Der König als Krieger
Zum Verhältnis von Königtum und Krieg im Mittelalter:
Eine Einführung
Im Carmen de bello Saxonico lesen wir zur Schlacht an der Unstrut im
Jahr 1075, in der König Heinrich IV. die aufständischen Sachsen besiegte:
So kämpften beide Heere mit wildem Grimm,
als der tapfere König plötzlich mit dichtgedrängter Schar
sich mitten in die Feinde warf, niedertretend die Scharen
der gottesschänderischen Sachsen, die sich ihm zögernd entgegenstellten.
Wie ein Blitz fuhr der König dahin, schimmernd in herrlichen Waffen,
und streckte viele Tausend des eidbrüchigen Volkes nieder.
Und wie der leichte Staub durch den Hauch des Windes,
so zerstob auch das ganze Heer vor dem Anblick des Königs. 1
Die narrative Gestaltung und parteiische Sichtweise dieses Textes ist
nicht nur wegen der Aeneis-Zitate und der Metaphern offensichtlich. Es
zeigt sich hier, in welcher Form man seinen König loben konnte und
welche Idealvorstellungen man vom König in Kriegszeiten und auf dem
Schlachtfeld hatte. Heinrich erscheint als gewaltkompetenter Akteur,
der seine Feinde zu tausenden mit eigener Hand niederstreckt – seine
Anwesenheit in schimmernder Rüstung allein verbreitete Angst und
Schrecken. Der Krieg ist hier nicht nur ein Mittel der Politik, mit dem
Herrscherwillen umgesetzt werden soll, sondern auch ein Betätigungsfeld für den König, dessen Auftreten gemäß eines krieger-adligen Ver1
Carmen de bello Saxonico, ed. Oswald Holder-Egger (MGH SS rer. Germ. [17]; Hannover 1889), lib. III, v. 166-173, S. 19. Übersetzung: Quellen zur Geschichte Kaiser
Heinrichs IV., übers. v. Franz Josef Schmale/Irene Schmale-Ott (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 12; Darmstadt 42000), S. 183.
10
MARTIN CLAUSS – ANDREA STIELDORF – TOBIAS WELLER
ständnisses von Heldentum erzählt wird. Den konkreten Wirklichkeitsbezug dieser Episode wird man nicht zu hoch veranschlagen wollen.
Andererseits wäre die Erzählung aber kaum kommunizierbar, wenn
Könige nicht auch auf dem Schlachtfeld präsent gewesen wären.
Dabei ging von den Königen nicht nur Gefahr für ihre Gegner aus,
auch die Könige selbst waren Ziel von kriegerischer Gewalt. Dies belegt
etwa eine Episode, die zur Schlacht von Mühldorf im Jahre 1322 von
Matthias von Neuenburg erzählt wird. Der Wittelsbacher Ludwig IV.
stand bei Mühldorf Friedrich dem Schönen aus dem Hause Habsburg
im Kampf um die römisch-deutsche Krone gegenüber. Ludwig, dessen
Qualifikation für das Königsamt nach pro-wittelsbachischen Quellen
maßgeblich auf seinem Schlachtenruhm basierte, soll sich in dieser
Schlacht getarnt haben. Matthias von Neuenburg erzählt hierzu mit
Sympathie für Ludwigs Gegenspieler:
Er selbst [Ludwig IV.] erschien, um nicht erkannt zu werden, als
zwölfter im blauen Waffenrocke mit weißem Kreuzlein und ohne
königliche Abzeichen; er zweifelte nämlich nicht, daß er, wenn gefangen, getödtet werden würde.2
Dies ist nicht nur ein sehr früher Beleg dafür, dass die Wittelsbacher die
Farben Weiß und Blau der Grafen von Bogen übernommen haben, sondern lässt auch Rückschlüsse auf die Gefahren zu, denen ein König
ausgesetzt sein konnte, wenn er in den Krieg zog. Ludwig fürchtet in
dieser Episode um sein Leben und will sich daher für die Gegner unkenntlich machen. Dies wird von dem Quellenautor als Ausweis von
Feigheit verstanden und verweist damit auf zwei Aspekte: Von einem
König wird tapferes Agieren in der Schlacht erwartet – und: auch das
Leben eines Königs konnte in einer Schlacht gefährdet sein.
Thema dieses Sammelbandes und der ihm zu Grunde liegenden
Tagung ist die Bedeutung von Kriegführung und Kriegskultur für das
mittelalterliche Königtum Westeuropas. Kriegshandlungen waren in der
2
Die Chronik des Mathias von Neuenburg, ed. Adolf Hofmeister (MGH SS rer. Germ.
