Zeitschrift
für kritische Theorie
Heft 30–31 / 2010
herausgegeben von
Wolfgang Bock,
Sven Kramer und
Gerhard Schweppenhäuser
zu Klampen
Zeitschrift für kritische Theorie,
16. Jahrgang (2010), Heft 30–31
Herausgeber: Wolfgang Bock, Sven Kramer und Gerhard Schweppenhäuser
Inhalt
Vorbemerkung der Redaktion ................................................................... 5
Geschäftsführender Herausgeber: Sven Kramer, Leuphana Universität Lüneburg,
Institut für Kulturtheorie, Kulturforschung und Künste
Redaktion: Roger Behrens (Hamburg), Wolfgang Bock (Rio de Janeiro),
Thomas Friedrich (Mannheim), Sven Kramer (Lüneburg),
Gerhard Schweppenhäuser (Würzburg)
Korrespondierende Mitarbeiter: Rodrigo Duarte (Belo Horizonte),
Jörg Gleiter (Bozen), Christoph Görg (Leipzig), Frank Hermenau (Kassel),
Fredric Jameson (Durham, North Carolina), Douglas Kellner (Los Angeles),
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Redaktionsbüro: Alle Zusendungen redaktioneller Art bitte an das Redaktionsbüro:
Zeitschrift für kritische Theorie
Leuphana Universität Lüneburg
z. Hd. Prof. Dr. Sven Kramer
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Erscheinungsweise: Die Zeitschrift für kritische Theorie erscheint einmal jährlich
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Redaktionsassistenz: Torben Fischer
Umschlagentwurf: Johannes Nawrath
Layout und Satz: Philipp Mentrup; Fakultät Gestaltung,
Hochschule für angewandte Wissenschaften, Würzburg
Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek
verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte
bibliografische Daten sind im Internet über ›http://dnb.ddb.de‹ abrufbar.
ABHANDLUNGEN
Shierry Weber Nicholsen
The Mutilated Subject Extinguished in the Arena of
Aesthetic Experience
Adorno and Aesthetic Violence .................................................................... 9
Susanne Lettow
Philosophiegeschichte als Verflechtungsgeschichte
Globalität, Naturwissen und Kants Theorie der Menschenrassen .......... 26
Hans-Ernst Schiller
Das Individuum bei Freud und die Macht der Kollektive ........................ 47
Patricia Lavelle
Denkbilder
Zu den Beziehungen zwischen Kunst und Theorie
bei Benjamin und Kant ................................................................................ 77
Hans Marius Hansteen
Adornos philosophische Rhetorik oder »Wie zu lesen sei« ..................... 97
Timo Ogrzal
Eine »innere musikalische Verbindung«?
Artaud im Horizont der Sprachtheorien Benjamins und Adornos ........ 125
Frank Jablonka
Magie im Marxismus – Magie des Marxismus ..........................................144
Aufnahme nach 1995, H. 1; ISSN 0945-7313; ISBN 978-3-86674-074-7
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Vorbemerkung der Redaktion
EINLASSUNGEN
Utopie und Differenz
Martin Jay im Gespräch mit Dennis Johannßen ..................................... 171
Claus-Steffen Mahnkopf
Kleiner Versuch über falsches Bewusstsein .............................................. 193
Gesamtinhaltsverzeichnis der Hefte 1 – 31 ........................................... 209
Neuerscheinungen 2009 .......................................................................... 228
Autorinnen und Autoren ........................................................................ 231
Es steht nicht schlecht um die Kritische Theorie – zumindest aus verlegerischer und bibliothekarischer Perspektive. Mittlerweile erscheint schon
die dritte Werkausgabe Walter Benjamins, Adornos Vorlesungen und
die bislang unveröffentlichten Schriften kommen nach und nach auf den
Markt und Kracauers Werkausgabe soll nun endlich vervollständigt werden, nachdem sie Jahrzehnte lang einen Torso bildete. Marcuses Nachgelassene Schriften sind erschienen, Horkheimers und Löwenthals Schriften
liegen schon seit längerer Zeit vor und diverse Briefausgaben der Autoren
kommen noch hinzu. Die Lage – das heißt die Editionslage – in Bezug auf
die erste Generation der Kritischen Theorie kann sich sehen lassen. Die
Kritische Theorie ist aus den Bibliotheken nicht mehr wegzudenken.
Sind diese erfreulichen Entwicklungen der einzige Maßstab für die
Einschätzung der aktuellen Lage der Kritischen Theorie? Natürlich nicht.
Denn erst die Einbindung der Theoreme der genannten Autoren in die
derzeitigen intellektuellen Auseinandersetzungen kann ein Maßstab dafür
sein, ob die in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts entwickelte Theorie in der Gegenwart lebendig ist. Und hier fällt die Bestandsaufnahme
unterschiedlich aus, je nachdem, um welche Themen es geht und welche
Fächer involviert sind. Ästhetische Debatten kommen heute ohne Adorno und Benjamin nicht mehr aus, aber die theoretische Aufarbeitung der
– soeben an der Oberläche überwundenen – Krise der kapitalistischen
Finanzwirtschaft greift kaum mehr auf marxistisch beeinlusste, kapitalismuskritische Gedankengänge zurück.
Zu erkennen ist außerdem eine Tendenz, die Kritische Theorie in einen
Zusammenhang mit anderen theoretischen Zugängen zu stellen und neue
Wege der gegenseitigen Befruchtung zu erproben. Diese Hybridisierung
der Theorie kann im Eklektizismus enden, sie kann aber auch stimulierend
wirken. Ermutigend ist immerhin, dass viele jüngere Intellektuelle an den
Grundorientierungen der Kritischen Theorie festhalten. Es gibt also nach
wie vor eine lebendige Auseinandersetzung und Weiterentwicklung der Kritischen Theorie. Dies dokumentiert nicht zuletzt das vorliegende Doppelheft,
das aufs Neue ein Forum für Beiträge arrivierter und jüngerer Autoren bietet,
die in wissenschaftlich fundierten Abhandlungen und aktuellen Einlassungen eine abermalige Positionsbestimmung kritischer Theorie vornehmen.
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Frank Jablonka
In der Tragödie des Faust war das Scheitern zumindest in Bezug auf
die Naturbeherrschung abzusehen. Goethe bedient sich hier der Figur
des Mephistopheles als Sprachrohr. Danach seien die Naturgewalten »mit
uns«, d.h. mit den Dämonen verbunden, und die legten es letzten Endes
auf Vernichtung an. Es stellt sich jedoch hier die Frage, ob mit der Magie
tatsächlich notwendig jedes Emanzipationsprojekt am Ende »zum Teufel
geht«, oder ob sich nicht etwa für das Verhalten jener »Dämonen«, sowie
für dessen Beurteilung und Steuerung, historische Parameter aufweisen
lassen, um zu vermeiden, dass man wie ein Zauberlehrling jenen Mächten
wehrlos ausgeliefert bleibt, die man selbst auf den Plan gerufen hat. Zur
Wiederaneignung der Kontrolle über jene symbolischen und sozialpsychologischen Prozesse, in die die subjektiven Aktoren selbst involviert
sind, ist jedoch nicht unbedingt ein der diskursiven Rationalität verpflichtetes Vorgehen nach dem Habermas’schen Modell erfolgversprechend,
sondern ein dialektisches.
EINLASSUNGEN
Utopie und Differenz
Martin Jay im Gespräch mit Dennis Johannßen1
Vor drei Jahren haben Sie an der University of California in Berkeley ein
Programm für kritische Theorie, die »Designated Emphasis in Critical Theory«, ins Leben gerufen. Die Gründung des Frankfurter Instituts für Sozialforschung liegt nun bald 80 Jahre zurück. Weshalb haben Sie sich entschlossen, ein solches Programm zu starten, und was waren Ihre Motivationen?
Martin Jay: Um ganz ehrlich zu sein, hat nicht zuletzt Judith Butler das
Programm angestoßen, als sie sich erstmals in ihrer Laufbahn intensiver
für die Arbeit der Frankfurter Schule interessierte. Sie hat französische
Philosophie studiert und über eine Reihe von deutschen Theoretikern gearbeitet, angefangen mit Hegel. Sie hat sich jedoch bis vor einigen Jahren
nie eingehend mit Adorno oder Benjamin beschäftigt. Die »Critical Theory Designated Emphasis« geht also vor allem auf ihre Initiative zurück
und wurde von uns im Austausch mit Wendy Brown und anderen entwickelt. Ich habe über die Jahre viele Seminare gegeben und mit Studenten
zu tun gehabt, die sich mit Kritischer Theorie beschäftigten, habe aber
nie den Entschluss gefasst, ein kohärentes Programm zu entwickeln. Dieses Verdienst muss ich Judith zusprechen. Als das Programm dann anlief,
sahen wir, dass es Diskussionen unter den Fakultätsmitgliedern und Studenten anregte; wir stellten fest, dass die Kritische Theorie eine Tradition
ist, die den zündenden Moment ihrer Rezeption und – man könnte sagen
– ihrer Aufnahme im akademischen Umfeld bereits hinter sich hat, und die
dennoch genug Potenzial besitzt, um eine neue Generation von Studenten
1
Das Gespräch wurde am 18. Mai 2009 von Dennis Johannßen (Lüneburg, Berkeley) in
Berkeley geführt und ins Deutsche übertragen. Der deutsche Abdruck wurde in Absprache mit Martin Jay leicht bearbeitet. Die englische Originalversion ist auf der Website
der Zeitschrift für kritische Theorie einsehbar.
