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Der Graf von Monte Christo (Novelaris Klassik)
Der Graf von Monte Christo (Novelaris Klassik)
Der Graf von Monte Christo (Novelaris Klassik)
eBook1.483 Seiten20 Stunden

Der Graf von Monte Christo (Novelaris Klassik)

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Über dieses E-Book

Zu Unrecht verurteilt, seiner großen Liebe beraubt und im Kerker des Château d'If lebendig begraben – das Schicksal des jungen Seemanns Edmond Dantès erscheint besiegelt.
Doch im Gefängnis trifft er auf den weisen Abbé Faria, der ihm nicht nur ein gewaltiges Vermögen vermacht, sondern ihn auch in die Künste der feinen Gesellschaft einweiht. Als Graf von Monte Christo kehrt Dantès in die Pariser Salons zurück – ein mysteriöser Fremder, hinter dessen kultivierter Fassade ein präziser Plan zur Vergeltung reift.
In einem brillant konstruierten Netz aus Intrigen, falschen Identitäten und manipulierten Schicksalen treibt er seine einstigen Feinde systematisch in den Abgrund. Doch je näher er seinem Ziel kommt, desto drängender stellt sich die Frage: Zu welchem Preis erkauft sich ein Mensch seine Rache?
Alexandre Dumas erschafft mit diesem Meisterwerk der Weltliteratur einen fesselnden Thriller über Verrat, Rache und Gerechtigkeit. In der kunstvoll verwobenen Handlung entfaltet sich ein faszinierendes Panorama der französischen Gesellschaft zur Zeit der Restauration – eine Geschichte von shakespearescher Wucht, die ihre Leser von der ersten bis zur letzten Seite in ihren Bann zieht.
SpracheDeutsch
HerausgeberNovelaris
Erscheinungsdatum30. Okt. 2024
ISBN9783689310523
Der Graf von Monte Christo (Novelaris Klassik)
Autor

Alexandre Dumas

Frequently imitated but rarely surpassed, Dumas is one of the best known French writers and a master of ripping yarns full of fearless heroes, poisonous ladies and swashbuckling adventurers. his other novels include The Three Musketeers and The Man in the Iron Mask, which have sold millions of copies and been made into countless TV and film adaptions.

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    Buchvorschau

    Der Graf von Monte Christo (Novelaris Klassik) - Alexandre Dumas

    Alexandre Dumas

    Der Graf von Monte Christo

    Ungekürzte Ausgabe

    Novelaris Verlag 2024

    ISBN: 978-3-68931-052-3

    Publisher Logo

    Inhaltsverzeichnis

    ERSTER BAND

    Marseille. – Die Ankunft.

    Vater und Sohn.

    Die Katalonier.

    Das Komplott.

    Das Verlobungsmahl.

    Der Staatsanwalt.

    Das Verhör.

    Das Kastell If.

    Der Verlobungsabend.

    Der korsische Werwolf.

    Vater und Sohn

    Die hundert Tage.

    Der wütende Gefangene und der verrückte Gefangene.

    Nummer 34 und Nummer 27.

    Ein gelehrter Italiener.

    Das Zimmer des Abbés.

    Das Brevier.

    Der dritte Anfall.

    Der Friedhof des Kastells If.

    Die Insel Tiboulen.

    Die Schmuggler.

    Die Insel Monte Christo.

    ZWEITER BAND

    Der Schatz.

    Der Unbekannte.

    Das Wirtshaus zum Pont du Gard.

    Die Erzählung.

    Die Gefängnisregister.

    Das Haus Morel.

    Der fünfte September.

    DRITTER BAND

    Die Vorstellung.

    Bertuccio.

    Das Haus in Auteuil.

    Die Vendetta.

    Der Blutregen.

    Der unbegrenzte Kredit.

    Die Apfelschimmel.

    Staatsanwalt und Kosmopolit.

    Haydee.

    Die Familie Morel.

    Pyramos und Thisbe.

    Giftkunde.

    Robert der Teufel.

    Steigen und Fallen.

    Der Major Cavalcanti.

    Das Luzernengehege.

    Noirtier von Villefort.

    Das Testament.

    Der Telegraph.

    VIERTER BAND

    Wie man einen Gärtner von den Murmeltieren befreit, die seine Pfirsiche fressen.

    Gespenster.

    Das Mittagsmahl.

    Der Bettler.

    Eheliche Szene.

    Heiratspläne.

    Das Kabinett des Staatsanwalts.

    Ein Sommerball.

    Nachforschungen.

    Der Ball.

    Brot und Salz.

    Frau von Saint-Meran.

    Das Versprechen.

    Die Gruft der Familie Villefort.

    Das Protokoll.

    Die Fortschritte des Herrn Cavalcanti Sohn.

    Haydee.

    FÜNFTER BAND

    Man schreibt uns aus Janina.

    Die Limonade.

    Die Anklage.

    Das Zimmer des ehemaligen Bäckers.

    Der Einbruch.

    Die Hand Gottes.

    Beauchamp.

    Die Reise.

    Das Urteil.

    Die Forderung.

    Die Beleidigung

    Die Nacht

    Das Duell.

    Mutter und Sohn.

    Der Selbstmord.

    Valentine

    Das Geständnis.

    SECHSTER BAND

    Der Vertrag.

    Die Straße nach Belgien.

    Das Wirtshaus zur Glocke.

    Das Gesetz.

    Die Erscheinung.

    Locusta.

    Valentine.

    Maximilian.

    Danglars' Unterschrift.

    Der Kirchhof Père la Chaise.

    Die Teilung.

    Der Löwengraben.

    Der Richter.

    Das Schwurgericht.

    Die Anklageschrift.

    Die Sühne.

    Die Abreise.

    Das Haus in den Allées de Meillan.

    Die Vergangenheit.

    Peppino.

    Luigi Vampas Speisekarte.

    Die Vergebung.

    Der fünfte Oktober.

    Cover

    Table of Contents

    Text

    ERSTER BAND

    Marseille. – Die Ankunft.

    Am 25. Februar 1815 fuhr der Dreimaster Pharao langsam und wie zögernd in den Hafen von Marseille. Eine Trauerwolke schien das Schiff zu umschweben. Gespannt folgte eine schaulustige Menge allen Bewegungen des Fahrzeugs und bemerkte bei dessen Näherkommen, daß es von einem auffallend jungen und gut aussehenden, dabei aber anscheinend ebenso tatkräftigen wie geschickten Manne gelenkt wurde.

    Das Volk von Marseille, dem schon seit Gründung der Stadt einiges Griechenblut durch die Adern rollt, ist von Natur lebhaft und neugierig. In jenen Tagen kam dazu eine besondere Unruhe, die vor allem die Herzen der heißblütigen Landbevölkerung erfüllte. Seit neun Monaten weilte Napoleon nach jähem Sturz von halbgottähnlicher Machthöhe als Verbannter auf dem unfernen Eiseneiland Elba. Die Royalisten triumphierten in Frankreich, und nichts war gefährlicher, als bonapartistischer Umtriebe oder auch nur bonapartistischer Gesinnung verdächtig zu sein. Nichtsdestoweniger raunte sich die immer wachsende Zahl der Wohlunterrichteten zu, der kleine Korse mit dem großen Cäsarenkopf bereite sich vor, die ihm aufgedrängte Maske des gebändigten Löwen abzuwerfen. Die Beschränktheit der Anhänger des neuen Königs, Ludwigs XVIII., die alle Errungenschaften der Revolution zurückzuschrauben wünschten, die Uneinigkeit der in Wien um das Erbe des Verbannten sich streitenden Mächte, der noch frische Ruhmesglanz des blendenden napoleonischen Namens, ließen die Augen vieler Franzosen sich immer aufgeregter und erwartungsvoller nach dem Süden richten.

    Unter der bewegten des Pharaos harrenden Menge fiel ein Mann auf, der, wie es schien, vor Unruhe die Einfahrt des Schiffes gar nicht erwarten konnte. Er sprang in eine kleine Barke und befahl, dem Pharao entgegenzurudern, den er auch bald erreichte. Als der junge Leiter des Fahrzeugs die Barke sich nähern sah, verließ er seinen Posten neben dem Lotsen, dessen Befehle er mit rascher Gebärde und lebhaftem Blick für die Mannschaft wiederholt hatte, nahm den Hut in die Hand und lehnte sich über die Brüstung des Schiffes.

    Es war ein Jüngling von achtzehn bis zwanzig Jahren mit schwarzen Augen und schwarzen Haaren. In seiner ganzen Person drückte sich Ruhe und Entschlossenheit aus, wie sie den Menschen eigentümlich sind, die von Kindheit an mit der Gefahr zu kämpfen haben.

    Ah, Sie sind es, Dantes, rief der Mann in der Barke; was ist geschehen, und was bedeutet das traurige Aussehen des Schiffes?

    Ein großes Unglück, Herr Morel, antwortete der junge Mann. Auf der Höhe von Civita Vecchia haben wir den braven Kapitän Leclère verloren.

    Und die Ladung? fragte lebhaft der Reeder.

    Ist glücklich geborgen, Herr Morel, und ich glaube, Sie werden in dieser Hinsicht zufrieden sein; aber der arme Kapitän . . .

    Was ist ihm denn geschehen? fragte der Reeder, sichtbar erleichtert, was ist ihm denn geschehen, dem braven Kapitän?

    Er ist tot. – In das Meer gefallen?

    Nein, er starb an einer Hirnentzündung. Dann wandte sich der junge Seemann seinen Leuten zu, rief: Holla, he! Jeder an seinen Posten zum Ankern! und erst als er sah, daß seine Befehle vollführt wurden, kehrte er zu Herrn Morel zurück.

    Und wie ist das Unglück gekommen? fragte der Reeder.

