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Textdaten
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Autor: Johannes Proelß
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Titel: Drei Schalksnarren
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 50, S. 830–831
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Vergleich der Schalksnarren Till Eulenspiegel, Nasreddin und Abu Said (s. al-Hariri)
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[830]
Drei Schalksnarren.
Von Johannes Proelß.

Als vor wenigen Jahren Julius Wolff uns mit einem „Till Eulenspiegel redivivus“ beschenkte, wandte sich die öffentliche Aufmerksamkeit wieder einmal mit besonderer Vorliebe dem alten deutschen Schalk der Schälke zu, von dem die durch einen Denkstein in das Bereich der Geschichte hineinragende Sage behauptet, daß er im Jahre 1350 zu Mölln gestorben und begraben worden sei. Die ausführlichen Besprechungen, welche die Kritik dem Schelmenliede J. Wolff’s damals darbrachte, versäumten nicht, mit dankbarer Liebe und Verehrung des berühmten Kneitlinger Bauernsohns, der hier ein Auferstehungsfest im Geiste und Frack des neunzehnten Jahrhunderts feierte, zu gedenken, und das Fischart’sche Ruhmwort fand erneute Erhärtung:

Am ganzen Rhein auf und ab
Der Menschen Gedächtniß ist sein Grab.

In diesen Tagen ist nun wiederum ein Buch erschienen, welches den Schatten des unruhigen, schalkigen Vaganten in der Erinnerung heraufbeschwört: Murad Efendi’s „Nasreddin Chodscha“, welchem die 1838 in Constantinopel zuerst erschienenen „Latha’if–i Chodscha Nasreddin“ zu Grunde liegen und dessen Held uns vom Dichter selbst als ein „osmanischer Eulenspiegel“ vorgestellt wird. Wer dieser war? Ein türkischer Schulmeister, das ist Chodscha zu deutsch, der um das Jahr 1400 in dem bei Brussa gelegenen Güssel Hissar wirkte, also in einer Zeit, wo die griechische Landschaft Anatolien in viel strengerem Sinne als heute türkisch war. Wie uns Murad erzählt, genießen seine witzigen Einfälle und Schwänke noch heute im Orient kaum geringere Popularität als die unseres Eulenspiegel bei uns. Noch heute werden sie allerwärts citirt und bewundert, und neue Streiche und Witzworte finden daselbst unter der Flagge seiner Vaterschaft am schnellsten und nachhaltigsten Anerkennung und Verbreitung.

Stolze Namen sind verschollen;
Chodscha’s Ruhm noch heut besteht.
Nachruf auch ist Spiel der Launen,
Wie ihr’s an dem Narren seht.

Mögt ihr manchen seiner Streiche
Tadeln als zu dünn geschürzt,
Als zu bäurisch, derb, vielleicht auch
Eurem Gaumen zu gewürzt;

Dennoch in Serail und Hütte
Wird noch Nasreddin’s gedacht,
Sich auf Nasreddin berufen
Und der Nasreddin belacht.

Erinnern nicht diese Worte, in denen Murad den Ruhm seines Helden verkündet, an die begeisterte Apostrophe, welche Julius Wolff in einer Lebensskizze des alten Till diesem gewidmet hat? „Sein Andenken lebt fort im deutschen Volke, wie sein Geist noch lebendig ist im Volkswitz und im guten Humor des deutschen Gemüths, mag er sich offenbaren, wie und wo er will, an Schriften und Liedern, aus der Gasse, in Wort und Bild, an That und Thorheit. Wer wird über fünfhundert Jahre nach unserem Grabe fragen? Und was war Till? Was hat er gethan, geschaffen, entdeckt, erfunden, hinterlassen? Nichts. Eines Bauern Sohn war er, ein fahrender Mann und ein Narr, aber ein kluger Narr, der wohl wußte, daß unser Wissen Stückwerk ist.“

