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Das Wort Ellils

Das Wort Enlils Manuel Ceccarelli Summary This paper deals with Enlil’s word, the chief god of Mesopotamian Pantheon, by means of which he decrees destruction but also copiousness and fertility in the land. Two excursus conclude this article. In the first one I briefly discuss the possibility and problems of understanding Enlil’s word as a hypostasis of Enlil. The second one deals with Emesal as a sacral language, i. e., the language of liturgy. I suggest defining Emesal as a secondary sacred language because in Old Babylonian times it is used not only in liturgical texts but also in the Edubba’a-literature, and only thereafter it is used exclusively in liturgical texts. It means that the Babylonians scribes originally did not treat it as a sacred language and we should not consider it a primary sacred language, i. e. a language explicitly created for liturgy.1 Dieser Beitrag behandelt das Thema ,Sakralsprache‘ nicht aus der Perspektive der Sprachbeschreibung bzw. der Systeme, durch die der Mensch mit den Göttern kommuniziert, sondern auf der Ebene des Wortes, mit dem eine Gottheit in der Welt wirkt. Konkret steht das Wort Enlils, des Hauptgottes des mesopotamischen Pantheons, im Zentrum der nachfolgenden Überlegungen.2 Enlils Wort wird oft als eine zerstörerische Kraft beschrieben und Enlils Beschlüsse haben verheerende Wirkungen für die Menschen. Ein plastisches Beispiel bietet das literarische Werk Atram-Xası̄s, dem zufolge Enlil den Beschluss fasst, die laut gewordenen Menschen auszulöschen. In dem sumerischen Text Fluch über Agade,3 der bereits in einigen Abschriften aus dem Ende des dritten Jahrtausends überliefert ist, übergibt Enlil das Königtum an Sargon von Agade. Die Göttin Inana darf infolgedessen ein Heiligtum in Agade bauen. Sobald aber die unzufriedene Göttin ihr Heiligtum ausbauen will, um den Tribut der Länder zu empfangen, entzieht Enlil Agade seine Rechte (Fluch über Agade, 57): 1 Abkürzungen richten sich nach The Sumerian Dictionary of the University Museum of the University of Pennsylvania. An dieser Stelle möchte ich Herrn Dr. K. Zand, Frau S. Melzer und Frau M. Neumann, die das Manuskript durchgelesen haben, herzlich danken. 2 enim ist das sumerische Wort für „Wort“. Im Emesal-Dialekt des Sumerischen lautet das Lexem eneĝ, geschrieben e-ne-eĝ3 . Das akkadische „Wort“ ist awātum. Weitere Ausdrücke, die als Synonyme aufgefasst werden können, sind das sumerische du11 -ga und seine akkadische Entsprechung qibı̄tum, welche „das Gesprochene“ und „Ausspruch“ bedeuten. 3 J. S. Cooper, The Curse of Agade, Baltimore/London 1983. Die Welt des Orients, 44. Jahrgang, S. 213–226, ISSN (Printausgabe): 0043-2547, ISSN (online): 2196-9019 © 2014 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 214 Manuel Ceccarelli 57. enim e2 -kur-ra me(-a)-gen7 ba-an-ĝar 57. Das Wort des Ekurs (d. h. Enlils) wurde dafür (= für Agade) wie (etwas, das) Schweigen (gebietet) gesetzt.4 Enlils Beschluss führt in der Folge sogar dazu, dass die sonst trotzende Inana ihre Stadt verlässt. Dagegen ist der König Naram-Sı̄n, Sargons Enkel, machtlos und in seiner Wut zerstört er, so der Text, Enlils Tempel in Nippur, das Ekur. Er leitet somit die Ereignisse ein, die Agade zum Untergang führen werden. Auch in den Stadtklagen wird die Zerstörung der Städte durch Enlils Beschluss veranlasst. Er ist es, der die Völker Mesopotamiens das Land Sumer und seine Städte angreifen lässt. In einigen kultischen Klagen, den sogenannten balaĝ-Klagen, steht das Wort Enlils sowie das Wort anderer Gottheiten im Mittelpunkt längerer Abschnitte. Die Wirkung des machtvollen Wortes wird als destruktiv beschrieben, es ist eine Flut, es lässt Erde und Himmel beben, es lässt die großen Götter zittern und bringt den Menschen Leid. Hier seien nur einige Belege aus den balaĝ-Klagen als Beispiele vorgestellt. Eneĝani ilu ilu, a+39–55:5 a+39. a+40. a+41. a+42. a+43. a+44. a+45. a+46. a+47. a+48. a+49. a+50. a+51. a+52. a+53. a+54. a+55. a+39. a+40. a+41. a+42. a+43. a+44. e-ne-eĝ3 -ĝa2 -ni i-lu i-lu u3 am-ku i-lu e-ne-eĝ3 an gu-la i-lu i-lu e-ne-eĝ3 d mu-ul-lil2 -la2 i-lu i-lu e-ne-eĝ3 maX e2 -kur-ra i-lu i-lu e-ne-eĝ3 an-gen7 dub2 -ba-na i-lu i-lu e-ne-eĝ3 ki-gen7 sag3 -ga-na i-lu i-lu u3 -mu-un-na e-ne-eĝ3 -ĝa2 -ni i-lu ka-naĝ-ĝa2 -ka ši kur-kur-ra-kam ši ki-en-gi-ra-ke e-ne-eĝ3 an gu-la i-lu ka-naĝ-<ĝa2 >-kam ši (dito) e-ne-eĝ3 d mu-ul-lil2 -la2 i-lu ka-naĝ-ĝa2 -kam ši kur-kur-ra-kam u3 -mu-un-na e-ne-eĝ3 -ĝa2 -ni mu u8 um-ma-AK mu al-sag3 -ge-dam e-ne-eĝ3 an gu-la mu u8 um-ma-AK (dito)? e-ne-eĝ3 d mu-ul-lil2 -la2 ge u8 um-ma-AK ge-bi še am3 -ša4 a i7 -bi-ta al-sag3 -ge-dam e-ne-eĝ3 d mu-ul-lil2 -la2 -še3 a-ša3 še-bi-ta al-sag3 -ge-dam e-ne-eĝ3 d mu-ul-lil2 -la2 -še3 uru2 -a d a-nun-na al-dub2 -dub2 -be2 -eš-am3 e-ne-eĝ3 (dito) d a-nun-na an-am a-ri-a al-dub -dub -be -eš-am 3 2 2 2 3 d a-[nun]-na ki-am a-ri-a al-du-du-bu-[d]e -en 3 3 Sein Wort: eine Wehklage, eine Wehklage, er schläft, eine Wehklage! Das Wort des großen An: eine Wehklage, eine Wehklage! Das Wort Mullils: eine Wehklage, eine Wehklage! Das erhabene Wort des Ekurs: eine Wehklage, eine Wehklage! Wenn er das Wort wie den Himmel zittern lässt: eine Wehklage, eine Wehklage! Wenn er das Wort wie die Erde beben lässt: eine Wehklage, eine Wehklage! 