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Martin Jay im Gespräch mit Dennis Johannßen
anzuregen. Das Programm läuft nun seit drei Jahren und wir sind zufrieden mit seiner Aufnahme und Entwicklung.
Wie würden Sie diesen »Wahrheitsgehalt« der kritischen Theorie beschreiben, der noch immer stimulierend wirkt, und an dem es sich lohnt, weiter
zu arbeiten?
Jay: Es handelt sich weniger um einen Gehalt als um einen Stil; eine Sensibilität, und, um den Titel von Marcuses Festschrift* zu zitieren: einen Geist,
der Unabgeschlossenheit und undogmatische Kritik hervorhebt, ohne sich
verpflichtet zu fühlen, auf bestimmte kanonische Texte zurückzugreifen;
einen Geist, der kein unmittelbares politisches Resultat hervorbringen
möchte und sich nicht gezwungen sieht, einer politischen Bewegung zugeordnet zu werden oder Stellung in einem wie immer gearteten theoretischen
Kampf zu beziehen. Unsere Hoffnung ist es, die Studenten in die Lage zu
versetzen, flexibel zu sein und das Beste aus vielen verschiedenen Traditionen zu vereinen oder zumindest in einer fruchtbaren Weise zusammenzubringen. Es gibt also keinen substanziellen Kern. Wir versuchen nicht,
die Studenten auf irgendeine Schule im engeren Sinne einzuschwören. Ich
denke, die Zeit für so etwas ist vorüber. Vielmehr geht es darum, das Wissen der Kritischen Theorie-Tradition sowie die verschiedenen Richtungen
und Kontexte ihrer Entwicklung miteinander zu vermitteln.
Die erste Generation der Frankfurter Schule war unter anderem entscheidend von dem Gedankengut des historischen Materialismus und der marxschen Kritik der politischen Ökonomie beeinflusst. Inwiefern sind diese Aspekte der Kritischen Theorie heute noch von Bedeutung?
Jay: Sie waren sicherlich Teil des Gesamtprogramms. In den 1920er Jahren
haben Friedrich Pollock und Henryk Grossmann, die von einer recht traditionellen historisch-materialistischen Vorstellung von Totalität ausgingen,
die Bedeutung der Ökonomie hervorgehoben. Mit Pollocks Begriff des
Staatskapitalismus ging die Erkenntnis einher, dass sich die marxistischen
Erwartungen in Bezug auf die automatische Zuspitzung systemimmanenter Widersprüche (beispielsweise die Überproduktion oder der tenden*
Im Original deutsch, im Folgenden durch den Asterisk bezeichnet.
Utopie und Differenz
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zielle Fall der Profitrate, die zum Kollaps führen sollten) wahrscheinlich
nicht bewahrheiten würden. Aus diesem Grund verlagerte die Frankfurter
Schule den Schwerpunkt ihrer Arbeit, wie wir wissen, auf Kultur, Kunst
und das, was traditionelle Marxisten als Überbauphänomene bezeichnet
hätten. Es könnte natürlich sein, dass das Pendel zu weit in diese Richtung
ausgeschlagen hat, zumal sich die dauerhafte Stabilität des Systems, von
der die Analytiker des Staatskapitalismus ausgingen, als etwas weniger gesichert erwies als gedacht. Ironischerweise befinden wir uns heute in der
Mitte der schwersten Krise des Kapitalismus seit der Weltwirtschaftskrise, ohne dass dies eine wirklich radikale politisch-ökonomische Antwort
bewirkt hätte; zumindest bis heute noch nicht. Auch hat die Krise keinen
Klassenkampf von ausschlaggebender Bedeutung hervorgebracht, in dem
diejenigen, die durch den Kapitalismus benachteiligt werden, irgendeine
Form der Solidarität für ein kollektives Handeln zur Bewältigung ihrer
Probleme erreicht hätten.
Gleichzeitig hat sich die Frankfurter Schule als marxistische Gruppierung zu keinem Zeitpunkt ausschließlich mit dem Kulturbegriff zufrieden gegeben. Sie hat sich nie damit abgefunden, Antworten lediglich auf
der Ebene des Denkens oder des Bewusstseins, der Kunstpraxis, Religion
oder ähnlichem zu finden. Aber sie hat auch nie, seit ihrer Entstehung, an
allen Fronten mit der gleichen Intensität gewirkt. Daraus resultierte nicht
nur, was man als ein politisches Defizit der Kritischen Theorie bezeichnen
könnte, sondern auch ein ökonomisches, insofern sich ihre Protagonisten – Marcuse, Horkheimer, Fromm, Adorno, Löwenthal und Benjamin –
nicht wirklich ernsthaft mit der Ökonomie befasst haben. Insofern würde
ich sagen, aus einer langfristigen Perspektive haben sie keinen signifikanten Beitrag zu diesem Problemkomplex geleistet. Und heute sind es nicht
ihre Werke, die man heranziehen würde, um die Weltwirtschaftskrise zu
verstehen, obwohl es ebenfalls nicht leicht ist, zu sagen, an wen man sich
stattdessen wenden würde. Mit anderen Worten: Mir scheint, als helfe uns
die marxistische ökonomische Theorie heute nicht wirklich weiter.
Und doch scheinen viele Aspekte des historischen und dialektischen Materialismus, obgleich wir keine sorgfältige oder zumindest befriedigende kritische Analyse der gegenwärtigen ökonomischen Verhältnisse haben, für den
»Geist« der Kritischen Theorie noch immer entscheidend zu sein. Vielleicht
wirken die Verhältnisse zu überwältigend oder zu komplex, um sie in der
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Martin Jay im Gespräch mit Dennis Johannßen
Weise zu verstehen, wie Marx den Kapitalismus untersucht hat. Wie steht
die Kritische Theorie in diesem Zusammenhang zu dem kontroversen Wort
Georg Lukács’, dass die Methode wahr bleibe, selbst wenn die Gesellschaft
sich anders entwickeln sollte, als Marx es erwartet hat? Obwohl die erste
Generation der Frankfurter Schule sich den Fragen des Bewusstseins, der
Kultur und der Kunst zugewendet hat, ging sie davon aus, dass sich die Gesellschaft in eine gänzlich andere Richtung entwickeln kann, dass beispielsweise die Krise – nicht zuletzt auf der Ebene des Bewusstseins – auch die
Möglichkeiten für eine andere Welt beinhaltet. Wie stark war dieses utopische Moment der ersten Generation der Kritischen Theorie, insbesondere
in Hinblick auf den historischen Materialismus? Und können wir sagen,
dass dieses utopische Moment mit der zweiten und dritten Generation zum
Stillstand gekommen ist?
Jay: Lassen Sie mich zuerst die Frage der Methode aufgreifen: Sicherlich
scheint der berühmte Aufsatz in Geschichte und Klassenbewusstsein, in
dem Lukács argumentiert, dass die korrekte Methode all ihre Widerlegungen im Sinne eines Verstehens der Welt, wie sie ist, überlebt, ziemlich naiv.
Wenn die Methode keine Resultate produziert, die uns helfen, die Welt
zu verstehen, dann muss die Methode überarbeitet werden; die Methode
ist unzureichend, wenn sie eine Prüfung nach der anderen nicht besteht.
Zweitens hat die Frankfurter Schule den Fetisch der Methode überhaupt
aufgegeben. Sie war beständig daran interessiert, bestimmte Fragen zu
stellen, aber sie hat so viele Variablen eingeführt, sie war so eklektisch
was ihre Herangehensweisen betrifft, dass, sobald man zum Beispiel die
Analyse des Antisemitismus in den »Elementen des Antisemitismus« der
Dialektik der Aufklärung betrachtet, kein kohärentes Ganzes erscheint,
sondern eine parataktische Gegenüberstellung verschiedener, nicht-hierarchisch arrangierter Erklärungen. Somit gibt es keine eigentliche Methode, außer vielleicht Benjamins Methode der »profanen Erleuchtungen«,
der zufolge Dinge zusammengebracht werden in der Hoffnung, dass sich
daraus eine Erkenntnis ergibt. Es ist eine sehr offene, nicht-determinierte
Methode – mal mikrologisch, mal auf die Totalität zielend, mal mithilfe
immanenter Kritik, mal mithilfe transzendenter Kritik – es kommt auf
die Umstände an. Selbstverständlich hatten die verschiedenen Vertreter
der Schule, beispielsweise Adorno oder Marcuse, sehr unterschiedliche
Herangehensweisen. Eine einheitliche Methode, so wie Lukács den his-
Utopie und Differenz
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torischen Materialismus als die eine Methode verstanden hat, gab es nicht.
