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Ostfriesisches Niederdeutsch

niederdeutsche Volkssprache in Ostfriesland, Deutschland
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Ostfriesisches Niederdeutsch (Eigenbezeichnungen: Platt, seltener Plattdüütsk, Oostfreesk), auch ostfriesisches Platt genannt, ist die niederdeutsche Volkssprache in Ostfriesland. Ostfriesland gehört zu den Regionen, in denen das Niederdeutsche noch eine relativ starke Stellung hat. Unter dem Einfluss des Hochdeutschen ist jedoch auch hier ein Rückgang der Sprachkompetenz bei den jüngeren Sprechern zu verzeichnen.[1] Die Bezeichnung Ostfriesisch bezieht sich im allgemeinen Sprachgebrauch heute meist auf das ostfriesische Niederdeutsch und nur noch selten auf die im eigentlichen Ostfriesland ausgestorbene ostfriesische Sprache, die nur noch im oldenburgischen Saterland (saterfriesische Sprache) von rund 2000 Menschen gesprochen wird.

Verbreitung des Ostfriesischen Platts

Klassifikation

Das ostfriesische Platt gehört zum westniederdeutschen Zweig des Niederdeutschen (Niedersächsisch). Es ist jedoch kein direkt auf das Altsächsische zurückgehender Dialekt, sondern entstand erst ab etwa 1400 auf friesischem Substrat. Es ist also wie das Schleswigsche und fast das gesamte Ostniederdeutsche ein „Kolonialdialekt“. Das ostfriesische Platt wird innerhalb des Westniederdeutschen in der Regel dem Nordniedersächsischen zugeordnet. Nur selten wird es von diesem getrennt behandelt.

Für die mittelniederdeutsche Zeit ist eine Dialektgliederung nur anhand der überlieferten geschriebenen Sprache möglich. Agathe Lasch ordnet 1914 das ostfriesische Mittelniederdeutsch mit dem Oldenburgischen als ostfriesisch-oldenburgische Schriftsprache ein.[2] Robert Peters hingegen fasst 1984 das Groningisch-Ostfriesische zu einem mittelniederdeutschen Schriftdialekt zusammen.[3]

Insbesondere die ältere niederländische Literatur kennt den Terminus friso-saksisch („Friesisch-Sächsisch“) für niederdeutsche Dialekte auf friesischem Substrat, worunter das ostfriesische Platt klassifiziert wurde.[4] Dabei wurden insbesondere die westlichen ostfriesischen Dialekte häufig mit den Groninger Dialekten zum Gronings-Oostfries zusammengefasst.[5]

Angrenzende Dialekte

Dem ostfriesischen Platt stehen die umliegenden niedersächsischen Dialekte nahe: im Osten geht das Ostfriesische in das Jeverländer und nordoldenburgische Platt über, im Westen ist es trotz des in jüngerer Zeit zunehmenden Einflusses der unterschiedlichen Dachsprachen dem Groninger Platt noch sehr ähnlich. Mit den meisten der Groninger und Nordoldenburger Ortsdialekte hat es auch das friesische Substrat gemein.

Im Süden und Südosten werden die verwandten Dialekte des Emsländischen, Hümmlinger und Südoldenburger Platts gesprochen. Diese haben kein friesisches Substrat. Zudem hat die starke Konfessionsgrenze zwischen dem protestantischen Ostfriesland und dem katholischen Ems- und Münsterland lange Zeit den Kontakt der Dialekte gebremst.[6]

Geschichte

Die ursprüngliche Volkssprache zwischen Lauwers und Weser war die ostfriesische Sprache. Diese wurde in Ostfriesland ab etwa 1400 durch das Mittelniederdeutsche ersetzt, beeinflusste die neue Sprache aber auch. Das in Ostfriesland in Gebrauch kommende Mittelniederdeutsch wies zudem nicht nur friesisches Substrat, sondern auch einen konservativen niederdeutschen Sonderwortschatz auf, der sich in anderen Dialekten nicht erhalten hatte.[7] Die Unterschiede zu den umliegenden niederdeutschen Dialekten beruhen zum Teil bis heute auf diesen beiden Sonderentwicklungen. Auch Spuren der Unterscheidung von ems- und weserfriesischer Variante des Altostfriesischen finden sich bis heute im ostfriesischen Platt. Das Mittelniederdeutsch, das in Ostfriesland Einzug hielt, war eine westlich geprägte Mundart, daher finden sich bis heute auch westfälische Einflüsse in der Sprache wieder.

