Geodaten zu dieser Seite vorhanden

Decknamen nationalsozialistischer Geheimobjekte

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Während des Zweiten Weltkrieges wurden kriegswichtige Bauvorhaben in der Regel mit Decknamen bezeichnet. Dies betraf sowohl oberirdische Bauten als auch unterirdische Verlagerungen. Viele der Objekte wurden nicht fertiggestellt. Vorwiegende Verwendung fanden dabei Tier- und Pflanzennamen sowie Vornamen. Schwerpunkte waren dabei das U-Verlagerungsprogramm des Jägerstabes (unterirdische Fertigung von Jagdflugzeugen, wie der Me 262), das A4-Programm (unterirdische Raketenproduktion) und das Geilenberg-Programm (unterirdische Verlagerung von Hydrierwerken).

Systematik der Decknamen beim RMfRuK (Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion):

Natürliche Höhlen Begriffe aus dem Münzwesen[1]
Alte Schachtanlagen Tiernamen aller Art
Alte Stollenanlagen Fisch- und Amphibiennamen
Neue Stollenanlagen Geologische Bezeichnungen
Ehemalige Bunkeranlagen Begriffe aus der Pflanzenkunde
Tiefe Keller Weibliche Vornamen
Neue Bunkerbauten Männliche Vornamen
Verkehrstunnel Vogelnamen

Daneben gab es aber auch andere Verschlüsselungssysteme wie Großbuchstaben oder Ziffern. Die Organisation Todt nutzte u. a. auch ein Tarnnamensystem aus Flussnamen (z. B. Elbe, Oker, Weser, Aller) und Tiernamen plus Behausung (wie z. B. Bärenhöhle, Adlerhorst).[2] Auch wurden (falsche) Firmenbezeichnungen als Decknamen benutzt. Das gleiche Objekt konnte mehrere Namen tragen (z. B. bei der SS-IKL und dem RfRuK).