N.S. 4; Berlin 1924-1940), Fassung B, Kap. 49, S. 119. Übersetzung: Die Chronik des
Mathias von Neuenburg, übers. v. Georg Grandaur (Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit 84; Leipzig 31912), hier S. 77.
Der König als Krieger: Eine Einführung
11
mittelalterlichen Gesellschaft omnipräsent und oftmals eng mit dem
Königtum verknüpft. Nahezu alle Monarchen des Mittelalters haben
während ihrer Regierungszeit militärische Aktionen durchgeführt und
dabei in verschiedenen Funktionen agiert; diese kann man idealtypisch
in drei Kategorien fassen: Kriegsherr, militärischer Anführer (Feldherr)
und aktiver Kämpfer (Kombattant). Zwei Befunde sind dabei offensichtlich, wenn man die aktive Kriegsteilnahme mittelalterlicher Könige analysiert. Nur ganz wenige Könige Lateineuropas starben auf dem
Schlachtfeld (wie Zwentibold von Lothringen, Peter II. von Aragón,
Adolf von Nassau oder Johann der Blinde), bei Belagerungen (wie
Richard Löwenherz) oder trugen so gravierende Verletzungen davon,
dass sie an den Folgen starben (wie Rudolf von Rheinfelden). Dem stehen – wie eingangs gesehen – zahlreiche Quellenbefunde gegenüber,
die den König als aktiven Kämpfer, strahlenden Held und im höchsten
Maße gewaltkompetenten Akteur zeichnen.
Die offensichtliche Diskrepanz dieser Befunde lässt sich nur zum
Teil mit der vergleichsweise hochwertigen Defensivbewaffnung des
Monarchen und den speziellen Schutzvorkehrungen, die seine Umgebung für ihn traf, erklären. Darüber hinaus scheint hier eine für das
Thema grundlegende Dichotomie auf: die Wechselwirkung von Anspruch und Wirklichkeit. In Historiographie und historischer Dichtung
begegnet uns immer wieder der persönlich kämpfende König, der seine
Truppen unter hohem persönlichem Risiko in die Schlacht führt. Je
nach Perspektive der Darstellung beweist sich der Herrscher dabei als
tapferer Held oder erbärmlicher Feigling. Beide Motive setzen die aktive
Teilnahme voraus oder legen ein Fernbleiben vom Schlachtfeld als Feigheit aus, die in der Lesart der Gegner den jeweiligen König als seines
Amtes unwürdig ausweisen kann. Das Motiv des in eigener Person
kämpfenden Königs findet sich vom Früh- bis ins Spätmittelalter in
zahlreichen historiographischen Berichten.3 Das zu Grunde liegende
Erzählmuster basiert auf dem Ideal des Krieger-Helden und erscheint
auf den ersten Blick sehr konstant.
3
Demgegenüber betonen die „liturgischen“ Quellen wie die Krönungsordines, aber
auch die meisten bildlichen Herrscherdarstellungen in zeitgenössischen Codices eher
die Rolle des Herrschers als Friedensbringer und Rechtswahrer.
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MARTIN CLAUSS – ANDREA STIELDORF – TOBIAS WELLER
Diesem Idealbild steht die Wirklichkeit der mittelalterlichen
Schlachtfelder gegenüber. Deren Gefahrenpotential war für den König
zwar nicht in gleichem Maße bedrohlich wie für andere Kämpfer, dennoch setzte auch er sich einem persönlichen Risiko aus, wenn er in den
Krieg zog. Tod, Verletzung oder Gefangenschaft waren für ihn zwar
eher unwahrscheinlich, aber durchaus mögliche Folgen der Kampfhandlungen. Angesichts der herausgehobenen Stellung des Königs und einer
auf seine Person konzentrierten Herrschaftspraxis musste ein kriegsbedingter „Ausfall“ des Reichsoberhaupts gravierende Folgen für das
Verfassungsleben seines Reiches haben. Hier gilt es, zwischen den persönlichen Risiken für den König und den strukturellen Risiken für das
Königtum zu unterscheiden. Auch für den Verlauf der Schlacht hatte
der Ausfall des königlichen Heerführers gravierende Konsequenzen.
War er für seine Kriegspartei nicht mehr als Anführer sichtbar, berührte
dies einen neuralgischen Punkt im Netzwerk des Heeres und mündete
oftmals in Flucht und Niederlage. Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, inwieweit sich Könige tatsächlich an Gefechten beteiligt haben, und
ab welchem Punkt diese Teilnahme zu einem Risikofaktor für ihr Heer
wurde.
