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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Obst-, Holz-, Heilpflanze
Band IV,2 (1901) S. 16331635
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2) Obst-, Holz-, Heilpflanze, griechisch κρανεία. Die Winde schütteln in den Bergthälern φηγόν τε μελίην τε τανύφλοιόν τε κράνειαν (Il. XVI 767). Man füttert Schweine mit Eicheln und καρπὸς κρανείης, so auch Kirke (Od. X 242). Ihr Mark (μήτρα) ist hart und fest (Theophr. h. pl. Ι 6, 1), auch ihr Holz sehr hart (V 6, 4); sie wächst in der Ebene (III 3, 1); man scheidet männliche und weibliche κράνεια und nennt letztere auch θηλυκρανεία (VI 12, 1). Genauere Beschreibung geben Theophrast (h. pl. I 8, 2. III 2, 1. 4, 2. 4, 3. 6, 1. 12, 1f. IV 4, 5. V 4, 1; c. pl. ΙΙI 1, 4. 10, 2), Dioskorides (med. I 172), Plinius (n. h. XVI 74. 97. 103. 105. 183. 186. 211. 226. XXI 72). Man verwendete I. die Frucht, II. das Holz, III. den Rutensaft. – I. Das Obst (cornum) wurde viel gebraucht; darum ist die rötliche Kornelkirsche mit ihrem blutroten Safte gutbekannt (Plin. n. h. XV 101. 109) und die Cultur des Baumes in der Kaiserzeit mit grösster Sorgfalt betrieben (XV 105); im transpadanischen Italien zog man auch Weinreben an den Kornelbäumen (XVII 201). Man pfropfte auch C. auf prunus (prunis lapidosa rubescere corna videmus, Verg. Georg. II 84). Die Früchte wurden: 1) frisch gegessen: aus Wurzeln, Beeren und lapidosa corna bestehend denkt sich Virgil des Flüchtlings Nahrung (Aen. III 649); 2) eingemacht für den Winter (Col. XII 10. 3): 3) gekeltert, um Obstwein zu gewinnen (Plin. n.h. XIV 103). – II. Das Holz diente zu vielerlei Zwecken. 1) Zu Lanzenschäften: κρανέϊνον ἀκόντιον Hom. h. Merc. 460; κρανέϊνα πάλτα Xen. [1634] hell. III 4, 14, vgl. Strab. 570; ξυστοῖς κρανεΐωοις Arrian. an. Ι 15, 5; bona bello cornus Verg. Georg. II 447; volat Italia cornus Aen. IX 698; sonitum dat stridula cornus XII 267; cornea hastilia V 557; mit solchen Lanzen hatte man den Polydoros getötet, auf seinem Grabe aber waren sie festgewachsen und frisch ausgeschlagen, cornea virgulta Aen. III 22f.; oft heisst daher κράνεια und cornum geradezu ,Lanzenschaft, Lanze‘, z. B. κράνεια βροτοκτόνε Anth. Pal. VI 123; grave cornum Ovid. met. VIII 408. XII 451 u. s. w. 2) Zu Radspeichen, Holzkeilen, Holznägeln, Plin. n. h. XVI 206; clavi cornei Cato agric. 18, 9. 3) Zu Bechern: τὸ νῦν καλούμενον κράνειον ἔκπωμα Athen. XI 479 F. 4) Zu Bogen und Pfeilen: Herod. VII 92 τόξα κρανέϊνα der Lykier; Paus. I 21, 5 τόξα τε κράνινα καὶ ὀΐστούς der Sauromaten. 5) Zu Stöcken: Liv. I 56, 9 aureum baculum inclusum corneo cavato ad id baculo. – III. Vereinzelt ist die Notiz des Plin. n. h. XXIII 151: sudor virgae corni ... sanat incipientis lichenas. Doch wuchs die κράνεια auch unter den Zauberkräutern im Garten der Hekate, Ps.-Orph. Arg. 915. – Die Namen κράνεια cornus bringt man mit κέρασος cerasus zusammen und leitet sie von κέρας cornu ab; Hornstrauchgewächse heissen noch heute die Cornaceae. Κέρας aber wird auf κρανίον cranium ,Schädel‘ und auf κραναός ,hart‘ schon im Altertum bezogen, wie die cornus tota ossea des Plinius (n. h. XVI 186) durchschimmern lässt.

Für die botanische Identificierung endlich ist folgendes festzuhalten. 1) Zweifellos ist κράνεια und cornus dasselbe; beider Beschreibung und Verwendung ist völlig dieselbe; mit ihren Früchten nährt Homer die Schweine, Virgil aber nur in der Not wie mit radices bacaeque den Menschen. 2) Höchst wahrscheinlich sind beide mit unserem Hartriegel (cornus mascula L.) eins. Denn: a) Wiederum decken sich Eigenschaften und Verwendungsarten; noch heute fertigt man daraus Drechslerarbeiten und Radzähne, noch heute die als Ziegenhainer bekannten gelben Knotenstöcke (vgl. fulva cornus nodata Plin. XVI 186; si cornus, nodus inesset sc. hastili Ov. met. VII 678). b) Die Tradition des Namens ist ununterbrochen von Homer bis Linné fortlaufend und gleichbleibend; noch heute bietet man in Smyrna und Constantinopel die Kornelkirschen unter dem Namen ,Krania‘ feil, noch heute heisst der Hartriegel in Griechenland κρανία und in Italien corniolo, wie die Frucht corniola oder corna. 3) Zweifelhaft bleiben die genaueren Unterscheidungen, z. B. ob des Plinius cornus femina die C. sanguinea L. sei (Leunis) oder ob sich des Plinius virga sanguinea (XIV 73) und sanguinei frutices (XVI 74) mit der C. sanguinea L. decken (Lenz), ob die Italiker auch die Prunus avium L. kannten, aber von der C. mascula L. nicht unterscheiden konnten (Hehn ), ob auf jenes prunum oder dieses cornum des Servius Notiz (Georg. II 18: hoc etiam ante Lucullum erat in Italia, sed durum, et cornum appellabatur) zu beziehen sei (Hehn), oder ob jene Prunus avium L. erst mit unserer Zeitrechnung in Griechenland sich eingebürgert habe (Koch).

In der Mythologie spielt der Baum keine Rolle. Denn sowohl die Deutung des Apollon Καρνεῖος [1635] (Paus. III 13, 5) als auch die Ableitung des Namens Κύρνος, den der Heros eponymos von Corsica trägt, von κράνεια (Herodot. I 167) sind spät, vereinzelt und ausgetüftelt.

Über die griechischen Wortformen κράνεια, ὁ κράνος, τὸ κράνον und Ableitungen s. Lobeck Paral. 339 und Phryn. 262. – Quellen: Blümner Techn. u. Term. II 270. Lenz Bot. d. Gr. u. Rom. 596. Hehn Kulturpfl. u. Haustiere⁶ 390ff. Koch Bäume u. Sträucher des alt. Griech. 195ff. Murr Pflanzenwelt in der griech. Myth. 70ff. Leunis Synopsis II 273ff.