte einen Mittelhof mit quergelegten
Vorcellae und Langraum-Cellae. In Tell Rimah, dem antiken Qatara, gliederten Türme, Vorsprünge, Nischen und Stabwerk verschiedener Formen die
Außen- und Hofwände des auf Schamschi-Adad zurückgehenden Tempels
(Abb. 49, 14c). Dazu kamen Halbsäulen, deren keilförmige und auf der
Außenseite abgerundete Ziegel zu Torsaden gelegt waren, sowie weitere Halbsäulen, deren Lehmüberzug mit dem Palmenstämme nachahmenden Schup-
6. Tempelgrundrisse in der Geschichte
왗 Abb. 48
Tell Harmal:
Sitzender Löwe,
18. Jh. v. Chr.
Bagdad, Iraq
Museum.
왔 Abb. 49
Tell Rimah:
Tempelfassade
mit Halbsäulen,
Zeit SchamschiAdads (1808–
1776 v. Chr.).
109
Abb. 50 왘
Babylon in der
spätbabylonischen Zeit.
penmuster versehen war. Diese vor allem im Norden verbreitete Verzierung
findet sich in Assur und in Tell Leilan, aber auch an der sogenannten Bastion des Warad-Sin an der Ziqqurrat in Ur.
Die kassitische Architektur zeichnete sich zumindest in der Hauptstadt
Aqr Quf durch ihre Größe aus. Die ausgegrabenen Überreste des Tempels
an der Ziqqurrat nahmen über 100 m ein. Der König Karaindasch hinterließ
in Uruk einen ungewöhnlichen Langraum-Tempel, dessen Außenfassade
zudem mit aus Backsteinen zusammengesetzten Göttern und Göttinnen
geschmückt war (Abb. 44).
Die Aramäer errichteten prächtige Paläste aber schlichte Tempel wie die
Langräume in Tell Halaf oder die syrischen Antentempel in Karkemisch und
Tell Tainat.
Obwohl Tempel in der neuassyrischen Zeit eine außerordentlich wichtige religiös-politische Rolle spielten, konzentrierte sich die Anstrengung
der Bauherren auf die Paläste. In Assur blieb das außergewöhnliche bīt akīti
erhalten, das Festhaus, wo die Götterbilder während des Neujahrfestes gelagert wurden. Sanheribs Umbau mit dem portikusgesäumten Hof, an dem
sich eine Cella befindet, mutet unassyrisch an.
110
VIII. Architektur
Was wir aus Babylon kennen, stammt vor allem aus der Zeit der drei wichtigen spätbabylonischen Könige Nabopolassar, Nebukadnezar II. und Nabonid (Abb. 50). Große Tempel säumten Babylon, in dessen Mitte die
Ziqqurrat und der dazu gehörige Marduk-Tempel standen. Das Ischtar-Tor
befand sich auf der Neujahrsprozessionsstraße zwischen dem Marduk-Tempel und dem bīt akīti außerhalb der Mauern. Das Tor bestand in einer ersten
Phase aus unglasierten reliefierten Ziegeln mit Schlangendrachen, einer zweiten Phase aus flachen glasierten Ziegeln und einer dritten aus reliefierten und
glasierten mit Stieren und Löwendrachen dekorierten Ziegeln. Diese dritte
Phase wurde, wie auch ein Teil der Prozessionsstraße, im Vorderasiatischen
Museum zu Berlin rekonstruiert (Abb. 33).
7. Ziqqurrat
Stufentürme werden akkadisch als Ziqqurratu bezeichnet. Das Wort ist vom
Verb zaqāru „herausragend sein, hochbauen“ abgeleitet.
Urnammu ist der „Erfinder“ der Ziqqurrat, die er sehr wahrscheinlich aus
den seit der Obeidzeit vielerorts vorhandenen Hochterrassen entwickelte.
Diese entstanden wiederum um möglicherweise die wichtigen Bauten vor
Überflutungen zu schützen, aber Vorstellungen der Gottesnähe könnten
ebenfalls mitgespielt haben. Während der Ur III-Zeit wurden in sämtlichen
wichtigen Städten Hochterrassen zu Ziqqurraten umgebaut oder solche in
Uruk, Eridu, Nippur oder Adab errichtet. Meist unterlag aber diese Bauphase in der neubabylonischen Zeit starken Änderungen.
Der sumerische Ziqqurrat-Prototyp stand in Ur (Abb. 51). Die unterste
Stufe war 62,40 m ҂ 43 m groß und ist auf 11 Meter Höhe erhalten. Zwei an
왗 Abb. 51
Ur: Ziqqurrat,
Versuch einer
Rekonstruktion.
7. Ziqqurrat
111
Abb. 52 왔
Borsippa: Blick
auf die nordwestliche Seite
des Turms.
112
der Ostseite und parallel dazu angelegte Treppen führten zur zweiten Stufe.
Eine weitere, im Verhältnis zu den zwei Treppen mittig und in einem Winkel von 90° angelegte Treppe besaß ebenfalls einen Absatz auf der ersten
Stufe. Die Zahl der Etagen wird auf zwei oder drei geschätzt. Auf der obersten befand sich wohl ein Heiligtum. Ziqqurrate waren von Höfen und weiteren Bauten umgeben. Für die Ur III-Zeit ist eine Begrenzung mit Temenos in
Ur nicht ganz sicher. Der im 14. Jahrhundert erbaute Stufenturm in Aqr Quf
war mit seiner Grundfläche von 67,60 m zu 69,00 m. und seiner Höhe von
33 m für die unterste Stufe außergewöhnlich groß.
Noch weitläufiger war der berühmte, möglicherweise aus altbabylonischen Terrassen entstandene spätbabylonische „Turm von Babel“. In einer
Nachgrabung 1962 wurden die Ziqqurrat-Seitenlänge von 91,53 m – sie
entsprachen 180 Ellen – und das Steigungsverhältnis der Treppenwangen
festgelegt. Daraus ergab sich eine Gesamthöhe, die genau der Seitenlänge
entsprach und die in sechs nach oben kleiner werdende Stufen unterteilt
werden kann. Auf der höchsten Stufe lag ein Tempel. Alexander der Große
ließ die Ziegel der damals baufälligen Ziqqurrat abtragen und damit ein
Theater in Babylon fundamentieren.
20 km südlich von Babylon, in Borsippa, dem modernen Birs Nimrud,
befindet sich eine weitere zeitgleiche Ziqqurrat (Abb. 52). Diese besser
erhaltene Ruine hielt man bis etwa 1850 für den biblischen „Turm von
Babylon“.
In Assyrien liegt die besterhaltene Ziqqurrat gegenüber von Assur auf
dem anderen Tigris-Ufer in Kar-Tukulti-Ninurta, einer Stadt, die TukultiNinurta I. neu errichtete. Größter Unterschied zu Babylonien war die enge
Verbindung zwischen Ziqqurrat und Tempel, die ihren Ausdruck in der in
VIII. Architektur
왗 Abb. 53
Mari: Palast in
der letzten Phase
vor seiner Zerstörung durch
Hammurapi.
die Ziqqurrat eingetiefte Hauptkultnische hatte. Eine Außentreppe fehlte,
der Zugang zum Turm verlief somit über das Tempeldach.
8. Paläste
Paläste waren vielfältige Institutionen, die nicht nur als Königresidenz, sondern auch als politische Zentrale einer „Regierung“, als Verwaltung und als
Produktions- und Arbeitsstätte zahlreicher Menschen dienten. Der heute am
besten erhaltene Palast steht in Mari (Abb. 53). Seine erste Bauphase reicht
auf etwa 2500 v. Chr. zurück, die jüngste zerstörte Hammurapi. In dieser letzten Phase maß der Palast etwa 130 m ҂ 180 m und bestand aus mindestens
300 Räumen. Architektur und Funde erlaubten es dort, zahlreiche Funktionsbereiche zu bestimmen. Ein gut ausgestatteter Palast besaß einen öffentlichen
und einen privaten Bereich. Privat waren die königlichen Gemächer, die
komfortabel mit Bad und Toilette ausgerüstete und bisweilen im ersten Stockwerk liegende Wohnungen umfassten.
Im Mittelpunkt des politischen Lebens standen der Thronraum oder die
Thronraumsuite. Dem sakralen Bereich gehörten eine oder mehrere Kapel-
8. Paläste
113
len an. Oft in Syrien, aber ausnahmsweise auch in Mesopotamien wurden
Könige in ihren Palästen bestattet. Unter den Räumen des häufig umgebauten „Alten Palastes“ in Assur lagen die Grüfte einiger assyrischer Könige.
Der Verwaltung und dem Hofstab standen „Arbeitsstuben“ zur Verfügung. Tontafeln wurden in Archiven aufbewahrt. Zahlreiche im Palast
benötigte Objekte wurden auch dort hergestellt. So zählten zu den täglichen
Besuchern Schreiber, Intendanten, Wächter, Eunuchen, Opferschaupriester,
Dolmetscher, Handwerker, Tänzerinnen oder Sänger und Sängerinnen. Für
ihre Ernährung sorgten Köche, Bäcker und Gehilfen. Küchen und an ihrem
langen und schmalen Grundriss erkennbare Speicherräume fanden sich in
jedem Palast.
Genauso wenig, wie wir vor der frühdynastischen Zeit den Tempel festmachen können, so gilt als ältester Bau, der vorrangig eine palatiale Funktion einnahm, das Djemdet Nasrzeitliche, auf einer Terrasse liegende Gebäude in Djemdet Nasr. Die auf etwa 45 m ҂ 105 m erhaltene Fläche mit
Raumketten und zwei größeren Räumen erlaubt wegen des schlechten Erhaltungszustandes keinen schlüssigen Grundriss. Aus der frühdynastischen
Zeit stammen mehrere Bauten in Eridu, Tell el-Wilayah, Uruk und Mari, die
als Palast gedeutet werden. Eine prachtvolle, frühdynastisch IIIA-zeitliche
Doppelanlage wurde auf dem Mound A des Tell Ingharra, dem antiken Hursagkalama, freigelegt. Der Palast A besteht aus zwei Teilen. Den Kern des
nördlichen Teils bildet ein Hof, an dessen Ostseite sich mehrere Räume
anschließen. Auffällig ist die fünf Meter dicke Umfassungsmauer. Im etwas
jüngeren südlichen Anbau war wohl der lange Raum, dessen Decke von vier
Pfeilern getragen wurde, der wichtigste.
Seit Jahrzehnten beschäftigt sich die Wissenschaft mit dem „Urplan“ des
bis zur neuassyrischen Zeit umgebauten „Alten Palastes“ in Assur. Der Vergleich mit dem sicher in die Akkadzeit datierten Palast im ostsyrischen Tell
Brak verleitete für den quadratischen Bau in Assur zu einer akkadzeitlichen
Entstehungszeit. Ein Eingangsbereich führte zum Haupthof in der Mitte.
Darum verteilten sich Repräsentations- und Verwaltungräume, Privatgemächer, Küche und Magazine. Die Kontroverse über Räume, die als Höfe oder
als überdachte Räume angesehen werden oder über das Vorhandensein
eines ersten Stockwerks, illustriert die Interpretationsschwierigkeiten
schlecht erhaltener Grundrisse.
Für die altbabylonische Zeit soll der Palast genannt werden, den Sinkaschid, König in Uruk, bauen ließ. Das Gebäude ist etwa 102 m ҂ 145 m.
groß. Auffällig sind die bis zu acht Meter dicken Außermauern und der Raum
28 mit sechs Pfeilern, der, je nach Auffassung, ein Atrium oder bedeckt
war. Obwohl der Königspalast in Dur-Kurigalzu, dem modernen Aqr Quf,
unzureichend erhalten ist, zeichnet er sich durch eine bis dato unerreichte
Ausdehnung von mindestens 200 m ҂ 360 m aus.
114
VIII. Architektur
Exkurs: Neuassyrische Paläste
Die neuassyrischen Paläste gehören zu
den bekanntesten altorientalischen Bauten. Dazu haben ihre frühe Freilegung,
die schönen Orthostaten und die Aufbewahrung vieler im leicht zugänglichen
British Museum beigetragen. Die Paläste
waren „Gesamtkunstwerke“, insofern sie
als Bauteile und Baudekoration aufeinander abgestimmt konzipiert und ausgeführt wurden. An den Wänden befanden
sich farbige Steinorthostaten und darüber Wandmalereien, an den Durchgängen riesige Torhüterfiguren, Türschwellen aus Stein und Holztüren mit Bronzebeschlägen und auf dem Boden, vor
allem im Winter, Teppiche.
Einen Palast zu errichten war eine Prestigeangelegenheit, die sich jeder neuassyrische König zu leisten versuchte. In
Nimrud, dem antiken Kalchu, baute
Assurnasirpal II. den „Nordwestpalast“
(Abb. 54), der nach etwa 15 Jahren Bauzeit eingeweiht wurde, und Tiglatpilesar
III. den „Zenralpalast“. Sargon leitete 713
die Bauarbeiten für seine neue Hauptstadt in Khorsabad ein. Als er acht Jahre
später 705 starb, war noch nicht alles
fertig. Die zwei größten Paläste entstanden in Ninive. Dort riss Sanherib die
„baufällige Residenz seines Vaters“ ab
und baute von etwa 703 bis 692 einen
neuen Palast – den „Südwestpalast“ –,
der größer und schöner werden sollte,
als alles bisher Bekannte. Er nannte seinen Palast „Der seinesgleichen nicht
hat“ (šâninu lā išu). Zumindest ist der
Thronsaal 1 mit seinen 12,25 m ҂ 51 m
der größte aller neuassyrischen Paläste6.
Assurbanipal übernahm in seinen Anfangsjahren 648–647 v. Chr. diesen Palast
und ließ ihn mit neuen Orthostaten
schmücken. Dies reichte ihm aber nicht.
Deshalb erweiterte er das im Kern bereits
existierende „Haus der Nachfolge“, das
wir heute „Nordpalast“ nennen. Politischer Anlass waren die Einnahme Babylons 648 und die Plünderung Susas 647.
Die Bauarbeiten sind in einem Prisma
von 646 beschrieben, 643 war der Palast
wohl fertig. Weniger als die Hälfte des
Palastes ist bekannt, woran nicht nur die
unzulängliche Grabung, sondern auch
die Erosion schuld ist.
Der einzige große neuassyrische Palast
außerhalb des assyrischen Kernlandes
entstand im 8. Jahrhundert unter einem
sehr unabhängigen Gouverneur in Til
Barsip, dem modernen Tell Ahmar am
syrischen Euphrat. Aus diesem Palast
stammen die besterhaltenen neuassyrischen Wandmalereien.
Die assyrischen Bauten wurden aus nicht
gebrannten Lehmziegeln und daher für
ihre Ausmaße erstaunlich schnell hochgezogen. Für den Palastbau wurden Tausende von besiegten Untertanen nach
Assyrien deportiert und eingesetzt.
Die Fläche der Paläste ist nicht leicht
zu rekonstruieren. Für den Palast Assurnasirpals II. sollte man mindestens
200 m ҂ 150 m, also 30 000 m2 ansetzen.
Assurbanipals Nordpalast maß ursprünglich mindestens 125 m ҂ 250 m, also
32 250 m2 (Abb. 55). Die ausgegrabene
Fläche des Palasts „Der seinesgleichen
nicht hat“ beträgt 191 m ҂ 242 m. Eine
doppelt so große Originalfläche wird
nicht ausgeschlossen. Sobald der Rohbau stand, wurde mit der Innenausstattung begonnen.
8. Paläste
왖 Abb. 54
Nimrud: Eingangstor zum
Nordwestpalast
des Königs
Assurnasirpal II.,
9. Jh. v. Chr.
115
Abb. 55 왖
Ninive, Nordpalast des Königs
Assurbanipal:
Löwenjagd. Relief,
um 645–635
v. Chr. London,
British Museum.
Waren alle Dekorteile fertig, konnte der
Palast eingeweiht werden. Im Nordwestpalast kam die sogenannte „Einweihungsstele“ aus dem 5. Regierungsjahr
Assurnasirpals II. ans Licht. Zur Einweihungsfeier habe er 69 574 Menschen eingeladen, sie zehn Tage bewirtet und
schließlich „in Frieden und Freude nach
Hause geschickt“. Allen Einweihungsberichten ist gemeinsam, dass die Könige
zu ihrer Feier die Götter und die zukünftigen Könige, selbst die noch ungeborenen, einluden.
Der assyrische Palast folgte einem festgelegten Generalplan. Zwei Areale waren
dem öffentlichen Leben – das babānu –
und dem privaten Leben des Königs –
das bītānu – vorbehalten. Jedes Areal
besaß einen Hof, zwischen denen die
Thronsaalgruppe – ein Thronsaal, ein
Vorraum und ein Baderaum – lag.
Zahlreiche Texte zeigen, dass der ruinöse
Zustand eines Gebäudes nicht als Möglichkeit, sondern als sicher zu erwartende
Tatsache angesehen wird. In ihren Bauinschriften fordern deshalb sämtliche Könige ihre Nachfolger auf, den neuen Palast
in Stand zu halten oder nach Bedarf zu
restaurieren. Die Bauinschriften sind oft
mit Verboten verbunden. Assurnasirpal II.
war hier besonders genau. Er verbot
wertvolle Teile, wie Holztüren und -balken oder Metallnägel zu entfernen, das
Dach abzureißen oder die Entwässerungsanlagen zu zerstören, die den Palast Regen ausgesetzt hätten. Ferner untersagte er, den Palast bei einer Belagerung zu verlassen und ihn als Warenlager,
Stall oder Gefängnis zu nutzen. Assurnasirpal wäre sicher zutiefst enttäuscht
gewesen, hätte er das Schicksal seines
Palastes erlebt. Noch 140 Jahre, bis Sargon II., wurde er königlich bewohnt. Danach wandelte man einige Räume in eine
Verwaltungsstätte mit Warenlagern um,
bis er – wie auch Nimrud – 612 zerstört
wurde.
Im südanatolisch-nordsyrischen Streifen ließen zwischen dem 10. und
8. Jahrhundert die aramäischen Fürsten in ihren Stadtstaaten Bit-Bachiani
mit der Hauptstadt Guzana, dem heutigen Tell Halaf, oder Jaudi mit der
Hauptstadt Sam’al, dem modernen Zincirli, originelle Bauten entstehen.
Oft gehören die Paläste zum „bit hilani“-Typ. Dieser Grundriss definiert
sich durch eine Vorhalle mit bis zu drei Säulen an der Front und einen dahinter querliegenden Hauptraum, um den sich kleinere Räume gruppieren. An einer Seite der Vorhalle schließt sich häufig ein Treppenhaus
an. Oft sind die Frontwände und Torlaibungen der Gebäude mit Orthostaten und Tierplastiken versehen. Die Säulen stehen auf skulptierten Postamenten.
Der Aramäer-Fürst Kapara hinterließ in Tell Halaf zahlreiche beschriftete Bildwerke, mit denen er seinen „Westpalast“ schmückte. Als Stützen für
den Torsturz dienten drei mächtige Götterstandbilder auf Tierkolossen. Diese Gruppe wurde zur Gestaltung der Museumsfassade des archäologischen
Museums von Aleppo ausgewählt (Abb. 56). Sie war wiederum eine Kopie
der älteren Rekonstruktion im Tell Halaf-Museum in Berlin-Charlottenburg,
das 1943 zerstört wurde.
116
VIII. Architektur
Auch das neubabylonische Babylon war eigentlich eine ständige Baustelle. An der etwa
322 m ҂ 190 m großen „Südburg“ wurde von
Nabopolassar bis Nabonid gebaut. Sie besteht aus
einer Abfolge von fünf großen Höfen (Abb. 57).
Im größten, dem mittleren, befindet sich der
Thronraum. Seine 52 m lange Fassade schmückte Nebukadnezar mit vier schreitenden Löwen
und acht Volutenbäumen auf jeder Seite des Mitteltors. Die „Haupt- oder Nordburg“ befand sich
nördlich der inneren Stadtmauern. Dieser Bau,
der Nebukadnezar sehr am Herzen lag, ist
schlecht erhalten. Möglicherweise war er, wie der
etwa 2 km nördlich an der Außenmauer liegende
„Sommerpalast“, ein Ort, in dem es ruhiger zuging als „in der Stadt“.
Die letzten hier zu nenennden Paläste sind
achämenidenzeitlich. Pasargadae liegt etwa 40 km
nordöstlich von Persepolis. Dort ließ Kyros um
550 v. Chr. von ionischen und lydischen Stein-
왔 Abb. 56
왖 Abb. 57
Aleppo: Statuen
aus Tell Halaf als
Fassadenschmuck
des Archäologischen Museums.
Babylon:
Rekonstruktion
der Südburg.
8. Paläste
117
Abb. 58 왖
Susa, Palast Darius
des Großen: „Die
unsterbliche
Garde“, Prozession
der Bogenschützen.
metzen eine große Terrasse aus Steinquadern
errichten, eine Bauweise, die bis dahin in Persien
unbekannt war. Nahe der großen Terrasse zog er
einen ausgedehnten Bezirk mit Palästen und einer
Zitadelle hoch. Ob Eingangstor oder Palast, die
Bauten bestanden aus Säulenhallen und Säulenportiken. Wir nennen diesen typisch achämenidischen Gebäudetypus Apadana. In assyrischer
Tradition hingegen verblieben waren Mischwesen
als Torhüterfiguren und weitere Reliefs mit Königsdarstellungen.
Darius wollte die kalten Wintermonate der
Persis vermeiden und baute sich einen Palast in
Susa. Der Grundriss verbindet den neubabylonischen Palasttyp für den Wohntrakt mit einem
Apadana als Repräsentationsbau. Der babylonische Teil war mit glasierten Ziegeln versehen. Neben Löwen und Mischwesen gab es am Osttor
Soldaten, die der Ausgräber Marcel Dieulafoy
um 1885 als die „Unsterblichen“ betitelte (Abb. 58). Diese Bezeichnung
stammte von Herodot, der die Elitegarde des achämenidischen Königs als
athanatoi benannte. Es war jedoch die falsche Übersetzung eines iranischen
Wortes, das „Helfer, Folger“ bedeutet.
Auch in der Persis wollte Darius eine neue Residenz schaffen. Er ließ
ab etwa 520 v. Chr. eine rechteckige Terrasse von etwa 300 m ҂ 455 m und
Abb. 59 왘
Persepolis:
Apadana, Relief
der Nordseite
Xerxes I. (486–
465 v. Chr.),
Ausschnitt aus
den Reliefs mit
den Delegationen
der Babylonier
oben und der
Lyder unten.
118
VIII. Architektur
fast 15 m Höhe bauen (Abb. 60). Am
Fuß der Terrasse gab es in der Ebene
schon eine Siedlung, die zwei Namen
trug. Der eine, „Pârsa“, überlebte in
seiner griechischen Form Persepolis
bis heute.
Als erstes Gebäude auf der Terrasse entstand ein Apadana. In seinen Portiken ruhten die Säulen auf
hohen lotosblütenförmigen Basen.
Die Kapitelle waren zwei miteinander verbundene Greifen- oder Stierprotomen. Der Hauptraum des Apadana stellte ein Quadrat von 60,50 m
Seitenlänge dar (= 3660 m2). Während Säulen, Kapitelle und Basen aus
Stein bestanden, waren die Wände
aus Lehmziegeln und zumindest teilweise mit glasierten Ziegeln verdeckt. Verschlossen wurden die
Zugänge durch zweiflügelige mit
vergoldeten Bronzebeschlägen verzierte Holztüren. Außen schmückten Steinreliefs die Treppenläufe. Im
Zentrum der vier Treppenläufe
thronte der König, die weiteren Reliefs stellten Perser, Meder und „Tributbringer“ aus dem gesamten Reich
dar (Abb. 59). Die Funktion der getragenen Waren ist unklar: Tribute oder Geschenke? Eine scharfe Trennung
gab es wohl nicht. Am Apadana arbeiteten noch Xerxes I., Artaxerxes I. und
Artaxerxes III. Darius baute einen weiteren Palast, der innen mit Reliefs, die
den König und Wachen zeigten, und dreisprachigen Inschriften dekoriert
wurde.
An den Apadana-Reliefs entzündete sich eine lang anhaltende Debatte
über den Grad ihrer Gräzisierung. Darius berichtet, dass es unter den zahlreichen Herkunftsländern auch Steinmetze aus Ionien und Lydien gab. Ein
wesentlicher Aspekt bei der Bemessung des griechischen Elements ist der
hellenozentrische oder orientalische Blickwinkel, wonach die achämenidische Kunst eine schlechte Kopie oder, im Gegenteil, eine qualitätsvolle, in
assyrischer und babylonischer Tradition stehende Kunst ist.
Als Darius starb, waren Apadana und Palast unfertig, doch sein Sohn
Xerxes vollendete das Werk. Ferner entstanden als eigene Bauten das „Tor
8. Paläste
왖 Abb. 60
Persepolis: Lageplan der Ruinen.
119
aller Länder“, ein Palast und ein Harem. Um seinen Vater zu übertreffen,
veranlasste Xerxes die Erstellung des 4700 m2 großen „100-Säulen-Saals“.
Aber auch dieses Gebäude blieb unter seinem Initiator unvollendet. Xerxes’
Sohn Artaxerxes I. führte es mit denselben Reliefs zu Ende.
Die griechischen Autoren berichteten von unermesslichen Reichtümern,
die im Schatzhaus aufbewahrt wurden. Die Ausgräber fanden jedoch fast
nichts vor, denn die Soldaten Alexander des Großen hatten es 330 v. Chr.
geplündert, danach brannte es aus. Lediglich die Tontafeln wurden liegen
gelassen.
Die genaue Funktion von Persepolis ist nach wie vor unklar. Krönungs-,
Huldigungs- oder Audienzort? Ein Vergleich mit den neuassyrischen Palästen bringt keine Lösung. Die neuassyrischen und persischen Paläste entstammen zwar demselben Geist, Macht zu demonstrieren. Die neuassyrischen
Paläste liegen jedoch in den Städten. Der assyrische Dekor befindet sich im
Palast und ist erzählerisch, der achämenidische ist draußen und symbolischer. Während in Assyrien Besiegte deutlich als Gefangene und Unterworfene gekennzeichnet werden, scheinen in Persepolis die Gesandtschaften
gern und freiwillig zu kommen. Der Gesamteindruck wirkt deshalb auf uns
friedlicher. Der Anspruch, die Welt zu beherrschen und um sich zu sammeln,
war aber am assyrischen und persischen Hof völlig vergleichbar.
9. Wohnhäuser
Die ältesten Wohnhäuser waren nach dem sehr regelmäßigen Grundriss
des Mittelsaals geplant und etwa gleich groß. Spätestens vom Beginn des
3. Jahrtausends an ändert sich das. Hausgröße und -grundriss variieren auch
innerhalb einer Siedlung beträchtlich. Offensichtlich spiegeln sich soziale
Veränderungen und der Stand einzelner Familien in der Hausgröße wider.
Die Allerärmsten wohnten in Schilfhütten, die keine Spuren hinterließen.