Dennoch sollte zugestanden werden, dass die Denk- und Arbeitsweise der klassischen Kritischen Theorie hartnäckig den Glauben an die
Notwendigkeit einschloss, in utopischen Begriffen, in maximalistischen,
irrealen, imaginären – im Grunde genommen in zukunftsorientierten –
Begriffen zu denken, und zwar eher lang- als kurzfristig. Die Vertreter
der Kritischen Theorie waren niemals zufrieden mit kleinen Kinderschritten in Richtung Reform, und sie waren ebenfalls nicht zufrieden
mit permanenter Resignation, obgleich sie zu bestimmten Zeitpunkten
keinesfalls zuversichtlich waren, was das Auffinden der Mittel zur Realisierung der Utopie betrifft.
Die Utopie hatte viele Funktionen für sie. Eine von ihnen war stets,
so viel Druck wie möglich auf das System auszuüben und keine Kompromisse einzugehen, sei es zugunsten der Stabilität, der Ordnung oder
eines graduellen Hinarbeitens auf bestimmte Ziele. Demgegenüber erhält
die Utopie den Druck aufrecht und sagt: die Welt kann trotz allem radikal
verbessert werden. Und auch wenn wenig Aussicht auf Erfolg besteht und
es nicht morgen, vielleicht sogar niemals, geschehen wird, lohnt es sich
dennoch, zumindest an der Hoffnung festzuhalten.
Der zweite Wert der Utopie ist die implizite Kritik [tacit critique] der
gesellschaftlichen Missstände, die das utopische Denken ermöglicht. Es
verhindert die Selbstgefälligkeit im Umgang mit der Gesellschaft, etwa
wenn gesagt wird: Vielleicht wird es einmal eine Welt geben, in der die Naturbeherrschung aufgehört hat, eine Welt, in der die Menschen in Frieden
statt im Krieg miteinander leben, eine Welt, in der Gerechtigkeit tatsächlich näher rückt, eine Welt, in der der Körper nicht der gepeinigte, sondern der Körper der Lust und der Freude ist. Alle diese Vorstellungen sind
höchst unwahrscheinlich und wurden bisher in keiner ernstzunehmenden
Weise verwirklicht. Aber die Zukunft ist anders als die Vergangenheit, also
warum nicht zumindest in diesen Begriffen von ihr träumen?
Ebenfalls wertvoll ist es, die mannigfaltigen Ausdrücke von Hoffnung
und Utopie, die es in der Vergangenheit gab, zu bewahren und von ihnen zu lernen, anstatt sie einfach als gescheiterte Projekte zu verwerfen.
Ungeachtet ihres Misserfolgs ist es besser, in ihnen Protest, Hoffnung
und Erwartungen zu sehen, die errettet, umgestaltet, in Konstellation mit
anderen Hoffnungen gesetzt und letztendlich eingelöst werden könnten.
Kurzum, es ist eine delikate Mischung aus einem Realismus, der nicht auf
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Martin Jay im Gespräch mit Dennis Johannßen
unmittelbare Erfüllung in der instrumentellen Praxis abzielt, und einer absichtsvollen Naivität in Hinblick auf das, was, trotz allem, in der Zukunft
passieren könnte.
Letzteres, so scheint es mir, wurde am besten durch Adornos Beharren
auf der Kindheit als einem Ort des Widerstandes gegen das »schlechte Erwachsenendasein« ausgedrückt, in das wir alle eintreten; dem Insistieren
darauf, dass die Erinnerungen kindlicher Seligkeit oder Unschuld kultiviert werden sollten, obwohl sie niemals vollständig wiederhergestellt sein
werden. Seine eigene Kindheit scheint eine sehr behütete und magische
gewesen zu sein, also kam er, wie auch Benjamin, immer wieder auf sie als
einen Punkt der utopischen Referenz zurück. Die Kindheit diente ihnen
beiden als eine Erinnerung daran, dass es Alternativen zu all den Kompromissen des Erwachsenseins gibt.
In Zusammenhang mit dem, was Amorbach für Adorno war, könnte die
Art und Weise problematisiert werden, in der die Vergangenheit zur Gegenwart steht. Es taucht dort der Begriff der Anamnese auf und das Motiv
der Wiedererrichtung oder Wiedereinrichtung eines vergangenen, erfüllten Zustands, der bereits existierte. Bloch hingegen verwendete den Begriff der Anagnoresis, demzufolge die Vergangenheit lediglich bestimmte
Spuren enthält, die auf die Zukunft verweisen. Der erwünschte Zustand
existiere also noch nicht eins zu eins, weshalb die Zukunft anders aussehen
könnte als die Vergangenheit. Was war der politische Kontext, in dem diese Unterscheidung entstanden ist? Kann die erfüllte Vergangenheit eine
politische Bürde sein?
Jay: Bloße Nostalgie im Sinne des Verfalls, bloße Verfallsgeschichte*, führt
im Grunde zu einer dekadenten Einstellung seitens der später Geborenen,
die dann ständig einen Verlust beklagen, der niemals wieder aufgewogen
oder wieder gutgemacht werden kann. Politisch betrachtet, ist diese Haltung ein Rezept für Resignation und Stillstand. Eine Politik, die sich bloß
von Nostalgie ernährt, was unrealistisch ist, ist die Politik derjenigen, die
sich von der Geschichte überrannt fühlen, und die den Verlust der Maßstäbe
und der Annehmlichkeiten der Vergangenheit betrauern. Zumeist ist es eine
elitäre Haltung gegenüber neuen Gruppen, die dabei sind, sich zu behaupten, und denen dann vorgeworfen wird, sie würden banalisieren, was einst
edel war. Dieser Form der nostalgischen Politik habe ich immer misstraut.
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Blochs Formulierung ist interessanter, weil er nicht von der Erinnerung
an einen erfüllten Zustand spricht, sondern, von einem Zustand, den wir
»präfigurale Antizipation« nennen können; von einem Moment, in dem
Spuren* einer Zukunft angesiedelt sind, die noch nicht* ist. Ob diese Zukunft jemals eintreten wird, ob sie jemals Wirklichkeit werden kann, ist ungewiss. Es ist ein Spiel, ein Risiko, eine Art naiver Hoffnung. Aber dass sie
nicht eintreten könnte, können wir ebenfalls nicht wissen. Da wir sie uns
vorgestellt haben, ist es zumindest immer möglich, dass sie auch verwirklicht wird. Was wir allerdings wissen, ist, dass die Menschheit ohne Imagination und die Bereitschaft, etwas zu riskieren, überhaupt nirgendwohin
kommen würde. Warum also nicht zumindest in großen und unmöglichen
Begriffen denken – vielleicht kommt ja etwas Gutes dabei heraus.
Natürlich kennen wir heute auch die Gefahren besser als zu anderen
Zeiten der Menschheitsgeschichte, die mit den Versuchen, Utopien tatsächlich zu verwirklichen, einhergehen. Leider führen die Versuche, sich
eine radikal andere Zukunft vorzustellen, letztlich oft zu einer Zukunft,
die eher dystopisch als utopisch ausfällt. Ich bin mir der Bedrohung dieser Form der Utopie, die zur Dystopie führt, sehr bewusst. Mit meinem
Freund Russell Jacoby habe ich beispielsweise eine Auseinandersetzung
darüber, ob die Nazis zu der Kategorie der Utopisten gezählt werden
sollten. Jacoby verneint dies in mehreren seiner Bücher. Man kann aber
durchaus behaupten, dass unter den idealistischen Nazis eine Zukunftsfantasie von einer reineren, nobleren, heldenhafteren Welt vorherrschte,
in der abgeschafft worden wäre, was sie als das Unheil einer bestimmten
Form der Modernisierung ansahen. Natürlich wissen wir, was aus dieser
Version der Utopie wurde. In diesem Sinne – und man könnte etwas ähnliches für die Sowjetunion konstatieren – war das 20. Jahrhundert ein Lehrbeispiel der Gefahren dieser Art von Utopismus.
Mich interessiert der Aspekt der Gefahr, den Sie gerade erwähnt haben. In
ihrem bekannten Radiogespräch von 1964 waren sich Adorno und Bloch
über den anachronistischen Charakter der Utopie zu ihrer Zeit weitgehend einig; auch darüber, dass die Diffamierung nach dem Motto »Das ist
doch utopisch!« ebenso alt ist wie die Utopie selbst. Müssen wir heute noch
weitergehen und sagen: Die Utopie ist gefährlich?
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Martin Jay im Gespräch mit Dennis Johannßen
Jay: Ich denke nicht, dass es viel Antrieb für die Realisierung von Utopien
gibt. Es scheint, als streben wir heute danach, wieder ein relativ, wenn
auch nicht absolut, unglückliches Gleichgewicht zu erlangen, das mit
der gegenwärtigen Krise abhanden gekommen ist. Wir sind heute eher in
der Defensive als in der Offensive, abgesehen davon, dass jede Krise eine
Chance ist, wie Rahm Emanuel – einer von Barack Obamas führenden
Beratern – kürzlich gesagt hat. Seiner Argumentation zufolge könnten
nun vielleicht wichtige Veränderungen erreicht werden, beispielsweise im
Gesundheitswesen, gerade weil die alten Lösungen nicht funktioniert haben. Aber momentan sind wir noch mit der Krise selbst beschäftigt und
können diese neuen Möglichkeiten noch nicht gestalten. Auf internationaler Ebene ist die Lage so komplex und für niemanden kontrollierbar, dass
die Idee eines exakten Entwurfs [blueprint] oder sogar eines starken Programms, dem jeder folgen kann und das zu Gerechtigkeit und Prosperität
führte, so schwer vorstellbar ist, dass ich utopische Lösungen derzeit für
nicht sehr wahrscheinlich halte.