Im Laufe der Zeit kamen Einflüsse aus der niederländischen Sprache und damit auch dem Französischen hinzu, die in der Zugehörigkeit Ostfrieslands zum napoleonischen Königreich Holland gipfelten. Niederländisch war insbesondere im calvinistischen Südwesten Ostfrieslands weit verbreitet und als Kirchensprache bis ins 19. Jahrhundert in Gebrauch. Verstärkt wurde diese Wechselbeziehung durch rege Zu- und Abwanderung von und nach den Niederlanden.

Dialekte

Das ostfriesische Platt kennt zahlreiche Ortsdialekte, die vor allem durch eine veränderte Aussprache und im Vokabular voneinander abweichen. Dabei finden sich zwei Hauptgruppen. Die kleinere Gruppe wird Harlingerländer Platt genannt und umfasst die östlichen Mundarten, die in etwa im heutigen Landkreis Wittmund gesprochen werden. Diese Dialekte stehen bereits den angrenzenden nordniedersächsischen Mundarten näher und gehen fließend in das Jeverländer und Nordoldenburger Platt über. Die westlichen Dialekte setzen sich dagegen stärker vom Oldenburgischen ab. Diese Dialekte, vor allem das Rheiderländer Platt und das Borkumer Platt, stehen bereits dem Groninger Platt sehr nahe.

Ein nach außen auffälliger Unterschied zwischen dem Harlinger Platt und dem übrigen Ostfriesischen ist die Vokabel für sprechen/reden: die Harlingerländer schnacken wie die meisten anderen Dialektsprecher zwischen Oldenburg und Schleswig. Die übrigen Ostfriesen proten (vgl. niederländisch praten). Die Sprachgrenze dieser beiden Gruppen entspricht in etwa jener der emsfriesischen und weserfriesischen Dialekte der alten ostfriesischen Sprache.

In einer Arbeit des Sprachwissenschaftlers Marron Curtis Fort zu den niedersächsischen und saterfriesischen Dialekten zwischen Lauwers und Weser werden innerhalb Ostfrieslands Sprachproben zu den unterschiedlichen Dialekten folgender Orte untersucht: Insel Borkum, Bunde im Rheiderland, Aurich, Insel Baltrum, Wittmund im Harlingerland und Rhauderfehn.[8] Dies mag als Auswahl der Dialektvielfalt gelten.

Ein ganz eigenes gruppentypisches Idiom innerhalb des Ostfriesischen Platts bildete in der Vergangenheit die mittlerweile verloren gegangene Verkehrssprache der (vielfach jüdischen) Viehhändler, in der sich ein eigenwilliges Platt teilweise mit jiddischen und anderen sprachlichen Elementen mischte.[9]

Merkmale

Ostfriesisches Platt unterscheidet sich in einer Reihe von Merkmalen vom übrigen Nordniedersächsischen, wie es östlich von Bremen bis nach Schleswig-Holstein gesprochen wird. Ähnlich wie in der niederländischen Sprache oder in den alemannischen Dialekten wird häufig vom Diminutiv (der Verkleinerungsform) Gebrauch gemacht. Das Diminutiv-Suffix ist -je und -tje oder -ke, beispielsweise Footjes = Füßchen, Kluntje = Stück Kandiszucker für den Tee, Lüüntje = Spatz, Sperling (Passer domesticus), Tüütje = Hühnchen. Im Groninger Platt gibt es dieselben Wörter: Voutjes (vout), Klontje (klont). Luntje (lunt). Tuutje (tuut).

Das Diminutiv findet sich auch häufig bei ostfriesischen Vornamen, insbesondere weiblichen, die dann zu eigenständigen Namen geworden sind.

