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2006 Die Redaktion R J/P in der Urgeschichte

2013, Ch. Levin, Verheißung und Rechtfertigung. Ges. Studien zum Alten Testament II, BZAW 431, Berlin/Boston 2013, 59–79; zuvor in: M. Beck, U. Schorn (Hg.), Auf dem Weg zur Endgestalt von Genesis bis II Regum. FS Hans-Christoph Schmitt, BZAW 370, Berlin/New York: de Gruyter 2006, 15–34..

Die Redaktion RJP in der Urgeschichte Die Verteilung der beiden Quellen •Die Entdeckung daß der Pentateuch • aus verschiedenen Quellen oder Urkunden zusammengesetzt ist, ist unstreitig eine nicht nur der wichtigsten und für die Auffaßung der historischen Bücher des A. T., ja die ganze Theologie und Geschichte folgenreichsten, sondern auch der gesichertsten Entdeckungen, die es im Gebiet der Kritik und Literaturgeschichte gibt. • Sie wird sich behaupten und durch nichts wieder rückgängig machen laßen, so lange es noch so ein Ding wie ,Kritik• (d.ௗi. ein Gefühl und Maßstab des übereinstimmenden und widersprechenden, des gleichartigen und ungleichartigen u.ௗs.ௗw.) gibt!.1 Die beiden Quellen verteilen sich auf die Urgeschichte wie folgt (wobei die zahlreichen Zusätze, die der redaktionell verknüpfte Text noch erfahren hat, nicht ausgewiesen sind): Priesterschrift Redaktion RJP Jahwist 1,1"2,4a 5,1a 5,3*.4"27.28* 5,30"31 6,9"22 7,6"9 7,11 7,13"16a 2,4b.7b.19b 5,1b"2.3* 2,5"4,26 5,32a 7,10b 7,17a 7,18"21 7,23b"8,2a 8,3b"5 8,13a 8,14"19 9,1"17 9,28"29 11,10*.11"26 1 10,1 10,32 11,10* 5,28*"29 5,32b"6,8 7,1"5 7,10a 7,12 7,16b 7,17b 7,22"23a 8,2b"3a 8,6"12 8,13b 8,20"22 9,18"27 10,2"31 11,1"9 H. Hupfeld, Die Quellen der Genesis und die Art ihrer Zusammensetzung, 1853, 1. levin_BZAW_002.indd 59 08.07.2013 13:09:06 60 Die Redaktion RJP in der Urgeschichte Von der herkömmlichen Quellenscheidung weicht diese Zuordnung an zwei Stellen nennenswert ab: Gen 7,7"9 gehört nicht zu J oder R, sondern zu P; Gen 10 aber gehört nicht zu P, sondern vom Grundstock her zu J. Beide Korrekturen sind nicht neu. Sie gerieten nur in Vergessenheit. In oder hinter Gen 7,7"9, dem Bericht über die Besteigung der Arche, pßegt man den Text des Jahwisten zu sehen: •Noahs Eingang in die Arche muß dem Grundstock nach zu J gehören, da P dasselbe 11.13"16a erzählt.!2 Dieser (Kurz-)Schluss führt zu Schwierigkeiten;3 denn 7,7"9 gebraucht durchgehend die Begrifßichkeit der Priesterschrift.4 Als Ausweg hat man V. 8"9 dem Redaktor zugewiesen.5 Das ist ein Denkfehler, der das vermeintliche Problem, nämlich die Doppelung, zur Lösung erklärt. Wie der Redaktor damit die Quellen hätte verknüpfen wollen, ist nicht nachvollziehbar. Jedenfalls •hatte R keinen Anlass, eine unnötige Dublette zu v. 13"16 zu schaffen.!6 Die zutreffende Deutung des Sachverhalts ist längst gefunden: •Die Stelle 7,7"9, die dort, weil sie im Elohistischen [= priesterschriftlichen] Zusammenhang neben V. 13"16 als völlig überßüßig erscheint, aus einem Schwanken des Redactors in seinem Plan abgeleitet wird, könnte vielleicht dennoch an dieser Stelle ächt d. i. der Urschrift [= P] angehörig, und V. 13" 16 eine Wiederholung sein (woran die Urschrift überhaupt in diesem Stück so reich ist), mit nachschlagender genauerer Bestimmung und Erläuterung des V. 7.8b.9 erst in allgemeinen Umrißen angegebenen; grade wie V. 11 mit genauerer chronologischer Bestimmung den 6. Vers wieder aufnimmt!.7 Die Priesterschrift ist alles andere als literarisch homogen. Sie enthält zahlreiche Erweiterungen, die oft an den bis dahin gegebenen Text anknüpfen und auf 2 3 4 5 6 7 levin_BZAW_002.indd 60 H. Gunkel, Genesis (HK I 1) 31910, 62. Darauf hat zuletzt mit Nachdruck E. Blum, Studien zur Komposition des Pentateuch (BZAW 189) 1990, 282, hingewiesen. Ein Hebelpunkt, die Urkundenhypothese aus den Angeln zu heben, bietet die Stelle freilich nicht. Die Parallele in 7,2 J ist kein Grund, ausgerechnet der Priesterschrift die Unterscheidung zwischen rein und unrein abzusprechen, die in 7,8 getroffen wird. Es ist ohne weiteres möglich, dass die Ausführung in dieser Einzelheit über den Auftrag 6,19 hinausgeht. Die weiteren Listen 6,20 und 7,14"16, in denen der Gesichtspunkt fehlt, sind PS. E. Schrader, Studien zur Kritik und Erklärung der biblischen Urgeschichte, 1863, 138; seither Th. Nöldeke, Untersuchungen zur Kritik des Alten Testaments, 1869, 12; J. Wellhausen, Die Composition des Hexateuchs (1876), 41963, 2; K. Budde, Die Biblische Urgeschichte, 1883, 260; Gunkel, Genesis, 63; und viele andere. Neuerdings wieder M. Witte, Die biblische Urgeschichte (BZAW 265) 1998, 77. H. Holzinger, Genesis (KHC 1) 1898, 80. Er behilft sich mit der Auskunft: •Es ist daher eine gründliche Umgestaltung von J-Text durch R anzunehmen.! Hupfeld, Quellen der Genesis, 207. 08.07.2013 13:09:06 Die Verteilung der beiden Quellen 61 diese Weise Doppelungen erzeugen, die kein Anlass für Quellenscheidung sind. Der Abschnitt 7,11.13"16a PS ist eine präzisierende Erläuterung von 7,6"8abα.9 PG. Auch im jahwistischen Faden entsteht keine Lücke, wenn man die Verse der Priesterschrift zuweist.8 Die zweite Abweichung betrifft die Völkertafel Gen 10. Heute ist üblich, das dreigliedrige Schema V. 2"7*.20.22"23.31, das den Grundstock der Völkerliste bildet, der Priesterschrift zuzuweisen. Dem ging ein anderer Konsens voraus: •An die Geschichte der Sintßut schließt sich in der Urschrift [= P], wie allgemein anerkannt ist, zur Ausfüllung des Zwischenraums zwischen der zweiten Epoche und der dritten, ebenso wie früher zwischen der ersten und zweiten, wieder eine Genealogie der betreffenden Linie (Sem) 11,10"26.!9 Dieser klare Aufbau aus Schöpfung (Gen 1,1"2,4a), Toledot Adams (Gen 5), Sintßut (Gen 6,9"9,29*), Toledot Sems (Gen 11,10"26) und Abraham-Erzählungen (ab Gen 11,27) würde durch die Völkertafel gestört werden. Die Doppelung der Toledot Sems, Hams und Jafets (10,1) und der Toledot Sems (11,10) widerspricht dem genau komponierten Ablauf, der für die Priesterschrift kennzeichnend ist. •Wie kommt der Verfasser der Grundschrift [= P] dazu, Sems Nachkommen doppelt aufzuführen •? Um so höher ist mithin die vollkommene Ungleichheit der Form in Anschlag zu bringen. Vielmehr verhält sich C. 10. zu C. 11. wie C. 4. zu C. 5. • Dort wie hier giebt er [= J] die Descendenz einfach, während die Grundschrift [= P] die Genealogie nach einem chronologischen Systeme ordnet.!10 Es war Eberhard Schrader, der diesen Konsens aufgekündigt hat.11 Sein einziges wirkliches Argument, den Grundstock von Gen 10 der Priesterschrift zuzuschlagen, ist die Toledot-Überschrift V. 1. Dass die ToledotFormeln allesamt von P stammen, ist aber nicht zwingend. Sie können auch nachgeahmt sein.12 Für die Vertauschung der Quellen J und P, die daraufhin üblich geworden ist, zahlt man einen hohen Preis. Nicht allein der Aufbau der Priesterschrift wird verdorben; auch der Jahwist wird verstümmelt, und zwar in einem Maße, das seine Eigenschaft als Pentateuchquelle in Frage stellt. Der neuralgische Punkt ist die Überleitung 9,18"19, die von der Sint௕8 Nöldekes Feststellung, dass wir die Verse 7,7"9 •gar nicht vermissen würden, wenn sie ganz fehlten! (Untersuchungen, 12), gilt nicht nur für den P-Faden (wo ihnen 7,11.13"16a Konkurrenz macht), sondern ebenso für den Bericht des J. ௕9 Hupfeld, Quellen der Genesis, 17. 