Die vorliegende Dissertation von Alexander Muschik ist eine sehr solide Untersuchung auf breiter Quellen- und Literaturbasis, mit der der Verfasser einen grundlegenden Beitrag zur Erforschung der deutsch-schwedischen Beziehungen unter den Bedingungen der deutschen Zweistaatlichkeit in der Zeit des Kalten Krieges leistet. Anders als das benachbarte neutrale Finnland folgte Schweden dem Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik und erkannte lediglich die Bundesrepublik diplomatisch an. Für die DDR ergab sich – wie gegenüber allen westlichen Staaten – aus der Nichtanerkennung ein Legitimationsdefizit, dass sie durch ihre Auslandsaktivitäten zu überwinden suchte. Sie setzte auf die beiden skandinavischen Neutralen, da sie hoffte, ihre außenpolitische Isolation möglicherweise hier am ehesten durchbrechen zu können, und dann mit einem Dominoeffekt rechnete.
Vor diesem Hintergrund geht Muschik der Frage nach, wie sich die außenpolitischen Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten und Schweden angesichts der offenen Deutschlandfrage und der westlichen Nichtanerkennungspolitik gegenüber der DDR im Zeitraum von 1949 bis 1972 gestalteten. Die DDR sah sich in Reaktion auf den Bonner Alleinvertretungsanspruch und die daraus folgende diplomatische Isolierung in der westlichen Welt dazu veranlasst, zahlreiche Aktivitäten zu entwickeln, um die Bonner Blockadepolitik zu umgehen bzw. letztendlich zu überwinden, was die Bundesrepublik ihrerseits zu verhindern suchte. Daraus ergab sich eine permanente Konkurrenzsituation zwischen beiden deutschen Staaten.
Muschiks Entschluss, nicht nur die Beziehungen Schwedens zur Bundesrepublik zu untersuchen, sondern parallel und vergleichend dazu auch die Beziehungen zwischen dem Königreich und der von ihm nicht anerkannten DDR, hat sich bewährt. Durch diese Dreiecksperspektive konnte anschaulich nachgewiesen werden, dass es nicht nur Interaktionen im außenpolitischen Agieren der beiden deutschen Staaten untereinander, sondern auch in Bezug auf den betroffenen Drittstaat, also Schweden, gab.
Die Arbeit ist chronologisch aufgebaut. Die Periodisierung der Hauptkapitel orientiert sich an den deutschlandpolitischen Zäsuren. Die Jahre von der Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 bis zu deren Eintritt in die beiden antagonistischen Militärblöcke NATO und Warschauer Pakt 1955 bilden ein Kapitel. Nach dem Jahr 1955, das eine entscheidende Zäsur für die deutsche Nachkriegsgeschichte und damit auch für die Außenbeziehungen der beiden deutschen Staaten darstellt, erhielten die deutsch-deutschen Konkurrenzbeziehungen durch die Verkündung der Hallsteindoktrin eine neue Qualität. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Frage, mit welchen Mitteln die Bundesrepublik ihre Nichtanerkennungspolitik gegenüber dem neutralen Schweden durchzusetzen versuchte und welche Instrumente und Strategien die DDR einsetzte, um diese Politik zu konterkarieren. Da der DDR die Instrumente der klassischen Diplomatie im zwischenstaatlichen Umgang mit Schweden nicht zur Verfügung standen, hatte die auswärtige Kulturpolitik, vor allem die Auslandspropaganda, überdurchschnittliche Bedeutung für deren Selbstdarstellung und die Durchsetzung ihrer politischen Ziele. An Hand ausgewählter Beispiele aus den Bereichen der auswärtigen Propaganda- bzw. Öffentlichkeitsarbeit, der Verkehrsbeziehungen, von Messe- und Sportveranstaltungen sowie der Reisediplomatie wird aufgezeigt, wie sich der deutsch-deutsche Konkurrenzkampf in der Dekade zwischen 1955 und 1965 entwickelte und in welchen Bereichen und Formen er besonders zu Tage trat. Von besonderer politischer Brisanz waren in den 1960er-Jahren die deutsch-schwedischen Verkehrsbeziehungen. Aus dem schwedischen Interesse an der Aufrechterhaltung der traditionellen Kontinentalverbindung durch die DDR und einer Ausweitung des Fährverkehrs zwischen beiden Ländern versuchte die DDR, durch den Versuch, ein ostdeutsches Visabüro in Stockholm zu eröffnen, politisches Kapital zu schlagen.
Die DDR sah gerade in den Verkehrsverbindungen einen wesentlichen Anknüpfungspunkt zur Herstellung staatlicher Kontakte. Alle Bemühungen von Seiten der DDR, bilaterale Verhandlungen als de facto-Anerkennung zu werten und über diesen Bereich Beziehungen nach Schweden auf staatlicher bzw. Regierungsebene aufzubauen, scheiterten jedoch letztlich am Widerstand der bundesdeutschen Seite, die alle Aktivitäten der DDR mit Argusaugen verfolgte und entsprechend reagierte.
Ab 1960 kamen die deutsch-deutschen Querelen verstärkt auch auf Messe- und Sportveranstaltungen zum Ausdruck, denn die DDR sah in ihnen einen günstigen Anlass, öffentlichkeitswirksam mit der im Oktober 1959 neu eingeführten Staatsflagge Souveränität und Eigenstaatlichkeit zu demonstrieren. Auch sportliche Erfolge sollten in außenpolitischen Prestigegewinn umgemünzt werden, was teilweise gelang.