Wichtige Unterschiede zu den benachbarten niederdeutschen Mundarten finden sich zudem in der Grammatik: So hat Ostfriesisch den Einheitplural auf -en (sonst meist -et), und kennt die konsequente Durchführung der ingwäonischen (nordseegermanischen) Metathese der germanischen Pronomen: hör für ihr (sonst auch niederdeutsch eer) und hüm oder hum für ihm/ihn (sonst auch niederdeutsch eem, trotz niederdeutsch he für dritte Person Singular männlich).

Phonetik und Phonologie

Das Phoneminventar der niederdeutschen Sprache Ostfrieslands ist nicht generell zu beschreiben, da insbesondere die Realisierung der Vokale in den verschiedenen Ortsdialekten erheblich voneinander abweichen kann. Die folgende Beschreibung mag als Beispiel dienen, das nicht absolut, aber in weiten Teilen Gültigkeit hat.[10]

Vokale

Monophthonge

Neben den unten aufgeführten Vokalen existiert noch der Langvokal [o:], der allerdings nur im Diphthong [o:ɪ] vorkommt. Der Konsonant /r/ wird im Silbenauslaut häufig zu ​[⁠ɐ⁠]​.

Kurzvokale:

Phonem Laut Beispiel Bemerkung
/i/ ​[⁠ɪ⁠]​ ik (ich)
/e/ ​[⁠ɛ⁠]​ helpen (helfen)
/ä/ ​[⁠æ⁠]​ recht (richtig)
/a/ ​[⁠a⁠]​ Gatt (Loch)
/ü/ ​[⁠ʏ⁠]​ Süster (Schwester)
/ö/ ​[⁠œ⁠]​ för (für)
/ə/ ​[⁠ə⁠]​ Acker (Feld) Im Gegensatz zum Standarddeutschen wird die Nebensilbe -er nicht als [ɐ] sondern als [ə] realisiert.
/u/ ​[⁠ʊ⁠]​ vull (voll)
/å/ ​[⁠ɔ⁠]​ Salt (Salz)

Langvokale:

Phonem Laut Beispiel Bemerkung
/ii/ [i:] riek (reich)
/ee/ [e:, eˑə] Peeren (Birnen)
/ää/ [æ:] Deer (Tier)
/aa/ [a:] Tahn (Zahn)
/üü/ [y:] Füür (Feuer)
/uu/ [u:] ut (aus)
/åå/ [ɔ:] maken (machen)

Diphthonge und Triphthonge

Das Niederdeutsch Ostfrieslands ist reich an Diphthongen und weist in vielen Ortsdialekten auch Triphthonge auf.

Phonem Laut Beispiel Bemerkung
/ei/ [ɛɪ] see (sagte)
/eäi/ [ɛæɪ] neei (neu)
/öəi/ [œəɪ] mööi (müde)
/äi/ [æɪ] neet (nicht)
/ai/ [] teihn (zehn)
/aai/ [a:ɪ] Ei (Ei)
/ui/ [] luntjen (anzünden)
/ooi/ [o:ɪ] nooit (nie)
/öu/ [œʊ] Droom (Traum)
/au/ [] School (Schule) „School“ in der Krummhörn realisiert als [ʃgaʊl], im Rheiderland z. B. als [ʃgeaʊl].
/aau/ [a:ʊ] haun (schlagen)
/ou/ [] Boom (Baum)
/iə/ [] dicht (geschlossen)
/üə/ [] Sünn (Sonne)
/öə/ [œə] Bröör (Bruder)
/uə/ [] Tung (Zunge)
/åə/ [ɔə] koll (kalt)
/eä/ [ɛæ] seggen (sagen)
/äü/ [æy] föhlt (fühlt)

Konsonanten

Stimmhafte Plosive werden im Auslaut in der Regel verhärtet. Beim Wegfall eines Vokals im Auslaut kann die Stimmhaftigkeit des Konsonanten allerdings beibehalten werden, zum Beispiel: De dode Mann. / De dood Mann.

