Die Redaktion RJP in der Urgeschichte
Die Verteilung der beiden Quellen
•Die Entdeckung daß der Pentateuch • aus verschiedenen Quellen oder
Urkunden zusammengesetzt ist, ist unstreitig eine nicht nur der wichtigsten und für die Auffaßung der historischen Bücher des A. T., ja die ganze
Theologie und Geschichte folgenreichsten, sondern auch der gesichertsten
Entdeckungen, die es im Gebiet der Kritik und Literaturgeschichte gibt. •
Sie wird sich behaupten und durch nichts wieder rückgängig machen laßen,
so lange es noch so ein Ding wie ,Kritik• (d.ௗi. ein Gefühl und Maßstab des
übereinstimmenden und widersprechenden, des gleichartigen und ungleichartigen u.ௗs.ௗw.) gibt!.1
Die beiden Quellen verteilen sich auf die Urgeschichte wie folgt (wobei
die zahlreichen Zusätze, die der redaktionell verknüpfte Text noch erfahren
hat, nicht ausgewiesen sind):
Priesterschrift
Redaktion RJP
Jahwist
1,1"2,4a
5,1a
5,3*.4"27.28*
5,30"31
6,9"22
7,6"9
7,11
7,13"16a
2,4b.7b.19b
5,1b"2.3*
2,5"4,26
5,32a
7,10b
7,17a
7,18"21
7,23b"8,2a
8,3b"5
8,13a
8,14"19
9,1"17
9,28"29
11,10*.11"26
1
10,1
10,32
11,10*
5,28*"29
5,32b"6,8
7,1"5
7,10a
7,12
7,16b
7,17b
7,22"23a
8,2b"3a
8,6"12
8,13b
8,20"22
9,18"27
10,2"31
11,1"9
H. Hupfeld, Die Quellen der Genesis und die Art ihrer Zusammensetzung, 1853, 1.
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Von der herkömmlichen Quellenscheidung weicht diese Zuordnung an zwei
Stellen nennenswert ab: Gen 7,7"9 gehört nicht zu J oder R, sondern zu P;
Gen 10 aber gehört nicht zu P, sondern vom Grundstock her zu J. Beide
Korrekturen sind nicht neu. Sie gerieten nur in Vergessenheit.
In oder hinter Gen 7,7"9, dem Bericht über die Besteigung der Arche,
pßegt man den Text des Jahwisten zu sehen: •Noahs Eingang in die Arche
muß dem Grundstock nach zu J gehören, da P dasselbe 11.13"16a erzählt.!2
Dieser (Kurz-)Schluss führt zu Schwierigkeiten;3 denn 7,7"9 gebraucht
durchgehend die Begrifßichkeit der Priesterschrift.4 Als Ausweg hat man
V. 8"9 dem Redaktor zugewiesen.5 Das ist ein Denkfehler, der das vermeintliche Problem, nämlich die Doppelung, zur Lösung erklärt. Wie der Redaktor damit die Quellen hätte verknüpfen wollen, ist nicht nachvollziehbar.
Jedenfalls •hatte R keinen Anlass, eine unnötige Dublette zu v. 13"16 zu
schaffen.!6
Die zutreffende Deutung des Sachverhalts ist längst gefunden: •Die
Stelle 7,7"9, die dort, weil sie im Elohistischen [= priesterschriftlichen]
Zusammenhang neben V. 13"16 als völlig überßüßig erscheint, aus einem
Schwanken des Redactors in seinem Plan abgeleitet wird, könnte vielleicht
dennoch an dieser Stelle ächt d. i. der Urschrift [= P] angehörig, und V. 13"
16 eine Wiederholung sein (woran die Urschrift überhaupt in diesem Stück
so reich ist), mit nachschlagender genauerer Bestimmung und Erläuterung
des V. 7.8b.9 erst in allgemeinen Umrißen angegebenen; grade wie V. 11 mit
genauerer chronologischer Bestimmung den 6. Vers wieder aufnimmt!.7 Die
Priesterschrift ist alles andere als literarisch homogen. Sie enthält zahlreiche
Erweiterungen, die oft an den bis dahin gegebenen Text anknüpfen und auf
2
3
4
5
6
7
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H. Gunkel, Genesis (HK I 1) 31910, 62.
Darauf hat zuletzt mit Nachdruck E. Blum, Studien zur Komposition des Pentateuch (BZAW 189) 1990, 282, hingewiesen. Ein Hebelpunkt, die Urkundenhypothese aus den Angeln zu heben, bietet die Stelle freilich nicht.
Die Parallele in 7,2 J ist kein Grund, ausgerechnet der Priesterschrift die Unterscheidung zwischen rein und unrein abzusprechen, die in 7,8 getroffen wird. Es ist ohne
weiteres möglich, dass die Ausführung in dieser Einzelheit über den Auftrag 6,19
hinausgeht. Die weiteren Listen 6,20 und 7,14"16, in denen der Gesichtspunkt fehlt,
sind PS.
E. Schrader, Studien zur Kritik und Erklärung der biblischen Urgeschichte, 1863,
138; seither Th. Nöldeke, Untersuchungen zur Kritik des Alten Testaments, 1869,
12; J. Wellhausen, Die Composition des Hexateuchs (1876), 41963, 2; K. Budde,
Die Biblische Urgeschichte, 1883, 260; Gunkel, Genesis, 63; und viele andere.
Neuerdings wieder M. Witte, Die biblische Urgeschichte (BZAW 265) 1998, 77.
H. Holzinger, Genesis (KHC 1) 1898, 80. Er behilft sich mit der Auskunft: •Es ist
daher eine gründliche Umgestaltung von J-Text durch R anzunehmen.!
Hupfeld, Quellen der Genesis, 207.
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diese Weise Doppelungen erzeugen, die kein Anlass für Quellenscheidung
sind. Der Abschnitt 7,11.13"16a PS ist eine präzisierende Erläuterung von
7,6"8abα.9 PG. Auch im jahwistischen Faden entsteht keine Lücke, wenn
man die Verse der Priesterschrift zuweist.8
Die zweite Abweichung betrifft die Völkertafel Gen 10. Heute ist üblich, das dreigliedrige Schema V. 2"7*.20.22"23.31, das den Grundstock
der Völkerliste bildet, der Priesterschrift zuzuweisen. Dem ging ein anderer
Konsens voraus: •An die Geschichte der Sintßut schließt sich in der Urschrift
[= P], wie allgemein anerkannt ist, zur Ausfüllung des Zwischenraums zwischen der zweiten Epoche und der dritten, ebenso wie früher zwischen der
ersten und zweiten, wieder eine Genealogie der betreffenden Linie (Sem)
11,10"26.!9 Dieser klare Aufbau aus Schöpfung (Gen 1,1"2,4a), Toledot
Adams (Gen 5), Sintßut (Gen 6,9"9,29*), Toledot Sems (Gen 11,10"26)
und Abraham-Erzählungen (ab Gen 11,27) würde durch die Völkertafel gestört werden. Die Doppelung der Toledot Sems, Hams und Jafets (10,1) und
der Toledot Sems (11,10) widerspricht dem genau komponierten Ablauf,
der für die Priesterschrift kennzeichnend ist. •Wie kommt der Verfasser der
Grundschrift [= P] dazu, Sems Nachkommen doppelt aufzuführen •? Um
so höher ist mithin die vollkommene Ungleichheit der Form in Anschlag zu
bringen. Vielmehr verhält sich C. 10. zu C. 11. wie C. 4. zu C. 5. • Dort wie
hier giebt er [= J] die Descendenz einfach, während die Grundschrift [= P]
die Genealogie nach einem chronologischen Systeme ordnet.!10
Es war Eberhard Schrader, der diesen Konsens aufgekündigt hat.11 Sein
einziges wirkliches Argument, den Grundstock von Gen 10 der Priesterschrift zuzuschlagen, ist die Toledot-Überschrift V. 1. Dass die ToledotFormeln allesamt von P stammen, ist aber nicht zwingend. Sie können auch
nachgeahmt sein.12 Für die Vertauschung der Quellen J und P, die daraufhin
üblich geworden ist, zahlt man einen hohen Preis. Nicht allein der Aufbau
der Priesterschrift wird verdorben; auch der Jahwist wird verstümmelt, und
zwar in einem Maße, das seine Eigenschaft als Pentateuchquelle in Frage
stellt. Der neuralgische Punkt ist die Überleitung 9,18"19, die von der Sint8 Nöldekes Feststellung, dass wir die Verse 7,7"9 •gar nicht vermissen würden,
wenn sie ganz fehlten! (Untersuchungen, 12), gilt nicht nur für den P-Faden (wo
ihnen 7,11.13"16a Konkurrenz macht), sondern ebenso für den Bericht des J.
9 Hupfeld, Quellen der Genesis, 17.
10 F. Tuch, Kommentar über die Genesis, 1838, 196f. Er nennt als Vorgänger Astruc,
Eichhorn und de Wette. Seine Beobachtungen werden nicht hinfällig, auch wenn die
Ergänzungshypothese sich nicht bewährt hat.
