Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält | |
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vom Himmel herabstammst, sind alle deine geprahlten Einflüsse wirklich nur schöne Schimären deiner Bewunderer, ist die Menschheit nicht deine Schuldnerin – o so zerreiße deinen unsterblichen Lorbeer, Thalia, laß deine Posaune von ihr schweigen, ewige Fama! – Jene bewunderte Iphigenia war nichts als ein schwacher Augenblick ihres Schöpfers, der seiner Würde vergaß – der gepriesene Hamlet nichts als eine Majestätsverlezung des Dichters gegen den himmlischen Genius.
Ueber keine Kunst ist – so viel ich weiß – mehr gesagt und geschrieben worden, als über diese; über keine weniger entschieden. Die Welt hat sich hier, mehr als irgendwo, in Vergötterung und Verdammung getheilt, und die Wahrheit gieng verloren durch Uebertreibung. Der härteste Angriff, den sie erleiden mußte, geschah von einer Seite, wo er nicht zu erwarten war. – Der Leichtsinn, die Frechheit, auch selbst die Abscheulichkeit derer die sie ausüben, kann der Kunst selbst nicht zur Last fallen. Die meisten eurer dramatischen Schilderungen, und selbst die am meisten gepriesenen, was sind sie anders, spricht man, als seine versteckte Giftmischerei, künstlich aufgepuzte Laster, weichliche oder großsprechende Tugenden? – Eure Repräsentanten der Menschheit,
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft1_005.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)