Plosive:

Phonem Laut Beispiel Bemerkung
/p/ ​[⁠p⁠]​ Pogg (Frosch)
/t/ ​[⁠t⁠]​ Tiek (Käfer)
/k/ ​[⁠k⁠]​ Kööken (Küche)
/b/ ​[⁠b⁠]​ Been (Bein)
/d/ ​[⁠d⁠]​ Diek (Deich)
/g/ ​[⁠g⁠]​ geel (gelb)

Frikative:

Phonem Laut Beispiel Bemerkung
/f/ ​[⁠f⁠]​ Vögel (Vogel)
/w/ ​[⁠v⁠]​ Water (Wasser)
/s/ ​[⁠s⁠]​ was (war)
/z/ ​[⁠z⁠]​ Sess (sechs)
/ch/ ​[⁠ç⁠]​ Tüüg (Zeug) Der „Ich-Laut“ erscheint in der Regel nach kurzem ​[⁠i⁠]​ und [y:]
/ch/ ​[⁠x⁠]​ hoog (hoch) Der „Ach-Laut“ erscheint auch an anderen Positionen als im Standarddeutschen, z. B. nach ​[⁠ʏ⁠]​ in Lücht (dt. Licht).
/sch/ ​[⁠ʃ⁠]​ Schoh (Schuhe)
/h/ ​[⁠h⁠]​ heten (heißen)


Sonstige Konsonanten:

Phonem Laut Beispiel Bemerkung
/tj/ [, ] Kluntje (Kandiszucker)
/ts/ ​[⁠ts⁠]​ zümtig (siebzig) Seltene Affrikate, vor allem in Lehnwörtern zu finden.
/j/ ​[⁠j⁠]​ Jier (Jauche)
/m/ ​[⁠m⁠]​ Mann (Mann)
/n/ ​[⁠n⁠]​ nargens (nirgendwo)
/ng, nk/ ​[⁠ŋ⁠]​ Ring (Ring)
/l/ ​[⁠l⁠]​ laten (lassen)
/r/ [r, ʀ] Rook (Rauch) Das gerollte oder einfache Zungenspitzen-r ​[⁠r⁠]​ ist die traditionelle Realisation, die in der jüngeren Generation langsam durch das gerollte Gaumenzäpfchen-r ​[⁠ʀ⁠]​ ersetzt wird. Den im Standarddeutschen meist verwendeten Reibelaut ​[⁠ʁ⁠]​ findet man dagegen kaum.

Wie bei anderen Regional- und Minderheitensprachen ist auch beim Ostfriesischen Platt zu beobachten, dass sich das Phoneminventar langsam der dominierenden Standardsprache angleicht.

Wortschatz

Auch im Vokabular gibt es Unterschiede zum Standarddeutschen, eine Reihe von Wörtern hat ihre nächste Entsprechung im Niederländischen oder Englischen.

Beispiele

Ostfriesisch Gronings Nordniedersächsisch Niederländisch Westfriesisch Englisch Deutsch
hör heur ehr/eer haar har her ihr
moi mooi, schier scheun mooi, schoon moai, skoan beautiful, nice, fine schön
geböhren gebeurn passeern gebeuren barre to happen geschehen
proten proaten snakken praten prate prate, prattle sich unterhalten
neet nait nich niet net not nicht
was was wer was wie was war


Außerdem finden sich Begriffe, die bei gemeinsamer Wurzel eine gegenüber dem Deutschen abweichende Entwicklung genommen haben, die sie dem Englischen oder Niederländischen annähert. Ein Beispiel:

Ostfriesisch Niederländisch Westfriesisch Englisch Deutsch
Klock ‚Uhr, Glocke‘ klok ‚Uhr‘ klok ‚Uhr‘ clock ‚Uhr‘ Glocke
't is klock teihn 't is tien uur it is tsien oere it is ten o' clock es ist zehn Uhr
Ühr ‚Stunde‘ uur ‚Stunde‘ oere ‚Stunde‘ hour ‚Stunde‘ Uhr
'n karteer Ührs een kwartier in kertier a quarter-hour eine Viertelstunde

Der ostfriesische Standardgruß lautet Moin. Der Gruß ist in weiten Teilen Norddeutschlands und darüber hinaus bekannt, seine genaue Herleitung aber nach wie vor nicht ganz geklärt. Trotz einer nicht unwahrscheinlichen Herkunft aus "Guten Morgen" ist er kein expliziter Morgengruß. Stattdessen wird er in Ostfriesland zu jeder Tages- und Nachtzeit verwendet.

