1 Einleitung

Die digitale Transformation stellt die öffentliche Verwaltung Deutschlands auch nach jahrelanger Anstrengung noch immer vor erhebliche Herausforderungen (Arntz et al. 2016; Oswald und Krcmar 2018). Die sichtbaren Fortschritte sind im internationalen Vergleich sehr heterogen zu bewerten (Böhm et al. 2018; Homburg et al. 2019), wobei aus nationaler Perspektive die Kritik am Veränderungstempo überwiegt (bspw. Kühn 2021; Initiative D21 2022). Nicht zuletzt die COVID 19-Krise hat auch in Deutschland zu einer weiteren Verstärkung der Bemühungen um die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen geführt. Einrichtungen des öffentlichen Sektors optimieren zunehmend ihre Ablauf- und Aufbauorganisation und richten ihre Organisation und das erforderliche Arbeitsvolumen entlang sich verändernder Geschäftsprozesse aus (Scheer 2016, Initiative D21 2022). Die Erwartungshaltung der verschiedenen Nutzergruppen bzgl. Anzahl und Qualität digitaler Dienste hat sich ebenso in den vergangenen Jahren verändert (Krcmar 2018). Für die öffentliche Verwaltung resultieren hieraus massive Herausforderungen als öffentliche Einrichtung, als Dienstleister sowie auch als Arbeitgeber in Zeiten eines weiter anwachsenden Fachkräftemangels und einer zugleich alternden Gesellschaft (bspw. Martini 2016; Zimmerling et al. 2017). Der Transformationsprozess der öffentlichen Verwaltung hin zu einer digitalen Organisation mit modernen digitalen Diensten unterscheidet sich insoweit von den ebenso umfangreichen Transformationsprozessen der Privatwirtschaft, als die technologisch getriebene Prozessinnovationen im Bereich der öffentlichen Verwaltung Restrukturierungs- und Reorganisationsbedarfe im Sinne einer politisch zu orchestrierenden Verwaltungsreform induzieren (Mergel 2019). Diese komplexe Transformation wird durch entsprechende Gesetzesänderungen sowie auch durch neuere Digitalisierungsstrategien der zuständigen Verwaltungsebenen vorangetrieben (bspw. Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit und Verkehr 2022; Bundesregierung 2023a). Exemplarisch kann die Umsetzung der elektronischen Aktenführung (E-Akte) genannt werden, welche aus dem Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung (EGovG) hervorging, jedoch schon frühzeitig als eine zeitliche Herausforderung bewertet wurde (Distel 2016). Ebenso wurde die Umsetzungsfrist des im Jahr 2017 beschlossenen Onlinezugangsgesetzes (OZG) zwischenzeitlich aufgeweicht, da dessen Ziel, bis Ende 2022 sämtliche Verwaltungsleistungen online anzubieten, nicht erreicht werden konnte.

Aufgrund der Komplexität der Transformation der öffentlichen Verwaltung und den verbundenen mehrdimensionalen Herausforderungen, beispielsweise im Bereich der Personalgewinnung, der Aus- und Weiterbildung, Reifegradmodelle und technischen Implementierung von IT-Diensten, hat sich ein erheblicher Beratungsbedarf aufgestaut (u. a. Mergel 2019), der in Studien problematisiert und seitens Beratungsunternehmen konzeptionell aufgegriffen wurde (Beck et al. 2017; Bitkom 2018; Bughin et al. 2018).

In Zeiten des Fachkräftemangels bedeutet digitale Transformation erhebliche Herausforderungen im Personalmanagement (Gonzalez Vazquez et al. 2019; OECD 2019). Im öffentlichen Sektor führen die umwälzenden Veränderungen hin zu einer digitalen Verwaltung zu Modifikationen der Rollenmodelle, der Kompetenzprofile und Anforderungen an zu besetzende Stellen (Ogonek et al. 2016; Rätz et al. 2016). Gerade für die Arbeit nachfragende Seite der Verwaltungseinrichtungen scheinen digitale Kompetenzen in der Literatur empirisch unterdurchschnittlich beleuchtet. So existieren gemäß Auth et al. (2021) nur wenig veröffentlichte quantitative Untersuchungen bzgl. Struktur und Dynamik digitaler Kompetenzanforderungen für die Digitalisierung von Dienstaufgaben der öffentlichen Verwaltung.

