1 Einleitung

Ausbilder:innen in Betrieben sind, zusammen mit Lehrkräften an berufsbildenden Schulen, zentrale Akteure der beruflichen Bildung. Während Lehrpersonen relativ stark professionalisiert sind, absolvieren Ausbilder:innen i. d. R. lediglich eine Fortbildung nach der Ausbildereignungsverordnung (AEVO), um grundlegende berufs- und arbeitspädagogische Qualifikationen zu erwerben. Sie sind darüber hinaus maßgeblich auf informelle Lern‑, Austausch- und Kommunikationsformate angewiesen. Insbesondere sind Online-Communities und entsprechende digitale Kommunikationsplattformen ein virtueller Ort, an dem das Bildungspersonal, über die Grenzen des eigenen Betriebs hinaus, aktuelle Fragen und Probleme diskutieren kann. Ausbilder:innen sind in der erziehungswissenschaftlichen Forschung nur selten Gegenstand empirischer Untersuchungen, was häufig auch mit dem schwierigen Feldzugang begründet wird (u. a. Diettrich und Harms 2018).

Aus diesem Grund sind Online-Communities aus Forschungsperspektive relevant, da man hier verschriftlichte, öffentlich zugängliche Kommunikation von Ausbilder:innen erheben und analysieren kann. Im Beitrag wird dies prototypisch am Beispiel der Plattform foraus.de erprobt. Zur Analyse wird ein computerlinguistisches Verfahren eingesetzt, welches induktiv Themen in der Diskussion identifiziert und quantifiziert. Somit ermöglicht das Verfahren einen breiten, authentischen Einblick in die Diskussionen der Bildungspraxis. Die identifizierten Themen können in zeitlicher Perspektive ausgewertet werden, um thematische Entwicklungen zu rekonstruieren und schließlich Zusammenhänge zu bildungspolitischen und arbeitsmarktlichen Entwicklungen zu untersuchen. Insofern werden nicht nur in deskriptiver Absicht Themen ermittelt, sondern auch in explikativer Absicht Erklärungen für veränderte Schwerpunkte in der Diskussion geliefert. Das übergeordnete Ziel besteht jedoch darin, das Potenzial von Foren als Feldzugang sowie computerlinguistischer Verfahren als Auswertungsmethode für die erziehungswissenschaftliche Forschung zu illustrieren.

Nachfolgend sollen zunächst Ausbilder:innen als zentrale Akteure der beruflichen Bildung eingeführt werden. Danach werden Online-Foren als virtuelle Öffentlichkeiten vorgestellt und ihre Eignung für Forschungszwecke abgeleitet. Anschließend werden die Fragestellungen für das explorative Forschungsvorhaben vorgestellt und das methodische Vorgehen erläutert. Nach einer ausführlichen Präsentation der Befunde endet der Beitrag mit einer kritischen Zusammenfassung und einem Ausblick.

2 Ausbilderinnen und Ausbilder

Ausbilder:innen in Betrieben im engeren und betriebliches Bildungspersonal im weiteren Sinne sind, zusammen mit Lehrkräften an berufsbildenden Schulen, zentrale Akteure der beruflichen Bildung in Deutschland. Im Kern sollen sie im Rahmen der Berufsausbildung Jugendliche und junge Erwachsene bei Erwerb und Weiterentwicklung beruflicher Handlungsfähigkeit unterstützen. In § 2 und § 3 konkretisiert die Ausbildereignungsverordnung vier zentrale Handlungsfelder (AEVO 2009): Ausbilder:innen sollen u. a. 1) die Ausbildungsvoraussetzungen der Betriebe prüfen und die Ausbildung planen, 2) die Ausbildung vorbereiten und bei der Einstellung von Auszubildenden mitwirken, 3) die Ausbildung durchführen sowie 4) abschließen (einschl. Prüfungen). Die Aufgabe von Ausbilder:innen hat eine pädagogische und ökonomische Seite. Aus pädagogischer Sicht geht es um berufliche Sozialisation, die Sicherstellung persönlicher Beschäftigungsfähigkeit und Persönlichkeitsentwicklung (berufliche Mündigkeit). Aus ökonomischer Sicht wird die Entwicklung von und Investition in Humankapital (Tüchtigkeit) sowie dessen Verwertung fokussiert (Gössling und Sloane 2013; Harteis et al. 2004). Dabei dürfte die ökonomische Perspektive der Betriebe die Ausbildungspraxis dominieren, wie Gössling und Sloane (2013, S. 232 f.) resümieren: „Betriebe existieren aus einem ökonomischen Grund. Die Erziehungsaufgaben, die Betriebe etwa im Rahmen der dualen Berufsausbildung erfüllen, sind ein Ergebnis der ökonomischen Tätigkeit, nicht ihr Grund.“

Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) berichtet, dass die Zahl der registrierten Ausbilder:innen im Jahr 2021 628.281 Personen betrug, die die Ausbildung von 1.255.440 Auszubildenden allein im dualen System begleiten können (BIBB 2023). Hieran wird bereits eine erhebliche quantitative Bedeutung dieser Personengruppe ersichtlich. Die Zahl der sog. ausbildenden Fachkräfte (s. unten) dürfte nochmals deutlich höher liegen. Schätzungen gehen von 2,5 bis 3 Mio. weiteren Personen aus, die teilweise und/oder sporadisch Ausbildungs(teil)aufgaben wahrnehmen, wobei deren exakte statistische Erfassung kaum möglich ist (Bahl und Schneider 2022; Baumgartner 2015; Jansen 1989; Pätzold 2006). Baum et al. (2022) berichten aktuell, dass in Betrieben, die ausbilden, jede dritte Person mit Ausbildungsaufgaben betraut ist. Die qualitative Bedeutung des betrieblichen Bildungspersonals wird u. a. im Zusammenhang mit der Ausbildungsqualität diskutiert. Velten und Schnitzler (2012) bspw. fassen zusammen, dass zwischenmenschliche Beziehungen im Rahmen der Ausbildung eine wichtige Rolle für Lernklima und Lernerfolge spielen. Insofern werden die fachlichen und fachdidaktischen Kompetenzen der Ausbilder:innen als wichtige Aspekte der Ausbildungsqualität beschrieben. Hierbei geht es u. a. um die Fähigkeit zum Erklären berufsfachlicher Inhalte oder zu regelmäßigen, konstruktiven Rückmeldungen über Lern- und Handlungsprozesse und entsprechende Ergebnisse (vgl. auch Böhn und Deutscher 2019; Klotz et al. 2017; Krötz und Deutscher 2021).