Die königliche Kriegsteilnahme bewegte sich also im Spannungsfeld
zwischen der Herrschertugend der Tapferkeit (fortitudo) und der Raison
des Königsamtes, wobei man Anspruch und propagiertes Selbstverständnis einer kriegeradlig geprägten Kultur in jedem Einzelfall von der
Wirklichkeit auf dem Schlachtfeld unterscheiden muss.
Im Krieg sahen sich die Herrscher mithin einem Dilemma gegenüber: Auf der einen Seite gab es Ansprüche, Erwartungen und Chancen,
auf der anderen Gefährdungen und Risiken. Kein mittelalterlicher Herrscher konnte sich diesem Dilemma vollständig entziehen, weil Kriegshandlungen allgegenwärtig und aufs Engste mit dem Königtum verknüpft waren. Jeder König führte Krieg, und jeder Krieg verlangte eine
Abwägung zwischen Chancen und Risiken; dies bezieht sich sowohl auf
die Person den Königs und seine Herrschaft als auch auf materielle und
immaterielle Aspekte. Erfolgreiches oder als erfolgreich propagiertes
Kriegertum bot die Chance für politischen und ökonomischen Gewinn;
darüber hinaus konnte der Herrscher sein Königtum durch Kriegführung legitimieren und präsentieren. In diesem Sinne riet z.B. Wibald
Der König als Krieger: Eine Einführung
13
von Stablo dem Stauferherrscher Konrad III., er solle sich auf gar keinen
Fall davon abbringen lassen, mit Gewalt gegen seinen aufsässigen und
verlogenen Gegner (Heinrich d. Löwen) vorzugehen und ihn unter den
Füßen zu zertreten, damit diesem nicht weiter nachgesagt werden könne, er vermöge dem König zu trotzen.4 Diesen Möglichkeiten stand das
Risiko von Tod oder Gefangenschaft gegenüber – mit erheblichen Konsequenzen für die Königsherrschaft und die dynastische Kontinuität.
Dabei ist die Frage, inwieweit es sich lohnte, sich einer existentiellen
Gefechtsgefahr auszusetzen, von den einzelnen Monarchen ganz unterschiedlich beantwortet worden, wobei natürlich auch die jeweiligen Charakterzüge und situative Gegebenheiten zum Tragen kamen.
Könige wirkten in verschiedenen Funktionen im Krieg. Diese reichten vom aktiven Kämpfer über den befehlenden Strategen bis zum
Kriegsherren, der nicht notwendigerweise persönlich in den Krieg zog.
Diese Rollen sind nicht trennscharf gegeneinander abzugrenzen und
konnten je nach Zeitpunkt und Kriegsereignis variieren. Im Verlaufe
eines Kriegszuges konnte ein Herrscher zugleich Kriegsherr, Feldherr
und Kämpfer sein. Dabei hing das Gefährdungspotenzial für seine Person wesentlich von der konkreten Funktion ab. Hier wären die grundlegende Bedeutung und die konkrete Ausgestaltung dieser Funktionen
im Kontext des gesamten Regierungshandelns zu klären. So ist zu fragen, ob und inwiefern sich die verschiedenen Rollen, die ein König im
Krieg einnehmen konnte, hinsichtlich ihrer Auswirkungen für die
königliche Reputation und in Bezug auf die Erweiterung des politischen
Handlungsspielraumes unterschieden.
Zum Forschungsstand
Der Zusammenhang von Königtum und Krieg ist bislang nicht systematisch untersucht worden – und zwar weder von verfassungsgeschichtlicher, noch von militärhistorischer Seite. Aus verfassungsgeschichtlicher
Perspektive standen und stehen meist andere Aspekte des Königtums
im Mittelpunkt: Der Hof und das personelle Umfeld des Herrschers
sind zuletzt Gegenstand eingehender Untersuchungen gewesen, ebenso
4
Das Briefbuch Abt Wibalds von Stablo und Corvey, ed. Martina Hartmann nach Vorarbeiten von Heinz Zatschek und Timothy Reuter (MGH Briefe der deutschen Kaiserzeit 9; Hannover 2012), Teil 2, Nr. 234, S. 499ff.
