Nothing Special   »   [go: up one dir, main page]

Fiaker

von Pferden gezogene zweiachsige Kutsche
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 3. März 2021 um 11:47 Uhr durch Hanzlan (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Als Fiaker (kroatisch fijaker, ungarisch fiáker) wird sowohl eine zweispännige Lohnkutsche bezeichnet als auch deren Kutscher.

Fiaker vor dem österreichischen Parlamentsgebäude in Wien
Fiaker mit rastenden Kutschern in Wien
Fiaker vor dem Bürgerlichen Zeughaus
Am Hof in Wien
Das Fiakerdenkmal von Josef Engelhart am Fiakerplatz in Wien-Landstraße

Etymologie

Der Begriff Fiaker wurde im 18. Jahrhundert aus französisch Fiacre entlehnt. In der Rue de Saint Fiacre befand sich der erste Standplatz für Lohnkutschen, die der französische Kaufmann und Pferdehändler Nicolas Souvage seit 1662 zum Einsatz brachte. Die Rue de Saint Fiacre wiederum hat als Namenspatron den Einsiedler Fiacrius, der im 7. Jahrhundert von Irland nach Frankreich kam und in einem Waldstück südöstlich von Meaux (Département Seine-et-Marne) eine Einsiedelei gründete. Den nötigen Grund und Boden verdankte er dem Bischof Faro von Meaux.

Der Begriff Fiaker war schon nach kurzer Zeit im deutschen Sprachraum nur noch in Bayern und Österreich gebräuchlich (und somit in tschechisch und serbisch). Außerhalb Bayerns und Österreichs setzte sich in deutsch der Begriff Droschke durch.

Geschichte

Fiaker in Wien

In Wien wurde 1693 die erste Lizenz erteilt. Die nummerierten Kutschen lösten die früher unnummerierten Janschky-Wagen ab. Um 1700 gab es in Wien ungefähr 700 Fiaker. In der besten Zeit von 1860 bis 1900 waren es über 1000 Wagen.

Die Fiaker waren oft stadtbekannte Originale, darunter Josef Bratfisch und Karl Mayerhofer. Angeblich wohnten früher besonders viele Fiaker im Fiakerdörfl beim Fiakerplatz im 3. Bezirk. Hier befindet sich das 1937 von Josef Engelhart geschaffene Fiakerdenkmal, das vermutlich den Fiaker Josef Schmutz (umgangssprachlich: Schuaster Fraunz) darstellt.[1]

Fiaker stellen eine beliebte Touristenattraktion dar und bieten von mehreren Standplätzen aus meist Rundfahrten im Bereich der Wiener Altstadt an. Am Wiener Zentralfriedhof wird ebenfalls eine Rundfahrt angeboten. 2008 gab es 144 Fiaker, wovon die eine Hälfte an geraden, die andere an ungeraden Tagen fährt. Viele dieser Pferdekutschen sind mittlerweile über 100 Jahre alt und werden in den Wintermonaten aufwendig restauriert. Im Winter haben die Fiaker keinen Verdienst. Standplätze befinden sich am Stephansplatz, Heldenplatz, Michaelerplatz und Petersplatz sowie beim Burgtheater und bei der Albertina hinter der Wiener Staatsoper. Die Preise für Rundfahrten unterschiedlicher Länge werden von der Stadt Wien festgesetzt.

Seit 1984 gibt es bei den Wiener Fiakern auch weibliche Kutscher. Seit 1998 ist in Wien eine spezielle Prüfung, die Fahrdienstprüfung notwendig, um einen Fiaker lenken zu dürfen. Im Rahmen dieser Prüfung werden Grundkenntnisse über die wichtigsten Wiener Sehenswürdigkeiten verlangt.[2] Die Betriebsordnung für Fiaker- und Pferdemietwagenunternehmen regelt unter anderem die traditionelle Bekleidung der Fiakerfahrer.[3]

Fiaker in anderen Städten

Fiaker gab es auch in anderen Städten der k.u.k. Donau-Monarchie (von Prag über Budapest bis Lemberg) und noch bis heute gehören sie in einigen österreichischen Tourismushochburgen (etwa Wien, Salzburg) zum Altstadtbild. Im tschechischen Karlsbad ist der Innenstadtverkehr für Kraftfahrzeuge beschränkt und touristisch erschließen Fiaker das Bäderzentrum.