  • Iltis – siehe auch „Bulldogge“
  • Jakob (auch Jacob): im Juni 1944 geplante Destillieranlagen für Flugbenzin und Vergaserkraftstoff in unterirdischer Anlage, in der Kemmlitz bei Hirschfelde (Jakob II, unvollendet) und in Berbersdorf, nicht ausgeführt
  • Nautilus – (unterirdische Verlagerung, Sandsteinhöhlen Wellnitz (Velenice u Zákup), Tschechien)
  • Ör – (unterirdische Verlagerung der Firma Rinkel GmbH Feinmechanische Rüstungsgeräte aus Göttingen in die natürliche Jettenhöhle bei Hörden am Harz; die Produktion wurde jedoch nicht mehr aufgenommen)
  • Okapi – unterirdische Verlagerung der Maschinenfabrik Hamel AG, Chemnitz in den Merkur- und Plutoschacht des Steinkohlenbauvereins Gersdorf
  • Olga – (Verbunkerte Nachrichtenzentrale des Sonderbauvorhabens III im Jonastal bei Crawinkel für ein mögliches Führerhauptquartier in Thüringen)
  • Ortrud – für Marine in der Heidecksburg Rudolstadt
  • Ofen – siehe oben Dachs. – Kleindestillationsanlagen für die Herstellung von Kraftstoff. Sie waren so klein, dass sie in Stollen und Steinbrüchen untergebracht werden konnten. In ihnen wurde aus Rohöl Benzin und Diesel destilliert. Die Rückstände aus diesem Vorgang wurden in Hydrieranlagen „Dachs“ weiterverarbeitet. Das Benzin wurde meist in einer weiteren Anlage gecrackt d. h. weiter aufgespalten (Anlage „Jakob“)
  • Ofen I & II Kleindestillationsanlagen der Deurag-Nerag im Extertal bei Rinteln (Gutshof Bögerhof)[15]
  • Ofen III & IV Kleindestillationsanlagen der Deurag-Nerag in Brunkensen (Glenetal).[16][17]
  • Ofen V & VI in Messinghausen[18]
  • Ofen VI & VIII in Mühlenbein bei Brilon[18]
  • Ofen IX & X Krackanlage der Mineralölwerke Lützkendorf in Mühlental bei Rübeland[19][18]
  • Pekten – Rentschenbruch bei Probstzella für Fa. Wirths-Bach & Co. (abgelehnt), auch als Kleiderlager der Wehrmacht vorgesehen. Durch Einsatz von Franz Itting wurde die Nutzung verhindert. (Betonverschluss des Stollens)
  • Pikrit – unterirdische Produktion Arado Ar 234 bei Krölpa
  • Pumpwerk Misdroy – V3-Testgelände Laatziger Ablage auf Wolin
  • Ulme – Sprengstofffabrik bei Christianstadt (Krzystkowice) in der Niederlausitz
  • Zander – (unterirdische Verlagerung der Zeiss-Ikon-Werke Dresden, Kalkwerk Nentmannsdorf)
  • Zaunkönig – akustisch gesteuerter Torpedo der Kriegsmarine
  • Zechstein – (Neuauffahrung im Sandstein für die Weser-Flugzeugbau GmbH aus Bremen, Rabstein bei Böhmisch Kamnitz (Ceská Kamenice), Tschechien)
  • Zeisig – Zündkerzenproduktion der Firma Robert Bosch in einem Eisenbahntunnel zwischen Treis und Bruttig der unvollendeten Rechten Moselstrecke
  • Zeolith – Aufnahme der Projekte „Ofen“ und „Schwalbe“ in einen neu zu erstellenden Stollenbau im Brockbachtal bei Ibbenbüren[25]
  • Zement B1 – In Ebensee entstanden 2 riesige Stollenanlagen, die anfangs für die Heeresversuchsanstalt Peenemünde als Produktionsstätte für das A4-Programm (V2) vorgesehen war.[26]
  • Zingel – siehe auch „Steinbock II“ bei Unterloquitz
  • Zinnstein – für Junkers, später Treibstoffe und Flüssig-O2 im Kohnstein (Niedersachswerfen)
  • Zitteraal – Windkanal im Ötztal – Der Stollen verläuft quer durch den Amberg.
  • Zope – unterirdische Produktionsstätte im Kraftwerkstunnel Cimena südwestlich von Chivasso an der Straße Turin–Chivasso. Kugellagerproduktion der Officine di Villar Perosa.[27]
  • Henry Hatt: Deckname Steinbock II. BoD, 2014, ISBN 978-3-8423-7510-9.
  • Henry Hatt: Hitler’s Ignored Secret Objects. BoD, 2014, ISBN 978-3-7322-9376-6.
  • Henry Hatt: Ignorierte Geheimobjekte Hitlers. Hattenhauer, 1995, ISBN 3-930988-00-3.
  • Henry Hatt: Deckname Kaulquappe. Hattenhauer, 2005, ISBN 3-930988-15-1.
  • Martin Weinmann (Hrsg.), mit Beiträgen von Anne Kaiser und Ursula Krause-Schmitt: Das nationalsozialistische Lagersystem. 4. Auflage. Frankfurt 2001 (1. & 2. Auflage. 1990, DNB 947535497, 3. Auflage. 1999).
  • 2500 Companies. Slave labour in the Nazi Camp System. (Memento vom 29. Dezember 2009 im Internet Archive), Kenntnisstand Anfang der 1950er Jahre, für die neue Forschung siehe Benz & Distel, Reihe Der Ort des Terrors. Beck, München 2005 ff. (englisch).
  • Hans Walter Wichert (Hrsg.): Decknamenverzeichnis deutscher unterirdischer Bauten des Zweiten Weltkrieges. 2. Auflage. Joh. Schulte, 1999, ISBN 3-9803271-4-0.