    Mein Gott, ganz überraschend. Nach einer langen Unterredung mit dem Hafenkommandanten verließ der Kapitän Neapel in sehr aufgeregtem Zustande. Nach 24 Stunden faßte ihn das Fieber, drei Tage nachher war er tot . . . Er ruht in einer Hängematte, eine Kugel an den Füßen und eine am Kopf, auf der Höhe der Insel Giglio. Wir bringen der Witwe sein Ehrenkreuz und seinen Degen zurück. Warum mußte er, fuhr der junge Mann schwermütig fort, zehn Jahre gegen die Engländer kämpfen, um nun einen solchen Strohtod zu sterben?

    Verdammt! Wir sind alle sterblich, und die Alten müssen den Jungen Platz machen, und von dem Augenblicke an, wo ich sicher bin, daß die Ladung . . .

    Sie befindet sich in gutem Zustande, Herr Morel, dafür stehe ich. Das ist eine Ladung, die ich Ihnen nicht für 25 000 Franken Nutzen aus der Hand zu geben rate. Dann, als man um den Leuchtturm am Hafeneingang fuhr, rief er: Alle Segel gestrichen!

    Der Befehl wurde mit derselben Geschwindigkeit ausgeführt, wie auf einem Kriegsschiffe, und das Schiff rückte nur noch langsam vorwärts.

    Wenn Sie heraufkommen wollen, Herr Morel, sagte Dantes, die Unruhe des Reeders wahrnehmend, hier ist Ihr Rechnungsführer, Herr Danglars, der wird Ihnen jede Auskunft geben. Ich meinesteils muß für die Ankerung sorgen. – Der Reeder ließ sich das nicht zweimal sagen und erstieg behende das Schiff, wo ihm, während Dantes auf seinen Posten zurückkehrte, Danglars entgegenkam.

    Danglars war ein Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren, unterwürfig gegen seine Obern und barsch gegen seine Untergebenen, Eigenschaften, die ihn allgemein bei der Mannschaft ebenso verhaßt machten, wie Edmond Dantes bei ihr beliebt war.

    Nun, Herr Morel, sagte Danglars, Sie wissen bereits das Unglück, nicht wahr?

    Ja, ja, der arme Leclère! Ein braver, ehrlicher Mann!

    Und ein trefflicher Seemann, ergraut zwischen Himmel und Wasser, wie es sich für einen Mann geziemt, dem die Interessen eines so wichtigen Hauses wie Morel und Sohn anvertraut sind.

    Aber, versetzte der Reeder, mit den Augen dem geschäftigen Dantes folgend, es scheint mir, man braucht nicht gerade ein so alter Seemann zu sein, um sein Handwerk zu kennen, und unser Freund Edmond hier treibt das seinige, meine ich, wie ein Mensch, der niemandes Rat nötig hat.

    Ja, antwortete Danglars, auf Dantes einen Blick des Hasses werfend, ja, der ist jung und fürchtet nichts. Kaum war der Kapitän tot, so übernahm er das Kommando, ohne jemand um Rat zu fragen, und ließ uns anderthalb Tage auf der Insel Elba verlieren, statt unmittelbar nach Marseille zurückzukehren.

    Was die Übernahme des Kommandos betrifft, sagte der Reeder, so war dies seine Pflicht als Sekond; was aber das Verlieren von anderthalb Tagen auf der Insel Elba betrifft, so hatte er unrecht, wenn nicht das Schiff Haverei ausbessern mußte.

    Das Schiff befand sich so wohl, wie ich mich befinde, und diese anderthalb Tage dienten bloß dem Vergnügen, ans Land zu steigen.

    Dantes, sagte der Reeder, sich nach dem jungen Mann umwendend, kommen Sie hierher!

    Ich bitte um Entschuldigung, erwiderte Dantes, ich stehe sogleich zu Diensten; dann rief er der Mannschaft zu: Anker geworfen!

    Sogleich fiel der Anker, und die Kette rasselte geräuschvoll hinterdrein. Dantes blieb trotz der Gegenwart des Lotsen an seinem Posten, bis dieses letzte Manöver beendigt war. Dann rief er: Hißt die Flagge Halbmast! Kreuzt die Segelstangen!

    Sie sehen, sagte Danglars, auf mein Wort, er hält sich bereits für den Kapitän.

    Gott verdamme mich, warum sollen wir ihn nicht an diesem Posten lassen? entgegnete der Reeder; ich weiß wohl, er ist jung, aber er scheint mir ganz bei der Sache und bereits recht erfahren zu sein.

    Eine Zorneswolke trübte Danglars’ Miene.

    Um Vergebung, Herr Morel, sagte Dantes nähertretend; nun, da das Schiff geankert hat, stehe ich zu Befehl.

    Danglars machte einen Schritt rückwärts.

    Ich wollte Sie fragen, warum Sie an der Insel Elba angehalten haben, begann der Reeder.

    Es geschah in Vollzug eines letzten Befehls des Kapitäns Leclère, der mir sterbend ein Paket für den Großmarschall Bertrand übergab.

    Sie haben ihn also gesehen, Edmond?

    Wen? – Den Großmarschall. – Ja.

    Morel schaute um sich her, zog Dantes beiseite und fragte lebhaft: Wie geht es dem Kaiser?

    Gut, soviel ich mit meinen eigenen Augen sehen konnte.

    Haben Sie mit ihm gesprochen? Was sagte er?

    Er stellte Fragen an mich über das Schiff, über Zeit und Weg unserer Fahrt nach Marseille und über die Ladung. Ich glaube, wäre ich der Herr des Schiffes gewesen, so hätte er es kaufen wollen. Aber ich sagte ihm, ich sei nur Sekond, und das Schiff gehöre dem Hause Morel und Sohn. Ah, erwiderte er, ich kenne das Haus. Die Morel sind ein altes Reedergeschlecht, und ein Morel stand in demselben Regimente mit mir in Valence in Garnison.

    Das ist bei Gott wahr! rief der Reeder ganz freudig, es war Policar Morel, mein Oheim, der später Kapitän geworden ist. Dantes, Sie werden meinem Oheim sagen, daß der Kaiser sich seiner erinnert hat, und der alte Murrkopf wird weinen. Gut, gut, fuhr der Reeder, dem jungen Menschen vertraulich auf die Schulter klopfend, fort, Sie haben wohl daran getan, Dantes, den Auftrag des Kapitäns Leclère zu erfüllen und an der Insel Elba anzuhalten. Doch wenn man wüßte, daß Sie dem Marschall ein Paket übergeben und mit dem Kaiser gesprochen haben . . . es könnte Sie gefährden.

    Wie sollte mich dies gefährden? entgegnete Dantes. Ich weiß nicht einmal, was ich überbrachte, und der Kaiser richtete nur die nächstliegenden Fragen an mich. Doch um Vergebung, hier sind die Zollbeamten. Sie erlauben . . . nicht wahr?

    Gewiß, mein lieber Dantes. Der junge Mann entfernte sich, und je weiter er sich entfernte, desto näher kam Danglars.

    Nun, fragte er, er scheint Ihnen gute Gründe für seinen Aufenthalt in Elba angegeben zu haben?

    Vortreffliche Gründe, antwortete der Reeder, und es läßt sich nichts dagegen einwenden. Kapitän Leclère selbst hatte ihm den Befehl erteilt.

    Ah! was den Kapitän Leclère betrifft . . . hat Dantes Ihnen nicht einen Brief von ihm zugestellt?

    Nein! Hatte er denn einen?

    Ich glaubte, der Kapitän Leclère hätte ihm außer dem Paket auch einen Brief anvertraut.

    Von welchem Paket sprechen Sie, Danglars?

    Von dem, das Dantes auf Elba abzugeben hatte.

    Woher wissen Sie, daß er ein Paket abzugeben hatte?

    Danglars errötete und sagte: Ich ging an der halb geöffneten Tür der Kapitänskabine vorüber und sah, wie Leclère den Brief und das Paket Dantes einhändigte.

    Er hat mir nichts davon gesagt, entgegnete der Reeder, wird mir aber wohl den Brief noch übergeben.

    Danglars überlegte einen Augenblick und erwiderte: Ich bitte Sie, Herr Morel, nicht mit Dantes davon zu sprechen; ich werde mich getäuscht haben.

    In diesem Augenblick kehrte der junge Mann zurück, während Danglars sich entfernte.

    Nun, mein lieber Dantes, sind Sie frei? fragte der Reeder. – Jawohl, alles ist in Ordnung. – Sie können mit mir zu Mittag speisen. – Ich bitte, entschuldigen Sie mich, Herr Morel; mein erster Besuch gehört meinem Vater. Doch ich bin darum nicht minder dankbar für die Ehre, die Sie mir erzeigen. – Recht, Dantes, ganz recht. Ich weiß, daß Sie ein guter Sohn sind; aber nach diesem ersten Besuche zählen wir auf Sie. – Entschuldigen Sie abermals, nach diesem ersten Besuche habe ich einen zweiten zu machen, der mir nicht minder am Herzen liegt. – Ah! das ist wahr, Dantes, ich vergaß, daß es unter den Kataloniern jemand gibt, der mit nicht geringerer Ungeduld auf Sie wartet, als Ihr Vater. Es ist die schöne Mercedes.

    Dantes errötete.

    Ah! ah! sagte der Reeder, ich wundere mich gar nicht mehr, daß sie dreimal zu mir gekommen ist und mich um Nachricht über den Pharao gebeten hat. Edmond, Sie sind nicht zu beklagen, Sie haben eine hübsche Braut. Doch da fällt mir ein, hat Ihnen nicht der Kapitän Leclère sterbend einen Brief für mich gegeben?

    Es war ihm unmöglich, zu schreiben. Nun möchte ich mir aber noch auf einige Tage Urlaub erbitten.

    Um zu heiraten?

    Einmal und dann, um nach Paris zu gehen.