10 F. Tuch, Kommentar über die Genesis, 1838, 196௘௘f. Er nennt als Vorgänger Astruc, Eichhorn und de Wette. Seine Beobachtungen werden nicht hinfällig, auch wenn die Ergänzungshypothese sich nicht bewährt hat. 11 Studien zur Kritik, 33௘௘f. 12 Vgl. Gen 36,9 PS; Num 3,1; Rut 4,18. levin_BZAW_002.indd 61 08.07.2013 13:09:06 62 Die Redaktion RJP in der Urgeschichte ßut zur Völkertafel führt. Sie stammt nicht aus P, sondern aus J: •Und die Söhne Noahs, die aus dem Kasten gingen, waren Sem und Ham und Jafet. Ham aber ist der Vater Kanaans. Diese drei sind die Söhne Noahs, und von ihnen aus hat sich die ganze Erde bevölkert.! •Ausdrücklich für J beweist • v. 19. Das %1¡'1 !X !f+f gehört zu den eigentlichen Bestandtheilen des jahvistischen Stammtafelgerüstes (vgl. 22,23. 10,29. 25,4 •) und ist in dieser seiner Eigenschaft unnachahmlich.!13 Der Versuch, die beiden Verse für die Priesterschrift zu reklamieren, ist verzweifelt.14 Und er hat erhebliche Weiterungen: Da die Perikope von Noah und seinen Söhnen 9,20"27 an 9,18"19 hängt und für sich allein nicht lebensfähig ist, kann sie nicht mehr zur Quelle J gehören und wird gegen den Textbefund zur •nachpriesterlichen! Ergänzung erklärt.15 Dasselbe widerfährt den jahwistischen Teilen der Völkertafel. Sie bilden nämlich keinen Parallelfaden zu dem Grundgerüst 10,2"7*.20.22"23.31, wie meist behauptet wird,16 sondern hängen ergänzend von ihm ab. Sie müssten also •nachpriesterlich! sein.17 Das sind sie aber nicht. Dafür gibt es genügend positive Gründe.18 Was deshalb in Gen 10 der Priesterschrift zugewiesen zu werden pßegt, ist vielmehr die vorredaktionelle Quelle des Jahwisten. Außer durch die Überleitung 9,18"19 wird es dadurch bewiesen, dass die jahwistisch-redaktionellen Bestandteile der Völkertafel sich auf diesen Grundstock beziehen.19 Die späteren Ergänzungen Die Gestalt des Pentateuchs, die durch die Vereinigung von Priesterschrift und Jahwist zustande kam, ist nicht gleichzusetzen mit dem heute vorliegenden Text. Die Verknüpfung der Quellen hat das natürliche Textwachstum nicht beendet. Deshalb ist die Redaktion RJP, die die beiden Quellen Jahwist und Priesterschrift zu einem neuen Ganzen verbunden hat, von der End13 Budde, Urgeschichte, 303. 14 Witte, Urgeschichte, 100"102. 15 Witte, Urgeschichte, 102"105. Zu den positiven (konzeptionellen, sprachlichen und theologischen) Gründen, die 9,20"23a.24"25 dem Jahwisten zuweisen lassen, vgl. Ch. Levin, Der Jahwist (FRLANT 157) 1993, 118௘௘f. 16 Maßgebend war Wellhausen, Composition, 4"7. 17 So folgerichtig Witte, Urgeschichte, 105"114. 18 Vgl. Levin, Der Jahwist, 121௘௘f. 19 Der Text verteilt sich wie folgt: V. 2"4a.5"7.20.22"23.31: überlieferte Völkertafel; V. 8a.9*.15.24: vorredaktionelle Erweiterung der Quelle; V. 8b.9* (zweimal ' —16’ +– !#!'). 10.18.21.25: jahwistische Redaktion. Alles Übrige sind spätere Zusätze. Vgl. Levin, Der Jahwist, 121"124. levin_BZAW_002.indd 62 08.07.2013 13:09:06 Die späteren Ergänzungen 63 redaktion zu unterscheiden.20 Genauer gesagt: •,Die Endredaktion• gibt es nicht.!21 Die Vorstellung, der heutige Text sei das Ergebnis einer bewussten redaktionellen Gestaltung, ist nicht nur überßüssig, sondern falsch. Für den biblischen Traditionsprozess ist Kanonizität nicht Ergebnis, sondern Voraussetzung gewesen.22 •Die Endgestalt als theologisches Programm!23 ist ein literaturgeschichtlicher Irrtum, der die theologische Hermeneutik in die Sackgasse führt. •Die Redaction des Hexateuch gestaltet sich • zu einer fortgesetzten Bearbeitung und Revision; der Redactor wird zu einem Collectivum, dessen Haupt derjenige ist, der die beiden • Schriften zu einem Ganzen verband, zu dem aber ausserdem noch die ganze Reihe seiner mehr oder weniger selbständigen Nachfolger gehört.!24 Von den 299 masoretischen Versen der Kapitel Gen 1"11 dürften etwa siebzig, das ist knapp ein Viertel, jünger sein als die Vereinigung von Priesterschrift und Jahwist. Diese späteren Zusätze legen sich über die Trennlinien der beiden vormaligen Quellen und verwischen deren Konturen. Die Zweifel an der Urkundenhypothese, die neuerdings vermehrt geäußert werden, Þnden hier ihre beste Nahrung. Darum setzt ein Urteil über die Art der beiden Pentateuchquellen wie auch über die Absicht und das Verfahren der Redaktion RJP voraus, dass diese Zusätze so weit wie möglich als solche erkannt werden. Das kann hier nicht in den Einzelheiten geschehen. Ein nach Motiven geordneter Überblick muss genügen.25 a) Hamartiologische Zusätze. Vor allem die nichtpriesterliche Urgeschichte •ist menschlicherseits gekennzeichnet durch ein lawinenartiges Anwachsen der Sünde!.26 Die betreffenden Erzählzüge gehören zu dem 20 Wenn die bisherige Forschung die Redaktion RJP als •Endredaktion! bezeichnete (so noch u.௘௘a. R. Smend, Die Entstehung des Alten Testaments, 21981, 38"46; Levin, Der Jahwist, 437"440), musste sie mit umfangreichen •nachendredaktionellen! Zusätzen RS rechnen " genau genommen ein Widerspruch in sich. 21 Blum, Studien zur Komposition, 380. 22 Das hat Witte nicht erfasst, wenn er zu einem •offenen Problem! erklärt, •wie sich das Phänomen umfangreicher • Ergänzungen mit der ,Kanonizität• verträgt! (Urgeschichte, 37). Die Frage stellt sich umgekehrt: Wie hätte es zu den umfangreichen Ergänzungen kommen können, die wir feststellen, wenn der Text nicht als kanonisch gegolten hätte? Vgl. B. Levinson, •Du sollst nichts hinzufügen und nichts hinwegnehmen! (ZThK 103, 2006, 157"183). 23 E. Zenger, Einleitung in das Alte Testament, 21996, 34. 24 A. Kuenen, Historisch-kritische Einleitung in die Bücher des alten Testaments, I 1, 1887, 302. 25 Für den Nachweis vgl. die Exegesen in Levin, Der Jahwist, 87"92.100"102.111.114" 117.120.124"126.129"132.141, die freilich nicht erschöpfend und zum Teil überholt sind. 26 G. v. Rad, Das erste Buch Mose. Genesis (ATD 2/4) 91972, 116. levin_BZAW_002.indd 63 08.07.2013 13:09:06 64 Die Redaktion RJP in der Urgeschichte theologisch Belangreichsten am Anfang der Bibel. Sie gelten gemeinhin als theologische Eigenheit des Jahwisten.27 Letzteres trifft nicht zu, ebensowenig wie man die jahwistische Urgeschichte als eine Kette von Schuld-StrafeErzählungen verstehen kann.28 Vielmehr handelt es sich um eine Reihe von Zusätzen später Theologen, die auch die Priesterschrift schon voraussetzen. Das Interesse an der Rechtschaffenheit des Menschen und der Gerechtigkeit (und Barmherzigkeit) Gottes, das sich hier geltend macht, gibt es in den erzählenden Texten des Alten Testaments durchgehend, und zwar fast stets als später Zusatz. Die Art dieser Geschichtsdeutung lässt sich am besten bei einem Vergleich der Chronik mit den Büchern der Könige nachvollziehen.29 Diesem Denken entstammt das Motiv der Versuchung, das heute die jahwistische Paradiesgeschichte prägt. Wie schon der Gebrauch von -'!Y – “ statt -'!Y – “ !