4 So nach P. Attinger, La malédiction d’Agadé, (http://www.arch.unibe.ch/content/e8254/e9161/ e9183/2_1_5_ger.pdf), 4:57 „mais l’ordre de l’Ekur y (à Agadé) avait été placé comme (quelque chose imposant) le silence“. 5 CT 42, Pl. 28 ii 9–30 und S. N. Kramer, Collations to CT XLII, JCS 23, 1970, 13 zu 15; vgl. M. E. Cohen, Lamentations, 194 f. Das Wort Enlils 215 a+45. Das Wort des Herrn ist die Wehklage des Landes, ist das Leben aller Länder, das Leben von Sumer. a+46. Das Wort des großen An ist die Wehklage des Landes, das Leben (aller Länder, das Leben von Sumer). a+47. Das Wort Mullils ist die Wehklage des Landes, es ist das Leben aller Länder. a+48. Wird das Wort des Herrn mit „wehe“ zu einem Mann gesagt, dann zittert der Mann.6 a+49. Wird das Wort des großen An mit „wehe“ zu einem Mann gesagt, (dann zittert der Mann).? a+50. Wird das Wort des Herrn mit „wehe“ zu einem Mädchen gesagt, dann klagt dieses Mädchen. a+51. Es sind das Wasser und der Fluss, die wegen Mullils Wortes beben. a+52. Es sind das Feld und die Gerste, die wegen Mullils Wortes beben. a+53. Es sind die Anunna, die in der Stadt wegen (Mullils) Wortes (zittern). a+54. Ja die Anunna, die der Himmel(/An) erzeugt hat, zittern! a+55. Ja die Anunna, die die Erde(/Antu) erzeugt hat, zittern! Elum gusun, b+93–101:7 b+93. b+94. b+95. b+96. b+97. b+98. b+99. b+100. b+101. b+93. b+94. b+95. b+96. b+97. b+98. b+99. b+100. b+101. a-ma-ru na-nam kur al-gul-g[ul-e (x)] u3 -mu-un-e e-ne-eĝ3 -ĝa2 -ni a-m[a-ru na-nam] ša3 -bi e-lum-e a-ma-ru n[a-nam] ša3 -bi e-<lum>? d mu-ul-lil2 a-ma-ru na-nam u3 -mu-un-na ša3 an-še3 an im-dub2 -ba-ni x […]8 d mu-ul-lil e-ne-eĝ ki-še ki im-sag -ga-n[i] 2 3 3 3 e-ne-eĝ3 -ĝa2 <-ni> d a-nun-na LI.GI16 -eĝ3 -eš e-ne-eĝ3 -ĝa2 -ni a-zu nu-tuku šem-mu2 nu-tu[ku] e-ne-eĝ3 -ĝa2 -ni a-ma-ru zi-ga gaba šu-gar nu-[tuku] Es ist wahrlich eine Flut, sie zerstört das Bergland. Jener Herr: Sein Wort ist [wahrlich eine] Flut! Jenes Herz: Jener Gewichtige ist wahrlich eine Flut! Jenes Herz: (der) Ge(wichtige? /, Mullil ist wahrlich eine Flut! Des Herrn Herz, das zum Himmel hin den Himmel erschüttert! […] Mullil, dessen Wort zur Erde hin die Erde beben lässt! Auf sein Wort hin sind die Anunna gestrauchelt. (Gegen) sein Wort gibt es keinen Arzt und keinen Beschwörungspriester. Sein Wort: eine aufsteigende Flut, die keinen Gegner hat. 6 Vgl. die akkadische Version der zweisprachigen Paralleltexte: amassu ana et.li/ardati ina ū’a izzakkarma, s. M. E. Cohen, Lamentations, 504:a+52 f. und CAD U/W, 1 s. v. ū’a lex. 7 VS 2 11 Vs. iii 22–30; vgl. M. E., Cohen, Lamentations, 277. 8 Die Lesung des letzten Zeichens und die Ergänzung der Zeile sind unsicher. Eine Möglichkeit ist u?5 ^(-)[(a) ša?3 -ga-ni] „We[he, sein Herz!]“; vgl. z. B. M. E., Cohen, Lamentations, 505:a+67 [e]-ne-eĝ3 {AG2 }an-še3 an al-dub2 -ba-ni u5 -a e-ne-eĝ3 -ĝa2 -ni / ina a-ma-ti-šu 2 ša 2 -mu-u 2 ina ra-ma-ni-šu 2 -nu i-ru-ub-bu ša 2 ša 2 -di-i a-mat-su „Sein Wort, das zum Himmel hin den Himmel erschüttert! Wehe, sein Wort!“ (akk.: „Durch sein Wort zittert von selbst der Himmel! Das Wort des Berges!“). Für die Ergänzung mit ša3 spricht das ša3 am Anfang der Zeile; eine Ergänzung [e-ne-eĝ3 -ĝa2 -ni] ist wegen der Platzverhältnisse auf der Tafel schwierig. Zu u5 -a in diesem Kontext s. J. Krecher, Kultlyrik, 114 Anm. 335: „vielleicht ,wehe‘ “. 