Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus in Wien-Liesing

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Freiheitskämpfer-Denkmal)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Freiheitskämpferdenkmal am Friedhof Atzgersdorf, 1954

Die Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus in Wien-Liesing sind Denkmäler, Gedenktafeln und -steine sowie Straßennamen im 23. Wiener Gemeindebezirk Liesing, die an Widerstandskämpfer und andere Opfer des Nationalsozialismus erinnern.

Dieser Artikel beschränkt sich auf das Gebiet des heutigen 23. Wiener Gemeindebezirks. Die Auflistung der folgenden Gedenkstätten erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Denkmäler und Gedenktafeln

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Liesing erinnern zumindest vier Denkmäler und zwei Gedenktafeln an Opfer des Nationalsozialismus:

  • Zu einem unbekannten Zeitpunkt nach 1945 wurde der vom NS-Regime geköpften Widerstandskämpferin Therese Klostermann (1913–1944) ein Denkmal am Anton-Heger-Platz in Liesing gesetzt. Auf diesem Denkmal wird ihr Vorname als Theresia geführt. Wer den Stein gestaltet hat, ist nicht bekannt.[1]
  • 1950 wurde zu Ehren zweier Mitglieder der antifaschistischen Widerstandsgruppe in der Akkumulatorenfabrik Varta (heute ÖFA-Akkumulatoren GmbH), die im Landesgericht Wien enthauptet wurden, ein Denkmal errichtet. Es ist Viktor Mrnustik (1902–1943) und Franz Heindl (1906–1944) gewidmet, trägt die Inschrift Niemals vergessen und zeigt zwei großformatige Porträts der Widerstandskämpfer. Das Denkmal befand sich einige Jahrzehnte in der Siebenhirtenstraße 12 in Liesing, rechts nach der Fabrikseinfahrt, und war nicht öffentlich zugänglich.[2] Nach dem Abriss des alten Fabrikgeländes wurde das Denkmal vor dem Eingang des Liesinger Friedhofes an der Siebenhirtenstraße neu aufgestellt, wo er nunmehr öffentlich zugänglich ist.
  • In der Volksschule Atzgersdorf erinnert seit 2002 eine Gedenktafel an Hedy Blum (1931–1942), die diese Schule nur wenige Wochen besuchen durfte. Im November 1938 wurde sie wegen ihrer jüdischen Herkunft der Schule verwiesen. Im August 1942 wurde die noch nicht Elfjährige gemeinsam mit ihrer Mutter in das Vernichtungslager Maly Trostinez deportiert und dort ermordet.

Ein Denkmal und eine Gedenktafel übersiedelten gemeinsam mit den Betriebsstätten, an denen sie aufgestellt bzw. angebracht waren, nach Liesing:

  • Neun Arbeiter der Österreichischen Automobil-Fabrik (damals: Austro-Fiat) in der Carlbergergasse 40–42, die sich im Widerstand engagierten, wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Ein nicht öffentlich zugängliches Denkmal, das von Leopold Grausam, sen. gestaltet wurde, erinnert an sie. Es wurde 1949 auf dem damaligen Werksgelände in Floridsdorf an der Brünner Straße 72 aufgestellt und 1988 nach der Übersiedlung der MAN-Nutzfahrzeuge nach Liesing in die Carlbergergasse transferiert.
  • Ebenfalls von Leopold Grausam sen. gestaltet wurde 1963 eine Gedenktafel für die Buchdrucker und Widerstandskämpfer Alois Hudec, Gustav Kiesel und Wilhelm Weixlbraun, die alle 1943 vom NS-Regime hingerichtet worden waren. Die Gedenkstätte übersiedelte aus der alten Staatsdruckerei am Rennweg in Wien-Landstraße in ein neues Betriebsgebäude in Wien-Liesing. An der Renovierung der Gedenktafel in den Jahren 2005 und 2006 war der Sohn des Künstlers, Leopold Grausam, jun., beteiligt.[6]

Benennung von Verkehrsflächen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach 1945 wurde eine Reihe öffentlicher Verkehrsflächen in Liesing nach Widerstandskämpfern und anderen Opfern des Nationalsozialismus umbenannt bzw. neu benannt, weiters auch nach Menschen, die von den Nationalsozialisten in die Emigration gezwungen oder mit Berufsverbot belegt wurden. Der Beschluss für Um- oder Neubenennung einer Gasse oder Straße erfolgt in Wien durch den Gemeinderatsausschuss für Kultur.