Wohl hat darnach Franz von Werner (dies ist der angeborne Name Murad’s) ein Recht, seinen Helden einen osmanischen Eulenspiegel zu taufen, wenn auch ein näherer Vergleich allerdings ergiebt, daß die Aehnlichkeit Beider in Thun und Rede nicht gar so groß ist, so wenig der türkische Volkscharakter dem des Deutschen im Reformationszeitalter gleicht. Der Sinn des Osmanen neigt sich dem Maßvollen zu; Ernst und Würde im Benehmen, im Bewegen und Sprechen ist ein Gebot auch für den gewöhnlichen Türken. Sein Eulenspiegel ist daher kein Fahrender, kein unruhiger Springinsfeld, dem Ernst und Würde widerwärtige Dinge, kein Thunichtgut, der nichts im Kopfe hat als lose Streiche, wie unser Till, seine Bedürfnisse sind gering und nöthigen ihn zu keinem Verstoß gegen die Moral, während es von diesem im Volksbuch heißt: „Gesottenes und Gebratenes wollte er allezeit essen, darum mußte er sehen, wo er es nähme.“ Nasreddin ist ein Gelehrter, ein Philosoph, ein gewissenhafter Familienvater; sein Heimathsort und dessen Weichbild genügen ihm zum Schauplatz seiner Thaten und Predigten. Er benutzt nicht die Schwächen seiner Nebenmenschen zu seinem Vortheil, sondern lächelt meist nur vom erhabenen Standpunkt seiner Weltanschauung über sie und findet darin seine Befriedigung. Ein lachender Philosoph, pfeffert er seinen Witz mit heimlichem Spott, und durch seinen Humor schimmert ein tiefsinniger Pessimismus. Seine Schwänke laufen daher meist auf eine ironische Wendung, seltener auf ein eigentliches mit Handlung verquicktes Abenteuer hinaus. Nur in einzelnen Fällen, so wenn Nasreddin den Aga seines Orts, der anbefohlen hat, man solle, wenn er niese, „Gesundheit“ rufen und dabei der Sitte gemäß in die Hände klatschen, durch seine unzeitgemäße Formbeflissenheit in den Ziehbrunnen purzeln läßt, klingt das an die eigenthümliche Ironie an, die wir „Eulenspiegeleien“ nennen und deren Wesen in der wörtlichen Auffassung und unzeitigen Ausführung erhaltener Aufträge besteht. Dem Metzger, der Eulenspiegel auf dem Markte zuspricht, er solle doch etwas mitnehmen, läßt dieser seine Bitte nicht unerfüllt, und als der Bäcker ihm zuruft: Hebe dich zum Hause heraus, so nimmt er den Weg durch’s Dach. Die Kunst des Silbenstechens ist es, die Beiden den gleichen Meisterhut auf das Haupt drückt, aber in dieser finden Beide wiederum ihren Meister in einem andern Erzschelm des Ostens, der im Uebrigen in wunderbarer Weise die hervorgehobenen Unterschiede in seinem Wesen vereint. Ein Weiser und Philosoph, ein Schlemmer und Vagabond zugleich, tritt uns Abu Seid von Serug, der lustige Liebling Arabiens, entgegen, der in Hariri’s Makamen ein unsterbliches Leben genießt und der uns Deutschen durch Friedrich Rückert’s bewunderungswürdige Uebertragung dieser Dichtung schon lange eine vertraute Gestalt geworden. Er ist unstreitig der poetischste der im Titel zum Kleeblatt vereinigten Schelme.