    Gut, gut, Sie nehmen sich so viel Zeit, als Sie wollen, Dantes. Zum Löschen des Schiffes brauchen wir an sechs Wochen, und vor drei Monaten gehen wir nicht wieder in See. Sie müssen also erst in drei Monaten hier sein. Der Pharao, fuhr der Reeder, den jungen Mann auf die Schulter klopfend, fort, könnte nicht ohne seinen Kapitän abgehen.

    Ohne seinen Kapitän? rief Dantes mit funkelnden Augen, Sie entsprechen den geheimsten Hoffnungen meines Herzens. Es wäre also wirklich Ihre Absicht, mich zum Kapitän des Pharao zu ernennen?

    Wenn ich allein wäre, würde ich Ihnen die Hand reichen, lieber Dantes, und sagen: Es ist abgemacht! Aber ich habe einen Associé, und Sie kennen das italienische Sprichwort: Che ha compagno ha padrone. (Wer einen Kompagnon hat, hat auch einen Herrn.) Doch zur Hälfte ist das Geschäft wenigstens abgeschlossen, denn von zwei Stimmen haben Sie bereits eine. Überlassen Sie es mir, Ihnen die andere zu verschaffen; ich werde mein möglichstes tun!

    Oh, Herr Morel! rief der junge Seemann und ergriff, mit Tränen in den Augen, die Hände des Reeders, Herr Morel, ich danke Ihnen in meines Vaters und in Mercedes’ Namen.

    Es ist gut, Edmond, es gibt einen Gott im Himmel für die braven Leute! Besuchen Sie Ihren Vater und Mercedes, und kommen Sie dann zu mir zurück!

    Soll ich Sie nicht an das Land führen?

    Nein, ich danke, ich bleibe hier, um meine Rechnung mit Danglars zu ordnen. Sind Sie während der Reise mit ihm zufrieden gewesen?

    Das kommt auf den Sinn an, in dem Sie diese Frage an mich richten. In Bezug auf gute Kameradschaft, nein; denn ich glaube, er liebt mich nicht mehr, seitdem ich bei einem kleinen Streit die Dummheit beging, ihm vorzuschlagen, zehn Minuten an der Insel Monte Christo anzuhalten, um den Streit auszumachen, ein Vorschlag, den er mit Recht zurückwies. Fragen Sie mich aber nach dem Rechnungsführer, so glaube ich, daß Sie mit der Art und Weise, wie er sein Geschäft besorgt hat, zufrieden sein werden.

    Wie aber? sagte der Reeder; wenn Sie Kapitän des Pharao wären, würden Sie Danglars gern behalten?

    Kapitän oder Sekond, antwortete Dantes, ich werde stets die größte Achtung vor denen haben, die das Vertrauen meiner Reeder besitzen.

    Schön, schön, Dantes, ich sehe, daß Sie in jeder Beziehung ein braver Bursche sind; ich will Sie nicht länger aufhalten, denn Sie stehen gewiß wie auf glühenden Kohlen.

    Auf Wiedersehen, Herr Morel, und tausend Dank! Der junge Seemann sprang in den Kahn und gab Befehl, an der Cannebière zu landen. Der Reeder folgte ihm lächelnd mit den Augen bis zum Kai, sah ihn aussteigen und sich unter der bunten Menge verlieren, die von neun Uhr morgens bis neun Uhr abends die berühmte Rue de la Cannebière durchströmt, auf welche die Marseiller so stolz sind, daß sie mit dem größten Ernste von der Welt sagen: Wenn Paris die Cannebière hätte, so wäre es ein kleines Marseille.

    Als er sich umwandte, erblickte der Reeder Danglars hinter sich, der dem Anscheine nach seine Befehle erwartete, in Wirklichkeit aber dem jungen Seemanne mit dem Blicke folgte. Nur war ein großer Unterschied in dem Ausdruck dieser beiden Blicke, die demselben Menschen folgten.

    Vater und Sohn.

    Überlassen wir es dem gehässigen Danglars, dem Reeder einen boshaften Argwohn gegen Dantes ins Ohr zu flüstern, und folgen wir diesem, der den Weg in die Rue de Noilles einschlägt, in ein kleines auf der rechten Seite der Allée de Meillan gelegenes Haus tritt, rasch die vier Stockwerke einer dunkeln Treppe hinaufsteigt und, sich mit der einen Hand am Geländer haltend, mit der andern die Schläge seines Herzens zurückdrängend, vor einer halb geöffneten Tür stehen bleibt.

    Hier wohnte sein Vater. Die Nachricht von der Ankunft des Pharao war noch nicht bis zu dem Greise gedrungen, der, auf einem Stuhle sitzend, mit zitternder Hand Kapuzinerkresse, vermischt mit Rebwinden, die sich am Gitter seines Fensters hinaufrankten, durch Stäbe zusammenzuhalten suchte. Plötzlich fühlte er sich von Armen umfaßt, und eine wohlbekannte Stimme rief hinter ihm: Mein Vater, mein guter Vater!

    Mit einem Schrei wandte sich der Alte um, und als er seinen Sohn erblickte, warf er sich bebend und bleich in seine Arme.

    Was hast du denn Vater? rief der junge Mann beunruhigt, du bist doch nicht krank?

    Nein, nein, mein lieber Edmond, mein Sohn, mein Kind, nein, ich erwartete dich nicht, und die Freude bei deinem unvorhergesehenen Anblick . . . ach! mein Gott, ich glaube, ich sterbe.

    Beruhige dich doch, mein Vater, ich bin es, ich! Man sagt, die Freude könne nicht schaden, und darum bin ich hier ohne Vorbereitung eingetreten. Ich komme zurück, Vater, und wir werden nun glücklich sein.

    Ah, desto besser, mein Junge, versetzte der Greis; aber wie werden wir glücklich sein? Du verläßt mich also nicht mehr? Erzähle mir von deinem Glücke!

    Der Herr verzeihe mir, erwiderte der junge Mann, daß ich mich über ein Glück freue, das mit der Trauer einer andern Familie erkauft ist, aber Gott weiß, daß ich dieses Glück nicht gewünscht habe. Der brave Kapitän Leclère ist gestorben, und durch Herrn Morels Fürsprache bekomme ich wahrscheinlich seinen Platz. Begreifst du, Vater, mit zwanzig Jahren Kapitän . . . mit hundert Louisd’or Gehalt und einem Anteil am Gewinn! Ist das nicht mehr, als ein armer Matrose wie ich hoffen durfte?

    Ja, mein Sohn, ja, das ist ein großes Glück.

    Von dem ersten Gelde, das ich verdiene, sollst du auch ein Häuschen mit einem Garten bekommen, um deine Reben und deine Kapuzinerkresse zu pflanzen. Aber was hast du denn, Vater? Man könnte glauben, du seiest unwohl.

    Geduld, Geduld, das hat nichts zu sagen.

    Aber schon schwanden dem Greise die Kräfte, und er sank rückwärts nieder.

    Rasch, rasch, ein Glas Wein wird dich wiederbeleben; wo verwahrst du deinen Wein? sagte der junge Mann und öffnete zwei, drei Schränke.

    Ach, sprach der Greis matt, es ist kein Wein mehr da.

    Wie, kein Wein mehr da? rief, jetzt ebenfalls erbleichend, Dantes, indem er abwechselnd die hohlen Wangen des Greises und die leeren Schränke anschaute. Kein Wein mehr hier? Hat es dir etwa an Geld gefehlt?

    Es fehlt mir an nichts, da du hier bist.

    Ich habe dir doch bei meiner Abreise vor drei Monaten zweihundert Franken zurückgelassen, stammelte Dantes, sich den Schweiß abtrocknend, der von seiner Stirn lief.

    Ja, ja, Edmond, das ist wahr; aber du hattest bei deinem Abgang eine kleine Schuld bei dem Nachbar Caderousse vergessen. Er erinnerte mich daran und sagte, wenn ich nicht für dich bezahlte, so würde er sich von Herrn Morel bezahlen lassen; du begreifst, aus Furcht, es könnte dir schaden . . .

    Aber ich war ihm 140 Franken schuldig! rief Dantes. Und du hast sie ihm von den 200 Franken gegeben, die ich dir zurückließ?

    Der Greis machte ein Zeichen mit dem Kopfe.

    Du hast also drei Monate lang von sechzig Franken gelebt?

    Du weißt, wie wenig ich bedarf, sagte der Greis.

    Oh! mein Gott, mein Gott! vergib mir, rief Edmond und warf sich vor dem alten Mann auf die Knie.

    Bah! Du bist hier, erwiderte lächelnd der Greis, und nun ist alles vergessen, alles ist nun gut.

    Ja, ich bin hier, versetzte der junge Mann, ich bin hier mit einer schönen Zukunft vor mir und mit einigem Geld; hier, Vater, nimm, nimm und laß sogleich etwas holen!

    Und er leerte auf den Tisch seine Taschen aus, die ein Dutzend Goldstücke und etwas kleinere Münze enthielten.

    Sachte, sachte, sagte der Greis lächelnd, mit deiner Erlaubnis werde ich deine Börse nur bescheiden benützen; wenn man mich zu viele Dinge auf einmal kaufen sehen würde, könnte man glauben, ich hätte auf deine Ankunft warten müssen.

    Ja, wie du willst; aber vor allem nimm eine Magd an! Du sollst nicht länger allein bleiben. Ich habe geschmuggelten Kaffee und vortrefflichen Tabak in einem Kistchen im Schiffsraum; morgen erhältst du beides. Doch still, hier kommt jemand.

    Es ist Caderousse, der wohl deine Ankunft erfahren hat.

    Gut, abermals Lippen, die etwas sagen, während das Herz etwas ganz anderes denkt! murmelte Edmond. Doch gleichviel, es ist ein Nachbar, der uns einst Dienste geleistet hat, darum soll er willkommen sein.

    In dem Augenblick, wo Edmond seinen Satz mit leiser Stimme vollendete, sah man einen schwarzen bärtigen Kopf in der Tür erscheinen; es war Caderousse, ein Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, seines Standes ein Schneider.

