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Die Erfindung betrifft einen Schwingungstilger oder Schwingungsdämpfer mit den im Oberbegriff des Hauptanspruchs beschriebenen Merkmalen. Schwingungstilger bzw. -dämpfer – nachfolgend auch kurz als Tilger bezeichnet – dienen zur gezielten Reduktion unerwünschter Schwingungen.
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Typische Anwendungen finden sich meist im Bereich technischer Systeme und Anlagen, aber auch in abweichenden Einsatzgebieten wie der Baudynamik. Allgemein ist der Einsatz eines Tilgers überall dort sinnvoll und zielführend, wo es aufgrund von resonanzbedingten Verstärkungsmechanismen zu erhöhten Schwingungen kommt, welche mitunter Beschädigungen von Maschinen und Bauwerken oder aber Produktionsausfälle zur Folge haben können.
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Der wesentliche Nachteil eines Schwingungstilgers liegt in dem erforderlichen Aufwand zur Auslegung eines einzelnen Tilgers an die jeweils vorliegende Schwingungssituation und die mitunter begrenzte Funktionsfähigkeit auf einen Freiheitsgrad. Dementsprechend kommen Tilger in großen Mengen bei der Serienfertigung zum Einsatz, bei welcher die Randbedingungen vorab detailliert erfasst und der Tilger speziell auf den jeweiligen Anwendungsfall ausgelegt werden kann. Typische Anwendungen finden sich hier im Automobilbau, wo Tilger unter anderem bei der schwingungstechnischen Optimierung von Cabrioverdecken wie auch bei der Reduktion von Torsionsschwingungen von Kurbelwellen zum Einsatz kommen. Die Fertigung für individuelle Einzelfälle erfordert eine detaillierte vorzeitige Berechnung des jeweiligen Anwendungsfalls oder aber eine messtechnische Erfassung bei einer bereits bestehenden Anwendung. Daher ist der erfolgreiche Einsatz eines Tilgers für einzelne Anwendungsfälle mit einem enormen Aufwand und Kosten verbunden und wird nur bei Maschinen und sonstigen Systemen realisiert, die von dementsprechender Relevanz sind.
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Anhand der beiden stark abweichenden Anwendungsbereiche für einen Schwingungstilger im Bereich der automatisierten Serienproduktion und der besonders kostenintensiven Einzelfertigung wird ein bis dato nicht abgedeckter Anwendungsbereich ersichtlich. Um diesen Bereich abzudecken, ist die Erarbeitung eines universell einsetzbaren und an beliebige Problemstellungen anpassbaren Tilgers auf Basis einer definiert konfigurierbaren Tilgerkonstruktion wünschenswert.
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Wesentliches Kriterium für einen solchen Tilger ist dessen Anpassbarkeit bzgl. der aus der Theorie bekannten dimensionslosen Kennzahlen – Massenverhältnis, Frequenzverhältnis und Dämpfungsgrad. Diese drei Kennzahlen sind wiederum abhängig von den drei Parametern eines Tilgersystems, der Tilgermasse, der Steifigkeit und Dämpfung des Tilgers bezogen auf das zu beeinflussende System. Um neben der gewünschten technischen Vielfältigkeit auch eine aus wirtschaftlicher Sicht lohnenswerte Perspektive zu schaffen, gilt es, diese Multifunktionalität im Rahmen einer geeigneten Konstruktion auf Basis dazugehöriger Baugrößen umzusetzen. Zusätzlich zu der geplanten Ausführung auf Basis unterschiedlicher Baugrößen ist es für eine optimale Anpassung an die jeweilige Aufgabenstellung ebenfalls vorteilhaft, eine Feinjustierung im Bereich der drei wesentlichen dimensionslosen Kennzahlen zu implementieren.
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Das Funktionsprinzip eines Tilgers ist bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Seither wurden immer vielfältigere Ausführungsformen für immer weitreichendere Anwendungsgebiete entwickelt. Im Rahmen fortschreitender technischer Anforderungen wurden dabei neben den passiven Tilgersystemen auch vermehrt aktive Tilgersysteme entwickelt.
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Aktive Systeme bringen allerdings den gravierenden Nachteil mit sich, dass sie auf einen eigenen Regelkreis sowie die Zufuhr von Hilfsenergie angewiesen sind, welches neben erhöhten Entwicklungs- und Investitionskosten auch fortlaufende Betriebskosten mit sich bringt. Daher haben sich diese Systeme als variable und dennoch individuelle Lösung nur in speziellen Marktnischen durchsetzen können.