11 Studien zur Kritik, 33f.
12 Vgl. Gen 36,9 PS; Num 3,1; Rut 4,18.
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ßut zur Völkertafel führt. Sie stammt nicht aus P, sondern aus J: •Und die
Söhne Noahs, die aus dem Kasten gingen, waren Sem und Ham und Jafet.
Ham aber ist der Vater Kanaans. Diese drei sind die Söhne Noahs, und von
ihnen aus hat sich die ganze Erde bevölkert.! •Ausdrücklich für J beweist •
v. 19. Das %1¡'1 !X !f+f gehört zu den eigentlichen Bestandtheilen des
jahvistischen Stammtafelgerüstes (vgl. 22,23. 10,29. 25,4 •) und ist in dieser seiner Eigenschaft unnachahmlich.!13 Der Versuch, die beiden Verse für
die Priesterschrift zu reklamieren, ist verzweifelt.14 Und er hat erhebliche
Weiterungen: Da die Perikope von Noah und seinen Söhnen 9,20"27 an
9,18"19 hängt und für sich allein nicht lebensfähig ist, kann sie nicht mehr
zur Quelle J gehören und wird gegen den Textbefund zur •nachpriesterlichen! Ergänzung erklärt.15 Dasselbe widerfährt den jahwistischen Teilen der
Völkertafel. Sie bilden nämlich keinen Parallelfaden zu dem Grundgerüst
10,2"7*.20.22"23.31, wie meist behauptet wird,16 sondern hängen ergänzend von ihm ab. Sie müssten also •nachpriesterlich! sein.17 Das sind sie
aber nicht. Dafür gibt es genügend positive Gründe.18 Was deshalb in Gen
10 der Priesterschrift zugewiesen zu werden pßegt, ist vielmehr die vorredaktionelle Quelle des Jahwisten. Außer durch die Überleitung 9,18"19
wird es dadurch bewiesen, dass die jahwistisch-redaktionellen Bestandteile
der Völkertafel sich auf diesen Grundstock beziehen.19
Die späteren Ergänzungen
Die Gestalt des Pentateuchs, die durch die Vereinigung von Priesterschrift
und Jahwist zustande kam, ist nicht gleichzusetzen mit dem heute vorliegenden Text. Die Verknüpfung der Quellen hat das natürliche Textwachstum
nicht beendet. Deshalb ist die Redaktion RJP, die die beiden Quellen Jahwist
und Priesterschrift zu einem neuen Ganzen verbunden hat, von der End13 Budde, Urgeschichte, 303.
14 Witte, Urgeschichte, 100"102.
15 Witte, Urgeschichte, 102"105. Zu den positiven (konzeptionellen, sprachlichen
und theologischen) Gründen, die 9,20"23a.24"25 dem Jahwisten zuweisen lassen,
vgl. Ch. Levin, Der Jahwist (FRLANT 157) 1993, 118f.
16 Maßgebend war Wellhausen, Composition, 4"7.
17 So folgerichtig Witte, Urgeschichte, 105"114.
18 Vgl. Levin, Der Jahwist, 121f.
19 Der Text verteilt sich wie folgt: V. 2"4a.5"7.20.22"23.31: überlieferte Völkertafel;
V. 8a.9*.15.24: vorredaktionelle Erweiterung der Quelle; V. 8b.9* (zweimal ' 16 +
!#!'). 10.18.21.25: jahwistische Redaktion. Alles Übrige sind spätere Zusätze. Vgl.
Levin, Der Jahwist, 121"124.
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Die späteren Ergänzungen
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redaktion zu unterscheiden.20 Genauer gesagt: •,Die Endredaktion• gibt es
nicht.!21 Die Vorstellung, der heutige Text sei das Ergebnis einer bewussten
redaktionellen Gestaltung, ist nicht nur überßüssig, sondern falsch. Für den
biblischen Traditionsprozess ist Kanonizität nicht Ergebnis, sondern Voraussetzung gewesen.22 •Die Endgestalt als theologisches Programm!23 ist
ein literaturgeschichtlicher Irrtum, der die theologische Hermeneutik in die
Sackgasse führt. •Die Redaction des Hexateuch gestaltet sich • zu einer
fortgesetzten Bearbeitung und Revision; der Redactor wird zu einem Collectivum, dessen Haupt derjenige ist, der die beiden • Schriften zu einem
Ganzen verband, zu dem aber ausserdem noch die ganze Reihe seiner mehr
oder weniger selbständigen Nachfolger gehört.!24
Von den 299 masoretischen Versen der Kapitel Gen 1"11 dürften etwa
siebzig, das ist knapp ein Viertel, jünger sein als die Vereinigung von Priesterschrift und Jahwist. Diese späteren Zusätze legen sich über die Trennlinien der beiden vormaligen Quellen und verwischen deren Konturen. Die
Zweifel an der Urkundenhypothese, die neuerdings vermehrt geäußert werden, Þnden hier ihre beste Nahrung. Darum setzt ein Urteil über die Art der
beiden Pentateuchquellen wie auch über die Absicht und das Verfahren der
Redaktion RJP voraus, dass diese Zusätze so weit wie möglich als solche erkannt werden. Das kann hier nicht in den Einzelheiten geschehen. Ein nach
Motiven geordneter Überblick muss genügen.25
a) Hamartiologische Zusätze. Vor allem die nichtpriesterliche Urgeschichte •ist menschlicherseits gekennzeichnet durch ein lawinenartiges
Anwachsen der Sünde!.26 Die betreffenden Erzählzüge gehören zu dem
20 Wenn die bisherige Forschung die Redaktion RJP als •Endredaktion! bezeichnete (so
noch u.a. R. Smend, Die Entstehung des Alten Testaments, 21981, 38"46; Levin,
Der Jahwist, 437"440), musste sie mit umfangreichen •nachendredaktionellen! Zusätzen RS rechnen " genau genommen ein Widerspruch in sich.
21 Blum, Studien zur Komposition, 380.
22 Das hat Witte nicht erfasst, wenn er zu einem •offenen Problem! erklärt, •wie sich
das Phänomen umfangreicher • Ergänzungen mit der ,Kanonizität• verträgt! (Urgeschichte, 37). Die Frage stellt sich umgekehrt: Wie hätte es zu den umfangreichen
Ergänzungen kommen können, die wir feststellen, wenn der Text nicht als kanonisch
gegolten hätte? Vgl. B. Levinson, •Du sollst nichts hinzufügen und nichts hinwegnehmen! (ZThK 103, 2006, 157"183).
23 E. Zenger, Einleitung in das Alte Testament, 21996, 34.
24 A. Kuenen, Historisch-kritische Einleitung in die Bücher des alten Testaments, I 1,
1887, 302.
25 Für den Nachweis vgl. die Exegesen in Levin, Der Jahwist, 87"92.100"102.111.114"
117.120.124"126.129"132.141, die freilich nicht erschöpfend und zum Teil überholt sind.
26 G. v. Rad, Das erste Buch Mose. Genesis (ATD 2/4) 91972, 116.
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theologisch Belangreichsten am Anfang der Bibel. Sie gelten gemeinhin als
theologische Eigenheit des Jahwisten.27 Letzteres trifft nicht zu, ebensowenig wie man die jahwistische Urgeschichte als eine Kette von Schuld-StrafeErzählungen verstehen kann.28 Vielmehr handelt es sich um eine Reihe von
Zusätzen später Theologen, die auch die Priesterschrift schon voraussetzen.
Das Interesse an der Rechtschaffenheit des Menschen und der Gerechtigkeit
(und Barmherzigkeit) Gottes, das sich hier geltend macht, gibt es in den
erzählenden Texten des Alten Testaments durchgehend, und zwar fast stets
als später Zusatz. Die Art dieser Geschichtsdeutung lässt sich am besten bei
einem Vergleich der Chronik mit den Büchern der Könige nachvollziehen.29
Diesem Denken entstammt das Motiv der Versuchung, das heute die
jahwistische Paradiesgeschichte prägt. Wie schon der Gebrauch von -'!Y
statt -'!Y
!#!' in 3,1.3 zeigt, ist der Dialog zwischen der Frau und der
Schlange ein Fremdkörper (3,1"5.6aα [ab ') #]). Das berühmte psychologische RafÞnement der Szene, die mit der Gestalt des Versuchers die Schuld
des Menschen mehr schlecht als recht zu mindern versucht, hat in der übrigen Erzählung nichts Entsprechendes. Hinzu gehört die Verßuchung der
Schlange (3,13b"14.16[bis :/A]).