14
MARTIN CLAUSS – ANDREA STIELDORF – TOBIAS WELLER
wie die Organisation königlicher Hofhaltung unter den Bedingungen
der Reiseherrschaft.5 Zudem wurde in der jüngeren Forschung stärker
nach der sakralen Legitimation des Königtums gefragt oder die Rolle des
Königs als Richter und Vermittler beleuchtet.6 Zur Klärung der Frage,
aus welchen Gründen der König in den Krieg zog, warum er dabei oft
selbst in das Kampfgeschehen eingriff und welche Folgen sein Handeln
jeweils zeitigte, tragen diese Gesichtspunkte freilich nicht grundlegend
bei.
Insgesamt hat sich gerade in Deutschland die mediävistische Verfassungsgeschichte in den letzten Jahrzehnten nur mit einer gewissen
Zurückhaltung der kriegerischen Aspekte des mittelalterlichen König-
5
6
Zum Königs-/Kaiserhof und seiner personellen Zusammensetzung: Philippe Depreux, Prosopographie de l´entourage de Louis le Pieux (781-840) (Instrumenta 1;
Sigmaringen 1997); Alheydis Plassmann, Die Struktur des Hofes unter Friedrich I.
Barbarossa nach den Zeugen seiner Urkunden (MGH Studien und Texte 29; Hannover 1998); Peter Moraw (Hg.), Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter (Vorträge und Forschungen 48; Stuttgart 2002); Christian Uebach, Die
Ratgeber Friedrich Barbarossas 1152-1167 (Marburg 2008); Wolfram Ziegler, König
Konrad III. (1138-1152). Hof, Urkunden und Politik (Forschungen zur Kaiser- und
Papstgeschichte des Mittelalters 26; Wien 2008); Sophie Glansdorff, Comites in regno
Hludouici regis constituti. Prosopographie des détenteurs d´offices séculiers en
Francie orientale, de Louis le Germanique à Charles le Gros 826-887 (Instrumenta 20;
Ostfildern 2011). Zum sog. Reisekönigtum: Hans Conrad Peyer, Das Reisekönigtum
des Mittelalters, in: Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 51 (1964),
S. 1-21; Johannes Helmrath, Reisekönigtum und Itinerarforschung, in: Geschichte in
Köln 5 (1979), S. 106-143; Andrea Stieldorf, Reiseherrschaft und Residenz im frühen
und hohen Mittelalter, in: Historisches Jahrbuch 129 (2009), S. 147-177.
Franz-Reiner Erkens, Der Herrscher als „gotes drút“. Zur Sakralität des ungesalbten
ostfränkischen Königs, in: Historisches Jahrbuch 118 (1998), S. 1-39; ders., Herrschersakralität im Mittelalter. Von den Anfängen bis zum Investiturstreit (Stuttgart
2006); Ludger Körntgen, Königsherrschaft und Gottes Gnade. Zu Kontext und Funktion sakraler Vorstellungen in Historiographie und Bildzeugnissen der ottonisch-frühsalischen Zeit (Orbis mediaevalis 2; Berlin 2001); Hermann Kamp, Friedensstifter
und Vermittler im Mittelalter (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne;
Darmstadt 2001); s.a. die entsprechenden Beiträge in: Gerd Althoff (Hg.), Frieden stiften. Vermittlung und Konfliktlösung vom Mittelalter bis heute (Darmstadt 2011). Zur
herrscherlichen Rechtsprechung im Reich vgl. neben der von Bernhard Diestelkamp
initiierten Reihe „Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451“ auch die Beiträge von Knut Görich, Der Herrscher als parteiischer
Richter. Barbarossa in der Lombardei, in: Frühmittelalterliche Studien 29 (1995), S.
273-288, sowie Roman Deutinger, Der König als Richter, in: Recht und Gericht in Kirche und Welt um 900, hg. v. Wilfried Hartmann (Schriften des Historischen Kollegs.
Kolloquien 69; München 2007), S. 31-48.
Der König als Krieger: Eine Einführung
15
tums angenommen.7 Erst in jüngster Zeit hat sich die verfassungshistorische Forschung wieder eingehender mit diesem Themenfeld auseinander gesetzt: Für die karolingische Königsherrschaft
wurde die Bedeutung des Krieges unter ökonomischen Gesichtspunkten
eingehend untersucht.8 Andrea Stieldorf unterstreicht die Bedeutung
von Kriegszügen als wesentliches und kontinuierlich eingesetztes
Instrument zur Sicherung der Randzonen des Frankenreiches und seiner Nachfolgereiche.9 Eric Goldberg macht in verschiedenen Studien
deutlich, in welch hohem Maße das Königtum Ludwigs des Deutschen
nicht nur von militärischen Aktivitäten, sondern auch deren gezielter
Propagierung geprägt war.10 Und Knut Görich hat in eindringlicher
Weise die Wahrung des honor als wesentliches Movens königlichen
Handelns dargelegt – auch hinsichtlich der militärischen Aktivitäten.11
7
8
9
10
11
Achim Thomas Hack, Alter, Krankheit, Tod und Herrschaft im frühen Mittelalter.
