Behaim-Globus
Der Behaim-Globus, auch Martin Behaims Erdapfel genannt, ist der älteste erhaltene Erdglobus der Welt. Er hat einen Durchmesser von 51 cm und wurde ca. 1492–1493 im Auftrag des Nürnberger Rates von verschiedenen Handwerkern unter der Anleitung Martin Behaims gefertigt. Der Globus wird heute in Nürnberg im Germanischen Nationalmuseum ausgestellt. Er ist eines der letzten kartographischen Werke, die die damals in Europa bekannte Welt vor der sogenannten Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus im Jahr 1492 darstellen.
Entstehung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Auftrag des Nürnberger Rates
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Behaim erhielt 1492 auf eigene Initiative hin vom Nürnberger Rat den Auftrag, einen Globus anzufertigen, der die damalige, bekannte Welt abbilden sollte. Dies geht sowohl aus einer Abrechnung des Rates als auch aus einer Widmungsinschrift am Südpol des Globus’ hervor.[2][3]
Die Beweggründe Behaims, die zur Fertigung des Globus’ führten, können nur erahnt werden. Es wird davon ausgegangen, dass der Seefahrer und Handelskaufmann versuchte, den Nürnberger Kaufleuten die Idee einer Schiffsexpedition zur Suche eines Seewegs nach Indien über einen Westweg näher zu bringen oder sie allgemein für den Seehandel zu begeistern. Der Globus sollte diese Ideen durch seine dreidimensionale Form „greifbar“ machen.[4] Darüber hinaus waren auf dem Globus die Herkunftsorte verschiedenster Rohstoff- und Gewürzvorkommen verzeichnet.[5]
Handwerker
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Abrechnung des Ratsherrn Georg Holzschuher vom 26. August 1494 werden folgende Personen als Handwerker des Behaim-Globus genannt:
- Ein Mitglied der Familie Glockengiesser, vermutlich Hans Glockengiesser III.
- Hans Storch, eingetragen unter dem Namen Starch
- Ruprecht Kolberger
- Georg Glockendon
- Petrus Gagenhart
Hans Glockengiesser lieferte als gelernter Metall- und Glockengießer eine gebrannte Lehmkugel, die als Formstück für den Globus diente. Ruprecht Kolberger, von Beruf Rechenmeister, fertigte den Körper des Globus’ an, den der Buchmaler und Illuminist Georg Glockendon bemalte und der vermutlich vom Schreiber Petrus Gagenhart beschriftet wurde. Der Maler Hans Storch wird laut der Abrechnung für das Bemalen zweier Holztafeln entlohnt. Ob und in welchem Zusammenhang diese Tafeln mit dem Globus stehen, ist unbekannt, da die Tafeln nicht erhalten sind. Darüber hinaus lieferte ein unbekannter Schlosser zwei eiserne Reifen, die der Befestigung des Globus’ dienten, während ein unbekannter Schreiner einen hölzernen Standfuß für den Globus anfertigte.[2]
Herstellung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Globus wurde im Laufe seiner Geschichte mehrmals untersucht und seine Herstellungstechnik auf unterschiedlichste Arten wiedergegeben. Erst eine technische Untersuchung und Radiographie des Globus’ im Jahr 1977 lieferte gesicherte Erkenntnisse.[6]
Über die von Hans Glockengiesser gelieferte Lehmkugel zog Ruprecht Kohlberger vier Lagen aus Leinen, die er allesamt verleimte. Nachdem der Leim getrocknet war und sich der Stoff um die Lehmkugel gespannt hatte, wurde die feste Leinenhülle entlang des späteren Äquators aufgeschnitten. Man entnahm die Lehmkugel, nähte je eine Schicht Leinwand inwendig an beiden sphärischen Hälften der Kugelschale und fügte zwei Holzreifen an den beiden Hemisphären in Höhe des Äquatorschnitts ein, um wieder die Kugelform zu erhalten. Nach dem Zusammensetzen der Globushälften überzog Kohlberger die Kugel mit insgesamt acht Pergamentstücken (zwei Polkalotten und sechs Segmente), die miteinander vernäht wurden. Auf diese Pergamentschicht folgte eine Schicht aus Papier, die wiederum mit Leim überzogen wurde. Auf diese Schicht malte Georg Glockendon dann nach den Karten und Vorgaben Behaims die damals bekannten Regionen der Welt.[7] Im Jahre 1510 wurde der hölzerne Standfuß durch ein gusseisernes Gestell ersetzt, das noch heute erhalten ist.[3]
Quellen für den Erdapfel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Behaim nutzte für die Erstellung des Weltbildes unterschiedliche Quellen, die er zum Teil auch in den Inschriften auf dem Globus preisgab.