  • Kai O. Arzinger: Stollen im Fels und Öl fürs Reich. 2. Auflage. Mönnig, 1997, ISBN 3-922885-70-5.
  • Christel Focken: FHQ „Führerhauptquartiere“ Riese (Schlesien). Helios, Aachen 2008, ISBN 978-3-938208-63-2.
  • Hans-Josef Hansen: Felsennest – Das vergessene Führerhauptquartier in der Eifel. Bau, Nutzung, Zerstörung. 2., erweiterte Neuauflage. Helios Verlag, Aachen 2008, ISBN 978-3-938208-21-2.
  • Rainer Karlsch, Raymond G. Stokes: Faktor Öl. Die Mineralölwirtschaft in Deutschland 1859–1974. C. H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-50276-8.
  • Decknamenbuch, Anlage 8 zum Beiheft zur H.Dv. 427 (Schutz des Nachrichtenverkehrs im Heere), 1944, ISBN 978-3-7504-5176-6.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Frederic Gümmer: Die Rolle der Untertageverlagerung in der deutschen Rüstungsproduktion 1943–1945. GRIN-Verlag, München 2007, ISBN 978-3-638-92393-4; Tab. 2 „Decknamenschema d. Untertageverlagerung“ S. 32, bei Google Books, abgerufen am 29. März 2011.
  2. Klaus Böhm: Die Organisation Todt im Einsatz 1939–1945, dargestellt nach Kriegsschauplätzen auf Grund der Feldpostnummern. Biblio Verlag, Osnabrück 1987, ISBN 3-7648-1732-1, S. XV.
  3. Die Anlage Dachs 1. auf: porta.bergmann82.de
  4. Sperrgebiet.eu - Bunker und Militäranlagen dokumentiert. In: www.sachsenschiene.net.
  5. Werner Nickolai: Gedenkstättenpädagogik und Soziale Arbeit, Reihe Erinnern und Lernen Band 9, Lit, Münster 2013, 294 S., ISBN 978-3-643-11799-1, S. 205.
  6. https://www.vffwts.de/artikel/die-fertigung-von-kettenfahrzeugen-bei-der-firma-mnh-in-hannover-von-1939-1945.html
  7. Giorgio Danilo Cocconcelli: Tunnel factories. Le officine aeronautiche Caproni e FIAT nell’Alto Garda 1943–1945, Apostolo Giorgio, Mailand 2002, ISBN 978-88-87261-11-0. S. 66–67
  8. Karte der Untertageverlagerung Windmühlenberg (Memento vom 20. Oktober 2016 im Internet Archive)
  9. Frederic Gümmer: Die Rolle der Untertageverlagerung in der deutschen Rüstungsproduktion 1943–1945. GRIN-Verlag, München 2007, ISBN 978-3-638-92393-4, S. 67–74 & S. 94. (BMW Flugmotorenbau-GmbH)
  10. Frankensekt – Stollenführung. Abgerufen am 4. Januar 2019.
  11. Giorgio Danilo Cocconcelli: Tunnel factories. Le officine aeronautiche Caproni e FIAT nell’Alto Garda 1943–1945. Apostolo Giorgio, Mailand 2002, ISBN 978-88-87261-11-0. S. 65–67
  12. Die U-Verlagerung Lachs im Sauerland minehunters.de, abgerufen am 2. August 2023.
  13. U-Verlagerung Ofen 5/6 u-verlagerungen.de, abgerufen am 2. August 2023.
  14. Peggau – Deckname „Marmor“. (Memento vom 27. Januar 2011 im Internet Archive) auf: geheimprojekte.at
  15. Kraftstoffproduktion in der Destillationsanlage „Ofen I & II“, Bögerhof. auf: relikte.com
  16. Kraftstoffproduktion in der Destillationsanlage „Ofen III & IV“, Brunkensen. auf: relikte.com
  17. Das ehemalige Schwimmbad. auf: brunkensen.de
  18. a b c Auslagerung Krackanlage Mineralölwerk Lützkendorf Geiseltal, abgerufen am 30. März 2021.
  19. Bauvorhaben Ofen IX/X, Mühlental bei Rübeland/Harz Deutsche Digitale Bibliothek, abgerufen am 30. März 2021.
  20. Unterirdische Flugzeugteilefertigung „Rebhuhn“ / Werner Lange GmbH. (Memento vom 3. August 2013 im Internet Archive) auf: untergrundosnabrueck.de
  21. Dokuzentrum Jonastal beim Lokschuppen Arnstadt
  22. Giorgio Danilo Cocconcelli: Tunnel factories. Le officine aeronautiche Caproni e FIAT nell’Alto Garda 1943–1945, Apostolo Giorgio, Mailand 2002, ISBN 978-88-87261-11-0. S. 61,67
  23. Aktion Waldfest. In: gedenkorte-europa.eu. Studienkreis Deutscher Widerstand 1933–1945 e.V., abgerufen am 15. November 2023.
  24. Constanze Werner: Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW: Im Auftrag von MTU Aero Engines und BMW Group, Oldenbourg Verlag, München 2006, 447 Seiten, ISBN 978-3-486-57792-1, S. 177.
  25. Unterirdisches Hydrierwerk „Zeolith“ / Nerag GmbH. auf: untergrundosnabrueck.de
  26. Archivlink (Memento vom 24. Oktober 2013 im Internet Archive)
  27. Giorgio Danilo Cocconcelli: Tunnel factories. Le officine aeronautiche Caproni e FIAT nell’Alto Garda 1943–1945, Apostolo Giorgio, Mailand 2002, ISBN 978-88-87261-11-0. S. 60,67