NIMBY
NIMBY steht als englischsprachiges Akronym für not in my backyard (zu deutsch wörtlich: „nicht in meinem Hinterhof“, im Sinne von „nicht in meiner Nachbarschaft“). Der Ausdruck Nimby hat als Eigenbegriff Eingang in die deutsche Sprache gefunden.[1][2][3] Der Begriff erschien erstmals im englischsprachigen Raum um 1980.[4] Der entsprechende deutsche Ausdruck lautet Sankt-Florians-Prinzip.
Der Ausdruck wird – meist in abwertender Weise – für Situationen oder Prinzipien verwendet, bei denen Teile der Bevölkerung bestimmte überregional bedeutsame Infrastruktur zwar grundsätzlich befürworten und oft auch selbst nutzen wollen, aber deren Errichtung in der Nähe des eigenen Wohnorts abgelehnt wird, weil die Personen selbst lokal Nachteile empfinden. Dabei wird nicht nach einer für die Bevölkerungsgesamtheit optimalen Lösung gestrebt, sondern lediglich einseitig versucht, die Nachteile für sich selbst zu verhindern und auf andere Bevölkerungsgruppen abzuwälzen, was Verwendern des Begriffs unredlich erscheint.
Teilweise wird der Begriff NIMBY auch auf die jeweilig danach handelnden Personen oder Personengruppen bezogen (jemand, der die NIMBY-Position vertritt, ist ein NIMBY; das NIMBY-Regime als eine Herrschaftsform, in der die NIMBY-Position der machthabenden Gruppen durchgesetzt wird). Es kann dabei mitunter auch als argumentum ad hominem verwendet werden. NIMBY-Verhalten wird im deutschsprachigen Raum seit 2010 teilweise mit dem (ebenfalls abwertend gemeinten) Begriff der Wutbürger in Verbindung gebracht oder sogar gleichgesetzt, wenn Bürgerproteste vorrangig lokal geprägt sind.
Seit den 2010er Jahren formiert sich eine selbsternannte YIMBY-Bewegung (yes in my backyard, zu deutsch wörtlich: „ja, in meinem Hinterhof“) die sich ausdrücklich als Gegenbewegung zu NIMBY versteht und sich für Infrastrukturentwicklung sowie Nachverdichtungsvorhaben einsetzt.
Beispiele für die Verwendung von NIMBY
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der aus den USA stammende Begriff bezeichnet insbesondere eine unterstellte Geisteshaltung von Personen, welche die Vorteile moderner Technologie zwar nutzen, im eigenen Umfeld aber keine Nachteile in Kauf nehmen wollen (vgl. Trittbrettfahrerproblem). Diese Nachteile versuchen NIMBYs auf andere Mitglieder der Gesellschaft abzuwälzen, was sie in vielen Fällen auch schaffen, wenn sie sich stark genug Gehör verschaffen können. Dass der NIMBY-Effekt jedoch keineswegs automatisch eintritt, zeigen verschiedene europäische Umfragen zur Errichtung von Windparks zur Windenergienutzung.[5]
Als typisches Beispiel von NIMBY wird oftmals ein sogenannter NIMBY-Lobbyismus angeführt, bei dem finanzkräftige Gruppen sich gegen ein Vorhaben starkmachten, um vorrangig ihr Eigentum oder ökonomische Interessen zu schützen (Eigenheimbesitzer, Eigentümer von Geschäften, am Tourismus Beteiligte usw.). Besonders häufig wird in Deutschland NIMBY in Verbindung mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien und des Ausbaus der Stromnetzes gebracht. Auch der Müllexport, die Ausbildung ethnischer Ghettos oder die Schaffung von großen, abgelegenen Flüchtlingseinrichtungen seien auf diese Haltung zurückzuführen.
Überwiegend wird das Argument NIMBY im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb von Infrastruktur vorgebracht, beispielsweise bei Kraftwerken aller Art (auch Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen), Hochspannungsleitungen, Verkehrsinfrastruktur (Straßen, Brücken, Eisenbahnstrecken, Kanäle, Flughäfen), Unterkünften für marginalisierte Gruppen (Flüchtlingsunterkünfte, Obdachlosenheime, Gefängnisse), Großtechnischen Anlagen (Fabriken, Klärwerke, Anlagen zur Entsorgung oder Lagerung von (radioaktiven) Abfällen) sowie Mobilfunkstationen.