Das friesische Substrat

Auch wenn es als unstrittig gilt, dass die alte ostfriesische Sprache die niederdeutsche Volkssprache in Ostfriesland beeinflusst hat, ist es schwierig, ein alt-ostfriesisches Relikt eindeutig als solches zu identifizieren. In der Sprachwissenschaft gilt das friesische Substrat nur als eine von mehreren Ursachen für die Sonderstellung des ostfriesischen Niederdeutsch innerhalb des Nordniedersächsischen. Die Einflüsse der Dialekte aus den heutigen niederländischen Provinzen Groningen und Drenthe sowie aus der niederländischen Standardsprache sind ungleich größer gewesen. Dabei ergibt sich für die Bestimmung friesischer Substratelemente im ostfriesischen Platt ein methodisches Problem. Ein als möglicherweise friesisch identifiziertes Merkmal kann nicht eindeutig der alten friesischen Substratschicht zugeordnet werden. Da auch das Groninger Platt auf ostfriesischem Substrat entstanden ist, kann ein solches Element auch über diesen Dialekt vermittelt worden sein. Genauso hatte auch das Niederländische ursprünglich friesische bzw. nordseegermanische Elementen angenommen und kann diese an den ostfriesischen Dialekt weitergegeben haben. Schließlich gilt auch die niederdeutsche Grundlage des ostfriesisch Platts als sehr konservativ. Da auch das Niederdeutsche ursprünglich nordseegermanisch geprägt war, kann ein vermutetes friesisches Relikt im Ostfriesischen auch ein konservierter niederdeutscher Ingwäonismus sein.[11]

Dementsprechend uneinig ist sich die Forschung in der Einordnung der Einzelfälle. Die umfangreichste Untersuchung zu dem Thema veröffentlichte Arend Remmers.[12] Zahlreiche seiner Beispiele sind aber bereits von anderen Forschern angezweifelt worden, weil sie zum Beispiel zu großflächig in anderen niederdeutschen Mundarten verbreitet oder Phänomene jüngeren Datums sind.[13]

Untersuchungen der Reliktwörter wurden hier zumeisten an den lokalen Wörterbüchern Böning, ten Doornkaat und Stürenburg durchgeführt. Die Reliktwörter finden sich vor allem in den "hinlänglich bekannten Bereichen 'bäuerlicher Wortschatz, Pflanzen- und Tiernamen, affektiver Wortschatz'".[14]

Die nachfolgenden Beispiele samt ihrer Vergleichsbelege aus dem Wangeroogischen, Harlingerfriesischen und Altfriesischen sind den wort- und lautgeografischen Beispiellisten aus dem Überblicksartikel zu dem Thema von Ulrich Scheuermann aus dem Jahr 2001 entnommen.[15]