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Neben den aktiven Systemen wurden im Laufe der Zeit vermehrt einstellbare Tilger entwickelt. Beispielhaft für die Ausführung eines bzgl. seiner Tilgerfrequenz anpassbaren Tilgers mit einer für die Tilgersteifigkeit verantwortlichen Blattfeder ist
DE10 2006 048 887B4 . Die dort beschriebene Erfindung basiert auf der Variation der für die Tilgerfrequenz relevanten Blattfederlänge. Bei der hier beschriebenen Lösung handelt es sich allerdings um eine ungedämpfte Variante, welche es zwar ermöglicht, den Tilger auf einen optimalen Betriebspunkt einzustellen, dem Einsatz bei variablen Betriebsbedingungen jedoch wiederstrebt, da sich ohne zusätzliche Dämpfung oft neue kritische Resonanzfrequenzen des Gesamtsystems ergeben. Abweichende bekannte Ausführungen mit verschiebbaren Tilgermassen auf einer Blattfeder bieten ähnliche Eigenschaften bzgl. der Frequenzvariabilität, besitzen allerdings ebenfalls eine unzureichende Dämpfung.
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Anhand der obigen Beispiele wird die Bedeutung der für eine breitbandige Anregung unverzichtbaren Dämpfung ersichtlich. Generell bieten sich zahlreiche physikalische Effekte, wie Festkörperreibung, Drosseleffekte bei Stoßdämpfern oder viskose Scherspannungseffekte in Flüssigkeiten, als Dämpfungsprinzip an. Der Einsatz von hochviskosen Silikonölen als reine Dämpfer (ohne gezielte Steifigkeitskomponente) ist nach
DE000004204127A1 ,
DE000004204128A1 und
DE000004204129A1 bekannt. Praktische Erfahrungen dieses auf den Scherspannungen innerhalb des viskosen Dämpfermediums beruhenden Wirkprinzips haben gezeigt, dass dieses eine besonders effektive und bzgl. seiner Betriebscharakteristik gut handhabbare Dämpfungsmethode ist.
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Ausgehend vom Stand der Technik liegt der Erfindung nun die Aufgabe zu Grunde, eine standardisierte Tilgerkonstruktion mit variabel einstellbarer Tilgerfrequenz und -masse sowie einem variablen Dämpfungsgrad zu entwerfen, welche möglichst analytisch beschreibbare Eigenschaften und eine einfache Handhabung bzgl. der Einstellbarkeit mit sich bringt.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch einen Schwingungstilger gemäß den Merkmalen der Patentansprüche 1 oder 2 gelöst. Vorteilhafte Weiterentwicklungen, Varianten und Zusatzmerkmale werden in den Unteransprüchen aufgeführt.
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Die zusätzlichen Vorzüge der Erfindung liegen in dem breitbandigen und aufgrund der guten Reproduzierbarkeit vorab über geeignete Parameterkonfigurationen einstellbaren Arbeitsbereich. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, bei unerwarteten Abweichungen des Systemverhaltens von den vorab getroffenen Annahmen bzw. Berechnungsergebnissen das Schwingungsverhalten vor Ort durch Feinjustierung der Tilgerparameter detailliert zu optimieren.
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Bestehende Erfindungen beziehen sich bisher lediglich auf die Anpassung eines Tilgerparameters und bieten keine Möglichkeit der Feinjustierung nachdem die jeweilige Tilgereinheit bereits am Einsatzort montiert worden ist. Hier bietet die neue Tilgerausführung insbesondere durch die einfach zu handhabende Feinjustierung mit Hilfe der verschiebbaren Langlochplatten sowie der variablen Füllstände in der Dämpfereinheit erhebliche Vorteile gegenüber den bestehenden Lösungen. Ein weiterer wesentlicher Vorteil, der sich aus den verschiebbaren Langlochplatten ergibt, ist, dass die Relativpositionierung der Tilgermasse und der Halterung beibehalten werden kann, welches keine weiteren Anpassungen zur Folge hat. Die Anpassung der Tilgermasse ist durch zusätzliche Adaptermassen ebenfalls ohne Weiteres möglich. Zudem bietet die Erfindung die Möglichkeit, mit Hilfe mehrerer unabhängiger Tilgermassen eine mehrdimensionale Tilgung mit jeweils unterschiedlichen Tilgerparametern zu realisieren, welche es ermöglicht, das Schwingungsniveau einer vorhandenen Struktur optimal zu dämpfen.
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Die Erfindung wird anhand der in den nachfolgenden Zeichnungen dargestellten Ausführungsbeispiele ergänzend erläutert.