Die von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erwartete „Booster-Wirkung“ der Pandemie auf die Verwaltungsdigitalisierung (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2021) sollte in der aktuellen Post-Corona-Zeit nunmehr auch in Stellenanzeigen messbar sein. Der vorliegende Beitrag adressiert daher folgende Forschungsfrage: Welche Veränderungen digitaler Kompetenzanforderungen in Folge der COVID-19-Pandemie lassen sich in Stellenanzeigen der öffentlichen Verwaltung für den Zeitraum von 2019 bis 2023 identifizieren?

Die Forschungsfrage wird auf Basis der von Auth et al. (2021) vorgestellten Operationalisierung eines erweiterten Kompetenzmodells und zweier extrahierter Zeitreihen von Stellenanzeigen der öffentlichen Verwaltung untersucht. In Ergänzung zur originären Untersuchung, welche eine sog. doppelte Kompetenzlücke konstatierte, überprüft dieser Beitrag die Operationalisierung digitaler Kompetenzen anhand einer vergleichenden Auswertung zweier Datenreihen von Stellenanzeigen der öffentlichen Verwaltung aus den Jahren 2019/2020 (N = 21.673) und 2023 (N = 25.777).

Der folgende Abschnitt 2 präsentiert das für die Untersuchung relevante erweiterte Kompetenzmodell nach Auth et al. Abschnitt 3 beschreibt das Untersuchungsdesign und die methodische Operationalisierung, bevor Abschnitt 4 die Ergebnisse der Vergleichsanalyse vorstellt. Diese werden schließlich in Abschnitt 5 interpretiert und diskutiert.

2 Das erweiterte Kompetenzmodell für eine digitale Verwaltung

Die verstärkte (Wieder‑)Befassung mit Begriffen wie Digitalisierung, digitale Transformation und digitalen Kompetenzen hat eine in der wissenschaftlichen Literatur sowie auch (bildungs‑)politischen Debatte sichtbare konzeptionelle Diskussion angestoßen. Die fachliche Diskussion zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung weist einen deutlichen Begriffswandel auf: Beginnend mit Begriffen wie E‑Administration bzw. E‑Government, über Verwaltungsdigitalisierung (Schulze 2019) und Digitalisierung der Verwaltung (Heuermann 2018), oder Digitale Transformation der Verwaltung hin zur sog. Digitalen Verwaltung (IT-Planungsrat 2019).

Eine moderne digitale Verwaltung benötigt aufbau- und ablauforganisatorisch gesehen Mitarbeiter/innen mit entsprechend komplementären Kompetenzen zur Gestaltung, Umgang und Nutzung von Prozess- und Verfahrensinnovationen im Zuge der digitalen Transformation (vgl. Heuermann (2018)). Als Folgestudie der auf Prä-Corona-Daten basierenden Untersuchung (Auth et al. 2021) basiert die vorliegende Analyse gleichfalls auf fachlichen Stellenprofilen der öffentlichen Verwaltung, wobei digitale Kompetenzen in Anlehnung an das EU-DigComp-Modell als allgemein erforderliche Querschnittskompetenzen verstanden werden. Diese Position ist abweichend zu verwandten Studien, die auf E‑Kompetenzen als aufgabenspezifische Kompetenzen des Personals mit IT-Bezug (bspw. IT-Architekt oder IT-Projektmanager) fokussieren (wie etwa Becker et al. (2016) oder Ogonek et al. (2020)). Für die vorliegende Studie wurden etablierte Gruppierungen von IT-Personal und Digitalisierungspersonal jedoch zu Vergleichszwecken herangezogen.