Das Hofhaus wurde zum Standard. Nach seinem Betreten kam man
zuerst in einen kleinen Eingangsraum, durchschritt danach einen oder
mehrere Räume und gelangte in den Hof, um den sich unterschiedlich viele
und große Zimmer gruppierten. Das größte war ein Empfangsraum. Normalerweise führte im Hof eine Treppe zum Dach, im Sommer der Schlafplatz.
Ein erstes Stockwerk war aber in der altorientalischen Architektur durchaus
üblich.
Typisch für reiche Häuser der neuassyrischen Zeit waren zwei durch
einen großen Durchgangsraum verbundene Höfe. Des Weiteren lag ein
Hauptraum an einer Hofseite, der wiederum zwei kleine gepflasterte Nischen
aufwies.
Nur wenige Wohngebiete wurden ausgegraben. Das wohl besterhaltene
und dadurch im Detail bearbeitete Viertel liegt in Ur (Abb. 61). Zum Aus-
120
VIII. Architektur
왗 Abb. 61
Ur: Blick in die
„Paternoster
Row“.
grabungszeitpunkt waren nicht nur Häuser bis zum ersten Stockwerk,
sondern ganze Straßenzüge erhalten, denen der Ausgräber Leonard Woolley
Namen wie „Church Lane“, „Paternoster Row“ oder „Quiet Street“ gab. Die
Häusergröße in dieser ersten Hälfte des 2. Jahrtausends variierte stark von
25 m2 bis zu 300 m2.
10. Aufriss und Rekonstruktion
Oft genug haben sich die Mauern altorientalischer Bauten auf einer Höhe
erhalten, die über die Fundamente kaum hinausragt. Möchte man ihr Erscheinungsbild rekonstruieren, können Flachbilder wie späturukzeitliche
Rollsiegel und neuassyrische Orthostatenreliefs oder Hausmodelle mit Vorsicht zu Rate gezogen werden. Heute werden 3-D computergestützte Rekonstruktionen hergestellt. Sie sind umstritten, entsprechen aber den
Rekonstruktionen, die schon die ersten Ausgräber versuchten. Einige, unter
anderem Walter Andraes Zeichnungen aus Assur, gelten noch immer. Heute wie damals dienen sie der Anschaulichkeit. Heute wie damals bleiben
viele Fragen offen.
1
2
3
4
Müller-Karpe u.a. (2009).
Heinrich (1982).
Novák (1999).
Die Schichtzuordnung der ersten Ausgräber ist in den Werken
von R. Eichmann kritisch untersucht worden.
5 Eichmann (2007) 267.
6 Russell (1991) 47.
10. Aufriss und Rekonstruktion
121
IX. Religion und Tempel
W
ährend der drei historischen Jahrtausende zwischen 3300 und
300 v. Chr. gab es in der altorientalischen Götterwelt Verschiebungen, die aber das Wesen der Religion nicht berührten. Zumindest
aus mesopotamischer Sicht stellte sich nicht die Frage, ob eine oder mehrere
Religionen existierten. Es gab nur eine. Die heutige Wissenschaft teilt sie
allerdings geographisch und zeitlich auf, etwa in die sumerische und die
babylonische Religion.
Die altorientalischen Religionen sind gewachsene und nicht gestiftete
Religionen. Schon immer existierten die Götter im Gefühl und im Wissen
der Menschen. Im Alten Orient herrschte Toleranz gegenüber den Göttern
anderer Menschen und Völker. Den Herrschern war die Götterwelt ihrer
Untertanen gleichgültig, solange sie ihre politischen und wirtschaftlichen
Regeln respektierten. Staatsgötter gab es nur zur Zeit der Großreiche im
1. Jahrtausend v. Chr. mit Assur und Marduk. Aber auch sie erhoben nur
in ihrem Territorium den Anspruch, die mächtigsten zu sein. Die altorientalischen Religionen waren ein Abbild der irdischen Gesellschaft und, anders
als in Ägypten, sehr pragmatisch.
1. Götterwelt
Weder im Sumerischen noch im Akkadischen gibt es ein Wort für den
Begriff „Religion“. Allein die einzelnen Götter und Göttergruppen besitzen
einen Namen. Um sich das Übernatürliche und das Sakrale vorzustellen,
wurden die menschlichen Eigenschaften auf eine gewisse Anzahl von Götterpersönlichkeiten übertragen. Diese „Gattung“ heißt dingir auf Sumerisch
122
IX. Religion und Tempel
und ilu auf Akkadisch. Wir übersetzen diese Bezeichnung mit „Gott“ oder
„göttlichem Wesen“. Das Keilschriftzeichen ist ein Stern, der auch für das
Hohe, das Erhöhte und für den Himmel benutzt wird. Damit wird deutlich,
dass die göttliche Welt im physischen wie im qualitativen Sinne über der
irdischen steht. Götter sind mächtiger und intelligenter als die Menschen.
Es gibt Männer und Frauen, deren sexuelle Fähigkeit in blumigen Worten
beschrieben wird. Götter haben Kinder, mit denen sie eine Familie bilden. Sie
essen und trinken, sie streiten, sie waschen und schmücken sich und gehen
spazieren. Sie wohnen im é (sumerisch „Haus“), im Himmel oder in der Unterwelt, aber auch in ihren Statuen, die in ihren Tempeln auf Erden verehrt
werden. Sie leben wie reiche, nicht immer sorglose Menschen. Der einzige
Unterschied zu ihnen besteht in ihrer Unsterblichkeit.
Wahrscheinlich ordnete zuerst jedes Dorf seine Götterwelt. Um den Stadtgott gruppierten sich niedrigere Götter wie Beamte um den König. Derselbe
Prozess fand bei der Bildung größerer Reiche auf Landesebene statt.
Will man die Frage beantworten, wie viele Götter es im Alten Orient gab,
so findet man sehr unterschiedliche Antworten, die das Problem der Zählung
verdeutlichen. Insgesamt sind über 1000 Götternamen bekannt. Die meisten
jedoch spielten nur eine lokale und zeitlich begrenzte Rolle als Schutzpatron
eines Herrschers. Seit Hammurapi versuchte man durch die Verschmelzung
von ähnlichen Göttern ihre Anzahl zu reduzieren. Das um 1200 v. Chr. verfasste „Schöpfungsepos“ nennt nur noch 600 Götter. In Wirklichkeit kann
man die Zahl der wichtigen und stets aktiven Götter auf 30 beschränken.
2. Die wichtigsten Götter und Götterfamilien
Einige Religionshistoriker haben versucht, die Götter in Typen einzuteilen
und auf diese Weise zu systematisieren1.
Kosmische, auch für die Welt- und Menschenschöpfung zuständige Götter sind An-Anu2, Enlil, Ninlil, Enki-Ea und Inanna-Ischtar. Astrale Götter
sind als Verkörperung der Himmelskörper der Mond Nanna-Sin, die Sonne
Utu-Schamasch und der Venusstern Inanna-Ischtar. Naturgötter sind der
Vegetations- und spätere Kriegsgott Ninurta, der Wettergott Ischkur-Adad
oder der Feuergott Nusku. In der Unterwelt herrschte Nergal. Die Göttin
Gula heilte.
Die drei ranghöchsten Götter An-Anu, Enlil und Enki-Ea werden bisweilen als eine Triade betrachtet. Aber eine so enge Beziehung wie die ägyptischen Göttergruppen besaßen sie trotz ihrer Familienzugehörigheit nicht.
Sie sorgten für die Erhaltung der Schöpfung und bestätigten die Machtverhältnisse.
An-Anu gründete die göttliche Dynastie, amtierte als höchster Himmelsgott, als Quelle und Garant der Autorität, trat aber im Laufe der Zeit immer
2. Die wichtigsten Götter und Götterfamilien
123
Abb. 62 왘
Abdruck eines
Rollsiegels mit
Ischtar in der
Mitte, rechts
davon Schamasch, Ea und
seinem doppelgesichtigen
Gehilfen Usmu.
Akkadzeit.
London, British
Museum.
Abb. 63 왔
Babylon: Darstellung zweier
Männer und der
Symbole für den
Sonnengott Schamasch (geflügelte
Sonnenscheibe)
und für den
Mondgott Sin
(Mondsichel),
900–875 v. Chr.
124
stärker in den Hintergrund. Sein Hauptsitz lag in Uruk. Enlil, sein Sohn,
war der regierende König, der die Autorität ausübte. Er waltete über die Geschicke der Welt und war für die positive Wirkung der Naturkräfte verantwortlich. Andererseits konnte er auch zerstörend wirken. Im GilgameschEpos etwa fasste er die Vernichtung der Menschheit ins Auge. In der altbabylonischen Zeit verlor er Teile seiner Macht an Marduk und Assur. Sein
Haupttempel stand in Nippur. Enki-Ea verkörperte Intelligenz und
Schöpfungskraft. Er war der Gott des Süßwassers, Erfinder aller
Techniken und Verteidiger des Menschen. Im GilgameschEpos überzeugte er die anderen Götter, es sei ein Fehler, die
Menschen zu vernichten. Daher müsse eine Lösung gefunden werden, um sie zu retten. Eas Hauptsitz war Eridu.
Die wichtigste Göttin war Inanna-Ischtar, was Sumerisch „Dame des Himmels“ bedeutet (Abb. 62). Die Verbindung zwischen ihr und dem Planeten Venus war klar
ausgeprägt. Sie bezeichnete sowohl den Abend- als auch
den Morgenstern, den man in Sumer als weibliche Gottheit, in der zeitgleichen semitischen Welt aber als eine
männliche betrachtete. Als beide Kulturen in eine Symbiose traten, blieben beide Aspekte lebendig. So kombinierte Ischtar Intelligenz mit einem aggressiven Charakter,
der sie auch für Krieg zuständig machte. Sie schuf Leben
und war deshalb mit Fruchtbarkeit, Liebe und Sexualität
verbunden. Sie besaß überall Tempel. Einer der bedeutendsten lag in Uruk.
Der Mondgott Nanna-Sin war im Zusammenhang
mit der Zeitmessung wichtig (Abb. 63). Deswegen
wurde er die in den letzten Tagen des Monats besonders
IX. Religion und Tempel
geehrt. Für die semitischen Nomaden der mesopotamischen und syrischen Wüste bedeutete Sin
besonders viel. Er zeigte ihnen den Weg oder auch
die Trächtigkeitsdauer ihrer Herdentiere. Sein
Hauptkultort befand sich in Ur. In der neubabylonischen Zeit unter Nabonid erlebte Sin eine
Renaissance. Der Sonnengott Utu spielte im sumerischen Pantheon eine untergeordnete Rolle.
Von der Larsazeit an war Schamasch ein häufiger
Bestandteil in Personennamen und wurde auf
zahlreichen Rollsiegeln abgebildet (Abb. 62, 64).
Als Sonnengott wanderte er täglich von der einen
Erdseite über den Himmel zur anderen und während der Nacht durch die Unterwelt zurück. Seine
Reisen erlaubten ihm, alle Bereiche des Kosmos zu
sehen; sie befähigten ihn somit, oberster Richter zu
sein. Er half den Unterdrückten, trat für Witwen
und Waisen ein. Diese Gerechtigkeit sollte auch
der Herrscher ausüben. Deswegen ist Hammurapi
auf seiner Kodexstele vor Schamasch abgebildet
(Abb. 30). Wichtigste Kultzentren waren Larsa und
Sippar.
Ischkur-Adad war je nach Gegend Wetteroder Regengott. Im Norden und im Westen brachte dieser Gott den segenbringenden Regen, aber
auch Überschwemmungen und Zerstörung durch
Gewitterstürme. Das Ausbleiben des Wettergottes
verursachte Dürre und Hungersnot. Ein wichtiges
Heiligtum gab es in Assur. Im syrisch-palästinischen Raum war er überall vertreten.
Als im 2. Jahrtausend v. Chr. Babylonien an
Bedeutung gewann, musste ein neuer Gott die
Führungsrolle übernehmen. Er war Anus Enkel
und Eas Sohn Marduk, der in dem Schöpfungsmythos enūma eliš verherrlicht wurde (Abb. 65). Bevor er Anu und Enlil ablöste, war er ein lokaler nordbabylonischer Gott, der bei der Bekämpfung
von Krankheiten durch Beschwörungen half. Im 1. Jahrtausend war Marduk
der bēlu, der Herr schlechthin. Er übernahm Enlils kämpferische Züge und
Schamaschs Rolle des gerechten Richters.
Die gleiche Herausbildung eines „frischen“ Gottes fand in Assyrien statt.
Es ging sogar so weit, dass der Name des neuen Nationalgottes Assur den
Namen Marduk im Schöpfungsepos ersetzte. Assur war anfangs der völlig
unbedeutende Gott der Stadt Assur. Als Stadtgott fehlten ihm eigenständige
2. Die wichtigsten Götter und Götterfamilien
왗 Abb. 64
Mari: Rollsiegel,
1. Hälfte 18. Jh.
v. Chr., Darbringung eines
Opfertiers an
Schamasch.
왖 Abb. 65
Abrollung eines
19 cm hohen
Rollsiegels, das
Marduk-zakirSchumi als Kette
für eine MardukStatue fertigen
ließ. Marduk und
sein Schlangendrache. 9. Jh. v. Chr.
Berlin, VAM.
125
Charaktermerkmale. Im Laufe der Zeit übernahm er Qualitäten von Enlil und
Marduk sowie, verbunden mit der militärischen Expansion der assyrischen
Könige, solche eines Kriegsgottes. Er blieb auf das assyrische Territorium
beschränkt.
Im Iran hatte Zarathustra, griechisch Zoroaster, eine Religion gegründet,
in deren Mittelpunkt der gute Geist Ahuramazda stand. Auf ihn beriefen sich
seit Darius I. die Könige. Die ältesten bekannten Kopien des heiligen zoroastrischen Buches Avesta sind sasanidisch.
Abb. 66 왔
3. Mischwesen
Neben den Göttern gab es eine Fülle von Mischwesen, unter ihnen einige
niedere Gottheiten. Denn hohe Götter wurden im Alten Orient, anders als
in Ägypten, nie tiergestaltig dargestellt. Menschen- und Tierelemente kombinierte man schon im Neolithikum und somit sehr viel früher als unterschiedliche Tierelemente, die erst Ende des 4. Jahrtausends verbunden wurden. Die Mischwesen
entstanden einem Prinzip entsprechend, dass die
Stärken unterschiedlicher Tiere vereint werden
sollten. Ein Löwenteil etwa stand für Macht, ein
Stierteil für Kraft. Neben der schützenden Seite
besaßen sie manchmal aber gleichzeitig eine zerstörerische. Auf diese Art wurde die Komplementarität der Gegensätze Bedrohung und Schutz
angemessen ausgedrückt.
Für einige dieser Wesen ist der akkadische
Name bekannt. Falls unbekannt, werden behelfsmäßig moderne, problematische Bezeichnungen
gewählt, weil unsere Gefühle nicht den antiken
entsprechen. In der modern angewandten Terminologie besteht ein Dämon aus menschlichen
und nicht-menschlichen Teilen, während ein
Monster nur aus Tierelementen zusammengesetzt
ist. Ein Genius ist ganz Mensch und besitzt Flügel
(Abb. 66).
Lediglich bestimmte Texte, Figuren und Bilder
waren für magische Praktiken relevant. An ihnen
führte man Handlungen durch, damit das Böse,
also Krankheit, Tod und Zauberei aus dem Hause
eines Menschen wich oder grundsätzlich von
ihm ferngehalten wurde. Der „sechslockige Held“,
der auf Akkadisch lahmu also „der Haarige“ heißt,
(
Nimrud: Palast
Assurnasirpals II.,
geflügelter Genius,
9. Jh. v. Chr.
London, British
Museum.
126
IX. Religion und Tempel
왗 Abb. 67
Plakette mit Kopf
des Pazuzu.
Obere Reihe:
Schutzgottheiten,
Mitte: Fischgestaltige Priester an
einem Krankenlager, unten:
Pazuzu vertreibt
Lamaschtu.
Bronze. H. 13,3 cm.
Paris, Louvre.
wurde häufig auf Siegeln abgebildet. Umgekehrt waren die Hauptopfer der
krank machenden Lamaschtu, der Tochter des Gottes Anu, ungeborene oder
gerade geborene Kinder (Abb. 67). Pazuzu, mit einem Hundegesicht, magerem Körper und zwei Flügeln charakterisiert, spielte eine positive Rolle, indem er Lamaschtu wieder in die Unterwelt zwang.
4. Theologie und Glaube
Die mesopotamische Religion bemühte sich niemals um eine Definition
des Göttlichen. Eine kohärente Darlegung der Theologie oder Formen des
theoretischen Diskurses fehlten. Sie tauchten erst in der griechischen Kultur auf. Die allem Existierenden innewohnende göttliche Idee, die göttlichen Kräfte hießen auf Sumerisch me, das „sein“ bedeutet. Die me waren
4. Theologie und Glaube
127
etwa 110 konkret fassbare, grundlegende kulturelle Einrichtungen wie Hirtentum oder Königtum, abstrakte Begriffe wie Verstand, Wissen und Alter
oder kulturelle Einrichtungen wie die Schreiberkunst, Musik, Berufe und
harte Arbeit.
Die Menschen waren von ihren Göttern abhängig und mussten mit ihnen
auskommen. Götter schützten und halfen in schwierigen Momenten, aber sie
straften auch. Menschen hofften und bangten und mussten sich diese göttliche Unterstützung erarbeiten oder verdienen. Götter mussten gelockt, durch
Opfer „bestochen“ und durch Gebete umschmeichelt werden. Eine pragmatische „Ich gebe, damit Du gibst“-Mentalität prägte das Verhältnis zwischen
Mensch und Gott. Sämtliche Texte heben das Gefühl der Bewunderung, des
Respekts und der Scheu vor den Göttern hervor: Man hat Angst vor ihnen
und erniedrigt sich, auf keinen Fall liebt man sie. Der einfache Mensch fühlte sich vor einem Gott genauso wie vor seinem Herrscher, der wiederum ein
gehorsamer Untertan der Götter war. Dieses von der weltlichen Machtstruktur übernommene Bild prägte die religiöse Grundeinstellung und damit das
gesamte religiöse Verhalten.
Gottesgehorsam war naturgegeben, aber die Liste dessen, was zu beachten oder verboten war, war unübersichtlich. Jederzeit war es möglich,
eine kultische Vorschrift oder gar einen Gotteswunsch zu übersehen. Das
Verbotene zu überschreiten, willkürlich oder unwillkürlich, diente als Erklärung für das Unglück, das einen treffen konnte. Dieses Unglück war
dann die Bestrafung durch die Götter. Oft wusste der Mensch aber nicht,
weswegen ihm Unglück widerfuhr und hatte kein Unrechtsbewusstsein.
Erst in der Unglückssituation mussten Vermutungen oder deduktive Ketten
von Vermutungen eingeschaltet werden. Man schloss daraus, dass die
Götter einen guten Grund hatten, den Menschen zu bestrafen. Eine Entsühnung hoffte man durch Rituale zu erreichen. Mit dieser Auffassung
konnten sich der Begriff „Sünde“ und die Vorstellung einer persönlichen Erlösung nach dem Tod nicht entwickeln. Dennoch wandelte sich
die babylonische Religion insofern, als die Menschen erfuhren, dass sie
durch Tugend und Demut das Erbarmen der Götter stärker herausforderten.
Im Mittelpunkt des im 12. Jahrhundert v. Chr. verfassten Textes Ludlul
bēl nēmeqi, „Ich will preisen den Herrn der Weisheit“, steht der weise und
gerechte Schubschi-meschre-Schakkan. Der „altorientalische Hiob“ ist seinen religiösen Pflichten gewissenhaft nachgegangen und versteht deshalb
nicht, warum ihm nur Unglück widerfährt, warum er also von den Göttern
so hart bestraft wird – und zweifelt an Marduks Gerechtigkeit. Zum zentralen Thema wird die Erkenntnis, dass die Menschen den göttlichen Willen
nicht ergründen können. Dennoch errettet Marduk schließlich den Dulder
aus seiner aussichtslosen Lage. Das Gedicht endet mit einer Lobpreisung
Marduks.
128
IX. Religion und Tempel
5. Leben nach dem Tod
Götter sind unsterblich, Menschen nicht, auch wenn der Wunsch danach
vorhanden war. Das Motiv der Suche nach der Unsterblichkeit des Menschen
bildet das zentrale Thema in zwei mythisch-epischen Erzählungen. Beide,
Etana und Gilgamesch, versuchten das ewige Leben durch den Genuss einer
magischen Pflanze zu erlangen. Jedoch scheiterten sie. Nur einem Menschen,
Utanapischtim, gelang es, unsterblich zu werden. Er wurde zwar der menschlichen Sphäre entzogen, aber nicht, um in die göttliche zu gelangen, sondern
um in das mythische Land „am Mund des Flusses“ hinter dem „Meer des
Todes“ geschickt zu werden.
Nach dem Tod trennte sich Materie von Nicht-Materie. Das irdische
Leben ging zu Ende, jeder Mensch lebte in Form eines schattenhaften Selbstbilds in der Unterwelt weiter. Die Gestalt des Menschen im Jenseits wurde
als gidim/et.emmu, „Totengeist“ bezeichnet. Das Wortzeichen gidim ist dem
Wortzeichen udug/utukku, „Unterweltsdämon“, ähnlich. Doch meinte
et.emmu überwiegend den guten Totengeist und utukku den Totendämon. Ein
et.emmu entsprach zwar einer immateriellen Größe; im 1. Jahrtausend v. Chr.
stellte man es sich dennoch als etwas Körperliches vor, etwa als ein geflügeltes Mischwesen oder als Wesen mit dem Kopf eines Rindes und den Händen
und Füßen eines Menschen. Der et.emmu des Verstorbenen erreichte über
eine trostlose Steppe den Ort, wo die Sonne unterging. Dort musste er das
Gewässer Chubur mit einer Barke überqueren. Dahinter erstreckte sich das
festungsartig ummauerte „Land ohne Rückkehr“, in dessen Mitte ein Palast
mit sieben Mauern und sieben Toren lag. Darin lebten die Unterweltgötter.
Die Unterwelt selbst war ein staubiger, dunkler, düsterer und konturloser
Ort, wo Lehm und Brackwasser als Nahrung dienten.
Dieses Weiterleben nach dem Tod wurde nur durch die ordnungsgemäße Bestattung in einem Grab und durch die Versorgung und Erinnerung seitens der Familie garantiert, sonst wäre der Tote ein namenloser Totendämon,
der als herumirrender Geist seine Familie bedrohte. Das Grab war der Eingang zur Unterwelt, Grabbeigaben – Gefäße für feste und flüssige Nahrung
sowie Waffen, Siegel und Schmuck – versorgten den Toten auf seiner Reise
in die Unterwelt in seinem jenseitigen Leben und stellten zugleich Geschenke an die Götter dar. Gräber waren unauffällig und durch nichts an der Oberfläche gekennzeichnet.
6. Tempel und religiöse Praxis
Die Götter wohnen in ihrem Haus, auf Sumerisch é und Akkadisch bîtum,
was wir mit „Tempel“ übersetzen. Jeder Tempel war einer Hauptgottheit gewidmet. Aber er beherbergte viele weitere Gottheiten, die durch Familien-,
6. Tempel und religiöse Praxis
129
Wesens- oder Funktionsverwandschaft zusammenpassten. In Babylon hieß
Marduks Hauptheiligtum e.temen.an.ki, was „Haus, das Fundament von
Himmel und Erde ist“ bedeutet. Es war die Achse, die den Himmel, die Erdoberfläche und die Erde verband, und ähnelte somit Jerusalem als „Achse der
Welt“. Die Ziqqurrat war eine horizontale Achse zu der vertikalen des Tempels.
Um die von den Göttern den Menschen gegebene gesellschaftliche
Ordnung zu bewahren und das Wohlergehen aller nach Kräften zu garantieren, mussten Riten und Zeremonien stattfinden. Private Gottesergebenheit
und individuelle Frömmigkeit bildeten entscheidende Momente des religiösen Lebens. Noch wichtiger aber waren öffentliche Kultakte. Dabei gab
es zwischen Staats- und Volksreligion im Alten Orient inhaltlich wenig
Unterschied. Zahlreiche Rituale waren ohne die Anwesenheit des Königs
undurchführbar und dienten dem Wohlergehen des Staates, des Königs und
des Volkes. Die offizielle Religion berührte somit weniger Glaubensinhalte
als die religiös-politische Tätigkeit des Königs, der wiederum als Privatperson genauso handelte wie ein normaler Bürger. Für den Einzelnen fanden
Gebete und Opfer im Tempelhof statt. Die weiteren Räume und das Allerheiligste waren nur dem Kultpersonal zugänglich.
Beten und Kulthandlungen bildeten die Grundpflichten der religiösen
Praxis. Im 3. Jahrtausend verfasste man kollektive oder offizielle Gebete, in
denen man die Götter anflehte, die gesamte Gesellschaft treffende Unglücksfälle abzuwenden. Vom 2. Jahrtausend an wurde eine persönlichere Beziehung zwischen Beter und Gott möglich. Doch sind wir immer noch weit
entfernt von einer individuellen Begegnung zwischen einem Menschen
und seinem Gott, die überall stattfinden kann und die auch ohne Kultgegenstände oder Opfer ihre volle Gültigkeit besitzt.
Im Tempelbereich wurden diese Gebete mit Musik, Kulthandlungen und
Rauchwerk umrahmt. Insbesondere während der großen Feste wurden auch
Mythen rezitiert, wenn nicht sogar als Kultdrama inszeniert.
Tieropfer sind als wichtigstes Kommunikationsmittel zwischen den
Menschen und den Göttern erkannt worden (Abb. 64). Tieropfer stellten
eine, wenn nicht sogar die wesentliche Handlung im mesopotamischen Kultgeschehen dar. Vom 3. Jahrtausend bis zur Hellenisierung des Orients listen
zahllose Texte Tiere auf, die einer Gottheit geopfert werden sollten. Meistens
waren es Schafe und Rinder, aber auch Hirsche, Gazellen oder kleine Tiere.
Das Opfermahl wurde sorgfältig nach einem festgelegten Ritus vorbereitet.
Dafür war der Mundschenk (šāqū) verantwortlich.
Zahlreiche weitere Kultpriester, Sänger (nāru), Klagesänger (kalû), Wahrsager (bārū, „Seher“) und Beschwörer (āšipu) standen im Dienste der Gottheit. Der wichtigste Kultpriester hieß sangû. Als Tempelvorsteher und somit
ranghöchster Repräsentant der Gottheit war er für den reibungslosen Kultablauf zuständig. Weibliches Personal bestand aus Priesterinnen (nadītum,
130
IX. Religion und Tempel
qadištum) und weiteren Dienerinnen, deren Amt oft als das Prostituierter
angesehen wird. Die antiken Gegebenheiten entsprechen nicht immer den
Vorstellungen, die wir mit einem Wort verbinden. So war eine „Prostituierte“, die sich einem Gott hingab, eine privilegierte Dienerin.
