„Tiermedizin“ – Versionsunterschied
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[[Datei:Veterinärzeichen.jpg|mini|150px|Hinweis auf eine niedergelassene Tierärztin mit [[Äskulapstab]]]]
Die '''Tiermedizin''', '''Tierheilkunde''' oder '''Veterinärmedizin''' (vom französischen Wort ''vétérinaire''), bis ins 20.
== Geschichte ==
=== Global ===
[[Datei:PKahun LV2.jpg|mini|Der veterinärmedizinische Papyrus Kahun LV. 2]]
Der erste überlieferte Tielheilkundige war [[Urlugaledinna]], der 2200 v. Chr. im sumerischen [[Lagaš]] in Mesopotamien lebte.<ref>Ilse Fuhr: ''Ein sumerischer Tierarzt.'' In: ''Archiv orientalni'' Band 34, 1966, S. 570.</ref> Der ägyptische [[Medizinische Papyri aus Lahun#Veterinär-Papyrus Kahun LV.2|Papyrus von Kahun]] von 1900 v. Chr. ist eines der ersten Dokumente, das Tierheilkunde belegt.<ref>Michael Thrusfield: ''Veterinary epidemiology.'' Wiley-Blackwell, 2007, ISBN 978-1-4051-5627-1, [http://books.google.de/books?id=LZfevagYF4YC&redir_esc=y Google Books, 21. November 2011]</ref>
Der buddhistische König [[Ashoka|Aśoka]] hatte gemäß [[Iwan Bloch]] bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. Krankenhäuser für Menschen und Tiere eingerichtet.<ref>[[Conrad Brunner]]: ''Über Medizin und Krankenpflege im Mittelalter in Schweizerischen Landen'' (= ''Veröffentlichungen der [[Schweizerische Gesellschaft für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften|Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften]].'' Band 1). Orell Füssli, Zürich 1922, S. 88.</ref>
[[Datei:Shalihotra manuscript pages2.jpg|mini|links|Shalihotra Dokumente, etwa 2400 v. Chr.]]▼
In den [[Edikte des Ashoka|Edikten des Ashoka]] ([[3. Jahrhundert v. Chr.]])
{{Zitat
|Text=König [[Ashoka]] machte überall zwei Arten der Medizin (चिकित्सा) verfügbar, für Menschen und für Tiere. Wo keine Heilpflanzen verfügbar waren, ordnete er Kauf und Kultivierung an.}}
Die <!-- angebliche? --> Darstellung des [[Asklepios]] auf einer provinzialrömischen Münze aus [[Parium]] in Mysien z.Zt des römischen Kaisers [[Alexander Severus]], auf der er den Huf eines Stiers untersucht, deutet darauf hin, dass Asklepios nicht nur als human-, sondern auch als veterinärmedizinisch tätiger Heilgott angesehen wurde. Daneben galt auch Herkules als Schutzgott der Tierherden und ihrer Gesundheit.<ref>[[Jost Benedum]]: ''„Aesculapius veterinarius“. Zu einer unbekannten Münze aus Parion an der Propontis.'' In: ''Medizinhistorisches Journal.'' Band 7, 1974, S. 301–311; Hermann Junghans: ''Asklepios als Veterinär?'' In: ''Geldgeschichtliche Nachrichten.'' März 2020, S. 39.</ref>▼
▲In den [[Edikte des Ashoka|Edikten des Ashoka]] ([[3. Jahrhundert v. Chr.]]) ist, übersetzt ins Englische, geschrieben:<ref>Stanley Finger: ''Origins of neuroscience: a history of explorations into brain function.'' Oxford University Press, 2001, ISBN 978-0-19-514694-3, [http://books.google.de/books?id=_GMeW9E1IB4C&redir_esc=y Google Books, 21. November 2011].</ref>
[[Datei:Parium Asklepios.JPG|mini|Asklepios einen Stier untersuchend, Münze aus Parium z. Zt. Alexander
▲Die <!-- angebliche? --> Darstellung des [[Asklepios]] auf einer provinzialrömischen Münze aus [[Parium]] in Mysien z.Zt des römischen Kaisers [[Alexander Severus]] auf der er den Huf eines Stiers untersucht, deutet darauf hin, dass Asklepios nicht nur als human-, sondern auch als veterinärmedizinisch tätiger Heilgott angesehen wurde. Daneben galt auch Herkules als Schutzgott der Tierherden und ihrer Gesundheit.<ref>[[Jost Benedum]]: ''„Aesculapius veterinarius“. Zu einer unbekannten Münze aus Parion an der Propontis.'' In: ''Medizinhistorisches Journal.'' Band 7, 1974, S. 301–311; Hermann Junghans: ''Asklepios als Veterinär?'' In: ''Geldgeschichtliche Nachrichten.'' März 2020, S. 39.</ref>
