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Librettologie

literaturwissenschaftliche Forschungsdisziplin

Die Librettologie ist eine relativ junge literaturwissenschaftliche Forschungsdisziplin. Sie beschäftigt sich mit dem Libretto (d. h. mit Texten von Opern, Oratorien, Kantaten u. Ä.) nicht aus musikwissenschaftlicher, sondern aus literaturwissenschaftlicher Sicht. Der Text (sofern es nicht ein vertonter kanonischer Text beispielsweise der Liturgie ist) wird dabei nicht mehr als reiner Träger von Musik und Handlung gesehen, als „der Musik gehorsame Tochter“, wie Mozart es nannte, sondern als eigene literarische Gattung im Spannungsfeld zwischen literarischen, dramaturgischen und musikalischen Anforderungen.

Da Fragen der Intermedialität eine wichtige Rolle für die Librettologie spielen, ist diese – im System der Wissenschaften der Komparatistik – der vergleichenden Literaturwissenschaft zuzurechnen.

Da das Libretto als funktionale Gattung an der Schnittstelle zwischen Literatur und Musik angesiedelt ist, fühlten sich lange Zeit weder die Musik- noch die Literaturwissenschaft so recht zuständig. Dies änderte sich seit Mitte der 1980er Jahre, als sich eine literaturwissenschaftlich begründete Librettologie zu entwickeln begann. Wegweisend waren Veröffentlichungen des Amerikaners Patrick J. Smith (The Tenth Muse, 1971) sowie des deutschen Romanisten Albert Gier (Oper als Text: Romanistische Beiträge zur Libretto-Forschung, 1986; Das Libretto. Theorie und Geschichte einer musikoliterarischen Gattung, 1998). Diese und nachfolgende Forschungsarbeiten beziehen sich jedoch ausschließlich auf das Opernlibretto; systematische Untersuchungen zu anderen Libretti liegen bis dato nicht vor.

Die literaturwissenschaftliche Librettologie hat erreicht, dass das Libretto inzwischen als literarische Gattung angesehen wird, wenngleich es anderen poetischen und strukturellen Gesetzen unterliegt als autonome literarische Gattungen.

Literatur

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  • Albert Gier (Hrsg.): Oper als Text. Romanistische Beiträge zur Libretto-Forschung (= Studia Romanica. Bd. 63). Carl Winter, Heidelberg 1986, ISBN 3-533-03728-2.
  • Albert Gier, Gerold W. Gruber (Hrsg.): Musik und Literatur. Komparatistische Studien zur Strukturverwandtschaft (= Europäische Hochschulschriften. Bd. 127). Peter Lang, Frankfurt am u. a. 1997, ISBN 3-631-46879-2.
  • Albert Gier: Das Libretto. Theorie und Geschichte einer musikoliterarischen Gattung, Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1998, 338 Seiten, ISBN 3-534-12368-9; Taschenbuch-Ausgabe: Frankfurt am Main, Insel 2000 (=insel TB, 2666), 503 Seiten, ISBN 3-458-34366-0.
  • Jörg Krämer: "Die wahrste aller Formen" – Musiktheater als Herausforderung der Literaturwissenschaft (= Mikrokosmos. Bd. 84), Berlin, Peter Lang Verlag 2019, 422 Seiten, ISBN 978-3-631-78964-3.
  • Hans Joachim Kreutzer: Obertöne. Literatur und Musik. Neun Abhandlungen über das Zusammenspiel der Künste. Königshausen & Neumann, Würzburg 1994, ISBN 3-88479-878-2.
  • Alexander Rudolph: Für und Wider die Librettologie – Zu Geschichte und Kritik einer Librettoforschung des Gesangstheaters. Bayreuth, Universität Bayreuth, Diss., 2015.
  • Steven Paul Scher (Hrsg.): Literatur und Musik. Ein Handbuch zur Theorie und Praxis eines komparatistischen Grenzgebiets. Erich Schmidt, Berlin 1984, ISBN 3-503-01650-3.
  • Bernd Zegowitz: Der Dichter und der Komponist. Studien zu Voraussetzungen und Realisationsformen der Librettoproduktion im deutschen Opernbetrieb der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Königshausen & Neumann, Würzburg 2012, ISBN 978-3-8260-4689-6.
  • Peter V. Zima (Hrsg.): Literatur intermedial. Musik – Malerei – Photographie – Film. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995, ISBN 3-534-12315-8.