216 Manuel Ceccarelli Immal gudede, c+205:9 c+205. e-ne-eĝ3 d mu-ul-lil2 -la2 10 -ke4 naĝ-ku5 maX-am3 a e2 -a in-GID2 -i ina a-mat d MIN bu-tuq-tu 4 šur-du-tu 4 ma-ku-u 2 -ra u 2 -šar-da: E2 .MEŠ: ub ! -bal c+205. Das Wort Enlils – eine riesige Schleuse ist es – trägt mit Wasser ein Haus davon.11 A urumu ime, a+32–36:12 a+32. a+33. a+34. a+35. a+36. a+32. a+33. a+34. a+35. a+36. [u4 -de3 ] an-na gu3 mu-ni-ib-be2 e-ne-eĝ3 an gu-la-ke4 u4 -de3 an-na gu3 mu-ni-ib-be2 e-ne-eĝ3 d mu-ul-lil2 -la2 -ke4 u4 -de3 an-na gu3 mu-ni-ib-be2 u4 -da an-na du11 -du11 -ga-a-ni _uru2 -me-a an-ne^ ba-dub2 (-dub?2 / ki-ne ba-sag3 [Der Sturm] brummt im Himmel. Das Wort des großen An, ein Sturm, brummt im Himmel. Das Wort Enlils, ein Sturm, brummt im Himmel. Wenn er im Himmel spricht, dann zittert in unserer Stadt der Himmel da, der Boden da bebt. Irsema Alima umun gir 3 -[ra ? ], 17–19:13 17. A 17 C 5’ A 18 C 6’ du11 -ga-zu tumu ze2 -eb-ba zi kur-kur-ra-ke4 du11 -ga-zu tumu ze2 -[ si-kir pi-i-ka ša 2 -a-ru t.a-a-bi na-piš-ti KUR.KUR.MEŠ si-kir [x x] _x^ [ 18. A 19 B2 1’ A 20 B2 2’ e-ne-eĝ3 -zu-še3 an su3 -ud-da ni2 -bi de3 -ma-ab-bi-gurum-am3 e-ne-eĝ3 -ĝa2 an _su?3 -ud? ^-[ ina a-ma-ti-ka AN-u2 ru-qu-tu ra-ma-ni-šu 2 -nu kan-šu-te i[na 19. A 21 B2 3’ A 22 B2 4’ e-ne-eĝ3 -zu-še3 ki _x x x x x x^ [ …] un? -x-ga e-ne-eĝ3 [ x ] _x^ UR? [ ina a-ma-ti-ka KI-ti 3 _ra ? -pa !? ^ -aš-t[u ?4 ] _x^-[x(-x)] i-ša 2 -ab-m[a] in[a KI-ti ?3 ] ra-pa-<aš> ? -tu 4 17. Dein Wort ist ein guter Wind, das Leben aller Länder. 18. Auf dein Wort hin beugt sich von selbst der weite Himmel. 19. Auf dein Wort hin be[bt (von selbst? /] die wei[te]? Erde. 9 BA 5, 617:9-10 (Foto: CDLI P238192); vgl. M. E. Cohen, Lamentations, 615. 10 So auf dem Foto. 11 Akk.: „Auf Enlils Wort hin schwemmt eine überströmende Flut (oder: Schleuse) das Eigentum weg (/ trägt die Häuser davon)“. 12 VS 2 28 Rs. 31–35; vgl. M. E., Cohen, Lamentations, 645. 13 A = VAT 283+ (SBH 22) Vs.; B = (B1 / K 9154 (BL 15 = VA 10/1 12 und S. 242 ff.) Vs. + (B2 / K 3315 (BL 163) Vs. + K 8706 + Sm 1204; C = W 20030/85 Vs. (BaM Beih. 2, 19); vgl. M. E. Cohen, Eršemma, 8:14 mit Anm. 34 und J. A. Black, Sumerian Balag Compositions, BiOr 44, 1987, 52 zu Balaĝ 42: K 3315. Black ordnet VAT 283+ (SBH 22) dem Balaĝ 13 zu. Das Wort Enlils 217 Interessant ist auch, dass das Wort Enlils als etwas Unverständliches beschrieben werden kann: Udam ki amus, 41–43:14 41. e-ne-eĝ3 -ĝa2 -ni gakkul-am3 (-ma) al-šu2 ša3 -bi a-ba mu-un-zu(-zu) : ša3 -ga am3 -ni10 ni10 -e(/-i3 )15 (a-mat-su) 16 kak-kul-lu ka-tim-ti qe 2 -reb-šu 2 man-nu i-lam-mad : ki-ma ka-tim-ti katmat-ma ina qer-be 2 -e-ti i-s.a-ad 42. e-ne-eĝ3 -ĝa2 -ni ša3 -bi nu-un-zu-a(m3 ) bar-bi al-us2 -sa (a-mat-su) qe 2 -reb-šu 2 (/-ša 2 ) ul il-lam-mad a-ha-a-ti i-da-a-aš 43. e-ne-eĝ3 -ĝa2 -ni bar-bi nu-un-zu-a(m3 ) ša3 -bi al-us2 -sa (a-mat-su) a-Xa-a-ti ul il-lam-mad qer-be 2 -e-tu 2 i-da-a-aš 41. Sein Wort ist ein zugedeckter Maischbottich, wer kennt sein Inneres? Es wirbelt in (seinem? ) Inneren? .17 42. Sein Wort: Sein Inneres ist nicht bekannt, sein Äußerliches trampelt (alles) nieder. 43. Sein Wort: Das Äußerliche ist nicht bekannt, das Innere trampelt (alles) nieder. Enlils Wort hat also keineswegs nur einen destruktiven Aspekt. In den Texten aus Tell Abū-S.alābı̄kh und Fāra, ungefähr 2600 v. Chr., findet man, soweit man sie versteht, zwar keinen Beleg für den Ausdruck enim d en-lil2 -la2 , für das „Wort Enlils“. Stellt das Wort Enlils als solches nicht das zentrale Thema eines Textes dar, so spielen Enlils Worte nichtsdestotrotz eine besondere Rolle in einigen dieser Texte und in den religiösen Vorstellungen, welche deren Hintergrund bilden. In einigen Beschwörungen aus Fāra und Ebla gibt Enlil der Göttin Ningirima die Anweisungen zur Heilung erkrankter Menschen. Auch in einem Text in UD.GAL.NUN-Orthographie aus Tell Abū-S.alābı̄kh finden wir Enlil als Beschwörungsgott. In Text IAS 142 rezitiert er nämlich eine Beschwörung: IAS 142 vii 3’-4’ (CUT 15, 7.3 1):18 3’. d.UD/ en.GAL/ -E2.NUN/ 4’. UD.KA nam2 -šid 3’. Enlil 4’. rezitiert die Beschwörung.19 14 SBH 1 Vs. 60–65 // SBH 2 Vs. 22–28 // SBH 4 Vs. 65–71 // BL 134 Vs. 11–12; vgl. M. E. Cohen, Lamentations, 125. 15 Nach Kollationen von SBH 2 (= Text J) liest Cohen -e, s. M. E. Cohen, Lamentations, 125 Anm. 16. SBH 4 Vs. 65 hat jedoch -i3 . 16 So SBH 4 Vs. 66 // 69 // 71. 17 Akk.: „Wie ein bedeckter versteckter Gegenstand streift es durch das offene Land (oder: im Inneren) herum“; der Text scheint korrupt zu sein. 18 Vgl. auch viii 2’–3’; viii 13’–[14’]; ix 1’–2’. Umschrift und Rekonstruktion nach K. V. Zand, Die UD.GAL.NUN-Texte: Ein allographisches Corpus sumerischer Mythen aus dem Frühdynastikum, Unver. Dissertation Univ. Jena 2009, 301. In Klammern sind Zands Textkürzel. Ich danke herzlich Dr. Zand für die Erlaubnis, seine Bearbeitung zitieren zu dürfen. 19 Nach K. V. Zand, UD.GAL.NUN-Texte, 37. UD.KA kann eine Kurzform für UD.KA du11 -ga sein. Für einen frühdynastischen Beleg für UD.KA du11 -ga s. N. Veldhuis CDLB 2006/2, Vs. 218 Manuel Ceccarelli Das Vorkommen Enlils als Beschwörungsgott ist besonders bemerkenswert, da ihm in den Beschwörungen der Ur III-Zeit eine so große Bedeutung nicht mehr zugeschrieben wird. Vielmehr etabliert sich nun endgültig die Tradition, nach der Enki, der Gott der Weisheit, als Gott der Beschwörungen fungiert. In den Texten aus Tell Abū-S.alābı̄kh wird zum ersten Mal auch die Beständigkeit des unabänderlichen Wortes Enlils thematisiert (Zame-Hymnen, 5–1020 ): 5. 