Derjenige Bereich, von dem ich denke, dass wir in ihm wahrscheinlich
gezwungen sind, radikaler zu denken – ob wir es nun utopisch nennen
oder nicht – betrifft den Imperativ, Katastrophen auf dem Gebiet der Umwelt und Ökologie zu vermeiden. Die globale Erderwärmung kann mittlerweile nicht mehr ohne Weiteres bestritten werden. Daraus resultiert die
Forderung, neue Technologien zu entwickeln und Wege zu finden, mit
atomaren und anderen technologischen Abfällen umzugehen. Es ist möglich, dass es dort einen echten Durchbruch geben könnte, nicht im Sinne
der Erzeugung einer Utopie, aber zumindest im Sinne eines Versuchs, eine
Reihe dringender Probleme der Naturbeherrschung zu thematisieren.
Vor allem die erste Generation der Frankfurter Schule hat die Idee einer
positiven Utopie, eines »ausgepinselten« Entwurfs der Zukunft, abgelehnt und stand ihr geradezu feindlich gegenüber. Dies spiegelt sich auch
in ihrer Kritik der Methode und des systematischen Denkens wider. Sie
erkannte auch, dass die Verwendung eines genau ausgeklügelten Planes,
eines »blueprints«, nicht kontrollierbar ist, und sie hatte genügend historische Erfahrung, um zu wissen, dass solche Pläne leicht von böswilligen
politischen Regimen instrumentalisiert werden können. Und doch hat sie
die Idee der Möglichkeit einer gänzlich anderen Welt nicht aufgegeben.
Können wir sagen, dass die erste Generation der Frankfurter Schule die
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positive Utopie ablehnte, aber an der negativen Utopie im Sinne einer
bestimmten Negation dessen, was ist, festhielt – letztendlich an der bloßen formalen Möglichkeit einer anderen Welt, unabhängig davon, wie sie
tatsächlich aussehen könnte?
Jay: Das einfache »Was ist, ist schlecht – was sein wird, ist besser oder
sogar vollkommen« wird der Komplexität unserer gegenwärtigen Situation nicht gerecht. Die Welt, wie sie sich entwickelt hat mit all den unglaublichen Errungenschaften und all den Gräueln – diese Welt beinhaltet
eine enorme Menge von Dingen, die beibehalten, bewahrt und gepflegt
werden sollten. Wir handeln auf eigenes Risiko, wenn wir diese Dinge
einfach abschaffen. Die Vorstellung eines einfachen »Was ist, ist schlecht –
was sein wird, ist utopisch-besser« scheint ein mangelhafter Weg zu sein,
eine Welt zu verbessern, die keinesfalls so schrecklich ist, dass sie gänzlich
abgeschafft werden müsste. Die erste Generation der Frankfurter Schule
operierte zu einem Zeitpunkt der europäischen Geschichte, vielleicht der
Weltgeschichte, an dem es aussah, als würde sich das Ganze in eine so negative Richtung entwickeln – mit potenziell siegreichen Faschismen und
der vermuteten Transformation der eindimensionalen Gesellschaft der
40er, 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts –, dass ihre Vertreter bereit
waren, auf einen radikalen Gestaltwechsel [Gestalt-switch] zu setzen, in
dem eine radikale Vorgehensweise vertretbar war.
Heute sind wir nicht so schnell bereit, dieses Risiko einzugehen. Wir
gehen nicht so ungeniert mit den Dingen um, die wir erreicht haben, zum
Teil, weil wir allein in den Vereinigten Staaten im Verlauf der letzten acht
Jahren unter der Bush-Administration gemerkt haben, wie leicht die Bürgerrechte und die Werte, die wir für selbstverständlich hielten, untergraben werden können. Es ist nicht so einfach, all das, was erreicht wurde,
als »falsches Bewusstsein«, »destruktive Modernisierung«, »Rationalisierung« oder »Globalisierung« zu verabschieden. Es ist schlechthin ungerechtfertigt. Wir haben erkannt, dass es, wie Habermas und andere immer
wieder herausgestellt haben, einen Aspekt des Projekts der Aufklärung
gibt – sogar einen Teil der Modernisierung im weitesten Sinne –, der es
wert ist, gerettet zu werden. Mit anderen Worten, es muss genau unterschieden werden, anstatt einfach zu sagen: »Was wir haben, ist grausam
– was wir brauchen, ist etwas ganz anderes.« Wir wissen mit Sicherheit,
dass die Versuche, etwas radikal Besseres durch das Wegwischen der VerZkT 30–31/2010
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Martin Jay im Gespräch mit Dennis Johannßen
gangenheit zu erzeugen – Kambodscha ist hier ein gutes Beispiel – Tod,
Zerstörung und Leid hervorbringen. Und so sind die meisten progressiv
denkenden Menschen nicht glücklich mit einem solchen Verständnis der
Aufgaben, die wir zu bewältigen haben.
In Anbetracht dieser Aufgaben haben Sie in Ihrem Essay Fin-de-siècle Socialism (1988) geschrieben, dass es genügend dringliche Arbeit gebe, die
getan werden muss, und dass es hinderlich sei, all unsere bescheidenen Erfolge ständig an der Vorstellung einer vollkommen erlösten Gesellschaft zu
messen. Wir haben schon über die vornehmlichen Gefahren solcher Maßstäbe gesprochen. Aber man könnte auch argumentieren, dass ihre gänzliche Preisgabe – im Sinne des Drängens auf radikale qualitative Veränderung überhaupt – einen gewissen Nährboden für neue positive Utopien
abgeben könnte. Ist nicht das negativ-utopische Bewusstsein, dass die Welt
auch ganz anders eingerichtet sein könnte, gleichzeitig eine Vorkehrung
gegen positive Utopien?
Jay: Es stellt sich immer die Frage des Übergangs und wie dieser realisiert wird. Selbst wenn jemand eine gute Idee hat, ist die Implementierung
immer das Schwierigste. Im Groben gab es hier zwei Ansätze: Erstens,
was man als den »exit-and-enclave approach« bezeichnen könnte: Die
korrumpierte Gesellschaft wird zurückgelassen, und es wird ein unbewohnter Ort, eine Insel oder auch eine andere Zeit gesucht, wo eine neue
Gemeinschaft von Grund auf eingerichtet wird, in der dann die Utopie
verwirklicht werden würde – mitsamt eines großen Gesetzgebers oder irgendeines Dokuments, das vorschreibt, was zu tun ist. Eine Vielzahl utopischer Experimente versuchten es auf diesem Weg, und zwar zu einer
Zeit, in der es möglich war, auszubrechen, was heute wesentlich schwieriger ist. Der zweite Ansatz gründete auf dem Argument, dass die Utopie
nur dann wirklich möglich sei, wenn die gesamte Welt, das gesamte System im emphatischen Sinn, geändert werden würde, was sich heute aufgrund der Globalisierung und der aus ihr folgenden Integration ebenfalls
viel schwieriger gestaltet als früher. Andernfalls würde das Gewicht des
äußeren, umfassenderen Systems all die kleinen Experimente zerstören
und die Enklaven schlucken. Sie würden nur eine sehr kurze Lebensdauer haben, wie es sich für die Shaker-Gemeinschaften, für Robert Owens
»New Harmony«, für die Brook Farm und im Grunde für alle großen
Utopie und Differenz
181
Versuche des 19. Jahrhunderts bewahrheitet hat. Die Frankfurter Schule
hielt im Großen und Ganzen an dem zweiten Ansatz fest, womit sie die
Notwendigkeit betonte, die Totalität zu verändern, anstatt daran zu arbeiten, das System stückweise zu reformieren. Das System als Ganzes war die
verwaltete Welt, und deswegen musste die ganze Welt radikal verändert
werden. Aber die Art und Weise, wie dies geschehen sollte, hat sie selbstverständlich nicht einmal ansatzweise beschrieben.
Mit der relativen Diskreditierung der Idee der Revolution, die so
schlimm missbraucht wurde, und mit dem Nichtvorhandensein eines jeglichen revolutionären Akteurs, einer jeglichen revolutionären Klasse oder
politischen Bewegung, die eine systemische Veränderung in Aussicht stellen würde, ist es in der Tat sehr schwierig festzustellen, was darunter zu
verstehen ist. Man könnte auf abstrakter Ebene sagen, dass es wichtig ist,
radikal andersartige Ideen zu haben, um über Alternativen nachzudenken.