In Auth et al. (2021) wurde ein erweitertes Kompetenzmodell für die digitale Verwaltung vorgestellt. Als Grundstruktur wurden die fünf Kompetenzbereiche des EU-DigComp 2.1 (Carretero et al. 2017) verwendet, da dessen Grundidee einer branchenunabhängigen Kompetenzbeschreibung als Querschnittskompetenzen unserem Verständnis am ehesten entspricht. In der zwischenzeitlich veröffentlichten Version 2.2 (Vuorikari et al. 2022) wurden keine Veränderungen am grundlegenden Kompetenzmodell und dessen 21 Kompetenzbereichen vorgenommen, sondern lediglich Beispiele in den Kompetenzbereichen aktualisiert, um aktuelle technologische Entwicklungen wie KI und IoT besser zu reflektieren. Aus diesem Grund und um die Vergleichbarkeit zur vorangegangenen Studie zu gewährleisten, wurde von Veränderungen des von uns entwickelten Kompetenzmodells abgesehen.

Zum besseren Verständnis dieses Beitrags ist das für die erste Studie entwickelte und auch hier als Untersuchungsraster verwendete Kompetenzmodell in Tab. 1 unverändert wiedergegeben. Wesentlich ist die Unterteilung in die Profile E‑Kompetenzen und Digitale Kompetenzen. Dabei beschreiben digitale Kompetenzen primär die Befähigung zur geschäftlichen Anwendung digitaler Technologien und Lösungen in allen Bereichen der Verwaltung, während sich E‑Kompetenzen stärker auf die technische Entwicklung und den Betrieb herkömmlicher IT-Lösungen beziehen. In runden Klammern sind stellenweise häufig synonym verwendete englische Fachbegriffe, an anderen Stellen Bezeichnungen von verbreiteten Methoden oder Komponenten zur Veranschaulichung angegeben.

Tab. 1 Erweitertes Kompetenzmodell für die digitale Verwaltung (Auth et al. 2021, S. 7f)

Mit diesem erweiterten Kompetenzmodell wird nachfolgend untersucht, welcher Bedeutungsveränderung die enthaltenen Kompetenzen im Zuge der Arbeitsnachfrage öffentlicher Institutionen im Untersuchungszeitraum unterliegen. Zu diesem Zweck wird im folgenden Abschnitt zunächst das Untersuchungsdesign vorgestellt.

3 Methodik

Zur Beantwortung der Forschungsfrage wird ein Ist-Ist-Vergleich von Stellenanzeigen aus zwei Datensätzen der Jahre 2019/2020 sowie 2023 durchgeführt. Beide Datensätze umfassen insgesamt 47.450 Stellenanzeigen, welche mithilfe von Softwarerobotern auf Basis der Softwarelösung für Robotic Process Automation (RPA) des Herstellers UiPath erhoben wurden. Während der erste Datensatz Stellenanzeigen des zentralen Stellenportals des Bundes (www.service.bund.de) sowie des Landes Nordrhein-Westfalen (www.stellenmarkt.nrw.de) berücksichtigt, sind im zweiten Datensatz ausschließlich Stellenanzeigen des Bundesportals gesammelt worden, da dieses auch die Stellenanzeigen der Länder und vieler Kommunen integriert. Tab. 2 liefert einen Überblick über die Eigenschaften beider Datensätze. Dabei ist anzumerken, dass die Stellenanzeigen des Landes NRW einen Anteil von 11,8 % am ersten Datensatz ausmachen. Dieses landesspezifische Subset ist bei der Analyse beibehalten worden, um beim Ist-Ist-Vergleich die Anschlussfähigkeit zu den Ergebnissen der Erststudie sicherzustellen und zwei etwa gleich große Datensätze für die Analyse zur Verfügung zu stellen. Duplikate in den beiden Teilmengen des ersten Datensatzes wurden über eine heuristische Duplikaterkennung eliminiert, sodass keine Verzerrungen in den Ergebnissen zu erwarten sind.