    Ah! Du bist endlich zurückgekehrt, Edmond? sagte er in echt Marseiller Mundart und mit breitem Lächeln.

    Wie Sie sehen, Meister Caderousse, und bereit, Ihnen gefällig zu sein, antwortete Dantes, seine Kälte nur schlecht unter dieser höflichen Anrede verbergend.

    Danke, danke, zum Glück brauche ich nichts, und zuweilen können mich sogar andere brauchen. Ich sage das nicht deinetwegen, fuhr er fort, als Dantes eine unwillkürliche Bewegung machte. Ich habe dir Geld geliehen; du hast mich bezahlt; das kommt unter guten Nachbarn vor, und wir sind quitt.

    Wir sind nie quitt gegen die, welche uns Dienste geleistet haben, antwortete Dantes, denn wenn man ihnen sonst nichts mehr schuldet, so ist man ihnen doch Dank schuldig.

    Wozu davon reden? Was geschehen ist, ist geschehen. Reden wir von deiner glücklichen Rückkehr, mein Junge. Ich war an den Hafen hinausgegangen und traf dort Danglars, der mir erzählte, daß ihr gut angekommen seid; und dann eilte ich hierher, um dir die Hand zu drücken. Nun, du stehst also aufs beste mit Herrn Morel, du Schlaukopf?

    Herr Morel hat mir stets viel Güte erwiesen, und ich hoffe, sein Kapitän zu werden, antwortete Dantes.

    Desto besser, desto besser! Das wird allen alten Freunden Freude machen, und ich kenne jemand da unten hinter der Zitadelle Saint-Nicolas, der nicht ärgerlich darüber sein wird.

    Mercedes? sagte der Greis.

    Ja, Vater, versetzte Dantes, und jetzt, da ich gesehen habe, daß du dich wohl befindest und alles hast, was du brauchst, bitte ich dich um Erlaubnis, bei den Kataloniern meinen Besuch zu machen.

    Geh, mein Sohn, geh, sagte der alte Dantes, und Gott segne deine Frau, wie er mich in meinem Sohne gesegnet hat.

    Seine Frau! rief Caderousse, wie Ihr rasch zu Werke geht. Es scheint mir, sie ist es noch nicht.

    Nein, aber aller Wahrscheinlichkeit nach, antwortete Edmond, wird sie es bald werden.

    Gleichviel, gleichviel, sagte Caderousse, du hast wohl daran getan, dich zu beeilen, mein Sohn.

    Warum?

    Weil Mercedes ein hübsches Mädchen ist, und es den hübschen Mädchen nicht an Liebhabern fehlt. Ihr besonders laufen sie zu Dutzenden nach.

    Wirklich? sagte Edmond mit einem Lächeln, unter dem sich ein leichter Schatten von Unruhe verbarg.

    Oh ja, antwortete Caderousse, und sogar schöne Partien; aber du begreifst, du sollst Kapitän werden, und man wird sich wohl hüten, deine Hand auszuschlagen.

    Still, sagte der junge Mann, ich habe eine bessere Meinung als Ihr von den Frauen im allgemeinen und von Mercedes insbesondere, ich bin überzeugt, daß sie mir, mag ich Kapitän sein oder nicht, treu bleiben wird.

    Desto besser, desto besser, versetzte Caderousse, wenn man sich verheiraten will, tut man immer gut, zu glauben. Doch, wie gesagt, folge mir, mein Junge, verliere keine Zeit, melde ihr deine Ankunft und teile ihr deine Hoffnungen mit!

    Ich gehe, sagte Edmond, umarmte seinen Vater, grüßte Caderousse und entfernte sich.

    Caderousse blieb noch einen Augenblick, nahm dann von dem alten Dantes Abschied, ging ebenfalls die Treppe hinab und suchte Danglars wieder auf, der ihn an der Ecke der Rue Senac erwartete.

    Nun, sagte Danglars, hast du ihn gesehen? Hat er von seiner Hoffnung, Kapitän zu werden, gesprochen?

    Er spricht davon, als ob er es bereits wäre.

    Geduld! Geduld! sagte Danglars, mir scheint, er hat’s gar zu eilig. Und er ist immer noch in die Katalonierin verliebt?

    Wie toll; soeben ist er zu ihr gegangen. Doch wenn ich mich nicht sehr täusche, wird er hier auf Schwierigkeiten stoßen.

    Sag einmal, du liebst Dantes nicht, wie? – Ich liebe die Anmaßenden nie. – Nun also, was weißt du von der Katalonierin? – Nichts Bestimmtes; nur habe ich gesehen, daß Mercedes, so oft sie in die Stadt kommt, von einem großen schwarzen Katalonier, den sie Vetter nennt, begleitet wird. – Ah, wirklich? Und glaubst du, dieser Vetter mache ihr den Hof? – Ich denke wohl. Was zum Teufel kann ein Bursche von einundzwanzig Jahren mit einem hübschen Mädchen von siebzehn weiter machen?

    Und du sagst, Dantes sei zu den Kataloniern gegangen?

    Ja, wenn wir ihm folgen, so können wir im Garten der Reserve bei einem Glase Wein das weitere abwarten.

    Beide begaben sich mit raschen Schritten nach dem bezeichneten Orte und ließen sich eine Flasche Wein bringen. Der Vater Pamphile, der sie ihnen vorsetzte, hatte Dantes vor kaum zehn Minuten vorübergehen sehen.

    Die Katalonier.

    Hundert Schritte von der Laube, wo die beiden Freunde den sprudelnden Lamalgue-Wein tranken, erhob sich hinter einem nackten, sonnigen Hügel die kleine Ansiedlung der Katalonier.

    Eines Tages wanderte eine Anzahl Katalonier aus dem Mutterland aus und landete hier, wo sie sich noch heute befindet. Man wußte nicht, woher sie kam, und kannte nicht einmal ihre Sprache. Einer von den Führern, der Provençalisch verstand, bat die Gemeinde Marseille, ihnen dieses nackte, unfruchtbare Vorgebirge zu geben, auf das sie ihre Schiffe gezogen hatten. Die Bitte wurde gewährt, und drei Monate nachher erhob sich um ihre fünfzehn Fahrzeuge ein kleines Dorf. Seit drei bis vier Jahrhunderten sind sie ihrem Vorgebirge treu geblieben, ohne sich mit der Bevölkerung von Marseille zu vermischen, denn sie heirateten unter sich und behielten Sitten, Tracht und Sprache ihres Mutterlandes bei.

    In einer der einfachen Hütten stand ein junges Mädchen mit rabenschwarzen Haaren und Augen an der Wand. Ihre bis an den Ellbogen entblößten Arme, die zwar gebräunt, aber schön geformt waren, bebten wie von fieberhafter Ungeduld, und sie stampfte mit ihrem geschmeidigen, schön gebogenen Fuße auf die Erde, so daß die reine, stolze, kühne Form ihres mit einem baumwollenen Strumpf bekleideten Beines ein wenig sichtbar wurde.

    Drei Schritte von ihr saß auf einem Stuhle ein großer etwa zwanzigjähriger Bursche und betrachtete sie mit einer Miene, in der sich Unruhe und Trotz bekämpften. Seine Augen sahen fragend und verlangend aus, aber der feste, entschiedene Blick des jungen Mädchens beherrschte den Jüngling.

    Wie steht’s, Mercedes, sagte der junge Mann, Ostern naht; ist’s da nicht Zeit, Hochzeit zu machen? Antwortet mir!

    Ich habe Euch hundertmal geantwortet, Fernand, und Ihr müßt in der Tat Euer eigener Feind sein, daß Ihr mich noch einmal fragt!

    Wiederholt es, ich bitte Euch, noch einmal, daß ich es endlich glauben kann! Sagt mir zum hundertstenmale, daß Ihr eine Liebe ausschlagt, die Eure Mutter billigte! Macht mir’s begreiflich, daß Ihr mit meinem Glücke Euer Spiel treibt, daß mein Leben und mein Tod nichts für Euch sind. Ach, mein Gott, zehn Jahre lang habe ich geträumt. Euer Gatte zu werden, und soll nun diese Hoffnung verlieren, die der einzige Zweck meines Lebens war!

    Ich bin es wenigstens nicht gewesen, die Euch in dieser Hoffnung ermutigt hat, Fernand, antwortete Mercedes. Ihr könnt mir in dieser Hinsicht nichts vorwerfen. Stets sagte ich Euch: Ich liebe Euch wie meinen Bruder, fordert aber nie mehr von mir, denn mein Herz gehört einem andern. Das habe ich Euch immer gesagt, Fernand.

    Ich weiß es wohl, Mercedes, antwortete der junge Mann. Ja, Ihr habt mir gegenüber das grausame Verdienst der Offenherzigkeit. Aber vergeßt Ihr, daß bei den Kataloniern das heilige Gesetz besteht, sich nur untereinander zu heiraten?

    Ihr täuscht Euch, Fernand, das ist kein Gesetz, es ist eine Gewohnheit und nichts weiter. Führt diese Gewohnheit nicht zu Euren Gunsten an! Ihr seid zur Aushebung vorgemerkt; jeden Augenblick könnt Ihr zur Fahne einberufen werden. Seid Ihr aber Soldat, was sollte dann aus mir werden, dem verlassenen, vermögenslosen Mädchen, das als einzige Habe nur eine baufällige Hütte besitzt, in der ein paar abgenutzte Netze hängen . . . die elende Erbschaft von meinem Vater und meiner Mutter? Seit sie im vorigen Jahre starb, lebe ich fast nur von der öffentlichen Wohltätigkeit. Zuweilen tut Ihr, als wäre ich Euch nützlich, um das Recht zu haben, Euren Fischfang mit mir zu teilen. Ich nehme es an, Fernand, weil Ihr mein Vetter seid, weil wir miteinander erzogen worden sind, und mehr noch, weil es Euch zu viel Kummer machen würde, wenn ich es ausschlüge; aber ich fühle wohl, daß der Fisch ein Almosen ist.