Und es gibt Menschen auf den Gebieten der Technologie und der Sozialpolitik, die so argumentieren. Ich bin Historiker, aber ich hoffe, dass diese
Menschen Wege und Mittel finden werden, um ihre Ideen zu verwirklichen. Auch wenn nur eine von hundert Ideen tatsächlich radikal hilfreich
sein wird, ist es richtig. Ich bin sicherlich nicht dafür, das Lebenslicht der
utopischen Fantasien oder Imaginationen einer anderen Welt auszulöschen. Diese Imaginationen erzeugen wir in der Literatur, wir erzeugen
sie permanent in den unterschiedlichsten Formen. Ich habe bloß keinerlei
Zuversicht, dass wir die überaus beängstigenden, komplexen Aufgaben,
mit denen wir heute konfrontiert sind, derzeit auf dieser Ebene lösen können. Vielmehr glaube ich, dass wir, um die Bewegung des Systems wiederherzustellen und in eine bessere Richtung lenken zu können, in einer
halbherzigeren, aber hoffentlich effektiven Weise mit diesen Aufgaben
umgehen müssen, weil ich heute eher besorgt bin, dass sich das Ganze in
eine viel, viel schlimmere Richtung entwickeln könnte. Vielleicht flacht
die große Rezession nun ab, aber furchtbar viele Menschen verlieren ihre
Arbeit und ihre Häuser und haben keine Krankenversicherung; furchtbar
viele Menschen auf der ganzen Welt verzweifeln mehr und mehr. Es ist
kein besonders attraktiver Zeitpunkt, und man hofft, dass die Regierung,
die wir nun haben – insbesondere in Washington – fähig ist, mit diesen
Problemen fertig zu werden. Sollte dem nämlich nicht so sein, ist niemand
in Sicht, der etwas deutlich Besseres auf die Beine stellen könnte.
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Martin Jay im Gespräch mit Dennis Johannßen
Auf der einen Seite haben wir also die wichtige Aufgabe, Katastrophen
zu verhindern, auf der anderen Seite aber auch die unglaubliche, ständig fortschreitende Produktivität, die es theoretisch ermöglicht, das Ganze
wesentlich gerechter und vernünftiger einzurichten. Letzteres spielte für
Marcuse vor vierzig Jahren eine entscheidende Rolle, als er seinen Versuch über die Befreiung (1969) veröffentlichte. Zu jener Zeit haben Sie für
Ihre Doktorarbeit Dialectical Imagination (1973) in Frankfurt geforscht,
Löwenthal war hier in Berkeley und Marcuse in Paris. Wie haben Sie die
intellektuelle Situation damals empfunden?
Jay: Es war eine Zeit rasantester Entwicklungen. Einer der Punkte, über
den sich alle einig sind, die die 1960er Jahre miterlebt haben, ist die hohe
Geschwindigkeit, mit der sich alles veränderte. Vor allem 1968 war ein
Wirbelsturm; im Grunde aber die gesamte Periode seit 1963, vom Kennedy-Attentat bis zur Invasion Kambodschas, die zugleich den Höhepunkt
der Anti-Kriegs-Bewegung in den Vereinigten Staaten markierte. All dies
vermittelte den Eindruck, die Welt würde sich auf vielen verschiedenen
Gebieten in Windeseile verändern. Politisch, kulturell, sexuell – alles wandelte sich rapide. Es sah so aus, als könnten einige dieser Veränderungen
sehr positiv sein, zumindest bis zum sogenannten Summer of Love von
1967. Dann, 1968, begannen sich die Dinge in eine düstere Richtung zu
entwickeln. Das Scheitern der Ereignisse in Paris, die Invasion der Tschechoslowakei und das Debakel der Democratic National Convention im
August in Chicago waren sehr, sehr beängstigende Ereignisse. Schlussendlich nahmen die Ermordungen Martin Luther Kings und Bobby Kennedys in den USA der Linken den Wind aus den Segeln, und es wurde klar,
dass die Lage hässlich werden würde. Ende 1969 wurde die WoodstockEuphorie gedämpft und durch die raue Realität von Altamont ersetzt,
an der deutlich wurde, dass die Gegenkultur gekippt war. In Anbetracht
dieser Entwicklungen wirkte Marcuses Versuch über die Befreiung sehr
schnell überholt, und stattdessen begann das Ausbrechen nach rechts
Geschwindigkeit aufzunehmen, was dann in den »Reagan and Thatcher
Eighties« kulminierte. Dieser Moment – man kann ihn als ein Aufblitzen
der Erlösung bezeichnen, wenn man will, aber sagen wir, dieser Moment
der radikalen Veränderung – war äußerst kurz. Als dann der Krieg weiterging, die Städte brannten, und die Regierung in vielerlei Hinsicht sehr hart
durchgriff, begann ein neuer Realismus, ja Pessimismus, jegliche Eupho-
Utopie und Differenz
183
rie der Zeit zwischen 1964 und 1967 zu zerstören. Diese Veränderungen
liefen alle sehr, sehr zügig ab. Die Frankfurter Schule selbst war bekanntermaßen gespalten. Marcuse hielt im Großen und Ganzen noch immer
an den revolutionären Hoffnungen fest, die er stets gehegt hatte. Adorno
und Horkheimer waren von Anfang an weniger optimistisch; Horkheimer bewegte sich sogar auf die Mitte des politischen Spektrums zu. Löwenthal war umsichtiger, ein guter Freund von Marcuse, aber politisch
nicht sehr aktiv. Und dann natürlich Habermas, der mit seinem provokativen Kommentar über den »linken Faschismus« als Verräter der Studentenbewegung angesehen wurde. Es gab viel Bewegung in der Beziehung
zwischen der Frankfurter Schule und den Entwicklungen der Linken und
der Studentenbewegung, was selbstverständlich bei den Althusserianern
in Frankreich nicht anders war. Eine große Besorgnis verbreitete sich, als
die Praxis begann, die philosophischen und theoretischen Inspirationen
zu überholen, die einst zu ihrer Formierung beigetragen hatten.
Die historischen Ereignisse überrannten also die theoretischen Erklärungen…
Jay: …zudem in die falsche Richtung. Es kam ein Gefühl der Verbitterung
auf, das Gefühl, dass alle unsere Hoffnungen immer schwerer aufrecht zu
erhalten waren, je weniger sich die Führerschaft der Linken ihrer Aufgabe
gewachsen zeigte. Die Bewegung versagte, als es um die Schaffung einer
Koalition ging, die breit genug gewesen wäre, um diejenigen Gruppen mit
einzubeziehen, die gewissermaßen in die Opferrolle gedrängt wurden, die
aber nicht bereit waren, gemeinsame Sache mit den Hippies, Bürgerrechtlern und der Frauenbewegung zu machen. Die Frage der Schwulenrechte
stand noch gar nicht auf der Tagesordnung. Kurzum, eine große Fragmentierung setzte ein. Die Farben der berühmten Regenbogenflagge begannen
sich voneinander abzusondern und verliefen in verschiedene Richtungen.
Mit Nixons Wahlsieg regruppierte sich die Rechte, und eine ganze Generation – Kohl, Thatcher, Nixon und Reagan bis hin zum zweiten Bush –
steht für eine breit angelegte Konterrevolution gegen die Sechziger. Heute
scheint der Kulturkampf zum Glück mehr oder weniger vorüber zu sein
und Obama repräsentiert eine andere Generation. Er ist zu jung, um die
Wundmale dieser Jahre zu tragen. Ich denke, die Phase der generationsweiten Gegenreaktion gegen die Sechziger, die viele Entwicklungen unterdrückt hat, ist nunmehr passé.
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184
Martin Jay im Gespräch mit Dennis Johannßen
Das spiegelt in gewisser Weise wider, was Angela Davis nach den diesjährigen Wahlen gesagt hat, nämlich, dass trotz all der durchaus wirkungsmächtigen Euphorie nicht vergessen werden darf, dass die Erwartungen
der US-Amerikaner über die letzten vierzig Jahre schlechterdings enorm
gesenkt wurden. – Aber noch einmal in theoretischer Hinsicht: Es scheint
doch eine schwer zu bestreitende Wahrheit in dem Argument zu liegen, das
Marcuses Schriften grundiert, mindestens seit Triebstruktur und Gesellschaft (1955), vielleicht am deutlichsten in seiner Berliner Vorlesung Das
Ende der Utopie von 1967, in der er von einem Ende der Utopie im Sinne
ihrer Verwirklichung spricht. Eine seiner grundlegenden Thesen war ja,
dass die objektiven Mittel gegeben sind, um das zu verwirklichen, was er
noch in recht breiter Begrifflichkeit Sozialismus nannte. Und zur gleichen
Zeit wandern diese utopischen Hoffnungen in sublimierter Form in die
Werke Adornos ein, der die Kunst als Statthalter der Utopie inauguriert.
Warum wird Marcuses Argument in seiner Deutlichkeit heute so gut wie
gar nicht mehr angeführt?