#!' in 3,1.3 zeigt, ist der Dialog zwischen der Frau und der Schlange ein Fremdkörper (3,1"5.6aα [ab ')– ’#]). Das berühmte psychologische RafÞnement der Szene, die mit der Gestalt des Versuchers die Schuld des Menschen mehr schlecht als recht zu mindern versucht, hat in der übrigen Erzählung nichts Entsprechendes. Hinzu gehört die Verßuchung der Schlange (3,13b"14.16[bis :/A]). ™ Ganz ähnlich die PersoniÞkation der Sünde in der fürsorglichen Warnung Gottes an Kain (4,6"7). Auch diese Rede •wirkt im Zusammenhang der Erzählung wie ein Fremdkörper!.30 •Der Brudermord geschieht, als wäre der Täter nicht gerade erst gewarnt worden. Von da her wirkt V. 8 wie die ursprüngliche Fortsetzung von V. 5!.31 Dieselbe Sorge um den Sünder zeigt sich in Jahwes Zusage, Kain vor den schlimmsten Folgen seiner Schuld zu bewahren (V. 13"15), die an den Fluch angeschlossen ist. •Jahves Verhalten, der Qains Opfer verschmäht und ihn dann doch väterlich ermahnt, der Qain verßucht und ihn dann doch ohne rechten Grund begnadigt, ist nicht recht zusammen zu reimen.!32 An Jahwes Versprechen, Kain siebenfach zu rächen (V. 15), knüpft wiederum das La27 So zuletzt wieder Witte, Urgeschichte, 151"205, der folgerichtig die von ihm in Anführungszeichen gesetzte •jahwistische! Urgeschichte in die Nähe der nachexilischen Weisheit rückt. Diese Zuordnung setzt voraus, dass Witte sich erklärtermaßen einer literarkritischen Aufteilung versagt. Dabei hat er sowohl die Mehrheit der bisherigen Ausleger als auch den Textbefund gegen sich. 28 Gegen C. Westermann, Arten der Erzählung in der Genesis (1964; in: Ders., Die Verheißungen an die Väter [FRLANT 116] 1976, 9"91), 47"58. 29 Vgl. J. Wellhausen, Prolegomena zur Geschichte Israels, 61905, 198"205. 30 C. Westermann, Genesis I (BK I/1) 1974, 407. 31 W. Dietrich, •Wo ist dein Bruder?! Zu Tradition und Intention von Genesis 4 (in: H. Donner, R. Hanhart, R. Smend [Hg.], Beiträge zur Alttestamentlichen Theologie. Festschrift W. Zimmerli, 1977, 94"111), 98௘௘f. 32 Gunkel, Genesis, 49. levin_BZAW_002.indd 64 08.07.2013 13:09:06 Die späteren Ergänzungen 65 mechlied 4,23"24 an.33 Die Maßlosigkeit der Vergeltung, die sich hier ausspricht, zählt später zu den Anlässen der Flut. Noch in der Priesterschrift ist Lamech der Vater des gerechten Noah gewesen (5,28*). Zwar zählt er dort zu der sündigen Hälfte der Menschheit, die in der Flut ertrinken wird;34 aber erst Spätere haben in ihm den schlechthin blutrünstigen Charakter gesehen. Eine Theologie, die von der Gerechtigkeit Gottes überzeugt ist, musste sich am härtesten von der Erzählung der Sintßut herausgefordert sehen: Sämtliche Menschen mit einer Ausnahme werden mit dem Tode bestraft. Wie kann das gerecht sein? Es müsste an dieser Stelle derselbe Dialog einsetzen, der später der Katastrophe von Sodom vorangeht (18,22"33).35 Stattdessen kam es jedenfalls darauf an, die Gerechtigkeit Noahs (7,1b, sowie das nachgetragene Stichwort 9'G– 8™ in 6,9) und im Gegenzug die vollständige Frevelhaftigkeit des gesamten Menschengeschlechts hervorzuheben, die Gott bereuen lässt (vgl. Jer 18,7"10), die Menschen geschaffen zu haben (6,5b"6a.7aα[nur '= – :š C¡: š f˜ ].aβb; ” 7,23aα[ab -A š /]; — 8,21aβb).36 Der bekannte anthropologische Spitzensatz von der wurzelhaften Bosheit des Menschen (6,5b; 8,21aβ) ist eine durch die Situation erzwungene theologische Ausßucht. •Man übertreibt die allgemeine Sündhaftigkeit des Menschen, um das Prinzip zu retten!.37 Möglicherweise gehört auf dieselbe Ebene die Feststellung, dass die Erde mit Bluttat (2/š %) š angefüllt war, die sich im Textzusammenhang der Priesterschrift Þndet (7,11b.13aβ) und dort wegen der Dubletten entbehrlich ist. Im Rahmen der Szene von Noah und seinen Söhnen zeigt sich dieselbe Theologie in der Parenthese 9,23b, die die Unschuld der Brüder Sem und Jafet betont. Sie hätten die Blöße ihres Vaters nicht gesehen (vgl. Lev 18,7). b) Gesetzestheologische Zusätze. Dass die Tageszählung des ersten Schöpfungsberichts und mit ihr die Ätiologie des Sabbats (1,1.5b.8b.13.19.23. 31b; 2,2"3) späte Zufügung ist, •gehört geradezu zu den ältesten Erbstücken 33 R. Smend, Die Erzählung des Hexateuch, 1912, 29 Anm. 2: •Es kann von jüngerer Hand zugesetzt sein.! Auch B. Stade, Das Kainszeichen (1894; in: Ders., Ausgewählte akademische Reden und Abhandlungen, 21907, 229"273), 258f, der im Lamechlied ein altes Überlieferungsstück sieht, urteilt: •Man wird es • für ein Einschiebsel zu halten haben.! 34 Budde, Urgeschichte, 93௘௘f. 35 Vgl. zum Folgenden Ch. Levin, Gerechtigkeit Gottes in der Genesis (2001; in: Ders., Fortschreibungen [BZAW 316] 2003, 40"48), 43"46. 36 Mit dieser Literarkritik erledigt sich die Behauptung, der Flutprolog sei von der Priesterschrift abhängig. Das ist er in der Tat in Teilen, aber nicht in seiner Grundlage. Meine frühere Analyse muss korrigiert werden, vgl. Levin, Der Jahwist, 104" 106. 37 J. Wellhausen, Israelitische und jüdische Geschichte, 71914, 204. levin_BZAW_002.indd 65 08.07.2013 13:09:06 66 Die Redaktion RJP in der Urgeschichte wirklicher Kritik am A. T.!38 Es gibt Anzeichen, dass die Sabbat-Bearbeitung nicht mehr in der noch selbständigen Priesterschrift geschah. In 2,4b RJP werden die beiden Schöpfungsberichte durch eine Zeitbestimmung zueinander ins Verhältnis gesetzt: •Am Tage, als Jahwe Gott Erde und Himmel machte.!39 •Wenn man die Aussage am Tage wörtlich nehmen • will •, dann treffen wir hier auf die Vorstellung, daß Gott seine ganze Schöpfung an einem Tage vollbrachte. Auf jeden Fall ist von einem Siebentagewerk nichts zu erkennen.!40 Selbst wenn man -L'C’ im Sinn von •zur Zeit! versteht, liegt hier ein Hinweis, dass die Tageszählung zum Zeitpunkt der Quellenverknüpfung noch nicht vorhanden war.41 Ähnliches gilt für die Speisevorschriften 1,29"30a. Abgesehen von Anzeichen sehr später Sprache in diesen beiden Versen passt die vegetabilische Nahrung nicht zur Herrschaft über die Tiere, die dem Menschen in V. 28 zugesprochen wird.42 •Es darf vielleicht die Vermutung gewagt werden, dass v. 29 sekundär ist und seine Entstehung der Rücksichtnahme auf das Leben im Paradies verdankt und dann v. 30 • an sich gezogen hat.!43 Mit 1,29"30a gehört die Lizenz zum Fleischgenuss nach der Flut in 9,3 notwendig zusammen, und mit ihr wiederum können auch die noachitischen Gebote 9,4"7 ein später Zusatz sein.44 Eine ähnliche Tendenz Þndet sich in der Speisevorschrift 3,18b.45 Die Glosse 0!˜ — +’ %˜ /K — •und zwar von ihrem Fett! in 4,4 anlässlich des Opfers des Abel ist ein Verweis auf die Opfertora Lev 3,6"11. c) Gelehrte Zusätze allgemeiner Art. Hierzu zählt die Geographie der vier Paradiesströme 2,10"14, die einhellig als ein Fremdkörper erkannt wird, der den Faden von V. 9 und V. 15 zertrennt. Mit ihr gehört wahrscheinlich die Notiz 2,6 über den aufsteigenden Süßwasserstrom () — zusammen. Von 38 Budde, Urgeschichte, 487. Vgl. im übrigen Ch. Levin, Tatbericht und Wortbericht in der priesterschriftlichen Schöpfungserzählung (1994; in: Ders., Fortschreibungen [BZAW 316] 2003, 23"39), 26"28. 39 Weiteres s.௘௘u. S. 70. 40 W. Zimmerli, 1. Mose 1"11. Die Urgeschichte (ZBK.AT 1/1) 31967, 111. Vgl. auch Nöldeke, Untersuchungen, 8. 41 Der klassische Sabbat ist bekanntlich mit Ausnahme des Dekalogs nur äußerst spät bezeugt, vgl. Ch. Levin, Der Sturz der Königin Atalja (SBS 105) 1982, 39"42. 42 R. Kraetzschmar, Die Bundesvorstellung im Alten Testament, 1896, 193f, scheidet die beiden Verse darum aus. 43 Holzinger, Genesis, 14. 