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Mächtigkeit (Mathematik)

Maß für die Größe einer mathematischen Menge

In der Mathematik verwendet man den aus der Mengenlehre von Georg Cantor stammenden Begriff der Mächtigkeit oder Kardinalität, um den für endliche Mengen verwendeten Begriff der „Anzahl der Elemente einer Menge“ auf unendliche Mengen zu verallgemeinern.

Die Menge aller Mitgliedsstaaten der europäischen Union umfasste 28 Staaten im Jahr 2019. Damit war ihre Mächtigkeit gleich 28 ().

Für endliche Mengen ist die Mächtigkeit gleich der Anzahl der Elemente der Menge, das ist eine natürliche Zahl einschließlich der Null. Für unendliche Mengen benötigt man etwas Vorarbeit, um ihre Mächtigkeiten zu charakterisieren. Die im Folgenden gemachten Definitionen und Folgerungen sind aber auch im Falle unendlicher Mengen gültig.

Mächtigkeit bei endlichen Mengen

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Bei einer endlichen Menge   bezeichnet die Mächtigkeit die Anzahl der Elemente von  . Man notiert die Mächtigkeit von   durch   oder alternativ mit voranstehendem Rautezeichen:  .

Beispiele:

 
 
 

Die Potenzmenge   einer endlichen Menge   hat genau   Elemente: Die Wahl einer Teilmenge entspricht den   unabhängigen Wahlen zwischen den zwei Möglichkeiten, ob ein bestimmtes Element von   in der Teilmenge liegen soll oder nicht.

Gleichmächtigkeit, Mächtigkeit

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Der Vergleich der Mächtigkeit zweier Mengen

Man definiert zunächst den Begriff der Gleichmächtigkeit zweier beliebiger Mengen   und  :

Eine Menge   heißt gleichmächtig (bei Cantor: äquivalent) zu einer Menge  , wenn es eine Bijektion   gibt. Man schreibt dann   oder  .[1][2][3] Die Gleichmächtigkeit   ist eine Äquivalenzrelation auf der Klasse aller Mengen, deren Äquivalenzklassen (bis auf die der Leermenge) echte Klassen sind. Näheres siehe unten (§Kardinalzahlen) und Kardinalzahlen §Definition.

Ist   gleichmächtig zu   und   eine Bijektion zwischen   und  , dann ist auch die Umkehrfunktion von   eine Bijektion, also ist auch   gleichmächtig zu  . Endliche Mengen sind genau dann gleichmächtig, wenn sie gleich viele Elemente haben. Unendliche Mengen sind Mengen, die zu sich gleichmächtige echte Teilmengen besitzen.

Man nennt eine Menge, die gleichmächtig zur unendlichen Menge   der natürlichen Zahlen oder einer Teilmenge von ihr ist, die also mit natürlichen Zahlen (einschließlich 0) „abgezählt“ werden kann, eine abzählbare Menge.

Bisweilen versteht man auch abzählbar nur im Sinne von abzählbar unendlich (= gleichmächtig zu  ) und spricht dann an Stelle von abzählbar im Sinne der oben zuerst eingeführten Definition von höchstens abzählbar, die die Formulierung vieler Beweise etwas einfacher macht, und eher dem deutschen Sprachgebrauch entspricht.

Besondere Ergebnisse:

  1. Gleichmächtig sind:  ,   und   (also die Mengen der natürlichen, der ganzen und der rationalen Zahlen).
  2. Gleichmächtig sind:  ,  ,   und  , wobei   die Cantor-Menge ist.
  3. Die Menge   der reellen Zahlen ist mächtiger als   (also überabzählbar).

Kardinalzahlen

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Da man leicht zeigen kann, dass die Gleichmächtigkeit von Mengen eine Äquivalenzrelation ist, ergibt die folgende Definition einen Sinn:

Die Äquivalenzklassen der Mengen bezüglich der Relation der Gleichmächtigkeit nennt man Kardinalzahlen.