Jay: Ich denke, dass man heute sehr skeptisch ist, was die neuen Technologien angeht. Man fürchtet ihre potenziell negativen Folgen. Es sah
aus, als würden bestimmte Technologien Probleme lösen, und in gewissem Maße taten sie dies vielleicht sogar, aber sie haben ebenso viele neue
Probleme geschaffen. Infolgedessen vertraut man weniger darauf, dass die
Technologie einen Punkt erreicht hat, an dem sie lediglich einer leichten
sozialen oder kulturellen Berichtigung bedarf, um Wohlstand, Gleichheit oder – und dies war eine noch größere Fantasie – eine Gesellschaft
ohne Mühe und Arbeit zu ermöglichen. Eben dies hat Marcuse gehofft;
im Grunde genommen, dass Roboter die ganze Drecksarbeit machen,
und wir in der Utopie des »Luxe, Calme et Volupté«, der sinnlichen Lust,
des befreiten Leibes leben würden. Dies schien zu einer bestimmten Zeit
tatsächlich erreichbar. Aber obwohl die Arbeitswoche heute kürzer ist,
sind die Menschen nun gezwungen, mit einem Zweitjob über die Runden
zu kommen, und die Arbeitslosigkeit ist eine ständige Bedrohung. Es ist
sehr schwer, Vertrauen in technologische Lösungen für das Problem der
Verknappung zu haben. Entscheiden wir uns für Atomenergie? Nun, wir
kennen die Probleme, die sie verursacht. Entscheiden wir uns für Kohle?
Wir sehen die Probleme. Verwenden wir Ethanol statt Benzin? Ethanol
bereitet uns jede Menge Schwierigkeiten. Wir dachten, neue pharmazeuti-
Utopie und Differenz
185
sche Produkte würden Krankheiten beseitigen, aber sie haben nicht selten
Nebenwirkungen oder sind zu teuer. Zudem haben wir natürlich all die
neuen Herausforderungen, Aids zum Beispiel. Als Marcuse seine Bücher
schrieb, gab es noch kein Aids und nun ist ein großer Teil Afrikas damit
infiziert. Es hat sich ein Bewusstsein dafür gebildet, dass die Technologie
im emphatischen Sinne nicht ausreicht, ganz gleich welche Technologien
wir im Einzelnen haben und welche Probleme sie lösen könnten. Sieht
man sich das Problem der globalen Erwärmung an, so ist es leider sehr
wahrscheinlich, dass wir keine Technologie haben, um sie umzukehren.
Vielleicht können wir sie verlangsamen oder Wege finden, mit einigen ihrer Konsequenzen umzugehen, aber heute scheint es – und dies ist nicht
wirklich eine Frage des Willens – als besäßen wir einfach keine Technologie zu ihrer Verhinderung. Und wenn dies der Fall sein sollte, dann steht
uns in hundert Jahren nicht die Utopie bevor, sondern das Wasser buchstäblich bis zum Hals.
Auf der Ebene hoch entwickelter Technologien trifft dies sehr wahrscheinlich zu, aber selbst auf einem technologisch niedrigeren Niveau sind die
Produktionsmittel vorhanden, um mehr und anders zu produzieren. Jean
Ziegler, der von 2000 bis 2008 UN-Sonderberichterstatter für das Recht
auf Nahrung war, bestimmte 2003 die Menge an weltweit produzierter
Nahrung als hinreichend für etwa 12 Milliarden Menschen. Sicherlich basiert diese Zahl auf der Interpretation offizieller Berichte, aber wenn sie
auch nur annähernd zuträfe, wäre sie ungeheuerlich.
Jay: Es geht um die Verteilung, um die Möglichkeit, Nahrung an die Orte
zu bringen, an denen die Menschen sie benötigen. Außerdem geht es darum, welche Nahrung wir anbauen. Zweifelsohne sind viele Produkte nicht
sehr gesund und teurer als andere. Dies sind große Herausforderungen.
Aber nehmen wir zum Beispiel das Problem des technologischen Abfalls:
Atommüll habe ich bereits erwähnt, aber auch die Elektroabfälle von
Computern und anderen neuen Technologien – wir wissen nicht, wie und
wo wir sie entsorgen oder wie wir sie zumindest teilweise recyceln sollen.
Am Ende sitzen wir da mit einem unvorstellbaren Abfallproblem, das,
soweit ich sehen kann, in keiner Weise ernsthaft diskutiert wird. Sehen
Sie sich die Ausbreitung von Nuklearwaffen an. Sicherlich waren sie ein
technologischer Durchbruch, und doch ist gerade wieder ein bestürzenZkT 30–31/2010
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Martin Jay im Gespräch mit Dennis Johannßen
der Zeitungsbericht erschienen: Pakistan rüstet trotz all seiner Probleme
sein nukleares Arsenal auf. Gegen wen wird es diese Waffen einsetzen?
Was passiert, wenn sie gestohlen werden? An diesen Beispielen kann man
sehen, was für ein zweischneidiges Schwert die Technologie ist. Vielleicht
können dank der technologischen Entwicklung ein paar Mägen mehr
gefüllt werden als im 19. Jahrhundert oder früher, aber mit dieser Entwicklung gehen auch Möglichkeiten der Massenvernichtung einher, die
ebenfalls sehr real sind. Ich bin kein Vertreter des technologischen Determinismus, weder in die eine noch in die andere Richtung. Ich glaube
nicht, dass Technologie etwas Böses ist, aber ich denke auch nicht, dass sie
notwendigerweise positive Effekte zeitigt.
In Zum Planetarium hat Walter Benjamin vielleicht einen der bedeutendsten Aspekte der utopischen Dimension der Technologie ausgesprochen, als er
den Umgang mit ihr in Analogie zur Pädagogik setzte. Wie zwischen Eltern
und Kindern gehe es im Verhältnis von Technologie und Menschheit nicht
darum, die eine oder die andere zu beherrschen, sondern um die Beherrschung des Verhältnisses selbst. Wir müssen einen Weg finden, die Technologie als Organisationsorgan zu verwenden, anstatt sie zur Erlangung bestimmter Zwecke einzusetzen. Das scheint eine schwierige Aufgabe zu sein,
wenn man die Grundlagen bedenkt, auf denen das Ganze ruht. Wir können
zwar Mittel und Wege finden, um diejenigen zu reintegrieren, die aus dem
System herausfallen, oder Einzellösungen für gewisse Probleme finden, aber
andere – wie das Problem des nuklearen Abfalls, das Sie erwähnt haben –
können wir nicht ohne Weiteres aus der Welt schaffen. Wir können nicht
einmal so weit in die Vergangenheit blicken, wie wir in die Zukunft sehen
müssten, um einen sicheren Ort für unseren nuklearen Müll zu finden. Dass
dies Widersprüche sind, die das herrschende System als solches immer wieder in verschiedenen Formen hervorbringen wird, ist schwer von der Hand
zu weisen. Vielleicht ist die Forderung nach einer Gesellschaft, die auf einem
wahrhaft aufgeklärten Denken beruht, doch nicht so maximalistisch?
Jay: Ich bin Pluralist. Ich glaube nicht, dass es eine einzelne Version der
Erlösung oder eine einzelne Version der besseren Gesellschaft gibt. Was
wir brauchen, ist eine Offenheit gegenüber Differenz, eine Offenheit gegenüber Experimenten, Offenheit gegenüber lokalen statt globalen, allzu
autoritär-dogmatischen Lösungen. Es wird mehr oder weniger erfolgrei-
Utopie und Differenz
187
che Antworten auf Herausforderungen geben. Die Integration der Welt ist
real, und sie wird nachhallende Effekte haben. Aber die eine Utopie, der
eine Begriff einer Lebensweise, Methode oder Technologie ist eher schreckenerregend als eine Quelle der Hoffnung. Ich würde noch immer an
meinem Satz festhalten, den Sie vorhin zitiert haben, daran, dass es Aufgaben gibt, die wir ernst nehmen sollten, anstatt uns an etwas so maximalistischem wie der Erlösung abzuarbeiten.
Gab es in Ihren eigenen Schriften diesbezüglich einen Perspektivenwechsel? Das Buch, das Sie über den Begriff der Erfahrung geschrieben haben,2
scheint der Frage der Utopie näher zu stehen als Ihr jüngstes Projekt On
Lying in Politics.
Jay: Nein, The Virtues of Mendacity: On Lying in Politics – ich habe das
Manuskript gerade fertiggestellt – ist eine Arbeit, in der sehr verschiedene
Fragen gestellt werden. Das Buch ist gewissermaßen eine Kritik derjenigen moralistischen Politik, die davon ausgeht, dass wir auf dem Gebiet
der Politik stets die absolute Wahrheit sagen sollten. Ich habe versucht, zu
argumentieren, dass die Unwahrheit positive Implikationen haben kann,
abhängig von den Konsequenzen und Machtbeziehungen der involvierten Personen. Einigen Argumenten von Hannah Arendt folgend, habe ich
diesen Problemzusammenhang mit den Fragen der Einbildungskraft, des
Widerstandes gegen den Status quo sowie der ästhetischen oder symbolischen Dimension des Politischen verbunden.
Sie sagten, das Buch sei im Druck. Haben Sie bereits ein neues Projekt
vor Augen?
Jay: Ich arbeite derzeit an dem Zusammenhang von Nominalismus und
Fotografie. Ein Essay wird zu diesem Thema erscheinen.3 In einem Jahr
werde ich an der Amerikanischen Akademie in Berlin sein, um an diesem
Projekt weiterzuarbeiten, oder vielleicht im weiteren Sinn an dem nominalistischen Impuls im Denken der Moderne.
2
3
Songs of Experience, Berkeley 2004.
»Magical Nominalism. Photography and the Re-enchantment of the World« in: The Pictorial Turn, hg. v. N. Curtis, Routledge 2010.
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Martin Jay im Gespräch mit Dennis Johannßen
Wer sind in diesem Fall die Theoretiker, um die es geht?