▲[[Datei:Parium Asklepios.JPG|mini|Asklepios einen Stier untersuchend, Münze aus Parium z. Zt. Alexander Severus']]
Das umfangreichste tierärztliche Werk des Altertums stellten die kurz ''Mulomedicina'' („Mulomedizin“) oder ''Ars veterinaria'' genannten vier Bücher ''Artis veterinariae sive mulo-medicinae libri quatuor'' des [[Flavius Vegetius Renatus|Publius Vegetius Renatus]] aus dem 4. Jahrhundert dar.<ref>[[Conrad Brunner]]: ''Über Medizin und Krankenpflege im Mittelalter in Schweizerischen Landen'' (= ''Veröffentlichungen der [[Schweizerische Gesellschaft für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften|Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften]].'' Band 1). Orell Füssli, Zürich 1922, S. 31 und 33–34.</ref>
Im 5. oder 6. Jahrhundert erschien die Zusammenstellung antiker Schriften zur [[Pferdemedizin|Pferdeheilkunde]], die [[Hippiatrica]]. Im Mittelalter war das um 1250 verfasste sechsteiligen Handbuch der Pferdeheilkunde ''Hippiatria'' des [[Jordanus Ruffus]], dem Oberhofmarschall Friedrichs II., verbreitet und wurde seit dem 13. Jahrhundert auch in verschiedene Sprachen übersetzt.<ref>[[Gundolf Keil]]: ''Ruffus, Jordanus.'' In: ''[[Verfasserlexikon]].'' 2. Auflage. Band
▲[[Datei:Shalihotra manuscript pages2.jpg|mini
=== Deutscher Sprachraum ===
Vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit sind auch im deutschsprachigen Raum tierheilkundliche Texte bezeugt.<ref>Gundolf Keil: ''‚Liber de cura equorum‘ (‚Practica equorum‘, ‚Roßarzneiliche Albertus-Magnus-Vorlage‘).'' In: ''[[Verfasserlexikon]].'' Band V, Sp. 752–756.</ref><ref>[[Gerhard Eis]]: ''Zwei Tierheilmittel aus Arnold Doneldeys Arzneibuch von 1382.'' In: ''Deutsche tierärztliche Wochenschrift'' 63, 1956, S. 62 f.</ref><ref>Gerhard Eis: ''Deutsche Heilmittel für Haustiere aus dem Jahre 1321.'' In: ''Deutsche tierärztliche Wochenschrift'' 65, 1958, Nr. 4, S. 115 f.</ref><ref>Wilhelm Tzschacher: ''Salzburger Tierheilkunst um 1520.'' In: ''Veterinärhistorische Mitteilungen.'' Band 10, Nr. 9, 1930, S. 71 f.</ref><ref>Willy Louis Braekman: ''Zestiende-Eeuwse Veterinaire Literatuur uit de Nederlanden.'' Brüssel 1987 (= ''Scripta: Mediaeval and Renaissance texts and studies.'' Band 20).</ref> Eine der am weiträumigsten verbreiteten und vom 13. bis zum 18. Jahrhundert in viele Sprachen übersetzten, pferdeheilkundlichen Schriften war das sogenannte ''[[Rossarzneibuch]]'' des Meister Albrant, der unter anderem in Neapel als [[Marstall]]er Kaiser Friedrichs II. wirkte.<ref>
Die älteste, noch bestehende, eigenständige tiermedizinische Hochschule in Deutschland ist die 1778 unter der Regentschaft von Georg III. als ''Roßarzney-Schule'' gegründete [[Tierärztliche Hochschule Hannover]] (seit 2003 Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover). Der Anatom Henryk Kadyi (1851–1912) setzte um 1900 im [[Lwiw#Österreichisches Lemberg 1772–1918|Österreichischen Lemberg]] ein Reifezeugnis und ein vierjähriges Studium der Tiermedizin<ref>J. Stahnke: ''Ludwik Teichmann (1823–1895). Anatom in Krakau.'' In: ''Würzburger medizinhistorische Mitteilungen'' 2, 1984, S. 205–267; hier: S. 216.</ref> als Voraussetzungen für die Zulassung von Tierärzten durch.