Tab. 2 Merkmale der Datensätze

Die in den Stellenbeschreibungen enthaltenen Textdaten sind mithilfe linguistischer Verfahren vorverarbeitet worden (z. B. Wortzerlegung, Stammformreduktion), sodass diese mithilfe textanalytischer Methoden des Job Mining (Bensberg und Buscher 2016) untersucht werden konnten. Der Methodeneinsatz erfolgte im Rahmen eines explorativen Ansatzes zur Aufdeckung von Abweichungen zwischen beiden Datensätzen, um zeitliche Entwicklungen hinsichtlich der Kompetenzen des vorgestellten Kompetenzmodells (Tab. 1) identifizieren zu können. Zu diesem Zweck sind mithilfe von regulären Ausdrücken und syntaktischen Mustern entsprechende Abfragen formuliert worden, um Fundstellen für wesentliche Fachbegriffe bzw. Fachbegriffskombinationen des Kompetenzmodells in den Stellenanzeigen zu lokalisieren und anhand einer Frequenzanalyse quantitativ zu erheben. Beispielsweise wird mithilfe der Abfrage (description:*berichtswesen* OR description:*reporting*) nach sämtlichen Stellenanzeigen gesucht, in deren Stellenbeschreibung der Begriff Berichtswesen bzw. Reporting mindestens einmal auftritt. Die Häufigkeit des Auftretens einzelner Fachbegriffe des Kompetenzmodells in den Stellenbeschreibungen wird dabei zur Relevanzbewertung der einzelnen Kompetenzen zugrunde gelegt. Diese Abfragen sind aus der originären Studie der Autoren bewusst unverändert übernommen worden und können im Folgenden daher zur Abweichungsermittlung herangezogen werden.

Zur Durchführung der Abweichungsanalyse wurde ein Top Down-Ansatz gewählt, d. h., es findet zunächst eine Betrachtung auf der Ebene der fünf Kompetenzbereiche statt, die dann auf die Ebene der Einzelkompetenzen verfeinert wird. Wie in der originären Studie werden innerhalb des Gesamtdatensatzes erneut drei Subgruppen differenziert:

  • Die Subgruppe IT umfasst Stellenanzeigen mit primär IT-bezogenen Aufgaben, wie sie typischerweise einer eigenen Organisationseinheit (OE, bspw. IT-Dezernat, IT-Abteilung) zugeordnet sind, z. B. IT-Administrator/-in.

  • In der Subgruppe Digitalisierung wurden Stellenanzeigen zusammengefasst, die einen expliziten Bezug zu den Begriffen Digitalisierung, digitale Transformation o. ä. aufweisen, wie z. B. Chief Digital Officer oder Digitalisierungskoordinator/-in. Organisatorisch sind diese Stellen teilweise der IT-Abteilung zugeordnet, häufig aber auch als Stabstellen oder OE ausgeprägt.

  • Die dritte Subgruppe Fachbereich beinhaltet alle verbleibenden Stellenanzeigen, die weder einen expliziten IT- noch einen Digitalisierungsbezug aufweisen. Diese Gruppe ist heterogen und umfasst Stellenanzeigen aus unterschiedlichen Verwaltungsbereichen.

4 Vergleichende Analyse von Stellenanzeigen vor und nach der COVID-19-Pandemie

Bei der Vergleichsanalyse beider Datensätze konnte zunächst festgestellt werden, dass sich bezüglich der drei Subgruppen leichte Veränderungen ergeben haben. So kann Abb. 1 entnommen werden, dass der Anteil der IT-bezogenen Stellenanzeigen sowie der Stellenanzeigen für Fachbereiche (weder IT- noch Digitalisierungsbezug) nahezu unverändert geblieben ist, während sich der Anteil der Stellenanzeigen mit Digitalisierungsbezug von 5,3 % im Jahr 2020 auf 8,3 % in 2023 gesteigert hat. Diese Entwicklung ist teilweise darauf zurückzuführen, dass neue Stellenbezeichnungen mit explizitem Digitalisierungsbezug eingeführt worden sind (z. B. Digitalkoordinator/in, Digitalisierungsmanager/in), die in dem originären Datensatz noch nicht vorhanden waren. Darüber hinaus ist auch feststellbar, dass etablierte, frequente Stellenbezeichnungen (z. B. Sachbearbeiter/in) nunmehr um einen Digitalisierungsbezug ergänzt werden (Sachbearbeiter/in Digitalisierung), und deren Stellenbeschreibungen häufig Digitalisierungsprojekte und -prozesse des Bundes referenzieren.