Ostfriesisches Niederdeutsch Standarddeutsch Harlingerländer Friesisch Wangerooger Friesisch Altfriesisch
Babbe Väterchen babbe bab
Baue Viehbremse bawen
Bebbe / Beppe Großmutter
Ei Mutterschaf ai
Eide Egge eyde/ihde eide
flöstern umziehen flóster
Fōn fohn faun fámne
grinen schmerzen gryhnen grín grinda
Grōm Fischeingeweide graum
Heller Außendeichsland
hemmel sauber
Hemmel Reinigung
hemmelig reinlich
hemmeln reinigen
hemschen reinigen
Hokke Mantel hokka
Hüdel Kloß hühdels
Jire Jauche jere
Kabbe / Kobbe Möwe kâb
Kēl geronnene Milch kehl kêl kerl
Klampe Steg klampe klamp
Krubbe Mauerassel
leien blitzen
Leide Biltz layde leith / leid
Lēp Kiebitz leep
Līwe Austernfischer lîv
Laug / Lōg Dorf lauch lōch / lōch
Mêm / Memme Mutter mem mäm
Pralle / Pralling Hoden pralling
quinken / quinkōgen zwinkern quink quinka
Rēve Gerät rêv
Rīve Harke Hrīve
Schunke Schenkel skunk / skunka
Schūrschott Libelle schûrschot
Beddeselm Vorderkante des Wandbettes beddeselma
Schmeent kleine Ente
Stōm Dampf
Supen Buttermilch suhpe
Tōm Nachkommenschaft tâm
Tūn Garten thuen tûnn tūn
Tūsk Zahn tusck tusk tusk
Wāge Wand waage wôch wâg / wâch
Wāle Striemen
Wei Molke wôi hwajja / hwajjô
Wīke Kanal
Wirse Reihe gemähtes Gras wirsene
Heff die See hef
Inge Wiese
Jadder Euter jader
Gunder Ganter / Gänserich gôner gunder / gonder
Tulg Ast / Zweig tulg
Wuff / Wīf Weib wuff wīf
Māt Scheibe Fleisch māte
Gaspe Schnalle
Gast Geest gâst
Mande / Mānde Gemeinschaft manda
Aak / Ake zusätzliches Stück Land âka
Mār Grenzgraben mâr
Ees Aas / Köder ês
Eet Speise ēt
Meyde / Mēde / Mēë Wiese mēde
Teek Treibsel / Angespültes
Wēl Kolk / Brake
Grēde Grünland grēd
tēmen / temmen Heu in Haufen schieben
nitel stößig nîtel
kīwer lebhaft quîver
quivern gedeihen
Rieme / Rimm Einfassung rima
stīkel steil
stīkel Stachel stîkel
Tike Käfer
Trīme Leitersprosse
Ihne Granne
Hiele Ferse hiell hîl heila
Diemath / Dimt ein Flächenmaß deimēth / dîmēth
Lōne Gasse lone
Rōp Seil raap râp
Rōf ein Garnmaß
Heide Haut heude haid hēd / heid / heide
Stitze erstkalbende Kuh stirtze / sterkiō
Bittse Xanthippe bitze
Bletz Dreck bletz blets bletza
Tille Brücke till thille
Tīling Dielenlage
Tjāde Wasserzug tiā
Tjäpkes Mehlbeeren
Tjüche (in Flurnamen) tioche / tioche
tjukken stoßen
tjukseln schlagen / stolpern
tjüddern anpflokken

Ein Vergleich des niederdeutschen ostfriesischen Platts mit dem letzten überlebenden Dialekt der ostfriesischen Sprache, dem Saterfriesischen, verdeutlicht die unterschiedliche Entwicklung auf der Lautebene seit dem Sprachwechsel vom Friesischen zum Niederdeutschen, aber auch Parallelen im Wortschatz.

Ostfriesisches Platt week Fack Land hören söken Für slecht Dag Kark denken breien
Saterfriesisch wook Fäk Lound heere säike Fjuur sljucht Dai Säärke toanke braidje

Schreibweise

Geschrieben wird ostfriesisches Platt, in dem eine beachtliche regionale Literatur existiert, überwiegend in der „Schrievwies Oostfreeske Landskupp“, einer an den Lindow'schen Orthographieregeln orientierten Schreibweise. Diese wurde von der Ostfriesischen Landschaft entwickelt. Sie stellt eine dialektübergreifende Kompromissschreibung dar und wird als „offizielle Schreibweise“ genutzt.

Zusätzlich gibt es, aus einer privaten Initiative heraus, seit etwa 1975 eine alternative Schreibweise, die sich stärker an der tatsächlichen Aussprache des Ostfriesischen Platts orientiert und für jeden Laut nur eine einzige Schreibform zulässt. Dabei werden durch Zusatzzeichen bei Vokalen die Längen unterschieden, die sowohl Phonemcharakter wie auch grammatische Funktionen haben. Diese findet allerdings bisher nur wenig Verbreitung. Ein Grund dafür mag sein, dass dafür zusätzliche diakritische Zeichen benutzt werden, die zwar für einen aktiven Sprecher prinzipiell selbsterklärend sind, vielen jedoch zu fremd erscheinen und extra erlernt werden müssen. Eine zu eng an die Aussprache angelehnte Schreibweise führt aufgrund der zahlreichen Dialektvarianten zudem dazu, dass ein Ostfriese „sein“ Plattdeutsch im Text eines anderen Ostfriesen nicht wiedererkennt. Dem will die alternative Schreibweise insofern entgegenwirken, als unabhängig von lokalen oder individuellen Ausspracheunterschieden ein Schriftstandard angestrebt wird.[16] Eine neue Auflage der Alternativschreibweise weit auch alternativen zu unkomplizierten Verschriftlichung auf. So wird der ǧ-Frikativ durch gh ersetzt und die diakratischen Zeichen durch Doppelschreibungen ersetzt. So wird aus ā ein aa und aus â ein aae. Der zusätzliche Laut ó wurde durch å ersetzt um dichter an der landschaftlichen Schreibweise zu sein.[17]