Voraussetzung zur Einstellung und Ausbildung von Auszubildenden ist nach Berufsbildungsgesetz (§ 28–30 BBiG 2020) u. a. die persönliche und fachliche Eignung des ausbildenden Personals. Letzteres bedeutet, dass eine Person ausbilden darf, wenn sie „die beruflichen sowie die berufs- und arbeitspädagogischen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, die für die Vermittlung der Ausbildungsinhalte erforderlich sind“ (§ 30 (1) BBiG). Die AEVO (2009) regelt wiederum, wie der Erwerb der berufs- und arbeitspädagogischen Qualifikationen nachzuweisen ist. Die entsprechende Prüfung absolvierten im Jahr 2021 83.880 Personen erfolgreich (BIBB 2023). Der „Rahmenplan zur AEVO“ empfiehlt zur Vorbereitung auf die Prüfung einen Lehrgang mit einem Umfang von 115 Unterrichtsstunden (BIBB 2024). Somit kann von der ursprünglichen Idee aus den 1960er/1970er-Jahren, über die AEVO eine Angleichung der Ausbilder:innenqualifikation an jene von Berufsschullehrkräften vorzunehmen, (noch immer) nicht (mehr) die Rede sein (Bahl 2018; Brünner und Bahl 2013; Schlömer et al. 2019). In den Jahren 2003 bis 2009 wurde diese formale Mindestqualifikation zudem ausgesetzt. Dies erfolgte aufgrund der Krise auf dem Ausbildungsstellenmarkt (Lehrstellenmangel). Da Teile der Wirtschaft die AEVO als hemmende Vorschrift für die Krise verantwortlich machten, sollte Betrieben durch die Aussetzung der Einstieg in die Ausbildung erleichtert werden (Ulmer und Gutschow 2013). Die Evaluation dieser Maßnahme durch das BIBB zeigte, dass der erhoffte quantitative Effekt auf das Angebot nicht wie erwartet eintrat, und stattdessen die Aussetzung zulasten der Ausbildungsqualität ging (Ulmer und Jablonka 2008). 2009 wurde die AEVO daher wieder eingesetzt. Bahl und Brünner (2013) heben die Bedeutung der AEVO als Mindestqualifikation hervor, da durch sie die Tätigkeit von Ausbilder:innen überhaupt erst in den Blick von Berufsbildungspolitik und -forschung gerückt wurde und Nielsen (2011) stellt im internationalen Vergleich fest, dass nur wenige Länder vergleichbare Anstrengungen unternehmen, um Ausbildungsqualität über die Qualifizierung des Personals sicherzustellen.

Brünner (2014) zeigt jedoch, dass es den Beruf oder die Tätigkeit „Ausbilder:in“ nicht gibt und kein gemeinsamer Aufgabenkern des betrieblichen Ausbildungspersonals abgeleitet werden kann. Vielmehr lassen sich verschiedene Typen bilden, denen unterschiedliche Aufgabenbündel auf makro- und mikrodidaktischer sowie pädagogischer Ebene zugeordnet werden. Da oben bereits ein engerer und weiterer Ausbilder:innenbegriff angedeutet wurde, muss eine weitere Differenzierung eingeführt werden. Im engeren Sinne werden unter Ausbilder:innen Personen verstanden, die wesentlich ausbildende Tätigkeiten wahrnehmen, i. d. R. nach AEVO qualifiziert sind und seitens der Betriebe bei den zuständigen Stellen registriert wurden. Ein weiter Begriff schließt Fachkräfte ein, die zusätzlich zu ihren eigentlich fachlichen Aufgaben mit Teilaufgaben der Ausbildung betraut, aber nicht bei zuständigen Stellen gemeldet und auch nicht entsprechend qualifiziert sein müssen (Bahl und Schneider 2022; Baumgartner 2015; Rausch et al. 2014; Schlömer et al. 2019). Solchen ausbildenden Fachkräften wird die Verantwortung für Teilaufgaben in der Ausbildung aufgrund ihrer Betriebserfahrung und ihrem Sozialverhalten sowie aufgrund ihrer Motivation übertragen (Bahl et al. 2012; Baumgartner 2015; Ebbinghaus 2009; Schmidt-Hackenberg et al. 1999). Sie werden von Weiß (2011) als die „eigentlichen Ausbilder/-innen“ bezeichnet, weil sie einen erheblichen Beitrag für die betriebliche Ausbildung leisten, ohne dass sie ausreichend pädagogische Unterstützung erhalten. Daher sind sie in besonderem Maße auf informelle Lernprozesse, i. S. v. learning by doing, Selbststudium und kollegialen Erfahrungsaustausch, angewiesen. Hier spielen Communities of Practice eine wichtige Rolle (Wenger 2003), also die Einbindung von Ausbilder:innen in eine Gemeinschaft, in der die Mitglieder ähnliche praktische Aufgaben haben und hierfür voneinander lernen wollen. Die Einbindung in eine solche Gemeinschaft kann es gerade Neulingen ermöglichen, von Erfahrenen zu lernen. Das BIBB stellt für diese Personen, u. a. über Internetportale (Foraus.de) und Handreichungen für die didaktische Gestaltung der Ausbildung (BIBB 2021), Informationen und Austauschformate bereit.

Zum betrieblichen Ausbildungspersonal zählen also, neben den Ausbilder:innen i. e. S., auch Personen, die in aller Regel kaum, zumindest nicht formal pädagogisch qualifiziert sind. Während Berufsschullehrkräfte vergleichsweise stark professionalisiert sind, stellt die arbeits- und berufspädagogische Mindestqualifikation nach AEVO eher eine Berechtigung als eine Befähigung zum Ausbilden dar. Ausbilder:innen orientieren sich daher auch eher an den eigenen privaten und beruflichen Erfahrungen sowie an betrieblichen Verhaltensstandards als an pädagogischen Kriterien. Schlömer et al. (2019) weisen darauf hin, dass Ausbilder:innen im Hinblick auf ihr didaktisch-methodisches Selbstverständnis i. d. R. auf bewährte didaktisch-methodische Arrangements setzen und tradierte Ausbildungsmuster reproduzieren (vgl. auch Bahl 2018; Baumgartner 2015; Brünner 2014; Gössling und Sloane 2013). Ältere Befunde von Pätzold et al. (2003) zeigen ebenfalls, dass ausbilder:innenzentrierte Methoden (Demonstration und v. a. die sog. Vier-Stufen-Methode) die betriebliche Ausbildung dominieren.

Auch aufgrund solcher Befunde gab es Ende der 2000er-Jahre intensivere Bestrebungen, die Tätigkeit von Ausbilder:innen stärker zu professionalisieren und oberhalb der AEVO eine Angleichung der Qualifikationen an die von Berufsschullehrkräften zu ermöglichen. Mit den Abschlüssen „Geprüfte/-r Aus- und Weiterbildungspädagogin/-pädagoge“ und „Geprüfte/-r Berufspädagogin/-pädagoge“ wurden 2009 zwei aufeinander aufbauende bundeseinheitliche Aufstiegsfortbildungen geschaffen, die auf DQR-Niveau 6 und 7 Bachelor- und Masterabschlüssen gleichgestellt sind. Während die AEVO trotz ihrer zeitweisen Aussetzung fest im Berufsbildungssystem verankert ist, stoßen diese Angebote der Professionalisierung jedoch auf erhebliche Skepsis seitens der Betriebe, was zu einer Marginalisierung der Nachfrage nach diesen Qualifizierungsmaßnahmen führte (Bahl 2018; Bahl und Schneider 2022; Schley et al. 2021; Schlömer et al. 2019).

Gegenwärtig ist das Ausbildungspersonal u. a. durch den demografischen Wandel herausgefordert, der zu einem Rückgang an Bewerber:innen und Veränderungen in der Bewerber:innenstruktur führt (Nicklich et al. 2022). Während die Aussetzung der AEVO noch vom Lehrstellenmangel geprägt war, haben sich im Zuge volkswirtschaftlicher Prosperität und demografischer Veränderungen die Markt- und Machtverhältnisse am Ausbildungsmarkt gewandelt (Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung 2022; BIBB 2023; Jahn 2018a; Weiß 2018). Seit Jahren nehmen Besetzungsschwierigkeiten zu, d. h. Betrieben gelingt es nicht mehr, ihre Ausbildungsstellen adäquat oder überhaupt zu besetzen. Dies zeigt sich u. a. an einer Zunahme an unbesetzten Lehrstellen, die seit Jahren absolut und relativ (bezogen auf das Ausbildungsplatzangebot) steigen, an einer steigenden Angebots-Nachfrage-Relation am Ausbildungsmarkt, einer Erhöhung der Einmündungsquoten von Ausbildungsinteressierten in Ausbildung, an einer Zunahme vorzeitiger Vertragslösungen (BIBB 2023) sowie in Befragungen von Betrieben, die über fehlende oder schlechte Bewerber:innen berichten. Nicklich et al. (2022) weisen darauf hin, dass knapp die Hälfte aller Ausbilder:innen Probleme mit dem Angebot an geeigneten Bewerber:innen als die gegenwärtig größte Herausforderung benennt. 90 % der Befragten stimmen zudem der Aussage zu, dass es schwieriger wird, geeignete Auszubildende zu finden. Jablonka et al. (2018) zeigen, dass Betriebe das quantitative Angebot als (stark) rückläufig beschreiben, ihnen aber v. a. die mangelnde Eignung der Bewerber:innen Sorgen bereitet. Wenn Betriebe nun einerseits weniger und weniger geeignete Bewerber:innen finden, sie andererseits nicht über Ressourcen verfügen, mit „schwierigeren“ Jugendlichen insb. auch pädagogisch zu arbeiten, dürften Probleme in der Ausbildung absehbar sein, was dann nicht selten zu Abbrüchen bzw. Vertragslösungen führt (Jahn 40,41,a, b; Weiß 2018).