Ganz ähnlich die PersoniÞkation der
Sünde in der fürsorglichen Warnung Gottes an Kain (4,6"7). Auch diese
Rede •wirkt im Zusammenhang der Erzählung wie ein Fremdkörper!.30
•Der Brudermord geschieht, als wäre der Täter nicht gerade erst gewarnt
worden. Von da her wirkt V. 8 wie die ursprüngliche Fortsetzung von V. 5!.31
Dieselbe Sorge um den Sünder zeigt sich in Jahwes Zusage, Kain vor den
schlimmsten Folgen seiner Schuld zu bewahren (V. 13"15), die an den Fluch
angeschlossen ist. •Jahves Verhalten, der Qains Opfer verschmäht und ihn
dann doch väterlich ermahnt, der Qain verßucht und ihn dann doch ohne
rechten Grund begnadigt, ist nicht recht zusammen zu reimen.!32 An Jahwes
Versprechen, Kain siebenfach zu rächen (V. 15), knüpft wiederum das La27 So zuletzt wieder Witte, Urgeschichte, 151"205, der folgerichtig die von ihm in
Anführungszeichen gesetzte •jahwistische! Urgeschichte in die Nähe der nachexilischen Weisheit rückt. Diese Zuordnung setzt voraus, dass Witte sich erklärtermaßen
einer literarkritischen Aufteilung versagt. Dabei hat er sowohl die Mehrheit der bisherigen Ausleger als auch den Textbefund gegen sich.
28 Gegen C. Westermann, Arten der Erzählung in der Genesis (1964; in: Ders., Die
Verheißungen an die Väter [FRLANT 116] 1976, 9"91), 47"58.
29 Vgl. J. Wellhausen, Prolegomena zur Geschichte Israels, 61905, 198"205.
30 C. Westermann, Genesis I (BK I/1) 1974, 407.
31 W. Dietrich, •Wo ist dein Bruder?! Zu Tradition und Intention von Genesis 4 (in:
H. Donner, R. Hanhart, R. Smend [Hg.], Beiträge zur Alttestamentlichen Theologie. Festschrift W. Zimmerli, 1977, 94"111), 98f.
32 Gunkel, Genesis, 49.
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Die späteren Ergänzungen
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mechlied 4,23"24 an.33 Die Maßlosigkeit der Vergeltung, die sich hier ausspricht, zählt später zu den Anlässen der Flut. Noch in der Priesterschrift ist
Lamech der Vater des gerechten Noah gewesen (5,28*). Zwar zählt er dort
zu der sündigen Hälfte der Menschheit, die in der Flut ertrinken wird;34 aber
erst Spätere haben in ihm den schlechthin blutrünstigen Charakter gesehen.
Eine Theologie, die von der Gerechtigkeit Gottes überzeugt ist, musste
sich am härtesten von der Erzählung der Sintßut herausgefordert sehen:
Sämtliche Menschen mit einer Ausnahme werden mit dem Tode bestraft.
Wie kann das gerecht sein? Es müsste an dieser Stelle derselbe Dialog einsetzen, der später der Katastrophe von Sodom vorangeht (18,22"33).35 Stattdessen kam es jedenfalls darauf an, die Gerechtigkeit Noahs (7,1b, sowie
das nachgetragene Stichwort 9'G 8 in 6,9) und im Gegenzug die vollständige
Frevelhaftigkeit des gesamten Menschengeschlechts hervorzuheben, die
Gott bereuen lässt (vgl. Jer 18,7"10), die Menschen geschaffen zu haben
(6,5b"6a.7aα[nur '=
: C¡:
f ].aβb;
7,23aα[ab -A
/];
8,21aβb).36 Der bekannte anthropologische Spitzensatz von der wurzelhaften Bosheit des Menschen (6,5b; 8,21aβ) ist eine durch die Situation erzwungene theologische
Ausßucht. •Man übertreibt die allgemeine Sündhaftigkeit des Menschen,
um das Prinzip zu retten!.37 Möglicherweise gehört auf dieselbe Ebene die
Feststellung, dass die Erde mit Bluttat (2/ %)
angefüllt war, die sich im Textzusammenhang der Priesterschrift Þndet (7,11b.13aβ) und dort wegen der
Dubletten entbehrlich ist.
Im Rahmen der Szene von Noah und seinen Söhnen zeigt sich dieselbe
Theologie in der Parenthese 9,23b, die die Unschuld der Brüder Sem und
Jafet betont. Sie hätten die Blöße ihres Vaters nicht gesehen (vgl. Lev 18,7).
b) Gesetzestheologische Zusätze. Dass die Tageszählung des ersten
Schöpfungsberichts und mit ihr die Ätiologie des Sabbats (1,1.5b.8b.13.19.23.
31b; 2,2"3) späte Zufügung ist, •gehört geradezu zu den ältesten Erbstücken
33 R. Smend, Die Erzählung des Hexateuch, 1912, 29 Anm. 2: •Es kann von jüngerer
Hand zugesetzt sein.! Auch B. Stade, Das Kainszeichen (1894; in: Ders., Ausgewählte akademische Reden und Abhandlungen, 21907, 229"273), 258f, der im
Lamechlied ein altes Überlieferungsstück sieht, urteilt: •Man wird es • für ein Einschiebsel zu halten haben.!
34 Budde, Urgeschichte, 93f.
35 Vgl. zum Folgenden Ch. Levin, Gerechtigkeit Gottes in der Genesis (2001; in:
Ders., Fortschreibungen [BZAW 316] 2003, 40"48), 43"46.
36 Mit dieser Literarkritik erledigt sich die Behauptung, der Flutprolog sei von der
Priesterschrift abhängig. Das ist er in der Tat in Teilen, aber nicht in seiner Grundlage. Meine frühere Analyse muss korrigiert werden, vgl. Levin, Der Jahwist, 104"
106.
37 J. Wellhausen, Israelitische und jüdische Geschichte, 71914, 204.
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wirklicher Kritik am A. T.!38 Es gibt Anzeichen, dass die Sabbat-Bearbeitung nicht mehr in der noch selbständigen Priesterschrift geschah. In 2,4b
RJP werden die beiden Schöpfungsberichte durch eine Zeitbestimmung zueinander ins Verhältnis gesetzt: •Am Tage, als Jahwe Gott Erde und Himmel
machte.!39 •Wenn man die Aussage am Tage wörtlich nehmen • will •,
dann treffen wir hier auf die Vorstellung, daß Gott seine ganze Schöpfung an
einem Tage vollbrachte. Auf jeden Fall ist von einem Siebentagewerk nichts
zu erkennen.!40 Selbst wenn man -L'C im Sinn von •zur Zeit! versteht, liegt
hier ein Hinweis, dass die Tageszählung zum Zeitpunkt der Quellenverknüpfung noch nicht vorhanden war.41
Ähnliches gilt für die Speisevorschriften 1,29"30a. Abgesehen von Anzeichen sehr später Sprache in diesen beiden Versen passt die vegetabilische
Nahrung nicht zur Herrschaft über die Tiere, die dem Menschen in V. 28
zugesprochen wird.42 •Es darf vielleicht die Vermutung gewagt werden,
dass v. 29 sekundär ist und seine Entstehung der Rücksichtnahme auf das
Leben im Paradies verdankt und dann v. 30 • an sich gezogen hat.!43 Mit
1,29"30a gehört die Lizenz zum Fleischgenuss nach der Flut in 9,3 notwendig zusammen, und mit ihr wiederum können auch die noachitischen
Gebote 9,4"7 ein später Zusatz sein.44 Eine ähnliche Tendenz Þndet sich in
der Speisevorschrift 3,18b.45
Die Glosse 0! + % /K
•und zwar von ihrem Fett! in 4,4 anlässlich des
Opfers des Abel ist ein Verweis auf die Opfertora Lev 3,6"11.
c) Gelehrte Zusätze allgemeiner Art. Hierzu zählt die Geographie der
vier Paradiesströme 2,10"14, die einhellig als ein Fremdkörper erkannt wird,
der den Faden von V. 9 und V. 15 zertrennt. Mit ihr gehört wahrscheinlich
die Notiz 2,6 über den aufsteigenden Süßwasserstrom ()
zusammen. Von
38 Budde, Urgeschichte, 487. Vgl. im übrigen Ch. Levin, Tatbericht und Wortbericht
in der priesterschriftlichen Schöpfungserzählung (1994; in: Ders., Fortschreibungen [BZAW 316] 2003, 23"39), 26"28.
39 Weiteres s.u. S. 70.
40 W. Zimmerli, 1. Mose 1"11. Die Urgeschichte (ZBK.AT 1/1) 31967, 111. Vgl. auch
Nöldeke, Untersuchungen, 8.
41 Der klassische Sabbat ist bekanntlich mit Ausnahme des Dekalogs nur äußerst spät
bezeugt, vgl. Ch. Levin, Der Sturz der Königin Atalja (SBS 105) 1982, 39"42.
42 R. Kraetzschmar, Die Bundesvorstellung im Alten Testament, 1896, 193f, scheidet die beiden Verse darum aus.
43 Holzinger, Genesis, 14.
44 9,7 lenkt wie eine Wiederaufnahme auf 9,1(+2) zurück. Der Faden von PG Þndet sich
in 9,8.11aβb.