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In den Zeichnungen zeigen:
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1 Gesamtansicht einer erfindungsgemäßen Tilgerkonstruktion als Ausführungsbeispiel für Rohrleitungen
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2 Detailansicht der möglichen Ausführung einer erfindungsgemäßen Feinjustierung der Tilgersteifigkeit
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3 Detailansicht einer alternativen Ausführungsmöglichkeit zur erfindungsgemäßen Feinjustierung der Tilgersteifigkeit
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4 Erweiterte Ausführung einer möglichen Steifigkeitsvariation durch zwei in Reihe geschaltete Blattfedern
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5 Schnittdarstellung der mit einem viskosen Dämpferöl gefüllten Dämpfereinheit
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6 Alternatives Ausführungsbeispiel in eindimensionaler Wirkweise
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Die Basis der Erfindung stellen die wesentlichen drei Komponenten eines Schwingungstilgers, die Tilgermasse (1), die als Steifigkeitskomponente fungierende Blattfeder (2) und die für die Dämpfung verantwortliche Dämpfereinheit (3), welche über eine geeignete Halterungskonstruktion (4) an die jeweils zu tilgende Hauptstruktur gekoppelt werden, dar. Das in 1 dargestellte Ausführungsbeispiel stellt eine speziell für den Einsatz an Rohrleitungen ausgearbeitete Konstruktion dar, welche aufgrund der bei Rohrleitungen häufig ausgeprägten Resonanzeffekte in zwei orthogonale Raumrichtungen in radialer Richtung zweidimensional ausgeführt ist. Das Ausführungsbeispiel beinhaltet neben dem allgemeinen Funktionsprinzip für die eindimensionale Wirkweise somit auch eine Ausführungsvariante für die mehrdimensionale Anwendung. Die Wirkrichtung der beiden Tilgermassen entspricht jeweils der Richtung, in der die Blattfedern das geringste Flächenträgheitsmoment besitzen.
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Als Tilgermasse (1) sind jegliche geometrische Ausführungsformen denkbar, die eine im Verhältnis zur eingesetzten Blattfeder (2) deutlich höhere Steifigkeit mit sich bringen. Bei der hier dargestellten Ausführung für eine Rohrleitung wurde dieses mit Hilfe von zwei Halbschalen realisiert, welche mit Hilfe einer Zwischenplatte (5) und einer Endplatte (6) über dazugehörige Schrauben (7) fest an die Blattfeder gekoppelt werden. Des Weiteren sind die jeweiligen Tilgermassen bei dieser Ausführung über je zwei Blattfedern (2) an die Halterung (4) gekoppelt.
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Andere geometrische Ausprägungen oder Ankopplungsvarianten sind hier ebenfalls möglich.
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Ein besonderes Merkmal der Erfindung stellt die für die Frequenzvariation und Feinjustierung veränderliche Einspannposition der Blattfeder dar. Diese ist im Ausführungsbeispiel so ausgeführt, dass die Blattfeder zwischen zwei in Blattfederrichtung verschiebbaren Langlochplatten (9) mit Hilfe einer Spannbrücke (8) und den dazugehörigen Schraubverbindungen (11) gegen ein dazugehöriges Gegenstück der Halterung (10) verspannt wird. Dieses ermöglicht im Anschluss an eine getroffene Vorauswahl bzgl. der Blattfederlänge, -breite und -dicke eine definierte Feinjustierung durch gezieltes Verschieben der Langlochplatten und die dadurch veränderliche frei schwingende Blattfederlänge, welches zu einer einstellbaren Steifigkeit führt. Diese Steifigkeitsanpassung bietet die Möglichkeit, die Tilgerfrequenz und dementsprechend auch das Frequenzverhältnis von Tilger- zu Hauptfrequenz des ursprünglichen Systems feinfühlig anzupassen. Die Besonderheit dieser Ausführung bzgl. bestehender Steifigkeitsvariationen ist, dass die Relativposition der Tilgermasse und der Halterung nicht verändert wird. Dadurch muss keine parallele Verschiebung der Dämpfereinheit oder sonstiger Bauteile erfolgen.
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Neben den primär eindimensional wirkenden Blattfedern ist eine Ausführung mit Rundstäben als Steifigkeitskomponente ebenfalls möglich. Diese ermöglichen es, die zu dämpfende Hauptstruktur mit Hilfe einer Tilgermasse zweidimensional zu tilgen.
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Eine Detailansicht sowie weitere Ausführungsformen sind den 2, 3 und 4 zu entnehmen. 2 verdeutlicht den exemplarischen Aufbau der verschiebbaren Einspannposition anhand des Ausführungsbeispiels. In 3 ist eine mögliche abgewandelte Ausführung dargestellt, welche beispielhaft für die vielfältigen konstruktiven Ausprägungsformen steht. Neben der hier jeweils verwendeten Ausführung mit Schraubverbindungen sind alternative Verbindungselemente ebenfalls denkbar.