    Wenn Ihr aber, die arme und verlassene Mercedes, mir besser gefallt als die Tochter des stolzesten Reeders und des reichsten Bankiers von Marseille? Was braucht ein Mann aus dem Volk wie ich? Ein ehrliches Weib, eine gute Wirtschafterin. Und wo kann ich da etwas Besseres finden, als Ihr seid?

    Fernand, antwortete Mercedes, den Kopf schüttelnd, man ist eine schlechte Wirtschafterin und kann nicht dafür stehen, daß man eine ehrliche Frau bleibt, wenn man einen andern Mann liebt, als seinen Gatten. Begnügt Euch mit meiner Freundschaft, denn ich wiederhole Euch, das ist alles, was ich Euch versprechen kann, und ich verspreche nur, was ich halten kann.

    Ja, ich begreife, sagte Fernand, Ihr ertragt geduldig Eure Armut, aber Ihr habt Furcht vor der meinen. Nun wohl, Mercedes, von Euch geliebt, werde ich mich aufzuschwingen suchen. Ihr bringt mir Glück, und ich werde reich. Ich kann mein Fischergewerbe ausdehnen, ich kann als Kommis in ein Kontor eintreten, ich kann sogar Kaufmann werden!

    Ihr könnt das alles nicht, Fernand, Ihr seid als Soldat vorgemerkt, und wenn Ihr noch hier weilt, so ist dies nur der Fall, weil gegenwärtig kein Krieg geführt wird. Bleibt also Fischer und – begnügt Euch mit meiner Freundschaft, da ich Euch nichts anderes geben kann.

    Oh, Mercedes, Ihr seid nur so grausam und hart gegen mich, weil Ihr einen andern erwartet; aber der ist vielleicht unbeständig wie das Meer.

    Fernand, rief Mercedes, ich hielt Euch für gut, aber ich täuschte mich! Ihr habt ein schlechtes Herz, daß Ihr mit Eurer Eifersucht den Zorn des Himmels herabruft. Nun wohl, ich bekenne es offen: Ich erwarte und liebe den, welchen Ihr meint.

    Der junge Katalonier machte eine wütende Gebärde.

    Ich verstehe Euch, Fernand, Ihr werdet Euch dafür rächen, daß ich Euch nicht liebe, Ihr werdet Euer katalonisches Messer mit seinem Dolche kreuzen! Wohin wird Euch das führen? Dahin, daß Ihr meine Freundschaft verliert, wenn Ihr besiegt werdet; daß Ihr meine Freundschaft in Haß verwandelt, wenn Ihr Sieger seid. Glaubt mir, Streit mit einem Manne suchen, ist ein schlechtes Mittel, der Frau zu gefallen, die diesen Mann liebt. Nein, Fernand, Ihr werdet Euch nicht so durch Eure schlimmen Gedanken hinreißen lassen. Da Ihr mich nicht als Frau besitzen könnt, so werdet Ihr Euch begnügen, mich zur Freundin und zur Schwester zu haben. Und überdies, fügte sie mit unruhigen, tränenfeuchten Augen hinzu, Ihr habt soeben gesagt, das Meer sei treulos. Schon seit vier Monaten ist er abgereist, und seit vier Monaten habe ich viele Stürme gezählt.

    Fernand blieb unempfindlich. Er suchte nicht die Tränen zu trocknen, die über Mercedes’ Wangen herabrollten, und dennoch hätte er für jede ihrer Tränen einen Becher seines Blutes gegeben; aber diese Tränen flossen nicht für ihn. Er stand auf, ging in der Hütte umher, kehrte zurück, blieb mit düsterem Auge und geballten Fäusten vor Mercedes stehen und sagte: Laßt hören, Mercedes, noch einmal, antwortet: Steht Euer Entschluß fest?

    Ich liebe Edmond Dantes, antwortete kalt das junge Mädchen, und kein anderer als Edmond soll mein Gatte werden.

    Und Ihr werdet ihn immer lieben?

    Solange ich lebe.

    Fernand ließ ganz entmutigt das Haupt sinken und stieß einen Seufzer aus. Dann, plötzlich die Stirn wieder erhebend, rief er: Aber wenn er tot ist?

    Wenn er tot ist, sterbe ich.

    Aber wenn er Euch vergißt?

    Mercedes! rief eine freudige Stimme vor dem Hause, Mercedes!

    Ah, rief das junge Mädchen, vor Entzücken errötend und aufspringend, Ihr seht, daß er mich nicht vergessen hat, denn er ist da!

    Eilig lief sie zur Tür, öffnete sie und rief mit jubelndem Tone: Herein, Edmond, hier bin ich!

    Fernand wich bleich und bebend zurück, wie ein Reisender in den Tropen, der sich plötzlich einer giftigen Schlange mit gähnendem Rachen gegenüber sieht, stieß an seinen Stuhl und sank zitternd darauf nieder.

    Edmond und Mercedes lagen einander in den Armen. Die glühende Sonne von Marseille drang durch die Öffnung der Tür herein und übergoß sie mit einer Woge von Licht. Anfangs sahen sie nichts von dem, was sie umgab. Ein unermeßliches Glück erhob sie über die Welt, und sie sprachen nur in abgebrochenen Worten, wie sie sowohl der lebhaftesten Freude wie nicht minder dem quälenden Schmerze zum Ausdruck dienen können.

    Plötzlich erblickte Edmond Fernands düsteres Antlitz, das bleich und drohend aus dem Schatten hervortrat. Durch eine Bewegung, von der er sich vielleicht selbst nicht Rechenschaft gab, fuhr der junge Katalonier mit der Hand an das Messer, das in seinem Gürtel stak.

    Ah! um Vergebung, sagte Dantes, ebenfalls die Stirn faltend, ich hatte nicht bemerkt, daß wir zu dritt sind! Sich sodann an Mercedes wendend, fragte er: Wer ist dieser Herr?

    Dieser Herr wird dein bester Freund sein, Dantes, denn es ist auch mein Freund; es ist mein Vetter, es ist mein Bruder, es ist Fernand, der Mann, den ich nach dir, Edmond, am meisten in der Welt liebe. Erkennst du Fernand nicht wieder?

    Ah, gewiß! sagte Edmond, und ohne Mercedes zu verlassen, deren Hand er in der seinigen hielt, reichte er mit einer herzlichen Bewegung seine andere Hand dem Katalonier.

    Aber Fernand, weit entfernt, diese freundschaftliche Gebärde zu erwidern, blieb stumm und unbeweglich wie eine Statue. Da ließ Edmond seinen forschenden Blick über die bewegte, zitternde Mercedes und dann über den düsteren, drohenden Fernand gleiten, und dieser eine Blick sagte ihm alles. – Der Zorn stieg ihm zu Kopfe.

    Als ich mit so großer Eile zu Euch lief, Mercedes, wußte ich nicht, daß ich einen Feind hier finden würde, sagte er.

    Einen Feind! rief Mercedes, mit einem zornigen Blicke auf ihren Vetter; einen Feind bei mir, sagst du, Edmond? Wenn ich das glaubte, so nähme ich dich beim Arme, ginge nach Marseille und würde dieses Haus verlassen, um nie mehr dahin zurückzukehren.

    Fernands Auge schleuderte einen Blitz.

    Und wenn dir ein Unglück widerführe, Edmond, fügte sie mit eisiger Stimme hinzu, die Fernand bewies, daß sie in der Tiefe seiner finsteren Gedanken gelesen hatte, wenn dir ein Unglück widerführe, so stiege ich auf das Kap Morgion und stürzte mich über die Felsen hinab.

    Fernand wurde furchtbar bleich.

    Aber du hast dich getäuscht, Edmond, fuhr sie fort, du hast keinen Feind hier, denn hier sehe ich nur Fernand, meinen Bruder, der dir die Hand wie ein ergebener Freund drücken wird.

    Und bei diesen Worten heftete Mercedes ihren gebieterischen Blick auf den Katalonier, der, von diesem Blicke wie bezaubert, sich langsam Edmond näherte und ihm die Hand reichte. Aber kaum hatte er die Hand berührt, als er fühlte, daß er etwas getan, das über seine Kräfte ging, und aus dem Hause stürzte.

    Oh! rief er, wie ein Wahnsinniger fortrennend und mit den Händen in seinen Haaren wühlend, wer wird mich von diesem Menschen befreien! Wehe mir! wehe mir!

    He, Katalonier! he, Fernand! wohin läufst du? rief eine Stimme.

    Der junge Mann blieb stehen, schaute umher und sah Caderousse, der mit Danglars unter einer Laube an einem Tische saß.

    He! sagte Caderousse, warum kommst du nicht zu uns? Hast du so große Eile, daß du nicht einmal deinen Freunden einen guten Morgen wünschen kannst?

    Fernand schaute die Männer mit einfältiger Miene an und antwortete nicht.

    Er scheint ganz verblüfft, sagte Danglars leise und stieß dabei Caderousse mit dem Knie. Sollten wir uns getäuscht haben und keinen Bundesgenossen in ihm finden?

    Verdammt! Wollen doch sehen! erwiderte Caderousse und fügte, zu dem jungen Mann gewendet, hinzu: Nun, Katalonier, willst du nicht kommen?

    Fernand trocknete den Schweiß von seiner Stirn und trat langsam unter die schattige Laube, deren Frische seinem erhitzten Körper wohlzutun schien.

    Guten Morgen, sagte er, Ihr habt mich gerufen, nicht wahr? Und dabei ließ er sich erschöpft auf einen Stuhl fallen.

    Ich rief dich, weil du wie ein Narr liefst, und weil ich befürchtete, du könntest dich ins Meer stürzen, erwiderte lachend Caderousse. Was zum Teufel, wenn man Freunde hat, so muß man ihnen nicht nur ein Glas Wein anbieten, sondern sie auch verhindern, drei oder vier Pinten Wasser zu schlucken.