Abb. 1
figure 1

Anteile der drei Subgruppen in beiden Datensätzen

Zur Analyse von Nachfrageverschiebungen zwischen den Kompetenzbereichen wurden die Stellenanzeigen nach Vorkommen der Kompetenzelemente des in Abschnitt 3 dargestellten Kompetenzmodells durchsucht. Die identifizierten Häufigkeiten werden nachfolgend für die fünf Kompetenzbereiche als relative Häufigkeiten in Form von Balkendiagrammen präsentiert (Abb. 2). In den Diagrammen werden für jeden Kompetenzbereich des Kompetenzmodells (Tab. 1) die relativen Häufigkeiten in sämtlichen Stellenanzeigen (Kategorie Alle, Abb. 2a) sowie pro Subgruppe (Kategorien IT, Digitalisierung, Fachbereich in den Abb. 2b, c, d) für die beiden untersuchten Datensätze (2020 vs. 2023) dargestellt.

Abb. 2
figure 2

Relative Häufigkeiten der fünf Kompetenzbereiche für den Gesamtdatensatz und drei Subgruppen

Bei der Betrachtung sämtlicher Stellenanzeigen (Abb. 2a) wird deutlich, dass sämtliche Kompetenzbereiche mit Ausnahme des Kompetenzbereichs Erstellen digitaler Inhalte relativ an Bedeutung gewonnen haben. Die größte relative Zunahme weisen hier die Kompetenzbereiche Sicherheit und Kommunikation & Kollaboration auf. Für diese Veränderungen können mit Blick auf die Einzelkompetenzen folgende Faktoren identifiziert werden:

  • Im Kompetenzbereich Sicherheit wird die Zunahme durch die Einzelkompetenzen IT-Sicherheit, Informationssicherheit und Nachhaltigkeit getrieben. Dabei ist ebenfalls auffällig, dass Kompetenzen im Umfeld von Distributed Ledger-Technologien (DLT) bzw. Blockchain weiterhin auf geringem Niveau stagnieren, obwohl die Bedeutung von DLT in vielen privatwirtschaftlichen Sektoren (z. B. Logistik, Finanzwirtschaft) deutlich zugenommen hat und Blockchain mittlerweile als disruptive Technologie angesehen wird.

  • Die Zunahme im Kompetenzbereich Kommunikation & Kollaboration lässt sich maßgeblich zurückführen auf den Bedeutungszuwachs der Einzelkompetenzen Serviceorientierung, Agile Kultur sowie E‑Vorgangsbearbeitung. Während Serviceorientierung und E‑Vorgangsbearbeitung bereits in der originären Studie einen hohen Support in der Datenbasis aufweisen, ist die Agile Kultur in dem neueren Datensatz ein emergentes Thema, das sich nun auch in dedizierten Stellenbezeichnungen manifestiert (z. B. Scrum-Master, Lean & Agile Produktentwickler).

Der geringe relative Bedeutungsverlust des Kompetenzbereichs Erstellen digitaler Inhalte ist auf unterschiedliche Entwicklungen bei den Einzelkompetenzen zurückzuführen, die sich teilweise kompensieren. So ist in diesem Kompetenzfeld festzustellen, dass die etablierten Technologien Wissensmanagement, Content Management und Georeferenzierung einen Bedeutungsverlust zeigen. Dieser wird jedoch zum Teil dadurch ausgeglichen, dass die Relevanz des Dokumentenmanagements und der damit verknüpften Rechtskompetenzen (Urheberrecht, Lizenzmodelle, Open Source) angestiegen sind. Die größte absolute Zunahme im Gesamtdatensatz weist indes der Kompetenzbereich Problemlösung auf. Als treibende Größen dieses Kompetenzfelds sind die Einzelkompetenzen Projektmanagement, Stakeholdermanagement, IT-Entwicklung & Anwendungsentwicklung sowie Automatisierung zu nennen. Dieses Kompetenzfeld wird auch durch weitere Themen bewegt, die eine hohe relative Zunahme zeigen – hier sind insbesondere Zentralisierung, Prozessdigitalisierung sowie Change Management zu nennen. Darüber hinaus ist auch bei der Einzelkompetenz Künstliche Intelligenz & Machine Learning ein Bedeutungszuwachs nachweisbar. Die entsprechenden Stellenanzeigen sind allerdings überwiegend im Hochschulbereich oder Forschungsinstituten angesiedelt, sodass eine breite Diffusion von KI in der öffentlichen Verwaltung anhand der untersuchten Stellenanzeigen bislang nicht nachweisbar ist.