Als Deutschland noch im Schatten der Scholastik träumte, genossen[WS 1] bereits die arabischen Völker den klaren Sonnenschein einer in sich ausgereiften, eigenartigen Cultur. Charakteristisch für diese ist die Stellung, welche sie dem Dichter einräumte. Die in dem glücklichen Arabien umherziehenden Nomaden waren sowohl durch ihre Lebensweise und Umgebung wie durch den Genius ihres Volkes mehr denn je ein anderes Volk auf die Poesie als fast ausschließliche Quelle höheren Lebensgenusses angewiesen. „Das Nacht- oder Mondscheingespräch der Araber, ‚Semer‘“ so berichtet Rückert, „ist ein Hauptstück ihres geselligen Lebens. Mit seiner stillen Einförmigkeit muß es ihnen die ganze Mannigfaltigkeit von lauten Vergnügungen ersetzen, die in unseren Städten die Nacht zum Tage machen. Aus der eigensten Natur des Bodens hervorgegangen, geht diese volksthümliche Sitte aus dem Naturstand in den Culturstand, aus den Zelten in die Städte und aus dem arabischen Heidenthume in den Islam herüber, von dessen Strenge sie sogar gleichsam erst ihre Nahrung erhält.“ In der That, der Koran, indem er Wein und Spiel, Musik und Tanz verbot, förderte wie kein anderes Religionssystem die Pflege der Sprache und der Kunst, die auf der Sprache beruht. Jede Art von Spiel war den Gläubigen verpönt, nur das Wortspiel verblieb ihnen. Bei ihren Geschäften sprachen die Araber wenig; um so mehr erschien ihnen die Sprache als Gegenstand einer Kunst, ja als Kunst selbst, und je kunstvoller es Einer verstand, sie nach Form und Inhalt zu gebrauchen, je mehr war er Gegenstand allgemeiner Bewunderung. So erklärt sich die glänzende Stellung des Dichters im öffentlichen Leben der Araber. Wenn in einem Stamme ein hervorragender Dichter auftrat, so erschienen Gesandtschaften der übrigen, um ihm Glück zu wünschen, und es wurden ihm zu Ehren Gastmähler und Feste veranstaltet. Redeturniere, Sängerkriege waren nichts Seltenes und konnten leicht Ereignisse von höchster Bedeutung werden. Einen Abglanz dieser Verhältnisse hat der Einfluß der spanischen Araber in die Entwickelung der abendländischen Poesie hinein geleitet, indem derselbe auf der Sprachinsel der Provence die Republik der Troubadours entwickeln half.

Das Vorstehende erklärt den uns gleichzeitig so fremdartigen und doch so seltsam anziehenden Charakter Abu Seid’s. Die [831] komische Lieblingsgestalt einer Nation von Dichtern mußte selbst ein Dichter, ein Dichter von großartiger Begabung und nach ihrem Geschmacke sein; ein Volk von Nomaden verschmolz sein Dichterideal mit demjenigen eines buntbewegten Wanderlebens. So ward Abu Seid, der als Charakter unmöglich nur als Erfindung eines Kunstdichters gelten kann, der aber in der Gestalt, die ihm die Schöpferkraft Hariri’s gegen Ende des elften Jahrhunderts nach Christo gegeben, eine unveränderliche Plastik erhalten, ein dichtender Vagabond, ein vagabondirender Dichter, wie seines Gleichen die Weltliteratur nicht kennt.

Das Vagabonden-Element, die unbezähmbare Wanderlust, der Drang nach Abenteuern in ihm macht diesen Araber nun unserm Till Eulenspiegel in erster Linie verwandt. Auch Till ist das Product einer Cultur, in welcher das fahrende Volk, vom Ritter bis zum Landsknecht, vom Scholasten bis zum musicirenden Gaukler, vom Gelehrten bis zum quacksalbernden, goldmachenden Adepten, eine wichtige Rolle im öffentlichen Leben spielte, der Repräsentant einer Nation, in welcher die Wanderlust, die einst ihre Väter an der großen Völkerbewegung maßgebenden Antheil nehmen ließ, alle Zeit lebendig und mächtig geblieben ist und in den späteren Romfahrten, den Kreuzzügen erneuten historischen Ausdruck gefunden hat.