Aus technischen Gründen muss man aber ein geeignetes Repräsentantensystem finden: Indem man zeigt, dass jede Menge gleichmächtig zu einer wohlgeordneten Menge ist (dies ist die Aussage des Wohlordnungssatzes), kann man jede Kardinalzahl mit der kleinsten ihr gleichmächtigen Ordinalzahl gleichsetzen.

Aleph ( ) ist der erste Buchstabe des hebräischen Alphabets, er wird mit einem Index verwendet, um Kardinalzahlen unendlicher Mengen zu benennen, siehe Aleph-Funktion.

Liegt eine Menge A in der Äquivalenzklasse (= Kardinalzahl)  , dann sagt man, A hat die Mächtigkeit  . Man schreibt dann:

 .

Die Kardinalzahl einer endlichen Menge mit n Elementen wird mit der natürlichen Zahl n gleichgesetzt.

Man kann sich nun fragen, ob alle unendlichen Mengen einander gleichmächtig sind – in dem Fall wären alle unendlichen Mengen abzählbar. Es stellt sich jedoch heraus, dass es unendliche Mengen gibt, die nicht gleichmächtig zueinander sind, so ist etwa die Menge der natürlichen Zahlen nicht gleichmächtig zur Menge der reellen Zahlen. Das kann man zum Beispiel mit dem so genannten „Cantorschen Diagonalbeweis“ zeigen, siehe dazu den Artikel überabzählbar.

Weiter unten wird gezeigt, dass es unendlich viele verschiedene Kardinalzahlen gibt. Cantor selbst zeigte mit der ersten Cantorschen Antinomie, dass die Kardinalzahlen eine echte Klasse bilden.

Vergleich der Mächtigkeit

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Um die Mächtigkeiten ungleichmächtiger Mengen vergleichen zu können, legt man fest, wann eine Menge   mächtiger als eine Menge   sein soll:

  • Wenn es eine Bijektion   von   auf eine Teilmenge von   gibt, dann heißt   höchstens gleichmächtig zu  . Man schreibt dann  .
  • Wenn es eine Bijektion   von   auf eine Teilmenge von   gibt, aber keine Bijektion von   nach   existiert, dann heißt   weniger mächtig als   und   mächtiger als  . Man schreibt dann  . Offenbar gilt   genau dann, wenn  , aber nicht   ist.

Nun stellt sich aber die Frage nach der Vergleichbarkeit zweier beliebiger Mengen, ob also die bloße Eigenschaft, eine Menge zu sein, eine solche Vergleichsmöglichkeit impliziert. Und tatsächlich kann man für zwei beliebige Mengen im Allgemeinen zeigen (unter Verwendung des Auswahlaxioms):

  • Sind   und   Mengen, dann gilt   oder   (Vergleichbarkeitssatz).

Des Weiteren kann man zeigen, dass jede abzählbare Menge entweder endlich oder gleichmächtig zu   ist. Außerdem kann man zeigen, dass jede unendliche Menge eine zu   gleichmächtige Teilmenge enthält.

Damit ist die Mächtigkeit von   die kleinste unendliche Kardinalzahl. Man bezeichnet sie mit  :

 .

Die Kontinuumhypothese (CH) besagt, dass es keine Menge gibt, die mächtiger ist als  , aber weniger mächtig als   . Wie der Name jedoch schon vermuten lässt, ist dies kein Satz in dem Sinne, dass er sich beweisen lässt. Weder die Kontinuumhypothese noch ihre Verneinung lässt sich aus den üblichen Axiomensystemen herleiten, zum Beispiel der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre mit Auswahlaxiom. Die Kontinuumhypothese besagt also, dass   die zweitkleinste unendliche Kardinalzahl   ist.

Totale Ordnung der Mächtigkeiten

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Bei naiver Betrachtung der Schreibweise könnte man vermuten, dass für Mengen   und   mit   und   stets   gilt. Dass das tatsächlich so ist, wird vom folgenden Satz ausgesagt:

Cantor-Bernstein-Schröder-Theorem: Ist   höchstens gleichmächtig zu   und   höchstens gleichmächtig zu  , dann sind   und   gleichmächtig.