44 9,7 lenkt wie eine Wiederaufnahme auf 9,1(+2) zurück. Der Faden von PG Þndet sich in 9,8.11aβb. 45 L. Ruppert, Genesis I (fzb 70) 1992, 124, sieht in 3,18b •eine Verknüpfung mit 1,29 P! von der Hand des RPt [= RJP]. levin_BZAW_002.indd 66 08.07.2013 13:09:06 Die späteren Ergänzungen 67 ähnlicher Art ist die Nachricht über die Riesen in 6,4.46 Vergleichbare gelehrte Anmerkungen Þnden sich in den zahlreichen Nachträgen der Völkertafel (10,4b.11"14.16"18a.19.26"30). Auch die Erläuterung der Bauweise des Turms 11,3b kommt aus diesem Geist. d) Die Urgeschichte hat eine späte weisheitliche Bearbeitung erfahren, die man •Niedrigkeitsbearbeitung!47 nennen kann.48 Sie ist bestrebt, den Unterschied zwischen Gott und Mensch herauszustellen. Es beginnt mit der Feststellung, dass der Mensch aus Staub geschaffen sei. In 2,7 ist das unverbundene Stichwort :6š 4š •Staub! zwischeneingekommen. Der Fluch über den Menschen greift in 3,19b darauf zurück. Auch die Verschärfung der Mühsal bei der Schwangerschaft (das zugesetzte Stichwort T —1œ :!— ’# in 3,16) und auf dem Acker (3,18a.19aα) kann man in diesem Zusammenhang sehen. Im selben Zuge wird die Endlichkeit des Menschen zum Gegenstand. Der Baum des Lebens (2,9bα), der mit dem Baum der Erkenntnis rätselhaft konkurriert, lässt die Unsterblichkeit als verlorene Möglichkeit erscheinen " ein Gedanke, der der ursprünglichen Erzählung ganz fremd ist. Die Vertreibung aus dem Paradies dient nunmehr dazu, dem Menschen den Zugang zum Baum des Lebens zu verwehren und den Unterschied zwischen Gott und Mensch unüberbrückbar zu machen (3,22.24b[ab =]). ˜ Das Fazit: •Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner!, klingt wie eine Korrektur der Gottesebenbildlichkeit nach 1,26"27.49 Der Faden wird in 6,3aα.b weitergeführt, wenn Jahwe angesichts der Verbindung von Göttersöhnen und Menschentöchern die Lebenszeit des Menschen auf 120 Jahre begrenzt.50 Die Reaktion Gottes in 3,22 kehrt in 11,6a angesichts des Turmbaus wieder: •Siehe, sie sind ein einziges Volk, und eine einzige Sprache haben sie alle, 46 Den Nachtrag hat Hupfeld, Quellen der Genesis, 221, erkannt. Vgl. jetzt L. Perlitt, Riesen im Alten Testament (1990; in: Ders., Deuteronomium-Studien [FAT 8] 1994, 205"246), 241"244. 47 Den Begriff hat M. Witte, Vom Leiden zur Lehre (BZAW 230) 1994, für eine Bearbeitung des Hiobdialogs geprägt. 48 Wichtige Beobachtungen dazu stammen von Budde, Urgeschichte, 1"88; H. Gese, Der bewachte Lebensbaum und die Heroen: Zwei mythologische Ergänzungen zur Urgeschichte der Quelle J (1973; in: Ders., Vom Sinai zum Zion [BEvTh 64] 1974, 99"112); und Witte, Urgeschichte, 79"99. Mit der •Endredaktion!, wie Witte meint, hat diese Bearbeitung nichts zu tun. 49 Vgl. M. Arneth, •Durch Adams Fall ist ganz verderbt •!. Studien zur Entstehung der alttestamentlichen Urgeschichte (FRLANT 217) 2006, 155௘௘f. 50 Dass Gen 6,3 ein Zusatz ist, wurde von vielen festgestellt, vgl. bes. R. Bartelmus, Heroentum in Israel und seiner Umwelt (AThANT 65) 1979, 15"30. Bartelmus macht wahrscheinlich, dass der Vers die Priesterschrift voraussetzt. Seiner extremen Spätdatierung muss man nicht folgen. Gegen sie spricht, dass die eindeutig späte Begründung •weil er ja Fleisch ist! (V. 3aȕ) eine weitere Glosse ist. levin_BZAW_002.indd 67 08.07.2013 13:09:07 68 Die Redaktion RJP in der Urgeschichte und dies ist der Anfang ihres Tuns.!51 Es scheint, dass das Motiv der Verwirrung der Sprache, das sich nachträglich über die jahwistische Erzählung von der Zerstreuung der Menschheit gelegt hat (11,1.3a.4aβ.6a.7.8b"9), in diesem Rahmen zu deuten ist. Vielsagend ist der antithetische Bezug auf Hiob 42,2 in Gen 11,6b, der freilich nochmals später hinzugekommen ist. Die beiden Schöpfungsberichte Das Ziel, die beiden Pentateuchquellen zu einer einzigen Darstellung zu vereinen, konnte nur gelingen, wenn das Verfahren so einfach wie möglich war. •Die Tätigkeit des Redactors besteht vornehmlich in der geschickten Ineinanderschiebung der Quellen, wobei er deren Inhalt möglichst unverkürzt, den Wortlaut und die Ordnung der Erzählung möglichst unverändert lässt.!52 Mit Ausnahme der Fluterzählung hat die Redaktion RJP die beiden Quellen nicht verschränkt, sondern blockweise angeordnet. Ihre eigenen Spuren sind besonders an den Nahtstellen zu erwarten.53 Die erste Naht liegt zwischen den beiden Schöpfungsberichten. Der Text der Priesterschrift endet mit der Toledot-Unterschrift Gen 2,4a, die jahwistische Erzählung aber beginnt mit 2,5. •2,4b dürfte Überleitung von R sein.!54 Seit Karl David Ilgen haben nicht wenige angenommen, die ToledotFormel, die in allen anderen Fällen als Überschrift dient, habe einst vor Gen 1,1 gestanden und sei erst vom •Sammler!, also der Redaktion RJP, an ihren jetzigen Platz gestellt worden,55 um eine Brücke zum zweiten Schöpfungsbericht zu schlagen.56 Für diese Hypothese •there is not a shred of evidence!.57 Im Gegenteil, der Umstand, dass die Toledot-Formel mit der Klausel -š :’ Cš !– C’ •als sie geschaffen wurden! angebunden ist, belegt, dass sie von vornherein ihrer jetzigen Stelle stand. Der Rückverweis, der als Teil einer Überschrift überßüssig wäre, verklammert die Unterschrift mit dem 51 Die Zuweisung dieser Gottesrede an den jahwistischen Redaktor in Levin, Der Jahwist, 129, ist falsch. Von JR stammt in der Turmbauerzählung nur 11,2.4aα.b" 5.8a. 52 Wellhausen, Composition, 2. 53 So richtig Witte, Urgeschichte, 53"78, der freilich mehrfach den Saum auf der falschen Seite der Naht sucht: in 4,25"26 statt in 5,1"2 und in 6,1"4 statt in 5,32. 54 Smend, Entstehung, 40. 55 K. D. Ilgen, Die Urkunden des Jerusalemischen Tempelarchivs in ihrer Urgestalt, 1798, 4 und 351"358. 56 So zuletzt wieder Witte, Urgeschichte, 55. 57 F. M. Cross, Canaanite Myth and Hebrew Epic: Essays in the History of the Religion of Israel, Cambridge, Mass. 1973, 302. levin_BZAW_002.indd 68 08.07.2013 13:09:07 Die beiden Schöpfungsberichte 69 vorangegangenen Bericht. Die Klammer zeigt zugleich, dass die ToledotUnterschrift kein ursprünglicher Bestandteil des ersten Schöpfungsberichts gewesen ist. Das erklärt sich so, dass dem Verfasser der Priesterschrift für den Schöpfungsbericht eine Quelle vorgelegen hat, die er mit der Unterschrift in sein geschichtstheologisches Schema einfügen wollte.58 Der Rückverweis lässt noch einen zweiten Vorschlag gegenstandslos werden. Man hat gemeint, die Toledot-Formel ließe sich als Überschrift auf den jahwistischen Schöpfungsbericht beziehen.59 Dafür hätte der Redaktor " es ist nicht klar, ob es sich um R, also die Redaktion RJP, oder um den Verfasser der Priesterschrift handeln soll (die daraufhin nicht als Quelle, sondern als Redaktion oder •Komposition! verstanden werden müsste) " die Überschrift des Toledot-Buchs nachgeahmt, das den priesterschriftlichen Genealogien Gen 5 und Gen 11,10"26 als vorredaktionelle Quelle zugrunde gelegen habe.60 Doch ein solches Toledot-Buch hat es nicht gegeben; denn Gen 5 lässt sich in fast allen Einzelheiten als Sekundärfassung von Gen 4 erweisen, deren Aussage sich erst vor diesem Hintergrund vollends erschließt.61 Nirgends ist deutlicher, dass die Priesterschrift den Jahwisten voraussetzt.62 Die besondere Form der Toledot-Überschrift in Gen 5,1 :6˜ 2— ! ˜$ -š š = +Lk ’ bezieht sich nicht auf ein •Toledot-Buch!, sondern wurde gewählt, weil in der noch selbständigen Priesterschrift zwei Toledot-Formeln unmittelbar aufeinander trafen, von denen die erste im Rückbezug, die zweite im Vorausbezug steht: •Dies sind die Toledot des Himmels und der Erde, als sie geschaffen wurden. " Das ist die Liste der Toledot Adams.! Die redaktionelle Klammer der Redaktion RJP liegt vielmehr in 2,4b vor. Der temporale Umstandssatz: - –'/š fš ’# 7:˜ ˜ -'!Y – “ !