Verwandte Akronyme
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die breite Rezeption der Abkürzung NIMBY hat zur Bildung einer Reihe weiterer, nicht ganz ernst gemeinter Abkürzungen zur Beschreibung verschiedener Widerstandsphänomene angeregt, so zum Beispiel:
Bei Anwohnern und Aktivisten:
- LULU – Locally unpopular land use – Lokal unbeliebte Landnutzung
- PITBY – Put it in their back yard – Baut es in deren Hinterhof
- NIMFYE – Not in my front yard either – Auch nicht vor meiner Haustür
- NIMFOS – Not in my field of sight – Nicht in meinem Sichtbereich
- QUIMBY – Quit urbanizing in my back yard – Hört auf mit der Verstädterung in meiner Gegend
- GOOMBA – Get out of my business area – Raus aus meiner Gegend
- GOMER – Get out (of) my emergency room
Bei Politikern:
- NIMD – Not in my district – Nicht in meinem Landkreis/Wahlkreis
- NIMTOO – Not in my term of office – Nicht während meiner Amtszeit
- NIMEY – Not in my election year – Nicht in meinem Wahljahr
- WIIFM – What’s in it for me? – Was ist für mich drin?
Bezeichnung allgemeinen Widerstands:
- NOPE – Not on planet earth – Nicht auf diesem Planeten
- NIABY – Not in anybody’s back yard – In niemandes Hinterhof
- BANANA – Build absolutely nothing anywhere near anybody – Baut gar nichts irgendwo in der Nähe von irgendwem
- CAVE – Citizens against virtually everything – Bürger gegen eigentlich alles
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Felix Butzlaff, Christoph Hoeft, Julia Kopp: „Wir lassen nicht mehr alles mit uns machen!“ Bürgerproteste an und um den öffentlichen Raum, Infrastruktur und Stadtentwicklung. In: Franz Walter u. a.: Die neue Macht der Bürger. Was motiviert die Protestbewegungen? Reinbek 2013, S. 48–93.
- Herbert Inhaber: Slaying the NIMBY dragon. Transaction, New Brunswick, NJ / London 1998
- Stine Marg, Christoph Hermann, Verena Hambauer, Ana Belle Becké: „Wenn man was für die Natur machen will, stellt man da keine Masten hin“ Bürgerproteste gegen Bauprojekte im Zuge der Energiewende. In: Franz Walter u. a.: Die neue Macht der Bürger: Was motiviert die Protestbewegungen? Reinbek 2013, S. 94–138.
- Gregory E. McAvoy: Controlling technology: Citizen rationality and the NIMBY syndrome. Georgetown University Press, Washington 1999
- P. Michael Saint, Robert J. Flavell, Patrick F. Fox: NIMBY wars: the politics of land use. Saint University Press, Hingham, Mass. 2009.
- Rainer Stempkowski, Hans Georg Jodl, Andreas Kovar: Projektmarketing im Bauwesen. Strategisches Umfeldmanagement zur Realisierung von Bauprojekten. Manz, Wien 2003.
- Michael C. Thomsett: NIMBYism: Navigating the politics of local opposition. CenterLine, Arlington, 2004.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Gilbert Garcia: The NIMBY psychology. In: bigplanet.com. 12. Oktober 2000, archiviert vom am 17. September 2002 (englisch).
- Ric Stephens: From NIMBYs To DUDEs: The Wacky World Of Plannerese. In: planetizen.com. 26. Juli 2005 (englisch).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Henning Krumrey: Das Nimby-Syndrom. In: WirtschaftsWoche.de. 3. März 2010, abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Christian Stöcker: Sei kein Nimby, sei ein Nomp. In: SPIEGEL Wissenschaft. 3. März 2010, abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Martin Maciej: Was ist ein „NIMBY“ und was ist „Nimbyism“? In: Giga.de. 3. März 2010, abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ NIMBY: Did you know? Word Origin. In: One-Word-A-Day. Archiviert vom am 10. Februar 2008; abgerufen am 7. Oktober 2021.
- ↑ z. B. FORSA-Umfrage Verbraucherinteressen in der Energiewende. Ergebnisse einer repräsentativen Befragung im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands, 8/2013