Die Analyse der kultischen Kalender dokumentiert, dass man im Alten
Orient unzählige große und kleine Feste feierte. Sie trugen je nach Ort und
Zeit unterschiedliche Namen. Diese konnten wie Opferdarbringungen täglich stattfinden, wöchentlich – etwa Kulte, die mit dem Wachsen und Abklingen des Mondes zusammenhingen –, monatlich mit Kulten, die ebenfalls
mondabhängig waren, oder schließlich jährlich. Der landwirtschaftliche
Zyklus von Aussaat und Ernte, der Wasserstand der Flüsse, das Erscheinen
und Verschwinden von Fixsternen, aber auch die Ahnenverehrung und der
Herrscherkult bestimmten die Daten dieser Feste. Das größte, jährlich nur
einmal stattfindende Fest war das zumindest im 1. Jahrtausend gut bekannte Neujahrsfest, während dessen die Tempel und ihre Statuen gereinigt
wurden.
7. Tempelinventar, Götter- und Kultbilder
Den Kulthandlungen dienten im Hof, in der Cella und in anderen Räumen
vorhandene Postamente, Bänke und allerlei Geräte wie Räucherständer und
Gefäße. In der Cella waren Kultbilder und Götterstühle, Tische, Kästen, Truhen sowie das Bett der Gottheit aufgestellt. Kein Götterbild wurde je in situ
gefunden. Dennoch muss man heute annehmen, dass es in jedem Heiligtum
seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. Götterstatuen oder -embleme gab. Die Götter
lebten in ihren Statuen und garantierten die göttliche Präsenz unter den
Menschen. Wie Menschen behandelt, aßen, schliefen und wachten sie. Sie
wurden gereinigt, bekleidet, begleiteten Feldzüge, wurden deportiert, gefangengenommen, verstümmelt, getötet oder auch zurückgegeben. Die göttlichen Begleittiere oder Symbole nahmen ab etwa 1300 v. Chr. den Platz
der Statuen ein, besaßen aber denselben religiösen Wert wie die anthropomorphe Statuen, die es weiterhin gab. Der Unterschied zwischen menschlicher und symbolischer Form für einen Gott ist für uns heute schwer zu
ergründen.
1 Römer (1969) 125–142.
2 Der erste Name ist sumerisch, der zweite akkadisch.
7. Tempelinventar, Götter- und Kultbilder
131
X. Ausbildung und Arbeit
1. Schreiben
Die Schrift ist die größte Errungenschaft der Menschheit. Sie setzt voraus,
dass die Objekte einen Namen tragen, gezählt werden und dass der Mensch
fähig ist, Kategorien zu bilden. Deswegen ist sie eine vergleichsweise junge
Erfindung. Die ältesten beschrifteten Tafeln in Mesopotamien werden mit
der Schicht IVa in Uruk verbunden. Diese Schicht wird zwischen 3300 und
3100 v. Chr. datiert. Die Schrift wurde in Ägypten und dem Vorderen Orient
ungefähr zum selben Zeitpunkt und unabhängig voneinander erfunden.
Beide Kulturen sind wohl die ältesten Schriftkulturen der Welt.
Im Epos Enmerkar und der Herr von Aratta, das im 3. Jahrtausend entstand, möchte Enmerkar, Herrscher von Uruk, Rohstoffe aus der sehr weit
entfernten und reichen Gegend von Aratta holen. Ihr Herrscher gab Enmerkar zahlreiche Rätsel auf, deren Antwort Enmerkar mündlich mit der Hilfe
der für die Schrift zuständigen Göttin Nisaba über seinen Boten dem Herrscher von Aratta zukommen ließ. Aber eines Tages war die Botschaft so
schwierig, dass der Bote sie sich nicht merken konnte, so dass sie Enmerkar
niederschrieb. Wie erstaunt war der Herrscher von Aratta! Der griechische
Historiker Berossos berichtet, dass die Schrift vor ewigen Zeiten durch das
zivilisationsbringende Mensch- und Fischmischwesen Oannes der Menschheit gebracht worden sei. Für Utanapischtim, den einzigen Überlebenden
der Sintflut, waren Schrift und Schrifttum so wertvoll, dass er sie vor der
endgültigen Vernichtung rettete, indem er vor der Flut Tontafeln in die Erde
vergrub (Gilgamesch-Epos, Tafel XI).
In Mesopotamien war das Schreiben die Folge einer wirtschaftlichen
Notwendigkeit. Vielleicht deswegen hatten die Menschen dort schon vor der
132
X. Ausbildung und Arbeit
Schrift ein gedächtnisstützendes System entwickelt. Seit etwa 9000 v. Chr. gibt es im Vorderen
Orient die sogenannten tokens oder calculi (Abb.
68). Es sind kleine Tonobjekte, die unterschiedliche Formen aufweisen und von denen bisher etwa
10 000 bekannt sind. Von 4500 v. Chr. an wurden
sie mit Stempelsiegeln auf Tonkugeln abgedrückt.
Obwohl einige tokens späteren Piktogrammen
ähneln, werden tokens allgemein nicht als Schriftvorläufer, sondern als Notierungssystem für Objekte und Zahlwert betrachtet.
Nach heutigem Wissensstand wurde die mesopotamische Schrift in Uruk erfunden. Wegen
ihrer Einheitlichkeit von Anfang an ist sie für die
meisten Forscher die Erfindung eines Individuums oder einer kleinen Gruppe. Der gedankliche
Überbau für den Schriftgebrauch war mit dem Notierungssystem bereits
vorhanden. Es gibt keine Versuchsphase zwischen dem Gebrauch der tokens
und den Tontafeln in Uruk. Darüber hinaus veranschaulichen sowohl die Enmerkar- wie auch die Oannes-Variante eine schnelle Erfindung der Schrift.
왖 Abb. 68
Uruk: Tokens aus
dem 4. Jt. v. Chr.,
1–3 cm groß.
Berlin, VAM.
2. Schriftbild und Schriftsystem
Bei der Schrift müssen wir zwischen Form und System unterscheiden. Die
Form betrifft das Bild, also die graphische Form der einzelnen Zeichen;
das System betrifft die Kombination dieser Bilder. Es gibt im Alten Orient
drei Hauptsysteme: das piktographische, das syllabische und das alphabetische System.
Ein Piktogramm ist ein Bildzeichen, welches das abzubildende Objekt
meist ziemlich getreu wiedergibt (Abb. 69 linke Spalte). Die Vielfalt der
Zeichen ist jedoch unendlich. Selbst bei Piktogrammen, die dasselbe Objekt
wiedergeben, springen die Unterschiede von einer Kultur zur anderen ins
Auge. Das mesopotamische Wasser-Piktogramm beispielsweise besteht aus
gewellten Linien. Die entsprechende ägyptische Hieroglyphe ist eine von der
Seite gesehene Welle, die das Nilufer verkörpert. In China sind es senkrechte Striche, die den Regen wiedergeben. Die Zeichen selbst hatten in Mesopotamien einen Namen.
Das Bild eines Fußes zum Beispiel heißt „Fuß“. Diese Bilder geben die
semantische Bedeutung (logos) wieder, nicht den Klang der Worte. Deswegen spricht man von einer logographischen Schrift. Diese Zeichen können
in allen Sprachen gelesen werden. Das hat zur Folge, dass man die ältesten
mesopotamischen Texte zwar deuten, aber nicht lesen kann.
2. Schriftbild und Schriftsystem
133
Abb. 69 왖
Entwicklung
einiger Keilschriftzeichen.
134
Die Schwierigkeit, Adjektive, Verben oder Zustände durch Piktogramme
auszudrücken, wird in der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends mit dem Übergang zur Silbenschrift behoben. Vom Bildzeichen liest man nun nicht mehr
die Bedeutung, sondern seinen Lautwert ohne Zusammenhang mit dem ursprünglichen Wort. Daher spricht man von einer phonetischen Schrift. Da
man bei Homophonen nicht unbedingt sofort weiß, um welches Wort es sich
handelt, wurden Zusatzzeichen, die sogenannten Determinative, für Wortkategorien hinzugefügt.
Es werden etwa 1200 Zeichen für die früheste Schriftstufe veranschlagt.
Die Phonetisierung der Schrift hatte zur Folge, dass die Zeichenzahl abnahm.
Bereits um 2600 v. Chr. gibt es nur noch 800 Zeichen. In der altbabylonischen
Zeit sind es 600, von denen 400 gebräuchlich sind. Um die Mitte des 3. Jahrtausends kamen die semitischen Akkader. Die Anpassung der Keilschrift an
die akkadische Sprache war nicht unproblematisch, denn Akkadisch besitzt
ganz andere Laute als Sumerisch. So blieben Unklarheiten bestehen.
Keilschrift stellt ein ziemlich kompliziertes Schreibsystem dar. Trotz der
Erfindung des Alphabets im westlichen Vorderen Orient hat sich die Keil-
X. Ausbildung und Arbeit
schrift im südlichen Mesopotamien noch lange
gehalten. Die jüngste datierbare akkadisch geschriebene Tafel wurde in Babylon gefunden und
datiert auf das Jahr 75 n. Chr. Akkadische und
sumerische Gebete und Beschwörungen gab es
jedoch bis in das 1. oder sogar bis in das 3. Jahrhundert n. Chr.1
3. Sprache und Inhalt
der ältesten Tontafeln
Die Zahl der bekannten Uruk IV- und III-zeitlichen Tafeln steigt (Abb. 70): Zur Zeit sind es etwa
58202. Etwa 85 % davon sind Wirtschaftstafeln
und Verwaltungsaufzeichnungen. Es werden Institutionen, Waren, Personen und Götter stichwortartig und in nicht festgelegter Reihenfolge genannt. Die verbleibenden 15 % der Tafeln sind sogenannte lexikalische Listen. Noch einige hundert
Jahre sollten vergehen bis zu den ersten religiösen,
historischen und literarischen Texten in der frühdynastischen II-Zeit.
Das Zählen und das Schreiben von Zahlen ist genau so wenig selbstverständlich wie das Schreiben von Wörtern und Texten. Die Zahlzeichen wurden zunächst mit unterschiedlicher Bedeutung verwendet und gehörten
mehreren verschiedenen Zahlen- und Maßsystemen an. In den frühesten
Uruk IV-zeitlichen Texten gab es etwa 60 verschiedene Zahlzeichen und fünf
grundlegende Systeme mit 15 Untersystemen, die sich je nachdem, was gemessen wurde – Weizen oder Milch, Hohlmaße, Flächen oder kalendarische
Angaben – unterschieden. Erst im 3. Jahrtausend v. Chr. bildete sich in Mesopotamien ein von den gezählten Gegenständen unabhängiger Zahlbegriff
heraus.
왖 Abb. 70
Uruk: Tontafel aus
der Uruk-IV-Zeit,
Liste mit Titeln
und Berufen.
8,7 ҂ 6,1 cm.
Berlin, VAM.
4. Alphabet
Das Prinzip, wonach der erste Laut eines Wortes sich verselbständigt und
als Einzelbuchstabe benutzt wird, heißt Akrophonie. Zugleich bekommt
dieser Einzelbuchstabe den Namen des Wortes, von dem er stammt. Zu
Beginn des 2. Jahrtausends ließen sich in Palästina oder in Ägypten lebende
Westsemiten von der Akrophonie inspirieren und erfanden ein ganzes
Alphabet. Sie wählten einige westsemitische Wörter und schrieben diese mit
den entsprechenden ägyptischen Hieroglyphen. Das „B“ stammt vom Wort
4. Alphabet
135
Abb. 71 왘
Tell el-Amarna:
Tontafel mit Brief
des Fürsten Aziru
an den Pharao.
10 ҂ 7 cm,
um 1365 v. Chr.
Berlin, VAM.
beit, das „Haus“ bedeutet, das „A“ von alpum, „Rind“. „A“ und „B“ wurden
jeweils mit der Hieroglyphe für Haus und Stierkopf geschrieben. Die ältesten
bekannten kurzen alphabetischen Inschriften stammen aus dem Sinai und
Kanaan.
5. Wie viele Tontafeln kennt man heute?
Die Antwort auf die Frage, wie viele Keilschrifttafeln wir heute kennen,
fällt unterschiedlich aus. Je nach Zählweise übersteigt die Zahl der publizierten Tafeln 50 0003, jene der ausgegrabenen Tafeln 550 0004 oder sogar eine
Million5. Angesichts dieser stark auseinanderklaffenden Daten ist es aufschlussreicher, die Zahl der Wörter zu erfassen. Es sind etwa 9,9 Millionen
im Akkadischen (Babylonisch und Assyrisch) und 2,8 Millionen im Sumerischen. Im Vergleich: Ägyptisch-Hieratisch zählt fünf Millionen, ÄgyptischDemotisch eine Million und Latein zehn Millionen Wörter. Unter Berücksichtigung aller Texte bis 400 n. Chr. und sämtlicher Kirchenväter zählt das
Griechische 57 Millionen Wörter.
136
X. Ausbildung und Arbeit
6. Schrifttum
Im Alten Orient wurde viel und vielerorts im Palast, im Tempel und privat
geschrieben: Wirtschafts- und Verwaltungstafeln, private und öffentliche
Rechtsdokumente, Briefe, historische (Königshymnen, Chroniken), literarische (Epen, Mythen), religiöse (Gebete) und medizinische Texte, Omina und
Listen, Weisheitsliteratur, Liebeslieder, Sprichwörter und Fabeln. In Assurbanipals Tafelsammlungen bilden mit 25 % die voraussagenden „magischen“
Texte die wichtigste Kategorie. Es folgen mit jeweils etwa 20 % Rituale und
Gebete, Verwaltungs- und Rechtsurkunden sowie lexikalische Texte. Von
etwa 26 000 Texten in Ninive haben nur 1000 einen Geschichtsbezug und 40
einen Bezug zu Epen und Mythen, die wir als literarisch definieren und empfinden.
Während alltägliche Texte dem momentanen Bedarf entsprachen, galt
dies nicht für religiöse und literarische Texte. Die ältesten sumerischen und
frühsemitischen Mythen waren unbestimmt in „früher Zeit“ entstanden und
wurden vor ihrer schriftlichen Fixierung um 2500 v. Chr. mündlich tradiert.
Auch nach der Schrift erzählten oder sangen wahrscheinlich „Barden“ die
Epen zu begleitender Musik. Vom 1. Jahrtausend an befassten sich die Gelehrten lediglich mit erlernten Formeln. Bestehende Mythen wurden kopiert.
Die Literatur ist anonym überliefert; die Frage des Verfassers spielte wie
im europäischen Mittelalter eine untergeordnete Rolle. Viele Texte waren
von Göttern einem Schreiber im Traum diktiert worden. Erst vom Ende des
2. Jahrtausends an wurden einige Texte Autoren zugeschrieben. So galt
Sin-leqe-unnini der babylonischen Tradition nach als Autor des GilgameschEpos. Doch ist dieses Epos mindestens ein Jahrtausend älter als Sin-leqeunnini, der um 1100 lebte und wohl als dichterischer Bearbeiter wirkte. Kabti-ili-Marduk soll in einer einzigen Nacht die Dichtung Ischum und Erra
offenbart worden sein.
7. Lernen
Die Fähigkeit zu schreiben und zu lesen erwarben Kinder in der Schule. Der
Schule oblag nicht nur, das gesammelte Wissen zu vermitteln, sondern auch
Kultur, Religion, Normen, Werte und Interpretationsmuster weiterzugeben.
Die Jungen wurden zwischen dem fünften und siebten Lebensjahr eingeschult und blieben dort bis zur „Mannwerdung“.
Der übliche Schriftträger im Alten Orient war der Ton. Aus ihm wurden
nicht nur Tafeln geformt und beschriftet, sondern auch Zylinder, Prismen,
Backsteine, Knäufe oder Kegel. Das Tontafelformat hing teilweise vom Inhalt
ab. Wegen ihrer Handlichkeit hatten Alltagstafeln über Transaktionen eine
durchschnittliche Seitenlänge von 10 bis 25 cm. Gründungstafeln in Funda-
7. Lernen
137
Abb. 72 왘
Nimrud: Wachstafel, H. 34 cm,
Ende 8. Jh. v. Chr.
London, British
Museum.
menten maßen hingegen 40 ҂ 40 cm. Schultafeln waren oft linsenförmig. Neben Ton wurden auch Metall- und Steinobjekte beschriftet. Von 1400 v. Chr.
an schrieb man zusätzlich auf Wachstafeln (Abb. 72) und im 1. Jahrtausend
– vorzugsweise alphabetische Sprachen – mit Tinte auf Pergament (Abb. 10).
Als Wachstafeln dienten mit Wachs gefüllte Holzrahmen.
Die erste Handlung eines Schülers bestand in der Tafelvorbereitung. Vor
der Beschriftung einer Tafel zeichneten Schüler und Schreiber Orientierungslinien. In den noch feuchten Ton wurde mit einem Griffel geschrieben. Die
Tafeln trocknete man in der Sonne, nur äußerst wichtige Verträge wurden
gebrannt.
8. Schulstufen, Schulstoff und „Schulgebäude“
Im 1. Jahrtausend v. Chr. gab es für ganz Babylonien zwei Schulstufen und
einheitliche Lehrpläne. In der ersten Schulstufe, einer Art Grundschule, lernten alle Kinder zunächst mit Listen und dann mit einfachen Texten Lesen und
Schreiben. Danach konnte sich jedes Kind unterschiedlich orientieren: ent-
138
X. Ausbildung und Arbeit
weder die erste Schulstufe weiterführen und sich „humanistischer“ ausbilden
lassen oder eine zweite Schulstufe besuchen, die auf technischere Berufe
vorbereitete. In der Weiterführung der ersten Schulstufe wurde der Schüler
mit dem Schreiben administrativer Texte vertraut gemacht. Ein nicht ganz so
begabter Schüler konnte früher aufhören und einen etwas niedrigeren Beruf
ergreifen. Diejenigen, die die gesamte Laufbahn vollendet hatten, bekamen
verantwortungsvolle Posten in der Verwaltung oder im königlichen Apparat.
In der praxisorientierteren zweiten Schulstufe wurden, je nach zukünftigem
Beruf, weitere Felder erforscht. Dabei sind wir über den Beruf des Beschwörungspriesters am besten informiert.
Schulen erkennt man bei Ausgrabungen nicht am Bau, sondern lediglich
an der Anwesenheit von Schülertafeln und Abschriften. Die Schreiberausbildung fand bis zum Ende des 3. Jahrtausends überwiegend in der Familie statt.
Erst in der Ur III-Zeit um 2100 v. Chr. entstanden Schulen, die der staatlichen Kontrolle unterlagen. Der Fund zahlreicher Schülertafeln und Archive
in Palästen und Privathäusern weist jedoch darauf hin, dass von 2000 v. Chr.
an der Unterricht sehr oft auch privat war.
9. Der arbeitende Mensch
Im „Gedicht des Atramhasis“, das um 1700 v. Chr. geschrieben wurde, erfahren wir, dass die Göttergesellschaft in zwei Gruppen eingeteilt war: Die Anunnaki ließen sich bedienen und die Igigi bedienten. Erschöpft von dieser Last
rebellierten sie und streikten. Ea schlug die Schaffung eines Wesens vor, das
genauso gut arbeiten wie die Igigi, zugleich aber fügsamer sein sollte. Dieses
Substitut wurde der Mensch. Um die gewünschten Qualitäten zu erreichen,
wurde das Blut eines geopferten Gottes mit Lehm vermengt. Das Blut gewährleistete die gute Arbeit der Menschen und der Lehm ihre Sterblichkeit.
Im Alten Orient wurde der Mensch zum Arbeiten erschaffen. Die große
Mehrheit der Städter arbeitete als Handwerker. Dabei gehörten sie je nach
Spezialisierung durchaus der Mittel- und der Oberschicht an. Am besten
angesehen waren wohl die Schreibberufe. Allerdings ist es nicht sicher, ob der
Verdienst in diesen „akademischen“ Berufen immer der höchste war. Denn
Händlermargen waren erheblich. Wenige Textstellen lassen eindeutig darauf
schließen, dass der Beruf von Generation zu Generation, also von Vater und
Mutter auf Sohn und Tochter, überging. Die Dauer des Lernprozesses hing
von dem zu erlernenden Handwerk ab. Goldschmiede brauchten länger als
Töpfer. Die Ausbildungszeit variierte von 16 Monaten für den Koch bis zu
acht Jahren für den Architekten. Ein Siegelschneider benötigte nach einem
Brief aus achämenidischer Zeit vier Jahre.
9. Der arbeitende Mensch
139
Berufe ohne Schrift
Das Aufkommen und die Verbreitung von Fachkräften im Alten Orient
gingen mit der Bildung einer Tempel- und Palastorganisation einher. Spätestens vom Ende des 4. Jahrtausends an arbeiteten sie nunmehr den
ganzen Tag in ihrem Handwerk und verdienten damit ihren Lebensunterhalt. Spinnen, Weben, Nähen und Stricken blieben überwiegend den Frauen
vorbehalten. Spezialisierte Bereiche wie Färben, die Herstellung besonderer
Stoffe, ihre Ausschmückung und das Waschen kostbarer Gewänder lagen
wohl eher in männlichen Händen. Im Lederhandwerk gab es Gerber, Sattler und Schuster, die auch die Ausstattung für Soldaten fertigten. Schilfrohr
wurde zu Matten, Körben, Zäunen oder sogar Hütten, zu Häuserteilen wie
Türen, Möbeln und zu Booten geflochten. Schreiner bearbeiteten Holz für
Möbel, Türrahmen und Dachbalken im Hausbau, für Schiffe und Wagen
(Abb. 73). Stets begehrt waren Töpfer. Obwohl Lehmziegel überall und ständig gebraucht wurden, gehörte ihre Fertigstellung zu den niedrigsten Beschäftigungen.
Abb. 73 왘
Uruk; Terrakotta
mit einem Handwerker (Schreiner), H. 8 cm.
Altbabylonisch.
Paris, Louvre.
140
X. Ausbildung und Arbeit
왗 Abb. 74
Nimrud, Palast
Assurnasirpals II.:
Reliefierte Steinplatten mit Kriegsszenen. London,
British Museum.
Noch ausgefeiltere Kunstfertigkeit verlangte die Stein- und Metallverarbeitung. Aus Stein bestanden zahlreiche Kunstwerke, aber auch Siegel und
Schmuck. Kupfer- und Goldschmiede stellten nicht nur schwierige, sondern
auch kostspielige Produkte her.
Zu den niedrigen, aber geschätzten Berufen gehörten weibliche und
männlicheTänzer, Sänger und Musiker. Ebenso wenig ehrenhaft war es, eine
Kneipenwirtin zu sein. Immerhin wird aber eine solche im Gilgamesch-Epos
erwähnt. Kneipen waren auch Orte der Prostitution, die sicherlich als unfein
galt, aber nicht tabuisiert war.
Das Kriegswesen
Obwohl große oder kleine kriegerische Auseinandersetzungen im Alten
Orient zur Tagesordnung gehörten, gab es kaum Berufssoldaten. Die Masse
der Soldaten stammte von Fall zu Fall aus der normalen Bevölkerung. Für
die frühdynastische Zeit vermutet man, dass einige tausend Soldaten für
einen Krieg mobilisiert wurden. Sargon von Akkade erwähnt, dass ihm stets
5400 Mann zur Verfügung standen (Abb. 27). Die altbabylonischen Briefe von
Mari berichten über eine Koalition von 30 000 Mann. Das assyrische Heer
zählte mehrere 10 000 Soldaten. Die neuassyrischen Könige rekrutierten
Truppen aus den Vasallen und den Besiegten, zusätzlich verpflichteten sie
wesentlich mehr Söldner als früher.
9. Der arbeitende Mensch
141
Bis zum 1. Jahrtausend wurde überwiegend zu Fuß gekämpft. Der seit
1500 v. Chr. bekannte, von Pferden gezogene Kriegswagen wurde vermehrt
erst in der neuassyrischen Zeit mit Kavallerie eingesetzt (Abb. 74). Neben
Waffen bestand die Kriegsmaschinerie nunmehr aus Rammböcken, Leitern
und mobilen Türmen. Bewegung und Verpflegung der Truppen verlangten
eine Logistik, über die wir nicht viel wissen. Zur Kriegsvorbereitung setzten
die Assyrer Spione und Agenten ein. In der Achämenidenzeit hießen sie „die
Augen und die Ohren des Königs“.
Berufe mit Schrift
Die Verwaltung war ein wichtiger Arbeitgeber für Schriftkundige. Die zwei
zu verwaltenden Haupteinheiten waren der Tempel und der Palast. Dort
gab es eine Fülle von Amtsträgern, die vom Minister und Statthalter bis zum
kleinen Aufseher reichten. Sie beurkundeten die Feldverwaltung, vermaßen
Böden, dienten in den Aufsichtsbehörden für Viehwirtschaft, Jagd und Fischfang sowie für Anlage und Instandhaltung des Kanalsystems. Es gab eine
Eichstelle für Gewichte und Maße sowie Behörden für Abgaben aus Handel
und Gewerbe.
Der Richter (dajjânu) erscheint schon in der frühdynastischen Zeit als
Beruf. Ein Protokollführer und Gehilfen standen ihm bei. Ein Herold, gleichsam ein „Regierungssprecher“, verkündete amtliche Informationen.
Für Ärzte gab es Schulen, in denen besonders erfolgreiche Ärzte unterrichteten. Eine solche Schule befand sich im Gula-Tempel von Isin. Die
meisten Ärzte lernten jedoch sehr wahrscheinlich durch Praxis und Erfahrung von ihren Vätern. Im Arbeitsalltag spielten Titel und Hierarchien eine
wesentliche Rolle. Wir kennen den Arzt, den Chefarzt und den abgeordneten Arzt. Chirurgen konnten Knochenbrüche heilen. Frauen arbeiteten als
Hebammen. „Ärzte für Rinder und Esel“, also Tierärzte, werden ebenfalls
erwähnt. Die Ärzte arbeiteten für den Palast oder den Tempel und von
2000 v. Chr. an auch unabhängig. Ihre Bezahlung hing vom sozialen Status
des Patienten und von ihrem Erfolg ab. Exzellente Beobachtungsgabe und
Ganzheitsmethode charakterisieren die antike Medizin. Dennoch erkannte
man nur selten den Zusammenhang zwischen Krankheit und Ursache.
Krankheit galt deswegen als eine Strafe der Götter.
Lediglich Tafeln mit eingeritzten Grundrissen von Wohnhäusern und
Tempeln gestatten uns einen Hinweis über die Art und Weise, wie Architekten arbeiteten. Kurze keilschriftliche Notizen verweisen auf den Bautyp und
beschreiben Raumform, Durchgänge und Raumfunktion.
Ingenieure bleiben in den Texten unerwähnt. Ohne sie wären jedoch viele Bauten, Einrichtungen der Infrastruktur wie Kanäle, Aquädukte (Abb. 40),
Straßen oder Brücken und Kriegsmaschinen (Abb. 74) nicht denkbar.