45 L. Ruppert, Genesis I (fzb 70) 1992, 124, sieht in 3,18b •eine Verknüpfung mit 1,29
P! von der Hand des RPt [= RJP].
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Die späteren Ergänzungen
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ähnlicher Art ist die Nachricht über die Riesen in 6,4.46 Vergleichbare gelehrte Anmerkungen Þnden sich in den zahlreichen Nachträgen der Völkertafel (10,4b.11"14.16"18a.19.26"30). Auch die Erläuterung der Bauweise
des Turms 11,3b kommt aus diesem Geist.
d) Die Urgeschichte hat eine späte weisheitliche Bearbeitung erfahren,
die man •Niedrigkeitsbearbeitung!47 nennen kann.48 Sie ist bestrebt, den Unterschied zwischen Gott und Mensch herauszustellen. Es beginnt mit der
Feststellung, dass der Mensch aus Staub geschaffen sei. In 2,7 ist das unverbundene Stichwort :6 4 •Staub! zwischeneingekommen. Der Fluch über
den Menschen greift in 3,19b darauf zurück. Auch die Verschärfung der
Mühsal bei der Schwangerschaft (das zugesetzte Stichwort T 1 :! # in 3,16)
und auf dem Acker (3,18a.19aα) kann man in diesem Zusammenhang sehen. Im selben Zuge wird die Endlichkeit des Menschen zum Gegenstand.
Der Baum des Lebens (2,9bα), der mit dem Baum der Erkenntnis rätselhaft
konkurriert, lässt die Unsterblichkeit als verlorene Möglichkeit erscheinen " ein Gedanke, der der ursprünglichen Erzählung ganz fremd ist. Die
Vertreibung aus dem Paradies dient nunmehr dazu, dem Menschen den Zugang zum Baum des Lebens zu verwehren und den Unterschied zwischen
Gott und Mensch unüberbrückbar zu machen (3,22.24b[ab =]).
Das Fazit:
•Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner!, klingt wie eine Korrektur
der Gottesebenbildlichkeit nach 1,26"27.49 Der Faden wird in 6,3aα.b weitergeführt, wenn Jahwe angesichts der Verbindung von Göttersöhnen und
Menschentöchern die Lebenszeit des Menschen auf 120 Jahre begrenzt.50
Die Reaktion Gottes in 3,22 kehrt in 11,6a angesichts des Turmbaus wieder:
•Siehe, sie sind ein einziges Volk, und eine einzige Sprache haben sie alle,
46 Den Nachtrag hat Hupfeld, Quellen der Genesis, 221, erkannt. Vgl. jetzt L. Perlitt, Riesen im Alten Testament (1990; in: Ders., Deuteronomium-Studien [FAT 8]
1994, 205"246), 241"244.
47 Den Begriff hat M. Witte, Vom Leiden zur Lehre (BZAW 230) 1994, für eine Bearbeitung des Hiobdialogs geprägt.
48 Wichtige Beobachtungen dazu stammen von Budde, Urgeschichte, 1"88; H. Gese,
Der bewachte Lebensbaum und die Heroen: Zwei mythologische Ergänzungen zur
Urgeschichte der Quelle J (1973; in: Ders., Vom Sinai zum Zion [BEvTh 64] 1974,
99"112); und Witte, Urgeschichte, 79"99. Mit der •Endredaktion!, wie Witte
meint, hat diese Bearbeitung nichts zu tun.
49 Vgl. M. Arneth, •Durch Adams Fall ist ganz verderbt •!. Studien zur Entstehung
der alttestamentlichen Urgeschichte (FRLANT 217) 2006, 155f.
50 Dass Gen 6,3 ein Zusatz ist, wurde von vielen festgestellt, vgl. bes. R. Bartelmus, Heroentum in Israel und seiner Umwelt (AThANT 65) 1979, 15"30. Bartelmus
macht wahrscheinlich, dass der Vers die Priesterschrift voraussetzt. Seiner extremen
Spätdatierung muss man nicht folgen. Gegen sie spricht, dass die eindeutig späte
Begründung •weil er ja Fleisch ist! (V. 3aȕ) eine weitere Glosse ist.
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Die Redaktion RJP in der Urgeschichte
und dies ist der Anfang ihres Tuns.!51 Es scheint, dass das Motiv der Verwirrung der Sprache, das sich nachträglich über die jahwistische Erzählung
von der Zerstreuung der Menschheit gelegt hat (11,1.3a.4aβ.6a.7.8b"9), in
diesem Rahmen zu deuten ist. Vielsagend ist der antithetische Bezug auf
Hiob 42,2 in Gen 11,6b, der freilich nochmals später hinzugekommen ist.
Die beiden Schöpfungsberichte
Das Ziel, die beiden Pentateuchquellen zu einer einzigen Darstellung zu vereinen, konnte nur gelingen, wenn das Verfahren so einfach wie möglich war.
•Die Tätigkeit des Redactors besteht vornehmlich in der geschickten Ineinanderschiebung der Quellen, wobei er deren Inhalt möglichst unverkürzt,
den Wortlaut und die Ordnung der Erzählung möglichst unverändert lässt.!52
Mit Ausnahme der Fluterzählung hat die Redaktion RJP die beiden Quellen
nicht verschränkt, sondern blockweise angeordnet. Ihre eigenen Spuren sind
besonders an den Nahtstellen zu erwarten.53 Die erste Naht liegt zwischen
den beiden Schöpfungsberichten. Der Text der Priesterschrift endet mit der
Toledot-Unterschrift Gen 2,4a, die jahwistische Erzählung aber beginnt mit
2,5. •2,4b dürfte Überleitung von R sein.!54
Seit Karl David Ilgen haben nicht wenige angenommen, die ToledotFormel, die in allen anderen Fällen als Überschrift dient, habe einst vor
Gen 1,1 gestanden und sei erst vom •Sammler!, also der Redaktion RJP, an
ihren jetzigen Platz gestellt worden,55 um eine Brücke zum zweiten Schöpfungsbericht zu schlagen.56 Für diese Hypothese •there is not a shred of
evidence!.57 Im Gegenteil, der Umstand, dass die Toledot-Formel mit der
Klausel - : C ! C •als sie geschaffen wurden! angebunden ist, belegt, dass
sie von vornherein ihrer jetzigen Stelle stand. Der Rückverweis, der als Teil
einer Überschrift überßüssig wäre, verklammert die Unterschrift mit dem
51 Die Zuweisung dieser Gottesrede an den jahwistischen Redaktor in Levin, Der
Jahwist, 129, ist falsch. Von JR stammt in der Turmbauerzählung nur 11,2.4aα.b"
5.8a.
52 Wellhausen, Composition, 2.
53 So richtig Witte, Urgeschichte, 53"78, der freilich mehrfach den Saum auf der
falschen Seite der Naht sucht: in 4,25"26 statt in 5,1"2 und in 6,1"4 statt in 5,32.
54 Smend, Entstehung, 40.
55 K. D. Ilgen, Die Urkunden des Jerusalemischen Tempelarchivs in ihrer Urgestalt,
1798, 4 und 351"358.
56 So zuletzt wieder Witte, Urgeschichte, 55.
57 F. M. Cross, Canaanite Myth and Hebrew Epic: Essays in the History of the Religion of Israel, Cambridge, Mass. 1973, 302.
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Die beiden Schöpfungsberichte
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vorangegangenen Bericht. Die Klammer zeigt zugleich, dass die ToledotUnterschrift kein ursprünglicher Bestandteil des ersten Schöpfungsberichts
gewesen ist. Das erklärt sich so, dass dem Verfasser der Priesterschrift für
den Schöpfungsbericht eine Quelle vorgelegen hat, die er mit der Unterschrift in sein geschichtstheologisches Schema einfügen wollte.58
Der Rückverweis lässt noch einen zweiten Vorschlag gegenstandslos
werden. Man hat gemeint, die Toledot-Formel ließe sich als Überschrift
auf den jahwistischen Schöpfungsbericht beziehen.59 Dafür hätte der Redaktor " es ist nicht klar, ob es sich um R, also die Redaktion RJP, oder um
den Verfasser der Priesterschrift handeln soll (die daraufhin nicht als Quelle,
sondern als Redaktion oder •Komposition! verstanden werden müsste) " die
Überschrift des Toledot-Buchs nachgeahmt, das den priesterschriftlichen
Genealogien Gen 5 und Gen 11,10"26 als vorredaktionelle Quelle zugrunde
gelegen habe.60 Doch ein solches Toledot-Buch hat es nicht gegeben; denn
Gen 5 lässt sich in fast allen Einzelheiten als Sekundärfassung von Gen
4 erweisen, deren Aussage sich erst vor diesem Hintergrund vollends erschließt.61 Nirgends ist deutlicher, dass die Priesterschrift den Jahwisten voraussetzt.62 Die besondere Form der Toledot-Überschrift in Gen 5,1 :6 2 ! $
- = +Lk
bezieht sich nicht auf ein •Toledot-Buch!, sondern wurde gewählt, weil in der noch selbständigen Priesterschrift zwei Toledot-Formeln
unmittelbar aufeinander trafen, von denen die erste im Rückbezug, die
zweite im Vorausbezug steht: •Dies sind die Toledot des Himmels und der
Erde, als sie geschaffen wurden. " Das ist die Liste der Toledot Adams.!