Trotz der großen Bedeutung für die Entwicklungsprozesse von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Rahmen der beruflichen Bildung sowie ihrer Bedeutung für die Ausbildungsqualität sind Ausbilder:innen zwar vereinzelt (u. a. Bahl 2018; Baum et al. 2022; Baumgartner 2015; Brünner 2014; Burchert 2014; Dietrich 2018; Diettrich und Harms 2018; Förster-Kuschel und Fürstenau 2020; Jablonka et al. 2018; Jahn und Geiser 2020; Kiepe 2021; Krötz und Deutscher 2021; Krötz und Nicklich et al. 2022; Lamamra et al. 2019; Rausch et al. 2014; Richter 2022; Schley et al. 2021; Schlömer et al. 2019; Weber et al. 2015), insgesamt aber – im Vergleich zu Lehrpersonen berufsbildender Schulen – selten Gegenstand empirischer Untersuchungen. Diettrich und Harms (2018), Rausch et al. (2014), Seifried und Baumgartner (2009) sowie Diettrich und Vonken (2009) begründen die relativ spärliche (empirische) Beschäftigung mit dieser Gruppe damit, dass es im Vergleich zu Lehrpersonen an berufsbildenden Schulen höchst problematisch ist, Forschungszugänge in die betriebliche Ausbildungsrealität und zum betrieblichen Bildungspersonal zu erhalten.

3 Kommunikation in Online-Foren als virtuelle Öffentlichkeit

Online-Foren für Ausbilder:innen sind in mindestens zweierlei Hinsicht interessant: als informeller Lern- und Kommunikationsraum sowie als Feldzugang für die Ausbilder:innenforschung. Fandrych und Thurmair (2011, S. 136) definieren Online-Foren als „Webseiten, auf denen Internetnutzer zu bestimmten Themen, z. T. auch als Reaktion auf bestimmte Nachrichten (…), Weblogs u. a. eigene Diskussionsbeiträge einschicken können, die dann (oftmals gefiltert durch Moderatoren) – entweder sequenziell oder nach Subthemen (Threads) geordnet auf der jeweiligen Webseite veröffentlicht werden.“ Hauser et al. (2019) argumentieren, dass sich mit der Etablierung digitaler Kommunikationsformate die Mediennutzungs- und Kommunikationsformen in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen verändern. Die zunehmende Mediennutzung ermöglichte neue Formen der Partizipation an (alternativen) Öffentlichkeit(en). Pappert und Roth (2019) beschreiben Öffentlichkeit mit Bezug auf Neidhardt (1994) als Kommunikationssystem, in dem Themen und Meinungen gesammelt, verarbeitet und weitergegeben werden. Öffentlichkeit ist gegeben, wenn Kommunikation nicht privat ist, d. h. wenn sie bewusst von Dritten mitgelesen werden kann. Solche Öffentlichkeiten entstanden nach Pappert und Roth (2019) gerade mit dem Sprung zum Web 2.0, das alternative Formen der Interaktivität und Partizipation bot. Die ursprüngliche one-to-many-Kommunikation wurde abgelöst durch eine many-to-many-Kommunikation. Livingstone (2004) zeigt jedoch, dass der größte Teil der Nutzer:innen als sog. „Lurker“ stumm bleibt und sich nicht aktiv an Diskussionen beteiligt. Lurker stellen bis zu 90 % der Nutzer:innen von Foren dar (Edelmann 2016), die deren Inhalte trotzdem nutzen, sodass die Kommunikation in Foren eher einem some-to-many-Prinzip gleicht. Die Forenkommunikation wird in bestimmten Bereichen mittlerweile abgelöst durch soziale Netzwerke, wie Instagram, X, LinkedIn usw.

Online-Foren können auch als technische Plattform für Communities of Practice verstanden werden. Als Gruppe von Individuen, die gemeinschaftlich einer Tätigkeit nachgehen, kann hier auf einen Pool gemeinsamer Erfahrungen zurückgegriffen und kollektives Wissen zur Bewältigung von Problemen generiert werden (Wenger 2003). In Communities of Practice übernehmen Mitglieder verschiedene Aufgaben, die in der Gemeinschaft ausgehandelt werden. Innerhalb der Kommunikationsprozesse entstehen aktive und passive Mitglieder wie auch Moderator:innen oder Expert:innen. Gerade neue oder unerfahrene Mitglieder können im Sinne der legitimate peripheral participation mit Aufgaben und Problemen, mit entsprechenden Lösungsmöglichkeiten sowie mit dem Vokabular und den Organisationsprinzipien der gemeinschaftlichen Praxis vertraut gemacht werden (Lave und Wenger 1991). Damit kann das oben angesprochene Phänomen des Lurking als legitimer Bestandteil von Communities of Practice verstanden werden. Dies setzt gleichermaßen voraus, dass Communities of Practice einen gewissen Grad an Öffentlichkeit haben. Bloh und Bloh (2016), die das Konzept der Communities of Practice auf die Kooperation von Lehrpersonen übertragen, resümieren u. a., dass es der Ansatz ermöglicht, gemeinschaftlichen Wissenserwerb über die Grenzen des konkreten Zusammenseins hinaus zu konzeptualisieren und soziale Lernprozesse zu beschreiben, die v. a. die Kollektivität impliziten Wissens und dessen Erwerb als sozialen Aushandlungsprozess betonen.

Online-Foren bieten somit das Potenzial zu informellem Lernen für das gesamte, mehr oder weniger formal qualifizierte und in Ausbildung eingebundene betriebliche Bildungspersonal. Dass es auf solche Lerngelegenheiten angewiesen ist, wurde bereits oben thematisiert. Gerade der kollegiale Austausch stellt für Ausbilder:innen eine wichtige Ressource dar. Insofern sind Foren als Kommunikationsräume bedeutsam, gerade dann, wenn Ausbilder:innen innerbetrieblich nur wenige oder kaum professionalisierte Gesprächspartner:innen zur Verfügung stehen. Insbesondere in klein- und mittelständigen Unternehmen dürfte das betriebliche Bildungspersonal selten in professionelle betriebliche Gemeinschaften von Ausbilder:innen (vergleichbar mit Lehrkräftekollegien) eingebettet sein (Jahn und Geiser 2020). Um das Fehlen solcher Kommunikationsräume zu kompensieren, suchen sich Ausbilder:innen alternative Öffentlichkeiten bzw. Gemeinschaften und nehmen an der (anonymisierten) Kommunikation in Online-Foren aktiv oder passiv teil, um von anderen zu lernen, Erfahrungen auszutauschen, Entwicklungen zu diskutieren und Anregungen bei Problemen zu erhalten (Jahn und Geiser 2020; Jahn und Goller 2015). Solche virtuellen Gemeinschaften erlauben den Zugriff auf kognitive und soziale Ressourcen, die in der eigenen physischen Organisation nicht oder unzureichend zur Verfügung stehen (Jahn und Goller 2015; Rodgers und Chen 2005).