#!' =Lg4” -L'C’ •Am Tage, als Jahwe Gott Erde und Himmel machte!, •bildet die Überleitung von der priesterschriftlichen zur jahwistischen Schöpfungsgeschichte!.63 Dem In58 Zur Rekonstruktion dieser Quelle vgl. Levin, Tatbericht und Wortbericht, 31"32, und zuvor W. H. Schmidt, Die Schöpfungsgeschichte der Priesterschrift (WMANT 17) 31973, 160"163. 59 Cross, Canaanite Myth, 302, und im Anschluss an ihn Blum, Studien zur Komposition, 280. 60 Cross, Canaanite Myth, 301. 61 So Budde, Urgeschichte, 89"116, in einem brillianten Beweis, der für das Verständnis von Gen 5 ein für allemal die Maßstäbe gesetzt hat. 62 Das bedeutet nicht, dass J als schriftliche Vorlage auf dem Schreibtisch von PG gelegen hat, und schon gar nicht folgt daraus, dass P (oder KP) als erweiterte Ausgabe von J (oder einer wie auch immer gearteten nichtpriesterlichen Komposition) zu verstehen ist. 63 Schmidt, Schöpfungsgeschichte, 196 Anm. 1. Zustimmend zitiert von C. Westermann, Genesis I (BK I/1) 1974, 269. Vgl. Ruppert, Genesis I, 124. levin_BZAW_002.indd 69 08.07.2013 13:09:07 70 Die Redaktion RJP in der Urgeschichte halt nach bezieht er sich wie V. 4a auf den ersten Schöpfungsbericht; denn nur in Gen 1 geht es um die Erschaffung von Himmel und Erde, in Gen 2 hingegen um die Erschaffung des Menschen, der Tiere und der Frau. Nach der Syntax aber sowie nach dem Gottesnamen -'!Y – “ !#!' kann V. 4b nur zum Folgenden gehören. Man hat V. 4b als die Überschrift des zweiten Schöpfungsberichts gedeutet. Doch abgesehen davon, dass sie nicht den Inhalt wiedergäbe, würde eine Überschrift einen Hauptsatz erfordern. Ebensowenig ist V. 4b der typische temporale Nebensatz, mit dem altorientalische Schöpfungsmythen wie das Enuma elisch einsetzen;64 denn diese Nebensätze nennen nicht die Summe des Geschehens, sondern beschreiben den status quo ante: •Als droben der Himmel noch nicht genannt war •!65 Tatsächlich ist in Gen 2 ein solcher temporaler Nebensatz zu Þnden; aber nicht in V. 4b, sondern in V. 5: •Und alles Gesträuch des Feldes, ehe es war auf der Erde!.66 Selbst wenn die invertierte Satzfolge 7:˜ š š ! ˜'!’ –' -:˜ &˜ !˜ jš !™ ´'™ g– +) ’# daher rühren würde, dass an dieser Stelle etwas abgebrochen oder umgestellt worden ist,67 läge der verlorene Beginn nicht in oder hinter V. 4b. Dass V. 4b eine Klammer der Redaktion RJP ist, ersieht man daraus, wie sie die Verbindung der beiden Quellen herstellt. Der Temporalsatz •Am Tage (= zur Zeit), als Jahwe Gott Erde und Himmel machte! bezieht sich inhaltlich auf den ersten Schöpfungsbericht, auch wenn er nicht das kennzeichnende Verb : •erschaffen! (1,1.21.27; 2,3.4a), sondern das gewöhnliche !g3 •machen! (1,7.11.16.25.26.31; 2,2.18; 3,1) verwendet. Von dort stammt auch das Begriffspaar •Erde und Himmel! (1,1; 2,1.4a). Dass die Abfolge umgekehrt wurde, geschah offenbar mit Rücksicht auf Gen 2. Der Gottesname -'!Y – “ !#!' sowie die Syntax aber lassen V. 4b zum Folgenden gehören: Der Satz gibt eine relative Datierung für den zweiten Bericht. Er versetzt ihn in ein zeitliches Verhältnis zum ersten, nämlich in die Gleichzeitigkeit. Zur selben Zeit, als die Erschaffung von Erde und Himmel sich ereignete, nahm auch das Geschehen des zweiten Schöpfungsberichts seinen 64 So Witte, Urgeschichte, 55. 65 TUAT III/4, 569 (W. G. Lambert); weitere Beispiele Þnden sich bei H. Grapow, Die Welt vor der Schöpfung (ZÄS 67, 1931, 34"38). Die anderen von Witte angeführten Belege sind nicht vergleichbar, da sie die Weltschöpfung nicht berichten, sondern sich auf sie nur als Datum beziehen. 66 Schmidt, Schöpfungsgeschichte, 196 Anm. 1: •Der Anfang der jahwistischen Schöpfungsgeschichte könnte die negative Zustandsschilderung 2,5 vor dem Hauptsatz 2,7 gewesen sein.! 67 Wellhausen, Prolegomena, 297: •Den ersten Satz des jehovistischen Berichtes über den Anfang der Weltgeschichte hat der Redaktor abgeschnitten.! levin_BZAW_002.indd 70 08.07.2013 13:09:07 Der Übergang von Gen 4 nach Gen 5 71 Lauf. Damit begegnen wir von Anfang an einer Lösung, mit der bibelgläubige Exegeten noch heute auf das Problem antworten, dass die Bibel nacheinander zwei Schöpfungsberichte enthält: Beide sind in Wahrheit ein und derselbe; nur der Aspekt hat gewechselt. Der erste Bericht beschreibt das Rahmenwerk der Schöpfung im Ganzen, der zweite trägt Einzelheiten nach. Deutungsbedarf entstand bei den wirklichen Dubletten: der Erschaffung des Menschen und der Erschaffung der Tiere. Das hat sich in zwei weiteren Ergänzungen niedergeschlagen. Der Satz 2,7b ! šQ%™ f6˜ ˜1+’ -š š !š '!– ’' ™# •So wurde der Mensch ein Lebewesen! ist ein erläuterndes Fazit außerhalb der Erzählebene. Er erklärt sich als Brücke zu Gen 1.68 Wenn 1,27 berichtet, in welcher Gestalt der Mensch erschaffen wurde, fügt 2,7a, so gedeutet, hinzu, wie diese Gestalt ihr Leben erhielt. Der Begriff ! šQ%™ f6˜ ˜1 •Lebewesen! ist außer Gen 2,7.19 nur im priesterschriftlich-ezechielischen Traditionskreis belegt.69 Für die Erschaffung der Tiere ist eine ähnliche Lösung versucht worden. Diesmal ist die Namengebung das Gelenk. Das Motiv gehört bei der Erschaffung von Tag, Nacht, Himmel, Land und Meer zum Schema des priesterschriftlichen Berichts (1,5.8.10). Von da an fehlt es. Die jahwistische Darstellung: •Und er [= Jahwe Gott] brachte sie zu dem Menschen, um zu sehen, wie er sie nennen würde. Und der Mensch gab allen • Vögeln des Himmels und allen Tieren des Feldes Namen! (2,19a.20a*), kann hier als Fortsetzung gelten. Eine Parenthese in V. 19b hebt die Beziehung zum ersten Schöpfungsbericht hervor: L/f’ K! ! šQ%™ f6˜ ˜1 -š š !š L+¡:š 9’ –' :f˜ ” +œ) ’# •Und wie der Mensch ein jedes Lebewesen nennen würde, so sollte es heißen.! Im Unterschied zu Gen 1 ist es nicht Gott, sondern der Mensch, der den Tieren den Namen gibt: daher die Betonung -š š !. š Die Apposition ! šQ%™ f6˜ ˜1 bezieht sämtliche Lebewesen ein, die in Gen 1 und 2 aufgeführt sind. Da zur Anknüpfung der Vorgang L+¡:š 9’ –' •er wird es nennen! aus V. 19a wiederholt ist, gerät der Satzbau sehr ungeschickt.70 Der Übergang von Gen 4 nach Gen 5 Die zweite Naht Þndet sich zwischen den Genealogien der Kainiten und der Setiten in Gen 4 J und den Toledot Adams in Gen 5 P. Die redaktionelle Klammer ist auch hier längst entdeckt: -'!Y – “ =K/’ C– -š š -'!Y – “ œ:C’ -L'C’ 68 So auch Witte, Urgeschichte, 86௘௘f. 69 Gen 1,20.21.24.30; 9,10.12.15.16; Lev 11,10.46; Ez 47,9. 70 In der Regel wird ! šQ%™ f6˜ ˜1 als Zusatz ausgeschieden, vgl. BHS. Das genügt nicht. levin_BZAW_002.indd 71 08.07.2013 13:09:07 72 Die Redaktion RJP in der Urgeschichte -š :’ Cš !– -L'C’ -š š -/š f¡= ’ ˜ :š 9’ –Q ™# -=œš  T:˜ ’'š ™# -š :š C’ !