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4 stellt eine sich nochmals von den bestehenden Justierungsansätzen unterscheidende Variante dar, welche einen besonders großen Variationsbereich bzgl. der einstellbaren Tilgerfrequenz mit sich bringt. Das Ausführungsprinzip beruht darauf, dass zwei Blattfedern aneinander gekoppelt werden und sich die daraus ergebende Gesamtsteifigkeit durch die einzelnen, in Reihe geschaltete Steifigkeitskomponenten bestimmen lässt. Durch Verschieben der hier ebenfalls für die freie Blattfederlänge beider Blattfedern verantwortlichen Verspannungseinheit lässt sich ein besonders breiter Frequenzbereich mit einer Tilgervariante feinjustieren. Das Prinzip ist neben der hier dargestellten Ausführung für die Rohrleitungsvariante mit zwei Blattfederkopplungen auch mit einer oder mehreren Blattfederkopplungen und ggf. auch mehreren in Reihe geschalteten Blattfedern denkbar.
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Ein weiterer wesentlicher Bestandteil der Erfindung ist die Dämpfereinheit (3). Deren Wirkprinzip basiert auf den geschwindigkeitsproportionalen Scherkräften innerhalb eines idealerweise hochviskosen Dämpfermediums. Die Variante des Ausführungsbeispiels ist so aufgebaut, dass das Dämpfergehäuse an die Tilgermasse gekoppelt ist und ein dazugehöriger Eingriffskörper (15) (siehe 5) über einen Dämpferschenkel (12) an die Halterung gekoppelt ist. Dämit das Dämpfermedium nicht entweichen kann, ist eine Membran (13) zwischen Dämpfergehäuse und Eingriffskörper vorgesehen. Des Weiteren soll eine Ventilschraube (14) das Befüllen und Entleeren des Dämpfergehäuses vereinfachen.
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Anhand von 5 ist der generelle Aufbau der Dämpfereinheit dargestellt. Um möglichst große Scherspannungen im Fluid zu erzeugen, besteht sowohl der Eingriffskörper (15) als auch die innere Kontur des Dämpfergehäuses aus mehreren Lamellen (16). Diese können sich relativ zueinander bewegen und erzeugen über deren Relativgeschwindigkeit die für die Dämpfung erforderliche geschwindigkeitsproportionale Dämpferkraft. Abweichend von der hier realisierten Konturausprägung in Form von Lamellen sind weitere Innengeometrien denkbar. Diese können aus einfachen Zapfen bis hin zu beliebigen Freiformkonturen bestehen. Durch die homogene Ausfüllung des Dämpfervolumens mit Lamellen oder anderen geometrischen Körpern ist die Dämpfungscharakteristik der Dämpfereinheit von deren Orientierung nahezu unabhängig und wird primär durch den Füllstand des Dämpfungsmediums bestimmt.
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Alternativ ist es ebenfalls denkbar, dass anstatt eines flüssigen Mediums eine verfestigte Polymerstruktur als Dämpfungskomponente verwendet wird.
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Sonstige bereits zum Stand der Technik gehörenden Dämpfungsprinzipien zwischen der zu beeinflussenden Struktur und der Tilgermasse lassen sich ebenfalls implementieren.
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Für konstante Betriebsbedingungen ist eine Ausführung ohne zusätzliche Dämpfungskomponente aufgrund der präzise einstellbaren Tilgerfrequenz ebenfalls möglich. Dabei könnte es sich als sinnvoll erweisen, wenn an der verschiebbaren Einspannkonstruktion auf eine Verspannungskomponente mit ggf. geringfügigen eigenständigen Dämpfungseigenschaften, wie z. B. einem Elastomer, zurückgegriffen wird.
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Ebenfalls denkbar ist auch eine Ausführung ohne explizite Steifigkeitskomponente. Dadurch basiert die Systembeeinflussung nicht mehr auf dem eigentlichen Tilgerprinzip sondern auf einem reinen Dämpfungsprinzip, welches bei ausreichend großer Dämpfung ebenfalls die gewünschte Schwingungsreduktion mit sich bringt.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Tilgermasse
- 2
- Steifigkeitskomponente
- 3
- Dämpfungskomponente
- 4
- Halterung-Anbindung an die zu dämpfende Hauptstruktur
- 5
- Zwischenplatte
- 6
- Endplatte
- 7
- Schrauben
- 8
- Spannbrücke
- 9
- Langlochplatte
- 10
- Gegenstück der Halterung
- 11
- Schraube
- 12
- Dämpferschenkel
- 13
- Dämpfermembran
- 14
- Ventilschraube
- 15
- Verschiebbarer Einspannblock
- 16
- Dämpfergehäuse
- 17
- Dämpferdeckel
- 18
- Eingriffskörper
- 19
- Lamellen