Das vom BIBB initiierte und moderierte Online-Forum auf der Plattform foraus.de ist mit ca. 12.000 registrierten Mitgliedern die größte Community für Ausbilder:innen und ausbildende Fachkräfte in Deutschland (Kupfer 2015). Das Forum wurde vom BIBB 2001 eingerichtet, weil das betriebliche Bildungspersonal auf Kommunikations- und Lernformate jenseits formaler Qualifizierungsmaßnahmen angewiesen ist. Es ist frei zugänglich und pro Tag erfolgen durchschnittlich 6000 Seitenaufrufe (Kupfer 2015, S. 213). Wie bereits oben mit dem Lurker-Begriff angedeutet, beteiligt sich nur ein kleiner Teil der Besucher:innen aktiv an der Kommunikation. Insofern stellen die in dem Forum artikulierten und diskutierten Themen einerseits nur einen Ausschnitt der Kommunikation von Ausbilder:innen dar, dessen Repräsentativität und Bedeutung für die verschiedenen Gruppen des betrieblichen Bildungspersonals nicht geklärt ist. Andererseits deuten die durchschnittlichen Seitenaufrufe und exemplarischen Hit-Zahlen von 45.000 Aufrufen für einzelne Diskussionen auf ein erhebliches Interesse hin. Nach Bahl et al. (2013, S. 170) konnte sich das Forum i. S. e. „knowledge community“ nachhaltig etablieren und ist zugleich ein „Spiegel dessen, wo es in der Praxis besonders ‚drückt‘.“

Insofern erlauben Online-Foren – vor dem Hintergrund der oben skizzierten Probleme beim Feldzugang – einen alternativen, empirischen Zugriff auf authentische Kommunikation des betrieblichen Bildungspersonals und mithin auf Facetten der betrieblichen Ausbildungsrealität. In solchen Foren entstehen große Datenmengen, die öffentlich und somit auch für Forschung zugänglich sind. Dass Online-Foren eine bedeutsame Quelle für die empirische Sozial- und Bildungsforschung sein können, reflektieren u. a. Ullrich und Schiek (2014, 2015). Als Variante der Online-Forschung, d. h. Forschung, die das Internet als Medium zur Datenerhebung oder als Datenquelle nutzt, kann die Analyse von Online-Foren als neue, virtuelle Variante ethnografischer Verfahren gerahmt werden. Forumsdiskussionen können verglichen werden mit asynchronen, schriftlichen und digitalisierten Gruppendiskussionen, die durch Anonymität und Alokalität der Teilnehmenden gekennzeichnet sind. Ullrich und Schiek (2014) weisen darauf hin, dass die Schriftlichkeit der Kommunikationen die Teilnehmenden zu Eindeutigkeit und Ausführlichkeit ihrer Beiträge zwingt, die Asynchronität zudem eine reflektierte Interaktivität ermöglicht. Sander und Schulz (2015) stellen ebenfalls eine Nähe zur Methode der Gruppendiskussion her. Sie nutzen zwar gezielt initiierte und methodisch angeleitete Online-Gruppendiskussion (i. S. e. Erhebungsmethode), diskutieren aber Vor- und Nachteile, die auch auf die Analyse authentischen Materials übertragen werden können. Die Diskussionen in Online-Foren eignen sich u. a. zur Erfassung informeller Gruppenmeinungen (Mangold 1960) oder kollektiver Orientierungsmuster (Bohnsack 2005). Sander und Schulz heben hervor, dass aufgrund der Anonymität in Online-Gruppendiskussionen einerseits eine größere Meinungspluralität zu erwarten ist, auch, da nicht zwingend ein Konsens hergestellt werden muss. Andererseits verhindert die Anonymität i. d. R. individualisierte oder teilgruppenbezogene Aussagen oder Erklärungen (Sander und Schulz 2015). Sträter (2018) analysiert Diskussionen in Online-Foren und untersucht nicht zielgerichtet zu einem Forschungszweck erhobenes Datenmaterial für qualitative Analysen. Jahn und Geiser (2020) zeigen exemplarisch, dass Online-Foren für Ausbilder:innen für qualitative und quantitative Analysen genutzt werden können, u. a. auch um thematische Entwicklungen zu erfassen und zu analysieren.

Im Rahmen dieses Beitrags wird vor dem Hintergrund der Forschungsdefizite und des problematischen Feldzugangs explorativ untersucht,

RQ1) welche Themen in Ausbilder:innen-Foren identifiziert werden können (d. h. worüber wird in Online-Foren diskutiert),

RQ2) welche relative Bedeutung diese haben (d. h. welche der identifizierten Themen sind mit welchen Anteilen im Forum enthalten) und

RQ3) ob und wie sich deren relative Bedeutung im Zeitverlauf (2000–2022) verändert (d. h. ob und wie sich die Forendiskussionen thematisch verändern).

Wenn es solche Veränderungen gibt, sich die Diskussionen von Ausbilder:innen also inhaltlich verändern, wäre zu untersuchen, ob hierfür Erklärungen gefunden werden können. Da die Berufsbildungspraxis von Ausbilder:innen, wie oben gezeigt wurde, auf curricularer, rechtlicher und organisatorischer Ebene wie auch auf Ebene ihrer Berechtigung zur und ihrer Qualifizierung für Ausbildung stark von bildungspolitischen Vorgaben beeinflusst wird, ist zu prüfen, ob Zusammenhänge zu berufsbildungspolitischen Interventionen hergestellt werden können. Neben der Berufsbildungspolitik beeinflussen auch Entwicklungen am Ausbildungsmarkt die Berufsbildungspraxis. Da Ausbilder:innen für die Vorbereitung und Planung der Ausbildung und die Einstellung von Auszubildenden Verantwortung tragen, dürften (quantitative und qualitative) Entwicklungen auf der Seite der Ausbildungsplatznachfrage die Berufsbildungspraxis und die entsprechenden Diskussionen beeinflussen. Insofern wird untersucht,

RQ4) welche Zusammenhänge zu bildungspolitischen und ausbildungsmarktlichen Entwicklungen hergestellt werden können.

Anders als bei bisherigen Ansätzen erfolgt dies mit einem quantitativen computerlinguistischen Erhebungs- und Analyseverfahren. Erwartet wird, dass einzelne in den Foren diskutierte Themen inhaltlich und hinsichtlich ihrer Bedeutung in einem Zusammenhang zu den o. g. bildungspolitischen Entwicklungen (Aussetzung und Wiedereinsetzung der AEVO, Einführung der Fortbildungsberufe) sowie zu den ausbildungsmarktlichen Entwicklungen (vom Lehrstellenmangel zum Bewerber:innenmangel) stehen.

4 Methodisches Vorgehen

Zur Beantwortung der Fragestellungen erfolgt eine computerlinguistische Analyse des Forums foraus.de. Dieses enthält Beiträge von 2000 bis 2022 und ist in mehrere Subforen gegliedert (Tab. 1). Dies ist von Bedeutung, da hierüber eine Validierung des Themenmodells erfolgen kann (s. unten).