142
X. Ausbildung und Arbeit
10. Erfindungen und Wissen
Erfindungen und Techniken
Mesopotamien ist ein Land der Erfindungen. Um 7000 v. Chr. wurde die
Keramik erfunden. Zu den späteren wegweisenden neuen Techniken zählt
die Schrift, vom Piktogramm zum Alphabet. Rad und Pflug kommen als Zeichen bereits auf den Uruk IV-zeitlichen Tafeln vor. Als Wagenräder wurden
im 4. und im 3. Jahrtausend Scheibenräder (Abb. 25) und vom 2. Jahrtausend
an Speichenräder verwendet (Abb. 74). Was Techniken und Handwerk betrifft, so erreichten sie einen hohen Stand. Metallguss, die Granulationstechnik der frühdynastischen Juweliere, Stein- und Elfenbeinverarbeitung oder
die Stoffherstellung verdienen noch heute Bewunderung. Von etwa 5500
v. Chr. an wurde glasiert, zunächst Steatitperlen und vom 2. Jahrtausend an
Glaspasten und Ton. Die Glasurtechnik erreichte ihren Höhepunkt in Babylon und Susa, wo ganze Bauten mit glasierten Ziegeln verziert wurden. Glasfunde tauchen in Syrien und der Levante zu Beginn des 3. Jahrtausends auf.
In Mesopotamien waren sie vor allem im 1. Jahrtausend verbreitet.
Wissenschaft
Wie geforscht oder über Wissenschaft im Alten Orient gedacht wurde, erahnen wir nur anhand der Funde. Eine Systematisierung des Wissens fand
in Form von lexikalischen Listen bereits am Ende des 4. Jahrtausends statt.
Von der Botanik und Heilkunde zur Mineralogie, vom Recht zur Wetterkunde und Zoologie interessierten sämtliche Bereiche.
Einige hundert Tontafeln informieren uns über den Stand der Mathematik. Das System war dezimal, in Babylonien allerdings von 2100 v. Chr. an
sexagesimal. Mit Addition, Substraktion und Multiplikation sowie den
Kenntnissen über die Eigenschaften des Rechtecks, des Dreiecks und des
Kreises wurden Längen-, Flächen- und Hohlmaße, Volumina und Gewichte
berechnet, die man auf die Kubatur eines Baus, die Berechnung von Erträgen
und Rationen, auf Feldflächen oder Geldzins anwandte.
Zugleich Beruf und Wissenschaft waren Mantik, Astronomie und Astrologie. Astrologie, die Beobachtung der Bewegungen der Himmelskörper
im Hinblick auf Weissagungen, und Astronomie, eine neutrale, wissenschaftliche Beobachtung des Himmels, ergänzten sich in der Antike und bildeten
eine zumindest im 1. Jahrtausend alles beherrschende Wissenschaft (Abb.
75). Für jede friedliche und kriegerische Handlung war es erforderlich, den
von den Göttern gewünschten Zeitpunkt zu erkennen und die Zukunft zu
interpretieren. Dazu bedienten sich die Babylonier ihrer Himmelsbeobachtungen. Von 750 v. Chr. an kennen wir tägliche Notizen über den nächtlichen
Himmel. Mondfinsternisse konnten im Voraus genauestens festgelegt wer-
10. Erfindungen und Wissen
143
Abb. 75 왘
Assyrische Tontafel mit Keilschrift,
die eine Sonnenfinsternis vorhersagt, 6,9 ҂ 5 cm,
7. Jh. v. Chr.,
London, British
Museum.
den. Die fünf Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn werden bereits zu Beginn des 2. Jahrtausends erwähnt.
Des Weiteren erlaubte diese Wissenschaft, den Kalender zu kontrollieren
und dafür die Bahnen der Himmelskörper zu bestimmen. Die Verbindung
einiger Sterne oder Sterngruppen mit den Monaten kennen wir von der altbabylonischen Zeit an. Um 400 v. Chr., während der Achämenidenzeit, bekamen einige Sterngruppen einen Namen, von denen zwölf noch heute die
Tierkreiszeichen benennen. Mit den Fortschritten und der damit verbundenen Vorstellung, die himmlischen Körper besäßen ein Eigenleben, begannen
die Menschen auch an den Einfluss der Sterne und Planeten auf sie zu glauben. Die ersten individuellen „Horoskope“ kamen in dieser Zeit auf.
144
X. Ausbildung und Arbeit
11. Gelehrte und Geheimwissen
Sehr früh erkannten die Menschen, dass sie Wissen besser ausrüstete, um die
Unwägbarkeiten des Lebens zu meistern. Während noch im 2. Jahrtausend
vor allem geschrieben wurde, um das Wissen an die kommenden Generationen weiterzugeben, unterstützte im 1. Jahrtausend die schwierig gewordene
Keilschrift die Tendenz, Wissen lediglich einer kleinen Elite zugänglich zu
machen. Leberschau-Spezialisten, Astronomen und Astrologen dienten dem
König, anders als etwa das delphische Orakel, das als unabhängige Institution im Rahmen der Polis für Apollo arbeitete. Je stärker die Kontrolle über
Wissen war, umso uneingeschränkter die Macht. Das Wissen wurde zum
Geheimnis und zum Geheimwissen.
12. Archive, Bibliotheken und Depots
Im Alten Orient gab es Archive, Bibliotheken und Depots. Ein Archiv ist die
für einen bestimmten Zeitraum stattfindende Aufbewahrung von „Arbeitstafeln“ aus dem Bereich der Verwaltung, des Rechtsverkehrs, der Wirtschaft
und der Korrespondenz. In einer Bibliothek hingegen fand man literarische,
historische, religiöse und wissenschaftliche Texte sowie Listen und Omina,
die man zu Studienzwecken konsultieren konnte. Gewollte Text- und daher
Wissenssammlungen scheint es nur unter Assurbanipal gegeben zu haben.
Wenn heute die Textsammlungen gemischt sind oder ihre Genese unklar
bleibt, spricht man auch von Depot. Tempel, Paläste und Privatpersonen
besaßen Archive und Bibliotheken. Das altbabylonische Privatarchiv des
Ur-Utu in Sippar barg etwa 2000 über mehrere Jahrhunderte geschriebene
Texte, das „Haus des Beschwörungspriesters“ in Assur um die 1200 fachrelevante Tontafeln aus dem 7. Jahrhundert v. Chr.
Tafelräume und ihr Aufbewahrungssystem können dank guter archäologischer Beobachtungen rekonstruiert werden. In einem Raum aus dem
königlichen Palast der Schicht IIB1 von Ebla (2500 v. Chr.) standen die
Tafeln thematisch geordnet auf Holzregalen, im altbabylonischen Mari in
Schilfkörben, wo Tonetiketten eine schnelle Übersicht erlaubten. Im Schamasch-Tempel von Sippar wurde ein 4,40 m ҂ 2,70 m großer Raum mit
mindestens 56 jeweils 70 cm tiefen Nischen ausgegraben, in denen man die
Tafeln hochkant hintereinander ordnete. Tafeln konnten auch in Tongefäßen
und Holzkisten aufbewahrt werden.
12. Archive, Bibliotheken und Depots
145
13. Rationalität und Irrationalität
In den letzten Abschnitten wurde der intellektuelle Horizont eines altorientalischen Gelehrten umrissen. Die in der Literatur vertretenen Meinungen
über das Niveau der altorientalischen Wissenschaft pendeln zwischen der
Unterstreichung dessen, was nicht erreicht wurde und der Bewunderung des
Erreichten.
Wissenschaftliches Denken heißt durch Zusammenfassen und Abstrahieren nach einem zusammenhängenden Wissen suchen und Modelle bilden.
Heute finden wir die altorientalische Mantik mit ihren Omina befremdlich.
Doch gibt uns ihr Aufbau, nicht ihr Inhalt, einen Einblick in altorientalische
Wissenschaftlichkeit. Ausgangsbasis der Omina waren Beobachtungen, meist
an Schafslebern, aber auch an sämtlichen Erscheinungen an himmlischen
und irdischen Körpern. Diese Texte sind wie der Kodex-Hammurapi aufgebaut und beginnen mit dem Satzteil „Wenn, im Falle dass …“ oder „Nehmen wir an …“. Sie gibt ein wahres Faktum wieder und beschreibt den
Gegenstand, mit dem es möglich sein wird, die Zukunft vorauszusagen.
Die Schlussfolgerung steht in der Zukunft und beschreibt, was passieren
wird. Die Beziehung zwischen beiden Satzteilen ist empirisch-logisch geordnet. Oft gehen Omina von ein und derselben Ausgangssituation aus, die
aber unter unterschiedlichen Aspekten betrachtet wird und zu verschiedenen Ergebnissen führt. Dies nennen wir Systematik. Dadurch nähert sich
die Wahrsagung einer universellen Kenntnis, die auf logischen Zusammenhängen beruht.
Waren die Omina negativ, griff der Wahrsager zu den Löseritualen namburbi. Damit sollte das schlechte Los „aufgelöst, wegradiert“ werden. Diese
namburbi entsprechen unserem Empfinden nach Beschwörungen oder Exorzismen, zeugen aber lediglich von einer nicht vorhandenen Trennung
zwischen systematischem Wissen und magischen Praktiken. Diese können
wir auch in der medizinischen Praxis beobachten. Wer es sich leisten konnte, hatte einen Arzt, den asū, der mit Medikamenten arbeitete, und einen
āšipu, der Rituale durchführte. Mittel und Zweck müssen unterschieden werden. Aberglaube und Wahrsagekunst sind irrational, die dazu eingesetzten
Mittel jedoch völlig rational durchstrukturiert. Glaube, Aberglaube, Ratio
und Irrationalität bilden eine Einheit und ergeben miteinander den intellektuellen Horizont eines Mesopotamiers.
1
2
3
4
5
146
Westenholz (2007) 293 contra Geller (1997) 47.
Englund (1996) 7.
Van de Mieroop (1999) 10–12.
Streck (2010).
Huehnergard – Woods (2004) 218.
X. Ausbildung und Arbeit
XI.
Bilder und Kunst
B
ilder, Motive, Kunst und Schönheit unterliegen gesellschaftlichen
Konventionen und Vorstellungen. Gerade im Alten Orient ist jedes
Motiv von der Rosette bis zur Löwenjagd auch symbolisch und religiös bedeutungsvoll. Jedes Kunstobjekt erfüllt einen Zweck. Dies heißt nicht,
dass die Bilder ohne ästhetische Vorstellungen entstanden und auch nicht,
dass die Herrschenden den ausführenden Handwerkern ausschließlich ihre
Vorstellungen aufzwangen oder dass individuelle Freiräume und Fähigkeiten unterdrückt wurden.
Die ersten Studien der noch jungen vorderasiatischen Archäologie waren
vor allem chronologischer und stilistischer Natur. Die letzten Jahrzehnte
brachten neue Ansätze, worin symbolische und politische Funktion sowie die
gesellschaftliche Relevanz von Kunst und Künstlern, Arbeitsaufteilung und
-vorgänge oder Aufstellungsort mit berücksichtigt wurden.
Im Vergleich zur ägyptischen Kunst führt heute die altorientalische ein
stiefmütterliches Dasein. Es liegt an der unstabilen politischen Lage der
Ursprungsländer, die ägyptische Materialfülle fehlt und spiegelt trotz aller
Zerstörung eine antike Wirklichkeit wider. In Mesopotamien wurde zwar
sehr viel Kunst, aber im Vergleich zu Ägypten weniger produziert. Nur vor
einigen Objekten gerät der heutige Betrachter in Entzückung. Und doch
stammen aus dem Alten Orient Kunstobjekte der Weltklasse, ob es Stelen,
Statuen, Reliefs, Rollsiegel oder Schmuckstücke sind.
XI. Bilder und Kunst
147
1. Das Viele und das Einzige
Die Zahl der erhaltenen Denkmäler ist selbst innerhalb einer Gattung sehr
unregelmäßig. Bei den Statuen sind beispielsweise etwa 600 vollständige
oder fragmentarische frühdynastische „Beterstatuetten“ erhalten, während
wir nur eine bis auf den Kopf vollständige Statue aus achämenidischer
Zeit kennen. Die neuassyrischen Orthostaten bilden ein umfangreiches
Korpus.
Abb. 76 왔
Assur: Akkadzeitliche Statue.
Diorit. Berlin,
VAM (Körper),
und Bagdad, Iraq
Museum (Kopf ).
2. Formen und Material
Die Bildträger weisen sehr unterschiedliche Formen auf. Zur Flachkunst
gehören Stelen, Orthostaten, reliefierte oder glasierte Ziegel, kleine Reliefs,
Vasen oder Siegel. Rundplastisch hingegen sind Statuen, die Götter, Menschen und Tiere darstellen.
Die altorientalische Kunst ist bis auf wenige Ausnahmen vergleichsweise
kleinformatig. Die Statuen sind meistens unter einem Meter groß. Die
akkadzeitliche Statue aus Assur (Abb. 76) misst jedoch 1,37 m ohne Kopf,
der Ur III-zeitliche Puzur-Ischtar 1,73 m (Abb. 77). Wenige Statuen,
etwa einige neuassyrische Statuen, sind lebensgroß, andere (eine
Statue Darius I. sowie einige Torhüterfiguren) sogar überlebensgroß. Stelen sind in der Regel größer als Statuen und bewegen
sich zwischen zwei und drei Metern. Naram-Sins Stele (Abb. 28)
misst zwei Meter, der Kodex Hammurapi 2,25 m (Abb. 30),
Urnammus Stele etwa 3,05 m (Abb. 29) und Asarhaddons aus
Zincirli 3,18 m.
Die größeren Kunstobjekte bestehen mehrheitlich aus
Stein, die kleineren aus Ton. Kleine Metallplastiken oder
Schmuck aus Metall und wertvollen Steinen waren sicherlich sehr
verbreitet, haben die Zeiten jedoch zufallsüberlassen überdauert.
3. Plastik
Von Terrakotten und kleinen Metallplastiken abgesehen, sind bei
sehr ungleichmäßiger Verteilung etwa 100 Götter- sowie 900 Menschen- und Tierplastiken für den Zeitraum zwischen Neolithikum
und Achämenidenzeit bekannt. Sie bilden allerdings lediglich
einen Bruchteil der antiken Produktion. Aus unzähligen Texten
erfahren wir nämlich, dass die Könige zahlreiche, bisweilen aus
den kostbarsten Metallen hergestellte und sie darstellende Statuen den Göttern weihten.
148
XI. Bilder und Kunst
왗 왗 Abb. 77
Kopf des Fürsten
Puzur-Ischtar
von Mari. Berlin
VAM.
Der Körper wird
im Archäologischen Museum
in Istanbul aufbewahrt.
왗 Abb. 78
Die ältesten Menschenplastiken gehen auf die Natufische Zeit (12.–11.
Jahrtausend) zurück, in der noch Tierbilder überwiegen. Im 10. Jahrtausend
tauchen in Syrien und Palästina für uns erkennbare Frauenbilder auf und
im 9. Jahrtausend die „klassischen“ neolithischen fettleibigen Frauen. Diese
beleibten Frauen sind zeitgleich mit den ersten in Bänken eingelassenen
Stierhörnern sowie den ersten Versuchen des Protoackerbaus, der Vorratswirtschaft und der rechteckigen Unterteilung eines runden Hauses. Wen
sie darstellen, wissen wir nicht. Sicher ist nur die Wichtigkeit ihrer Schutzfunktion.
Bis ins 4. Jahrtausend zeigen die Bilder eine religiös-politisch und hierarchisch kaum differenzierte Gesellschaft. Dies änderte sich spätestens am
Ende der Urukzeit. Von nun an erkennen wir Themenkreise mit religiösen
Handlungen oder solche, die die weltliche Elite umfassen. Die Plastiken sind
auch aus Stein gefertigt, während bisher vor allem Ton gebraucht wurde. Am
besten erhalten sind die sogenannte „Uruk-Maske“ (Abb. 78), Frauen- und
Männerstatuetten, Gefangene und stehende nackte Männer, fast alle aus
Uruk. Für den Abschnitt der frühdynastischen Zeit sind die „Beterstatuetten“ typisch (Abb. 26). Durchschnittlich zwischen 10 und 30 cm große, meist
stehende Männer und Frauen halten ihre Hände vor der Brust verschränkt.
Sie stammen vor allem aus dem Diyala-Gebiet, Assyrien und Nordsyrien.
Ihre drei Stilstufen – frühdynastisch II-, IIIa- und IIIb-Zeit – hängen von
der Stratigraphie ab, die in den Diyala-Grabungen erkannt wurde. Unrealistische Proportionen, ein dreieckiger Oberkörper, große, mit Lapis, Muscheln und Perlmutt eingelegte Augen, eine große Nase und kleine Hände
charakterisieren die ältere Gruppe (2700–2600 v. Chr.) (Abb. 79), naturnaher Körperbau und eine größere Modellierung die jüngere (2600–2350
3. Plastik
Uruk: Frauenkopf aus weißem Kalkstein,
H. 20,1 cm,
um 3200 v. Chr.
Bagdad, Iraq
Museum.
149
Abb. 79 왘
Tell Asmar:
Männliche und
weibliche Beterstatuette, H. 72
und 59 cm,
um 2700–2600
v. Chr. Bagdad,
Iraq Museum.
Abb. 80 왔
Mari: Stark
restaurierte
Statue von Salim,
dem älteren
Bruder des Königs.
H. 55 cm, 25./
24. Jh. v. Chr.
Damaskus,
National Museum.
v. Chr.) (Abb. 80). Sie waren in der Tempelcella aufgestellt. Dank ihrer
Inschriften – etwa 90 sind erhalten – wissen wir heute, dass Könige sowie
Mitglieder der königlichen Familie und der Elite die Statuetten einer Gottheit mit der Bitte um ein langes Leben weihten. Die Statuette stellt also den
Stifter dar, steht stellvertretend für ihn vor der Gottheit und übernimmt
somit eine Mittlerrolle. Der eingebürgerte Begriff „Beterstatuette“1 gilt demnach nur eingeschränkt.
Neben Steinstatuetten wurden auch Metallstatuetten hergestellt. Dabei erlaubt das Material einen freieren Stil. Unter ihnen ist eine frühdynastischzeitliche, aus Mari stammende, an ihrer Hörnerkrone als Göttin zu erkennende
Figur bemerkenswert (Abb. 81). Spätestens von etwa 3000 v. Chr. an wurden
nämlich die großen Götter wie die Menschen dargestellt. Um Götter und
Menschen bildlich auseinanderzuhalten, bekamen die Götter eine Krone, deren Tierhörner Stärke verbildlichen. Die kleine Göttin aus Mari
gehört zu den ältesten bekannten rundplastischen Götterbildern. Die Gründungsbeigaben in den Tempelfundamenten waren ebenso oft aus Metall
gefertigt (Abb. 42).
150
XI. Bilder und Kunst
Obwohl die akkadzeitlichen Statuen im Laufe
der Zeit sehr beschädigt wurden, lassen etwa Manischtusus Statuen ihre einstige Schönheit ahnen.
Die meisten Fragmente stammen aus Susa und
sind aus Diorit. Neu ist das Wickelgewand mit
Troddeln am Saum. Neu ist ebenfalls die größere
Länge der Inschriften, die nunmehr von Feldzügen
und Siegen berichten und mit einem Fluch auf den
Schänder enden. Die Zahl der Statuen von Privatpersonen ging stark zurück. Dies kann als königlicher Wunsch interpretiert werden, die Erlaubnis,
eine Statue zu weihen, nicht mehr freizügig zu verteilen. Zu den archäologischen Krimis gehört die
Zusammenfügung eines 1905 in Assur gefundenen, heute im Pergamon-Museum aufbewahrten
1,37 m großen Torsos mit einem 1982 in Assur geborgenen 30 cm hohen Kopf (Abb. 76)2. Akkadzeitlich ist weiterhin ein Meisterwerk des antiken
Metallgusses (Abb. 82). Der im Ischtar-Tempel
왖 Abb. 81
Mari: Statuette
einer Göttin aus
dem sog. „Schatz
von Ur“. Kupfer,
Silber, Elektron,
Lapislazuli und
Perlmutt,
H. 11,3 cm, 25./
24. Jh. v. Chr.
Damaskus, National Museum.
왗 Abb. 82
Ninive: Männlicher Kopf aus
Kupfer. H. 36,6 cm,
späte Akkadzeit.
Bagdad, Iraq
Museum.
3. Plastik
151
왗 Abb. 84
Mari: Statue der
„Wassergöttin“,
H. 142 cm.
Anfang des 2. Jts.
Aleppo, National
Museum.
Abb. 85 왘
Susa: Sitzstatuette
eines Herrschers
von Eschnunna,
H. 89 cm, Diorit,
um 2000 v. Chr.
Paris, Louvre.
Abb. 83 왖
Tello: Sitzstatuette des Gudea,
H. 46 cm,
um 2100 v. Chr.
Paris, Louvre.
152
von Ninive gefundene Kopf besteht zu 99 % aus Kupfer und wurde im
Wachsausschmelzverfahren mit separat angegossenen Ohren hergestellt.
1880/81 gruben in Tello Ernest de Sarzec und Léon Heuzey den kleinen
Palast des Adad-nadin-ahhe aus, eines Herrschers aus dem 2. Jahrhundert
v. Chr., und fanden dort acht Statuen, die laut Inschrift einen Herrscher
namens Gudea darstellten. Gudea ist der altorientalische Herrscher, der uns
mit 16, vielleicht sogar 22 Statuen die größte Statuenanzahl hinterließ (Abb.
83). Sie stellen ihn stehend oder sitzend dar und messen im heutigen Zustand
von 1,68 m bis 0,40 m. Sie geben Anlass zu folgender Überlegung: Ein Portrait im Sinne einer getreuen Wiedergabe der Gesichtszüge oder einer bildlichen Übertragung der wichtigsten Charakterzüge gab es im Alten Orient
nicht. Die dargestellten Personen wurden dennoch sicherlich erkannt, aber
an ihren Attributen, an ihren Kleidern, ihrer Haltung oder ihrem bildlichen
oder textlichen Umfeld.
Während die Statuen der Mari-Könige Idi-Ilum und Puzur-Ischtar (Abb.
77) sicherlich Ur-III-zeitlich sind, bietet die „Wassergöttin“ aus Mari ein
typisch altbabylonisches Bild (Abb. 84). Neben dem Falbelgewand ist auch
XI. Bilder und Kunst
die dicke Perlenkette charakteristisch. Unter den Göttern sind noch die
Könige einführenden Gottheiten Lama häufig, selten hingegen viergesichtige Götter, die wohl zu Eas Umkreis gehören. Größere Königsstatuen stellen
Könige von Eschnunna dar (Abb. 85).
Nur wenige neuassyrische Plastiken haben die Zeiten überdauert, unter
ihnen die Statue des Wächtergottes Kidudu, die 1847 in Assur im Tabira-Tor
gefunden wurde, sowie weitere Schutzgötter aus Nimrud und Khorsabad.
Typisch assyrisch und archäologisch erstmals unter Assurnasirpal II. bezeugt
sind meist kolossale Torhüterfiguren (Abb. 86). Sie befanden sich paarweise
an Torlaibungen, in Palästen, seltener in Tempeln und Stadttoren. Sie stellten
Löwen, Stiere oder Mischformen dar. In diesem Fall bestand ihr Körper aus
einem Stier oder einem geflügelten Löwen, ihr Kopf oder auch ihr gesamter
Oberkörper war anthropomorph. Die älteste assyrische Königsstatue geht
vielleicht auf das 11. Jahrhundert v. Chr. zurück. Schon dieser König trägt das
Fransengewand. Sein linker Arm ist angewinkelt, die rechte Hand hält einen
Krummstab. Bezeugt sind ferner Statuen der Könige Assurnasirpal II. (Abb.
31) und Salmanassar III. Private Plastik und Frauenbilder sind sehr selten.
3. Plastik
왖 Abb. 86
Khosabad:
Monumentaler
geflügelter Stier
mit menschlichem Kopf.
Torhüterfigur am
Eingang zur Zitadelle Sargons II.,
H. 410 cm, um
721–705 v. Chr.
Paris, Louvre.
153
Die späthethitischen Könige ließen ebenso wie die assyrischen große
Stand- oder Sitzbilder meißeln, die oft aus Basalt bestehen. Anders als in
Mesopotamien befanden sie sich auch in Grabanlagen. An einem Tor stand
die 1972 in Susa entdeckte Statue Darius I. Achämenidisch sind weiterhin
kleine, nicht identifizierbare Büsten und Köpfe.
4. Flachkunst
Wandmalereien und Glasuren
Tempel, Paläste und Privathäuser wurden oft auch mit Wandmalereien
dekoriert. Hinzu kam die starke symbolische Wirkung von Farben. Prominentes Beispiel für das Neolithikum sind die Häuser in Çatal Hüyük, auch berühmt wegen der Lebendigkeit und Abwechslung ihrer Jagdszenen. Vom
Chalkolithikum an fügten sich die bemalten Szenen in eine Registereinteilung und zeigten nunmehr einen auf die Elite beschränkten Personenkreis
in politisch-religiösen Szenen. Gut erhalten sind die Wandmalereien im
Palast von Mari und im neuassyrischen Palast von Til Barsip. Großflächige
Glasuren fanden sich in Babylon (Abb. 33) und Susa (Abb. 58).
Stelen, Kudurru, Obelisken
Stelen, die in Tempeln standen, waren meist einseitig bebilderte, oben rund
oder eckig abgeschnittene Steinblöcke. Sie sind bereits seit der späten Urukzeit gut bekannt.
Die späturukzeitliche, 0,80 m hohe Löwenjagdstele aus Uruk ist bemerkenswert, weil sie als erstes Kunstwerk das „urmesopotamische“ Thema
der königlichen Löwenjagd, hier gleich zweimal, darbietet. Die ebenfalls für
ihre detailreich wiedergegebene Kriegsszene wichtige, 1,80 m hohe „Geierstele“ Eanatums von Lagasch wurde bereits erwähnt (Abb. 25). Auf der sogenannten „mythologischen Seite“ hält der Gott Ningirsu die Feinde in
einem Netz fest. Auf der anderen, der „historischen Seite“ wird die Schlacht,
verteilt über mehrere Register, dargestellt. Akkadzeitliche Gegenstücke sind
die Sargon-Stele (Abb. 27) und die Naram-Sin-Stele (Abb. 28), deren ursprünglicher Inschrift Schutruk-Nahhunte eine eigene hinzufügte. Darin
berichtet er, dass er dieses seit Jahrhunderten im Schamasch-Tempel zu
Sippar aufbewahrte Denkmal nach Elam entführt und seinem Gott Inschuschinak geweiht habe. Einmalig ist die freie Flächeneinteilung des Motivs.
In der Ur III-Zeit waren Stelen sehr beliebt. Neu ist die Thematik aus
dem königlich-kultischen Bereich. Auf einer im Hof des Sin-Heiligtums in
Ur gefundenen Stele berichtet Urnammu über seine Bautätigkeit (Abb. 29).
Wir sehen ihn vor einer Gottheit sitzen und wie er vor zwei Göttern ein
154
XI. Bilder und Kunst
Trankopfer darbringt. Eine altbabylonische, in der
Nähe von Tell Asmar gefundene Stele zeigt Daduscha, den König von Eschnunna, in Siegespose.
