Abb. 1 Borken. Flachbeil aus der frühen
Bronzezeit (Foto: LWLArchäologie für Westfalen/S. Brentführer)
Abb. 2 Coesfeld.
Randleistenbeil der
frühen bis mittleren
Bronzezeit (Foto:
LWL-Archäologie
für Westfalen/
S. Brentführer).
Archäologie in Westfalen-Lippe 2022
Abb. 3 Lüdinghausen.
Randleistenbeil der
mittleren Bronzezeit
(Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/
S. Brentführer).
Bronzezeit
AUSGRABUNGEN UND FUNDE
Ingo
Pfeffer
Spannende Neufunde – fünf bronzezeitliche
Beile aus dem Münsterland
Verschiedene Kreise, Regierungsbezirk Münster
Manchmal gibt es seltsame Zufälle – jahrelang werden kaum Funde einer bestimmten
Gattung entdeckt und dann folgen Schlag
auf Schlag gleich mehrere herausragende
Stücke hintereinander. So wurde 2018 lediglich ein Randleistenbeil vom Typ Oldendorf
nach Kibbert aus der frühen Mittelbronzezeit
von Frank Rüdiger Rösner in Bocholt (MKZ
4105,167), Kreis Borken, gefunden und dann
erst wieder 2020 ein weiteres Randleistenbeil
der Form Emmen nach Kibbert aus der frühen
bis mittleren Bronzezeit von Arkadiusz Czuczmann in Dülmen (MKZ 4109,35), Kreis Coesfeld. Danach wurde bis Ende 2021 kein weiteres Exemplar im Münsterland entdeckt.
Dann wurden jedoch in kurzem Abstand
weitere bronzezeitliche Stücke von Sonden-
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gängern gemeldet. Bei allen handelt es sich um
Einzelfunde von Ackerflächen ohne Befundzusammenhang. Den Anfang machte ein Fund
aus Borken, Kreis Borken, von Bastian Busch,
welcher im Dezember 2021 eingeliefert wurde. Danach folgten 2022 je ein Beil von Michael Hoeck aus Coesfeld und von Jewgeni Heiko
Lange aus Lüdinghausen, beide Kreis Coesfeld, sowie ein Bruchstück von René Metzger
aus Oelde, Kreis Warendorf. Als letztes folgte noch das Nackenstück eines Absatzbeils aus
Laer, Kreis Steinfurt, unter den Funden von
Alexander Matuszczyk, sodass insgesamt fünf
Neufunde zu verzeichnen sind.
Das Exemplar aus Borken (MKZ 4107,489)
stammt aus dem Umfeld einer altbekannten
Fundstelle am südwestlichen Stadtrand auf einer landwirtschaftlich genutzten Parzelle. Es
handelt sich um ein Flachbeil aus der frühen
Bronzezeit (Abb. 1). Es ist 8 cm lang, 3,1 cm
breit, 0,7 cm dick und wiegt 75 g. Durch die
lange Lagerung im Oberboden ist die Oberfläche angegriffen und vor allem an der Schneide sind Stücke durch den mehrfachen Kontakt
mit der Pflugschar herausgebrochen.
Die sogenannten Flachbeile sind die älteste Form und erinnern noch stark an ihre Vorbilder aus Fels- oder Feuerstein. Sie waren in
Westfalen von der ausgehenden Jungsteinzeit
bis in die mittlere Bronzezeit in Gebrauch. Das
vorliegende Stück kann dem Typ des dicknackigen Flachbeils mit bogenförmiger (gerundeter) Schneide und geradem Nacken zugeordnet
werden. Es wurde wahrscheinlich in der frühen Bronzezeit hergestellt.
AUSGRABUNGEN UND FUNDE
Abb. 4 Oelde. Bruchstück eines umgenutzten
Absatz- oder wahrscheinlicher eines Randleistenbeils (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/
S. Brentführer).
Abb. 5 Laer. Fragment
eines Absatzbeils (Foto:
LWL-Archäologie für
Westfalen/S. Brentführer).
6,00 cm, ist 2,65 cm breit und 0,88 cm dick. Das
Objekt hat ein Gewicht von 56,8 g und kann
wegen der Fragmentierung keinem Typ zugeordnet werden. Es ist eine schwache querverlaufende Verdickung erkennbar, bei der es sich
um den Rest eines Absatzes handeln könnte.