Tab. 1 Struktur des Forums (Forenstruktur foraus.de, Quelle: https://forum.foraus.de, Stand: 03.07.2023)

Mithilfe eines Webcrawlers wurden am 05.07.2023 4827 Beiträge der Jahre 2000 bis 2022 heruntergeladen. Mit dem Tool robot.txt wurde zuvor geprüft, ob Webcrawling für die Seite erlaubt ist. Eine Nutzung der öffentlich zugänglichen Daten wurde in den Nutzungsbedingungen nicht untersagt – anders als bspw. bei den Diensten von Meta. Zu Datenschutzaspekten bei der Nutzung von Daten öffentlicher Kommunikation siehe Peters et al. (2023). Die erhobenen Daten enthalten den 1) Text des einzelnen Beitrags, 2) das Datum des Beitrags, 3) die Diskussion sowie 4) das Subforum (vgl. Tab. 1), in dem der Beitrag veröffentlicht wurde.

Aus diesen Daten wurde das Textkorpus erstellt und anschließend bereinigt. Es wurden in einem ersten Schritt inhaltlich relevante Begriffe vereinheitlicht, d. h. es wurde z. B. „azubi“ in „auszubildende“ oder „IHK“ zu „Kammer“ transformiert. Weiterhin wurde das Korpus um Stoppwörter bereinigt, d. h. es wurden Wörter, wie „der“, „die“, „das“, „und“, „oder“ entfernt. Das genutzte standardisierte deutsche Wörterbuch (stopwords_de) enthält 370 Stoppwörter (R:package:lsa). Weiterhin wurden Wörter, die im Stoppwörterbuch nicht enthalten sind, jedoch häufig vorkommen (z. B. werden, wird, haben, hat, etc.), sowie Namen, geläufige Abkürzungen (u. a., o. ä.) wie auch Anrede‑, Gruß- und Dankesformeln (147 Wörter) gelöscht.

Anschließend können diese Daten einer computerlinguistischen Analyse – hier structured topic modeling – unterzogen werden. Mithilfe solcher Verfahren können in Sprachkorpora induktiv Themen identifiziert und quantifiziert werden. Topic-Modeling-Verfahren beruhen auf der Annahme, dass jede Wortform einem Thema angehört, welches sich aus spezifischen Mustern von Wortkombinationen ergibt. Topic modeling identifiziert solche Themen auf Basis latenter semantischer Strukturen, indem statistisch auffällige Muster von Wortkombinationen aufgedeckt werden (Goldenstein und Poschmann 2019; Hannigan et al. 2019; Jahn et al. 2021; Lucas et al. 2015; Mohr und Bogdanov 2013; Roberts et al. 2019, 2014). So gehören z. B. Wörter wie Recht, Gesetz, Verordnung, Vorgaben, rechtlich, verboten und erlaubt aufgrund ihrer statistisch auffällig wiederkehrenden Nähe zueinander gegebenenfalls zu einem Topic. Im Ergebnis erhält man erstens eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für einzelne Topics, d. h. eine Angabe, wie wahrscheinlich ein Wort im jeweiligen Topic vorkommt, sowie zweitens darüber, wie wahrscheinlich ein Topic für ein Dokument (Beitrag) ist. Jedes Thema (Topic) ist also ein spezifisches Muster von Wörtern, die mit hoher Wahrscheinlichkeit gemeinsam vorkommen. Jeder Beitrag im Forum besteht wiederum aus verschiedenen Themen, die zusammen 100 % des Beitragsinhaltes abbilden. Folgt man als Beispiel zunächst der Logik der Forenstruktur (Tab. 1) würde sich ein Post, in dem danach gefragt wird, welchen Stellenwert Ausbildungsmethoden und der Umgang mit Konflikten in der Ausbildung der Ausbilder:innen und der AEVO-Prüfung haben, zu X % aus dem Thema „Konflikte mit Auszubildenden“, X % „Lehr-Lernmethoden“, X % „Qualifizierung des Bildungspersonals“ sowie anderen Themen mit eher geringen Prozentwerten zusammensetzen. Daher haben die verschiedenen Themen eine jeweils verschiedene relative Bedeutung für einzelne Beiträge sowie (aggregiert) für das gesamte Korpus. Die Aggregation lässt sich sowohl für das Korpus insgesamt als auch für Teilkorpora (z. B. differenziert nach Zeit oder Subforum) vornehmen. Die Forschungsfrage RQ1 zielt somit auf die Identifikation (und Validierung) eines Topic-Models und RQ2 auf die Aggregation der relativen Bedeutung der Topics im Korpus. RQ3 differenziert diese relative Bedeutung über die Zeit hinweg und RQ4 setzt dies in Beziehung zu externen Daten bzw. Ereignissen. Dazu werden u. a. Ausbildungsmarktdaten des BIBB genutzt, wie der Anteil unbesetzter Lehrstellen am gesamten Ausbildungsplatzangebot sowie die Einmündungsquote Ausbildungsinteressierter in Ausbildung. Für beide Anteile gilt: je höher sie sind, umso positiver ist die Ausbildungsmarktsituation für die Jugendlichen und umgekehrt. Korrelationen dieser Kennzahlen der Jahre 2000 bis 2022 mit dem relativen Anteil einzelner Topics der entsprechenden Jahre weisen auf Zusammenhänge zwischen den Forendiskussionen und der Ausbildungsmarktentwicklung hin.

Die Analysen wurden mit R‑packages quanteda (Benoit et al. 2018) und stm (Roberts et al. 2019) durchgeführt. Ein Vorteil solcher Verfahren besteht darin, dass eine quantifizierbare und replizierbare Mehrfachcodierung großer Datenmengen erfolgt.

Die Auswahl und Validierung des finalen Themenmodells sowie dessen Interpretation erfolgt erstens auf Basis von Kennzahlen zu den Modellen (vgl. Abb. 2), zweitens auf Basis von Beiträgen mit hoher Assoziationswahrscheinlichkeit sowie drittens über die Zuordnung von Beiträgen zu den Subforen, der ein menschliches Verständnis der Diskussionsthemen zugrunde liegt. Dieses Vorgehen wird auch in anderen Studien gewählt (Jahn und Cornelsen 2022; Jahn et al. 2021; Laureate et al. 2023). Da das Forum in Subforen mit verschiedenen Themenschwerpunkten (vgl. Tab. 1) gegliedert ist, werden Nutzer:innen ihre Beiträge in jenem Subforum platzieren, von dem sie annehmen, dass es thematisch am besten zu ihrem Beitrag passt. Zudem korrigieren Moderator:innen teilweise diese Zuordnungen. Insofern ermöglicht die Forenstruktur einen Vergleich dieser menschlichen „Codierungen“ (i. S. v. Zuordnung) mit den Ergebnissen des topic modeling im Rahmen einer Validierung, wenngleich innerhalb von Subforen, Diskussionen und Beiträgen immer mehrere Topics verhandelt werden (vgl. Abb. 5).

5 Befunde

5.1 Entwicklung von Korpus und Themenmodell

Das (um Stoppwörter, Zeichen, Zahlen und Symbole) bereinigte Gesamtkorpus enthält 39.366 types (verschiedene Wörter). Dieses Korpus wird nochmals gekürzt. Es werden jene types eliminiert, die in mehr als 75 % und in weniger als 0,1 % der Dokumente vorkommen, die folglich entweder nicht differenzieren oder für das Gesamtkorpus keine wesentliche Rolle spielen. Für diese Cut-off-Werte existieren keine eineindeutigen Vorgaben. Die Festlegung folgt den Forschungsabsichten sowie der Struktur und Größe des Korpus. Die Bereinigung um „allgemeine“ Wörter (oberer Cut-off-Wert) könnte zwar ebenso über die Stoppwörter erfolgen, wäre aber deutlich aufwändiger und abhängig von menschlichen Einschätzungen. Sie ist hier mit 75 % hoch angesetzt, um tatsächlich nur solche Wörter zu eliminieren, die keine hinreichende Diskriminierung der Beiträge ermöglichen. Die untere Grenze (0,1 %) wurde vor dem Hintergrund der Größe des Korpus so gewählt, dass Wörter, die nicht in min. fünf Beiträgen vorkommen, ausgeschlossen werden (Bauer 2022; Puschmann 2021). Dieses getrimmte Korpus enthält noch 7147 verschiedene types. Die häufigsten Begriffe (types) im Korpus sind „auszubildende“ (n = 4183), „ausbildung“ (n = 2001), „ausbilder“ (n = 1485), „kammer“ (n = 1275) und „prüfung“ (n = 1067), die (als tokens) i. d. R. auch mehrfach in einzelnen Beiträgen auftauchen. Abb. 1. zeigt eine Wortwolke mit den häufigsten types.