In Rom arbeiteten im Oktober 2016 etwa 50 Fiaker, in den 1980er Jahren waren es noch etwa dreimal so viele. Tierschützer haben 10.000 Unterschriften gegen die Kutschen bei der Gemeinde eingebracht, da die Pferde nicht nur bei 35 °C Hitze leiden würden. Letztlich will Bürgermeisterin Virginia Raggi die Pferdekutschenfahrten abschaffen, und der Chef der Umweltkommission hält es im heutigen Verkehr nicht für geeignet.[4]

In den Vereinigten Staaten gibt es im New Yorker Central Park einen Fiakerdienst.

Historisches

In Graz bot zuletzt noch um 2000 Josef Uitz eher sporadisch und als einziger Fiakerdienste am Grazer Hauptplatz an. Er kam mit dem Zweispänner von seinem Betriebsstandort in der Triester Straße 390 (2,5 km südlich des Zentralfriedhofs) etwa anlässlich zu Hochzeiten zum sechs Kilometer entfernten Rathaus. Er starb am 9. August 2014.[5]

In Feldkirchen bei Graz, rund 4 km südlich des Zentralfriedhofs Graz, hat der Museumsverein folgende Dokumente archiviert: 1854 bittet Johann Florianz die Gemeindevorstehung um Erwirkung seiner „Fiaker-Gewerbe-Verleihung“, 1909 entwirft die Marktgemeindevorstehung einen „neuen Fiakertarif“, 1910 erscheint eine „Lohnkutscher-Ordnung für die Ein- und Zweispänner-Lohnkutscher“ und ein „Fiaker-Tarif“.[6]

In Salzburg berichtet am 23. April 1943 die Salzburger Zeitung auf Seite 3 über die Kutscher in Salzburg.[7]

Fiaker in der Musik

In vielen Liedern spielen die Fiaker eine Rolle. Das berühmteste Fiakerlied stammt von Gustav Pick. In der Oper Arabella von Richard Strauss tritt die Figur der Fiakermilli auf, eine Hommage an die Volkssängerin Emilie Turecek, die mit einem Fiaker verheiratet war.

Kritik

Straßenbild

Die Verunreinigung der Wiener Innenstadt durch Pferdeäpfel der umherfahrenden Fiaker und die dadurch gegebene Geruchsbelästigung führten dazu, dass den Wiener Fiakerpferden zum 1. Juli 2004 per Landesgesetz Pooh-Bags verordnet wurden. Diese Regelung ist unter den Fiakern umstritten, andererseits ist bei Missachtung eine hohe Geldstrafe vorgesehen. Zudem kam die Stadtverwaltung 2007 zum Schluss, dass die eisernen Hufeisen das Straßenpflaster stärker abnutzen als Autos und Lastwagen, was zu Sanierungskosten von rund sechs Millionen Euro geführt habe, und verordnete den Tieren deshalb probeweise Kunststoff-Hufeisen.[8]

Tierschutz

 
Pferde im Straßenverkehr

Die Tierschutzorganisation Verein gegen Tierfabriken kritisiert die Bedingungen, unter denen Fiakerpferde eingesetzt werden und ihre Unterbringung während arbeitsfreier Zeiten. Laut dieser Organisation wurden schon Fälle dokumentiert, wo Pferde in Kellergewölben in Anbindehaltung untergebracht waren.[9]

Für Fiakerpferde in Wien stehen Sonnenschutzsegel und zur Kühlung Wasserschläuche bereit.[10][11] Seit Herbst 2011 tragen Fiaker Nummerntafeln und führen Fahrtenbücher,[12] in die Fahrten, Fütterungen sowie Ruhepausen eingetragen werden.[13]

Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten fordert das Verbot von Fiakern, da diese auch in Verkehrsunfälle verwickelt sind.[14][15] In einer Parteien-Befragung vor der Wien-Wahl 2020 sprachen sich die Grünen und NEOS für ein Fiaker-Verbot in der Wiener Innenstadt aus, während alle Parteien zustimmten, dass Förderungen für Fiaker-Betriebe in Zukunft an Tierschutz-Bedingungen geknüpft werden sollen.[16]

Galerie

Literatur

  • Festschrift anlässlich der Eröffnung des Wiener Fiakermuseums im Fiakerhaus 1170 Wien, Veronikagasse 12 (hg. von der Fachgruppe Wien für die Personenfuhrwerksgewerbe), Wien [1967]
  • Gerhart Langthaler [Hg.]: Die Wiener Fiaker. Wortwörtliches von und über eine wienerische Institution. Begleittexte aus Gesprächen mit Wiener Fiakern. Wien: Ed. A 1984, ISBN 3-85447-087-8
  • Brigitte Rigele: "Aufgeschaut!" Dokumente zur Geschichte des Wiener Fiakers. In: Wiener Geschichtsblätter 47 (1992), S. 175f.
  • Barthel F. Sinhuber: Die Fiaker von Wien. Dachs-Verlagsgesellschaft, Wien 1992, ISBN 3-85058-064-4
  • Karin Cisar-Loder: Mit Charme und Schmäh'. Eine Geschichte des Wiener Taxis. Wien 2005
  • Sándor Békési / Martina Nußbaumer: Die Gondolieri Wiens oder die "Wienerischsten aller Wiener". Zur Karriere der Fiaker im symbolischen Inventar der Stadt. In: Wolfgang Kos [Hg.]: Wiener Typen. Klischees und Wirklichkeit (Ausstellungskatalog Wien Museum), Wien 2013, S. 178–187, ISBN 9783850337649
Commons: Fiakers – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Das Fiakerdenkmal auf dem Fiakerplatz in Erdberg. Bezirksmuseum Landstraße, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. Oktober 2013; abgerufen am 3. Januar 2018.
  2. wien.at – Fiaker- und Pferdemietwagen-Fahrdienstprüfungsverordnung
  3. wien.at – Betriebsordnung für Fiaker- und Pferdemietwagenunternehmen
  4. Roms Bürgermeisterin will Fiaker aus Stadt verbannen orf.at, 19. Oktober 2016, abgerufen 19. Oktober 2016.
  5. Helmuth Scheuch: WIR Puntigamer Nr. 121, Oktober 2014, grazervp.at, ÖVP, abgerufen 19. Oktober 2016.
  6. Bildarchiv Museumsverei Feldkirchen museum-feldkirchen.at, S. 32, 443, 456, (PDF 2860 S.) abgerufen 19. Oktober 2016.
  7. Heinz Jonke-Zellhof: „Fahr’n ma, Euer Gnaden! Salzburger Einspänner – wieder Trumpf“ Zeitungsdokumentation 1943 SZ, 23. April 1943, S. 3, abgerufen 19. Oktober 2016.
  8. Pferde bekommen Gummischuhe. Bei: n-tv, 3. August 2007
  9. VGT: Fakten zu Fiakern.
  10. Neues Schutzpaket für Wiens Fiaker-Pferde steht. In: Kronen Zeitung, 10. Juli 2009
  11. Sommerhitze: Wiener Fiaker im Visier der Kontrolleure. Bei: Vienna Online, 22. Juli 2009
  12. Fiaker neu mit Nummerntafel und Fahrtenbuch. Bei: orf.at, 14. Februar 2011
  13. kurier.at: Strengere Kontrollen für Fiaker (Memento vom 16. Februar 2011 im Internet Archive)
  14. Erneuter Fiakerunfall: VIER PFOTEN fordert ein Ende dieser tierquälerischen Tradition. Abgerufen am 9. Dezember 2015.
  15. Kutscher bei Unfall mit Fiaker in der Innenstadt verletzt. In: Kronen Zeitung, 23. Mai 2010
  16. Grüne und Neos sind für ein Fiaker-Verbot in der Wiener City vom 24. September 2020 in Kurier.at