    Fernand stieß einen Seufzer aus, der einem Schluchzen ähnlich klang, und ließ seinen Kopf auf seine Fäuste sinken, die er kreuzweise auf den Tisch gelegt hatte.

    Wie geht’s, Fernand? Soll ich dir was sagen, versetzte Caderousse mit plumper Offenheit, du siehst aus wie ein aus dem Felde geschlagener Liebhaber.

    Und er begleitete diesen Spaß mit schwerfälligem Lachen.

    Bah! sagte Danglars, ein junger Mann von diesem Schnitte kann unmöglich in der Liebe unglücklich sein. Du scherzest, Caderousse.

    Oh nein, erwiderte dieser, höre nur, wie er seufzt. Ruhig, Fernand, fügte Caderousse hinzu, die Nase hochgehalten und geantwortet! Es ist nicht liebenswürdig. Freunden nicht zu antworten, die sich nach unsrer Gesundheit erkundigen.

    Meine Gesundheit ist gut, antwortete Fernand, seine Fäuste krampfhaft zusammenziehend, aber ohne den Kopf zu heben.

    Oh, siehst du, Danglars, sagte Caderousse und machte dabei seinem Freunde aus einem Augenwinkel ein Zeichen, das ist die Sache: Fernand, den du hier siehst, ein guter, braver Katalonier, einer der besten Fischer von Marseille, ist in ein schönes Mädchen, namens Mercedes, verliebt. Doch leider scheint das junge Mädchen seinerseits in den Sekond des Pharao verliebt zu sein. Und da der Pharao heute in den Hafen eingelaufen ist, so verstehst du . . .

    Nein, ich verstehe nicht, erwiderte Danglars.

    Der arme Fernand wird seinen Abschied bekommen haben, fuhr Caderousse fort.

    Wohl und was ist dabei? sagte Fernand, das Haupt erhebend, und schaute Caderousse wie ein Mensch an, der einen sucht, auf den er seinen Zorn fallen lassen kann. Mercedes hängt von niemand ab, nicht wahr? Es steht ihr frei, zu lieben, wen sie will!

    Ah! wenn du es so nimmst, entgegnete Caderousse, so ist es etwas anderes. Ich hielt dich für einen Katalonier, und man hat mir gesagt, die Katalonier wären nicht die Männer, die sich von andern ausstechen lassen; man sagte mir weiter, Fernand sei besonders furchtbar in seiner Rache.

    Fernand lächelte mitleidig und erwiderte: Ein Verliebter ist nie furchtbar.

    Armer Junge! versetzte Danglars, der sich den Anschein gab, als beklagte er den jungen Mann aus der Tiefe seines Herzens. Was willst du? Er war nicht darauf gefaßt, Dantes so plötzlich zurückkommen zu sehen. Er hielt ihn vielleicht für tot, für ungetreu, wer weiß? Man ist in solchen Fällen um so empfindlicher, je unerwarteter sie eintreten.

    In jedem Fall, sagte Caderousse, auf den der Wein seine Wirkung auszuüben anfing, ist Fernand nicht der einzige, den Dantes’ glückliche Ankunft ärgert! Nicht wahr, Danglars?

    Du sprichst die Wahrheit, und ich glaube fast, behaupten zu können, daß ihm dies Unglück bringen wird.

    Doch gleichviel, versetzte Caderousse, goß Fernand ein Glas Wein ein und füllte zum zehntenmale sein eigenes Glas, während Danglars nur an dem seinigen genippt hatte, gleichviel, inzwischen heiratet er Mercedes, die schöne Mercedes; er kommt wenigstens deshalb zurück.

    Während dieser Worte betrachtete Danglars mit durchdringendem Blick den jungen Mann, auf dessen Herz Caderousses Worte wie geschmolzenes Blei fielen.

    Und wann soll die Hochzeit sein? fragte er.

    Oh! so weit ist’s noch nicht, murmelte Fernand.

    Nein, aber es wird bald so weit sein, entgegnete Caderousse; so gewiß, als Dantes Kapitän sein wird, nicht wahr, Danglars?

    Danglars bebte bei diesem unerwarteten Streiche und wandte sich zu Caderousse, um auf dessen Gesicht zu lesen, ob ihm der Stich mit Vorbedacht versetzt worden sei. Aber er sah nichts, als den Neid aus dem infolge der Trunkenheit bereits albern aussehenden Gesichte.

    Nun gut, sagte er, die Gläser wieder füllend, trinken wir also auf die Gesundheit des Kapitäns Edmond Dantes, des Gatten der schönen Katalonierin!

    Caderousse setzte mit einer schweren Hand sein Glas an den Mund und leerte es auf einen Zug. Fernand nahm das seinige und schleuderte es auf die Erde.

    He, he, he! rief Caderousse, was erblicke ich da oben auf dem Hügel in der Richtung der Katalonier! Sieh doch, Fernand, du hast ein besseres Gesicht, als ich. Ich glaube, ich fange an, doppelt zu sehen, und du weißt, der Wein ist ein Verräter. Man sollte glauben, es seien zwei Liebende, die Hand in Hand nebeneinander gehen. Gott vergebe mir! Sie vermuten nicht, daß wir sie sehen, und umarmen sich sogar.

    Danglars folgte lauernd allen schmerzlichen Bewegungen in Fernands sich sichtlich entstellendem Gesichte.

    Oho, Dantes! oho, schönes Mädchen! rief jetzt Caderousse, kommt doch mal her und sagt uns, wann die Hochzeit sein wird.

    Willst du wohl schweigen, sagte Danglars, der sich den Anschein gab, als wollte er Caderousse zurückhalten, der sich mit der Halsstarrigkeit eines Trunkenen aus der Laube hervorneigte. Mach, daß du nicht von der Bank fällst, und laß die Verliebten sich ruhig lieben! Sieh Herrn Fernand an, und nimm dir ein Beispiel an ihm! Er ist vernünftig.

    Vielleicht wäre Fernand, außer sich und von Danglars ausgestachelt wie der Stier durch die Bandilleros, hinausgestürzt, denn er hatte sich bereits erhoben und schien sich auf seinen Nebenbuhler stürzen zu wollen; aber lachend und mutig erhob Mercedes ihr schönes Haupt und ließ ihren klaren Blick strahlen. Da erinnerte sich Fernand ihrer Drohung, sich den Tod zu geben, wenn Edmond umkäme, und er fiel völlig entmutigt auf seinen Stuhl zurück.

    Danglars schaute achselzuckend die beiden andern an und murmelte: Was soll man mit solchen Einfaltspinseln machen? Was nützt mir der blöde Neid, der sich im Weine statt in Galle berauscht, und die kindische Verliebtheit, die sich, statt zu handeln, in Klagen und Winseln verzehrt? – Der Anmaßende wird triumphieren, wenn ich nicht die Karten mische, fügte er mit düsterm Lächeln hinzu.

    Holla, schrie Cadcrousse, sich halb aufrichtend und mit den Fäusten auf den Tisch stützend, holla, Edmond! Siehst du die Freunde nicht, oder bist du bereits zu stolz, um mit ihnen zu sprechen?

    Nein, mein lieber Caderousse, antwortete Dantes, ich bin nicht zu stolz, ich bin glücklich, und das Glück blendet, glaube ich, noch mehr als der Stolz.

    Das lasse ich mir gefallen; das ist eine Erklärung, sagte Caderousse. Ei, guten Morgen, Frau Dantes.

    Mercedes grüßte ernst und erwiderte: Das ist noch nicht mein Name, und in meinem Lande sagt man, es bringe Unglück, wenn man ein Mädchen mit dem Namen ihres Bräutigams anredet, ehe dieser ihr Gatte geworden ist; ich bitte Sie also, nennen Sie mich Mercedes.

    Die Hochzeit soll also ungesäumt stattfinden, Herr Dantes? fragte Danglars und begrüßte das junge Paar.

    Sobald als möglich, Herr Danglars. Heute die Verträge bei meinem Vater, und spätestens übermorgen das Hochzeitsmahl hier in der Reserve. Die Freunde werden sich hoffentlich einfinden; das heißt, Sie sind eingeladen, Herr Danglars, und du ebenfalls, Caderousse.

    Und Fernand? versetzte Caderousse mit einem ekelhaften Gelächter; Fernand auch?

    Der Bruder meiner Frau ist mein Bruder, und wir könnten es nur mit tiefem Bedauern sehen, Mercedes und ich, wenn er sich in einem solchen Augenblicke von uns fernhielte.

    Fernand öffnete den Mund, um zu antworten; aber seine Stimme versagte, und er vermochte nicht ein Wort hervorzubringen.

    Heute Vertrag, übermorgen Hochzeit! Teufel, Sie sind sehr eilig, Kapitän! Was! wir haben Zeit; der Pharao geht nicht vor drei Monaten in See.

    Man soll das Glück nie versäumen, Herr Danglars, und wenn man lange gelitten hat, scheut man sich, an das Glück zu glauben. Es ist jedoch diesmal nicht die Selbstsucht, die mich treibt; ich muß nach Paris reisen.

    Ah, wirklich, nach Paris, und Sie kommen zum erstenmal dahin, Dantes? – Ja.

    Sie haben Geschäfte dort?

    Nicht für meine Rechnung; es ist ein letzter Auftrag von unserm armen Kapitän Leclère, den ich zu erfüllen habe. Seien Sie übrigens unbesorgt, ich werde mir nur so viel Zeit nehmen, als ich zur Hin- und Herreise brauche.

    Ja, ja, ich verstehe, sagte Danglars laut; dann fügte er leise hinzu: Nach Paris, ohne Zweifel, um den Brief, den ihm der Großmarschall gegeben hat, an seine Adresse abzuliefern. Bei Gott, dieser Brief bringt mich auf einen vortrefflichen Gedanken. Ha, Dantes, mein Freund! Du stehst in der Liste des Pharao noch nicht unter Nr. 1.