Abb. 1
figure 1

Wortwolke des getrimmten, bereinigten Korpus, ohne Stoppwörter

Um das Themenmodell zu erstellen, ist es zunächst wichtig, die Anzahl (k) der Topics festzulegen. Hierfür gibt es einerseits Maßzahlen (Abb. 2) zur Annäherung an ein ideales k (Roberts et al. 2019). Andererseits müssen die Modelle inhaltlich geprüft werden, um die Übereinstimmung mit menschlichen Interpretationen zu prüfen. Zudem ist der Forschungszweck zu berücksichtigen. Ein Ziel des topic modeling besteht u. a. darin, das Korpus möglichst differenziert und zugleich möglichst übersichtlich zu beschreiben.

Abb. 2
figure 2

Kennzahlen verschiedener Themenmodelle (k = 1, …, 30)

Die semantische Kohärenz (Semantic Coherence) bezieht sich nach Roberts et al. (2019) auf die Qualität der erstellten Themen (topics) und deren Interpretierbarkeit. Sie misst, wie gut die zugewiesenen Wörter in einem Thema zusammenpassen und wie verständlich und sinnvoll das Thema für den Menschen ist. Ein kohärentes Thema enthält Wörter, die inhaltlich ähnlich sind und eine bestimmte Bedeutung repräsentieren. Dieses Maß gilt es zu maximieren. Ein höherer Wert des Held-out Likelihood-Maßes deutet darauf hin, dass das Modell bessere Vorhersagen für nicht beobachtete Daten macht und somit eine bessere Generalisierungsfähigkeit aufweist. Das Residual-Maß bezieht sich auf die Bewertung der Residuen, also der Abweichungen, die zwischen den tatsächlichen Beobachtungen und den vom Modell vorhergesagten Werten bestehen, was zu minimieren ist. Ein höherer Lower-Bound Wert zeigt an, dass das Modell eine bessere Anpassung an die Daten erreicht hat. Es impliziert, dass das Modell in der Lage ist, die Struktur und die zugrunde liegenden Zusammenhänge im Datensatz zu erfassen (Roberts et al. 2019). Im vorliegenden Fall kann man erkennen, dass die semantische Kohärenz der Topics bei einem k = 16 relativ hoch ist und die anderen Kriterien zumindest im mittleren Bereich liegen (Abb. 2). Alternativ kamen auch Modelle mit k = 14 und k = 20 in Betracht. Schlussendlich wurde jedoch aufgrund der besseren Plausibilität der Themen das Modell mit k = 16 ausgewählt und interpretiert.

Die Interpretation und die Benennung der Themen mit einem Label wurde in einer Interpretationsgruppe (n = 4) vorgenommen. Dazu wurden die Wörter, die mit hoher Wahrscheinlichkeit einem Thema zugeordnet werden, auf inhaltliche Zusammenhänge geprüft. Topic 1 wird z. B. durch die folgenden Wörter dominiert (Abb. 3): „prüfung, kammer, präsentation, aevo, unterweisung, praktische, ausbildereignungsprüfung, praktischen, durchführung, ausbildungssituation, vorbereitung, prüfer, konzept, teil, fragen, frage, prüfungen, prüflinge, prüfungsausschuss, schriftlichen“. Dieses Thema kann man als „Praktische Kammerprüfung nach AEVO“ bezeichnen, die aus einem praktischen und schriftlichen Teil vor einem Prüfungsausschuss der Kammern nach AEVO abzulegen ist. Topic 5 wird wiederum durch folgende Wörter dominiert (Abb. 3): „auszubildende, gespräch, fall, probleme, verhalten, problem, situation, erfolg, abmahnung, ausbildung, wichtig, motivation, sicher, kündigung, versuchen, finde, führen, mitarbeiter, schwer, grund“. Dieses Thema wurde als „Probleme mit Auszubildenden“ bezeichnet.

Abb. 3
figure 3

Wortwolken der Topics 1 „Praktische Kammerprüfung“ (a) und Topic 5 „Probleme mit Auszubildenden“ (b)

Mit Blick auf die RQ1 wurde im Ergebnis ein Themen-Modell errechnet, welches zeigt, dass sich die Kommunikation zum einen auf typische Handlungsfelder (Bewerber:innenauswahl, Vorbereitung und Durchführung der Ausbildung, Prüfung) von Ausbilder:innen konzentriert, die in der AEVO benannt sind (s. oben). Zum anderen werden berufsbildungspolitische und berufspolitische Fragestellungen artikuliert. Dieser Befund ist für die Validität des Modells bedeutsam, da demnach zentrale Problem- und Handlungsfelder des Berufs bzw. der Tätigkeit abgebildet werden (Fort- und Weiterbildung & Professionalisierung) und überdies die Forenstruktur von foraus.de z. T. rekonstruiert wird. Weiterhin bestehen mit den Topics „Ideenaustausch“ und „Informationen im Netz“ zwei Topics, die weniger inhaltlich als vielmehr intentional orientiert sind. „Ideenaustausch“ steht für den Wunsch nach Kommunikation, Unterstützung, Anregungen, „Informationen im Netz“ für die Weiter- oder Bekanntgabe von Informationen.

Abb. 4 zeigt die 16 Topics des Themenmodells im Überblick und deren Anteil am gesamten Korpus. Mit Blick auf die RQ2 zeigt sich, dass neben den intentionalen Aspekten („Ideenaustausch“ und „Informationen im Netz“) vor allem die AEVO-Prüfung, Ausbildungsmethoden, Probleme mit Auszubildenden und rechtliche Fragen eine große relative Bedeutung haben. Etwas geringere Bedeutung haben hingegen Themen zu Einstellungsverfahren oder zu Ausbildungsberufen (vgl. Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Themen und ihre relative Bedeutung

Da durch das topic modeling eine standardisierte, quantifizierte Gewichtung der Themen innerhalb jedes Beitrags vorgenommen wird, kann eine Validierung des Themenmodells auf Ebene der Beiträge über solche Forenbeiträge vorgenommen werden, die besonders stark durch ein Topic geprägt sind. Dies wurde stichprobenartig für je drei Beiträge (mit einer relativen Bedeutung des Topics von > 0,06) pro Topic durch die Interpretationsgruppe durchgeführt. Hier wurde lediglich diskursiv geprüft, ob in den Beiträgen das Thema herauszulesen ist.

Schließlich besteht eine weitere Möglichkeit zur Prüfung der Validität des Modells darin, die Ergebnisse des stm-Algorithmus mit menschlichen Codierungen im Rahmen der Zuordnung von Beiträgen zu den Subforen zu vergleichen. Da die Plattform in Subforen organisiert ist, sollte sich diese exogene Struktur in den endogenen Daten widerspiegeln. Abb. 5 zeigt, welche drei Topics das jeweilige Subforum am stärksten dominieren. Man erkennt bspw., dass das erste Subforum „Sozialkompetenz/Konflikte mit Auszubildenden“ zu über 50 % durch die Topics „Probleme mit Auszubildenden“, „Auszubildendenrolle im Betrieb“ und „Ausbildungszeiten in Schule und Betrieb“ geprägt ist. Das zweite Subforum „Qualifizierung des Ausbildungspersonals“ wird durch die Topics „Kammerprüfung nach AEVO“, „Fort- und Weiterbildung & Professionalisierung“ sowie „Ausbildungsplanung und -methoden“ dominiert. Neben der relativ überzeugenden inhaltlichen Passung wird hieran auch ersichtlich, dass innerhalb eines Subforums immer mehrere verschiedene Themen diskutiert werden.