Jay: Der Nominalismus geht zurück auf Wilhelm von Ockham. Im 20. Jahrhundert haben Autoren wie Hans Blumenberg sehr interessante Dinge dazu
gesagt. Ich interessiere mich seit meiner Arbeit zur Visualität aus den 1980er
Jahren4 für Theorien der Fotografie.
Zurück zur Utopie, vielleicht mit einem Resümee: Können wir noch mit
diesem Begriff arbeiten oder müssen wir andere Wege finden, um über
»präfigurale Antizipation« zu sprechen?
Jay: Ich möchte nichts ausschließen. Zuerst einmal habe ich nicht die
Macht, irgendetwas auszuschließen und auch kein Bedürfnis, zu bestimmen, worüber die Menschen nachdenken sollten. Es ist nichts verkehrt an
der Arbeitsteilung, die einigen Menschen den Raum für Muße und Fantasie lässt, um über eine grundverschiedene Zukunft und gesellschaftliche
Organisation nachzudenken. So manches Mal kommt etwas dabei heraus,
das den Menschen in der Gegenwart hilft. Sie wälzen das System nicht
um und kreieren nichts grundsätzlich Neues, aber sie bieten Inspiration
für brauchbare Veränderungen. Ich denke, es ist eine sehr wichtige Sache,
maximalistische Gedanken zu haben, die an den Grenzen rütteln; sie fordern dazu auf, keine Kompromisse einzugehen und sich nicht mit halben
Sachen zufrieden zu geben.
Das Wort »Erfahrung« selbst meint in einer seiner häufigen Verwendungen: zu lernen, weniger auf die Einlösung seiner Hoffnungen zu drängen. Erfahrung ist die Begegnung mit den Enttäuschungen oder Kompromissen des Lebens. Aus diesem Grund stand jemand wie Benjamin, als er
jung war, der Idee der Erfahrung sehr feindselig gegenüber. Er sah in ihr
einen Weg, auf dem ältere Menschen den jüngeren den Mund verbieten
und von ihnen verlangen, die Älteren zu respektieren. Wenn man älter
wird, denkt man, dies sei gar keine so schlechte Sache [lacht]. Man sollte
keinen Fetisch aus der Jugend machen. Vielleicht haben die Menschen in
den 1960ern so gedacht.
Eine Sache jedoch sollte eingesehen werden. Trotz all der Schrecken
und all der Enttäuschungen in Anbetracht der radikalen Projekte, die auf
4
Downcast Eyes, Berkeley 1993.
Utopie und Differenz
189
Verbesserungen abzielten, ist während meines Lebens vieles passiert, das
sehr ermutigend war. Und wenn es auch nicht unbedingt Utopie erzeugt
hat, so hat es mir doch einen schwachen Glauben vermittelt an eine Zukunft, die Versprechen birgt, und nicht bloß ein Grund zur Besorgnis ist.
Beispielsweise die Rassenverhältnisse [race relations] in den Vereinigen
Staaten, die Lösung des Apartheid-Problems oder der friedliche Sturz des
Kommunismus. Vor fünfzig Jahren wären die Menschen überrascht gewesen, wenn jemand die Lage so vorausgesagt hätte, wie sie sich heute
auf diesen Gebieten darstellt. Das heißt nicht, dass es nicht noch immer
Kämpfe gibt, zum Beispiel bezüglich der Ursprünge der Ungleichheit,
des Rassismus und der postkolonialen Diskriminierung. All dies existiert,
aber es gab auch genügend moderate Verbesserungen, die uns spüren lassen, dass wir nicht vollständig versagt haben.
»...der friedliche Sturz des Kommunismus«: Das ist eine interessante Art,
es auszudrücken.
Jay: Noch im Jahr 1988 hätte niemand gewagt zu behaupten, dass die Sowjetunion und ihre Satellitenstaaten das Feld ohne einen massiven Flächenbrand räumen würden. Gewiss ist der Nazismus auf diese Weise gestürzt.
Und wir hatten damals keinen Grund zu glauben, dass die Sowjetunion
ohne große Gewaltausbrüche implodieren würde. Etwas Gewalt gab es,
aber sie war ziemlich mild. 1990 wurde eine Massenhungersnot für das
post-sowjetische Russland vorausgesagt, und dass die Menschen in den
Westen kommen würden, acht Millionen oder wie viele auch immer erwartet wurden. Nichts dergleichen ist geschehen.
Man könnte auch den Begriff des Staatssozialismus verwenden, da der
wirkliche Kommunismus auch in der Sowjetunion nie erreicht wurde.
Dann erscheint das Jahr 1989 zudem als Abschaffung der kommunistischen Utopie.
Jay: Sicherlich...
Die Bezeichnungen scheinen nicht unwichtig zu sein, sie eröffnen den
Blick auf eine andere Seite der Utopie. Adorno spricht in dem bereits
erwähnten Radiogespräch von einer »merkwürdigen Schrumpfung des
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Martin Jay im Gespräch mit Dennis Johannßen
utopischen Bewusstsein«, davon, dass die subjektive Möglichkeit, sich das
Ganze vollkommen anders vorzustellen, abhanden gekommen ist. Und
Marcuse vermutet, dass die Welt der Kulturwaren unsere Phantasie und
Vorstellungskraft absorbiert und lähmt. Ist dies eine befriedigende Erklärung für die Verkümmerung des utopischen Bewusstseins? Gibt es diese
Schrumpfung überhaupt?
Jay: Ich weiß nicht, wie man das messen will. Wahrscheinlich trifft es zu,
dass es zu bestimmten Zeiten eine gehäufte Begeisterung für utopische Alternativen gab. Im 19. Jahrhundert gab es Versuche, die Utopien tatsächlich zu leben, und zugleich viele verschiedene Ansätze – literarische und
politisch-theoretische –, die sich damit auseinander gesetzt haben, wie dieses Leben aussehen könnte. Das 20. Jahrhundert war faszinierter von der
Dystopie – Samjatin, Huxley, Orwell oder auch Philip K. Dick in einigen
seiner Werke; es war verhältnismäßig skeptisch gegenüber der Utopie. Andere wiederum haben ältere Traditionen wiederbelebt. Heute sehe ich niemanden außer Jacoby niemanden, der sich ernsthaft für die Wiedererweckung utopischer Gedanken einsetzt. Wer bisweilen ein solches Bestreben
zeigt, ist der noch immer militante marxistische Literaturkritiker Fredric
Jameson. In seinem Buch Archaeologies of the Future (2007) untersucht er
die utopischen Implikationen der Science-Fiction und argumentiert höchst
überzeugend für das, was er »the desire called utopia« nennt.
Das wäre doch ein Weg, es zu messen. Marx, der im Grunde die erste negative Utopie formuliert hat, indem er nicht genau ausbuchstabierte, wie die
Gemeinschaft der freien Produzenten aussehen sollte, schrieb zu einer Zeit,
in der eine Menge Utopien zirkulierten – Owen, Saint-Simon, Fourier. Als
Adorno schrieb und eine noch konsequentere Fassung der negativen Utopie vertrat, gab es, wie Sie sagen, die dystopischen Romane. Heute finden
wir in der Literatur tatsächlich fast keine Utopien, und man könnte sagen,
dass es ihre Aufgabe sei, diese zu entwerfen.
Jay: Vielleicht gibt es welche, von denen wir nichts wissen. Aber keine mit
beachtlicher öffentlicher Resonanz.
Könnte das ein Anzeichen für die Verkümmerung des utopischen Bewusstseins sein?
Utopie und Differenz
191
Jay: Ich denke, wir leben in einer Zeit, in der es nicht notwendig oder zumindest als eine Art Luxus erscheint. Andererseits gibt es gute Filme. Man
könnte argumentieren, dass der heutige Ort für die Suche nach der Utopie nicht mehr die Literatur ist, sondern die Populärkultur. Einige Filme
porträtieren zukünftige Gesellschaften oder Lebensweisen, die utopische
Züge tragen, obgleich sie meistens eher dystopisch sind. Ich denke, wir
haben heute mehr Angst vor dem, was schief gehen könnte, als Grund
zum Optimismus.
Viele Filme zeigen das Ende der Welt durch einen Asteroideneinschlag
oder ähnliche Katastrophen, aber Filme, die eine funktionierende kommunistische Gesellschaft darstellen, gibt es kaum.
Jay: Nein. Mike Davis von der University of California in Los Angeles zum Beispiel schreibt über apokalyptische und katastrophische Unglücksszenarien, die sehr mächtig sind. Und mit dem 11. September 2001
als einem einschneidenden Ereignis des 21. Jahrhunderts bekommen wir
einen Eindruck davon, dass diese Szenarien nicht völlig verrückt sind.
Und selbstverständlich leben wir mit dem voraussichtlichen Anstieg der
katastrophischen globalen Erwärmung.