Der Text berichtet über Städteeroberungen und
geglückte Verhandlungen mit Schamschi-Adad
von Ekallatum. Ebenfalls altbabylonisch ist die
Gesetzesstele, auf der Hammurapi vor dem Gott
Schamasch steht (Abb. 30). Sie wurde 1901/02 in
Susa mit acht weiteren Steinfragmenten entdeckt,
die auf die Existenz von mindestens zwei bis drei
Stelen schließen lassen.
In der neuassyrischen und der spätbabylonischen Zeit zeigen sich die Könige – etwa Assurnasirpal II., Salmanassar III. oder Adad-nirari III. –
betend vor Göttersymbolen. Wer es sich leisten
konnte, ließ sich in den aramäischen Fürstentümern eine Grabstele errichten, wo der oder die
Verstorbene steht oder vor einem Tisch sitzt; bisweilen werden sie mit Diener abgebildet.
Charakteristisch für den Zeitraum zwischen
dem 14. Jahrhundert v. Chr. und der Regierungszeit von Schamasch-schumu-ukin (667–648
v. Chr.) sind die sogenannten „Kudurrus“ (Abb.
87). Einige dieser eigentlich als narû (Stein) bezeichneten Steinblöcke sind doch aus Ton und
messen durchschnittlich unter 50 cm. Sie heben
sich durch den Inhalt der Inschriften um Landbesitz und Streifen hervor, auf denen Göttersymbole aufgereiht sind. Ab und an kommen figürliche Bilder vor, die den Begünstigten vor dem König oder vor einer Gottheit zeigen. Symbole bestätigen und
verstärken die göttliche Teilnahme, die ein gerechtes Urteil gewährleisten soll.
Heute sind etwa 160 ganze oder fragmentarische Kudurrus bekannt. Die
Hälfte davon stammt aus Susa, wohin sie durch antike Plünderungen der
Elamiter gelangten. Weitere 18 wurden in Nordbabylonien, ihrem Ursprungsland, ausgegraben.
Eine besondere Stelenform ist die des Obelisken, die besonders unter
Assurnasirpal II. und Salmanassar III. geschätzt wurde, auch wenn sie, wie
der Broken Obelisk, bereits im 11. Jahrhundert v. Chr. existierte. Der 2,90 m
hohe und aus Kalkstein bestehende „Weiße Obelisk“ trägt einen Text, in dem
Assurnasirpal, wahrscheinlich II., genannt wird (Abb. 88). In Registern aufgeteilte Bilder zeigen Eroberungen und Jagderfolge. Obeliske wurden in Tempeln und Palästen gefunden und boten neben glasierten Bildern, Orthostaten und Toren eine weitere Möglichkeit, an militärische Taten zu erinnern.
4. Flachkunst
왖 Abb. 87
Susa: Kudurru
des Melischischu
II. mit Symbolen
der Hauptgötter:
oben die Mondsichel des Mondgottes, der Stern
der Ischtar und
die Sonne des
Schamasch,
68 ҂ 28 cm,
schwarzer Kalkstein, um 1202–
1188 v. Chr.
Paris, Louvre.
155
Orthostaten
Ebenfalls typisch für die neuassyrische Zeit sind an den Wandsockeln
angebrachte große Steinplatten, die man Orthostaten nennt. Damit
schmückten in Nimrud Assurnasirpal II. zahlreiche Räume in seinem
Nordwestpalast und Tiglatpilesar III. in seinem Zentralpalast. Sargons Palast lag in Khorsabad. In Ninive ließ Sanherib Platten für seinen Südwestpalast herstellen. Dort ersetzte sein Enkel Assurbanipal
einige Platten durch eigene, bevor er die heute bekanntesten Orthostaten für seinen Nordpalast anfertigen ließ. Nicht alle Könige besaßen die finanzielle Kraft oder auch die Muße, einen Palast zu
bauen oder, falls sie doch einen bauten, ihn mit Orthostaten zu
schmücken. So verwendete Asarhaddon ältere Orthostaten in seinem
Südwestpalast in Nimrud wieder.
An die Wand gestellte Steinblöcke gibt es im Vorderen Orient
seit dem Beginn des 2. Jahrtausends. Da die ältesten unter ihnen
aus Alalakh im Hatay stammen und nicht verziert waren, bestand
ihre Hauptfunktion im Schutz der Lehmziegelmauer in einem verhältnismäßig feuchten Klima. Von der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends an sind Orthostaten in Anatolien, etwa in Alaca Hüyuk, in
Malatya oder in Karkemisch häufig bebildert. Es scheint, dass Assurnasirpal II. sie auf Feldzügen gesehen hatte. Dennoch ahmte er sie
nicht nach, sondern verwandelte sie in Symbole für Expansion,
Macht und Reichtum. Außerdem hatte schon Tiglatpilesar I. den
왗 Abb. 89
Ninive: Relief aus
dem Südwestpalast Sanheribs,
H. ca. 225 cm,
hier eine Lithographie von
Austin Henry
Layard. Sie zeigt
den Transport
einer Wächterfigur in Form
eines geflügelten Stieres mit
Hilfe eines
Schlittens.
Abb. 88 왖
Ninive: Sog.
„Weißer Obelisk“
mit Kampf-, Jagdund Kultszenen
König Assurnasirpals (wahrscheinlich des II.),
H. 290 cm. Kalkstein, London,
British Museum.
156
XI. Bilder und Kunst
왗 Abb. 90
Ninive: Relief, das
die Belagerung
der Stadt Lachisch
durch Sanherib
zeigt. um 700–
680 v. Chr. London,
British Museum.
„Alten Palast“ in Assur mit kleinen beschrifteten, aber bildlosen Steinplatten versehen. Zahlreiche Orthostatenplatten wurden im 19. Jahrhundert für
den Transport zerlegt. Ihr Durchschnittsmaß lag zwischen 1,5 m und 2,5 m.
Im Laufe der zweieinhalb Jahrhunderte von Assurnasirpal bis Assurbanipal stellen Orthostaten königliche Eroberungen (Abb. 74), Jagd- und Opferszenen dar. Lediglich Sanherib interessierte sich für den Palastbau (Abb. 89).
Die Bildprogramme der assyrischen Paläste sind auffallend arm an religiöser
Ikonographie. Den Gott in der geflügelten Scheibe ausgenommen, werden
hohe Götter nicht dargestellt, selten niedere in Form von Genien, Mischwesen und Helden. Dafür änderten sich aber Stil und Bildgestaltung. Während
unter Assurnasirpal die Reliefierung noch betont und kantig ist, sticht die
sehr feine Modellierung unter Assurbanipal ins Auge. Von Tiglatpilesar III.
an entfalten sich die Szenen immer freier über die Grenzen der Orthostatenplatte hinweg (Abb. 10), um unter Sanherib und Assurbanipal ganze Räume
umfassende Zyklen zu bilden. Besonders eindrucksvoll sind im Südwestpalast Sanheribs Platten mit der Belagerung von Lachisch (Abb. 90) und der
Errichtung seines Palastes sowie Assurbanipals Kriege in Babylonien. Seinem
Sieg über den elamischen König widmete Assurbanipal eine außergewöhnlich dichte und reichhaltige Bildserie. Im Thronraum des Nordpalastes sehen
wir Feldzüge nach Babylon, Susa und Ägypten, in einem anderen Raum die
Feldzüge gegen Araber und an der zum Hintereingang langsam herabfallenden Rampe den König und Menschenzüge, die von der Jagd zurückkommen.
Im Korridor und im Hintereingang wurden außerordentlich qualitätvolle
Jagdszenen mit verendenden Löwen, Onagern und Gazellen gezeigt. Die
berühmten Bilder der sogenannten Kleinen Löwenjagd (Abb. 91) und der
4. Flachkunst
157
Abb. 91 왘
Ninive: Orthostat
Assurbanipals
mit der „Kleinen
Löwenjagd“. In
der unteren
Reihe gießt er
ein Trankopfer
über den erlegten Löwen aus.
London, British
Museum.
Abb. 92 왔
Tell Halaf:
Kapara-Palast.
Orthostat mit
einem geflügelten Genius als
Atlanten,
9. Jh. v. Chr.
H. 56 cm. Basalt.
Paris, Louvre.
158
„Gartenszene“ (Abb. 32), wo Assurbanipal und seine Gattin Libbali-scharrat
unter einer Laube trinken und in deren Nähe Teummans Kopf hängt, gehörten wohl zur Dekoration des oberen Geschosses.
Unter Perspektive verstehen wir seit der Renaissance eine Raumwiedergabe, die durch die Verkürzung des Dargestellten erreicht wird. Diese Perspektive gab es schon allein wegen der Symbolik im Alten Orient nicht, nach
der beispielsweise die Größe der dargestellten Personen – Kinder ausgenommen – von ihrer Bedeutung abhing. Eine seit Tiglatpilesar III. immer größer
werdende Staffelung und Überschneidung führten jedoch zu Tiefeneindruck
und freierer Komposition (Abb. 10). Der „geistige Blick“ gestattete es, in
einen Bau und aus der Vogelperspektive von oben zu sehen. Während unter
Assurnasirpal II. die einheitliche, ohne Bildbezug stehende „Standardinschrift“ den oberen Bildstreifen vom unteren trennt,
haben die Könige von Sargon an den Text als Erklärungsmöglichkeit voll ausgeschöpft und ihn als regelrechte Sprechblasen dem Bildinhalt angepasst.
Der anatolischen Tradition verpflichtet, aber auch
von den assyrischen Machthabern beeinflusst, ließen
zahlreiche aramäische Fürsten ihre Paläste mit Orthostaten schmücken. In Tell Halaf war der Palast Kaparas
mit etwa 240 Orthostaten von 60 cm bis 80 cm Höhe versehen, von denen 182 in situ wiedergefunden wurden.
Es waren abwechselnd dunkle Basalt- und rotgefärbte Kalksteinplatten. Die Bilder zeigen religiös-symbolische Szenen mit Stiermenschen, Sphingen, Genien
(Abb. 92), kriegerische Szenen mit Soldaten und friedliche Szenen mit einem Kamelreiter oder einem Tierkonzert.
XI. Bilder und Kunst
왗 Abb. 93
Balawat: Tor, um
850 v. Chr.
London, British
Museum.
Holztore
Tempel und Paläste besaßen zweiflügelige Holztore, die bei entsprechendem
Reichtum mit Bronzebeschlägen versehen waren. Die drei besterhaltenen
sind neuassyrisch und kamen 1877 und 1956 in Balawat, dem antiken Imgur-Enlil, etwa 40 km südöstlich von Mossul, ans Licht. Das Tor, das am
besten rekonstruiert werden kann, geht auf König Salmanassar III. zurück
(Abb. 93). Es war etwa 2,30 m breit und etwa 6,00 m hoch. Acht bebilderte,
jeweils etwa 1,45 m breite Bronzestreifen wurden auf einen Holzhintergrund
genagelt. Dieses Tor verschloss wahrscheinlich den Eingang zu Salmanassars
Palast. Ein ähnliches, von Assurnasirpal II. angebrachtes Tor verschloss die
Vorcella zum Tempel des für Träume zuständigen Gottes Mamu. Dort waren
Eroberungszüge der Könige dargestellt.
4. Flachkunst
159
Felsreliefs
Die einzigen in der Landschaft noch sichtbaren
Monumente sind Felsreliefs. Sie befinden sich in
bisweilen schwer zugänglichen Berggegenden an
Straßen, Pässen und Furten und stellen möglicherweise zugleich Grenzmarkierung, Erinnerungsdenkmal und auch symbolischen Schutz
dar. Zu den ältesten gehören die Reliefs von Bitwata, Darband i-Gaur, Sheikhan und Sar-i-Pul-i
Zohab, die nördlich und südlich von Sulaimaniya
liegen. Sie zeigen einen über liegenden Feinden in
Siegespose stehenden Herrscher, bisweilen mit
Ischtar und gefesselten Kriegsgefangenen. Trotz
der Nennung Anubaninis, des Königs der Lulubäer, kann die Datierung dieser Reliefs nicht
genauer als zwischen der Akkad- und der frühen
altbabylonischen Zeit eingegrenzt werden.
Die etwa 50 assyrischen Felsreliefs erstrecken
sich zeitlich von Tiglatpilesar I. an der „Tigrisquelle“ nahe Lice bis Asarhaddon. Dabei geht die
Hälfte auf Sanherib zurück. Üblich ist der König
vor den als Symbole wiedergegebenen Göttern.
Ungewöhnlich ist wie in Maltai und Bawian hingegen das Bild des vor den anthro pomorph dargestellten Göttern betenden Königs Sanherib.
Weitere Objekte der Flachkunst
Zu den weiteren kunstvollen Objekten der Flachkunst zählt die späturukzeitliche Vase aus Uruk
(Abb. 94), wo uns über vier Register die geistige
Welt des zu Ende gehenden 4. Jahrtausends v. Chr.
mit Natur, Tieren sowie Menschenzügen mit
Opfergaben und Handlungen um den InannaKult vor Augen geführt wird. Der Stil der auf
Mesilims Keule abgebildeten Löwenmähnen und
der Adlerflügel ist zum Leitfaden für die frühdynastisch II-zeitliche „Mesilim-Zeit“ geworden.
Ebenfalls frühdynastisch II- und III-zeitlich sind
quadratische Steinplatten, die mittels Pflöcken
in der Wand befestigt wurden. Diese sogenannten
„Weihplatten“ sind mit Bankettszenen, Wagen,
Abb. 94 왖
Uruk: Vase mit
Reliefverzierungen,
die eine Opferszene darstellen,
Fund aus dem
Schatzhaus des
Tempelbezirks der
Göttin Innana,
H. 120 cm,
Alabaster. Ende
4. Jt. v. Chr. Bagdad,
Iraq Museum.
160
XI. Bilder und Kunst
왗 Abb. 95
Nippur: Weihplatte mit Bankettszene, um 2500–
2400 v. Chr. Breite
28,3 cm, Gipsstein.
Bagdad, Iraq
Museum.
Menschenzügen und „Sportlern“ bebildert (Abb. 95). Das Festmachen und
Sicherstellen – dabei kann es sich um Verträge handeln oder um die Handlungen, die auf den Weihplatten abgebildet sind – verbindet sie strukturell mit
der assyrischen Gattung der Knaufnägel und Knaufplatten. Knaufplatten
sind quadratische in der Mitte durchbohrte Platten. Durch diese Durchbohrung wird ein Knaufnagel – ein Tonnagel mit einem runden Kopf – geschoben. Platte und Knauf sind mit einem glasierten floralen und geometrischen
Dekor geschmückt. Die Sumerer liebten eine farbige Kunst. Ausdruck dafür
sind kunstvoll intarsierte Objekte, deren Holzschale mit einer Bitumenschicht
überzogen war, in die Muschel-, Lapislazuli- und Jaspisintarsien gesetzt wurden. Eine Standarte aus Ur zeigt kulturprägende Themen mit einer Kriegsszene auf der einen und einer friedlichen Bankettszene auf der anderen Seite (Abb. 96). Von den neun im „königlichen Friedhof “ von Ur gefundenen
Leiern sticht der Klangkörper der Leier aus dem P(rivate)G(rave) 798 hervor
(Abb. 102). Im obersten Register packt ein sechslockiger Held zwei menschengesichtige Stiere. Darunter befinden sich Szenen, die wie Menschen
4. Flachkunst
161
Abb. 96 왖
Ur: Mosaikstandarte mit Bankettszene, um 2600/
2500 v. Chr. L. 47 cm.
London, British
Museum.
Abb. 97 왔
Babylon: Terrakottafigur einer
stillenden Mutter,
H. 5,2 cm. 7.–6. Jh.
v. Chr. Berlin, VAM.
agierende Tiere zeigen und die wir als Fabelillustrationen bezeichnen
würden: ein Wolf und ein Löwe bringen Opfergaben, ein kleines Tier hält ein
Rasselinstrument und ein Esel spielt eine Leier.
In Assur kamen sechs mittelassyrische, zur Aufstellung von Göttersymbolen dienende Symbolsockel ans Licht. Der berühmteste trägt eine Weihung Tukulti-Ninurtas I. an den Gott Nusku, dessen Symbol die Lampe ist.
Als Bild sehen wir einen Symbolsockel, in dem jedoch nicht Nuskus Lampe,
sondern ein Griffel und eine Tafel stecken, die die Symbole des Schreibgottes Nabu sind. Davor ist der König, einmal stehend, einmal kniend,
gleichsam in „kinematographischer Erzählform“ abgebildet.
5. Terrakotten
Rundplastische Terrakotten gibt es seit dem Neolithikum. Ende des 3. Jahrtausends wurde die
Modeltechnik erfunden, welche die serienmäßige
Herstellung flacher Terrakotten ermöglichte. Von
da an bildeten sie eine wichtige Gattung der Volkskunst mit unterschiedlichen religiösen Themen
wie Gottheiten, nackten Frauen, stillenden Frauen
(Abb. 97), aber auch alltäglichen Themen wie
Musikern (Abb. 103), Handwerkern (Abb. 73) und
Tieren. Sie wurden vor allem in Wohnräumen
gefunden und sind als kleine Schutzobjekte der
privaten Pietät zu interpretieren.
162
XI. Bilder und Kunst
6. Stempelsiegel, Rollsiegel
Stempel- und Rollsiegel bilden die vielfältigste Gattung der altorientalischen
Kleinkunst. Sie gehörten Privatpersonen, aber auch Königen und selten
sogar Göttern und waren ebenso eine wohl behütete „Visitenkarte“ in wirtschaftlichen und rechtlichen Transaktionen wie ein um den Hals hängendes
oder ins Grab mitgegebenes Schutzobjekt. Zum einem gewähren sie wegen
ihrer hauptsächlich auf Götter-, Helden- und Mischwesenbilder beschränkten Thematik einen Einblick in die mythisch-mythologische und religiöse
Welt, aber auch in zahlreiche Kultobjekte, Trachten, Frisuren, Möbel oder
Waffen, bisweilen sogar Alltagsszenen. Zum anderen erlaubt die Gegenüberstellung von Text und Bild sowie die Tatsache, dass Siegel auf Tontafeln und
Gefäße, Kisten und Körbe schließende Tonbullen abgedruckt wurden, kulturhistorische Schlüsse und die Rekonstruktion von Verwaltungspraktiken.
Ihr Material gibt Aufschluss über Handelswege, ihre Schneidetechnik über
das verwendete Werkzeug, etwa den Kugelbohrer. Die bekannten Siegel stammen leider häufig aus dem Kunsthandel. Da es kein Handbuch über altorientalische Glyptik gibt, gelten die Kataloge der größten Sammlungen in
Berlin, London und Paris als Nachschlagewerke. Zog man zu Beginn der
Siegelforschung vor allem Originale zu Rate, so rückten in den letzten Jahrzehnten ihre Abdrücke auf datierte Tontafeln stark in den Vordergrund.
Frühe Amulettsiegel, Perlensiegel, Stempelsiegel
Apotropäische und glückbringende Amulettsiegel tauchen bereits in der
natufischen Zeit (12 000–10 200) auf und zeigen als Form Tiere, Doppelaxt,
Kleeblatt, Keil, Fuß und Niere. Perlensiegel sind langoval, rautenförmig oder
rechteckig. Aus dem Amulett sollte sich in Syrien im 7. Jahrtausend das
Stempelsiegel ableiten. Stempelsiegel sind geometrisch oder figürlich und
bestehen aus Stein, Fritte oder Knochen. Formschönheit und Praxis kombinierten die urukzeitlichen, sehr unterschiedliche Tiere darstellenden Stempelsiegel. Sie sind schon lange aus dem syrischen Tell Brak bekannt, ein
jüngerer Fundort ist das 75 km östlich von Tell Brak liegende Hamoukar.
Andere Stempelsiegel zeigen gesellschaftlich relevante Themen mit Menschen und Tieren (Abb. 22).
Rollsiegel
Der markanteste Unterschied zwischen dem Stempel- und dem Rollsiegel
besteht darin, dass man ein Rollsiegel endlos abrollen kann. In Mesopotamien
verschwand das Stempelsiegel zu Beginn der frühdynastischen Zeit, wurde
aber im 1. Jahrtausend wieder geläufig. In westlichen Regionen überwog das
Stempelsiegel.
6. Stempelsiegel, Rollsiegel
163
Ihr Material ist meistens Stein, häufig Fritte, aber auch Knochen, Elfenbein, Glas, Ton und Metall wurden verwendet. Die Vorliebe für den dunklen
und glänzenden Hämatit in der altbabylonischen Zeit sowie für den pastellfarbenen Chalzedon im 1. Jahrtausend ist wohl eher geschmacklich als wirtschaftlich bedingt. Die Siegel sind im Laufe der Zeit kleiner geworden. Die
ältesten messen über 5 cm, später häufig zwischen 2 und 3 cm. Je nach der
Epoche sind mehr Rollsiegel oder Abdrücke überliefert. Jedenfalls gibt es
kaum ein Beispiel für ein Siegel, von dem sowohl das Original als auch sein
Abdruck bekannt ist.
Funde aus Susa, Schicht 21, Habuba Kabira, dem fast gegenüber liegenden Scheich Hassan und Tell Brak gestatten es heute, die Erfindung des Rollsiegels nicht mehr mit der Schicht Uruk IV, sondern mit den Schichten Uruk
VI, vielleicht sogar Uruk VII zu verbinden. In Uruk selbst gehen die ältesten
Siegel(-Abrollungen)auf die Schicht V zurück (Abb. 98a). Ihre Motive sind
relativ flach bearbeitete Löwenbezwinger, Gabenbringer, Tempelfassaden,
Kriegsszenen sowie Menschen- und Tierreihen. Noch jüngere Motive (Uruk
IVa) sind narrativer, plastischer und ohne Kugelbohrer bearbeitet. Tierhütten und Tierernährer sowie Götter und Schiffe (Abb. 98b) zählen dazu. Zum
Uruk III- und Djemdet Nasr-Zeithorizont gehören die aus glasiertem Steatit
und Chlorit in Kerbschnitt geschnittenen Siegel der „Piemont-Glyptik“,
deren Stil wegen seiner geometrischen floralen Motive „Brokat-Stil“ heißt.
Die große Neuigkeit der frühdynastischen II-Zeit ist das „Figurenband“,
wo kämpfende Helden und Tiere aneinandergereiht werden (Abb. 98c).
Einige Helden sind nackt oder tragen einen Schlitzrock, eine flache Kappe
oder eine zweizipflige Mütze. Neu und zugleich typisch sind der Stiermensch
und der Wisent. Der Stiermensch besteht aus einem menschlichen Oberkörper mit Stierbeinen und Stierohren, und der Wisent ist ein Rind mit starken
Hörnern, gewaltigem Vorderkörper und langer Behaarung am Kopf, am Hals
und am Kinn. Ebenfalls neu sind Trinkszenen, die in der frühdynastischen
III-Zeit eine zunehmende Rolle spielen werden. In diesem Zeitabschnitt
unterscheiden sich die Motive stilistisch durch mehr Körperlichkeit und
kompositorisch durch eine größere Bewegung. Dank Beschriftung können
einige Siegel einer Person zugeordnet werden. Barnamtara, Frau des Königs
von Lagasch, besaß ebenfalls ihr eigenes Siegel (Abb. 98c).
Die äußerst qualitative akkadzeitliche Glyptik (Abb. 62) ist durch die
Reduzierung der Figurenzahl, die Einführung zahlreicher mythologischer
Szenen, eine teilweise raffinierte Komposition, die Einbindung der Legende
und schließlich einen plastischen Stil charakterisiert. Wichtig wird der sechslockige Held.
Für die Ur III-Zeit sind die „Einführungsszene“, eine Szene, in der die
Göttin Lama vor dem Beter steht und ihn der Hauptgottheit „einführt“, und
die „Adorationszene“, in der Lama hinter dem Beter steht (Abb. 98d),
zugleich neu und die Hauptmotive.
164
XI. Bilder und Kunst
왗 Abb. 98
b
a
d
c
e
f
g
h
i
Die altbabylonische Zeit zeichnet sich durch die bereits bekannte Einführung und Kampfszenen aus, in denen sechslockiger Held, Stiermensch und
Löwendrache besonders beliebte Akteure sind. Bereits gegen Ende der altbabylonischen Zeit wich die auf eine oder zwei geschrumpfte Figurenzahl
einem längeren Gebetstext.
Um die Mitte des 2. Jahrtausends entwickeln sich unterschiedliche
Glyptikgruppen, unter ihnen die kassitische in Babylonien. Die älteste kassitische Gruppe des 15.–13. Jahrhunderts weist auf wenige Figuren und einen
6. Stempelsiegel, Rollsiegel
Rollsiegelabrollungen
a) Uruk: Menschen
mit Schlangen an
einem großen
Bauwerk
b) Uruk: En vor
einem Kultaufbau
in einem Schiff
c) Tell el-Hiba/
Lagasch: Siegel
der Banamtara,
um 2370 v. Chr.
d) Tello/Girsu:
Gudea wird dem
Gott Ningirsu eingeführt.
e) Nuzi: Siegel des
Königs Sauschtatar,
Mischwesen bändigt zwei Löwen.
f ) Neuassyrisch
(Ende 9.–8. Jh.
v. Chr.), ein Beter
steht vor einem
Gott, dahinter
eine kriegerische
Göttin.
g) Nimrud, NabuTempel: Held
bezwingt zwei
Mischwesen, Ende
7. Jh. v. Chr.
h) Persepolis: Held
bezwingt zwei
Tiere.
i) Stempelsiegel
aus Nimrud: Beter
steht vor den Symbolen der Götter
Nabu (Schreibgriffel?) und Marduk
(Dreieck), Ende
7. Jh. v. Chr.
165
langen Text, zwischen die Füllelemente wie Heuschrecke, Fliege, Fisch und
Raute eingestreut wurden. Die motivrahmenden Dreiecke ahmen die am
Siegel angebrachte Aufhängevorrichtung nach. Die zweite Gruppe wird in
das 14. und 13. Jahrhundert datiert und zeigt einen reichen, von der zeitgleichen mittanischen und ägäischen Glyptik beeinflussten Motivschatz
mit Landschaften, Mischwesen und Vögeln. Zur dritten, vom 13. Jahrhundert bis ins 1. Jahrtausend währenden Gruppe gehören Siegel minderwertiger Qualität aus Fritte oder weichem Stein. Tiere um den Lebensbaum und
Wagenszenen sind die häufigsten Motive. Die Glyptik der Isin II-Zeit führt
die kassitische Glyptik fort.
Eine Fülle von fantasievollen Mischwesen und geflügelten Helden und
Tieren, die die Registerlinien nicht immer respektieren, charakterisieren die
mittanische Glyptik des 15.–14. Jahrhunderts (Abb. 98e). Ob die Siegel
aus billiger Fritte und glasiertem Steatit oder aus Steinen bestehen, sie zeigen
Götter, eine nackte Frau en face, Tiere bezwingende Helden, Menschen und
Tiere.
Unsere Kenntnis der mittelassyrischen Glyptik des 14.–12. Jahrhunderts
fußt auf datierten Tontafeln aus Assur. Die noch mittanisch beeinflusste
Glyptik des 14. Jahrhunderts besteht vor allem aus wappenartig und häufig
paarweise angeordneten Helden und Mischwesen, die ein Tier bezwingen.