Abb. 5
figure 5

Dominante Topics in den Subforen

5.2 Themenkonjunkturen und Zusammenhänge

In Bezug auf RQ3 und RQ4 ist wichtig, dass zu jedem Beitrag das Datum vorliegt, an dem der Post verfasst wurde. Dies ermöglicht es, die Themenanteile über Monate oder Jahre zu mitteln und schließlich Veränderungen in der thematischen Struktur über die Zeit hinweg zu identifizieren. An dieser Stelle kann dies lediglich exemplarisch anhand von vier ausgewählten Topics erfolgen, die insb. die einführend dargestellten Entwicklungen aufgreifen. Man kann bspw. sehen, wie sich die bildungspolitischen Interventionen und Diskussionen um die Aussetzung und Wiedereinsetzung der AEVO und die Professionalisierungsversuche im Rahmen der Etablierung von Aufstiegsfortbildungsberufen in der Forendiskussion des Bildungspersonals widerspiegelt (Abb. 6a). Hier zeigt sich 2003, im Jahr der Aussetzung der AEVO, ein erster kleiner Ausschlag der relativen Bedeutung des Topics „Praktische Kammerprüfung nach AEVO“. Mit der Wiedereinsetzung der AEVO und ihrer Novellierung (2009) erfuhr das Thema große Aufmerksamkeit, die in den Folgejahren wieder abnahm, aber trotzdem auf vergleichsweise hohem Niveau stagniert. Mit der AEVO besteht eine im Forum sichtbare und diskutierte, vermutlich etablierte und nachgefragte Qualifikation für Ausbilder:innen. Die Ende der 2000er-Jahre eingeführten Fortbildungsberufe und die damit verbundenen Diskussionen über eine stärkere Professionalisierung von Ausbilder:innen zeigen sich ebenfalls in den Foren, ebenso wie die von Bahl und Schneider (2022) attestierte Marginalisierung der Nachfrage nach diesen Qualifikationen. Der relative Bedeutungsverlust des Topics „Fort- und Weiterbildung & Professionalisierung“ in der öffentlichen Kommunikation deutet darauf hin, dass eine weitere, stärkere Professionalisierung des betrieblichen Bildungspersonals gegenwärtig seitens der Praxis auf wenig Interesse stößt.

Abb. 6
figure 6

Themenkonjunkturen

Abb. 6b zeigt die zeitliche Entwicklung der Topics „Einstellungstests und Auswahlverfahren“ und „Probleme mit Auszubildenden“. Während das Topic „Probleme mit Auszubildenden“ an relativer Bedeutung gewinnt, spielt das Thema „Einstellungstests und Auswahlverfahren“ eher zu Beginn der 2000er-Jahre eine Rolle und verliert dann an Aufmerksamkeit. Dies kann in einen Zusammenhang mit den Entwicklungen am Ausbildungsmarkt gestellt werden. Während – wie oben skizziert – v. a. in den 2000er-Jahren der Ausbildungsmarkt von Lehrstellenmangel und hohen Quoten sog. marktbenachteiligter Jugendlicher geprägt war, verändert sich die Marktlage seit Mitte der 2010er-Jahre zugunsten der Jugendlichen, insb. aufgrund demografischer Veränderungen. Dies spiegelt sich in den Foren thematisch wider: In Zeiten, in denen sich Betriebe zwischen vielen potenziell geeigneten Jugendlichen die besten aussuchen konnten, richtet sich die Aufmerksamkeit von Ausbilder:innen verstärkt auf diese Auswahlprozesse. In Zeiten, in denen Betriebe kaum mehr Auswahl haben, sind auch entsprechende Verfahren wenig bedeutsam. Wie oben beschrieben, kann die Ausbildungsmarktlage über den Anteil unbesetzter Lehrstellen sowie über die Einmündungsquote operationalisiert werden (vgl. Kap. 4). Abb. 7 zeigt die Korrelationen zwischen der relativen Bedeutung der beiden Topics in den Jahren 2000 bis 2022 und den beiden Marktindikatoren. Beide Werte korrelieren signifikant negativ mit der relativen Bedeutung des Topics „Einstellungstests und Auswahlverfahren“ (Abb. 7, rechts). Erwartungsgemäß zeigt sich ein positiver Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungsmarktindikatoren und dem Topic „Probleme mit Auszubildenden“ (Abb. 7, links). Wenn Betriebe sich aufgrund eines geringen Angebots an Bewerber:innen auch Personengruppen öffnen müssen, die sie ansonsten nicht in Betracht gezogen hätten, so nehmen die pädagogischen und didaktischen Herausforderungen für Ausbilder:innen zu. Es entstehen Probleme, die im Forum diskutiert werden. Diese signifikanten Korrelationen korrespondieren auch mit Befragungen von Betrieben und Ausbilder:innen (Jablonka et al. 2018; Nicklich et al. 2022).

Abb. 7
figure 7

Korrelationen zwischen der relativen Bedeutung ausgewählter Topics [eigene Berechnungen] und Ausbildungsmarktdaten [Datenquellen: BIBB 2023, 2019, 2014, 2011, 2006] der Jahre 2000 bis 2022

6 Diskussion, Limitationen, Desiderata

Zusammenfassend zeigt dieser Beitrag, dass sich die Analyse authentischer Kommunikation des betrieblichen Bildungspersonals in Foren eignet, um relevante Themen der Ausbildungspraxis im zeitlichen Verlauf zu identifizieren und in entsprechende Diskurse einzuordnen. Mit Hilfe des topic modeling, das eine induktive Mehrfachcodierungen der Diskussionsbeiträge erlaubt, wurden verschiedene Modelle entwickelt. Das hier verwendete Modell überzeugt inhaltlich, da die identifizierten Themen a) zentrale Handlungsfelder der Tätigkeit abbilden und relevante bildungspolitische und wissenschaftliche Diskussionen und Interventionen beinhalten, b) eine überzeugende Passung der Themen mit menschlichen (Einfach‑)Codierungen im Rahmen der Zuordnung von Beiträgen zu den Subforen der Plattform vorliegt und c) die thematischen Konjunkturen plausibel mit bildungspolitischen und ausbildungsmarktlichen Entwicklungen einhergehen. Somit erweist sich die Analyse von Foren – vor dem Hintergrund der eingangs skizzierten Probleme beim Feldzugang – als ertragreich für die Ausbilder:innenforschung.

