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Schleppender Untergang

Roman Ehrlich scheitert in „Malé“ leider an den eigenen Ambitionen

Von Sascha SeilerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sascha Seiler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Vor drei Jahren hat Roman Ehrlich mit seinem zweiten Roman Die fürchterlichen Tage des schrecklichen Grauens ein literarisches Meisterwerk abgeliefert, das perfekte Buch in Zeiten einer sich in gegenseitigem Misstrauen langsam zersetzenden Gesellschaft. Leider wurde dem Buch nicht die mediale Beachtung zuteil, die es verdient hätte, obwohl der mysteriöse Plot ein hohes Maß an Spannung bereithielt. Tatsächlich hätte das Buch auch sehr gut als Thriller funktioniert, wenn da nicht dieses äußerst schwer zu deutende Ende gewesen wäre.

Mit Spannung wurde also der neue Roman des deutschen Schriftstellers erwartet, zumal noch vor Veröffentlichung die Aufnahme in die Longlist des Deutschen Buchpreises verkündet wurde. Der Plot von Malé war, glaubte man dem Werbetext, ähnlich mysteriös wie der seines Vorgängers und beschäftigte sich wieder mit dem Phänomen des gesellschaftlichen Zerfalls, nur statt im Kleinen nun im Großen: Eine dystopische Zukunftsvision in Zeiten der globalen Klimakatastrophe.

Vielleicht ist es auch die hohe Erwartungshaltung, die Malé nun zu einer so großen Enttäuschung macht. Der Plot ist, anders als in Die fürchterlichen Tage des schrecklichen Grauens, fürchterlich zäh und bewegt sich, wenn überhaupt, im Schneckentempo voran. Auch die Ausgangsidee ist nicht weltbewegend originell: Die Malediven sind buchstäblich dem Untergang geweiht, deswegen aber gleichsam zu einem Zufluchtsort für Sinnsuchende aus aller Welt geworden – eine Art postapokalyptisches Aussteigerparadies, das naturgemäß wenig paradiesisch daherkommt.

Überwacht von kriminellen Vereinigungen der verbliebenen Einheimischen spielt sich ein gewisser „Professor“ zum Herrscher/Guru über die Hauptstadt auf, er ist der Pförtner zum Aussteigerdasein auf der Insel. Doch sicher ist man dort keineswegs, wie der vermeintliche Tod einer Schauspielerin und das Verschwinden eines mit ihr befreundeten Lyrikers zeigen, die zunächst Ausgangspunkt für die Romanhandlung sind. Der Vater der Schauspielerin kommt nach Malé und sucht seine Tochter, überzeugt davon, dass diese noch lebt. Doch dieser zentrale Plot bleibt Gerüst, alternierend begegnen uns zahlreiche seltsame Gestalten aus aller Welt, die auf der Insel ums eigene Überleben kämpfen. Jede Geschichte wird nur angerissen, ständig befindet sich der Leser in einem umnebelten Zustand der Orientierungslosigkeit, als habe er selbst die Droge zu sich genommen, die sich langsam auf der Insel verbreitet und für weiteres Unheil zu sorgen verspricht.

Wie auch im Vorgänger beweist Ehrlich ein sehr feines Gespür für Sprache. Die repetitive, ab einem gewissen Punkt bewusst enervierende attributive Erwähnung der Berufe aller Figuren sorgt tatsächlich für eine gewisse Distanzierung des Erzählers vom Geschehen. Diese oft naiv wirkende Erzählhaltung, die wirkt, als müsse sich der Erzähler immer wieder seiner eigenen Geschichte und deren Protagonisten versichern, hat bereits im Vorgängerroman für ein starkes Gefühl von Befremdung gesorgt. In Malé verkommt es allerdings zum leeren Kunstgriff.

Das wäre noch zu entschuldigen, würde die Handlung nicht so schleppend voranschreiten, wären die einzelnen Szenen nicht so pathosgeladen und könnte man am Ende das Gefühl gewinnen, dass sich die einzelnen Puzzleteile zu einem Ganzen fügen. Letztlich bleibt aber das Gefühl, es gehe in dem Roman vielmehr um eine Idee, ein Konzept, dem eine banale Handlung übergestülpt wurde. Die Fragen, die der Text mit Sicherheit stellen möchte, bleiben damit letztlich unbeantwortet.

Titelbild

Roman Ehrlich: Malé.
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2020.
240 Seiten, 23,00 EUR.
ISBN-13: 9783103972214

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