6–7. 8. 9. 10. d en-E kur gal 2 d en-E en nu-/nam-nir 2 en du11 -ga nu-ge4 -ge4 nu-šar2 -šar2 . 5. 6–7. 8. 9. 10. Enlil, großer Berg! Enlil, Herr Nunamnir! Herr, (dessen) Ausspruch unwiderruflich (ist), unabänderbar (ist).21 Da Enlil der Hauptgott des Pantheons, Vater der Götter und König aller Länder ist, besitzt sein unwiderrufliches Wort die Autorität, die Einflussbereiche der Götter zu regeln. In zwei Weihinschriften des Enmetena, des Statthalters von Lagaš, die die Geschichte des Grenzkonfliktes zwischen den Stadtstaaten Lagaš und Umma enthalten, legt Enlil durch sein feststehendes Wort (enim gena) die Grenze fest, und zwar indem er die Grenze für die Götter Ninĝirsu und Šara, die zwei Götter dieser Städte, zieht. Erst danach wird berichtet, wie Mesilim, der König von Kiš, die Messleine auf die Felder anlegt und durch seine Autorität die Grenze konkret bestimmt. Die territorialen Ansprüche der Stadt Lagaš basierten also ideologisch zuerst auf dem mythischen Urereignis, wobei Enlil durch sein „feststehendes Wort“ die Welt maßgeblich und bindend ordnet. Im Mythos Enki und die Weltordnung 22 weist der Gott Enki den anderen Göttern ihre Bestimmungen, d. h. ihre Aufgabenbereiche, zu. Dies geschieht jedoch auf Enlils Auftrag hin.23 Das Wort Enlils spielt eine besondere Rolle in einer altbabylonischen Hymne auf Enlil, die heute unter den Bezeichnungen Enlil A und nach ihrer ersten 20 21 22 23 iv 2 // Rs. ii 6. Vgl. auch M. Krebernik, Beschwörungen, 208-209 für KA+UD als Kurzform für KA+UD du11 -ga. R. D. Biggs, Inscriptions from Tell Abū-S.alābı̄kh, OIP 99, Chicago 1974, 46. Ich danke Dr. Zand für diesen Hinweis. Übersetzung nach K. V. Zand. Zeilenzählung nach ETCSL 1.1.3. Enki und die Weltordnung 38-40; 76 nam tar-ra ki u4 e3 -a-ke4 šu-ĝa2 mu-un-ĝal2 „Die Schicksale (zu bestimmen) am Ort, wo die Sonne aufgeht, hat er (Enlil) in meine Hand gelegt“; 391392 d a-nun-na diĝir gal-gal-[e]-ne nam tar-tar-ra-bi / d en-lil2 -le [šu]-za ma-ra-ni-in-ge-en „Die Schicksale der Anunna, der großen Götter, hat dir Enlil in deine Hand stabil gelegt“. 219 Das Wort Enlils Zeile auch Enlil sudraše bekannt ist.24 Bereits die ersten zwei Zeilen führen das Wort Enlils ein: 1. 2. d en-lil su -ra -še du -ga-ni maX enim-ma-ni 2 3 2 3 11 niĝ2 nu-kur2 -ru ka-ta e3 -a-ni nam ul-še3 tar-re 1. 2. Enlil, dessen Ausspruch bis zur Ferne erhaben ist und dessen Wort rein ist, der, wenn er etwas Unabänderliches äußert, das Schicksal auf ewig bestimmt! (/du11 -ga-ni) ku3 -ga-am3 Das Wort Enlils ist das Thema des Abschnittes der Zeilen 141 bis 154: 141. enim maX-zu an-gen7 dugud-da-bi(/-gen7 / zi-zi nu-um-zu(/ nu-e-zu; nu-mu-un-zu; nu-zu)25 142. enim-zu-še3 diĝir d a-nun-na ŠU.NAGA? im-ma-an-AK-eš 143. enim-zu an-še3 idim-ma ki-še3 temen-am3 144. an-še3 idim gal an-ne2 us2 -sa (/ im-us2 / 145. ki-še3 temen sag3 saga7 nu-di-da(m) 146. an-e um-ma-te Xe2 -ĝal2 -la-am3 147. an-ta Xe2 -ĝal2 im-da-šeĝ3 -šeĝ3 148. ki-a um-ma-te giri17 -zal-am3 149. ki-ta giri17 -zal im-da-mu2 -mu2 150. enim-zu gu-am3 enim-zu še-am3 151. [enim]-zu a-aštub zi kur-kur-ra-ka(m) 152. niĝ2 -zi-ĝal2 niĝ2 -ki u5 -a 153. zi du10 -ga(-ge-eš) (ši-)im(-mi)(-in)-da-pa-an(-pa-an) 154. d en-lil2 sipa zi-me-en DU.DU-bi mu(-e)-zu 141. 142. 143. 144. 145. 146. 147. 148. 149. 150. 151. 152. 153. 154. Dein erhabenes Wort: So wie den Himmel weiß man nicht sein Gewicht zu heben.26 Zu deinem Wort hin … die Anunna. Dein Wort ist für den Himmel eine Quelle, für den Erde ein Fundament,27 für den Himmel ist es die große Quelle, welche an den Himmel reicht, für die Erde ist es ein Fundament, das nicht zu zerstreuen ist. Hat es sich dem Himmel genähert, dann ist es Überfluss, und Überfluss kann daher aus dem Himmel regnen. Hat es sich der Erde genähert, dann ist es Wonne, und Wonne kann daher aus der Erde wachsen. Dein Wort ist Flachs, dein Wort ist Gerste, Dein Wort ist Karpfenflut und das Leben aller Länder. Die Lebewesen, das kopulierende Getier, können daher gut atmen. Enlil, der rechte Hirte bist du, ihr (= der Lebewesen) Umherziehen kennst du. 24 D. Reisman, Two Neo-Sumerian Royal Hymns, Ph.D. thesis, University of Pennsylvania 1970, 41–102. 25 Für die Varianten s. P. Delnero, Variation in Sumerian Literary Compositions: A Case Study Based on the Decad, Ph.D. thesis, University of Pennsylvania 2006, 2164 ff. 26 Var.: „Dein erhabenes Wort: So wie den Himmel, so wie etwas Gewichtiges, weiß man nicht es zu heben“. 27 Vgl. Keš-Hymne, 53 e2 an-še3 kur-ra-am3 ki-še3 idim-ma-am3 , vgl. G. Gragg, TCS 3, 1969, 155–189. 