š 9— ’1K :)š š$ L=œ !gš 4š •Am Tage, als Gott den Menschen schuf, machte er ihn nach der Gestalt Gottes. Männlich und weiblich schuf er sie und segnete sie und nannte sie ,Mensch• am Tage, als sie geschaffen wurden! (V. 1b"2). Hinzu gehört eine Erweite– +LQ ˜ ™# ! š1fš =™ /K ’ -'fY – f’ -š š '%– ’' ™# rung in V. 3: [L/f]¡= ’ ˜ [:š 9’ –Q ™# L/+’ 8™ V’ L=K/’ C] =f— •Und Adam lebte einhundertdreißig Jahre und zeugte [in seiner Gestalt nach seinem Bilde und nannte ihn] Set.!71 Sofort nach der Toledot-Überschrift werden die wesentlichen Aussagen über die Schöpfung des Menschen aus 1,27"28 wiederholt. •Was wir außer dem Toledotschema in Gen. 5,1 lesen (also V. 1b,2), ist als Erweiterung von Gen. 1 her zu verstehen.!72 Die Dublette ist sinnlos, wenn man sie lediglich im Rahmen der Priesterschrift sieht. •So rekapitulierte Gen 5,1௘௘f. dann bei einem direkten Anschluß von Gen 5 an 2,3(4a) noch einmal unbeholfen, was wenige Zeilen davor breit ausgeführt wurde!.73 Ganz anders, wenn an dieser Stelle die Redaktion RJP den Faden wieder geknüpft hat, den sie für den Einbau von Gen 2,5"4,26 zerreißen musste: •als Wiederaufnahme über Gen 2"4 hinweg, ist dies bestens motiviert.!74 Dafür gibt es auch positive Indizien. Die Art des Temporalsatzes mit -L'C’ ist dieselbe wie in 2,4b RJP. Dieser Temporalsatz erscheint sogar zweimal, am Anfang und am Schluss des Einschubs, wobei mit der Klausel -š :’ Cš !– -L'C’ •am Tage, als sie erschaffen wurden! auch die Rückbindung der Toledotformel aus 2,4a übernommen ist. Noch einmal dient wie in 2,19b die Namengebung als redaktionelles Gelenk. Nach Tag und Nacht, Himmel, Erde, Meer und allen Lebewesen bekommt auch der Mensch seinen Namen, um das System zu vollenden. Das musste im Zusammenhang seiner Erschaffung 1,26"27 geschehen sein. Deshalb wird das Geschehen noch einmal in die Gleichzeitigkeit mit dem ersten Schöpfungsbericht versetzt. Für den Akt übernimmt RJP die Wendung aus 4,26 J: fL1“ L/f¡= ’ ˜ :š 9’ –Q ™# •und er (Set) nannte ihn Enosch! ĺ :š 9’ –Q ™# -š š L/f¡= ’ ˜ •und er (Gott) nannte sie Mensch/Adam!. Das Changieren zwischen Name und Appellativum versteht sich aus dem doppelten Rückbezug auf 1,26"27 und 5,1a. Diesmal ist es Gott, der den Namen gibt. In der näch71 Vgl. H. N. Wallace, The Toledot of Adam (in: J. A. Emerton [ed.], Studies in the Pentateuch [VT.S 41] Leiden 1990, 17"33), 19"21. 72 G. v. Rad, Die Priesterschrift im Hexateuch (BWANT 65) 1934, 40. Ähnlich Holzinger, Genesis, 58: •In 1b.2 macht sich ein Überarbeiter spürbar, der schon die Combination von Gen 1"3 vor sich hat!. 73 Blum, Studien zur Komposition, 280. 74 Blum ebd., der freilich diese Verse nicht ausscheidet, sondern als integralen Bestandteil der Komposition KP versteht, die daraufhin zu einer Ergänzung des nichtpriesterlichen Texts werden muss. levin_BZAW_002.indd 72 08.07.2013 13:09:07 Die Genealogien 73 sten Generation fällt dieses Vorrecht wieder (wie in 2,19b) dem Menschen zu: Adam nennt seinen Sohn Set (V. 3*). Die Genealogien Auch wenn zwischen Gen 4 und 5 eine elegante Brücke gelungen ist, ist an dieser Stelle ein Textverlust zu beklagen. Die genealogische Anbindung des Noah innerhalb des Jahwisten ist bei der Verknüpfung der Quellen entfallen. Der Grund dafür dürfte gewesen sein, dass Gen 5 P die Genealogien aus Gen 4 J zwar voraussetzt, aber umstellt.75 In der Priesterschrift ist Noah der Sohn Lamechs. Das könnte auch beim Jahwisten so gewesen sein, nämlich in gerader Fortsetzung der Genealogie von 4,17"18. Indessen stehen dazwischen nicht nur die Kulturätiologien von 4,19"22, sondern auch die Ersatz-Genealogie der Setiten 4,25"26, die nach dem Brudermord noch einmal beim Urmenschen einsetzt. Zwischen beiden Genealogien reißt der Jahwist einen Graben auf: Die Setiten verehren Jahwe, die Kainiten aber enden in der Flut. An seinem Schicksal gemessen, muss Noah zu den Setiten gehört haben. Der Graben wird freilich von der Priesterschrift zugeschüttet, indem sie, mit Set einsetzend, beide Genealogien zu einer einzigen verschränkt. Noah ist auch als der Sohn Lamechs ein Nachkomme Sets. Auf dieser Grundlage konnte die Redaktion RJP in 5,28*"29 die Verheißung über der Geburt des Noah aus der Quelle J in die priesterschriftliche Genealogie einrücken. Sie ist Lamech in den Mund gelegt. Das theologisch gewichtige Gelenkstück blickt auf den Fluch über den Erdboden in 3,17 zurück und verheißt dessen Überwindung, die in 8,21aα.22 geschehen wird.76 Es durfte nicht übergangen werden.77 Die nächste Naht Þndet sich zwischen den Toledot Adams und der Sintßut, die beim Jahwisten in den sogenannten Engelehen ihren Anlass hat. Wieder führt ein Blick auf die separate Priesterschrift auf die Spur der Redaktion. Gemeinhin gilt 5,32 als Abschluss der Toledot Adams. Für diesen Fall bildet die Fortsetzung in 6,9ff eine wenig verständliche Dublette.78 Es fällt aber auf, dass in 5,32 das Schema der Genealogie wechselt. Statt ¡'%– ’' ™# 75 Dazu Budde, Urgeschichte, 90௘௘ff. 76 Vgl. R. Rendtorff, Genesis 8,21 und die Urgeschichte des Jahwisten (KuD 7, 1961, 69"78), 74. 77 Es versteht sich von selbst, dass das jahwistische Stück innerhalb der priesterschriftlichen Genealogie als Ergänzung auftritt. Die Urkundenhypothese kann man an dieser Stelle nicht beweisen, aber ebensowenig widerlegen. 78 Blum, Studien zur Komposition, 280. levin_BZAW_002.indd 73 08.07.2013 13:09:07 74 Die Redaktion RJP in der Urgeschichte +LQ ˜ ™# ! š1fš =L/— f/— %” ´œ™ 1 •Und Noah lebte fünfhundert Jahre und zeugte •!, lautet es ´œ™ 1 +LQ ˜ ™# ! š1fš =L/— f/— %¡0 ” C˜ ´œ™ 1¡'!– ’' ™# •Und Noah war fünfhundert Jahre alt, und Noah zeugte •! Hinzu kommt, dass auch der Übergang von V. 32a nach V. 32b nicht glatt ist: Das gleichbleibende Subjekt wird unnötigerweise wiederholt: ´œ™ 1 +LQ ˜ ™# •und Noah zeugte!. Aus all dem folgt, dass die Notiz über die Geburt der Söhne Noahs in 5,32 nicht der Priesterschrift angehört. Die Toledot Adams enden vielmehr mit Lamechs Tod 5,31, und die Geburt der Söhne Noahs war in P nur einmal zu lesen, nämlich, wie es sich gehört, in den Toledot Noahs (6,10). In 5,32b liegt stattdessen, in Fortführung von 5,29, die Genealogie des Jahwisten vor, die nach der Flut in 9,18 wieder aufgenommen und in 9,19 fortgeführt wird, um zur Völkertafel überzuleiten. Um sie in das Schema der Quelle P einzufügen, hat die Redaktion RJP in 5,32a einen Übergang geschaffen. Das zeigt neben dem abweichenden Sprachgebrauch die Datierung. Die Altersangabe für Noah gehört nicht der Priesterschrift; denn deren Zeitrechnung bezieht sich bei Noah nicht auf das Alter bei der Geburt des Sohnes, sondern auf den Termin der Flut, wie man aus der Summe seines Lebensalters in 9,28 im Vergleich mit dem Schema in 5,4.7.10.13.16.19.22.26.30 und 11,11.13.15.17.19.21.23.25 ersieht. Aus demselben Grund wird in 11,10 die Zeugung von Sems Sohn Arpachschad am Datum der Flut angebunden. Die Geburt der Söhne Noahs ist in der Chronologie der Priesterschrift nicht verankert. Das lag einerseits an der Dreizahl (vgl. aber 11,26), anderseits konnte Sem erst nach der Flut einen Sohn gezeugt haben. Da die Flut in das sechshundertste Jahr Noahs Þel (7,6), hätte sich ein abnormes Alter bei der Geburt des ersten Sohnes errechnet, gemessen an den übrigen Zahlen in Gen 5 und 11,10"26. Das fünfhundertste Jahr Noahs, das in 5,32a für die Geburt seiner drei Söhne genannt ist, stammt von dem Redaktor RJP. Folgerichtig hat RJP auch das Alter Sems in 11,10 eingetragen, wieder mit dem Schema ! š1fš =™ /¡0 ’ C˜ -f— •Sem war hundert Jahre alt!. Der Text der Priesterschrift muss hier gelautet haben: f™ )’ a™ :’ ¡= ™ ˜ '+L! – -f— -f— =œ +Lk ’ !X˜ — +KV]™ !