Weigeltsche Schreibweise von 1975 Alternative aus dem Jahre 2009 Landschaftliche Schreibweise Deutsch
Óól Åål Aal Aal
dóól dåål daal herunter
móóken mååken maaken machen

Das private Projekt untersucht mittlerweile auch Phonologie und Grammatik der Sprache. Des Weiteren gibt es einen Wörterbuchteil.

Die Ostfriesen und ihre Sprache

Die Haltung der Ostfriesen gegenüber ihrem Platt ist gelegentlich etwas zwiespältig. Immer wieder einmal gab es Phasen, in denen Platt eher gemieden und teilweise gezielt unterdrückt wurde, weil es als rückständig, unzeitgemäß und einem Fortkommen unter den Bedingungen neuerer Zeit hinderlich galt. Auch Vorurteile hinsichtlich der sozialen Stellung von Platt-Sprechern spielten eine Rolle. Andererseits aber wurde ostfriesisches Platt als entscheidend identitätsstiftender Faktor empfunden und schon die nur lose Eingebundenheit in den Kreis der Sprecher des ostfriesischen Platts reichte beispielsweise aus, sich betont abzugrenzen gegenüber anders regionaler Herkunft, besonders auch dem benachbarten oldenburgischen und emsländischen Raum.

Autoren

Siehe auch:

Literatur

  • Lars-Erik Ahlsson: Studien zum ostfriesischen Mittelniederdeutsch. Uppsala 1964.
  • William Foerste: Der Einfluss des Niederländischen auf den Wortschatz der jüngeren niederdeutschen Mundarten Ostfrieslands. 1938. (Reprint: Leer 1975)
  • J. Hobbing: Die Laute der Mundart von Greetsiel in Ostfriesland. Nienburg 1879.
  • E. Isakson Biehl: Norderneyer Protokolle. Beobachtungen zu einer niederdeutschen Mundart im Rückgang. Dissertation. Stockholm 1996.
  • Hans Janßen: Die Gliederung der Mundarten Ostfrieslands und der angrenzenden Gebiete. 1937. (Reprint: Walluf, 1973)
  • A. Kruse: Zur Lage des Plattdeutschen im nordwestlichen Ostfriesland. Ergebnisse einer Befragung von Schülerinnen und Schülern aus Emden und Umgebung. In: Quickborn. 83, Heft 3, 1993, S. 64–83.
  • Wilko Lücht: Ostfriesische Grammatik. Ostfriesische Landschaftliche Verlags- und Vertriebsgesellschaft, Aurich 2016.
  • Y. Matras, Gertrud Reershemius: Low German (East Frisian dialect). Lincom, München 2003.
  • Arend Remmers: Zum ostfriesischen Niederdeutsch. In: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. 117, 1994, S. 130–168; 118, 1995, S. 211–244; 119, 1996, S. 141–177.
  • Arend Remmers: Plattdeutsch in Ostfriesland – Die Mundart von Moormerland-Warsingsfehn. Leer 1997.
  • Tjabe Wiesenhann: Einführung in das ostfriesische Niederdeutsch. 1936. (Reprint: Leer 1977)
Wörterbücher
  • Otto Buurman: Hochdeutsch-plattdeutsches Wörterbuch. Auf der Grundlage ostfriesischer Mundart in 12 Bänden. 1993 neu herausgegeben vom Verein „Oostfreeske Taal“
  • Jürgen Byl, Elke Brückmann: „Ostfriesisches Wörterbuch – Plattdeutsch/Hochdeutsch“. Verlag Schuster, Leer.
  • Jan ten Doornkaat Koolman: Wörterbuch der ostfriesischen Sprache. 3 Bände. 1879/1884. (Reprint: Wiesbaden, 1968)
  • Stürenburg, Cirk Heinrich: Ostfriesisches Wörterbuch. 1857. (Reprint: Leer 1972)
  • Gernot de Vries: Ostfriesisches Wörterbuch – Hochdeutsch/Plattdeutsch. Verlag Schuster, Leer 1992.