220 Manuel Ceccarelli Enlil als Ursache des Überflusses, ja als Überfluss selbst, finden wir auch im Mythos Enlil und Ninlil,28 wo in den Zeilen 148–149 gesagt wird: 148. en an-na en Xe2 -ĝal2 en ki-a ze4 -e-me-en 149. en ki-a en Xe2 -ĝal2 en an-na ze4 -e-me-en 148. Der Herr im Himmel, der Herr ,Überfluss‘, der Herr auf der Erde bist du, 149. der Herr auf der Erde, der Herr ,Überfluss‘, der Herr im Himmel bist du. In der Königshymne Šulgi G29 wird ebenfalls Enlils Einfluss auf die Entstehung von Gerste und Flachs thematisiert: 37. gu niĝ2 kal mu2 -mu2 še niĝ2 kal mu2 -mu2 37. (Enlil…) der Flachs, etwas Wertvolles, wachsen lässt, der Gerste, etwas Wertvolles, wachsen lässt. Bemerkenswert ist, dass Enlils Fruchtbarkeitsaspekt bereits in den UD.GAL. NUN-Texten aus Fāra und Tell Abū-S.alābı̄kh belegt ist: SF 39 i 3–4 // IAS 118 i 3–4 // IAS 163 i 3–4 (CUT 4, 1.1 3)30 a d.UD/ en.GAL/ -É.NUN/ Xe-ĝal2.GAR5/ an.UD/ (-me.UB/ / Vater Enlil ist (/du bist) Überfluss im Himmel. Genauso wird gesagt, dass Enlil Getreide und Flachs wachsen lässt: SF 39 i 7 // IAS 118 i 7 // IAS 163 i 7 // IAS 182 i 4’ (CUT 4, 1.1 6)31 ki.UNU/ gu še mu2(ŠA) (-me) Derjenige, der auf Erden Flachs und Getreide wachsen lässt32 . Exkurs 1 – Das Wort als Hypostase? Ob das Wort Enlils als Hypostase dieses Gottes aufgefasst werden kann, hängt zuerst von der Bestimmung des Hypostasenbegriffes selbst ab. In seiner Arbeit über das göttliche Wort im Alten Orient übernimmt Lorenz Dürr Mowinckels und Boussets Definition von Hypostase. Demnach wäre eine Hypostase: 28 H. Behrens, Enlil und Ninlil: ein sumerischer Mythos aus Nippur, StPohl SM 8, Rom 1978. 29 J. Klein, The Coronation and Consecration of Šulgi in the Ekur (Šulgi G), in: M. Cogan/I. Eph’al (Hg.), In Ah, Assyria, ..Studies in Assyrian History and Ancient Near Eastern Historiography Presented to Hayim Tadmor. Scripta Hierosolymitana 33, Jerusalem 1991, 292–313. 30 Nach K. V. Zand, UD.GAL.NUN-Texte, 209. 31 Nach K. V. Zand, UD.GAL.NUN-Texte, 209. 32 Variante: „Du bist der, der …“. Das Wort Enlils 221 „Eine halb-selbständige, halb als Offenbarungsform einer höheren Gottheit betrachtete göttliche Wesenheit, die eine Personifizierung einer Eigenschaft, einer Wirksamkeit, eines Gliedes usw. einer höheren Gottheit darstellt also Mitteldinge zwischen Personen und abstrakten Wesen, nicht so losgelöst von Gott wie die konkreten Engelgestalten, mehr mit seinem Wesen verschmolzen und zu ihm gehörig, aber doch wieder gesondert gedacht.“33 Nach der Definition, die Gerhard Pfeifer in seiner Untersuchung zu den Hypostasen im Judentum vorschlägt, wäre eine Hypostase: „Eine Größe, die teilhat am Wesen einer Gottheit, die durch sie handelnd in die Welt eingreift, ohne dass sich ihr Wesen im Wirken dieser Hypostase erschöpft.“34 Helmer Ringgren definiert in der dritten Auflage der RGG die Hypostase als: „Eine oft nur halb selbständige göttliche Wesenheit, die eine mehr oder weniger durchgeführte Personifizierung einer Eigenschaft, einer Wirksamkeit oder irgendeines Attributes einer höheren Gottheit darstellt.“35 Bernhard Lang bietet im Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe eine Definition, die an jene von Pfeifer angelehnt ist. Dabei sieht er vom Aspekt des „Eingreifens in die Welt“ ab: „Dann meint Hypostase eine Eigenschaft, Seite oder Erscheinungsform eines Gottes, die als selbständiges Wesen aufgefasst wird, wobei der enge Bezug zur Gottheit, wenn nicht sogar die Identität mit ihr, erhalten bleibt.“36 In seiner 2004 erschienenen Untersuchung zur Sapientia Salomonis weist Martin Neher mit Recht ausdrücklich darauf hin, dass die Definitionsversuche entweder das Wirken oder das Wesen der Hypostase hervorheben und dass für die Bestimmung einer Hypostase sowohl ihr Wesen als auch ihr Wirken untersucht werden muss.37 In dem erwähnten Abschnitt aus der Hymne Enlil A wird genau das Wirken des Wortes Enlils hervorgehoben. Entspricht die Aussage in Enlil A 141–154 inhaltlich jener anderer Texte wie Enlil und Ninlil, dass nämlich der Überfluss im Lande auf Enlil zurückgeht, so lässt dieser Abschnitt den Gott Enlil jedoch im Hintergrund und ersetzt ihn durch sein Wort, welches als wirkende Kraft 33 L. Dürr, Wertung des göttlichen Wortes im alten Testament und im antiken Orient, MVAeG 42/1, Leipzig 1938, 122. 34 G. Pfeifer, Ursprung und Wesen der Hypostasenvorstellung im Judentum, AzTh 31, Berlin 1967. 35 H. Ringgren, RGG3 III, 504 s. v. „Hypostasen“. 36 B. Lang, HrwG III, 187–88. 37 M. Neher, Wesen und Wirken der Weisheit in der Sapientia Salomonis, BZAW 333, Berlin/New York 2004, S. 17. Er bestreitet allerdings, dass die ,Weisheit‘ in der Sapientia Salomonis als Hypostase aufzufassen sei, s. dazu vor allem S. 233–240. 