Das Beispiel der Karolinger (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 56; Stuttgart 2009), S. 111-122 untersucht, welche karolingischen Könige im Krieg ums Leben
kamen.
Timothy Reuter, Plunder and Tribute in the Carolingian Empire, in: Transactions of
the Royal Historical Society 35 (1985), S. 75-94; Matthias Hardt, Gold und Herrschaft.
Die Schätze europäischer Könige und Fürsten im ersten Jahrtausend (Europa im Mittelalter 6; Berlin 2004); ders.: Awarengold und nomen imperatoris. Zur Vorgeschichte
der Kaiserkrönung Karls des Großen, in: Völker, Reiche und Namen im frühen Mittelalter, hg. v. Matthias Becher u. Stefanie Dick (MittelalterStudien 22; München
2010), S. 325-334.
Andrea Stieldorf, Marken und Markgrafen. Studien zur Grenzsicherung durch die
fränkisch-deutschen Herrscher (MGH Schriften 64; Hannover 2012); auch Roman
Deutinger, Königsherrschaft im ostfränkischen Reich. Eine pragmatische Verfassungsgeschichte der späten Karolingerzeit (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 20; Ostfildern 2006), S. 187-217.
Eric Goldberg, „More devoted to the equipment of battle than the splendor of banquets“. Frontier Kingship, Martial Ritual, and Early Knighthood at the Court of Louis
the German, in: Viator 30 (1999) S. 41–78; ders., Ludwig der Deutsche und Mähren.
Eine Studie zu den Grenzkriegen im Osten, in: Ludwig der Deutsche und seine Zeit,
hg. v. Wilfried Hartmann (Darmstadt 2004), S. 67-94; ders.: Struggle for Empire.
Kingship and Conflict under Louis the German, 817-876 (Conjunctions of Religion
and Power in the Medieval Past; Ithaca/NY u.a. 2006).
Knut Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas. Kommunikation, Konflikt und politisches Handeln im 12. Jahrhundert (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne;
Darmstadt 2001); neuerdings auch ders., Friedrich Barbarossa. Eine Biographie (München 2011); ders., Ehre als Ordnungsfaktor. Anerkennung und Stabilisierung von
Herrschaft unter Friedrich Barbarossa und Friedrich II., in: Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter, hg. v. Bernd Schneidmüller u. Stefan Weinfurter (Vorträge und Forschungen 64; Ostfildern 2006), S. 59-92; ders., Ehre des Königs und
16
MARTIN CLAUSS – ANDREA STIELDORF – TOBIAS WELLER
Was die Militärgeschichte angeht, so sind im Wesentlichen zwei Ansätze voneinander zu scheiden:12 Der eine nimmt in erster Linie die
konkreten kriegerischen Abläufe und die logistische Organisation von
Kriegführung in den Blick.13 Bei dem anderen wird der Krieg vorrangig
unter kulturhistorischen Fragestellungen betrachtet: Hier stehen die
Präsentation des Krieges, Freund- und Feindbilder (Propaganda), gesellschaftliche Rückwirkungen militärischer Auseinandersetzungen, die
Mentalität der Akteure etc. im Mittelpunkt.14 Beide Forschungsrichtungen haben sich jedoch bislang nicht systematisch mit dem Zusammenhang von Königtum und Krieg befasst. Vor allem die an der Rekonstruktion historischer Fakten interessierte Geschichte der Kriegführung hat
zwar immer wieder das kriegerische Verhalten einzelner Könige untersucht, doch stand dabei die jeweilige Person im Zentrum des Interesses,15 nicht die transpersonale Institution des Königtums. Unter diesem
Blickwinkel wurde das Verhältnis von König und Krieg bislang erst in
Ansätzen behandelt.16
Im Hinblick darauf sind die Überlegungen von Andrew Ayton zur
Funktionslogik mittelalterlicher Heere im Sinne der Netzwerktheorie
12
13
14
15
16
Ehre des Reichs. Ein Motiv in Begründung und Wahrnehmung der Politik Heinrichs
IV., in: Die Salier, das Reich und der Niederrhein, hg. v. Tilman Struve (Köln u.a.
2008), S. 303-326.