Für das 13. Jahrhundert sind der Kentaur und Tiere, die „im Knielauf “ nach
vorne stürzen, neu. Bisweilen geflügelte Pferde spielen eine große Rolle. Plastische Körper und ausgewogene Bewegungen bescheren dieser Glyptik eine
herausragende Qualität. Im 12. Jahrhundert kommen der König im Streitwagen, der Held mit Skorpionenschwanz, der Beter vor einem Tempel und
Tempelfassaden hinzu.
Edith Porada und Anton Moortgat teilten die neuassyrische Glyptik in
vier Stile auf, die auf jeweils unterschiedlich harte Materialien verweisen.
Inzwischen wird das neuassyrische Themenrepertoire meist unabhängig
von Stilen betrachtet. Häufig sind Götter und Helden, die bisweilen Mischwesen bekämpfen oder bezwingen, Jagdszenen, und – im rituellen Bereich –
Opfertrankszenen mit dem König sowie der Beter vor Gott oder Symbolen
(Abb. 98f).
Die neubabylonische Glyptik kann nach wie vor schwer von der neuassyrischen auseinander gehalten werden. Helden und Mischwesen sind weiterhin beliebte Themen (Abb. 98g).
1933 und 1934 wurden etwa 20 000 bis 30 000 Tafeln in den Befestigungsanlagen von Persepolis gefunden (Persepolis Fortification Tablets). Viele
dieser elamischen Tafeln tragen eine Siegelabrollung, die uns mit den Originalsiegeln einen umfassenden Einblick in die achämenidenzeitliche Glyptik
geben. Sie umfasst die altorientalischen Themen mit Göttern und Mischwesen, den Tiere bezwingenden Helden (Abb. 98h), den König im Wagen
und Jagdszenen.
166
XI. Bilder und Kunst
Stempelsiegel des 1. Jahrtausends
Während des 8. Jahrhunderts v. Chr. werden die Rollsiegel durch die Stempelsiegel verdrängt. Auf den assyrischen kommen nun eine geflügelte
nackte Göttin, Mischwesen, Göttersymbole, der König, Beter vor Göttersymbolen (Abb. 98i) und Tiere vor. Auf den neu- und spätbabylonischen
sowie auf den achämenidischen Stempelsiegeln ist der Beter vor Göttersymbolen vorherrschend. Darüberhinaus kommen Mischwesen, Tiere und
Tierbezwinger vor.
7. Bilder
Inhaltliche und formale Konventionen, Ästhetik
In den antiken Kulturen sind Bilder Denkbilder, hinter denen Konzepte
stehen. So gab es im Alten Orient keine „l’art pour l’art“. Selbst geometrische
Muster, Flechtmuster, Rosetten oder Zinnen gehörten auch zum weiten
Gebiet des zugleich Ästhetik und Schutz bringenden Dekors. Die Zweckmäßigkeit der Bilder war möglicherweise der Grund, weswegen das Themenrepertoire beschränkt blieb. Obwohl der religiöse und der politische Aspekt
im altorientalischen Kulturverständnis nicht getrennt werden sollte, besaßen
Bilder von Göttern, Betern und Gabenbringern, Einführungs-, Opfer-, Bankett- und Bauszenen oder von Mischwesen und Helden eine tiefreligiöse, bisweilen offiziell-religiöse Bedeutung. Genauso religiös, aber auch Ausdruck
von privaten Wünschen, waren Bilder mit stillenden Frauen, erotischen
Szenen oder Kranken. Feindestötung, Kriegszüge, Jagdszenen und die wenigen Alltagsdetails können hingegen eher dem Historisch-Politischen zugeordnet werden. Dies minderte keineswegs die symbolische Bedeutung
dieser Bilder, in denen Gottesergebenheit und Schutzbedürfnis, aber auch
kulturelles Selbstverständnis, Kommunikation und Selbstpräsentation mitspielten. Ein Symbol für Macht, kulturelle Überlegenheit und andauernde
Stärke war der Kampf zwischen einem starken Sieger und einem schwächeren Besiegten in den unzähligen Varianten des Tierkampfs und des Tierbezwingers.
Wie ein Bild entsteht, warum es modisch bleibt und wieder verschwindet, ist auch für moderne Zeiten schwierig zu bestimmen. Bilder und Texte
entstehen und bleiben bestehen, weil die Übereinstimmung zwischen ihrer
Aussage und den gesellschaftlichen Belangen gelungen ist. Die symbolische
Deutlichkeit von Bildern, wie der König als Löwenjäger oder der König
als Bauherr mit einem Korb auf dem Kopf, sticht noch heute hervor. Andere
Bilder hingegen, wie die Bankettszene oder Szenen an Lebensbäumen sowie
unzählige Einzelgesten, Haltungen oder Bildzusammenstellungen entziehen
7. Bilder
167
Abb. 99 왖
Borsippa: Stele mit
König Assurbanipal
als Korbträger, vor
648 v. Chr. H. 39 cm,
Sandstein. London,
British Museum.
168
sich unserer genauen Erklärung. Impulse zu Bildern kamen sicherlich nicht nur von den Königen,
hohen Beamten oder Priestern, sondern von der
gesamten Gesellschaft.
Bilder wurden über einen (langen) Zeitraum
kopiert (survivals) oder sie gingen verloren und
wurden wieder aufgegriffen (revivals). Der König
als Löwenjäger oder in der Siegespose Feinde
niedertrampelnd gehörte zu den Bildern, die ununterbrochen wirksam blieben. Tauchten Bilder
wieder auf, waren sie entweder neu erfunden worden oder aber es mussten noch ältere bildliche
oder schriftliche Vorlagen bekannt gewesen sein.
Ein Beispiel für ein wiederaufgegriffenes Bild ist
der „König als Bauherr“. Die Ur III-zeitlichen Könige zeigten sich mit einem Korb auf dem Kopf
und nach ihnen wieder Assurbanipal (Abb. 99)
und sein Bruder Schamasch-schumu-ukin. Ein
weiteres schönes Beispiel liefert das Bild des
Königs unter dem Sonnenschirm. Lediglich der
akkadische König Sargon (Abb. 27) und 1500 Jahre später die neuassyrischen Könige Assurnasirpal
II. (Abb. 74) und Assurbanipal schmückten sich
mit diesem königlichen Symbol.
Bilder entsprachen nicht nur inhaltlichen, sondern auch formalen Konventionen. Das Band ist
die älteste geordnete Ausdrucksform in der mesopotamischen Kunst. Spätestens ab der Urukzeit
werden die Bilder in Register geordnet. Auch
das abgerollte Rollsiegel bildet ein endloses Band.
Die Registeraufteilung blieb bis zum Ende der
mesopotamischen Kunst bestehen, allerdings änderte sich im Laufe der Zeit die anfänglich parataktische Gliederung des Bildstreifens und wurde
allmählich mit Überschneidungen oder Differenzierungen in den Figurenhöhen aufgelockert. Wesentlich seltener kommt es vor, dass die gegebene
Fläche als Ganzes betrachtet und sie mit einer durchdachten Komposition
gefüllt wurde. Diesen Kriterien entspricht die Naram-Sin-Stele (Abb. 28).
Schließlich kann eine Fläche mit nicht geordneten Elementen gefüllt werden – nach dem horror vacui genannten Prinzip.
Es wurde schon viel darüber spekuliert, ob das für die mittanische Kunst
typische Fehlen der Trennungs- und Standlinien das Abbild einer neuen
XI. Bilder und Kunst
Weltanschauung, einer neuen Religion, eines neuen Volkes oder eine absichtlich gewählte Erscheinung sei. Auf den Orthostaten, auf denen die TeummanSchlacht abgebildet wird, ist es eindeutig, dass diese linienfreie Anordnung,
gepaart mit einer unübersichtlichen Bildfülle, den Tumult, die Bewegung und
den Staub der Schlacht absichtlich wiedergeben soll.
Mit der Flächeneinteilung scheint auch die Wiedergabe der Zeit im Alten
Orient verbunden zu sein. Die Ethnologie spricht von einer „sakralen“
und einer „profanen“ Zeit. Die sakrale Zeit ist das Fundament der zahlreichen und vielfältigen Ritensysteme. Sie schließt die Idee der ewigen Wiederkehr in sich ein. Die profane Zeit besteht hingegen aus allen punktuellen
historischen Ereignissen, das heißt aus Geschehnissen, die kein archetypisches Beispiel besitzen.
In gestalterischen Schemata wurde zeitlose Gültigkeit mit großflächigen
Bildern ausgedrückt. Verdoppelung und unterschiedliche Symmetrieformen
betonen Wiederholung und Wiederholbarkeit. Auf der Urnammu-Stele
ist das zweite Register auf der Vorderseite (Abb. 29), worauf der König
einer rituellen Handlung nachgeht, symmetrisch gestaltet. Die weiteren
Register mit Bauszenen, Opferritualen, Tempelreinigungsszenen und Musikanten sind nicht symmetrisch. In der neuassyrischen Zeit haben sich
nur Assurnasirpal II. und Salmanassar III. spiegelsymmetrisch darstellen
lassen.
Aufs engste mit den Bildern verwoben ist der Text. Die Inschriften übernehmen ebenso wie Bilder einen visuellen Ausdruck, sie unterstützen und
ergänzen die bildliche Aussage. Auch Texte dienen dazu, das Gezeigte dauerhaft und unverletzt zu sichern.
Zweifelsohne gab es eine Ästhetik. Sich ändernder Stil und häufige Einführung von neuen Motiven oder die Änderung alter zeigen, dass weder
Kunst- noch Stilvorstellungen starr waren. Motiv- und Stilanalysen weisen
darauf hin, dass die altorientalische Kunst Vieles über einen langen Zeitraum
aufbewahrte, sich dadurch jedoch nicht so sehr als konservativ, vielmehr
als traditionsbewusst offenbart. Man kopierte und behielt Motive nicht, um
die Tradition unverändert zu erhalten – die unzähligen kreativen Umformungen zeigen es heute –, sondern weil die Tradition Stabilität brachte und sie
es wert war, im Gedächtnis erhalten zu bleiben. Darin spielte auch die Tatsache, dass Bilder sehr viel mehr waren als nur ein Abbild der dargestellten Personen. Diese lebten in ihren Bildern. Statuen, Stelen, wie auch Bauten
bekamen einen Namen und wurden somit aus der „Taufe“ gehoben. Die
Zerstörung einer Statue entsprach der Tötung der abgebildeten Person. Dies
ist der Hintergrund für die unzähligen, von der frühdynastischen Zeit an
belegten Deportierungen von Statuen und für die Beschädigungen an Gesichtern, etwa auf neuassyrischen Orthostatenreliefs, durch die der abgebildete König etwa nach dem Prinzip der condemnatio memoriae ausgeschaltet
wurde.
7. Bilder
169
Entstehung der Bilder
Abb. 100 왔
Balawat: Tor,
Torbeschläge aus
der Zeit Salmanassars III., Ausschnitt von Abb.
93. Unten ist ein
Steinmetz bei der
Arbeit an einem
Felsrelief zu sehen.
170
Wie Bilder geschaffen wurden, wissen wir für Mesopotamien kaum, weil
Äußerungen darüber fehlen. Eine Szene auf dem kurz nach 848 v. Chr.
gebauten Tor Salmanassars III. in Balawat zeigt uns einen Steinmetz, der ein
Felsrelief am Tigris-Tunnel bei Lice (80 km nordwestlich von Diyarbakır) einmeißelt, und einen Schreiber, der dem Steinmetz Weisungen für die anzubringende Inschrift erteilt (Abb. 100). Eine ähnliche Szene findet sich auf zwei
Orthostaten Tiglatpilesars III. (744–727 v. Chr.) (Abb. 10). Anhand solcher
Bilder, von Arbeitsspuren, von Handwerkermarken und von heutigen Beobachtungen an den Bildern kann man in etwa den Entstehungsprozess in den
neuassyrischen Palästen oder in Persepolis rekonstruieren. Auch wenn der
König die Richtlinien und die Bildthemen als Auftraggeber bestimmte und
das Ergebnis billigen musste, war er doch von den ausführenden Künstlern
und Handwerkern abhängig. Handwerkergruppen wurden in Meister und
Gesellen eingeteilt. Begabte Handwerker bekamen die schwierigsten und die
symbolisch wichtigsten Motive, wie das Königsgesicht.
XI. Bilder und Kunst
Aufbewahren, Zugänglichkeit und Zerstörung von Bildern
Zahlreiche bebilderte oder beschriftete Werke blieben über Jahrhunderte an
ihrer ursprünglichen Stelle, meistens in einem Tempel. So blieb die NaramSin-Stele etwa 1000 Jahre im Hof des Schamasch-Tempels von Sippar, wo
auch der Kodex Hammurapi 600 Jahre lang aufgestellt war. Diese Werke
wurden sicherlich so lange aufbewahrt, weil sie den Inbegriff der Kultur darstellten. Während viele Menschen eine bebilderte Terrakotta oder ein Rollsiegel besaßen, war es wohl das Privileg weniger, Statuen und Orthostaten zu
sehen, die in den der Mehrheit unzugänglichen Tempelcellae und Palästen
aufgestellt waren. Deswegen wurden Statuen im Rahmen des Neujahrsfestes
durch die Stadt getragen. Heutzutage werden Kunstwerke dazu geschaffen,
gesehen zu werden. Das war im Alten Orient ebenso, aber die Zuschauerschaft bestand aus Göttern und Menschen. So waren in Gründungsdepots
unsichtbar deponierte Objekte oder abgelegene Felsreliefs auch oder vor
allem für Götter gedacht. Kultbilder, die man nicht mehr brauchte, aber
nicht wegwerfen wollte, wurden gleichsam in Gruben beigesetzt. Eine solche
Grube im Sin-Tempel von Tell Asmar barg elf frühdynastische „Beterstatuetten“.
Die meisten heute bekannten altorientalischen Werke sind beschädigt.
Die Ursache dafür ist oft unklar. Denn neben dem Zahn der Zeit war ein
Motiv für die Zerstörungen die gewollte Vernichtung feindlichen Kulturgutes. Dabei reichte bereits das Herauskratzen der Inschrift, um den Feind
zu schädigen. Wertvolles Metall wurde wieder eingeschmolzen.
Um Werke vor der Zerstörung zu schützen, wurden sie mit einem Fluch
versehen. Der Fluch musste so konzipiert werden, dass er wirksam einen
potenziellen Zerstörer traf. Dabei gab es zahlreiche Möglichkeiten, den Fluch
zu formulieren. So sollte etwa der Wunsch, durch seine Nachkommenschaft
im Gedächtnis der Menschen weiter zu leben, beeinträchtigt werden. Genau
darauf zielten vor allem die akkadzeitlichen Fluchformeln, wonach die „Götter die Wurzeln (desjenigen, der die Inschrift entfernte,) herausreißen und
seinen Samen aufpicken“ sollten.
1 Von Moortgat (1967) 38.
2 Klengel-Brandt (1993).
7. Bilder
171
XII. Alltag und Familie
1. Der Alltag
Das bisher erwähnte archäologische Material – Baugrundrisse, Gräber,
Statuen, Stelen, Rollsiegel, Terrakotten und Keramik, aber auch naturwissenschaftliche Analysen von Knochen, Erde oder Pollen – bilden die Grundlage für eine Betrachtung des altorientalischen Alltags. Obwohl mehr Dokumente das Leben der Elite schildern, gesellen sich zum archäologischen
Material schriftliche Zeugnisse wie private Wirtschafts- und Rechtsurkunden oder Gebete, die es erlauben, den täglichen Ablauf einer Durchschnittsfamilie zu rekonstruieren.
Klimatisch bedingt begann die Tagesarbeit sehr früh. Zunächst wurde
noch in der Morgenfrische gefrühstückt. Danach ging man zur Arbeit. Zum
Zeitpunkt der größten Hitze gönnte man sich eine Siesta, die am späten
Nachmittag endete. Bis zum Einbruch der Dunkelheit arbeitete man wieder.
Mit dem Sonnenuntergang versammelte sich die Familie zur Hauptmahlzeit.
Die Stadttore wurden mit der Dunkelheit geschlossen und erst bei Sonnenaufgang wieder geöffnet. Die meisten Menschen konnten ihre Haustüren
verriegeln und sich zur Nachtruhe begeben. Auch die Götter gingen schlafen.
Die Körperpflege spielte eine große Rolle. Wer sich und wie oft im Alltag
außer an großen Festtagen mit Wasser wusch, ist allerdings schwer rekonstruierbar. Seife bestand aus Pottasche oder Natron mit Öl oder feinem Lehm.
Körper und Haar wurden häufig auch wegen der Hitze mit Öl eingerieben.
Kleider wurden im Alten Orient nicht zugeschnitten und kaum genäht, vielmehr wurden Stoffbahnen gewickelt, eingesteckt und mit Gürtel, Nadeln
und Fibeln gehalten. Sterbliche trugen das Wickelgewand (Abb. 83), Gott-
172
XII. Alltag und Familie
왗 Abb. 101
Assur: Halskette
aus Gold, Karneol,
Lapislazuli sowie
Imitationen von
Bergkristall und
Malachit, 20 cm
Durchmesser,
14./13. Jh. v. Chr.
Berlin, VAM.
heiten das so genannte „Falbelgewand“, weil es aus vielen, übereinander
angeordneten, nicht hoch geschnittenen fransigen Stoffbahnen bestand
(Abb. 62). Während sich neuassyrische Könige und Männer mit einem mehr
oder weniger aufwändigen Schalgewand schmückten (Abb. 31), trugen die
zeitgenössischen Babylonier ein glattes Hemd mit Falten. Die zu Stoffen
verarbeiteten Materialien waren vor allem Flachs und Schafswolle, sehr viel
seltener Palmenfaser. Die meisten Menschen im Alten Orient, aber auch
Götter, Helden und Könige wurden barfuß dargestellt und trugen wohl
keine Schuhe. Erst auf den neuassyrischen Bildern werden sie häufiger mit
Sandalen gezeigt.
Ein Haarknoten oder lange, auch nach vorne hängende Haare für eine
Sterbliche oder unter einer Hörnerkrone für Göttinnen, das waren jene
Frisurtypen, die viele Jahrhunderte für Frauen, die ihre Haare nicht unter
einer Haube versteckten, modisch blieben. Aber es gab auch kunstvolle
Flechtfrisuren. Götter und Männer, deren Haare nicht durch eine Hörnerkrone oder eine Kappe völlig bedeckt waren, hatten auf den Rücken
fallende Locken und einen ebenfalls lockigen Bart. Schmuck war im höchsten Maße ein Kennzeichen für soziale Hierarchien. Neben diesem Aspekt
war Schmuck aber auch ein Schutzelement, wobei Form oder Steinfarbe
eine wesentliche Rolle spielten. Die meisten heute bekannten Schmuckstücke, Ohrringe, Ketten, Ringe, Armreife, Stirnbänder und Fibeln stammen
aus Gräbern (Abb. 101). Die Perlen der Reichen bestanden vor allem aus
Achat, Onyx, Bergkristall, Amethyst, Karneol und Lapislazuli, diejenigen
der Armen aus Ton, Muscheln, Knochen und ab 1400 v. Chr. aus dem
feingranuliertem Glas Fritte. Am teuersten war Metallschmuck aus Gold
und Silber.
1. Der Alltag
173
Das Essen bestand für fast alle vorwiegend aus Gerste. Sie wurde zu
Grütze, Mehl und Brot verarbeitet und diente als Gärmittel für das Bier der
mittleren Qualität. Schon feiner und teurer war der Emmer, noch feiner
der Weizen, den man auch für gute süße Biersorten verwendete. Unter den
Gemüsesorten waren Zwiebeln, Lauch, Erbsen und Linsen die gängigsten, auch Knoblauch, den die Altorientalen in Mengen verzehrten. In den
Gemüsegärten wuchsen daneben noch Sesam, Kornwicke, Saubohnen
und Kichererbsen, Salat, Kresse, Rauke, Fenchel, Kohl, Rüben, Radieschen,
Beete, Stengelklee, Klee und Gurken. An Gewürzen gab es Minze, Oregano,
Kreuzkümmel, Safran, Koriander und Thymian, Salz und Bienenhonig. In
Babylonien im Schatten der Dattelpalmen und im milderen Klima Assyriens
gediehen Äpfel, Granatäpfel, Sandbeeren, Feigen, Johannisbrot, Mandeln,
Pistazien, Trauben, Birnen, Quitten und Pflaumen. Die drei letzteren Obstsorten scheinen der Elite vorbehalten gewesen zu sein. Wegen der Hitze
gab es weder Olivenbäume noch Weinstöcke. Deren Produkte mussten aus
Assyrien und dem Westen importiert werden.
Die sehr nahrhaften Linsen, Erbsen und Kichererbsen wurden vielseitig
zubereitet: roh, getrocknet, gekocht, püriert, geröstet, salzig oder süß. In
Babylonien war die Dattelpalme die zweite Hauptnahrungsquelle. Die Datteln wurden frisch oder getrocknet gegessen. Aus ihnen bereitete man Wein,
Essig, Mehl, eine süße Paste und Sirup, der in Speisen und Wasser als
Süßstoff diente. Öl stammte fast ausschließlich aus Sesamsamen. Wasser und
Bier waren die Hauptgetränke.
Das Schaf war das wichtigste Nutztier und wurde für Milch, Fleisch
und vor allem wegen seiner Wolle gehalten. Gezüchtete Tiere waren zu wertvoll, um täglich verspeist zu werden. Das Schwein ist zwischen etwa 5500
und 2000 v. Chr. gut bekannt. Es wurde als Jungtier geschlachtet. Schweine
brauchten jedoch Schatten und Feuchtigkeit und vertrugen leichte klimatische Erwärmungen nicht. Deswegen tauchen sie vom 1. Jahrtausend v. Chr.
an nur noch selten auf. Hühner wurden erst im 1. Jahrtausend abgebildet und
vielleicht auch gegessen.
Man wohnte in kleineren oder größeren Häusern. Während es in den
Palästen Tische, Stühle, Hocker, Betten und Schränke gab, war die Möbeleinrichtung in den Häusern sicher spärlicher.
2. Die Familie
Die Familie bildete den Kern der altorientalischen Gesellschaft. Sie war
vaterrechtlich strukturiert. Mehrehe gab es nicht, jedoch besaßen die Männer der Oberschicht teilweise viele Nebenfrauen. Meist wurden Ehen von
den Eltern des Brautpaars vereinbart. Die Mitgift eines Vaters an seine Tochter entsprach der Finanzkraft der Familie und umfasste Kleider, Schmuck,
174
XII. Alltag und Familie
Geräte für den Haushalt und die private Pflege, aber auch Geld, Diener
oder Grundbesitz. Jede Geburt eines Kindes gab Anlass zu einem Fest. Sofort
nach der Geburt bekam das Kind einen Namen, der einen Wunsch oder die
Bindung an einen Gott zum Ausdruck brachte oder an einen Vorfahren erinnerte. Männer arbeiteten und Frauen blieben häufiger zu Hause und sorgten für eine gute Haushaltsführung und die Erziehung der Kinder. Allerdings
zeigen Lohnabrechnungen, dass auch viele Frauen berufstätig waren. Bis die
Kinder etwa sechs Jahre alt waren, durften sie spielen. Danach, abhängig
vom sozialen Status, gingen Jungen in die Schule, Mädchen blieben zu
Hause, oder Jungen und Mädchen erlernten ein
Handwerk.
Das Leben einer durchschnittlichen altorientalischen Frau bewegte sich zwischen Respekt
und Unterdrückung. Sie war nie völlig entmachtet
und besaß einen Freiraum, in dessen Rahmen sie
sich, falls energisch und intelligent, behaupten
konnte.
왔 Abb. 102
Ur: Resonanzkörper einer Leier
aus dem Grab
789, auf dem wie
Menschen agierende Tiere abgebildet sind, um
2500 –2400 v. Chr.
H. 33 cm. Philadelphia University Museum.
3. Die „Freizeit“
Die Menschen arbeiteten hart und viel. Doch wissen wir aus Texten über den Schulalltag, dass die
Schulkinder etwa sechs freie Tage im Monat hatten. Überträgt man den Schulrhythmus auf alle, so
legten auch Erwachsene Pausen ein. Sicher gab
es einige Feiertage anlässlich des Neujahrsfestes.
Jedenfalls gab es nach dem Kalender unzählige
kleine und größere Feste. Diese steckten auch den
Rahmen ab, in dem die Menschen freie Zeit genossen. Denn auch bei für uns profan anmutende
Beschäftigungen in dieser freien Zeit – etwa Sport
oder Spiele – waren die Götter zugegen.
Festessen, auch Symposien genannt, fanden
zu verschiedenen Anlässen – einem Sieg, einem
Vertragsabschluss oder auch zu religiösen Festen – statt. Sie wurden von Musik begleitet. Dass
im Alten Orient viel gespielt und gesungen wurde,
lässt sich den Texten deutlich entnehmen. Einige
Instrumente wie Leiern (Abb. 102) und Harfen
(Abb. 103) waren kostspielig und daher am Hofe
üblich. Trommeln und Rohrflöten waren vermutlich sehr geläufig und umrahmten musikalisch
3. Die „Freizeit“
175
Abb. 103 왘
Eschnunna:
Terrakottarelief,
Musiker mit
siebensaitiger
Harfe, H. 12 cm,
frühes 2. Jt.
Paris, Louvre.
auch das Essen einfacher Menschen. Während der Feste fanden sicherlich auch Vorstellungen mit Tänzern und Tänzerinnen, mit Akrobaten, Spaßmachern und Sportlern statt. Zur Unterhaltung gab es auch Brettspiele. Sie
waren so angelegt, dass mehr die Würfel als das Geschick des einzelnen
Spielers den Spielausgang bestimmten. Verlieren oder Gewinnen war ein
Zeichen des göttlichen Willens wie das gesamte Leben auch.
176
XII. Alltag und Familie
XIII.
Lebensgefühl
im Alten Orient
1. Die gemessene und die gefühlte Zeit
Die Zeit besaß in antiken Kulturen je nach Beschäftigung eine unterschiedliche Qualität, die sich in der Zeitmessung niederschlug. Für den Alten
Orient war in der Landwirtschaft das Sonnenjahr von 365 Tagen, für die tägliche Zeiteinteilung hingegen der Mond mit seinen klar messbaren Phasen
maßgeblich.
Für den landwirtschaftlichen Kalender orientierte sich der Jahresanfang
am Frühling nach Abschluss der Ernte ungefähr zur Zeit der Tagundnachtgleiche. Jeder Monat begann mit dem Erscheinen der Sichel des Neumondes
am Abendhimmel. Ein Mondjahr dauert 354 Tage. Um den Mondkalender
mit dem Sonnenjahr in Übereinstimmung zu halten, wurden in bestimmten
Zeitabständen nach dem sechsten oder dem zwölften Monat Schaltmonate
eingefügt. Monatsnamen sind seit der Mitte des 3. Jahrtausends bezeugt.
Der Tag begann bei Sonnenuntergang. Er war in drei „Doppelstunden“
am Tag und drei in der Nacht aufgeteilt. Ihre Länge hing von der Dauer des
Sonnenscheins ab, so dass die „Doppelstunden“, die zugleich der Arbeitszeit entsprachen, im Sommer doppelt so lang waren wie im Winter. Die Zeit
wurde mit Wasser- und Sonnenuhren gemessen.