Die geistige Ueberlegenheit gegenüber denen, die sie prellen und anführen, ist ferner beiden gemeinsam, beiden die witzige Wendung, in der es geschieht, und welche unsere Sympathie, so oft diejenige der Beschädigten selbst auf ihre Seite zieht. „Ein bischen Diebsgelüst, ein bischen Rammelei“ sind wesentliche Ingredenzien ihrer Abenteuer. Beide setzen stets ihre Persönlichkeit ein, auch wenn es sich um Handlungen von offenem Lug und Trug handelt; ihr Muth ist nicht ihr geringster Bundesgenosse. Und nicht nur die Verlegenheit und Noth, sondern natürlicher Drang treibt beide zu allerlei Verkleidungen; wie des Arabers Abenteuer mit Recht von Rückert „Verwandlungen“ genannt worden sind, so stellen sich auch diejenigen des deutschen Tollkopfes als solche Verwandlungen dar. Nichts ist ihnen dabei heilig; das Gewand des Priesters deuten beide für ihre Zwecke aus. Und wenn dieses im Besondern dem beredten Scheich besser zu Gesicht steht – hat er doch die volle Beredsamkeit eines Abraham a Santa Clara zur Verfügung – so muß dem niederdeutschen Bauernsohn nachgerühmt werden, daß er sich auf dem Gebiet der Verkleidung weit erfinderischer zeigt, als sein ihm an Phantasie und Gedankenfeinheit doch so weit überlegener Widerpart. Des Serungers Verwandlungen heben diesen nur selten aus der Sphäre seines Bettlerthums heraus; welche Fülle von Rollen weiß dagegen der Kneitlinger sich zu eigen zu machen!

Beide verwerthen weiterhin ihre Talente zur Ermöglichung eines thunlichst arbeitslosen und genußvollen Lebens, ohne in der Wahl ihrer Mittel durch Ehrbegriffe sonderlich gehindert zu werden, aber des Arabers Schwindeleien sind durch die Grazie der Ausführung weit mehr dem Dunstkreise des Gemeinen entrückt, als die des Deutschen. Der letztere wird uns in seinem Denken und Handeln oft sogar widerwärtig; gewisse Unfläthereien, die Lust am „Hofixen“ und anderen schmutzigen und windigen Dingen, denen K. J. Weber in seinem „Demokritos“ das „Capitel Pfui“ gewidmet hat, erscheinen uns Modernen kaum noch komisch und lächerlich, wie unseren roheren Altvordern. Vor dieser Ueberschreitung in das Gebiet des Niedern und Gemeinen schützte den Seruger seine bessere Vergangenheit, und neben dem edleren Sinn seiner Nation der Adel seines Dichtergeistes. Eulenspiegel ist ein junger Bursche, der Sohn einer armen energielosen Bäuerin; er ist zu faul ein Handwerk zu lernen, und als er sechszehn Jahr alt ist, „tummelt er sich und lernt mancherlei Gaukelei“. Er sucht in der Fremde sein Glück; mit Zehrgeld versorgt ihn sein Mutterwitz, und dieser ist, um seinen Zweck nicht zu verfehlen, naturgemäß auf den Geschmack der Lebenskreise angewiesen, in denen Till am meisten Verkehr hat: des niedern Bürgerstandes und der Bauern. Wohl veranlaßt der wachsende Ruf seiner Schwänke und Anschläge auch Fürsten und Große, den gewandten Schalksnarren zu sich zu rufen, doch wahrlich nicht um ihn bessere Sitten und Lebensanschauungen zu lehren. Wie traurig es übrigens auch um diese stand, ist aus des Ritter’s Hans von Schweinichen Denkwürdigkeiten und den Simplicianischen Schriften männiglich bekannt. Der Bettlerkönig aus Serug hingegen darf sich edelster Abstammung rühmen; seine Jugend war in Wohlleben verstrichen. Unglück allein hat ihn seines Besitzthums beraubt und zum Landstreicher gemacht. Er bettelt, aber im Vollbesitze der höchsten Bildung eines hochgebildeten Volks. Und vertiefter, wie uns sein Charakter gezeichnet ist, hat dieser neben der komischen eine tragische Seite. Die elegische Sehnsucht nach dem verschwundenen Paradies seiner Heimath und Jugend sendet oft genug einen wehmüthigen Accord in den jauchzenden Schwall seiner heiteren Beredsamkeit.