Vgl. hierzu Nathalie Fryde, Military History counter-attacks! Medieval Military History
in Great Britain today, in: Arbeitskreis Militärgeschichte e. V. newsletter 10 (2005), S.
11-12; Jörg Rogge, Das Kriegswesen im späten Mittelalter und seine Erforschung:
neuere englische und deutsche Arbeiten zu Krieg, Staat und Gesellschaft, in: Militär
und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit 8 (2004), S. 20-33; Hans-Henning Kortüm,
Der Krieg im Mittelalter als Gegenstand der Historischen Kulturwissenschaften. Versuch einer Annäherung, in: Krieg im Mittelalter, hg. v. dems. (Berlin 2001), S. 13-43.
Vgl. z.B. die Beiträge in: Ordinamenti militari in occidente nell’alto medioevo, Spoleto
1968 (Settimane di studio del Centro italiano di studi sull’alto medioevo 15), oder
jüngst Andrew Ayton/Philip Preston Bart (Edd.), The Battle of Crécy, 1346 (Warfare in
History; Woodbridge 2005).
Vgl. hierzu allgemein Anne Lipp, Diskurs und Praxis. Militärgeschichte als Kulturgeschichte, in: Was ist Militärgeschichte? hg. v. Thomas Kühne u. Benjamin Ziemann (Krieg in der Geschichte 6; Paderborn u.a. 2000), S. 211-227.
Genannt seien hier nur exemplarisch: Juliet Barker, Agincourt. The King, the Campaign, the Battle (London 2005); Wilfried Hartmann, Ludwig der Deutsche (Gestalten
des Mittelalters und der Renaissance; Darmstadt 2002), S. 166-172.
Vgl. etwa Jörg Rogge, Attentate und Schlachten. Beobachtungen zum Verhältnis von
Königtum und Gewalt im deutschen Reich während des 13. und 14. Jahrhunderts, in:
Königliche Gewalt – Gewalt gegen Könige, hg. v. Martin Kintzinger (Zeitschrift für
historische Forschung, Beiheft 33; Berlin 2004), S. 7-50.
Der König als Krieger: Eine Einführung
17
von hoher methodischer Relevanz.17 Dieser Ansatz akzentuiert die
Bedeutung adliger Führungspersonen im Kontext kriegerischer Gewaltsituationen und ist insofern gerade für den König als den zentralen
Kriegsherrn fruchtbar zu machen. Auch in den kulturhistorisch ausgerichteten Studien von Thomas Scharff zur historiographischen „Aufbereitung“ des Krieges vor allem im Frühmittelalter wird nach der Bedeutung des Krieges für die Königsherrschaft gefragt.18 So werden etwa die
Jahre, in denen karolingische Herrscher keine Kriege führten, in der
Annalistik als besondere Ausnahmen markiert. Der Verweis auf eine
königliche Jagd diente gleichsam als Kompensation: Wenn der König
schon keinen Kriegszug unternahm, dann bewies er seine Leistungsfähigkeit im Umgang mit Waffen im Rahmen einer Jagd. 19
Martin Clauss hat sich in seiner Studie zu Kriegsniederlagen im Mittelalter der narrativen Repräsentation von Niederlagen in der zeitgenössischen Historiographie angenommen.20 Dies betrifft insofern auch das
Königtum, da dieses oftmals im Zentrum der historiographischen Aufmerksamkeit steht; in der Geschichtsschreibung sind es zumeist die
Könige, die Schlachten schlagen und Niederlagen erleiden.21
17
18
19
20
21
Vgl. Andrew Ayton, From Muhi to Mohács – Armies and Combatants in Later Medieval European Transcultural Wars, in: Transcultural Wars from the Middle Ages to the
21st Century, hg. v. Hans-Henning Kortüm (Berlin 2006), S. 213-247.
Thomas Scharff, Reden über den Krieg. Darstellungsformen und Funktionen des
Krieges in der Historiographie des Frühmittelalters, in: Gewalt im Mittelalter. Realitäten – Imaginationen, hg. v. Manuel Braun u. Cornelia Herberichs (München 2005), S.
65-80; ders., Der rächende Herrscher. Über den Umgang mit besiegten Feinden in
der ottonischen Historiographie, in: Frühmittelalterliche Studien 36 (2002), S. 241253; ders., Die Kämpfe der Herrscher und der Heiligen. Krieg und historische Erinnerung in der Karolingerzeit (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne; Darmstadt 2002).