Das Akkadische kennt zahlreiche Zeitausdrücke, etwa für „Tag“, den
„richtigen Zeitpunkt“, eine „ferne Zeit“, „unbestimmte Zeit“ oder die „Zeit“
des menschlichen Lebens. Die Wörter „gestern“ und „morgen“ gibt es auch,
nicht aber die abstrakten Begriffe von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Der altorientalische Mensch stand mit dem Gesicht zur Vergangenheit
und wandte der Zukunft den Rücken zu. Weil er nach vorn in die Vergangenheit schaute, entfernte er sich zwar von dem, was war, aber er ließ es nicht
1. Die gemessene und die gefühlte Zeit
177
hinter sich. Alles was geschieht, was geschehen ist oder noch geschehen wird,
wurde unter dem Aspekt der Dauer und der andauernden Gültigkeit betrachtet. Die Gegenwart fußte auf Vergangenheit, die ein Instrument der Orientierung und der Kontrolle war. Daraus erklärt sich, warum man so streng an
der Tradition festhielt.
2. Lebenserwartung und Lebenseinstellung
Die höchste Sterblichkeitsrate lag bei Kindern im Alter bis zu vier Jahren. Wer
die Kinderkrankheiten und später als Frau die Geburt eines Kindes überlebt
hatte, dem war eine Lebenserwartung zwischen 30 und 40 Jahren vergönnt.
Anthropologische Untersuchungen an den Knochen weisen dennoch immer
wieder auf 40- bis 60-Jährige hin. Jedenfalls wurde es als Gottesstrafe angesehen, zu früh zu sterben. Man sorgte für das Alter durch Nachkommen,
Anschaffung von Wertgegenständen oder die Anwesenheit einer Pflegeperson vor. Erreichten die Menschen ein höheres Alter, galt ihnen Respekt.
Solidarität zwischen den Mitgliedern einer Familie wurde erwartet; wer sich
nicht um die Älteren kümmerte, setzte sich Gottesstrafen aus.
Die Mesopotamier betrachteten Altern und Sterblichkeit als Teil ihres
Menschseins. Der Menschheit hatten die Götter den Tod zugewiesen, allein
die Götter genossen das Vorrecht der Unsterblichkeit. Die wenigen Götter,
die trotzdem sterben sollten, taten es zumindest nicht am Ende einer Alterungsphase, sondern wurden getötet. Dennoch konnten damals wie heute
die Menschen durch ihre Taten – seien sie kriegerisch, kulturell oder durch
Bauten – ihren Namen verewigen und somit im kulturellen Gedächtnis ihres
Volkes lebendig bleiben.
Die zahlreichen Verhaltensregeln, die das menschliche Zusammenleben
ordneten, sind uns in sehr unterschiedlichen Texten erhalten geblieben, die
unter dem Begriff „Weisheitsliteratur“ gesammelt sind. Die Spruchdichtungen oder Sprichwörter zeugen von Lebensweisheit und von einem äußerst
gesunden Menschenverstand, der sich von dem heutigen nicht unterscheidet. Die Menschen waren lebenstüchtig und hatten eine vortreffliche Beobachtungsgabe.
Das Leben war für die Mehrheit der Menschen wegen der täglichen Unwägbarkeiten sicher nicht einfach. Die meisten lebten in einer kleinen dörflichen oder städtischen Gemeinschaft und feierten in der Hoffnung auf gute
Erdentage religiöse Feste. Obwohl die Menschen den Willen der Götter und
der Könige nicht ergründen konnten, vertrauten sie darauf, dass die Mächtigen – Götter und Könige – ihnen helfen würden und hofften auf deren
Gerechtigkeit. So erlöste Marduk den Leidenden nach einer langen Phase
der Hoffnungslosigkeit schließlich doch. Durch vielerlei Praktiken, Opfer
und Gebete versuchten die Mesopotamier die nicht verständlichen Mächte
178
XIII. Lebensgefühl im Alten Orient
zu beeinflussen und so aktiv auf das Gelingen ihres Lebens hinzuwirken.
Dank ihrer Neugierde entdeckten sie ständig Neues. Obwohl es keine altorientalische Autobiographie und kaum einen niedergeschriebenen wissenschaftlichen Diskurs gibt, müssen die Menschen diskutiert und nach neuen
Lösungen gesucht haben. Zur Lebendigkeit des geistigen Lebens gehört auch
das kritische Betrachten. So gab es Menschen, die es wagten, an der Wirksamkeit der Rituale zu zweifeln.
Nach dem Tod erwartete man kein großes Glück. Das Erdendasein kam
den Menschen so kurz wie ein Augenblick vor, umso wichtiger war es, das
Leben zu genießen. Humor und Ironie, in Form von Witzen, Wortspielen
oder Sozialsatiren, konnten dabei helfen. Eine berühmte Sozialsatire heißt
„Der arme Mann aus Nippur“. Darin geht es um Rachegelüste von willkürlich behandelten Menschen. Der arme Gimil-Ninurta tauscht eine dreijährige Ziege gegen seine letzten Kleider. Er möchte sie dem Bürgermeister
schenken und verspricht sich davon eine angemessene Gegengabe. Der
knauserige Bürgermeister gibt Gimil-Ninurta von der geschlachteten Ziege
jedoch lediglich einen Knochen, eine Sehne und dazu drittklassiges Bier.
Daraufhin verkleidet sich Gimil-Ninurta als königlicher Gesandter, findet
Zutritt zum Bürgermeister, sorgt dafür, dass er sich betrinkt und verprügelt
ihn. Als weitere Handlung gibt sich Gimil-Ninurta für einen „Arzt, gebürtig
aus Isin“ aus, befestigt fünf Pflöcke im Fußboden, bindet den Bürgermeister
daran fest und „verprügelt ihn dann vom Kopf bis zu seinen Füßen“. GimilNinurta flieht zwar anschließend in die Steppe, aber der Bürgermeister kann
diese lächerlichen Vorgänge nicht ahnden, ohne sich eine Blöße zu geben.
Situationskomik findet man in der Geschichte „Der Doktor aus Isin“. Ninurta-Paqidat aus dem akkadischsprachigen Nippur wurde von einem Hund
gebissen und vom Priester-Arzt Amil-Baba in Isin geheilt. Als Dank lud
Ninurta-Paqidat Amil-Baba zu sich nach Nippur ein, gab seinem Gast eine
genaue Beschreibung des Weges und verwies ihn auf eine Frau, die ihm sein
Haus zeigen sollte. Amil-Baba fand die Frau, die jedoch seinen akkadischen
Dialekt aus Isin nicht begriff und für Sumerisch hielt. Deswegen beantwortete sie seine Fragen auf Sumerisch. Amil-Baba verstand aber seinerseits kein
Sumerisch und dachte, dass die Frau ihn beschimpft, was die Frau wiederum
beleidigte. Diese warf Amil-Baba kurzerhand aus der Stadt hinaus.
Menschenähnlich agierende Tiere wie auf einer Leier aus Ur (Abb. 102)
oder auf einigen Orthostatenplatten führen uns den Humor bildlich vor.
Außerdem war man sich der Bedeutung der eigenen Kultur sehr bewusst
und pflegte stolz die Traditionen weiter.
Heute sind die altorientalischen Kulturen den meisten Menschen fremd
geworden. Und doch verbergen sich hinter den allzu oft unspektakulären
Hinterlassenschaften zahlreiche Erfindungen, die ihre Schatten bis in die heutige Zeit hinein werfen. So veranlasst ihre Wiederentdeckung zugleich eine
lohnende Überlegung über unsere eigene Vergangenheit.
2. Lebenserwartung und Lebenseinstellung
179
Zur Chronologie
Terminologie
im Irak
Kebarisch
18 000 –12 000
Baradostien
Bis 12 000
Natufische Zeit
12 000–10 200
Zarzische Zeit
12 000–10 200
Akeramisch
Terminologie
der Levante
KhiamischPPNA
10 200–8800
Frühes
Spätes Epipaläolithikum
Tabelle 1: Das Neolithikum im Irak und der Levante
Mléfatien /
Nemrikien Früh
10200–8900
Art der
Bewohnung
Lebensart
Besondere
Funde
Zarzi
Schanidar
Höhle
Höhle
Jäger und
Sammler
Werkzeug
Zawi Chemi
Schanidar
Siedlung
Hütte
Halbsesshaftigkeit
17 Vogelbestattungen
Karim Shahir
Siedlung
Hütten?
Halbsesshaftigkeit
Mlefaat
Siedlung
ca. 10 runde
Häuser
Qermez Dere
Siedlung
Runde Häuser,
1 mit Pfeilern
Nemrik,
1.–2. Phase
Siedlung
Runde Häuser
Nemrik,
3.– 4. Phase
Siedlung
Runde Häuser,
auch mit
Pfeilern
Jarmo
Siedlung
Rundes Haus
Nemrik,
5. Phase
Siedlung
Eckige Häuser
Überall Obsidian
und Pfeilspitzen
Maghzalia
Siedlung
Eckige Häuser
Tonfigurinen
Weiße Ware
Tell Rihan
Siedlung
Eckige Häuser
Keramik
Jarmo
Siedlung
Grill-Plan
Umm
Dabaghiya
Siedlung
Magazine
Tonfigurinen
Keramik und
Obsidian
PPNB
Keramisch
Übergang
Mittleres
Neolithikum
Früh
8800–8200
Spätes
Einige Orte
im Irak
Mittel
8200–7600
Mittel
8900–7500
Spät
7600–7000
Spät
7500–7000
PPNC/EPN
7000–6400
Umm
DabaghiyaSotto (oder
Proto-Hassuna)
7000–6500
E: Early. N: Neolithic. P: Pottery. PP: Pre-Pottery.
182
Zur Chronologie
Überall Obsidian
und Pfeilspitzen.
In Mlefaat und
Nemrik, ZigarrenZiegel
Vogelköpfe aus
Flussgestein
Tabelle 2: Obeid-, Uruk- und Djemdet Nasr-Zeit
Süden
Norden
Obeid 0:
6500 o. älter–5900
Hassuna:
6500–6000
Tepe
Gaura
Zentrum
Obeid 1–2:
5900–5400
Halaf:
6000–5300
XX
Nord-Obeid:
5300
XIX
XVIII
Elam
Samarra:
6200-5700
Westen
Pottery
Neolithic:
6500–5500
Coga Mami
Transitional
(CMT):
5700–5300
XVII
Obeid 3:
5400–4700
Obeid 4:
4700–4300
Uruk
XVI
XVIII–XVI
XV
XV
XIV–XIII
XIV
End-Obeid
XII–IX
Mitteluruk:
3750–3500
VIII–VI
Späturuk:
3500–3100
V
Susa
27
XII A
26–25 (A)
XII
XIII
Frühuruk:
4300–3750
Obeid
Gaura-Zeit
XI
24–23/Ba
Uruk
22 (B)
X–IX
22–21
VIII
20–19
18
IVc
Frühe
Bronzezeit-I:
3500–3000
IVb
17
IVa
Djemdet Nasr:
3100–2900
Chalkolithikum:
5500–3500
Djemdet Nasr:
3100–2900
III
16–14
Tabelle 3: Frühdynastische (FD) und die Ninive 5-Zeit
Im Norden: Ninive 5-Zeit: 2900–2300 Im Süden: Frühdynastische Zeit: 2900–2340
FD I: 2900–2700
FD II: 2700–2600
Enmebaragesi König von Kisch
FD IIIa: 2600–2500
In Ur
Meskalamdug
Akalamdug (∞ Schu-Am)
In Lagasch
Urnansche: 2470
FD IIIb: 2500–2340
Mesanepada
(∞ Ninbanda u. Nugig)
Aanepada
Meskiagnunna
Elulu
Balulu
A(ja)kurgal: 2490
Eannatum: 2420
Enanatum I.: 2450
Entemena / Enmetena: 2430
Enanatum II.: 2400
Enentarzi: 2380
Lugalanda: 2370 (∞ Barnamtara)
Urukagina
(Irikagina, Uru-inimgina): 2350
In Kisch
Mesilim:
ca. 2530
In Umma
Usch
Enakale
Lugalzagesi
Urzababa
Zur Chronologie
183
Tabelle 4: Akkad- und Ur III-Zeit
Akkad-Zeit:
ca. 2320–2172/66
Sargon: 2343–2314
Rimusch: 2313–2305
Manischtusu: 2304–2292
Naram-Sin: 2291–2236
Scharkalischarri: 2235–2211
Vier Könige
Dudu, dann Schudurul: 2210–2172/2166
Guti:
ca. 2210–2110
Guti-Herrschaft durch Utuhengal von Uruk beendet
Ur III-Zeit:
2110–2003
In Ur
Urnammu: 2110–2093
Schulgi: 2092–2045
Amar-Sin: 2044–2036
Schu-Sin: 2035–2027
Ibbi-Sin: 2026–2003
In Lagasch
Urbau/Urbaba
Gudea: um 2100
Urningirsu
Pirigme
In Mari
Idi-Ilum
Puzur-Ischtar
Tabelle 5: Altbabylonische und altassyrische Zeit (Auswahl)
Isin-Zeit: 2019–1933. Larsa-Zeit: 1933–1763. Altbabylonische Dynastie: 1792–1750
Isin
Larsa
Syrien
Ischbi-Erra:
2019–1987
Naplanum:
2025–2005
Mittlere Bronzezeit:
ca. 2000–1600
Schuilischu:
1986-1977
Iddin-Dagan:
1976–1956
Ischme-Dagan:
1955–1937
Assur
Lipit-Ischtar:
1936–1926
Gungunum:
1933-1907
Urninurta:
1925–1898
Abisare:
1906-1896
Bur-Sin:
1897–1876
Lipit-Enlil:
1875–1871
Nur-Adad:
1866-1851
Erra-imitti:
1862–1839
Enlil-bani:
1838–1815
Warad-Sin:
1835–1823
Rim-Sin:
1822–1763
Babylon
Sumuabum:
1894–1881
Sumulael:
1880–1845
Mari
Apil-Sin:
1830–1813
Assur
Jachdun-Lim:
ca. 1810–1794
Sin-muballit:
1812–1793
Schamschi-Adad:
1808–1776
Sumujamam:
ca. 1793–ca. 1792
Hammurapi:
1792–1750
Ischme-Dagan:
1775–1762
Jasmach-Addu
1792–1775
Samsuiluna:
1749–1712
Ammisaduqa:
1646–1626
Samsuditana:
1625–1595
Zur Chronologie
Uruk
Sin-kaschid:
ca. 1860-1802
Sabium:
1844–1831
Ammiditana :
1683–1647
184
Sargon I.
ca. 1920-1880
Zimri-Lim
1775–1759
Tabelle 6: Der Alte Orient zwischen etwa 1580 und 1000 v. Chr. (Auswahl)
Babylonien
Ägypten
Mittani
Assyrien
Kassitische Zeit
ca. 1580–1155
Altassyrische Zeit
bis ca. 1400
Agum II.
ca. 1580
Assur-nirari I.
1516–1491
Burnaburiasch I.
ca. 1470
18. Dynastie
1539–1292
Paratarna
ca. 1470
Puzur-Assur III.
1490–1477
Karaindasch I.
ca. 1440–1405
Tutmosis III.
1479–1425
Schutarna I.
ca. 1460
Assur-nadin-ahhe I.
ca. 1440/1430
Amenophis II.
1425–1401
Sauschtatar
ca. 1450–1410
Mittelassyrische Z.
ca. 1000
Tutmosis IV.
1401-1391
∞ T. Aratarma I.
Aratarma I.
ca. 1390
Assur-belnischeschu
1407–1399
Amenophis III.
1391–1353
∞ Gilu-Hepa,
T. Schutarna II.
∞ T. KadaschmanEnlil I.
∞ Taduhepa,
T. Tuschrata
Schutarna II.
∞ T. Amenophis III.
Assur-nadin-ahhe II.
1390–1381
Kurigalzu I.
ca. 1400–1370
Kadaschman-Enlil I.
ca. 1374–1360
∞ T. Amenophis III.
Burnaburiasch II.
ca. 1359–1333
∞ T. Amenophis III.
∞ Muballitat-Scherua, T. Assur-uballit I.
Amenophis IV.
1353–1335
∞ T. Burnaburiasch
Kurigalzu II.
ca. 1332–1308
II.Tutanchamun
1333–1323
Nazimaruttasch
ca. 1307–1282
19. Dynastie
1292–1190
Kadaschman-Turgu
ca. 1281–1264
Ramses II.
1279-1213
∞ T. Hattusili III.
Anatolien
Hethiter werden stark
Artaschumara
Tuschrata
ca. 1360–1330
Assur-uballit I.
1353–1318
Enlil-nirari
1317–1308
Suppiluliuma I.
ca. 1350–1324
Mursili II.
ca. 1321–1298
Aya 1323–1319
Kadaschman-Enlil II.
ca. 1263–1255
Artatama II.
ca. 1300
Adad-nirari I.
1295–1264
Elam
Kaschtiliasch IV.
1232–1225
Isin II-Zeit
1157–1026
Schutruk-Nahhunte
ca. 1185–1155
Nebukadnezar I.
1125–1104
Kutir-Nahhunte II.
ca. 1155–1150
Die zweite
Meerland-Dynastie
1026–1006
Muwatalli II.
ca. 1297–1273
∞ T. Ramses
Salmanassar I.
1263–1234
Hattusili III.
ca. 1267–1239
Tukulti-Ninurta I.
1233–1197
Tuthaliya IV.
ca. 1239–1209
Tiglatpilesar I.
1114–1076
Assurnasirpal I.
1049–1031
Assur-nirari IV.
1019–1013
T. = Tochter von
Zur Chronologie
185
Tabelle 7: Von der neuassyrischen Zeit bis zum Ende der Achämenidenzeit
Neuassyrische Zeit:
ca. 1000–609
Neubabylonische Zeit:
ca. 1000–627
Adad-nirari II.: 911–891
Nabu-apla-iddina: ca. 887–855/851
Tukulti-Ninurta II.: 890–884
Assurnasirpal II.: 883–859
Salmanassar III.: 858–824
Schamschi-Adad V.: 823–811
Adad-nirari III.: 810–783
Salmanassar IV.: 782–773
Assur-dan III.: 772–755
Assur-nirari V.: 754–745
Tiglatpilesar III.: 744–727
Salmanassar V.: 726–722
Marduk-apla-iddina II.: 722–710
Sargon II.: 721–705
Sanherib: 704–681
1. Sohn: Assur-nadin-schumi
2. Sohn: Urdu-Mullissi
Schamasch-schumu-ukin: 668–648
Kandalanu: 647–627
Asarhaddon: 680–669
Assurbanipal: 668–631/627?
∞ Libbali-scharrat
Spätbabylonische Zeit: 626–539
Nabupolassar: 626–605
Assur-etel-ilani: 627–625?
Nebukadnezar II.: 605–562
Sin-schar-ischkun: 628/7–612
Awil-Marduk: 562–559
Assur-uballit II.: 612–609
Neriglissar: 559–556
Labaschi-Marduk: 556
Nabonid: 555–539
Sohn: Bel-schara-usur
Die Achämenidenzeit: 559–331
Kyros I.: ca. 610–585?
Kyros II. (der Große): 559–530 in Persien,
539–530 in Mesopotamien
Kambyses II.: 529–522
Darius I. (der Große): 521–486
Xerxes I.: 485–465
Artaxerxes I.: 464–424
Darius II.: 423–405
Artaxerxes II.: 404–359
// Kyros der Jüngere
Artaxerxes III.: 358–338
Artaxerxes IV.: 337–336
Darius III. Kodomannus: 335–331
186
Zur Chronologie
Auswahlbibliographie
Enzyklopädien und Nachschlagewerke
Das fachspezifische Arbeitsinstrument ist das Reallexikon der Assyriologie
und der Vorderasiatischen Archäologie (RlA) (Hg. M. P. Streck), bisher
erschienen Bd. 1–12 (A–Sch), Leipzig/München 1928ff. Letztes Abkürzungsverzeichnis im Band 11.
Der Neue Pauly (DNP). Enzyklopädie der Antike, Bd. 1–16, Hg. H. Cancik,
H. Schneider u. M. Landfester, Stuttgart/Weimar 1996–2003.
Encyclopaedia Iranica (EI), bisher erschienen Bd. 1–15 (A–Ka), Hg. E. Yarshater, New York, 1985ff.
E. M. Meyers (Hg.), The Oxford Encyclopedia of Archaeology in the Near
East, Bd. 1–5, Oxford 1997.
J. M. Sasson (Hg.), Civilizations of the Ancient Near East (CANE), I–IV, New
York 1995.
Tübinger Atlas des Vorderen Orients (TAVO), Karten (1965–1993) und
Beihefte (1972ff.), Tübingen.
Kurze Zusammenfassungen
E. Cancik-Kirschbaum, Die Assyrer. Geschichte – Gesellschaft – Kultur,
München 2003.
M. Jursa, Die Babylonier. Geschichte – Gesellschaft – Kultur, München 2004.
G. J. Selz, Sumerer und Akkader. Geschichte – Gesellschaft – Kultur, München 2005.
Auswahlbibliographie
187
Allgemeine bebilderte Einführungen
Historisches Museum der Pfalz (Hg.), Das Persische Weltreich. Pracht und
Prunk der Großkönige, Ausstellungskatalog, Speyer 2006.
B. Hrouda (Hg.), Der Alte Orient. Geschichte und Kultur des alten Vorderasiens, München 1991.
J. Marzahn – G. Schauerte (Hg.), Babylon – Mythos und Wahrheit, Ausstellungskatalog Berlin 2008, 2 Bde., München 2008.
W. Orthmann (Hg.), Der Alte Orient, Propyläen Kunstgeschichte Bd. 14, Berlin 1975.
M. Roaf, Weltatlas der alten Kulturen: Mesopotamien, München 1991 (englisch, Oxford 1990).
Textübersetzungen
S. M. Maul, Das Gilgamesch-Epos, München 2005.
Texte aus der Umwelt des Alten Testaments (TUAT), Bd. I–III/1–6, Gütersloh 1982–1997, und Neue Folge Bd. 1–5, 2004–2010.
I. Archäologie im Vorderen Orient
Allgemein
C. Renfrew – P. Bahn, Basiswissen Archäologie. Theorien, Methoden, Praxis, Mainz 2009.
B. Trigger, A history of archaeological thought, Cambridge 1989.
Einzelne Titel
R. Bernbeck, Theorien in der Archäologie, Tübingen 1997.
P. Briant, From Cyrus to Alexander. A History of the Persian Empire, Winona
Lake 2002.
N. Crüsemann, Vom Zweistromland zum Kupfergraben. Vorgeschichte und
Entstehungsjahre (1899–1918) der Vorderasiatischen Abteilung der Berliner Museen vor fach- und kulturpolitischen Hintergründen, Berlin
2001.
D. O. Edzard, s. u. Keilschrift, RlA 5, 1976–1980, 544–568.
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E. Fontan – N. Chevalier (Hg.), De Khorsabad à Paris. La découverte des
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I. Klock-Fontanille – E. Monville, De cuneatis, quas vocant, inscriptionibus
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188
Auswahlbibliographie
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1994.
N. Marchetti – I. Thuessen, Archaia. Case Studies on Research Planning,
Characterisation, Conservation and Management of Archaeological Sites,
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J. Marzahn – G. Schauerte (Hg.), Babylon – Wahrheit, Ausstellungskatalog
Berlin 2008, München 2008.
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III. Chronologie
O. Aurenche – J. Evin – F. Hours (Hg.), Chronologies du Proche-Orient.
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Auswahlbibliographie
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Daten, Dynastien. Der Neue Pauly, Supplemente Band 1, Stuttgart 2004.
H. Gasche, J. A. Armstrong, S. W. Cole u. V. G. Gurzadyan, Dating the Fall of
Babylon. A Reappraisal of Second-Millennium Chronology, Mesopotamian History and Environment Series II, Memoirs IV, Gent 1998.
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W. Sallaberger, Mesopotamien und Syrien, Der Große Ploetz. Die Enzyklopädie der Weltgeschichte. 35., völlig neu bearbeitete Auflage, 2008,
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Allgemein
M. P. Streck (Hg.), Sprachen des Alten Orients, Darmstadt 2005.
R. D. Woodard (Hg.), The Cambridge Encyclopedia of the World’s Ancient
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J. Huehnergard – Chr. Woods, Akkadian and Eblaite, 218–287.
Einzelne Titel
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O. Loretz, Ugarit und die Bibel. Kanaanäische Götter und Religion im Alten
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W. H. Ph. Römer, Die Heirat des Mardu, TUAT III/3, Mythen und Epen I,
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W. Sallaberger, Das Ende des Sumerischen. Tod und Nachleben einer altmesopotamischen Sprache, in: P. Schrijver & P.-A. Munn (Hg.), Sprachtod
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M. Salvini, Geschichte und Kultur der Urartäer, Darmstadt 1995.
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G. Wilhelm, Grundzüge der Geschichte und Kultur der Hurriter, Darmstadt
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190
Auswahlbibliographie
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Allgemein
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R. Matthews, The Early Prehistory of Mesopotamia 500 000 to 4500 BC,
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Einzelne Titel
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Register
I. Götter-, Königs-,
Personen- und Völkernamen
Achämeniden 20, 47, 94
Adad 123, 125
Adad-nadin-ahhe 152
Adad-nirari II. 38
Adad-nirari III. 155
Adda-guppi 88
Agum II. 84
Ahuramazda 126
Akkader 84, 134
Alexander der Große 20, 24, 91, 112,
120
Alexander Polyhistor 37
Amar-Sin 80
Amenophis III. 45, 84, 96
Amenophis IV./Echnaton 16, 45, 96
Ammisaduqa 38, 82
Amurriter, amurritisch 43 f., 48, 76, 81
An (sum.), s. Anu (akk.)
Andrae, Walter 16, 19, 121
Antiochos I. 37
Antoninus Pius 37
Anu 65, 106, 123, 125, 127
Anubanini 160
Aramäer 25, 42, 45 f., 86, 110, 116
Aratarma I. 84
Artaxerxes I. 119 f.
Artaxerxes II. 91
Artaxerxes III. 119
Asarhaddon 87, 148, 156, 160
Assur 77, 109, 122, 124 f.
Assurbanipal 15, 18, 87, 115 f., 137, 145,
156 ff., 168
202
Register
Assurnasirpal II. 86, 93, 115 f., 126, 141, 153,
155–159, 168 f.
Assur-nirari I. 109
Assur-uballit I. 84 f.
Assur-uballit II. 87
Aya 45
Baba 70
Barnamtara 164
Bau 72
Bel-schara-usur/Belschazzar 88
Benjamin von Tudela 12
Berossos 11, 37, 41, 132
Botta, Paul-Emile 13 ff.
Braidwood, Robert 94
Brydges, Harford Jones 13
Bubu 71
Burnaburiasch II. 84
Champollion, Jean-François 18
Childe, Gordon 22, 50, 95
Dadailum 42
Daduscha 155
Darius I. der Große 12, 18, 90 f., 118 f., 126,
148, 154
Darius III. Kodomannus 20, 91
Delitzsch, Friedrich 18 f.