222 Manuel Ceccarelli dargestellt wird und an seiner statt Überfluss bringt. Dieselbe Bemerkung gilt mutatis mutandis auch für Enlils Wort in den Balaĝs. Als Vergleich für das Wirken des göttlichen Wortes kann Sap 18, 15–16 herangezogen werden, eine Stelle, die oft als Beispiel für das hypostasierte Wort zitiert wird: 15. Da sprang dein allmächtiges Wort von dem himmlischen Königsthron als grimmiger Krieger mitten in das dem Verderben geweihte Land 16. und trug als scharfes Schwert deinen unwiderruflichen Befehl und trat hin und erfüllte das All mit Tod, wobei es zwar den Himmel berührte, aber auf der Erde ging.38 Die Äußerung Dürrs über das Wort Gottes in Sap 18, 15–16 könnte auch den Sachverhalt in Enlil A beschreiben: „An Stelle Jahwes, zwischen Gottheit und Welt, [ist] sein Wort als Mittler getreten, mit denselben Kräften („allmächtig“!) ausgestattet wie die Gottheit selbst. Das eben ist Hypostase.“39 Ist man versucht, von einer Hypostasierung des Wortes Enlils in Enlil A zu sprechen, so ist jedoch Vorsicht geboten. Hinsichtlich des ,Wesens‘ des Wortes Enlils, d. h. ob es tatsächlich als eine von Enlil fast losgelöste, jedoch von ihm ausgehende personifizierte Größe verstanden wurde, ist der Text wenig aussagekräftig.40 In Enlil A könnte nämlich eine einfache dichterische Personifizierung vorliegen, welche nicht als Hypostase gelten kann.41 Eine Antwort auf die Frage, ob und wann das Wort Enlils bzw. das göttliche Wort in den mesopotamischen Texten als Hypostase gelten kann, könnte nur eine breit angelegte neue Untersuchung zu diesem Thema geben. Aufschlussreiche Hinweise könnten parallele Stellen liefern, in denen das Wort einer Gottheit und die entsprechende Gottheit alternieren, und beide mit derselben Wirkung in die Welt eingreifen. Dabei sollte die ,Art‘ der Personifizierung besonders berücksichtigt werden. Vorerst kann man nur sagen, dass sich Enlils Wort auf dem Weg zur Hypostasierung zu befinden scheint. 38 O. Kaiser, Die Weisheit Salomos: übersetzt und eingeleitet, Stuttgart 2010, 46. 39 L. Dürr, MVAeG 42/1, Leipzig, 126. Ähnlich äußern sich Ringgren, Word and Wisdom: Studies in the Hypostatization of divine Qualities and Functions in the Ancient Near East, Lund 1947, 158 f. und Pfeifer, Hypostasenvorstellungen, 44. Zum göttlichen Wort in den balaĝ-Klagen und in der Bibel äußert sich Dürr allerdings folgendermaßen (MVAeG 42/1, 133): „In den großen Worthymnen [d. h. den Balaĝs], ebenso wie in der Bibel (Jes. 55, 10f.) ist das eine von der Gottheit ausgegangene, die Welt im Siegeszug durchziehende, man möchte sagen, in ihrem Wirken sichtbare und greifbare göttliche Potenz. […] Zu einer vollen Verselbständigung und Hypostasierung im Sinne von Weish. 18, 15f. ist es nicht fortgeschritten“. 40 Dasselbe gilt für die Balaĝs. 41 Vgl. zu dieser Problematik bereits H. R. Ringgren, Word and Wisdom, 8 „but it should be kept in mind that the result of a personification is not always a hypostasis; it may very well be an allegory or a poetical metaphor“; s. auch M. Neher, Wesen und Wirken, 15 ff. Das Wort Enlils 223 Es sei noch kurz darauf hingewiesen, dass die Gottheiten, welche als Hypostasen von Eigenschaften bzw. Wirkungen bestimmter Aspekte einer höheren Gottheit gelten, vor allem in den Götterlisten und seltener in literarischen Texten vorkommen. Hier werden nur einige Beispiele für das hypostasierte ,Wort‘ vorgestellt.42 1. Eigenschaften des Wortes bzw. des Sprechens a) d enim-ma-ni-zi „Sein Wort ist recht“.43 b) d KA(-ni)-du10 -ga „(Seine) Stimme? ist süß“.44 2. Wirkungen des Wortes bzw. des Sprechens a) d enim-Xe2 -til3 -la „Wort-er-möge-leben!“45 b) d ka-Xe2 -ĝal2 „Mund-Überfluss“.46 c) d ka-ba-ni-silim-ma „Sein (Mund Öffnen =) Sprechen ist Heil“.47 d) d ka-ba-ni-nam-til3 -la „Sein (Mund Öffnen =) Sprechen ist Leben“.48 e) d ka-ba-lu2 -sa6 /saga10 „(Sein) (Mund Öffnen =) Sprechen tut dem Menschen gut“.49 d f) iqbi-damiq „Er/Sie sprach (und) es war gut“.50 42 Weitere Hypostasen sind z. B. die Personifizierungen von ,Recht‘ und ,Gerechtigkeit‘, die als Hypostasen der Richterfunktion des Sonnengottes und des Sturmgottes Adad gelten können, z. B.: d niĝ2 -ge-na, d niĝ2 -zi-da, niĝ2 -si-sa2 und d mi-ša-ru (Sohn Adads An III 246), vgl. dazu zuletzt M. Krebernik, RlA 12, 602 s. v. „Sonnengott“ §3.1 und die jeweiligen Einträge im RlA. Für die Richtergottheiten s. ausführlich M. Krebernik, RlA 11, 354–361 s. v. „Richtergott(heiten)“. Weitere Beispiele stellen die Personifizierungen des ,Verstandes‘ dar: dĝeš-tu9 ĝeštu-gal, dĝeš-tu9 ĝeštu-še-ga und dĝeš-tu9 ĝeštu-ušum, Beinamen Marduks in An VII 46– 47, 50; dĝeš-tu9 ĝeštu = uznu und dĝeš-tu9 ĝeštu = Xa-si-su, Wesire Damgalnunas in An II 300–301; d Xa-si-su, Beiname Nabûs in 2R 60 2:49. 