    Dann rief er dem sich bereits entfernenden Edmond zu: Glückliche Reise!

    Ich danke, antwortete Edmond, drehte den Kopf um und begleitete diese Bewegung mit einer freundschaftlichen Gebärde. Hierauf setzten die Liebenden ihren Weg fort, ruhig und freudig, wie zwei über die Maßen Glückliche.

    Das Komplott.

    Danglars folgte Edmond und Mercedes mit den Augen, bis sie an einer Ecke des Forts Saint-Nicolas verschwanden. Dann bemerkte er, daß Fernand bleich und zitternd auf seinen Stuhl gesunken war, während Caderousse die Worte eines Trinkliedes stammelte.

    Ah! mein lieber Herr, sagte Danglars zu Fernand, das ist eine Heirat, die mir nicht alle Leute glücklich zu machen scheint.

    Sie bringt mich in Verzweiflung, erwiderte Fernand.

    Sie liebten also Mercedes?

    Solange wir uns kennen, habe ich sie stets geliebt.

    Und Sie reißen sich die Haare aus, statt etwas dagegen zu unternehmen? Zum Teufel, ich glaubte nicht, daß die Leute Ihrer Nation so handelten!

    Was soll ich tun? fragte Fernand.

    Was weiß ich! Geht es mich an? Ich bin nicht in Fräulein Mercedes verliebt, denk’ ich, sondern Sie. Suchet, so werdet ihr finden, sagt das Evangelium.

    Ich wollte den Menschen erdolchen; aber sie sagte mir, wenn ihrem Bräutigam ein Unglück widerführe, so würde sie sich töten.

    Dummkopf! murmelte Danglars, sie mag sich umbringen oder nicht, wenn nur Dantes nicht Kapitän wird.

    Und ehe Mercedes stirbt, versetzte Fernand mit dem Tone unerschütterlicher Entschlossenheit, würde ich mir selbst den Tod geben.

    Das nenne ich Liebe, sagte Caderousse mit einer immer mehr weinschweren Zunge, oder ich verstehe mich nicht darauf.

    Sie scheinen mir ein braver Bursche zu sein, sagte Danglars, und der Teufel soll mich holen, ich wüßte etwas, Ihre Pein zu enden, denn . . .

    Was meinen Sie? sagte Fernand, begierig, weiteres zu hören.

    Was sagte ich? Ich weiß es nicht mehr! Durch diesen Trunkenbold von Caderousse habe ich den Faden meiner Gedanken verloren. Caderousse hatte den letzten Vers eines damals sehr beliebten Liedes zu singen angefangen:

    Alle Sünder trinken Wasser,

    Wie die Sündflut uns beweist . . .

    Sie sagten, mein Herr, versetzte Fernand, Sie wüßten etwas, meine Pein zu enden; dann fügten Sie hinzu . . .

    Ja, denn es genügt dazu, scheint mir, daß Dantes nicht die heiratet, die Sie lieben, und die Heirat kann, denke ich, wohl unterbleiben, ohne daß Dantes stirbt.

    Der Tod allein wird sie trennen, erwiderte Fernand.

    Sie urteilen wie eine Schnecke, mein Freund, sagte Caderousse, und Danglars hier, der ein feiner Bursche, ein Schlaukopf, ein wahrer Grieche ist, wird Ihnen beweisen, daß Sie unrecht haben. Beweise es ihm, Danglars, ich habe mich für dich verbürgt. Sage ihm, es sei nicht nötig, daß Dantes sterbe, Überdies wär’ es schade, wenn Dantes stürbe, er ist ein guter Kerl . . . ich liebe ihn . . . auf Dantes’ Gesundheit!

    Fernand erhob sich ungeduldig.

    Lassen Sie ihn schwatzen, versetzte Danglars, den jungen Mann zurückhaltend. Übrigens, so betrunken er auch ist, so redet er doch die Wahrheit. Die Abwesenheit trennt ebensogut, wie der Tod. Denken Sie sich, es wären zwischen Edmond und Mercedes die Mauern eines Gefängnisses, so würden sie fürs erste nicht minder getrennt sein, als wenn ein Grabstein zwischen ihnen läge.

    Ja, aber aus dem Gefängnis kommt man zurück, sagte Caderousse, der sich mit den Trümmern seines Verstandes an das Gespräch festklammerte, und wenn man draußen ist und Edmond Dantes heißt, so rächt man sich.

    Gleichviel, murmelte Fernand.

    Warum sollte man auch Dantes in ein Gefängnis stecken? Er hat weder geraubt noch gemordet, versetzte Caderousse und leerte abermals ein Glas Wein.

    Danglars verfolgte in den trüben Augen des Schneiders die Fortschritte der Trunkenheit und sagte sodann zu Fernand: Begreifen Sie nun, daß es nicht nötig wäre, ihn zu töten?

    Nein, gewiß nicht, hätte man ein Mittel, Dantes festnehmen zu lassen. Aber, besitzen Sie dieses Mittel?

    Wenn man gut suchte, erwiderte Danglars, könnte man wohl eins finden. Doch zum Teufel, wozu menge ich mich drein? Was geht’s mich an?

    Ich weiß nicht, ob es Sie angeht, sagte Fernand und faßte ihn am Arme; aber ich weiß, daß Sie irgend einen besonderen Grund zum Haß gegen Dantes haben. Wer selbst haßt, täuscht sich nicht in den Gefühlen der andern.

    Ich, einen Grund, Dantes zu hassen? Keinen, auf mein Wort. Ich sah Sie unglücklich, und Ihr Unglück erregte meine Teilnahme, das ist alles. Aber, wenn Sie glauben, ich handle für meine eigene Rechnung, Gott befohlen, lieber Freund! Ziehen Sie sich nur aus der Klemme, wie Sie können . . .

    Und Danglars stellte sich, als wollte er weggehen.

    Nein, sagte Fernand, ihn zurückhaltend, bleiben Sie! Es liegt mir am Ende wenig dran, ob Sie Dantes grollen oder nicht. Ich hasse ihn und gestehe es laut. Finden Sie das Mittel, so führe ich es aus, vorausgesetzt, daß es nicht sein Tod ist, denn Mercedes hat gesagt, sie würde sich umbringen, wenn man Dantes tötete. Also her das Mittel – schnell das Mittel!

    Ja, versetzte Danglars. Die Franzosen sind hierin den Spaniern überlegen. Die Spanier bedenken und erwägen, die Franzosen erfinden. Kellner, eine Feder, Tinte und Papier!

    Wenn man bedenkt, sagte Caderousse und ließ seine Hand auf das Papier fallen, das der Kellner gebracht hatte, daß hier etwas ist, womit man einen Menschen sicherer verderben kann, als wenn man ihm an der Ecke eines Waldes auflauerte, um ihn zu ermorden! Ich habe immer mehr Furcht vor einer Feder, einer Flasche Tinte und einem Blatt Papier gehabt, als vor einem Degen oder einer Pistole.

    Der Bursche ist noch nicht so betrunken, wie er aussieht. Schenken Sie ihm ein, Fernand!

    Fernand füllte Caderousses Glas.

    Also, ich sagte Ihnen, fuhr Danglars fort, als er sah, daß der letzte Rest von Caderousses Vernunft in dem neuen Glase Wein vollends zu verschwinden anfing, wenn z. B. nach einer Reise, wie sie Dantes gemacht hat, wobei er die Insel Elba berührte, ihn jemand bei dem Staatsanwalt als bonapartistischen Agenten anzeigte . . .

    Ich würde ihn anzeigen, sagte lebhaft der junge Mann.

    Ja, aber dann läßt man Sie Ihre Erklärung unterschreiben. Man stellt Sie dem, den Sie angezeigt haben, gegenüber. Zwar liefere ich Ihnen, was Sie zur Unterstützung Ihrer Anklage brauchen; aber Dantes kann nicht ewig im Gefängnisse bleiben; eines Tages verläßt er es, und dann wehe dem, der ihn hineingebracht hat.

    Oh! davor ist mir nicht bange, sagte Fernand, er soll nur kommen, Streit mit mir anzufangen.

    Ja, und Mercedes, die Sie schon haßt, wenn Sie nur das Unglück haben, die Haut ihres geliebten Edmond zu ritzen?

    Das ist richtig, versetzte Fernand.

    Nein, nein, sagte Danglars, wenn man sich zu dergleichen entschlösse, so wäre es besser, ganz einfach, wie ich dies eben tue, mit der linken Hand, damit die Schrift nicht erkannt wird, eine kleine Denunziation zu schreiben.

    Und Danglars schrieb zugleich mit der linken Hand in einer Schrift, die keine Ähnlichkeit mit seiner gewöhnlichen Handschrift hatte, folgende Zeilen, die er Fernand übergab:

    »Der Herr Staatsanwalt wird von einem Freunde des Thrones und der Religion benachrichtigt, daß Edmond Dantes, Sekond des Schiffes Pharao, heute morgen von Smyrna angelangt ist, nachdem er Neapel und Porto Ferrajo auf Elba berührt hat, von Murat einen Brief für den Usurpator und von dem Usurpator einen Brief für das bonapartistische Komitee in Paris übernommen hat. Den Beweis für sein Verbrechen wird man erlangen, wenn man ihn verhaftet; denn man findet diesen Brief entweder bei ihm oder bei seinem Vater oder in seiner Kajüte an Bord des Pharao.«

    So ist Ihre Rache vernünftig, fuhr Danglars fort, denn sie kann auf keine Weise auf Sie zurückfallen, und die Sache macht sich ganz von selbst. Man darf diesen Brief nur noch adressieren. Dann wäre alles abgemacht.

    Und Danglars schrieb die Adresse.