Bezüglich der Subgruppe IT (Abb. 2b) gilt ebenfalls die Feststellung, dass sämtliche Bereiche mit Ausnahme des Kompetenzbereichs Erstellen digitaler Inhalte relativ an Bedeutung gewonnen haben. Hier ist allerdings hervorzuheben, dass die relative Zunahme am stärksten den Bereich Kommunikation & Kollaboration betrifft. In diesem Kompetenzbereich haben insbesondere die Kompetenzen Agile Organisation, Agile Haltung und Prozessorientierung an Bedeutung gewonnen. Weiterhin ist auch der Kompetenzbereich Sicherheit relevanter geworden – hier ist eine deutliche relative Bedeutungszunahme von Green IT, Nachhaltigkeit und IT-Sicherheitstechnologien zu verzeichnen. Aus absoluter Perspektive dominiert – wie auch bei der Gesamtbetrachtung – der Kompetenzbereich Problemlösung mit den wichtigsten Einzelkompetenzen Projektmanagement, Stakeholdermanagement sowie IT-Entwicklung & Anwendungsentwicklung.

In der Subgruppe Digitalisierung (Abb. 2c) hat – im Unterschied zu den übrigen Gruppen – auch das Kompetenzfeld Informations- und Datenkenntnisse einen Bedeutungsverlust erfahren. Diese Entwicklung ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass Einzelkompetenzen wie etwa Data/Text Mining, ersetzendes Scannen oder Portalverbund in geringerem Umfang nachgefragt werden. Diese Entwicklung wird nur teilweise dadurch kompensiert, dass andere Kompetenzen – wie etwa Big Data oder Data Science als verwandte Kompetenzen zu Data/Text Mining – häufiger nachgefragt werden. Die Subgruppe Digitalisierung zeichnet sich außerdem dadurch aus, dass im Kompetenzfeld Kommunikation & Kollaboration eine starke Zunahme agiler Themen (Agile Organisation, Agile Kultur) sowie der Serviceorientierung zu verzeichnen ist. Dagegen verlieren soziale Netzwerke in der Digitalisierungssubgruppe deutlich an Bedeutung.

Bei der Betrachtung der Subgruppe Fachbereich (Abb. 2d) sind deutliche relative Bedeutungszuwächse in den Feldern Sicherheit sowie Problemlösung erkennbar. So sind im Sicherheitskontext für die Fachbereiche vor allem Regularien des Datenschutzes (Data Privacy) wichtiger geworden, als dies bei den technisch ausgerichteten Subgruppen (IT, Digitalisierung) der Fall ist. Bei den Problemlösungskompetenzen sind insbesondere die Themen Zentralisierung, Agiles Arbeiten (Scrum) sowie Anforderungsmanagement (Requirements Engineering) relevanter geworden, was sich teilweise mit dem Gesamtbefund überschneidet.

5 Diskussion und Ausblick

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass sich in zeitlicher Folge der COVID-19-Pandemie durchaus Veränderungen bezüglich der digitalen Kompetenzen für die Arbeitskräftenachfrage in der öffentlichen Verwaltung ergeben haben. So ist festzustellen, dass der Anteil von Stellenanzeigen mit Digitalisierungsbezug deutlich angestiegen ist. Zur Deckung des Kompetenzbedarfs für Digitalisierungsprojekte und -prozesse werden teils neue Stellenbezeichnungen artikuliert, die darauf hindeuten, dass Digitalisierung zu einem strategischen Schlüsselthema in der Personalgewinnungspolitik der öffentlichen Verwaltung avanciert ist. Es ist zu vermuten, dass dieser Digitalisierungsschub zumindest partiell auf die durch pandemiebedingte Lockdowns veränderten Verwaltungsprozesse durch Nutzung digitaler Technologien zurückzuführen ist. Eine fundierte Beantwortung dieser Fragestellung kann indes nicht anhand der hier zugrunde gelegten Datenbasis und gewählten Methodik erfolgen, sondern erfordert den Einsatz komplementärer Datengewinnungsmethoden (z. B. Experteninterviews).