Die redaktionelle Klammer der Redaktion RJP liegt vielmehr in 2,4b vor.
Der temporale Umstandssatz: - '/ f # 7: -'!Y
!#!' =Lg4 -L'C •Am Tage,
als Jahwe Gott Erde und Himmel machte!, •bildet die Überleitung von der
priesterschriftlichen zur jahwistischen Schöpfungsgeschichte!.63 Dem In58 Zur Rekonstruktion dieser Quelle vgl. Levin, Tatbericht und Wortbericht, 31"32,
und zuvor W. H. Schmidt, Die Schöpfungsgeschichte der Priesterschrift (WMANT
17) 31973, 160"163.
59 Cross, Canaanite Myth, 302, und im Anschluss an ihn Blum, Studien zur Komposition, 280.
60 Cross, Canaanite Myth, 301.
61 So Budde, Urgeschichte, 89"116, in einem brillianten Beweis, der für das Verständnis von Gen 5 ein für allemal die Maßstäbe gesetzt hat.
62 Das bedeutet nicht, dass J als schriftliche Vorlage auf dem Schreibtisch von PG gelegen hat, und schon gar nicht folgt daraus, dass P (oder KP) als erweiterte Ausgabe
von J (oder einer wie auch immer gearteten nichtpriesterlichen Komposition) zu
verstehen ist.
63 Schmidt, Schöpfungsgeschichte, 196 Anm. 1. Zustimmend zitiert von C. Westermann, Genesis I (BK I/1) 1974, 269. Vgl. Ruppert, Genesis I, 124.
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Die Redaktion RJP in der Urgeschichte
halt nach bezieht er sich wie V. 4a auf den ersten Schöpfungsbericht; denn
nur in Gen 1 geht es um die Erschaffung von Himmel und Erde, in Gen 2
hingegen um die Erschaffung des Menschen, der Tiere und der Frau. Nach
der Syntax aber sowie nach dem Gottesnamen -'!Y
!#!' kann V. 4b nur
zum Folgenden gehören.
Man hat V. 4b als die Überschrift des zweiten Schöpfungsberichts gedeutet. Doch abgesehen davon, dass sie nicht den Inhalt wiedergäbe, würde
eine Überschrift einen Hauptsatz erfordern. Ebensowenig ist V. 4b der typische temporale Nebensatz, mit dem altorientalische Schöpfungsmythen
wie das Enuma elisch einsetzen;64 denn diese Nebensätze nennen nicht die
Summe des Geschehens, sondern beschreiben den status quo ante: •Als droben der Himmel noch nicht genannt war •!65 Tatsächlich ist in Gen 2 ein
solcher temporaler Nebensatz zu Þnden; aber nicht in V. 4b, sondern in V.
5: •Und alles Gesträuch des Feldes, ehe es war auf der Erde!.66 Selbst wenn
die invertierte Satzfolge 7: ! '! ' -: & ! j ! ´' g +) # daher rühren würde,
dass an dieser Stelle etwas abgebrochen oder umgestellt worden ist,67 läge
der verlorene Beginn nicht in oder hinter V. 4b.
Dass V. 4b eine Klammer der Redaktion RJP ist, ersieht man daraus,
wie sie die Verbindung der beiden Quellen herstellt. Der Temporalsatz •Am
Tage (= zur Zeit), als Jahwe Gott Erde und Himmel machte! bezieht sich
inhaltlich auf den ersten Schöpfungsbericht, auch wenn er nicht das kennzeichnende Verb : •erschaffen! (1,1.21.27; 2,3.4a), sondern das gewöhnliche !g3 •machen! (1,7.11.16.25.26.31; 2,2.18; 3,1) verwendet. Von dort
stammt auch das Begriffspaar •Erde und Himmel! (1,1; 2,1.4a). Dass die
Abfolge umgekehrt wurde, geschah offenbar mit Rücksicht auf Gen 2. Der
Gottesname -'!Y
!#!' sowie die Syntax aber lassen V. 4b zum Folgenden
gehören: Der Satz gibt eine relative Datierung für den zweiten Bericht. Er
versetzt ihn in ein zeitliches Verhältnis zum ersten, nämlich in die Gleichzeitigkeit. Zur selben Zeit, als die Erschaffung von Erde und Himmel sich
ereignete, nahm auch das Geschehen des zweiten Schöpfungsberichts seinen
64 So Witte, Urgeschichte, 55.
65 TUAT III/4, 569 (W. G. Lambert); weitere Beispiele Þnden sich bei H. Grapow,
Die Welt vor der Schöpfung (ZÄS 67, 1931, 34"38). Die anderen von Witte angeführten Belege sind nicht vergleichbar, da sie die Weltschöpfung nicht berichten,
sondern sich auf sie nur als Datum beziehen.
66 Schmidt, Schöpfungsgeschichte, 196 Anm. 1: •Der Anfang der jahwistischen
Schöpfungsgeschichte könnte die negative Zustandsschilderung 2,5 vor dem Hauptsatz 2,7 gewesen sein.!
67 Wellhausen, Prolegomena, 297: •Den ersten Satz des jehovistischen Berichtes
über den Anfang der Weltgeschichte hat der Redaktor abgeschnitten.!
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Der Übergang von Gen 4 nach Gen 5
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Lauf. Damit begegnen wir von Anfang an einer Lösung, mit der bibelgläubige Exegeten noch heute auf das Problem antworten, dass die Bibel nacheinander zwei Schöpfungsberichte enthält: Beide sind in Wahrheit ein und
derselbe; nur der Aspekt hat gewechselt. Der erste Bericht beschreibt das
Rahmenwerk der Schöpfung im Ganzen, der zweite trägt Einzelheiten nach.
Deutungsbedarf entstand bei den wirklichen Dubletten: der Erschaffung
des Menschen und der Erschaffung der Tiere. Das hat sich in zwei weiteren Ergänzungen niedergeschlagen. Der Satz 2,7b ! Q% f6 1+ - ! '! ' # •So
wurde der Mensch ein Lebewesen! ist ein erläuterndes Fazit außerhalb der
Erzählebene. Er erklärt sich als Brücke zu Gen 1.68 Wenn 1,27 berichtet, in
welcher Gestalt der Mensch erschaffen wurde, fügt 2,7a, so gedeutet, hinzu,
wie diese Gestalt ihr Leben erhielt. Der Begriff ! Q% f6 1 •Lebewesen! ist
außer Gen 2,7.19 nur im priesterschriftlich-ezechielischen Traditionskreis
belegt.69
Für die Erschaffung der Tiere ist eine ähnliche Lösung versucht worden. Diesmal ist die Namengebung das Gelenk. Das Motiv gehört bei der
Erschaffung von Tag, Nacht, Himmel, Land und Meer zum Schema des
priesterschriftlichen Berichts (1,5.8.10). Von da an fehlt es. Die jahwistische
Darstellung: •Und er [= Jahwe Gott] brachte sie zu dem Menschen, um zu
sehen, wie er sie nennen würde. Und der Mensch gab allen • Vögeln des
Himmels und allen Tieren des Feldes Namen! (2,19a.20a*), kann hier als
Fortsetzung gelten. Eine Parenthese in V. 19b hebt die Beziehung zum ersten Schöpfungsbericht hervor: L/f K! ! Q% f6 1 - ! L+¡: 9 ' :f +) # •Und
wie der Mensch ein jedes Lebewesen nennen würde, so sollte es heißen.! Im
Unterschied zu Gen 1 ist es nicht Gott, sondern der Mensch, der den Tieren
den Namen gibt: daher die Betonung - !.
Die Apposition ! Q% f6 1 bezieht
sämtliche Lebewesen ein, die in Gen 1 und 2 aufgeführt sind. Da zur Anknüpfung der Vorgang L+¡: 9 ' •er wird es nennen! aus V. 19a wiederholt ist,
gerät der Satzbau sehr ungeschickt.70
Der Übergang von Gen 4 nach Gen 5
Die zweite Naht Þndet sich zwischen den Genealogien der Kainiten und
der Setiten in Gen 4 J und den Toledot Adams in Gen 5 P. Die redaktionelle
Klammer ist auch hier längst entdeckt: -'!Y
=K/ C - -'!Y
:C -L'C
68 So auch Witte, Urgeschichte, 86f.
69 Gen 1,20.21.24.30; 9,10.12.15.16; Lev 11,10.46; Ez 47,9.
70 In der Regel wird ! Q% f6 1 als Zusatz ausgeschieden, vgl. BHS. Das genügt nicht.
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Die Redaktion RJP in der Urgeschichte
- : C ! -L'C - -/ f¡=
: 9 Q # -= T: ' # - : C ! 9 1K :) $ L= !g 4 •Am
Tage, als Gott den Menschen schuf, machte er ihn nach der Gestalt Gottes.