Antike und mittelalterliche Quellen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Behaims Hauptquelle war die Geographike Hyphegesis des Claudius Ptolemäus von Alexandria, welche zu Zeiten Behaims ein Standardwerk im Bereich der Geographie und Kartographie war. Der Einfluss des Werkes ist vor allem in den Maßen der Kontinente auf dem Globus zu sehen. Über Ptolemäus hinaus benennt Behaim noch die Naturalis historia Plinius des Älteren und die Geographie des Strabon, die vor allem für die Inselwelt des Indischen Ozeans die Hauptquelle waren.[8]
An mittelalterlichen Quellen verwendete Behaim die Reiseberichte von Marco Polo und die fiktiven Berichte von Jehan de Mandeville, die damals noch als echt angesehen wurden. Sie standen vor allem für die Länder, die den antiken Autoren noch unbekannt waren, Pate.[8] An der Herstellung des Globus’ wirkte offenbar auch Hartmann Schedel mit, der in ein Buch mit zwei geographischen Werken des Pomponius Mela und Dionysius Periegetes aus seiner Bibliothek einen handschriftlichen Bericht über die Herstellung des Globus’ eintrug.[9]
Behaims Reisen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einen bedeutenden Beitrag zur Kartographie des Globus’ leistete Martin Behaim selbst, wenngleich dieser Beitrag auch sehr umstritten ist. In Inschriften entlang der Westküste Afrikas auf dem Globus berichtet Behaim von seiner Teilnahme an einer Reise des portugiesischen Seefahrers Diogo Cão in den Jahren 1484 und 1485. In der Schedel’schen Weltchronik von Hartmann Schedel aus dem Jahr 1493 ist allerdings die Rede von einer Fahrt im Jahre 1483.[10] Diese Angabe kann jedoch nicht stimmen, da aus erhaltenen Briefen Behaims hervorgeht, dass der gelernte Tuchhändler 1483 eine Messe in Bergen op Zoom besuchte und er im Jahr 1484 einen Brief aus Antwerpen absendete. So scheidet eine Teilnahme Behaims an der ersten von Cãos zwei Fahrten nach Afrika aus, da diese von 1482 bis 1483/1484 dauerte.[11] So käme also nur die zweite Fahrt zeitlich in Frage. Aus der Schedel’schen Weltchronik geht hervor, dass Behaim neben Cão Befehlshaber auf jener Fahrt gewesen sein soll. Jedoch ist auf keiner der steinernen Markierungssäulen, die Cão an markanten Punkten der Küste aufstellen ließ, der Name Behaim verzeichnet, obwohl andere Reisebegleiter namentlich genannt werden. Dies scheint für den hohen Rang, den Behaim auf der Fahrt innegehabt haben soll, sehr ungewöhnlich und spricht viel mehr dafür, dass Behaim an keiner Reise Diogo Cãos teilgenommen hat, sondern auf einer anderen Reise portugiesischer Seefahrer mitgesegelt war, die Cãos Route entlang der Westküste folgte.[12]
Die Erfahrungen auf dieser Fahrt könnten durchaus in das kartographische Bild des Globus’ mit eingeflossen sein, sei es durch persönliche Berichte oder durch erworbene Seekarten. Genaue Aussagen zu Behaims Reisen können jedoch nicht getroffen werden.