    Ja, alles wäre abgemacht, rief Caderousse, der mit einer letzten Anstrengung seines Geistes dem Vorlesen gefolgt war und noch dunkel begriff, was für unselige Folgen eine solche Anzeige nach sich ziehen könnte. Ja, alles wäre abgemacht; aber das Ganze wäre eine Schändlichkeit. Und er streckte den Arm aus, um den Brief zu nehmen. Danglars aber stieß das Papier beiseite und erwiderte: Was ich sage und hier mache, geschieht doch nur im Scherz, und es würde mir vor allem leid tun, wenn Dantes, dem guten Dantes etwas widerführe. Seht selbst . . . und er zerknitterte den Brief und warf ihn in eine Ecke der Laube.

    So ist es gut, sagte Caderousse, Dantes ist mein Freund, und ich will nicht, daß man ihm Böses zufüge.

    Wer zum Teufel denkt daran, ihm Böses zuzufügen? Ich nicht, Fernand auch nicht, sagte Danglars, stand auf und sah dabei den jungen Mann an, der sitzen geblieben war, aber beständig nach dem in die Ecke geworfenen verräterischen Papier schielte.

    Dann Wein her, sagte Caderousse. Ich will auf die Gesundheit von Edmond und der schönen Mercedes trinken.

    Nein, für heute haben wir genug, es ist Zeit, nach Hause zu kommen. Gib mir den Arm und laß uns gehen, sagte Danglars und zog Caderousse in der Richtung von Marseille mit sich fort.

    Als er aber zwanzig Schritte gemacht hatte, wandte er sich um und sah, daß sich Fernand auf das Papier stürzte, es sogleich in die Tasche steckte und sich dann eiligst aus der Laube entfernte.

    Gut, gut, murmelte Danglars, die Sache ist im Gange, und man darf ihr nur ihren Lauf lassen.

    Das Verlobungsmahl.

    Am andern Morgen erhob sich die Sonne rein und glänzend, und ihre purpurnen Strahlen übergossen wie mit Rubinen die schäumenden Spitzen der Meereswellen.

    Das Verlobungsmahl war im großen Saale des ersten Stockes der Reserve bereitet worden. In der Mitte der langen Tafel saß auf der einen Seite die reizende Mercedes, rechts von ihr im Sonntagsstaate der alte Dantes, während zu ihrer Linken ihr Vetter Fernand Platz genommen hatte. Ihnen gegenüber saß der Bräutigam, neben ihm Herr Morel, der das Verlobungsfest seines zukünftigen Kapitäns mit seiner Gegenwart beehrte.

    In ihrer Nähe befanden sich auch Danglars sowie Caderousse, den die Hoffnung auf ein gutes Mahl vollends mit Dantes ausgesöhnt hatte und in dessen Gedächtnis nur eine schwankende Erinnerung von dem geblieben war, was sich am Tage vorher zugetragen hatte.

    Außer diesen uns bekannten Gästen waren zahlreiche Freunde des Bräutigams, Seeleute und Soldaten, anwesend, die bereits anfingen, dem reichen Mahle zuzusprechen.

    Schon liefen um die Tafel Würste von Arles mit ihrem eigentümlichen, starken Geruche, Seekrebse mit blendender Schale, Prayres in rosafarbiger Muschel, Seeigel, die Kastanien glichen, und alle die Leckerbissen, welche die Wellen auf das sandige Ufer wälzen und die dankbaren Schiffer mit dem Namen Seefrüchte bezeichnen.

    Ein schönes Schweigen, sagte Dantes’ Vater, ein Glas Wein, gelb wie Topas, schlürfend. Sollte man glauben, es seien hier dreißig Personen, die sich frohe Zeit machen wollen?

    Ei, auch ein Bräutigam kann nicht immer heiter sein, erwiderte Caderousse.

    Es ist wahr, sagte Dantes, ich bin zu glücklich in diesem Augenblick, um heiter zu sein. Die Freude bringt zuweilen eine seltsame Wirkung hervor, sie drängt, wie der Schmerz, die laute Äußerung zurück. Es scheint mir, der Mensch ist nicht geschaffen, so leicht glücklich zu werden. Man muß kämpfen, um das Glück zu erobern, und ich weiß gar nicht, wodurch ich das Glück, Mercedes’ Gatte zu sein, verdient habe.

    Der Gatte, der Gatte, rief Caderousse lachend, noch nicht, mein Kapitän! Versuche es einmal, den Gatten zu spielen, und du wirst sehen, wie man dich aufnimmt!

    Mercedes errötete.

    Fernand quälte sich auf seinem Stuhle, bebte bei dem geringsten Geräusche und wischte sich jeden Augenblick große Schweißtropfen ab. Von Zeit zu Zeit schaute er nach Marseille zu, als ob er auf irgend etwas Besonderes wartete.

    Bei Gott, man braucht mich nicht Lügen zu strafen; Mercedes ist allerdings noch nicht meine Frau, sagte Dantes und zog seine Uhr. Aber in anderthalb Stunden wird sie es sein.

    Alle ließen Ausrufe des Erstaunens hören, nur Dantes Vater nicht, der durch ein breites Lachen seine noch schönen Zähne zeigte. Mercedes lächelte und errötete nicht mehr. Fernand faßte krampfhaft nach dem Hefte seines Messers.

    Ja, meine Freunde, fuhr Dantes fort, dank dem Eintreten des Herrn Morel, des Mannes, dem ich nach meinem Vater am meisten auf dieser Welt zu verdanken habe, sind alle Schwierigkeiten beseitigt. Alle Förmlichkeiten sind erfüllt, und um halb drei Uhr erwartet uns der Maire von Marseille auf dem Rathause.

    Fernand schloß die Augen; eine feurige Wolke brannte auf seinen Augenlidern; er stützte sich auf den Tisch und konnte sich eines dumpfen Seufzers nicht erwehren, der sich in dem Geräusche des Gelächters und der Glückwünsche der Versammlung verlor.

    Das lass’ ich mir gefallen, sagte der alte Dantes. Gestern morgen hier angekommen, heute um drei Uhr geheiratet! Die Seeleute segeln rasch in den Hafen.

    Aber die sonstigen Förmlichkeiten? wandte Danglars ein, der Vertrag, die schriftlichen Erklärungen?

    Der Vertrag? entgegnete Dantes lachend, der Vertrag ist fertig. Mercedes hat nichts, ich habe auch nichts. Da bedurfte es keines langen Schreibens und kostet auch nicht so viel . . . Dieser Scherz veranlaßte einen Ausbruch der Freude und des Beifalls.

    Was wir für ein Verlobungsmahl hielten, ist also ein Hochzeitsmahl, sagte Danglars.

    Nein, erwiderte Dantes, seid unbesorgt! Ihr sollt nichts dabei verlieren. Morgen früh reise ich nach Paris. Vier Tage hin, vier Tage her und einen Tag, um gewissenhaft meinen Auftrag zu vollziehen. Am ersten März bin ich dann zurück, und am zweiten findet das wahre Hochzeitsmahl statt.

    Die Aussicht auf einen neuen Schmaus verdoppelte die Heiterkeit dergestalt, daß der Greis, der sich anfangs über die Stille beklagt hatte, mitten unter dem allgemeinen Gespräche vergebliche Versuche machte, seinen Glückwunsch für das zukünftige Ehepaar anzubringen. Es herrschte um die Tafel die geräuschvolle, ungebundene Heiterkeit, die bei Leuten aus dem Arbeiterstande das Ende des Mahles zu bezeichnen pflegt. Alle sprachen zu gleicher Zeit, und niemand antwortete auf das, was man ihm sagte, sondern jeder beschäftigte sich nur mit seinen eigenen Gedanken.

    Fernands Blässe schien auf Danglars’ Wangen übergegangen und Fernand selbst wie ein Verdammter im Fegefeuer zu sein. Er stand zuerst auf, ging im Saal umher und bemühte sich, sein Ohr von dem Klang der Lieder und des Zusammenstoßens der Gläser abzuwenden. Caderousse näherte sich ihm in dem Augenblicke, wo Danglars ihn in einer Ecke des Saales aufsuchte.

    In der Tat, sagte Caderousse, dem Dantes’ freundliches Wesen und besonders der gute Wein des Vaters Pamphile den ganzen Rest des Hasses und Neides gegen den jungen Seemann fortgeschwemmt hatten, in der Tat, Dantes ist ein vortrefflicher Bursche, und wenn ich ihn neben seiner Braut sitzen sehe, sage ich mir, es wäre schade gewesen, wenn man ihm den schlechten Streich gespielt hätte, den ihr gestern miteinander verabredet habt.

    Du hast auch gesehen, erwiderte Danglars, daß ich die Sache vereitelt habe. Fernand war anfangs so verzweifelt, daß er mir bange machte; aber von dem Augenblicke an, wo er sich dazu entschloß, als erster Brautführer bei der Hochzeit seines Nebenbuhlers aufzutreten, war nichts mehr zu sagen.

    Caderousse schaute Fernand an, der leichenblaß war.

    Gehen wir, sagte jetzt Mercedes mit sanfter Stimme, es ist zwei Uhr, und man erwartet uns um halb drei.

    Laßt uns gehen! riefen alle Gäste im Chor. In demselben Augenblick sah Danglars, wie Fernand, der auf dem Fenstersimse saß, plötzlich seine verstörten Augen weit aufriß, mit einer krampfhaften Bewegung sich erhob und dann wieder auf den Sims zurückfiel. Fast gleichzeitig vernahm man ein dumpfes Geräusch auf der Treppe. Dieses Geräusch schwerer Tritte und der verworrene Lärm von Stimmen, vermischt mit dem Klirren von Waffen, übertönten das Gespräch der Gäste und erregten die allgemeine Aufmerksamkeit, die sich durch ein auffälliges Stillschweigen kundgab. Der Lärm näherte sich, drei Schläge ertönten an der Tür, jeder schaute seinen Nachbar mit erstaunter Miene an.

    Im Namen des Gesetzes! rief eine scharfe Stimme, der niemand antwortete. Sogleich öffnete sich die Tür, und ein Kommissar mit seiner Schärpe, dem vier bewaffnete Soldaten unter

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