43 Aus der altbabylonischen Zeit stammt eine Hymne auf Enimanizi, s. J. Peterson, A Fragmentary Sumerian Hymn to the God Inimanizi, NABU, 2011, Nr. 10. Eine Inschrift auf einem Siegel aus Alishar nennt ihn großen Wesir (sugal7 -maX) Ninurtas und fügt hinzu, dass „sein Wort nicht zu ändern ist“ (du11 -ga-ni nu-kur2 -ru), s. I. J. Gelb, Inscriptions from Alishar and Vicinity, OIP 27, Chicago 1935, 69 Nr. 64. Enimanizi kommt als Ninurtas Wesir auch in An I 240 vor; für den Kult dieses Gottes im altbabylonischen Nippur s. ausführlich Th. Richter, Untersuchungen zu den lokalen Panthea Süd- und Mittelbabyloniens in altbabylonischer Zeit, AOAT 2572 , Münster 2004, 72–73. Vgl. auch A. Cavigneaux/M. Krebernik, RlA 9, 441 s. v. „Nin-karnuna“ mit weiteren Belegen. 44 Möglich auch: „(Sein) Wort/Mund ist süß“. Diener (gud-DUB2 / im Hofstaat Enlils in An I 267; vgl. W. G. Lambert, RlA 5, 286. Zu vergleichen sind auch: d KA-gal „Großer Mund“, Beiname Marduks in An VII 48, s. W. G. Lambert, RlA 5, 287 s. v.; d KA-maX „Erhabener Mund“, Beiname Marduks in An VII 49, s. W. G. Lambert, RlA 5, 328 s. v. 45 Beiname Marduks in An VII 57, s. W. G. Lambert, RlA 5, 287 s. v. 46 KaXegala findet man zusammen mit d igi-Xe2 -ĝal2 -la in Klage über Sumer und Ur (ETCSL 2.2.3), 224 und Eridus Klage (ETCSL 2.2.6, Ur-Version), 9. In An II 318 erscheint er unter den Pförtnern (i3 -du8 / Enkis, s. W. G. Lambert, RlA 5, 287 s. v. 47 Enkis Pförtner in An II 323, s. W. G. Lambert, RlA 5, 284 s. v. 48 Enkis Pförtner in An II 322, s. W. G. Lambert, RlA 5, 284 s. v. 49 Dolmetscher (enim bala-bala) der Inana in An IV 139. Bereits in TCL 15 10:239 belegt; vgl. W. G. Lambert, RlA 5, 284 s. v. 50 Wesir von Niggena in An III 148, s. M. Krebernik, RlA 12, 602 s. v. „Sonnengott“ §3.1 (3). 224 Manuel Ceccarelli Exkurs 2 – Emesal als Sakralsprache? Mesopotamische liturgische Texte wie Balaĝs und Irsemas werden im Emesal, einem Soziolekt des Sumerischen (Emegir), abgefasst. Um festzustellen, inwieweit das Emesal als eine Sakralsprache gelten kann, ist es zuerst notwendig, die Eigenschaften einer Sakralsprache zu definieren. Bei der Tagung Sakralsprachen im Alten Orient und benachbarten Gebieten hat der Sprachwissenschaftler Albrecht Greule folgende Bemerkungen zur Sakralsprache gemacht: „Jede historische Einzelsprache verfügt über die Varietät Theolekt, die in unterschiedlichen Kommunikationssituationen oder Textsorten verwendet wird, z. B. mit katechetischer, wissenschaftlicher (theologischer) oder massenmedialer (z. B. „Das Wort zum Sonntag“) Funktion. Die Sprachform aber, die in der ureigensten Situation der Kommunikation mit und über GOTT, im Gottesdienst, in der Liturgie, im Kult, verwendet wird, nenne ich Sakralsprache.“51 Versteht man unter Sakralsprache die Sprache der Liturgie, so erscheint es naheliegend, das Emesal als eine Sakralsprache zu definieren. Diese Identifikation lässt sich deshalb anzweifeln, weil das Emesal nicht nur im Bereich der Liturgie Verwendung fand. Einerseits wird in sumerischen literarischen Texten die direkte Rede von Göttinnen im Emesal abgefasst; andererseits wird das Emesal auch für die direkte Rede von Frauen52 in solchen (Kon)texten verwendet, die durchaus einem profanen Bereich zugeordnet werden können. Man denke an die Emesal-Worte in zahlreichen Sprichwörtern, und vor allem an das Streitgespräch zwischen zwei Frauen B, in dem sich zwei Frauen gegenseitig aufs Tiefste beleidigen. Einen Ausweg bietet möglicherweise die zuerst von der Altphilologin Christine Mohrmann vorgenommene und von Greule aufgegriffene Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Sakralsprache: „Sakralsprachen können primärer Art sein, d. h. sie sind von Anfang an als solche gebildet; sie können auch sekundär sein, d. h. bestimmte Sprach- und Stilformen können in sekundärer Weise im Laufe der Zeit als sakral oder hieratisch erfahren werden.“53 Ein besonderes Merkmal der Sakralsprache ist nach Mohrmann und Greule eine starke Stilisierung, die die Sakralsprache von der lebendigen Umgangsspra51 An dieser Stelle möchte ich A. Greule für die Zusendung seines Manuskriptes herzlich danken. 52 Aus diesem Grund kann das Emesal als ,Frauensprache‘ bezeichnet werden. Dieser Begriff ist jedoch umstritten, vgl. M. Schretter, Emesal-Studien: Sprach- und literaturgeschichtliche Untersuchungen zur sogenannten Frauensprache des Sumerischen, IBK Sonderheft 69, Innsbruck 1990, 105–123 vor allem 121–123. 