Einzelnachweise

  1. Gertrud Reershemius: Niederdeutsch in Ostfriesland. Zwischen Sprachkontakt, Sprachveränderung und Sprachwechsel. Stuttgart 2004.
  2. Agathe Lasch: Mittelniederdeutsche Grammatik. Halle 1914.
  3. Robert Peters: Überlegungen zu einer Karte des mittelniederdeutschen Sprachraums. In: Niederdeutsches Wort. 24, 1984, S. 51–59.
  4. Zum Beispiel: Johan Winkler: Algemeen Nederduitsch en Friesch dialecticon. Den Haag 1874.
  5. Auch Ethnologue kennt noch Gronings-Oostfries: http://www.ethnologue.com/show_language.asp?code=gos
  6. Vgl. z. B. zum im Saterland verwendeten Niederdeutschen: Dieter Stellmacher: Das Saterland und das Saterländische. Oldenburg 1998.
  7. Lars-Erik Ahlsson: Studien zum ostfriesischen Mittelniederdeutsch. Uppsala 1964.
  8. Marron C. Fort: Niederdeutsch und Friesisch zwischen Lauwerzee und Weser. (PDF; 115 kB). In: Hans-Joachim Wätjen (Hrsg.): Zwischen Schreiben und Lesen : Perspektiven für Bibliotheken, Wissenschaft und Kultur ; Festschrift zum 60. Geburtstag von Hermann Havekost. Oldenburg 1995.
  9. Gertrud Reershemius: Der jüdische Ethnolekt im 20. Jahrhundert im Verhältnis zur Fachsprache der Schlachter und Viehhändler. In: Gertrud Reershemius: Die Sprache der Auricher Juden: Zur Rekonstruktion westjiddischer Sprachreste in Ostfriesland. (= Jüdische Kultur. Studien zur Geistesgeschichte, Religion und Literatur. Band 16). Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-447-05617-5, S. 111ff.
  10. In Anlehnung an die Untersuchung Gertrud Reershemius: Niederdeutsch in Ostfriesland. Zwischen Sprachkontakt, Sprachveränderung und Sprachwechsel. Stuttgart 2004, in der die Ortsmundart von Campen in der Krummhörn im Mittelpunkt steht.
  11. vgl. Scheuermann, Ulrich (2001): Friesische Relikte im ostfriesischen Niederdeutsch. In: Munske, Horst Haider u. a.(Hrsg.): Handbuch des Friesischen. Niemeyer. Tübingen, S.443-448.
  12. Remmers, Arend (1994-1996): Zum ostfriesischen Niederdeutsch. In: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. 117, 1994, S. 130–168; 118, 1995, S. 211–244; 119, 1996, S. 141–177.
  13. vgl. Scheuermann, Ulrich (2001): Friesische Relikte im ostfriesischen Niederdeutsch. S. 443 u. S. 444. In: Munske, Horst Haider u. a.(Hrsg.): Handbuch des Friesischen. Niemeyer. Tübingen, S.443-448.
  14. vgl. Scheuermann, Ulrich (2001): Friesische Relikte im ostfriesischen Niederdeutsch. S. 444. In: Munske, Horst Haider u. a.(Hrsg.): Handbuch des Friesischen. Niemeyer. Tübingen, S.443-448.
  15. vgl. Scheuermann, Ulrich (2001): Friesische Relikte im ostfriesischen Niederdeutsch. S.444-446. In: Munske, Horst Haider u. a.(Hrsg.): Handbuch des Friesischen. Niemeyer. Tübingen, S.443-448.
  16. holger-weigelt.de
  17. Weigelt, Holger: Grammatik und Wörterbuchprojekt - Oostfräisk Platt (2009)