Malte Prietzel, Lernen durch Kriege. Die Feldzüge Karls des Großen und die Weltsicht der politischen Elite, in: Karl der Große – Charlemagne. Orte der Macht, Essays,
hg. v. Frank Pohle (Dresden 2014), S. 58-65, hier S. 59; im weiteren Zusammenhang
Martina Giese, Der König als Jäger im früh- und hochmittelalterlichen Europa (Habilitationsschrift München 2011).
Martin Clauss, Kriegsniederlagen im Mittelalter. Darstellung – Deutung – Bewältigung (Krieg in der Geschichte 54; Paderborn 2010).
Vgl. auch Martin Clauss, Kings as Military Leaders, in: The Oxford Encyclopedia of
Medieval Warfare and Military Technology, hg. v. Clifford J. Rogers, Bd. 1 (Oxford
2010), S. 466.
18
MARTIN CLAUSS – ANDREA STIELDORF – TOBIAS WELLER
Konzeption des Bandes
Bei der Konzeption der Bamberger Tagung schien es uns sinnvoll, das
aufgezeigte Themenfeld in fachlicher und zeitlicher Fokussierung
anzugehen. Die Beiträge des vorliegenden Bandes beleuchten aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive das Agieren der mittelalterlichen
Könige in kriegerischen Kontexten. Ein Schwerpunkt liegt also auf solchen kriegerischen Konflikten, in denen Könige aktiv waren oder ihre
Beteiligung zumindest proklamiert wurde. Es geht uns also weniger um
den Krieg als Mittel der Politik, das von Königen eingesetzt wurde oder
um organisatorische Aspekte der Kriegführung. Ausgespart haben wir
ferner genuin religiös motivierte oder begründete Kriege – also Könige
als Kreuzfahrer. Der Themenkomplex ‚Königtum und Krieg‘ ließe sich
sicherlich unter zahlreichen interdisziplinären Fragestellungen – von
der Kunst- über die Literatur- bis hin zur Gender-Geschichte – sowie im
epochenübergreifenden und transkulturellen Vergleich behandeln. All
dies soll künftigen Forschungen vorbehalten bleiben.
Angesichts der Komplexität des Themas sollen bei der Analyse des
Zusammenhangs von Königtum und Krieg verschiedene Ansätze zum
Zuge kommen, und zwar sowohl hinsichtlich der verschiedenen Quellengattungen, der Forschungsperspektiven und des methodischen Zugriffs. Zwei Zugänge zum Thema liegen gleichsam auf der Hand: über
den Krieg und über den König. Dem folgend sollen zum einen einzelne
Herrscher und ihr Verhältnis zum Krieg in den Blick genommen
werden. Beispiele aus dem Früh-, Hoch- und Spätmittelalter lassen Veränderungen und Konstanten erkennen. Die Untersuchung eines Königs
bzw. einer Dynastie soll klären, wo Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen oder sich bedingen. Auf der anderen Seite birgt die Annäherung an das Tagungsthema über einzelne Schlachten oder Kriege
den Vorteil, verschiedene Könige, ihre Aktionen und Reputationen vergleichen zu können. Deswegen bietet es sich an, solche kriegerischen
Auseinandersetzungen zu untersuchen, an denen mehrere Könige beteiligt waren – mit dem aufschlussreichen Sonderfall von Thronstreitigkeiten. Um Chancen und Risiken des Krieges für das Königtum zu
bewerten, soll verschiedenen thematischen Aspekten – wie der kriegerischen Herrscherrepräsentation, dem wirtschaftlichen Nutzen und
der politischen Bedeutung des Krieges – nachgegangen werden. Diese
Der König als Krieger: Eine Einführung
19
Fragen sind nicht für einen König oder einen Krieg, sondern nur im
Vergleich zu beantworten. Gleiches gilt für die Risiken des Krieges. Hier
stehen der Schlachtentod und die Gefangennahme des Königs im Vordergrund. Um Ansprüche und Erwartungen an die Könige zu erfassen,
sollen auch kriegstheoretische Schriften und Fürstenspiegel in die Analyse einbezogen werden, die sozusagen ein Idealbild des Herrschers auf
dem Schlachtfeld zeichnen.22
Der Aufbau des Sammelbandes spiegelt die Bamberger Tagung wieder und gliedert sich in drei Abschnitte: Chancen und Risiken des Krieges für das Königtum, Funktionen des Königs im Krieg sowie Anspruch
und Wirklichkeit des Königs als Krieger.