Fassen wir einige Eigenschaften der Mächtigkeiten zusammen:

  • Es gilt stets   (man nehme die Identität als Bijektion).
  • Aus   und   folgt  .
  • Aus   und   folgt   (folgt sofort aus der Definition).
  • Für zwei Mengen   und   gilt stets   oder   (das ist äquivalent zum Auswahlaxiom).

Damit ist gezeigt, dass die Kardinalzahlen total geordnet sind.

Rechenregeln bei endlichen Kardinalitäten

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Es seien   sowie   endliche Mengen. Dann gelten folgende Regeln:

  • Bijektions- oder Isomorphieregel
      ist bijektiv auf   abbildbar    .
  • Summenregel
     
    Allgemein gilt  .
    Eine weitere Verallgemeinerung der Summenregel auf endlich viele endliche Menge ist das Prinzip von Inklusion und Exklusion.
  • Differenzenregel
     
  • Produktregel
     
  • Quotientenregel
    Ist   und gilt  , so folgt   bzw.  
  • Subadditivität von Mengen
     
    Falls die   paarweise disjunkt sind, so gilt die Gleichheit:  .
    Das heißt also, dass bei disjunkten Mengen die Anzahl der Elemente in der Vereinigung der Mengen   gleich der Summe der einzelnen Anzahlen von Elementen in jeder dieser Mengen ist.
  • Prinzip von Inklusion und Exklusion
    Die Mächtigkeit der Vereinigung   der Mengen   lässt sich als alternierende Summe der Mächtigkeiten all ihrer verschiedenstufigen Durchschnitte darstellen; mit den Indexmengen   gilt
 ,
oder mit   gleichwertig
 .
  • Potenzregel
    Bezeichnet   die Menge aller Abbildungen  , dann gilt  .

Beispiele

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  und  . Dann

  • existiert keine bijektive Abbildung zwischen   und  ,
  • ist  ,
  • lässt sich die Mächtigkeit der Differenz nicht mit obigem Satz bestimmen,
  • beträgt die Mächtigkeit des kartesischen Produkts  .

In einem weiteren Beispiel sei   und  . Dann

  • existieren bijektive Abbildungen (identische Abbildung) zwischen den beiden Mengen   und  ,
  • ist  , da die beiden Mengen identisch sind,
  • ist   eine Teilmenge von   und somit gilt:  ,
  • die Mächtigkeit des kartesischen Produkts beträgt   und
  • da   erhalten wir   bzw.  

Mächtigkeit der Potenzmenge, größte Mächtigkeit

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Die Frage nach der größten Mächtigkeit einer Menge beantwortet der Satz von Cantor:

Für jede Menge   ist die Potenzmenge   mächtiger als  .

Für die Mächtigkeit von   gibt es auch folgende Schreibweise:

 

Zu beachten ist, dass der entsprechende Ausdruck für unendliche Ordinalzahlen einen anderen Wert liefert, und z. B.   nicht als ein „Grenzwert“ einer Folge   angesehen werden kann.

Bestimmt man nun die Mächtigkeiten der Potenzmengen von Potenzmengen von Potenzmengen usw., dann sieht man, dass es unendlich viele Kardinalzahlen gibt, und keine mächtigste Menge existiert.

Einzelnachweise

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  1. Dieter Klaua: Mengenlehre. De-Gruyter-Lehrbuch. de Gruyter, Berlin, New York 1979, ISBN 3-11-007726-4. Hier S. 75, Definition 16, Teil1 Definition 16, Teil2
  2. H. König: Entwurf und Strukturtheorie von Steuerungen für Fertigungseinrichtungen (= ISW Forschung und Praxis. Band 13). Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg 1976, ISBN 3-540-07669-7, S. 15–17, doi:10.1007/978-3-642-81027-5_1. Hier: Seite 21
  3. Тhοmas Stеιnfеld: Gleichmächtigkeit (Memento vom 11. Februar 2018 im Internet Archive) auf Mathpedia

Literatur

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