Ein nächstes Kapitel widmet sich den Austragungsformen der deutsch-deutschen Konkurrenz in Schweden vor dem Hintergrund der sich verändernden internationalen Rahmenbedingungen und der seit Ende der 1960er-Jahre allmählich erodierenden Hallsteindoktrin. Zeitlich umfasst es die Jahre 1965 bis zur Unterzeichung des Grundlagenvertrages zwischen beiden deutschen Staaten Ende 1972 und der Welle der diplomatischen Anerkennung der DDR durch die Länder des Westens. Ein letztes Kapitel untersucht mit der Festwochenkonkurrenz zwischen Rostocker Ostseewoche und Kieler Woche einen speziellen Aspekt der deutsch-deutschen Rivalität. Eine deutliche Konkurrenzsituation gab es nicht nur in Bezug auf diese Festwochen, sondern insgesamt im Bereich der auswärtigen Kulturpolitik. Deren Träger versuchten wiederholt, durch eine Dramatisierung der von der DDR-Kulturkonkurrenz ausgehenden Gefahren ihr Budget zu erweitern. Das wurde bei den Bemühungen des Stockholmer Goetheinstituts um einen Ausbau der Kulturarbeit in Schweden ebenso deutlich wie bei den Anträgen der Stadt Kiel um höhere Bundeszuschüsse für die Kieler Woche. Bonn war in realistischer Einschätzung der schwedischen Mentalität jedoch darum bemüht, eine weitere Politisierung der auswärtigen Kulturarbeit zu vermeiden. Nach dem erfolgreichen Start des DDR- Kulturzentrums in Stockholm Ende 1967 wurde zwar über eine Aufstockung der Mittel für das Goetheinstitut nachgedacht, doch angesichts des Imageschadens der DDR nach der Intervention der Truppen des Warschauer Vertrages im August 1968 in der Tschechoslowakei, wurden die Befürchtungen über die von der DDR-Kulturkonkurrenz ausgehenden Gefahren deutlich relativiert.
Auch die Stadt Kiel erhielt zwar ab 1961 höhere Bundeszuschüsse, um über die Kieler Woche ihre Beziehungen nach Skandinavien auszubauen und nach dem Vorbild der Ostseewuche Parlamentarier/innen, Ehrengäste oder auch Gewerkschafter/innen aus Skandinavien nach Kiel einzuladen, doch ein Ausbau der Kieler Woche im Sinne einer „Gegenpropaganda“ wurde in Bonn abgelehnt. (S. 230)
Gemessen an ihrer Zielsetzung – der Verhinderung der Anerkennung der DDR – wertet der Autor die Hallsteindoktrin bzw. ab 1969 die Scheeldoktrin auch in Bezug auf Schweden als durchaus erfolgreich. Er kommt andererseits aber auch zu dem Schluss, dass die Bundesregierung für die Aufrechterhaltung ihrer deutschlandpolitischen Grundsätze bis Ende der 1960er-Jahre einen hohen Preis zahlte – sowohl finanziell als auch politisch. „Ihre kompromisslose Blockadepolitik gegenüber der DDR, die einer europäischen Entspannung lange Zeit hinderlich im Wege stand, schadete dem Ansehen der Bundesregierung im Ausland nachhaltig und brachte ihr nicht ganz zu Unrecht den Ruf des ‚Scharfmachers’ im Kalten Krieg ein.“ (S. 231)
Der DDR gelang es allerdings nur sehr begrenzt, das für sich zu nutzen. Ihre Strategie, über den Ausbau ihrer außenpolitischen und außenpropagandistischen Aktivitäten in Schweden die fehlenden zwischenstaatlichen Beziehungen zu kompensieren und die schwedische Regierung zu einer Änderung ihrer Haltung in der Anerkennungsfrage zu bewegen, ging insofern nicht voll auf, als sich der internationale Durchbruch der DDR 1972/73 in erster Linie als Folge der internationalen Entspannung und der sozialliberalen Ostpolitik und weniger auf Grund des gewachsenen internationalen Einflusses des ostdeutschen Staates selbst vollzog.
Was die schwedische Haltung in der Deutschlandfrage anbelangt, kommt der Autor letztlich zu der Erkenntnis, dass Schweden alles andere als neutral war, sondern sich in starkem Maße an der Position der Bundesrepublik und der Westmächte orientierte. Die schwedische Position in der Deutschland- und Anerkennungsfrage war im Wesentlichen von zwei außenpolitischen Grundinteressen bestimmt – einem sicherheits- und einem wirtschaftspolitischen. Da die ungelöste deutsche Frage für Schweden ein enormes sicherheitspolitisches Risiko und ein permanentes Konfliktpotenzial angesichts des atomaren Wettrüstens und der geografischen Nähe Schwedens zu Deutschland war, lag eine Lösung der deutschen Frage durchaus im schwedischen Interesse. Dennoch wurde eine Anerkennung der DDR auf schwedischer Seite nie ernsthaft erwogen, weil die schwedische Regierung einerseits nicht in Konflikt zu den Westmächten geraten wollte, die die bundesdeutsche Nichtanerkennungspolitik gegenüber der DDR unterstützten und andererseits aus wirtschaftspolitischen Gründen auf gute Beziehungen zu Bonn angewiesen war. Ende der 1960er-Jahre verbot sich dann eine verfrühte Anerkennung der DDR für die schwedischen Sozialdemokraten/innen aus Rücksichtnahme auf ihre deutschen Parteifreunde/innen, allen voran Willy Brandt.
Die schwedische Regierung folgte in der Anerkennungsfrage dem Zeitplan der Scheeldoktrin und wartete mit der Anerkennung bis zur Unterzeichnung des Grundlagenvertrages. Damit war das wichtigste Ziel der DDR-Außenpolitik gegenüber Schweden, die Normalisierung der zwischenstaatlichen Beziehungen, nach einem fast zwei Jahrzehnte währenden Kampf schließlich erreicht.