Zuletzt wurde es wohl als Keil genutzt und
zeigt deshalb die starken Deformierungen
und Abnutzungen. Eine Röntgenfluoreszenzanalyse hat ergeben, dass es aus 93,16 % Kupfer, 5,50 % Zinn, 0,79 % Arsen, 0,36 % Nickel
und 0,04 % Blei besteht. Nur Kupfer und Zinn
sind die Legierungsbestandteile des Bronzeobjekts. Eine Interpretation der Spurenelemente Arsen, Nickel und Blei erfolgte noch nicht,
wird aber nach der Analyse dieser und weiterer Beile aus dem Bestand des Zentralmagazins vorgenommen.
Auch bei dem Neufund aus Laer (MKZ
3910,185) handelt es sich um ein Fragment,
genauer um das Nackenstück eines Absatzbeils
mit Doppel-T-förmigem Querschnitt (Abb. 5).
Aufgrund der Fragmentierung kann es ebenfalls keinem Typ zugewiesen werden. Die erhaltene Länge beträgt 5,8 cm, die Breite 2,0 cm
und es ist 1,3 cm dick. Es ist noch 34 g schwer.
Absatzbeile waren der nächste technologische Fortschritt. Durch den Absatz konnte der
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Archäologie in Westfalen-Lippe 2022
Das Randleistenbeil aus Coesfeld (MKZ
4008, 158) ist trapezoid und 10 cm lang
(Abb. 2). Der Bereich der Schneide ist ca. 4,2 cm
breit und es verjüngt sich zum leicht gerundeten Abschluss des Nackens auf ca. 1,2 cm.
Im Profil des Nackenbereiches wird ein I-förmiger Querschnitt erkennbar, der durch die
flach ausgebildeten Randleisten entsteht. Der
Längsquerschnitt ist bikonvex und das Gewicht beträgt 141 g. Durch die Lagerung im
Boden wurde die Oberfläche angegriffen und
weist an mehreren Stellen starke Korrosionsspuren auf. Es wurde im Stadtteil Coesfeld-Stockum entdeckt und umgehend gemeldet. Ältere Beschädigungen geben einen
Hinweis auf die einstige Funktion als Gerät
zur Holzbearbeitung. Die Schneide erscheint
asymmetrisch. Diese einseitige Abnutzung
lässt ebenfalls darauf schließen, dass das Objekt ursprünglich als Werkzeug und nicht
als Waffe in Gebrauch war. Randleistenbeile stellen die technologische Weiterentwicklung der älterbronzezeitlichen Flachbeile dar.
Diese Innovation wird insbesondere durch
die namensgebenden Randleisten deutlich,
die zum einen der besseren Schäftung dienten und zum anderen den Materialverbrauch
bei gleichbleibender Belastbarkeit reduzierten.
Der Coesfelder Fund kann aufgrund seines Erscheinungsbildes der Form Emmen zugeordnet werden. Eines der verbindenden Merkmale dieser Form sind die niedrigen Randleisten.
Zudem sind diese Stücke regelhaft kleiner als
die vom verwandten Typ Neyruz. Chronologisch kann davon ausgegangen werden, dass
Beile der Form Emmen bereits in der frühen
Bronzezeit hergestellt wurden. Die starken
Analogien zu einem Exemplar aus PfungstadtEschollbrücken in Hessen könnten dafür sprechen, dass das Stück aus Coesfeld aus der mittleren Bronzezeit datiert und somit zu den
späten Vertretern dieser Gruppe gehört.
Das Randleistenbeil aus Lüdinghausen
(MKZ 4210,280) ist nur leicht an Schneide
und Nacken beschädigt (Abb. 3). Es ist 8,6 cm
lang, 3,9 cm breit und 1,1 cm dick. Es ist dem
oben vorgestellten Fund aus Coesfeld sehr
ähnlich und kann dementsprechend ebenfalls
der Form Emmen zugeordnet und in die frühe
bis mittlere Bronzezeit datiert werden.
Bei dem Stück aus Oelde (MKZ 4115,38)
handelt es sich um das Schneidenbruchstück
eines umgenutzten Absatz- oder Randleistenbeils (Abb. 4). Die ehemalige Schneide
zeigt starke Schlagspuren und ist gestaucht
und verdickt. Es hat eine erhaltene Länge von
AUSGRABUNGEN UND FUNDE
Holzgriff noch besser mit der Klinge verbunden werden. Stücke dieses Typs wurden seit
der mittleren Bronzezeit hergestellt.