Chancen und Risiken des Krieges für König und Königtum
Den Chancen sind die ersten Beiträge in diesem Abschnitt gewidmet:
Andrea Stieldorf geht den Möglichkeiten der Repräsentation nach, die
sich den Königen im hochmittelalterlichen Reich im Kriegskontext
geboten haben. Michael Jucker analysiert die ökonomischen und symbolischen Aspekte der königlichen Kriegsbeute – eine Chance für Könige,
Gefolgschaften zu sichern und die Finanzen zu sanieren. Der Beitrag
von Alheydis Plassmann ist den englischen Königen und ihren Kriegen
mit den keltischen Nachbarn gewidmet: Erfolgreiche Kriegszüge dienten hier dazu, die königliche Reputation zu steigern.
Die beiden prominentesten Risiken für den König selbst waren Tod
und Gefangenschaft – Malte Prietzel analysiert die Darstellung des
Schlachtentodes Manfreds von Sizilien in der mittelalterlichen Historiographie: Der Tod des Herrschers stellte nicht nur ein Problem der Politik und der Dynastie dar, er musste auch historiographisch ausgedeutet
werden. Bastian Walter untersucht die Gefangennahme von Königen
auf spätmittelalterlichen Schlachtfeldern und ihre Folgen.
22
Zu dem Genre vgl. neuerdings Andreas Kosuch, Abbild und Stellvertreter Gottes. Der
König in herrschaftstheoretischen Schriften des Mittelalters (Passauer historische Forschungen 17; Köln u.a. 2011); ferner Ulrike Graßnick, Ratgeber des Königs. Fürstenspiegel und Herrscherideal im spätmittelalterlichen England (Europäische Kulturstudien 15; Köln u.a. 2004), die allerdings auf die „Handlungsanleitungen zur Kriegsführung“ nicht näher eingeht mit dem fragwürdigen Argument, diese Passagen
beträfen „nicht die alltägliche Anforderungen an einen Herrschaftsinhaber“ (ebd., S.
132, Anm. 18).
20
MARTIN CLAUSS – ANDREA STIELDORF – TOBIAS WELLER
Funktionen des Königs im Krieg
Dieser Abschnitt ist den unterschiedlichen Funktionen gewidmet, die
der König im Krieg einnehmen konnte, und verweist damit über das
Tagungsthema vom König als Krieger hinaus. Stefanie Rüther nimmt
die kriegstheoretische Literatur des Spätmittelalters in den Blick und
fragt, welche Aufgaben diese dem König im Krieg zuwies. Dann folgen
zwei Beiträge zu konkreten Kriegsszenarien: Tobias Weller untersucht
die Rolle der Herrscher in der Schlacht von Bouvines und Martin Clauss
die Feldzüge mit könglicher Beteiligung im Hundertjährigen Krieg.
Der König als Krieger - Anspruch und Wirklichkeit
Thomas Scharff fragt, wo denn die karolingischen Könige eigentlich auf
dem Schlachtfeld waren, und welche Aussagen die Quellen uns zu dieser – vermeintlich einfachen – Fragestellung erlauben. Mit Friedrich
Barbarossa steht ein König im Zentrum des Beitrags von Knut Görich,
der in zahlreichen Kriegen – auch persönlich – aktiv war und dessen
Beteiligung unterschiedliche Wertungen erfahren hat. Uwe Tresp geht
der Selbstinszenierung Karls IV., der allenthalben als Friedensfürst und
gebildeter Förderer von Wissenschaft und Kunst gilt, als Krieger nach.
Den Abschluss des Bandes bildet der resümierende Beitrag von Jörg
Rogge, der Entwicklungslinien herausarbeitet, Beobachtungen bündelt
und Schlussfolgerungen zieht – aber auch die Leerstellen benennt, die
weitere Forschungen zum Thema sinnvoll erscheinen lassen.
Bleibt noch Dank zu sagen.
Wir danken zunächst allen Autorinnen und Autoren für ihre Mitarbeit
an der Tagung und am Sammelband.
Ermöglicht wurde die Tagung durch die finanzielle Unterstützung
der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung. Vor Ort haben
die Mitarbeiter des Zentrums für Mittelalterstudien der Universität
Bamberg (ZEMAS) und die Hilfskräfte der Professur für Historische
Grundwissenschaften dafür gesorgt, dass die Tagung professionell und
in freundlicher Atmosphäre durchgeführt werden konnte. Ein herzliches Dankeschön dafür .
Der König als Krieger: Eine Einführung
21
Dem Leitungsgremium des Bamberger Zentrums für Mittelalterstudien danken wir herzlich für die Aufnahme des Bandes in die Reihe
und die großzügige Unterstützung bei den Druckkosten.
Martin Clauss - Andrea Stieldorf - Tobias Weller