Männlich und weiblich schuf er sie und segnete sie und nannte sie ,Mensch•
am Tage, als sie geschaffen wurden! (V. 1b"2). Hinzu gehört eine Erweite +LQ
# ! 1f = /K
-'fY
f - '% ' #
rung in V. 3: [L/f]¡=
[: 9 Q # L/+ 8 V L=K/ C]
=f •Und Adam lebte einhundertdreißig Jahre und zeugte [in seiner Gestalt
nach seinem Bilde und nannte ihn] Set.!71
Sofort nach der Toledot-Überschrift werden die wesentlichen Aussagen
über die Schöpfung des Menschen aus 1,27"28 wiederholt. •Was wir außer
dem Toledotschema in Gen. 5,1 lesen (also V. 1b,2), ist als Erweiterung von
Gen. 1 her zu verstehen.!72 Die Dublette ist sinnlos, wenn man sie lediglich
im Rahmen der Priesterschrift sieht. •So rekapitulierte Gen 5,1f. dann bei
einem direkten Anschluß von Gen 5 an 2,3(4a) noch einmal unbeholfen,
was wenige Zeilen davor breit ausgeführt wurde!.73 Ganz anders, wenn an
dieser Stelle die Redaktion RJP den Faden wieder geknüpft hat, den sie für
den Einbau von Gen 2,5"4,26 zerreißen musste: •als Wiederaufnahme über
Gen 2"4 hinweg, ist dies bestens motiviert.!74 Dafür gibt es auch positive Indizien. Die Art des Temporalsatzes mit -L'C ist dieselbe wie in 2,4b RJP. Dieser Temporalsatz erscheint sogar zweimal, am Anfang und am Schluss des
Einschubs, wobei mit der Klausel - : C ! -L'C •am Tage, als sie erschaffen
wurden! auch die Rückbindung der Toledotformel aus 2,4a übernommen
ist. Noch einmal dient wie in 2,19b die Namengebung als redaktionelles
Gelenk. Nach Tag und Nacht, Himmel, Erde, Meer und allen Lebewesen
bekommt auch der Mensch seinen Namen, um das System zu vollenden.
Das musste im Zusammenhang seiner Erschaffung 1,26"27 geschehen sein.
Deshalb wird das Geschehen noch einmal in die Gleichzeitigkeit mit dem
ersten Schöpfungsbericht versetzt. Für den Akt übernimmt RJP die Wendung
aus 4,26 J: fL1 L/f¡=
: 9 Q # •und er (Set) nannte ihn Enosch! ĺ : 9 Q #
- L/f¡=
•und er (Gott) nannte sie Mensch/Adam!. Das Changieren zwischen Name und Appellativum versteht sich aus dem doppelten Rückbezug
auf 1,26"27 und 5,1a. Diesmal ist es Gott, der den Namen gibt. In der näch71 Vgl. H. N. Wallace, The Toledot of Adam (in: J. A. Emerton [ed.], Studies in the
Pentateuch [VT.S 41] Leiden 1990, 17"33), 19"21.
72 G. v. Rad, Die Priesterschrift im Hexateuch (BWANT 65) 1934, 40. Ähnlich Holzinger, Genesis, 58: •In 1b.2 macht sich ein Überarbeiter spürbar, der schon die
Combination von Gen 1"3 vor sich hat!.
73 Blum, Studien zur Komposition, 280.
74 Blum ebd., der freilich diese Verse nicht ausscheidet, sondern als integralen Bestandteil der Komposition KP versteht, die daraufhin zu einer Ergänzung des nichtpriesterlichen Texts werden muss.
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Die Genealogien
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sten Generation fällt dieses Vorrecht wieder (wie in 2,19b) dem Menschen
zu: Adam nennt seinen Sohn Set (V. 3*).
Die Genealogien
Auch wenn zwischen Gen 4 und 5 eine elegante Brücke gelungen ist, ist an
dieser Stelle ein Textverlust zu beklagen. Die genealogische Anbindung des
Noah innerhalb des Jahwisten ist bei der Verknüpfung der Quellen entfallen.
Der Grund dafür dürfte gewesen sein, dass Gen 5 P die Genealogien aus Gen
4 J zwar voraussetzt, aber umstellt.75 In der Priesterschrift ist Noah der Sohn
Lamechs. Das könnte auch beim Jahwisten so gewesen sein, nämlich in gerader Fortsetzung der Genealogie von 4,17"18. Indessen stehen dazwischen
nicht nur die Kulturätiologien von 4,19"22, sondern auch die Ersatz-Genealogie der Setiten 4,25"26, die nach dem Brudermord noch einmal beim
Urmenschen einsetzt. Zwischen beiden Genealogien reißt der Jahwist einen
Graben auf: Die Setiten verehren Jahwe, die Kainiten aber enden in der Flut.
An seinem Schicksal gemessen, muss Noah zu den Setiten gehört haben.
Der Graben wird freilich von der Priesterschrift zugeschüttet, indem sie, mit
Set einsetzend, beide Genealogien zu einer einzigen verschränkt. Noah ist
auch als der Sohn Lamechs ein Nachkomme Sets.
Auf dieser Grundlage konnte die Redaktion RJP in 5,28*"29 die Verheißung über der Geburt des Noah aus der Quelle J in die priesterschriftliche
Genealogie einrücken. Sie ist Lamech in den Mund gelegt. Das theologisch
gewichtige Gelenkstück blickt auf den Fluch über den Erdboden in 3,17 zurück und verheißt dessen Überwindung, die in 8,21aα.22 geschehen wird.76
Es durfte nicht übergangen werden.77
Die nächste Naht Þndet sich zwischen den Toledot Adams und der Sintßut, die beim Jahwisten in den sogenannten Engelehen ihren Anlass hat.
Wieder führt ein Blick auf die separate Priesterschrift auf die Spur der Redaktion. Gemeinhin gilt 5,32 als Abschluss der Toledot Adams. Für diesen
Fall bildet die Fortsetzung in 6,9ff eine wenig verständliche Dublette.78 Es
fällt aber auf, dass in 5,32 das Schema der Genealogie wechselt. Statt ¡'% ' #
75 Dazu Budde, Urgeschichte, 90ff.
76 Vgl. R. Rendtorff, Genesis 8,21 und die Urgeschichte des Jahwisten (KuD 7,
1961, 69"78), 74.
77 Es versteht sich von selbst, dass das jahwistische Stück innerhalb der priesterschriftlichen Genealogie als Ergänzung auftritt. Die Urkundenhypothese kann man an dieser Stelle nicht beweisen, aber ebensowenig widerlegen.
78 Blum, Studien zur Komposition, 280.
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Die Redaktion RJP in der Urgeschichte
+LQ
# ! 1f =L/ f/ % ´ 1 •Und Noah lebte fünfhundert Jahre und zeugte •!,
lautet es ´ 1 +LQ
# ! 1f =L/ f/ %¡0
C ´ 1¡'! ' # •Und Noah war fünfhundert Jahre
alt, und Noah zeugte •! Hinzu kommt, dass auch der Übergang von V. 32a
nach V. 32b nicht glatt ist: Das gleichbleibende Subjekt wird unnötigerweise
wiederholt: ´ 1 +LQ
# •und Noah zeugte!. Aus all dem folgt, dass die Notiz
über die Geburt der Söhne Noahs in 5,32 nicht der Priesterschrift angehört.
Die Toledot Adams enden vielmehr mit Lamechs Tod 5,31, und die Geburt
der Söhne Noahs war in P nur einmal zu lesen, nämlich, wie es sich gehört,
in den Toledot Noahs (6,10). In 5,32b liegt stattdessen, in Fortführung von
5,29, die Genealogie des Jahwisten vor, die nach der Flut in 9,18 wieder
aufgenommen und in 9,19 fortgeführt wird, um zur Völkertafel überzuleiten.
Um sie in das Schema der Quelle P einzufügen, hat die Redaktion RJP
in 5,32a einen Übergang geschaffen. Das zeigt neben dem abweichenden
Sprachgebrauch die Datierung. Die Altersangabe für Noah gehört nicht der
Priesterschrift; denn deren Zeitrechnung bezieht sich bei Noah nicht auf das
Alter bei der Geburt des Sohnes, sondern auf den Termin der Flut, wie man
aus der Summe seines Lebensalters in 9,28 im Vergleich mit dem Schema
in 5,4.7.10.13.16.19.22.26.30 und 11,11.13.15.17.19.21.23.25 ersieht. Aus
demselben Grund wird in 11,10 die Zeugung von Sems Sohn Arpachschad
am Datum der Flut angebunden. Die Geburt der Söhne Noahs ist in der
Chronologie der Priesterschrift nicht verankert. Das lag einerseits an der
Dreizahl (vgl. aber 11,26), anderseits konnte Sem erst nach der Flut einen
Sohn gezeugt haben. Da die Flut in das sechshundertste Jahr Noahs Þel
(7,6), hätte sich ein abnormes Alter bei der Geburt des ersten Sohnes errechnet, gemessen an den übrigen Zahlen in Gen 5 und 11,10"26. Das fünfhundertste Jahr Noahs, das in 5,32a für die Geburt seiner drei Söhne genannt ist,
stammt von dem Redaktor RJP.