== Tiermedizinische Fachkräfte ==
== Studium in Deutschland ==▼
Der [[Tierarzt]] ist ein Beruf, der einen Hochschulabschluss und eine staatliche Zulassung erfordert. Darüber hinaus gibt es die tiermedizinischen Ausbildungsberufe [[Tiermedizinischer Fachangestellter]] (TFA, früher Tierarzthelfer) und [[Veterinärmedizinisch-technischer Assistent]] (VMTA, heute auch als ''Medizinischer Technologe für Veterinärmedizin'' bezeichnet). In der DDR gab es noch einen Fachschulabsolventen, den [[Veterinäringenieur]], der vor allem für Routinetätigkeiten in der industriemäßigen Tierproduktion in den von einem Tierarzt geleiteten Veterinärmedizinischen [[Sozialistische Brigade|Brigaden]] und Abteilungen zum Einsatz kam.<ref>[[Wörterbuch der Veterinärmedizin]], 2. Aufl. 1980, S. 1292.</ref>
Die Ausbildung zum [[Tierarzt]] ist durch die [[Approbationsordnung#Veterinärmedizin|Verordnung zur Approbation von Tierärztinnen und Tierärzten]] (TAppV) staatlich geregelt.▼
▲=== Studium in Deutschland ===
▲Die Ausbildung zum
Das Studium der Tiermedizin ist in Deutschland an der [[Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover|Tierärztlichen Hochschule Hannover]], in [[Berlin]] ([[Freie Universität Berlin]]), [[Gießen]] ([[Justus-Liebig-Universität Gießen|Justus-Liebig-Universität]]), [[Leipzig]] ([[Universität Leipzig]]) und [[München]] ([[Ludwig-Maximilians-Universität München|Ludwig-Maximilians-Universität]]) möglich. In der Republik Österreich ist das Studium nur in Wien, in der Schweiz an den [[Universität Bern|Universitäten Bern]] und [[Universität Zürich|Zürich]] möglich. Es gliedert sich in die Abschnitte Vorphysikum, [[Physikum]] und klinischer Abschnitt. Es endet mit dem Abschlussexamen und der [[Approbationsordnung|Approbation]] als [[Tierarzt]].
Je nach Universität erfolgt die Ausbildung in zwei Varianten. Bei der klassischen Methode wird nach Fächern gelehrt ([[Chirurgie]], [[Innere Medizin]], [[Theriogenologie]] etc.), bei der nordamerikanischen Methode wird nach Tierarten unterschieden und innerhalb dieser dann alle Fächer zusammen gelehrt (Klinik für [[Wiederkäuer]], [[Pferde]], [[Kleintier|kleine Haustiere]] usw.)
Anschließend folgen gegebenenfalls eine [[Dissertation]] mit dem Erwerb des akademischen Grades ''Doctor medicinae veterinariae'' (Dr. med. vet.), eine zusätzliche tierärztliche Prüfung im Rahmen einer Qualifikation als Fachtierarzt für öffentliches Veterinärwesen (sog. Kreisexamen<ref>[https://amtstierarzt.de/bundesverband/aufgaben-und-ausbildung/ausbildung-zum-verwaltungsdienst-im-oeffentlichen-veterinaerwesen/449-amtstierarzt-amtl-tierarzt-begriffe-und-qualifikation-eine-stellungnahme Amtstierarzt, amtl. Tierarzt, Begriffe und Qualifikation – eine Stellungnahme]</ref>) oder eine Weiterbildung als [[Fachtierarzt]]. Europaweit ist in jüngerer Zeit nach amerikanischem Vorbild ein standardisierter Weiterbildungsgang zum ''[[Diplomate of the European College]]'' für viele Fachrichtungen entstanden (z. B. Diplomate of the European College of Veterinary Surgery, Dipl. ECVS). Dieser wird durch das ''European Board of Veterinary Specialisation'' koordiniert.
Ähnlich wie in der [[Humanmedizin]] gibt es unter Tierärzten diverse Spezialisierungen im Rahmen der postgradualen Weiterbildung zum Fachtierarzt. Dabei gibt es sowohl disziplinabhängige Fachtierärzte (z. B. Chirurgie, [[Pathologie]], Innere Medizin), tierartenbezogene Spezialisierungen (z. B. Kleintiere, Pferde, [[Rinder]], [[Hausschwein|Schweine]], [[Geflügel]]) und neben den eigentlichen Fachtierärzten ''Gebietsbezeichnungen'' (z. B. [[Augenheilkunde]], [[Akupunktur]]) (→ [[Liste medizinischer Fachgebiete]]).