Kartographischer Wert
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die geographische Genauigkeit des Globus schwankt von Kontinent zu Kontinent und hängt stark von den verwendeten Quellen ab. Da man sich für den Erdumfang auf Ptolemäus berief, übernahm man so automatisch die falsche Berechnung des Erdumfanges des Poseidonios und nicht die richtige des Eratosthenes. Dies führt dazu, dass z. B. das Mittelmeer im Verhältnis zur Erdkugel zu lang, die Kontinente Europa und Asien zu groß geraten sind. Dafür ist der Atlantische Ozean zu klein dargestellt. So war eine nachträgliche Einfügung des neuentdeckten Amerikas von vornherein nicht möglich.[13]
Bei den Kontinenten selbst ist Europa mitsamt dem Mittelmeer am akkuratesten wiedergegeben. Afrika ist vor allem an der Nord- und Westküste sehr detailgetreu abgebildet, was entweder auf die Mitreise Behaims an Bord eines portugiesischen Schiffes oder auf den Erwerb einer portugiesischen Seekarte durch Behaim hindeutet. Die Ostküste hingegen ist nur sehr ungenau dargestellt. Je weiter man sich nach Osten begibt, umso verzerrter wird das Bild. Der indische Subkontinent ist kaum als solcher erkennbar und darüber hinaus sind zahlreiche Phantominseln eingezeichnet, deren Existenz widerlegt wurde.[13]
Digitalisierung des Globus
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Globus wurde bisher zweimal digitalisiert. Das erste Mal erfolgte anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Fertigstellung des Globus im Jahr 1992 durch das Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung an der Technischen Universität Wien.[14] 2011 erfolgte eine neue Digitalisierung des Globus durch das Germanische Nationalmuseum.[15] Anlässlich der Ernennung zum UNESCO-Weltdokumentenerbe veröffentlichte das Germanische Nationalmuseum die digitale Anwendung Globus_1492, die das Lesen der Inschriften ermöglicht und zahlreiche Hintergrundinformation zum kulturhistorischen Kontext gibt.[16]
Weltdokumentenerbe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Jahr 2023 nahm die UNESCO den Globus in die Liste des Weltdokumentenerbes auf.[17]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Peter J. Bräunlein: Martin Behaim. Legende und Wirklichkeit eines berühmten Nürnbergers. Bamberg 1992.
- Bernd Hering: Die Herstellungstechnik des Behaim-Globus: Neue Ergebnisse. In: Focus Behaim Globus, Teil 1: Aufsätze. Nürnberg 1992, S. 289–300.
- Renate Hilsenbeck: Mittelalterliche Weltkunde und Behaim-Globus. In: Focus Behaim Globus, Teil 1: Aufsätze, Nürnberg 1992, S. 223–238.
- Ulrich Knefelkamp: Der Behaim-Globus und die Kartographie seiner Zeit. In: Focus Behaim Globus, Teil 1: Aufsätze, Nürnberg 1992, S. 217–222.
- Johannes Willers: Die Geschichte des Behaim-Globus. In: Johannes Willers (Hrsg.): Focus Behaim Globus, Ausstellungskatalog Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Teil 1: Aufsätze, Nürnberg 1992, S. 209–216.
- Reinhard Jakob: Wer war Martin Behaim? Auf den Spuren seines Lebens. In: Norica. Berichte und Themen aus dem Stadtarchiv Nürnberg, Ausgabe 3/2007, Nürnberg 2007, S. 32–47.
- Ursula Timann: Die Handwerker des Behaim-Globus. In: Norica. Berichte und Themen aus dem Stadtarchiv Nürnberg, Ausgabe 3/2007, Nürnberg 2007, S. 32–47.
- Thomas Eser: Gewürze auf dem Behaim-Globus. Venture-Capital-Akquise um 1500. In: Frank Holl (Hrsg.): Gewürze – Sinnlicher Genuss. Lebendige Geschichte. Begleitbuch zur Sonderausstellung. Ausstellungszentrum Lokschuppen Rosenheim, Rosenheim 2010, S. 134–145.
- Daniel Hess und Dagmar Hirschfelder (Hrsg.): Renaissance. Barock. Aufklärung. Kunst und Kultur vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Nürnberg 2010, S. 33–38.[18]
- Daniel Hess: Behaim-Globus. Global seit 1492.Blogartikel, Germanisches Nationalmuseum, 17. April 2020.