Straßenname benannt nach Datum Früherer Name
Alma-König-Weg Alma Johanna Koenig (1887–1942), Lyrikerin 14. Februar 1977
Amstergasse Samuel Amster (1867–1942), Kaufmann 18. Dezember 1967
Bertha-Neumann-Park Bertha Neumann (1893–1944), Staatswissenschaftlerin 6. November 2017
Brüder-Heindl-Gasse Franz Heindl (1906–1944), Hilfsarbeiter
Michael Heindl (1901–1944), Eisenbahner
15. Februar 1949 Sudetendeutschengasse
Drillgasse Wilhelm Drill (1873–1942), Arzt 1954 Türkengasse
Dr.-Neumann-Gasse Karl Neumann (1890–1944), Arzt und Zahnarzt 15. Februar 1949 Badhausgasse
Dr.-Rudolf-Hatschek-Park Rudolf Hatschek (1874–1939), Arzt 19. Mai 1954
Goldhammergasse Alfred Goldhammer (1907–1942), Lederarbeiter 6. Mai 1947[7]
Johann-Teufel-Gasse Johann Teufel (1896–1943), Tischler 7. November 1956[8] Teil der Liesingstraße
Kanitzgasse Otto Felix Kanitz (1894–1940), Installateur, Pädagoge, Journalist und Politiker 23. April 1966
Klingerstraße Julius Klinger (1876–1942), Maler und Grafiker 7. Oktober 1982
Klostermanngasse Therese Klostermann (1913–1944), Arbeiterin 7. Dezember 1955 Rittergasse
Kripsgasse Josef Krips (1902–1974), Dirigent 11. März 1988
Kronfeldgasse Robert Kronfeld (1904–1948), Segelflugpionier 2. September 1959
Kunkegasse Hans Kunke (1906–1940), Versicherungsbeamter
Stefanie Kunke (1908–1943), Lehrerin
19. Mai 1954 Mackgasse
Schmiedeckgasse Otto Schmiedeck (1876–1954), Angestellter 2. Oktober 1957 Lammgasse
Stipcakgasse Leopold Stípčak (1909–1944), Tischlergehilfe 19. Juni 1954 Feldweg
Zemlinskygasse Alexander von Zemlinsky (1871–1942), Komponist 2. Oktober 1957 Josef-Weber-Straße

Zwei Gassen, die Fröhlichgasse und die Lehmanngasse, wurden nach Widerstandskämpfern gegen den Austrofaschismus benannt, beide sind bereits 1934 erschossen worden und beider Namen sind auf dem Atzgersdorfer Freiheitskämpferdenkmal (siehe oben) eingraviert. Es wurde im Jahr 1967 allerdings auch die Meierhofgasse nach der Schriftstellerin Maria Grengg (1889–1963) umbenannt, die eine beliebte deutschnationale Autorin in der Zeit des Nationalsozialismus war; sie verfasste Heimatromane und illustrierte Kinderbücher.

Steine der Erinnerung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im September 2013 wurde der Verein Steine der Erinnerung in Liesing für die Opfer des Holocaust und des nationalsozialistischen Terrors gegründet, das fünfte Gedenksteinprojekt für die Opfer des NS-Regimes in Wien. Vereinsziel ist das Gedenken der Opfer des Holocaust und des nationalsozialistischen Terrors. Die Erinnerung soll an jenen Orten sichtbar werden, an denen die Menschen gelebt haben, die vom NS-Regime vertrieben, deportiert oder ermordet wurden. Die Steine der Erinnerung sollen vor den Häusern, aus denen diese Menschen vertrieben wurden, verlegt werden. Das Konzept beruht im Wesentlichen auf Gunter Demnigs Stolpersteinen, der jedoch alle fünf Wiener Initiativen als Plagiate ablehnt. Die Verankerung des Projektes in der Bevölkerung durch Patenschaften, Spenden und aktive Teilnahme ist für den Verein von zentraler Bedeutung. Bislang wurden Gedenksteine für folgende Personen verlegt:

Commons: Gedenktafeln in Liesing – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. wien.at: Klostermann Theresia (+13.3.1944), Widerstandskämpferin – Denkmal, Kunstwerk im öffentlichen Raum (Memento vom 19. Juni 2015 im Internet Archive), abgerufen am 18. Juni 2015
  2. Antifaschistische Denkmäler und Gedenkstätten. In: dasrotewien.at – Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie. SPÖ Wien (Hrsg.), mit Abbildungen des Varta- und des Freiheitskämpfer-Denkmals, abgerufen am 16. Mai 2015
  3. Mehrere Quellen geben fälschlicherweise den „Bildhauer Pfitzner“ als Gestalter des Freiheitskämpfer-Denkmal an, darunter: Freiheitskämpferdenkmal im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien und Friedhöfe Wien, beide abgerufen am 19. Dezember 2016. Keinen Künstler gibt das Onlineprojekt Gefallenendenkmäler an: Wien-Atzgersdorf (Friedhof, Freiheitskämpfer), Österreich, abgerufen am 19. Dezember 2016.
  4. Liesing: Gedenktafel für Synagoge. auf www.wien.gv.at (Memento vom 21. Dezember 2016 im Internet Archive)
  5. Gedenktafel Synagoge Atzgersdorf. auf www.david.juden.at
  6. Camera Humana: Söhne des Weinviertels: Leopold F. Grausam, Deutsch-Wagram – Steine wider das Vergessen (Memento vom 21. Dezember 2016 im Internet Archive), 9. März 2013
  7. Am 10. Februar 1975 beschloss der Gemeinderatsausschuss für Kultur die Verlängerung dieser Gasse.
  8. Die Umbenennung erfolgte bereits 1949 in Teufelgasse, jedoch wurde die Widmung offenbar 1956 wegen besserer Erkennbarkeit des Widmungsträgers präzisiert, vgl. Johann-Teufel-Gasse im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien, Eintrag Johann-Teufel-Gasse, abgerufen am 5. Juni 2015