™ :%™ ™ -'=™ š1f’ Dies sind die Toledot Sems. Sem zeugte den Arpachschad zwei Jahre nach der Flut! (vgl. 11,27). Im jetzigen Text ist die Geburt des Arpachschad doppelt datiert. Dabei ist ein verräterischer Fehler unterlaufen: Sem hätte •zwei Jahre nach der Flut!, das heißt •in dem der Flut folgenden Jahr!, bereits hundertundein Jahre alt sein müssen. Innerhalb der selbständigen Priesterschrift ist die Toledot-Überschrift 11,10 auf die Notiz vom Tod Noahs in 9,29 gefolgt. Die Redaktion RJP hat sie in 10,1 verdoppelt, um eine Brücke zur jahwistischen Völkertafel zu schlagen, die an dieser Stelle einzustellen war. Auffallend ist der Gebrauch levin_BZAW_002.indd 74 08.07.2013 13:09:07 Die Fluterzählung 75 von +' ni. (vgl. 4,18 J). Die Priesterschrift hätte hier wie überall +' hi. geschrieben. Die Anbindung +KC]™ !™ :%™ ™ •nach der Flut! wäre in einem genuin priesterschriftlichen Ablauf überßüssig gewesen, zumal zwischen der Flut und Noahs Tod dreihundertfünfzig Jahre liegen (9,28). Sie ist aus 11,10 übernommen, wo sie nicht der Anbindung, sondern der Datierung dient. Auch das Gegenstück, die Unterschrift 10,32, stammt von RJP. Sie variiert die Unterschrift 10,31 in Zusammenspiel mit 10,5. Wieder steht +KC]™ !™ :%™ ™ •nach der Flut!. Die Fluterzählung Bei der Fluterzählung bildet das redaktionelle Verfahren einen Ausnahmefall: Statt die beiden Quellen blockweise hintereinander zu stellen, wurden sie zu einem einzigen Bericht verzahnt. Für dieses •Reißverschlussverfahren! gab es einen einfachen Grund: Die Menschheit konnte nicht zweimal in kurzer Folge untergegangen sein. Eine solche Quellenverzahnung wiederholt sich nur noch ein einziges Mal für die Rettung am Meer und den Untergang der Ägypter (Ex 14). Auch das konnte nur einmal erzählt werden. Gunkels vielzitierte Feststellung: •Die Art, wie die Quellenscheidung zu geschehen hat, kann der Anfänger aus dieser Perikope lernen!,79 ist ein folgenschwerer Irrtum. Doch auch wenn die Sintßut nicht als Paradigma taugt, bildet sie für die Urkundenhypothese den Fels in der Brandung. Es hat noch niemand zeigen können, dass man einen literarischen Befund wie in Gen 6"9 besser mit einer Ergänzungs- oder Fragmentenhypothese als mit der Urkundenhypothese erklärt.80 Die Analyse soll hier nicht wiederholt werden.81 Bisherige Fehler sind vor allem darauf zurückzuführen, dass man einerseits die innere Uneinheitlichkeit der Quelle P erheblich unterschätzt und anderseits zu wenig mit der Möglichkeit von Ergänzungen gerechnet hat, die erst nach der Quellenver79 Gunkel, Genesis, 137. 80 Die Kritiker widersprechen sich diametral. Vgl. einerseits Blum, Studien zur Komposition, 281"285, der der Priesterschrift die Kohärenz abspricht, anderseits J. L. Ska, El Relato des Diluvio. Un Relato Sacerdotal y Algunos Fragmentos Redaccionales Posteriores (EstB 52, 1994, 37"62), der den jahwistischen Text als Ergänzung der Priesterschrift deuten will. 81 Sie wurde seit den Anfängen im 18. Jahrhundert vor allem von Hupfeld, Quellen der Genesis, 6"16.132"136; Schrader, Studien zur Kritik, 136"148; Budde, Urgeschichte, 248"276; Gunkel, Genesis, 137"140, immer weiter präzisiert. Vgl. zuletzt Levin, Der Jahwist, 111"117. Darauf beruht die Tabelle oben S. 59. levin_BZAW_002.indd 75 08.07.2013 13:09:07 76 Die Redaktion RJP in der Urgeschichte bindung hinzukamen. Ein Irrweg war auch, die beiden Quellen zu stark aneinander zu messen. Die Vermutung, der Jahwist habe auch den Bau der Arche, den Eintritt Noahs, die Landung, den Ausstieg und sogar die Ätiologie des Regenbogens berichtet, ist unberechtigt. An der Stelle solcher Einzelheiten stehen die summarischen Erfüllungsberichte. Nimmt man sie beim Wort, ergibt sich ein durchgehender Handlungsverlauf. Ein einziger Textverlust ist nachweisbar: der Befehl zum Bau der Arche im jahwistischen Bericht, auf den 8,6b zurückverweist. Er muss zwischen 6,8 und 7,1 ausgefallen sein. Im übrigen gilt: •Etwas Wichtiges und Besonderes • würde uns nach seiner Art alles irgendwie Eigenthümliche, und wäre es selbst mit den Angaben der Grundschrift [= P] in offenbarstem Widerspruche •, sorgfältigst aufzubewahren und auf irgend eine Weise in die Erzählung einzufügen, der Redaktor schwerlich vorenthalten haben.!82 •Man sieht an dem allen, welchen Scharfsinn der Red daran gesetzt hat, daß kein Körnlein • zu Boden falle!.83 Die Redaktion RJP ging auch diesmal so einfach wie möglich vor. Die kombinierte Erzählung beginnt mit dem Jahwisten, weil dort die Sünde, die Jahwe zur Sintßut veranlasst, eigens geschildert ist (6,1"2). Ferner muss der jahwistische Prolog am Anfang stehen (6,5"8*); denn dort fasst Jahwe im Selbstgespräch den Vernichtungsbeschluss, während Gott in der Priesterschrift seinen Beschluss sofort an Noah verkündet. Nach der Einführung Noahs in 6,8 J folgt der erste Quellenwechsel. Die Toledot Noahs (6,9"22) wirken dadurch wie eine Ausführung zur Person. Die weitere Verschachtelung richtet sich nach den gleichlautenden Ausführungsnotizen 6,22; 7,5 und 7,16aβ: •(Und Noah tat, ganz) wie Gott/ Jahwe ihm geboten hatte.! Sie gleicht einem Stafettenlauf. Die Darstellung der Priesterschrift wird bis zum Ende des einleitenden Gottesbefehls beibehalten (6,9"22). Danach schließt der Jahwist bis zur gleichen Höhe auf (7,1"5*), wobei nur der Befehl zum Bau der Arche entfällt. Darauf lässt die Redaktion den ausführlichen Bericht der Priesterschrift über die Besteigung der Arche 7,6"16a* folgen. Er liest sich als Erläuterung der Ausführungsnotiz 7,5 und mündet selbst wieder in eine summarische Ausführungsnotiz, nämlich 7,16aβ. In 7,16aβ und 7,5 wie in 7,5 und 6,22 ist das Geschehen jeweils auf gleicher Höhe. Daraufhin kann das Verschließen der Arche 7,16b, mit dem der jahwistische Bericht fortfährt, an 7,16aβ P ebensogut anschließen wie ursprünglich an 7,5 J. 82 Schrader, Studien zur Kritik, 148. 83 Gunkel, Genesis, 139௘௘f. levin_BZAW_002.indd 76 08.07.2013 13:09:07 Die Fluterzählung 77 Es entsteht nur eine Schwierigkeit: Die Priesterschrift konstatiert in 7,6 und 7,11 im Zusammenhang mit der Datierung den Beginn der Flut, schon bevor Noah in die Arche eintritt. Beim Jahwisten hingegen beginnt die Flut nach dem Verschließen der Arche (hinter 7,16b). Der Widerspruch wiegt noch schwerer, weil auch die Zeitrechnung kollidiert. Deshalb war die Redaktion RJP zu einem weitergehenden Eingriff gezwungen: Sie hat die jahwistische Fassung, deren Wortlaut man anhand der Ankündigung 7,4 in 7,10a und 12 wiedererkennt, umgestellt und an passender Stelle in den Bericht der Priesterschrift eingefügt. Die Frist von sieben Tagen bezieht sich nunmehr auf das Tages-Datum 7,11a, der Regen folgt auf das Öffnen der Fenster des Himmels 7,11b. So erreichte die Redaktion, dass die beiden Berichte sich ergänzen, statt sich zu widersprechen. Dazu musste sie den jahwistischen Satz: •Und als die sieben Tage vergangen waren, kam ein Regen auf die Erde vierzig Tage und vierzig Nächte!, auseinandernehmen. Da indes die Zeitangabe nicht allein stehen kann, hat RJP in V. 10b aus eigener Feder eine Fortsetzung hinzugefügt; freilich nicht in der Weise von V. 12 J, sondern mit den Worten von V. 6b P, so dass man die andere Handschrift erkennt: •Und als die sieben Tage vergangen waren, kamen die Wasser der Flut auf die Erde (7:˜ š !