Mit Blick auf die Forschungsfragen kann festgehalten werden, dass relevante Themen in den Foren identifiziert werden können (RQ1), die zentrale Handlungsfelder von Ausbilder:innen (z. B. Auswahl und Einstellung von Auszubildenden, Durchführung der Ausbildung, Prüfung von Auszubildenden) akzentuieren sowie berufsbildungspolitische (Ausbildungsrecht, Ausbildungsberufe) und berufspolitische (Qualifizierung und Professionalisierung) Themen abbilden. Zweitens zeigt sich, dass diese Themen eine unterschiedliche relative Bedeutung haben (RQ2) und insb. die Qualifikation nach AEVO sowie didaktische, methodische und rechtliche Fragen als auch Probleme mit Auszubildenden die Diskussionen dominieren und über allem der Wunsch nach Austausch von Ideen und kollegialer Beratung steht. Hierbei sind der Zugang zum Berufsfeld und das Handeln als Mitglied der Community of Practice bzw. die Bewältigung von Handlungsproblemen im Beruf besonders relevant. In den Topics „Ideenaustausch“ und „Informationen im Netz“ spiegelt sich die Bedeutung des Forums für Mitglieder des betrieblichen Bildungspersonals wider, die ohne Qualifikation und ohne kollegiale Austauschmöglichkeiten auf informelles Lernen und Erfahrungen anderer angewiesen sind. Sie können hier auf einen Pool gemeinsamer Erfahrungen zurückgreifen und kognitive und soziale Ressourcen zur Bewältigung von Problemen nutzen, die von aktiven Mitgliedern generiert, diskutiert bzw. bereitgestellt werden. Insofern werden in dem Forum Aufgaben und Probleme sowie entsprechende Lösungsmöglichkeiten wie auch das Vokabular und die Organisationsprinzipien der gemeinschaftlichen Praxis des betrieblichen Bildungspersonals diskutiert (Lave und Wenger 1991) und durch die computerlinguistischen Analysen sichtbar. Durch die Quantifizierung der einzelnen Topics für die jeweiligen Beiträge und die entsprechende Aggregation für einzelne Jahre können thematische Entwicklungen identifiziert werden (RQ3), die zum Teil mit bildungspolitischen und ausbildungsmarktlichen Entwicklungen in Zusammenhang gebracht werden können (RQ4).

Die Befunde zeigen, dass sich bestimmte Themen des wissenschaftlichen Diskurses der Berufs- und Wirtschaftspädagogik, der Berufsbildungsforschung und der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung auch explizit in den Forendiskussionen der Berufsbildungspraxis widerspiegeln. Dies zeigt sich exemplarisch an den ausgewählten Themen in 5.2. So hat sich die Forschung in den vergangenen Jahrzehnten normativ, empirisch wie auch gestaltend der Qualifizierung und Professionalisierung von Ausbilder:innen zugewandt. Ebenso wurde durch die Berufsbildungsforschung gerade in den 2000er-Jahren die Ausbildungsmarktkrise und die (selektierende) Rolle von Betrieben diskutiert, auch im Rahmen der Debatte um die sog. Ausbildungsreife von Jugendlichen. Im Anschluss waren die vorhersehbaren Konsequenzen der demografischen Veränderungen für die Betriebe Gegenstand berufsbildungswissenschaftlicher Diskurse und die „Probleme“, die daraus für die Betriebe und die Ausbilder:innen resultieren werden. Darüber hinaus sieht man auch, dass didaktische Fragen (Methoden, Medien, Diagnostik, Makroplanung) in der Praxis diskutiert werden, die traditionell auch Gegenstand der Berufs- und Wirtschaftspädagogik sind. Es ist hierbei zu beachten, dass trotz dieser thematischen Ähnlichkeiten in den Diskursen von Wissenschaft und Praxis ungeklärt bleibt, ob diese Themen auch ähnlich diskutiert werden. Auch wenn in beiden Diskursen Methoden thematisiert werden, ist unklar, um welche es sich dabei handelt und in welcher Form sie thematisiert werden. Wenn die Qualifizierung von Ausbilder:innen thematisiert wird, wird nicht ersichtlich, ob diese ausgebaut und professionalisiert werden soll oder ob sie als bürokratische Hürde und notwendiges Übel bewertet wird.

Methodisch problematisch ist die Anonymität der Teilnehmenden, da man keine oder kaum standardisierte Informationen zu den Verfasser:innen der Beiträge hat. Eng damit verbunden ist das Problem der (vermeintlichen) Selbst-Selektivität der Teilnehmenden. Einerseits besteht mit diesem Vorgehen die Gefahr, Personen, die sich nicht aktiv an der öffentlichen Kommunikation beteiligen, auszublenden. Zudem kann das schriftliche Verfassen von Beiträgen eine wesentliche Beteiligungshürde darstellen (Ullrich und Schiek 2015). Andererseits erhält man Zugang zu Meinungen von Personen, die nicht direkt angesprochen werden können oder wollen, die aber (qua Teilnahme an der Forendiskussion) signalisieren, (mindestens vorübergehend) zur professionellen Gemeinschaft zu gehören oder sich zumindest für die diskutierten Themen zu interessieren. Wie erwähnt, beteiligt sich der größte Teil der Nutzer:innen auch nicht aktiv an den Diskussionen. Deren Meinungen und Erfahrung bleiben damit ebenso im Verborgenen, wie ihre Rezeption der Beiträge. Auch das gewählte Auswertungsverfahren hat Grenzen. Durch den Algorithmus wird die vielschichtige Diskussion in solchen Online-Foren auf wenige Themen reduziert. Dies stellt eine starke Abstraktion und Vereinfachung dar, bei der viele weitere Informationen verloren gehen. Auch wenn das Verfahren sehr standardisiert und objektiv erscheint, ist das Vorgehen nicht frei von Entscheidungen der Forschenden. Dies betrifft die Aufbereitung des Korpus, Festlegung von Stoppwörtern, Festlegung der Themenanzahl (k) sowie Interpretation und Betitelung (Labeling) der Topics. Diese erfolgt zwangsweise vor dem Hintergrund des subjektiven Wissens der Forschenden. Für die Validierung des Modells wären künftig noch strengere Verfahren einzusetzen, in dem Sinne, dass einzelne Beiträge durch verschiedene, unabhängige menschliche Rater bewertet werden und entsprechende Interraterreliabilitäten berechnet werden (Laureate et al. 2023). Vergleichsstudien zeigen gleichwohl, dass diese Verfahren im Vergleich zu menschlichen Ratern gute Ergebnisse liefern (Baumer et al. 2017).

Daher besteht die Aufgabe für weitere Forschungsarbeiten darin, qualitative Vertiefungen vorzunehmen und Diskurse – ggf. fokussiert auf einzelne – Themen differenzierter zu untersuchen. Denkbar sind auch Sentimentanalysen, um nicht nur zu untersuchen, welche Themen (wann) besprochen werden, sondern auch wie sie diskutiert werden und wie sich ggf. die Stimmung in diesen Foren oder zu bestimmten Themen verändert. Weiterhin können Akteursanalysen angeschlossen werden. Zum Beispiel wäre es aus professionstheoretischer Perspektive aufschlussreich zu untersuchen, welche Akteure und Referenzen in diesen Foren genutzt bzw. genannt werden und mithin die Frage, ob Ausbilder:innen bspw. Wissenschaft aufgreifen. Vor dem Hintergrund der eingangs skizzierten Befunde zum erfahrungsbasierten Handeln von Ausbilder:innen und zum Rückgriff auf traditionelle Lehr-Lern-Vorstellungen und Methoden sind in den Forendiskussionen selten entsprechende Verweise zu erwarten. Vielmehr dürften ausbildungsmarktpolitische Akteure (BMBF, Kammern, Gewerkschaften) Bedeutung haben, die unmittelbarer Einfluss auf die Ausbildungspraxis nehmen.

Letztlich kann die Analyse des Ausbilder:innenforums auch als Prototyp für andere pädagogische Gruppen angesehen werden. Das Projekt ist so für die erziehungswissenschaftliche Forschung an sich relevant, da eine Übertragbarkeit des Designs auf andere vergleichbare Kommunikationsformate für Lehrer:innen angenommen werden kann, die sich zum Teil auch der wissenschaftlichen Beforschung entziehen, wohl aber im virtuellen Raum „um Rat/Bestätigung/kollektives Aufregen bitten“ (Jahn und Goller 2015).