Rührend schildert er selbst diese Doppelnatur seines Wesens in folgenden Versen:

Ich bin der alte Wunderreich,
Der Ueberall und Nirgendwo.
Der Araber und Perser ruft
Ob meinen Streichen ha und ho!
Ich aber ruf’ an jedem Tag
Ob meinem Jammer ah und oh!
Denn ach, die Hand des Schicksals liegt
Auf meinem Nacken rauh und roh.

Der Unterschied adeligen und gemeinen Wesens zwischen beiden Schelmen tritt besonders hervor in der Art, wie sie sich dem Lebensgenuß hingeben. Wenn Eulenspiegel einen Streich glücklich aufgeführt hat und zu Gelde gekommen ist, dann heißt es einfach: „Und er war hinweg und schlemmte redlich.“ Auch Abu Seid enteilt dem Schauplatze seiner Thaten und setzt sich fest in der Schenke in Nichtachtung der Vorschriften des Propheten. Aber was für ein Zecher ist er! Auch hier ist er Künstler! „Bald den Schenken herzte er; bald mit der Flasche scherzte er, roch nun den Duft der Viole, sog nun das Naß der Phiole und horchte dem Lied der Viole, von der Lust Gesellen umrungen, von den Gasellen umsprungen und von den Ghaselen umklungen.“ Die schönste aber entperlt seinem eigenen freudetrunkenen Munde – Anakreon wird zum Schulbuben neben ihm:

Nicht schelt’ einen Alten,
Der glätten will Falten
Und füllen die Spalten
Und stützen sein Dach!
Denn Wein ist der Glättstein
Des Trübsinns, der Wetzstein
Des Stumpfsinns, der Brettstein
Des Sieges im Schach.
Ja, Wein ist der Meister
Der Menschen und Geister,
Der Feige macht dreister
Und stärket, was schwach …
Sprich, weißt Du, was besser
Als Schenkengewässer
Und brausende Fässer
Und Taumelgelag? …

Ist Eulenspiegel’s Witz rasch zur That und kurz von Wort, so ist dagegen der unseres Dichters wort- und klangreich, eher dem seines türkischen Vetters verwandt. Die Sprache ist sein Instrument, auf welchem er spielt, so verführerisch, so bestrickend, daß die Herzen der Hörer weich werden und, berauscht von dieser Musik, dem Spieler ihre Freigebigleit unbegrenzt zuwenden. „Er bezauberte mit seinem Mundwerk das Volk, indeß er mit beiden Händen molk“, und so haben seine Worte, mögen sie in lyrischer Begeisterung ertönen, in epischer Breite ihre Farbenpracht entfalten, in gnomenhafter Kürze, Raketen gleich, hervorblitzen, das Wesen und die Wirkung von Thaten.

Bald rüttl’ ich Schläfer wach, und bald
Umnebl’ ich die Besinnung Wacher;
Bald für die Weiner predigend,
Bald Lieder singend für die Lacher,
Im Weiberrock und Manneskleid,
Jetzt Chansa (eine Dichterin), dann ihr Bruder Sacher (ein Held).

Fast jede mit dem Sinn für das Komische begabte Nation hat ihren Schalksheiligen, dessen Charakter, durch eine literarische That in feste Form gebracht, in der Phantasie und im Munde des Volks als der gute Genius humoristischer Lebensauffassung fortlebt. Meine drei Freunde, die ich im Vorstehenden, durch neuere Literaturerscheinungen veranlaßt, neben einander gestellt und verglichen habe, würden in euer Gesammtdarstellung dieses wichtigen und anziehenden Capitels der Literatur- und Culturgeschichte eine hervorragende Stellung einnehmen. Alle Drei sind Urtypen, geboren aus dem Geiste ihrer Nationalität und ihrer Zeit, und deshalb beleuchtet sie diese selbst nach gewissen Richtungen hin auf das Hellste.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: denossen.