¡+ š 4™ K'!š +KC]™ !™ '/K).! — Der Begriff +KC]™ •Flut! fand sich ursprünglich nur in der Priesterschrift. Die Umstellung hinterließ in der jahwistischen Darstellungsfolge zwischen 7,16b und 7,17b eine Lücke. Auch sie wurde von der Redaktion in V. 17a mit einer eigenen, sinngleichen Ergänzung geschlossen: •Und Jahwe schloss hinter ihm zu. Da kam die Flut vierzig Tage über die Erde (+KC]™ !™ '!– ’' ™# 7:˜ š !¡+ š 4™ -L' -'4– Cš :’ ). ™ Und die Wasser mehrten sich und hoben die Arche, so dass sie sich hob über die Erde.! Man erkennt die Redaktion an der Verbindung des priesterschriftlichen Begriffs +KC]™ •Flut! mit der Datierung von vierzig Tagen nach J. Im weiteren ergab das Verfahren sich im wesentlichen von selbst. Das Steigen der Wasser wird zuerst knapp aus dem Jahwisten wiedergegeben (7,17b), anschließend ausführlich aus der Priesterschrift (7,18"20). Für den Untergang der Lebewesen behält RJP die Quelle P bei (7,21) und trägt in 7,22"23a* die jahwistische Parallele nach. Wieder folgt der ausführlichere Bericht auf den knapperen. Aus der Priesterschrift folgt das Fazit: •Nur Noah blieb übrig, und was mit ihm in dem Kasten war! (7,23b). Die Darstellung von Ausmaß und Auswirkung der Flut wird mit der Datierung 7,24 P beschlossen. Das Ende der Flut beginnt mit der Priesterschrift, weil diese schildert, dass Gott selbst die Wende des Geschehens herbeiführt (8,1). Auf das Verschließen der Fenster des Himmels V. 2a P folgt, in umgekehrter Entsprechung zu levin_BZAW_002.indd 77 08.07.2013 13:09:07 78 Die Redaktion RJP in der Urgeschichte 7,11"12, das Aufhören des Regens 8,2b J. Ursprünglich muss die Frist von vierzig Tagen V. 6a J vor V. 2b gestanden haben.84 Da sie sich dem Zeitplan der Priesterschrift nicht fügt, hat die Redaktion sie versetzt und auf die Vogelszene bezogen. Für das Verlaufen der Wasser gibt RJP den knappen jahwistischen Bericht V. 3a wieder, bevor sie dem ausführlichen der Priesterschrift in V. 3b"5 das Wort lässt, der auch die Landung der Arche einschließt. Nun muss die Vogelszene folgen, die allein beim Jahwisten überliefert ist.85 Das endgültige Trocknen der Erde wird von der Priesterschrift in V. 13a und V. 14 mit zwei Datierungen bestimmt, zwischen denen die jahwistische Fassung V. 13b ihren Platz fand. Der Ausstieg aus der Arche V. 15"18 ist nur der Priesterschrift eigen. Beim Epilog mussten Noahs Opfer und Jahwes Beschluss bei sich selbst V. 20"22 J vorangehen, bevor aus der Priesterschrift der Segen und die Bundesverheißung 9,l"17* folgen, die das angemessene Finale sind. Die zweifache Schnur Ein gründliches Urteil über die Redaktion RJP ist erst möglich, wenn sie auf der ganzen Länge der beiden parallelen Pentateuchquellen Priesterschrift und Jahwist verfolgt und beschrieben worden ist.86 Schon jetzt lässt sich sagen: RJP erweist sich als Redaktion im genauen Sinn des Begriffs.87 Sie verarbeitet ihre Quellen mit dem Ziel eines neuen literarischen Ganzen und folgt dabei einem theologischen Ziel. Dieses Ziel war, der Einheit der Geschichte Gottes mit seinem Volk, deren Darstellung in zwei getrennten, religiös verbindlichen Rezensionen umlief, literarischen Ausdruck zu verschaffen.88 Ein Vorrang einer der beiden Quellen, etwa der Priesterschrift, 84 Vgl. Wellhausen, Composition, 4; Budde, Urgeschichte, 267௘௘f. 85 •Die Rabenszene stört die dreigliedrig aufgebaute Komposition der Entsendung der Taube! (Witte, Urgeschichte, 140). Die Lösung liegt nicht darin, dass die Rabenszene 8,7 nachgetragen wäre. Diese stammt aus der vorjahwistischen Quelle und wurde vom jahwistischen Redaktor um die dreigliedrige Taubenszene erweitert, vgl. Levin, Der Jahwist, 106f, und zuvor O. Keel, Vögel als Boten (OBO 14) 1977, 86"91. 86 Vgl. vorläuÞg Levin, Der Jahwist, 437"440. 87 Was in der heutigen Exegese gelegentlich als •Pentateuchredaktion! oder •Endredaktion! vertreten wird, sind tendenzkritische Sammelgrößen von unklarem literarischen ProÞl, die nicht einmal die Bezeichnung •Bearbeitung! im engeren Sinne verdienen. 88 Das Programm wird sehr gut erfasst von H. Donner, Der Redaktor. Überlegungen zum vorkritischen Umgang mit der Heiligen Schrift (1980; in: Ders., Aufsätze zum Alten Testament [BZAW 224] 1994, 259"285). levin_BZAW_002.indd 78 08.07.2013 13:09:07 Die zweifache Schnur 79 hätte dem Unternehmen widersprochen. Die neue Einheit der beiden literarischen Großeinheiten konnte nur mit einfachsten Mitteln erreicht werden. Die Redaktion nahm •die positive Haltung des ehrlichen Maklers! ein.89 Ihr Ziel war literarisch und theologisch anspruchsvoll genug. Weitergehende theologische Absichten hätten es zunichte gemacht.90 Nur ganz gelegentlich greift die Redaktion zu eigenen Gestaltungsmitteln, um die sachliche Einheit der vormals getrennten Geschichtsentwürfe herauszustellen.91 So geschieht es im Falle der Schöpfung mit dem Motiv der Namengebung, das in Gen 1,5.8.10 P und 2,19a.20 J vorhanden war und ausgebaut werden konnte. Bei der Flut wurden die unvereinbaren Gegensätze der beiden Datierungssysteme durch Umstellungen auszugleichen versucht. Die Quellen durften nicht mehr als notwendig versehrt werden. Auslassungen kommen vor, halten sich aber in Grenzen und werden durch die jeweilige Parallelquelle ausgeglichen. Sie mehren sich im Bereich der Vätergeschichte, wo sie besonders die Priesterschrift stark in Mitleidenschaft ziehen.92 Paradoxerweise sind gerade die wechselweisen Lücken der beiden Pentateuchquellen der Beweis für die Urkundenhypothese. Die Darstellung hängt nicht an einem einfachen Faden, sondern an einer Schnur, die aus zwei Fäden gewirkt ist. Sie hält auch dann zusammen, wenn einer der beiden Fäden gerissen ist oder fehlt. 89 So M. Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien, (1943) 31967, 95, über den deuteronomistischen Redaktor. 90 Es ist daran festzuhalten, dass die Verbindung der Pentateuchquellen innerhalb der alttestamentlichen Literaturgeschichte ein absoluter Sonderfall ist. Die Regelhypothese ist nicht die Urkundenhypothese, sondern die Ergänzungshypothese. Man darf die Redaktion RJP nicht an den Bearbeitungen messen, die wir überall sonst vorÞnden. 91 Was Witte, Urgeschichte, dem Endredaktor zuschreibt, gehört zum weit überwiegenden Teil in jenen Bereich der Traditionsgeschichte, der auf die Verbindung der Quellen gefolgt ist, s.௘௘o. S. 63"68. 92 Darauf haben besonders R. Rendtorff, Das überlieferungsgeschichtliche Problem des Pentateuch (BZAW 147) 1977, 112"130, und E. Blum, Die Komposition der Vätergeschichte (WMANT 57) 1984, 420"458, hingewiesen, ohne dass man ihre Folgerung teilen muss, die Priesterschrift nicht mehr als Pentateuchquelle, sondern als •Schicht! oder •Komposition! zu verstehen. levin_BZAW_002.indd 79 08.07.2013 13:09:08