53 C. Mohrmann, Archiv für Literaturwissenschaft 10, 1968, 348. Als primäre Sakralsprache versteht Mohrmann unter anderen die der homerischen Kunstsprache nachempfundene Sprache der griechischen Orakel und die Sprache der altrömischen heidnischen Gebete. Das Wort Enlils 225 che abhebt.54 Als allgemeine Tendenzen der sakralen Stilisierung erkennen sie den Konservativismus gewisser Sprachformen und -formeln, die Verwendung von Fremdwörtern aus älteren religiösen Traditionen und eine gewisse syntaktische und lautliche Stilisierung.55 In dieser Hinsicht sind z. B. das neutestamentliche Griechisch sowie das Deutsch der Bibelübersetzung Martin Luthers keine Sakralsprachen, sondern Mitteilungssprachen, die sich von der zeitgenössischen Umgangssprache nicht abheben. Erst im Laufe der Zeit wurde die Sprache der Lutherbibel als sakral empfunden. Das Emesal unterscheidet sich völlig von den in altbabylonischer Zeit gesprochenen Sprachen. Das Sumerische wurde in altbabylonischer Zeit kaum mehr gesprochen und die Einwohner Mesopotamiens waren vor allem akkadische und amurritische Muttersprachler. Seine Verwendung in dem Streitgespräch zwischen zwei Frauen B zeigt allerdings eindeutig, dass es in der Schule (e2 -dub-ba-a) genauso wie das Emegir erlernt und literarisch produktiv verwendet wurde. Dies spricht dafür, dass das Emesal, zumindest innerhalb des elitären Schreibermilieus, nicht als sakral empfunden wurde.56 Aus dem dritten Jahrtausend sind keine Emesal-Texte bekannt. Es ist jedoch möglich, ihre Existenz in der Ur III-Zeit auf indirektem Weg zu postulieren.57 Es lässt sich zuerst feststellen, dass in der altsumerischen Zeit Klagefrauen Klagerufe bei Begräbnissen gesungen haben und dass auch die gala-Klagesänger bei diesen Ereignissen eine große Rolle spielten. So wurde von Jerrold Cooper vorgeschlagen, dass die Übernahme des Klagen-Repertoires durch männliche Offizianten dazu geführt hat, dass die gala auch die damit verbundene Sprache und das Gender übernahmen.58 Zum möglichen sakralen Status der Sprache der älteren Klagerufe und kultischen Klagen lässt sich nur spekulieren, da einschlägige Texte und Kontexte fehlen. Wenn diese in alt- und neusumerischer Zeit tatsächlich auf Emesal vorgetragen wurden – was sich aber nicht mit Sicherheit beweisen lässt – und somit die Vorläufer der späteren liturgischen Klagen waren, lässt der geschilderte Sachverhalt der altbabylonischen Zeit vermuten, dass das Emesal, sofern 54 C. Mohrmann, Archiv für Literaturwissenschaft 10, 1968, 348. So auch A. Greule, Sakralität: Studien zu Sprachkultur und religiöser Sprache, Tübingen 2012, 15. Seiner Ansicht nach führt die Kontrastierung der Sakralsprache mit der Umgangssprache jedoch zu keinem besseren Verständnis von sakraler Sprache. 55 Z. B. musikalischer Wohllaut, Lautparallelismus, Reim etc. 56 Ob dies auch für den einfachen Menschen galt, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Da die Einwohner Mesopotamiens in der altbabylonischen Zeit keine sumerischen Muttersprachler waren, stellt sich die Frage, ob die einfachen Menschen Emegir und Emesal überhaupt auseinanderhalten konnten. 57 J. S. Cooper, Genre, Gender, and the Sumerian Lamentation, JCS 58, 2006, 42. 58 J. S. Cooper, JCS 58, 45. Hier spricht Cooper von „dialect“. Möglicherweise ist in Rahmen seiner Thesis der Begriff Genderlekt anwendbar. 226 Manuel Ceccarelli verwendet, wahrscheinlich auch vor der altbabylonischen Zeit nicht als sakral erachtet wurde. Es ist nicht zu erwarten, dass das Emesal im dritten Jahrtausend, aber nicht in der nachfolgenden Zeit als sakral empfunden wurde, denn dies stünde in auffälligem Widerspruch zu dem traditionellen, konservativen Gebrauch einer Sakralsprache.59 Mit dem Niedergang der Edubba’a am Ende der altbabylonischen Zeit geht auch der Schwund der Schulstreitgespräche als Literaturgattung einher.60 Es verschwindet die säkulare Umwelt, in der Texte wie das Streitgespräch zwischen zwei Frauen B konzipiert und im Emesal abgefasst wurden. Das Emesal fand jedoch im Kult weiterhin Verwendung. In der nachfolgenden Zeit entstehen sogar neue Gattungen liturgischer Texte wie die Šuila-Gebete, die im Emesal abgefasst wurden. Das neue Szenarium kann den Status des Emesal als Sakralsprache beeinflusst haben. Insofern das Emesal nicht mehr als produktive Literatursprache außerhalb des Kultes, sondern nur noch für die Verfassung liturgischer Texte verwendet wurde, können wir das Emesal als eine sekundäre Sakralsprache bezeichnen. In dieser Hinsicht könnte die zweite Hälfte des zweiten Jahrtausends als Wendepunkt gelten. Im ersten Jahrtausend ist seine Verwendung auf liturgische Texte beschränkt, so dass wir spätestens für diese Zeit von einer sekundären Sakralsprache reden können. 59 C. Mohrmann, Archiv für Literaturwissenschaft 10, 1968, 346. 60 Siehe K. Volk, Edubba’a und Edubba’a-Literatur: Rätsel und Lösungen, ZA 90, 2000, 29.