Darüber hinaus konnte auf Grundlage des Kompetenzmodells nach Auth et al. (2021) nachgewiesen werden, dass sich die Nachfrage nach Kompetenzbereichen und den damit verknüpften Einzelkompetenzen im Untersuchungszeitraum differenziert entwickelt hat. Während die Relevanz von etablierten Technologiebausteinen der Verwaltungsinformatik (z. B. Content Management, Wissensmanagement) gesunken ist, konnten andere Themenfelder in 2023 deutlich an Bedeutung gewinnen. Auffällig bei der Vergleichsuntersuchung ist insbesondere die Emergenz des Themas Agilität (Agile Kultur, Agile Organisation), mit dem eine höhere Anpassungsfähigkeit der Verwaltungsdienstleistungen an die Anforderungen der Stakeholder erzielt werden soll. Hierdurch steigt ebenfalls der Bedarf an Mitarbeitenden, die über entsprechende Kompetenzen zum Management agiler Projekte verfügen und somit einen Beitrag zur flexiblen Reaktion auf veränderte Verwaltungsanforderungen leisten können. Als weiteres Thema hat Sicherheit deutlich an Bedeutung gewonnen. Um die Kontinuität von Verwaltungsdienstleistungen auf hohem Niveau zu sichern, sind bestehende Digitalisierungsinfrastrukturen gegenüber Cyberangriffen mithilfe von Techniken des IT-Sicherheitsmanagements wirksam zu schützen. Inwieweit diese Veränderung auch mit den Folgen des Angriffskriegs Russlands in der Ukraine und zunehmenden Cyberangriffen aus Drittstaaten direkt zusammenhängen, lässt sich indes ebenso wenig mit dieser Datenbasis beantworten. Auch hier sind komplementäre Experteninterviews zur vertiefenden Ursachenanalyse angezeigt.

Die skizzierten Ergebnisse sind letztlich vor dem Hintergrund des in Auth et al. (2021) zugrunde gelegten, empirischen Forschungsdesigns einzuordnen. So sind im Zuge der Stellenanzeigenanalyse zwar großzahlige Datenbestände untersucht worden, allerdings decken diese unterschiedliche Zeiträume und Kalendermonate ab, sodass z. B. auch saisonale Effekte potenziell unentdeckt bleiben. Um die Vergleichbarkeit der Analyseergebnisse zu gewährleisten, wurde zudem mit dem Kompetenzmodell und den daraus abgeleiteten Abfragen aus der originären Studie gearbeitet, sodass neue Fachbegriffe für die Domäne digitaler Kompetenzen nicht berücksichtigt wurden. Im Zuge weiterführender Studien ist daher ein exploratives Screening der beiden Subgruppen IT und Digitalisierung vorzunehmen, sodass neue Fachbegriffe (z. B. Synonyme) identifiziert und ggf. in das Kompetenzmodell und die resultierenden Abfragen integriert werden können. Dies betrifft insbesondere auch KI-bezogene Kompetenzen. So ist sich die derzeitige Regierungskoalition des massiven zeitlichen Verzugs und Schiefstandes bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung bewusst, sodass für eine Beschleunigung der Digitalen Transformation insbesondere auch die zeitnahe Prüfung des Einsatzes von KI in öffentlichen Verwaltungsprozessen konkret in Aussicht gestellt wurde. In der jüngsten Fortschreibung der nationalen Datenstrategie der Bundesregierung vom August 2023 heißt es hierzu (Bundesregierung 2023b, S. 28):

„Wir wollen die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz auch für die öffentliche Hand nutzbar machen. Wir prüfen, ob und inwieweit LLMsFootnote 1 in der öffentlichen Hand sinnvoll und unter Wahrung des Datenschutzes zum Einsatz kommen sollten.“

Hinsichtlich dieser jüngst veränderten Wahrnehmung der potenziellen Bedeutung von KI-Diensten für Verwaltungsprozesse erscheint es daher sinnvoll, in zukünftigen Untersuchungen von Stellenanzeigen KI-bezogene Kompetenzen vertieft zu adressieren.