Folgerichtig hat RJP auch das Alter Sems in 11,10 eingetragen, wieder
mit dem Schema ! 1f = /¡0
C -f •Sem war hundert Jahre alt!. Der Text der
Priesterschrift muss hier gelautet haben: f ) a : ¡=
'+L!
-f -f = +Lk
!X
+KV] ! :% -'= 1f Dies sind die Toledot Sems. Sem zeugte den Arpachschad
zwei Jahre nach der Flut! (vgl. 11,27). Im jetzigen Text ist die Geburt des
Arpachschad doppelt datiert. Dabei ist ein verräterischer Fehler unterlaufen:
Sem hätte •zwei Jahre nach der Flut!, das heißt •in dem der Flut folgenden
Jahr!, bereits hundertundein Jahre alt sein müssen.
Innerhalb der selbständigen Priesterschrift ist die Toledot-Überschrift
11,10 auf die Notiz vom Tod Noahs in 9,29 gefolgt. Die Redaktion RJP hat
sie in 10,1 verdoppelt, um eine Brücke zur jahwistischen Völkertafel zu
schlagen, die an dieser Stelle einzustellen war. Auffallend ist der Gebrauch
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Die Fluterzählung
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von +' ni. (vgl. 4,18 J). Die Priesterschrift hätte hier wie überall +' hi.
geschrieben. Die Anbindung +KC] ! :% •nach der Flut! wäre in einem genuin priesterschriftlichen Ablauf überßüssig gewesen, zumal zwischen der
Flut und Noahs Tod dreihundertfünfzig Jahre liegen (9,28). Sie ist aus 11,10
übernommen, wo sie nicht der Anbindung, sondern der Datierung dient.
Auch das Gegenstück, die Unterschrift 10,32, stammt von RJP. Sie variiert
die Unterschrift 10,31 in Zusammenspiel mit 10,5. Wieder steht +KC] ! :%
•nach der Flut!.
Die Fluterzählung
Bei der Fluterzählung bildet das redaktionelle Verfahren einen Ausnahmefall: Statt die beiden Quellen blockweise hintereinander zu stellen, wurden
sie zu einem einzigen Bericht verzahnt. Für dieses •Reißverschlussverfahren! gab es einen einfachen Grund: Die Menschheit konnte nicht zweimal
in kurzer Folge untergegangen sein. Eine solche Quellenverzahnung wiederholt sich nur noch ein einziges Mal für die Rettung am Meer und den
Untergang der Ägypter (Ex 14). Auch das konnte nur einmal erzählt werden. Gunkels vielzitierte Feststellung: •Die Art, wie die Quellenscheidung
zu geschehen hat, kann der Anfänger aus dieser Perikope lernen!,79 ist ein
folgenschwerer Irrtum. Doch auch wenn die Sintßut nicht als Paradigma
taugt, bildet sie für die Urkundenhypothese den Fels in der Brandung. Es
hat noch niemand zeigen können, dass man einen literarischen Befund wie
in Gen 6"9 besser mit einer Ergänzungs- oder Fragmentenhypothese als mit
der Urkundenhypothese erklärt.80
Die Analyse soll hier nicht wiederholt werden.81 Bisherige Fehler sind
vor allem darauf zurückzuführen, dass man einerseits die innere Uneinheitlichkeit der Quelle P erheblich unterschätzt und anderseits zu wenig mit der
Möglichkeit von Ergänzungen gerechnet hat, die erst nach der Quellenver79 Gunkel, Genesis, 137.
80 Die Kritiker widersprechen sich diametral. Vgl. einerseits Blum, Studien zur Komposition, 281"285, der der Priesterschrift die Kohärenz abspricht, anderseits J. L.
Ska, El Relato des Diluvio. Un Relato Sacerdotal y Algunos Fragmentos Redaccionales Posteriores (EstB 52, 1994, 37"62), der den jahwistischen Text als Ergänzung
der Priesterschrift deuten will.
81 Sie wurde seit den Anfängen im 18. Jahrhundert vor allem von Hupfeld, Quellen der Genesis, 6"16.132"136; Schrader, Studien zur Kritik, 136"148; Budde,
Urgeschichte, 248"276; Gunkel, Genesis, 137"140, immer weiter präzisiert. Vgl.
zuletzt Levin, Der Jahwist, 111"117. Darauf beruht die Tabelle oben S. 59.
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76
Die Redaktion RJP in der Urgeschichte
bindung hinzukamen. Ein Irrweg war auch, die beiden Quellen zu stark aneinander zu messen. Die Vermutung, der Jahwist habe auch den Bau der Arche, den Eintritt Noahs, die Landung, den Ausstieg und sogar die Ätiologie
des Regenbogens berichtet, ist unberechtigt. An der Stelle solcher Einzelheiten stehen die summarischen Erfüllungsberichte. Nimmt man sie beim Wort,
ergibt sich ein durchgehender Handlungsverlauf. Ein einziger Textverlust ist
nachweisbar: der Befehl zum Bau der Arche im jahwistischen Bericht, auf
den 8,6b zurückverweist. Er muss zwischen 6,8 und 7,1 ausgefallen sein. Im
übrigen gilt: •Etwas Wichtiges und Besonderes • würde uns nach seiner
Art alles irgendwie Eigenthümliche, und wäre es selbst mit den Angaben
der Grundschrift [= P] in offenbarstem Widerspruche •, sorgfältigst aufzubewahren und auf irgend eine Weise in die Erzählung einzufügen, der
Redaktor schwerlich vorenthalten haben.!82 •Man sieht an dem allen, welchen Scharfsinn der Red daran gesetzt hat, daß kein Körnlein • zu Boden
falle!.83
Die Redaktion RJP ging auch diesmal so einfach wie möglich vor. Die
kombinierte Erzählung beginnt mit dem Jahwisten, weil dort die Sünde, die
Jahwe zur Sintßut veranlasst, eigens geschildert ist (6,1"2). Ferner muss
der jahwistische Prolog am Anfang stehen (6,5"8*); denn dort fasst Jahwe
im Selbstgespräch den Vernichtungsbeschluss, während Gott in der Priesterschrift seinen Beschluss sofort an Noah verkündet. Nach der Einführung
Noahs in 6,8 J folgt der erste Quellenwechsel. Die Toledot Noahs (6,9"22)
wirken dadurch wie eine Ausführung zur Person.
Die weitere Verschachtelung richtet sich nach den gleichlautenden
Ausführungsnotizen 6,22; 7,5 und 7,16aβ: •(Und Noah tat, ganz) wie Gott/
Jahwe ihm geboten hatte.! Sie gleicht einem Stafettenlauf. Die Darstellung
der Priesterschrift wird bis zum Ende des einleitenden Gottesbefehls beibehalten (6,9"22). Danach schließt der Jahwist bis zur gleichen Höhe auf
(7,1"5*), wobei nur der Befehl zum Bau der Arche entfällt. Darauf lässt die
Redaktion den ausführlichen Bericht der Priesterschrift über die Besteigung
der Arche 7,6"16a* folgen. Er liest sich als Erläuterung der Ausführungsnotiz 7,5 und mündet selbst wieder in eine summarische Ausführungsnotiz,
nämlich 7,16aβ. In 7,16aβ und 7,5 wie in 7,5 und 6,22 ist das Geschehen jeweils auf gleicher Höhe. Daraufhin kann das Verschließen der Arche 7,16b,
mit dem der jahwistische Bericht fortfährt, an 7,16aβ P ebensogut anschließen wie ursprünglich an 7,5 J.