Das vorgestellte Ensemble hat eine besondere wissenschaftliche Bedeutung für die Region. Frühe Bronzebeile bestehen manchmal
aus noch nicht recyceltem Metall. Sie wurden also aus unvermischtem Metall einer bestimmten Lagerstätte gegossen, sodass das
Erzrevier durch naturwissenschaftliche Untersuchungen wie Röntgenfluoreszenzanalysen und Materialvergleiche ermittelt werden
kann. Bei Fundstücken, die aus eingeschmolzenen, recycelten Altstücken hergestellt wurden, ist dies dagegen nicht möglich. Da Bronze
bzw. Kupfer und Zinn im Münsterland nicht
gewonnen werden können, muss zumindest
das Rohmaterial importiert worden sein. Somit können die neugefundenen Beile einen
wertvollen Beitrag zur Regional- und Handelsgeschichte leisten und werden weiterhin
im Fokus der Forschung bleiben.
Archäologie in Westfalen-Lippe 2022
Manuel
Zeiler
Bronzezeit
Summary
Five Bronze Age axes recently discovered by
detectorists in the Münsterland region offer a
good opportunity for a closer look at this type
of find. The axes date from the Early to the
Middle Bronze Age and throw a spotlight on
Samenvatting
Vijf door metaaldetectoramateurs gevonden
bronzen bijlen uit het Münsterland vormen
een goede reden om deze vondstcategorie nader te beschouwen. Het gaat om bijlen uit de
vroege en midden-bronstijd die een licht werpen op het metaalgebruik in het Münsterland
en op de toenmalige handelsroutes waarlangs
grondstoffen werden getransporteerd.
Literatur
Daniel Bérenger/Christoph Grünewald (Hrsg.), Westfalen in der Bronzezeit (Münster 2008). – Jürgen Gaffrey,
3500 Jahre Siedlungsgeschichte – Ergebnisse einer Prospektion in Bocholt-Mussum. Archäologie in WestfalenLippe 2018, 2019, 204–207 <https://doi.org/10.11588/
aiw.2019.0.76894>. – Albrecht Jockenhövel/Eugen Müsch/
Michael Overbeck, Bronzene Gießform von Werne –
Innenansichten. Archäologie in Westfalen-Lippe 2020, 2021,
245–248 <https://doi.org/10.11588/aiw.2021.91424>. –
Kurt Kibbert, Die Äxte und Beile im mittleren Westdeutschland. Prähistorische Bronzefunde, Abteilung 9,
Band 10 (München 1980). – Ingo Pfeffer, Endneolithische
und Bronzezeitliche Funde aus Soest. Soester Zeitschrift
126/127, 2015, 25–30.
Bronzezeitliche Neufunde aus Südwestfalen
Mehrere Kreise, Regierungsbezirk Arnsberg
Südwestfalen, der Regierungsbezirk Arnsberg,
besteht im Norden zu einem Drittel aus Altsiedellandschaften in Tieflagen (Hellwegzone,
Münsterländer Tieflandsbucht) und zu zwei
Dritteln aus Mittelgebirgslagen des Rechtsrheinischen Schiefergebirges. Letzteres gilt als
eher unattraktiv für prähistorische Landwirtschaft, weswegen für den Mittelgebirgsraum
lange angenommen wurde, dass er erst ab der
Eisenzeit umfassend aufgesiedelt wurde. Dieses Bild ist heute zu revidieren: 2018 konnte
Astrid Stobbe anhand eines Pollenprofils bei
Hilchenbach-Lützel, Kreis Siegen-Wittgenstein, nachweisen, dass bereits frühbronzezeitlicher Ackerbau im Sieger- oder Sauerland
existierte, und ein Gräberfeld bei Lennestadt-
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the Bronze Age exploitation of metal in Münsterland and the trade routes for raw materials
which existed during this period.
Elspe, Kreis Olpe (Abb. 1), das seit 2019 archäologisch untersucht wird, bildet für das zentrale Sauerland erstmals eine spätbronzezeitliche
Siedlungsgemeinschaft ab. Dieses Bild wird
durch Neufunde immer weiter ergänzt, denn
besonders durch das stark zunehmende Bauwesen und Aktivitäten von Sondengängern
steigt die Zahl bronzezeitlicher Fundstellen in
ganz Südwestfalen beständig. Von den heute
bekannten 140 bronzezeitlichen Fundstellen
wurden 45 – also knapp ein Drittel – erst seit
dem Jahr 2000 entdeckt (Abb. 1).
Beispielhaft hierfür sind drei ausgewählte Neuzugänge des Jahres 2022. Erstes Beispiel ist ein schlichter bronzener Absatzmeißel ähnlich der Form Kassel Variante Flieden