Delougaz, Pinhas 16
Dudu 76
Dunand, Maurice 16
Ea 123 ff., 139, 153
Eanatum 70 f., 79, 154
Egibi 91
Elamiter 47, 80 f., 85, 155
Enheduana 74
Enki (sum.), s. Ea (akk.)
Enlil 73 f., 76, 123–126, 155
Enlil-bani 78
Enmerkar 132 f.
Erra-imitti 78
Erridupizir 76
Etana 129
Eusebius von Cäsarea 37
Falkenstein, Adam 22
Flavius Josephus 37
Frankfort, Henri 95
Gilgamesch 28, 95, 97, 124, 129, 132, 137, 141
Grotefend, Friedrich 17 f.
Gudea 15, 76, 80, 101, 152
Güterbock, Hans Gustav 22
Gula 123, 142
Gungunum 81
Gutäer, Gutium 76, 79, 100
Hall, Harry Reginald Holland 61
Hammurapi 31 f., 37, 39, 43, 78, 81 ff., 85,
113, 123, 125, 146, 148, 155, 171
Hebräer, hebräisch 12 f., 42, 45
Herodot 18, 118
Herzfeld, Ernst 19, 22, 59
Hethiter, hethitisch 16, 18, 38, 45, 47 f., 81,
83 f., 154
Heuzey, Léon 152
Hincks, Edward 18
Hurriter, hurritisch 47 f., 84
Hyde, Thomas 17
Ibbi-Sin 80
Idi-Ilum 152
Inanna (sum.)37, 65, 74, 96, 107 f., 123 f., 160,
s. Ischtar (akk.)
Indoarier 84
Inschuschinak 154
Ischbi-Erra 80 f.
Ischkur (sum.), s. Adad (akk.)
Ischme-Dagan 81
Ischtar 16, 74, 108, 111, 123 f., 151, 155, 160
Jasmach-Addu 81
Jastrow, Morris 41
Jordan, Julius 16, 22
Kabti-ili-Marduk 137
Kadaschman-Enlil I. 84
Kaempfer, Engelbert 17
Kapara 116, 158
Karaindasch 105, 110
Kassiten, kassitisch 46 f., 54, 77, 81, 83 ff.,
110, 165 f.
Kidudu 153
King, Leonard William 41
Koldewey, Robert 16, 99
Kulla 101
Kurigalzu I. 84
Kyros II. der Große 20, 88, 91, 117
Kyros der Jüngere 91
Lama 153, 164
Lamaschtu 127
Landsberger, Benno 22
Langdon, Stephen 16
Layard, Austin Henry 14 f., 156
Lenzen, Heinrich 22, 106
Leviathan 45
Libbali-scharrat 158
Lipit-Ischtar 82
Loftus, William Kennet 16
Lugalzagesi 71, 73, 77
Luther, Martin 48
Mallowan, Max 58, 63
Mamu 159
Manischtusu 74, 77, 151
Marduk 37, 85–88, 94, 111, 122, 124 ff.,
128, 130, 165, 178
Marduk-apla-iddina II. 87
McAdams, Robert 95
Meder 86 ff., 119
Mesanepada 42
Mesilim 70 f., 77, 160
Montet, Pierre 16
Moortgat, Anton 19, 166
Moses 73
Muraschu 91
Mursili 38, 81
Nabonid 11, 88, 111, 117, 125
Nabu 162, 165
Nabupolassar 87
Nanna (sum.), s. Sin (akk.)
Naram-Sin 11, 74, 76 f., 79, 85, 96, 100,
109, 148, 154, 168, 171
Naram-Sin I. von Eschnunna 77
Nebukadnezar I. 85
Nebukadnezar II. 87 f., 100, 111, 117
Nergal 123
Niebuhr, Carsten 12
Ningirsu 70, 154, 165
Ninhursag 77, 108
Ninlil 123
Ninurta 105, 123
Nisaba 132
Nusku 123, 162
Oannes 11, 41, 132 f.
Oppert, Jules 41
Panofsky, Erwin 22
Parrot, André 16
Register
203
Parther 20, 25
Perser 88, 91, 119
Petachiah 12
Place, Victor 14 f.
Porada, Edith 166
Preußer, Conrad 16
Ptolemaeus 24
Puabi 42
Puzur-Ischtar 148 f., 152
Ramses II. 96
Rassam, Ormuz 15
Rawlinson, Henry Creswicke 13, 15, 18, 41
Rich, Claudius James 13
Rim-Sin 46, 81
Rimusch 74
Salmanassar I. 85
Salmanassar III. 45, 86, 153, 155, 159, 169 f.
Salomon 88
Samsuditana 81
Samsuiluna 81 f.
Sanherib 87, 99, 110, 115, 156 f., 160
Sargon von Akkad 11, 34, 42, 71, 73 f., 141,
154, 168
Sargon I. von Assur 77
Sargon II. von Assyrien 14, 77, 86, 96, 115 f.,
153, 156, 158
Sarzec, Ernest Chocquin de 15, 152
Sasaniden 20
Sauschtatar 84, 165
Schaeffer, Claude 16
Schamasch 11, 54, 109, 123 ff., 145, 154 f., 171
Schamasch-schumu-ukin 87, 155, 168
Schamschi-Adad 77, 81, 109, 155
Schara 108
Scharkalischarri 76 f.
Schliemann, Heinrich 15
Schrader, Eberhard 19
Schudurul 76
Schulgi 44, 48, 77, 80
Schutarna II. 84
Schutruk-Nahhunte 85, 154
Seleukiden 20
Sin 88, 107, 109, 123 ff., 154, 171
Sin-kaschid 114
Sin-leqe-unnini 137
Sin-schar-ischkun 87
Smith, George 18
Sumerer 40–43, 48, 62, 161
Sumuabum 81
Suppiluliuma I. 84
Taduhepa 84
Teumman 158, 169
Thompson, Campbell 16
Tiglatpilesar I. 45, 86, 156, 160
Tiglatpilesar III. 45 f., 86, 115, 156 ff., 170
Tischatal 47
204
Register
Tukulti-Ninurta I. 85, 112, 162
Tukulti-Ninurta II. 86
Tupkisch 47
Tuschrata 84
Tutanchamun 45, 84
Tutmosis IV. 84
Ugbaru 20
Unger, Eckhard 19
Uqnitum 47
Urdu-Mullissi 87
Urnammu 76, 79 f., 82, 108, 111, 148, 154,
169
Urukagina 70, 72
Urzababa 73
Usch 71
Utanapischtim 129, 132
Utu (sum.), s. Schamasch (akk.)
Valle, Pietro della 12
Warad-Sin 110
Wilhelm II. 16
Winkelmann, Johann Joachim 22
Winkler, Hugo 19
Wittvogel, Karl 41
Woolley, Sir Leonard 16, 61, 121
Xenophon 91
Xerxes I. 91, 118 ff.
Zarathustra 126
II. Länder, Orte, Gebirge
und Gewässer
Antike Namen sind kursiv
Abu Salabikh (Irak) 42, 63, 67, 70, 95, 98
Adab (Irak) 67, 70, 111
Ägypten 9, 25, 28, 32, 84 f., 87 f., 122, 126,
132, 135, 147, 157
Afghanistan 19, 32, 72
Ain Mallaha (Israel) 51
Akkad (Land) 11, 38, 41 ff., 71, 74, 76, 80 f.
Akkade (Stadt) 73 f., 76, 96, 141
Alaca Hüyük (Türkei) 156
Alalakh, heute Tell Acana (Türkei) 47, 156
Aleppo (Syrien) 30, 43, 116
Amanus 41
Anatolien 32, 37, 47 f., 50 f., 53, 55, 57 f., 68,
102, 106, 156
Anschan, heute Tell-i Malyan (Iran) 80
Aqr Quf, s. a. Dur-Kurigalzu (Irak) 84, 110,
112, 114
Assur (Irak) 16, 19, 25, 30, 72, 74, 77, 81, 84,
86, 108–110, 112, 114, 121, 125, 145, 148,
151, 153, 157, 162, 166, 173
Assyrien (Irak) 15, 25, 27, 32, 37, 45 f., 77,
81, 84–88, 92, 95, 98, 109, 112, 115, 120,
125, 149, 174
Babylon (Irak) 11 ff., 16, 19 f., 25, 31, 37 f.,
81, 83 f., 86 ff., 91, 94 f., 99 ff., 110 ff.,
115, 117, 124, 130, 135, 143, 154, 157,
162
Babylonien (Irak) 25, 27, 32, 41–45, 72 f.,
80 f., 84–88, 91 ff., 98, 112, 125, 138, 143,
155, 157, 165, 174
Badachschan (Afghanistan) 32
Bagdad (Irak) 13, 16, 22, 24 f., 28 ff., 43, 49,
55, 59, 74, 84, 97
Balawat, s. a. Imgur-Enlil (Irak) 159, 170
Balich (Syrien) 27, 35, 81
Basra (Irak) 14 f.
Bawian (Irak) 160
Behistun (Iran) 12 f., 18, 47
Berlin 16, 18 f., 111, 116, 163
Birs Nimrud, s. Borsippa (Irak)
Bit-Bachiani 116
Bitwata (Irak) 160
Boğazköy, s. Hattusa (Türkei)
Borsippa (Irak) 12, 112, 168
Bosporus 28
Byblos (Libanon) 16
Çatal Hüyük (Türkei) 94, 154
Chabur (Syrien) 24, 27, 33, 35, 45, 84
Chafadje, s. Tutub (Irak)
Chaldäa (Irak) 25
Chicago 16, 39
Choga Mami (Irak) 60
Choga Zanbil (Iran) 47
Çiftlik (Türkei) 57
Damaskus (Syrien) 30, 46
Darband i-Gaur (Irak) 160
Demawend (Iran) 26
Dilmun (Bahrain) 11
Diyala(-Gebiet) (Irak) 16, 28, 43, 69 f., 81,
84, 104, 149
Dizful (Iran) 33
Djebel Bischri (Syrien) 76
Djemdet Nasr (Irak) 68 f., 114, 164
Drehem, s. Puzrisch-Dagan (Irak)
Dur-Katlimmu (Syrien) 45
Dur-Kurigalzu (Irak) 84, 96, 114
Dur-Scharrukin (Irak) 14, 96
Ebla (Syrien) 42, 47, 145
Ein Gev (Israel) 51
Ekallatum 81, 155
Elam, elamisch (Iran) 12, 47 f., 74, 76, 80,
84 f., 154, 157
Elazığ (Türkei) 28
Elephantine (Ägypten) 46
El-Khiam (Palästina) 52
Eridu (Irak) 16, 34, 61 ff., 65, 67, 70, 93 f.,
107, 111, 114, 124
Eschnunna (Irak) 73, 85, 109, 152 f., 176
Euphrat 14, 24–32, 45, 49, 61, 68, 76, 81, 84,
94, 97, 102, 115
Fara s. Schuruppak (Irak)
Gasur (Irak) 42
Girsu (Irak) 15, 41, 70, 72, 165
Göttingen 17
Golfstaaten 19
Guzana (Syrien) 116
Habuba Kabira (Syrien) 164
Hadji Ibrahim (Irak) 26
Haifa (Israel) 51
Hamoukar (Syrien) 163
Hamrin (Irak) 55, 64
Haradum, heute Khirbet ed-Diniye (Irak) 97
Harran (Türkei) 87 f.
Hassuna (Irak) 57, 63
Hatay (Türkei) 25, 47, 156
Hattusa (Türkei) 48
Hit (Irak) 28, 31 f.
Hule-See (Israel) 51
Hursagkalama (Irak) 114
Imgur-Enlil (Irak) 159
Indus-Tal (Pakistan) 32, 48
Irak 15 f., 19 f., 24 ff., 28, 47, 49–53, 55-59,
61, 63
Iran 12, 19 f., 22, 32 ff., 44, 58 f., 61, 72, 91,
126
Iraq ez-Zigan (Irak) 51
Ischcali, s. Neribtum (Irak)
Isin (Irak) 70, 78, 80 f., 85, 142, 166, 179
Israel 19, 25, 31, 56, 87
Jarmo (Irak) 54, 56
Jaudi 116
Jemen 14, 19
Jena 98
Jerf el-Ahmar 51
Jericho (Palästina) 34, 52, 54 f., 94
Jerusalem 88, 130
Jerwan (Irak) 99
Jordanien 16, 19, 32
Kalchu (Irak) 115
Kanisch (Türkei) 48, 72
Kara-Su (Türkei) 27
Karim Shahir (Irak) 52
Karkemisch, heute Karkamış (Türkei) 110,
156
Kar-Tukulti-Ninurta, heute Tulul al-Aqar
(Irak) 96, 112
Kaukasus 32
Kayseri (Türkei) 72
Register
205
Kermanschah (Iran) 12
Khorsabad, s. a. Dur-Scharrukin (Irak) 14,
41, 77, 115, 153, 156
Kirkuk (Irak) 52
Kisch (Irak) 16, 42, 69 f., 73 f.
Konstantinopel 12
Kültepe, s. a. Kanisch (Türkei) 44, 48, 72
Kunaxa (Irak) 91
Kuyundjik, s. Ninive (Irak)
Lachisch, heute Tell ed-Duwer (Israel) 157
Lagasch (Irak) 15, 29, 70 f., 76, 80, 108, 154,
164 f.
Larsa (Irak) 54, 61, 70, 81, 94, 125
Levante 25, 30, 32, 51 ff., 57, 87, 102, 143
Libanon 16, 19 f., 34
Lice (Türkei) 160, 170
London 14, 18, 163
Magan (Oman) 74, 80
Maghzalia (Irak) 54 f.
Makedonien 91
Malatya (Türkei) 156
Malqata (Ägypten) 96
Maltai (Irak) 160
Marathon 91
Mari (Syrien) 16, 31, 70, 73, 80 f., 109, 113 f.,
125, 141, 145, 149-152, 154
Maschkan-Schapir, heute Tell Abu-Dhuwari
(Irak) 94
Masnaa (Irak) 49
Mittani, mittanisch 45, 84, 166, 168
Mittelmeer 25, 28, 35, 37, 45, 49, 58, 63, 76,
94
Mlefaat (Irak) 52, 55
Mossul (Irak) 13 f., 24, 52 f., 57, 64, 159
Murat (Türkei) 27
Mureybet (Syrien) 51
Nabada (Syrien) 43
Nagar (Syrien) 42, 47
Nebi Yunus, s. Ninive (Irak)
Nemrik (Irak) 53 ff.
Neribtum (Irak) 108
Netiv Hagdud (Palästina) 55
Nil (Ägypten) 28 f., 133
Nimrud, s. a. Kalchu (Irak) 15, 46, 86, 93,
115 f., 126, 138, 141, 153, 156, 165
Ninive (Irak) 12–15, 17 f., 41, 63f., 67, 70,
77, 87, 95 f., 99 f., 115 f., 137, 151 f.,
156 ff.
Nippur, heute Nuffar (Irak) 15, 41, 43, 54, 67,
69 f., 73 f., 76, 80, 91, 97, 100, 107, 111,
161, 179
Nubien 32
Nuzi (Irak) 47, 100, 165
Ohalo (Israel) 51
Oman 19, 31 f., 74, 80
206
Register
Pakistan 19, 34
Palästina 16, 19, 46, 135, 149
Palmyra (Syrien) 26, 45
Pasargadae (Iran) 100, 117
Persepolis, heute Takht i-Djamschid 17 f., 90,
117–120, 165 f., 170
Persien 12 f., 118
Persischer Golf 25, 27, 31, 63, 74, 93
Piramesse (Ägypten) 96
Puzrisch-Dagan (Irak) 80
Qatara (Irak) 109
Qermez Dere (Irak) 52
Qurna (Irak) 14, 28
Ramad (Syrien) 55
Ras-Schamra, s. Ugarit (Syrien)
Rotes Meer 14
Rowanduz (Irak) 26, 49, 52
Salamis 91
Sam’al (Türkei) 116
Samarra (Irak) 27, 59 f., 74, 81
Sar-i-Pul-i Zohab (Irak) 160
Saudi-Arabien 19
Schaduppum (Irak) 97
Schanidar (Irak) 49 f., 52
Scheich Hassan (Syrien) 164
Schiraz 13
Schuruppak (Irak) 42
Schwarzes Meer 28
Sheikhan 160
See Genezareth 49, 51
Sinai (Ägypten) 32, 136
Sippar (Irak) 11, 80, 125, 145, 154, 171
Sistan (Iran) 48
Sotto (Irak) 57
Sumer 25 f., 31, 33 ff., 38, 40 ff., 61 f., 69 ff.,
80, 85, 92 f., 95, 124
Susa, Susiana (Iran) 41 f., 47 f., 66, 73 f., 80,
82, 85, 94, 115, 118, 143, 151 f., 154 f., 157,
164
Syrien 16, 19 f., 24, 26 f., 30, 43–47, 51, 55, 58,
61, 64, 68, 70, 74, 84, 106, 113, 143, 149,
163
Taurus 25, 27, 32, 41, 47
Teheran (Iran) 26
Teima (Saudi-Arabien) 88
Tell Abada (Irak) 64
Tell Agrab (Irak) 108
Tell Ahmar, s. Til Barsip (Syrien)
Tell Arpatchiyah (Irak) 58, 63 f.
Tell Asmar, s. a. Eschnunna (Irak), 54, 70, 73,
108 f., 150, 155, 171
Tell Beydar, s. a. Nabada (Syrien) 47
Tell Brak, s. a. Nagar (Syrien), 42, 47, 73, 114,
163 f.
Tell Buqras (Syrien) 55
Tell el-Amarna (Ägypten) 16, 45, 47, 96, 136
Tell el-Hiba, s. a. Lagasch (Irak)
Tell el-Kowm (Syrien) 55
Tell el-Obeid (Irak) 61, 108
Tell el-Uweili (Irak) 26, 34 f., 41, 61 f., 66, 103
Tell el-Wilayah (Irak) 114
Tell es-Sawwan (Irak) 59 f., 102
Tell Halaf, s. a. Guzana (Syrien) 58, 110,
116 f., 158
Tell Hariri, s. Mari (Syrien)
Tell Harmal, s. a. Schaduppum (Irak) 96 f.,
109
Tell Ingharra, s. Hursagkalama (Irak)
Tell Leilan (Syrien) 104, 110
Tell Mardikh, s. Ebla (Syrien)
Tell Mozan, s. Urkisch (Syrien)
Tell Rihan (Irak) 55
Tell Rimah, s. a. Qatara (Irak) 54, 105, 109
Tell Tainat (Türkei) 110
Tell Uqair (Irak) 67, 107
Tello, s. a. Girsu (Irak), 15, 41, 70 ff., 80, 101,
165
Tepe Gaura (Irak) 63 ff., 67 f., 73, 107
Thrakien 91
Tigris 14, 24–31, 61, 76, 81, 112, 160, 170
Til Barsip 115, 154
Totes Meer 35
Troja (Türkei) 15
Türkei 19, 24, 26, 68
Tutub (Irak) 107
Ubaidiya (Israel) 49
Ugarit (Syrien) 16, 45, 47
Umma (Irak) 70 f., 73, 80
Umm Dabaghiya (Irak) 54, 56 f.
Ur (Irak) 16, 29, 31, 42, 61, 65, 67, 70 ff., 74,
76, 79 ff., 94, 98, 102, 108–112, 120 f., 125,
151, 154, 161, 175, 179
Urartu 87
Urkisch 42, 47
Uruk (Irak) 16, 26, 30, 32, 42, 61 ff., 67 f.,
70 f., 77, 94 f., 97, 102 f., 105 ff., 110 f., 114,
124, 132 f., 135, 140, 149, 154, 160,
164 f.
Van-See (Türkei) 57
Yarmuk-Tal (Jordanien) 26
Yorghan Tepe, s. a. Gasur, Nuzi (Irak) 73
Zab 28, 52
Zagros (Iran) 25, 28, 32, 41, 47, 52
Zarzi (Irak) 52
Zawi Chemi Schanidar (Irak) 52
Zincirli, s. a. Sam’al (Türkei) 116, 148
Zypern 19, 32
III. Korrespondenz der
hier wichtigen Städtenamen
Antiker Name
Moderner Name
Adab
Assur
Tell Bismaya
Qal’at Schergat
Borsippa
Birs Nimrud
Dur-Kurigalzu
Dur-Scharrukin
Aqr Quf
Khorsabad
Ebla
Eridu
Eschnunna
Tell Mardich
Abu Schahrain
Tell Asmar
Gasur dann Nuzi
Girsu
Guzana
Yorghan Tepe
Tello
Tell Halaf
Hattusa
Hursagkalama
Boğazköy
Tell Ingharra
Isin
Ischan al-Bahriyat
Kalchu
Kanisch
Kisch
Nimrud
Kültepe
Tell Uhaimir
Lagasch
Larsa
Tell el-Hiba
Tell Senkereh
Mari
Tell Hariri
Nabada
Nagar
Neribtum
Ninive
Nuzi
Tell Beydar
Tell Brak
Ischcali
Kuyundjik, Nebi
Yunus
Yorghan Tepe
Puzrisch-Dagan
Drehem
Qatara
Tell Rimah
Schaduppum
Sippar
Schuruppak
Tell Harmal
Tell Abu Habba
Fara
Til Barsip
Tutub
Tell Ahmar
Chafadje
Umma
Ur
Urkisch
Uruk
Tell Djocha
Tell Muqayyar
Tell Mozan
Warka
Register
207
Abbildungsnachweis
208
Abbildungsnachweis
151, 253, 293; Abb. 38b nach: J. Heisel, Antike Bauzeichnungen, Darmstadt 1993, 37; Abb. 40, 55, 62,
88, 91, 93 British Museum, London; Abb. 41 nach:
T. J. Meek, Old Akkadian, Sumerian, and Cappadocian Texts from Nuzi, Harvard Semitic Series Bd. X,
1935, Cambridge/Mass., Tf. I1; Abb. 45 nach: U.
Finkbeiner, TAVO Karte B IV 17.5, Wiesbaden 1990;
Abb. 50 nach: J. Marzahn, G. Schauerte (Hrsg.),
Babylon, Wahrheit.Ausstellungskatalog, Berlin 2008,
619; Abb. 53 nach: J.-C. Margueron, Mari. Métropole
de l‘Euphrate au IIIe et au début du IIe millénaire av.
J. C., Paris 2004, 460; Abb. 57 ullstein bild; Abb. 60
nach: Historisches Museum der Pfalz (Hrsg.), Das
Persische Weltreich. Pracht und Prunk der Großkönige. Ausstellungskatalog, Speyer 2006, 104;
Abb. 61 nach: L. Woolley, M. Mallowan, Ur Excavations VII. The Old Babylonian Period, London 1976,
Tf. 19a; Abb. 69 nach: L. Jakob-Rost, Das Vorderasiatische Museum, Berlin 1987, 21; Abb. 72, 102 nach:
A.Nunn, Alltag im Alten Orient, Mainz 2006; Abb.
74 nach: J. Meuszyński, Die Rekonstruktion der
Reliefdarstellungen und ihrer Anordnung im Nordwestpalast von Kalhu (Nimrūd), BaF 2, 1981, Tf. 1–2;
Abb. 76 Fotomontage Christina Eickhoff; Abb. 89
Bridgeman Art Library; Abb. 98a nach: R. M. Boehmer, Uruk. Früheste Siegelabrollungen, AUWE 24,
Mainz 1999, Tf. 41; Abb. 98b nach: E. Rova, Ricerche
sui sigilli a cilindro vicino-orientali del periodo di
Uruk/Jemdet Nasr, Rom 1994, Tf. 34, Nr. 602; Abb.
98c, d, e, g nach: D. Collon, First Impressions. Cylinder Seals in the Ancient Near East, London 1987,
Nr. 525, 531, 548, 356; Abb. 98f nach: S. Herbordt,
Neuassyrische Kunstperiode. IV. Glyptik, RlA 9,
1998–2001, 266,4; Abb. 98h nach: M. B. Garrison,
S. E. Qualline, M. Cool Root, Seals on the Persepolis
Fortification Tablets I: Images of Heroic Encounter,
Bd. 1–2, OIP 117, 2001, Tf. 179b.
(
Abb. 1, 10, 16, 18, 19, 23, 28, 30, 31, 32, 34, 35, 38a,
44, 48, 56, 58, 59, 63, 64, 66, 67, 73, 75, 78, 79, 80, 81,
83, 86, 87, 90, 92, 96, 99, 100, 103 akg-images;
Abb. 2, 5 nach: E. Fontan, N. Chevalier (Hrsg.),
De Khorsabad à Paris. La découverte des Assyriens,
1994, 95 u. 168; Abb. 3 nach: J. Reade, Assyrian
Sculpture, Cambridge/Mass. 1999; Abb. 4 nach:
S. Loyd, Foundations in the Dust. The Story of Mesopotamian Exploration, 21980, 127; Abb. 6, 52, 54
pa picture-alliance; Abb. 7, 8, 9, 11, 43 Astrid Nunn;
Abb. 12, 13 nach: O. Aurenche, S. Kozlowski, La
naissance du néolithique au Proche Orient, Paris
1999, 239,1, 235,5 u. 7; Abb. 14: M. Sauvage, La brique et sa mise en œuvre en Mésopotamie: Des origines à l’époque achéménide, Paris 1998, 41,20, Tf. 21a,
40, 39a u. 53d.; Abb. 15 nach D. Kirkbride, Umm
Dabaghiyah. A Fourth Preliminary Report, Iraq 37,
1975, Tf. 7a; Abb. 17 nach: C. Bréniquet, Tell esSawwan. Réalités et problèmes, Iraq 53, 1991, 78;
Abb. 20 Field Museum Chicago; Abb. 21: S. Jasim,
The Ubaid Period in Iraq. Recent excavations in the
Hamrin region, BAR IS 267, 1985, Bd. II, 9; Abb. 22
nach: P. Amiet, La Glyptique Mésopotamienne
Archaïque, Paris 1961, Nr. 119; Abb. 24 nach: R. K.
Englund, Texts from the Late Uruk Period, in: P. Attinger, M. Wäfler (Hrsg.), Mesopotamien. SpäturukZeit und Frühdynastische Zeit, OBO 160/1, Freiburg/CH 1998, 93; Abb. 25 nach: U. Seidl, s. u. Relief,
RlA Bd. 11, 2006–2008, 312–313; Abb. 26, 33, 42, 68,
70, 71, 77, 82, 84, 85, 94, 95, 97, 101 bpk Bildarchiv
Preußischer Kulturbesitz; Abb. 27 nach: P. Amiet,
L‘art d‘Agadé au Musée du Louvre, Paris 1976, 8;
Abb. 29, 65, 98i nach: W. Orthmann (Hrsg.), Der Alte Orient. Propyläen Kunstgeschichte, Bd. 14, Berlin
1975, 203, 362, 360.107o; Abb. 36, 51 Interfoto; Abb.
37, 39, 46, 47, 49 nach: E. Heinrich, Die Tempel und
Heiligtümer im alten Mesopotamien. Typologie,
Morphologie und Geschichte, Berlin 1982, 254, 163,