[[Datei:Veterinary literature.JPG|mini
In der [[Landwirtschaft]] spielt die Veterinärmedizin eine große Rolle.<ref>vgl. exemplarisch: G. C. Haubner: ''Landwirthschaftliche Thierheilkunde …'', 2. Aufl. Anklam 1847.</ref> Hier geht es unter anderem um den [[Tierseuche]]nschutz, so dass auch die Tötung von [[Tierherde]]n bei Infektionen ([[Maul- und Klauenseuche|MKS]], [[BSE]] u.
Während bei „Luxustieren“ wie [[Pferde]]n sowie kleinen Haus- und [[Heimtier]]en wie [[Haushund|Hunden]], [[Hauskatze|Katzen]] oder [[Hausmeerschweinchen|Meerschweinchen]] eine der Humanmedizin vergleichbare Versorgung möglich ist, unterliegt die medizinische Betreuung landwirtschaftlicher Nutztiere hauptsächlich den Aspekten der [[Wirtschaftlichkeit]].
Ein weiterer Schwerpunkt der Veterinärmedizin ist die Sicherung der [[Lebensmittelhygiene]]. Zu diesem Zweck wird beispielsweise die [[Schlachttier- und Fleischuntersuchung]] durch Tierärzte bzw. unter ihrer Aufsicht durchgeführt. Dazu gehört die Kontrolle von
Die einstige Männerdomäne ist mehr und mehr zu einem Beruf für Frauen geworden. An manchen [[Hochschule]]n stieg die Prozentzahl der [[Student]]innen der Veterinärmedizin auf über 90 %; im bundesdeutschen Durchschnitt betrugen die Zahlen bei den Studienanfängern: 1974 24 %, 1980 50 %, 1990 74 %, 2001 87 %.
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Weiters wird von einer zunehmenden Anzahl von veterinärmedizinischen Hochschulen die Wichtigkeit von institutionalisertem, systematisch gegebenem, qualitativ hochwertigem Lehrenden-Feedback an Studierende erkannt, um den Erwerb von klinischen Kompetenzen effizienter und effektiver zu gestalten.<ref>[http://jvme.utpjournals.press/doi/10.3138/jvme.0316-073R Buchner, H. H. F., Nawrocik, D., & Burger, C. (2017, in press). Student-initiated feedback using clinical encounter cards during clinical rotations in veterinary medicine: A feasibility study. Journal of Veterinary Medical Education. http://jvme.utpjournals.press/doi/10.3138/jvme.0316-073R]</ref>
=== Studium in der Schweiz ===
{{Hauptartikel|Studium der Medizin#Medizinstudium in der Schweiz}}
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== Literatur ==
* [[Angela von den Driesch]]: ''Geschichte der Tiermedizin. 5000 Jahre Tierheilkunde.'' Callwey, München 1989, ISBN 3-7667-0934-8.
* [[Gerhard Eis]]: ''Deutsche Heilmittel für Haustiere aus dem Jahre 1321.'' In: ''Deutsche tierärztliche Wochenschrift.'' Band 65, 1958, S. 115–116.
* [[Reinhard Froehner]]: ''Kulturgeschichte der Tierheilkunde.''
* Cynthia M. Kahn (Hrsg.): ''The Merck veterinary manual'', 10th ed., John Wiley, Whitehouse Station, N.J.: Merck, Chichester, 2010, ISBN 978-0-911910-93-3.
* Emmanuel Leclainche: ''Histoire illustrée de la médicine vétérinaire, presentée par Gaston Ramon.''
* Emmanuel Leclainche: ''Die Tierheilkunde in der Antike.''
* Emmanuel Leclainche: ''Die Veterinärmedizin vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.'' In:
== Weblinks ==
{{Commonscat|Veterinary medicine|Veterinärmedizin}}
{{Wikinews|Kategorie:Veterinärmedizin|Veterinärmedizin}}
* {{DNB-Portal|4078315-7}}
* {{HLS|24474|Tiermedizin|Autor=Werner Sackmann}}
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<references />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4078315-7|LCCN=
{{SORTIERUNG:Veterinarmedizin}}
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