- Daniel Hess: Museale Sammlungen unter neuen Perspektiven. Vom Germanischen zu einem europäischen Museum. In: Michael Farrenkopf/Aikaterini Filippidou/Torsten Meyer/Stefan Przigoda/Achim Saupe/Tobias Schade (Hrsg.): Alte Dinge – Neue Werte. Musealisierung und Inwertsetzung von Objekten. Reihe: Wert der Vergangenheit, Bd. 6. Göttingen 2022, S. 37–53, bes. S. 44–53.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Behaim-Globus. In: GNM.de
- Behaim-Globus. In: GNM.de (Objektkatalog)
- Behaim-Globus. In: Forschungsportal zwischen der FAU Erlangen-Nürnberg und dem GNM
- UNESCO-Weltdokumentenerbe Behaim-Globus. In: UNESCO.de
- Ulrich Knefelkamp: Globus des Martin Behaim. In: Historisches Lexikon Bayerns. 5. März 2012
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Erdglobus, sogenannter Behaim-Globus (WI1826) | Objektkatalog. Abgerufen am 22. Mai 2023.
- ↑ a b Ursula Timann: Die Handwerker des Behaim-Globus. In: Norica. Berichte und Themen aus dem Stadtarchiv Nürnberg, Ausgabe 3/2007, Nürnberg 2007, S. 59–64.
- ↑ a b Johannes Willers: Die Geschichte des Behaim-Globus. In: Focus Behaim Globus, Teil 1: Aufsätze. Nürnberg 1992, S. 209.
- ↑ Reinhard Jakob: Wer war Martin Behaim? Auf den Spuren seines Lebens. In: Norica. Berichte und Themen aus dem Stadtarchiv Nürnberg, Ausgabe 3/2007, Nürnberg 2007, S. 42.
- ↑ Renate Hilsenbeck: Mittelalterliche Weltkunde und Behaim-Globus. In: Focus Behaim Globus, Teil 1: Aufsätze. Nürnberg 1992, S. 236.
- ↑ Bernd Hering: Die Herstellungstechnik des Behaim-Globus: Neue Ergebnisse. In: Focus Behaim Globus, Teil 1: Aufsätze, Nürnberg 1992, S. 289 f.
- ↑ Bernd Hering: Die Herstellungstechnik des Behaim-Globus: Neue Ergebnisse. In: Focus Behaim Globus, Teil 1: Aufsätze. Nürnberg 1992, S. 296 f.
- ↑ a b Renate Hilsenbeck: Mittelalterliche Weltkunde und Behaim-Globus. In: Focus Behaim Globus, Teil 1: Aufsätze. Nürnberg 1992, S. 225.
- ↑ Pomponius Mela: Cosmographia de situ orbis. Venedig, 1478. (Digitalisat )
- ↑ Peter J. Bräunlein: Martin Behaim. Legende und Wirklichkeit eines berühmten Nürnbergers. Bamberg 1992, S. 56 f.
- ↑ Peter J. Bräunlein: Martin Behaim. Legende und Wirklichkeit eines berühmten Nürnbergers. Bamberg 1992, S. 54 f.
- ↑ Peter J. Bräunlein: Martin Behaim. Legende und Wirklichkeit eines berühmten Nürnbergers. Bamberg 1992, S. 56–60.
- ↑ a b Renate Hilsenbeck: Mittelalterliche Weltkunde und Behaim-Globus. In: Focus Behaim Globus, Teil 1: Aufsätze. Nürnberg 1992, S. 226–236.
- ↑ Lionel Dorffner: Der digitale Behaim-Globus – Visualisierung und Vermessung des historisch wertvollen Originals. In: Cartographica Helvetica 14/1996.
- ↑ Germanisches Nationalmuseum: Digitalisierung Behaim Globus | GERMANISCHES NATIONALMUSEUM. Abgerufen am 22. Mai 2023.
- ↑ https://globus1492.gnm.de/
- ↑ UNESCO-Weltdokumentenerbe Behaim-Globus. In: UNESCO.de. Abgerufen am 5. Juni 2023.
- ↑ Open-Access Renaissance. Barock. Aufklärung. Kunst und Kultur vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, Germanisches Nationalmuseum/Universität Heidelberg, Nürnberg 2010.