82 Schrader, Studien zur Kritik, 148.
83 Gunkel, Genesis, 139f.
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Die Fluterzählung
77
Es entsteht nur eine Schwierigkeit: Die Priesterschrift konstatiert in
7,6 und 7,11 im Zusammenhang mit der Datierung den Beginn der Flut,
schon bevor Noah in die Arche eintritt. Beim Jahwisten hingegen beginnt
die Flut nach dem Verschließen der Arche (hinter 7,16b). Der Widerspruch
wiegt noch schwerer, weil auch die Zeitrechnung kollidiert. Deshalb war
die Redaktion RJP zu einem weitergehenden Eingriff gezwungen: Sie hat
die jahwistische Fassung, deren Wortlaut man anhand der Ankündigung 7,4
in 7,10a und 12 wiedererkennt, umgestellt und an passender Stelle in den
Bericht der Priesterschrift eingefügt. Die Frist von sieben Tagen bezieht
sich nunmehr auf das Tages-Datum 7,11a, der Regen folgt auf das Öffnen
der Fenster des Himmels 7,11b. So erreichte die Redaktion, dass die beiden
Berichte sich ergänzen, statt sich zu widersprechen. Dazu musste sie den
jahwistischen Satz: •Und als die sieben Tage vergangen waren, kam ein Regen auf die Erde vierzig Tage und vierzig Nächte!, auseinandernehmen. Da
indes die Zeitangabe nicht allein stehen kann, hat RJP in V. 10b aus eigener
Feder eine Fortsetzung hinzugefügt; freilich nicht in der Weise von V. 12 J,
sondern mit den Worten von V. 6b P, so dass man die andere Handschrift
erkennt: •Und als die sieben Tage vergangen waren, kamen die Wasser der
Flut auf die Erde (7: !¡+
4 K'! +KC] ! '/K).!
Der Begriff +KC] •Flut! fand sich
ursprünglich nur in der Priesterschrift.
Die Umstellung hinterließ in der jahwistischen Darstellungsfolge zwischen 7,16b und 7,17b eine Lücke. Auch sie wurde von der Redaktion in
V. 17a mit einer eigenen, sinngleichen Ergänzung geschlossen: •Und Jahwe
schloss hinter ihm zu. Da kam die Flut vierzig Tage über die Erde (+KC] ! '! ' #
7: !¡+
4 -L' -'4 C : ).
Und die Wasser mehrten sich und hoben die Arche, so
dass sie sich hob über die Erde.! Man erkennt die Redaktion an der Verbindung des priesterschriftlichen Begriffs +KC] •Flut! mit der Datierung von
vierzig Tagen nach J.
Im weiteren ergab das Verfahren sich im wesentlichen von selbst. Das
Steigen der Wasser wird zuerst knapp aus dem Jahwisten wiedergegeben
(7,17b), anschließend ausführlich aus der Priesterschrift (7,18"20). Für den
Untergang der Lebewesen behält RJP die Quelle P bei (7,21) und trägt in
7,22"23a* die jahwistische Parallele nach. Wieder folgt der ausführlichere
Bericht auf den knapperen. Aus der Priesterschrift folgt das Fazit: •Nur
Noah blieb übrig, und was mit ihm in dem Kasten war! (7,23b). Die Darstellung von Ausmaß und Auswirkung der Flut wird mit der Datierung 7,24
P beschlossen.
Das Ende der Flut beginnt mit der Priesterschrift, weil diese schildert, dass
Gott selbst die Wende des Geschehens herbeiführt (8,1). Auf das Verschließen der Fenster des Himmels V. 2a P folgt, in umgekehrter Entsprechung zu
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Die Redaktion RJP in der Urgeschichte
7,11"12, das Aufhören des Regens 8,2b J. Ursprünglich muss die Frist von
vierzig Tagen V. 6a J vor V. 2b gestanden haben.84 Da sie sich dem Zeitplan
der Priesterschrift nicht fügt, hat die Redaktion sie versetzt und auf die Vogelszene bezogen. Für das Verlaufen der Wasser gibt RJP den knappen jahwistischen Bericht V. 3a wieder, bevor sie dem ausführlichen der Priesterschrift in
V. 3b"5 das Wort lässt, der auch die Landung der Arche einschließt. Nun muss
die Vogelszene folgen, die allein beim Jahwisten überliefert ist.85 Das endgültige Trocknen der Erde wird von der Priesterschrift in V. 13a und V. 14 mit
zwei Datierungen bestimmt, zwischen denen die jahwistische Fassung V. 13b
ihren Platz fand. Der Ausstieg aus der Arche V. 15"18 ist nur der Priesterschrift eigen. Beim Epilog mussten Noahs Opfer und Jahwes Beschluss bei
sich selbst V. 20"22 J vorangehen, bevor aus der Priesterschrift der Segen und
die Bundesverheißung 9,l"17* folgen, die das angemessene Finale sind.
Die zweifache Schnur
Ein gründliches Urteil über die Redaktion RJP ist erst möglich, wenn sie
auf der ganzen Länge der beiden parallelen Pentateuchquellen Priesterschrift und Jahwist verfolgt und beschrieben worden ist.86 Schon jetzt lässt
sich sagen: RJP erweist sich als Redaktion im genauen Sinn des Begriffs.87
Sie verarbeitet ihre Quellen mit dem Ziel eines neuen literarischen Ganzen
und folgt dabei einem theologischen Ziel. Dieses Ziel war, der Einheit der
Geschichte Gottes mit seinem Volk, deren Darstellung in zwei getrennten,
religiös verbindlichen Rezensionen umlief, literarischen Ausdruck zu verschaffen.88 Ein Vorrang einer der beiden Quellen, etwa der Priesterschrift,
84 Vgl. Wellhausen, Composition, 4; Budde, Urgeschichte, 267f.
85 •Die Rabenszene stört die dreigliedrig aufgebaute Komposition der Entsendung der
Taube! (Witte, Urgeschichte, 140). Die Lösung liegt nicht darin, dass die Rabenszene 8,7 nachgetragen wäre. Diese stammt aus der vorjahwistischen Quelle und
wurde vom jahwistischen Redaktor um die dreigliedrige Taubenszene erweitert, vgl.
Levin, Der Jahwist, 106f, und zuvor O. Keel, Vögel als Boten (OBO 14) 1977,
86"91.
86 Vgl. vorläuÞg Levin, Der Jahwist, 437"440.
87 Was in der heutigen Exegese gelegentlich als •Pentateuchredaktion! oder •Endredaktion! vertreten wird, sind tendenzkritische Sammelgrößen von unklarem literarischen ProÞl, die nicht einmal die Bezeichnung •Bearbeitung! im engeren Sinne
verdienen.
88 Das Programm wird sehr gut erfasst von H. Donner, Der Redaktor. Überlegungen
zum vorkritischen Umgang mit der Heiligen Schrift (1980; in: Ders., Aufsätze zum
Alten Testament [BZAW 224] 1994, 259"285).
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Die zweifache Schnur
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hätte dem Unternehmen widersprochen. Die neue Einheit der beiden literarischen Großeinheiten konnte nur mit einfachsten Mitteln erreicht werden.
Die Redaktion nahm •die positive Haltung des ehrlichen Maklers! ein.89 Ihr
Ziel war literarisch und theologisch anspruchsvoll genug. Weitergehende
theologische Absichten hätten es zunichte gemacht.90 Nur ganz gelegentlich
greift die Redaktion zu eigenen Gestaltungsmitteln, um die sachliche Einheit der vormals getrennten Geschichtsentwürfe herauszustellen.91 So geschieht es im Falle der Schöpfung mit dem Motiv der Namengebung, das in
Gen 1,5.8.10 P und 2,19a.20 J vorhanden war und ausgebaut werden konnte.
Bei der Flut wurden die unvereinbaren Gegensätze der beiden Datierungssysteme durch Umstellungen auszugleichen versucht.
Die Quellen durften nicht mehr als notwendig versehrt werden. Auslassungen kommen vor, halten sich aber in Grenzen und werden durch die
jeweilige Parallelquelle ausgeglichen. Sie mehren sich im Bereich der Vätergeschichte, wo sie besonders die Priesterschrift stark in Mitleidenschaft
ziehen.92 Paradoxerweise sind gerade die wechselweisen Lücken der beiden
Pentateuchquellen der Beweis für die Urkundenhypothese. Die Darstellung
hängt nicht an einem einfachen Faden, sondern an einer Schnur, die aus zwei
Fäden gewirkt ist. Sie hält auch dann zusammen, wenn einer der beiden Fäden gerissen ist oder fehlt.
89 So M. Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien, (1943) 31967, 95, über den deuteronomistischen Redaktor.
90 Es ist daran festzuhalten, dass die Verbindung der Pentateuchquellen innerhalb der
alttestamentlichen Literaturgeschichte ein absoluter Sonderfall ist. Die Regelhypothese ist nicht die Urkundenhypothese, sondern die Ergänzungshypothese. Man darf
die Redaktion RJP nicht an den Bearbeitungen messen, die wir überall sonst vorÞnden.
91 Was Witte, Urgeschichte, dem Endredaktor zuschreibt, gehört zum weit überwiegenden Teil in jenen Bereich der Traditionsgeschichte, der auf die Verbindung der
Quellen gefolgt ist, s.o. S. 63"68.
92 Darauf haben besonders R. Rendtorff, Das überlieferungsgeschichtliche Problem
des Pentateuch (BZAW 147) 1977, 112"130, und E. Blum, Die Komposition der
Vätergeschichte (WMANT 57) 1984, 420"458, hingewiesen, ohne dass man ihre
Folgerung teilen muss, die Priesterschrift nicht mehr als Pentateuchquelle, sondern
als •Schicht! oder •Komposition! zu verstehen.
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