Den Aspekt des utopischen Bewusstseins gibt es auch bei Jameson, der von
einer Dialektik von Utopie und Ideologie spricht. Massenkultur appelliert
an das subjektive Bedürfnis nach utopischer Hoffnung, nur um es dann
wieder zu harmonisieren und zu neutralisieren. Es scheint plausibel, dass
kulturelle Waren unser Bedürfnis nach der Vorstellung einer anderen Welt
– ob freudvoll oder schrecklich – befriedigen, und dass wir deswegen immer
weniger selber daran glauben müssen. Bloß könnte es gefährlich sein, wenn
dieses Bedürfnis tiefer wurzelt und wir lediglich momentan keine Formulierungen sozialer oder politischer Utopien besitzen. Wenn man sich umsieht, sieht man viel Unzufriedenheit, nicht nur auf tagespolitischer Ebene.
Hat die negative Kritik und die negative Utopie nach 1989 noch immer das
Potenzial, eine Vorsichtsmaßnahme gegen positive Utopien zu sein?
Jay: Sie ist sicher nicht der einzige Weg. Aber sie erzeugt Inspiration und
ein Bedürfnis nach grundsätzlicheren Lösungen für andauernde Probleme. Wie Karl Mannheim und andere zu Zeiten, die trostloser waren als die
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Martin Jay im Gespräch mit Dennis Johannßen
unsere – zur Zeit der Weimarer Republik –, betont haben, sind wir ohne
utopisches Denken dazu verdammt, einen Status quo zu akzeptieren, der
auf einer Neue-Sachlichkeit*-Mentalität beruht, in der die Nüchternheit
die einzige Tugend und das Hinnehmen unseres Schicksals die einzige
Option ist. Paradoxerweise denke ich, dass die Utopie ihre Funktion als
kritischer Antrieb nur solange besitzt, wie die Menschen nicht versuchen,
sie in der Wirklichkeit durchzusetzen!
Claus-Steffen Mahnkopf
Kleiner Versuch über falsches Bewusstsein
Für Richard Klein
Falsches Bewusstsein ist ein Begriff oder eine Gedankenfigur, die in den
sozialkritischen Hoch-Zeiten im Anschluss an die 68er-Bewegung und bei
deren intellektuellen Vorläufern eine erstaunliche Blüte erlebte, während
sie heute eher verschwunden scheint, aber unverhofft an Aktualität gewinnt, wenn eine Finanzkrise wie diejenige am Ende des ersten Jahrzehnts
des 21. Jahrhunderts die Widersprüche des Kapitalismus derart eindeutig
und geradezu auf einer Silberschüssel präsentiert.
Falsches Bewusstsein ist eine hegelmarxsche Kategorie und meint ein
Bewusstsein, das nicht einfach nur irrt oder desinformiert ist, auch nicht
eines, das einfach lügt. Es ist vielmehr ein gesellschaftlich notwendiges
falsches Bewusstsein, mithin eine objektive Kategorie, die bei Subjekten
auch ohne deren Wissen wirkt – ohne die Option, es abzustellen. Falsches
Bewusstsein ist sozusagen ein blinder Fleck, den wir nicht sehen können,
der uns aber trotzdem zugehört, der von außen leichter beobachtet und
analysiert als an sich selber festgestellt werden kann.
Versteht man falsches Bewusstsein auf diese Weise, dann erklärt sich
sein Verschwinden in der postmodernen Zivilgesellschaft. Es zeugte von
Arroganz, intellektueller Anmaßung oder gar von totalitärem Dünkel,
anderen zu unterstellen, sie hätten ein falsches Bewusstsein. Nur eine
geistige oder politische Elite mag sich das anmaßen. Solche Eliten stehen
indes unter einem immer stärkeren Rechtfertigungsdruck. Denn in einer
Demokratie sind alle Akteure formal mündig, weswegen ihnen kaum ein
falsches Bewusstsein angesonnen werden kann. Im Gegenteil, streng genommen muss ihnen sogar ein richtiges unterstellt werden. Zivilgesellschaft, mithin der Zustand, in dem die Bürger nicht nur formal, sondern
auch materialiter mündig sind, müsste falsches Bewusstsein abgeschafft,
zumindest zurückgedrängt haben.
So scheint es, dass das falsche Bewusstsein einer vergangenen Denktradition angehört und in den spätmodernen Gesellschaften überwunden
ist. Allein, so einfach ist es nicht. Zunächst überdauern allzu leicht PhänoZkT 30–31/2010
230
Neuerscheinungen 2009
Schweppenhäuser, Gerhard: Theodor W. Adorno zur Einführung, 5., vollst. überarbeitete
Aufl., Hamburg: Junius, 2009.
Schweppenhäuser, Gerhard: Theodor W. Adorno. An introduction, translated by James
Rolleston, Durham and London: Duke University Press, 2009.
Seligmann-Silva, Márcio: A atualidade de Walter Benjamin e de Theodor W. Adorno, Rio de
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Steidl, Petra: Musik und Bildung. Die Verknüpfung musik- und bildungsphilosophischer
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Telos, Nr. 149 (Winter 2009): Adorno and America [Themenheft].
Tiedemann, Rolf: Mythos und Utopie. Aspekte der Adornoschen Philosophie, München: Edition Text + Kritik, 2009.
Türcke, Christoph: Jesu Traum. Psychoanalyse des Neuen Testaments, Springe: zu Klampen, 2009.
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Streit um die Neue Linke, Berlin, Münster u.a.: LIT, (Politische Theorie Bd. 11), 2009.
Wheatland, Thomas: The Frankfurt School in Exile, Minneapolis: University of Minnesota
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Welbers, Ulrich: Sprachpassagen. Walter Benjamins verborgene Sprachwissenschaft, Paderborn, München: Fink, 2009.
Autorinnen und Autoren
Prof. Dr. Hans Marius Hansteen, Jg. 1968, lehrt Philosophie an der Universität Bergen, Norwegen. Arbeitsschwerpunkte: Sozialphilosophie und
politische Theorie, Ideengeschichte, Rhetorik, Kritische Theorie.
Kontakt: hans.hansteen@fof.uib.no
Prof. Dr. Frank Jablonka, Jg. 1963, Professeur Agrégé an der Université
de Picardie Jules Verne, Amiens/Beauvais. Arbeitsschwerpunkte: Sprachtheorie und Sprachphilosophie, Ethno-Soziolinguistik und Sozialphilosophie, Semiotik und Pragmatik.
Kontakt: frank.jablonka@dbmail.com.
Prof. Martin Jay, Ph.D., Jg. 1944, Sidney Hellman Ehrman Professor an der
University of California, Berkeley. Arbeitsschwerpunkte: Europäische
Ideengeschichte, Visuelle Kultur, Kritische Theorie.
Kontakt: martjay@berkeley.edu.
Dennis Johannßen, Jg. 1983, Student der Kulturwissenschaften an der
Leuphana Universität Lüneburg. Arbeitsschwerpunkte: Kulturtheorie,
Ästhetik, Kritische Theorie.
Kontakt: johannssen@uni-lueneburg.de.
Dr. Patricia Lavelle, Jg. 1971, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Centre
de recherches interdisciplinaires sur l'Allemagne der L'École des hautes
études en sciences sociales, Paris. Arbeitsschwerpunkte: Hermeneutik,
Kant, Paul Ricoeur, Walter Benjamin.
Kontakt: patricia.g.lavelle@gmail.com
PD Dr. Susanne Lettow, Jg. 1965, Visiting Fellow am Institut für die Wissenschaften vom Menschen/Wien, Privatdozentin and der Universität
Paderborn. Arbeitsschwerpunkte: Sozialphilosophie, Philosophische Geschlechterforschung, Politische Theorie und Epistemologie der Lebenswissenschaften.
Kontakt: lettow@iwm.at
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Autorinnen und Autoren
Prof. Dr. Claus-Steffen Mahnkopf, Jg. 1962, Professor für Komposition an
der Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy«
Leipzig. Arbeitsschwerpunkte: Musik, Gesellschaft, Kunst und Philosophie.
Kontakt: CSmahnkopf@t-online.de.
Dr. Timo Ogrzal, Jg. 1974, Literaturwissenschaftler; Habilitand und Lehrbeauftragter am Institut für Germanistik II der Universität Hamburg. Publikations- und Forschungsschwerpunkte im Grenzgebiet von Literatur
und Philosophie von 1800 bis zur Gegenwart.
Kontakt: T.Ogrzal@gmx.net
Prof. Dr. Hans-Ernst Schiller, Jg. 1952, Professor für Sozialphilosophie und
-ethik an der Fachhochschule Düsseldorf. Arbeitsschwerpunkte: Theoriegeschichte des Individuums; Moral in der Welt des Kapitals.
Kontakt: hans-ernst.schiller@fh-duesseldorf.de.
Dr. Shierry Weber Nicholsen, Jg. 1941, war Professorin an der Antioch University in Seattle, Department Environment and Community;
praktizierende Psychoanalytikerin, Übersetzerin, Künstlerin. Arbeitsschwerpunkte: Ästhetische Theorie, Traumaforschung, Th. W. Adorno,
Walter Benjamin.
Kontakt: snicholsen@earthlink.net.
www.mittelweg36.de
Lernen Sie Mittelweg 36, die Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung, kennen!
Wir senden Ihnen gern ein Probeheft zu. Redaktion Mittelweg 36, Mittelweg 36, 20148 Hamburg
Tel.: 040/414097-0, Fax: 040/414097-11, zeitschrift@mittelweg36.de
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