Lee Harvey Oswald“ – Bearbeiten

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[[Datei:Lee harvey oswald.jpg|mini|Lee Harvey Oswald nach der Verhaftung (1963)]]
'''Lee Harvey Oswald''' (* [[18. Oktober]] [[1939]] in [[New Orleans]], [[Louisiana]]; † [[24. November]] [[1963]] in [[Dallas]], [[Texas]]) war der mutmaßliche [[Mord|Mörder]] des [[Vereinigte Staaten|amerikanischen]] [[Präsident der Vereinigten Staaten|Präsidenten]] [[John F. Kennedy]]. Zwei Tage nach dem [[Attentat auf John F. Kennedy|Attentat]] wurde Oswald im Polizeigewahrsam vom [[Nachtclub]]-Besitzer [[Jack Ruby]] erschossen.
'''Lee Harvey Oswald''' (* [[18. Oktober]] [[1939]] in [[New Orleans]], [[Louisiana]]; † [[24. November]] [[1963]] in [[Dallas]], [[Texas]]) war der mutmaßliche [[Mord|Mörder]] des [[Vereinigte Staaten|amerikanischen]] [[Präsident der Vereinigten Staaten|Präsidenten]] [[John F. Kennedy]]. Zwei Tage nach dem [[Attentat auf John F. Kennedy|Attentat]] wurde Oswald in Polizeigewahrsam von dem Nachtclubbesitzer [[Jack Ruby]] erschossen.


== Leben ==
== Leben ==
=== Jugend ===
=== Jugend ===
Oswald wurde 1939 in New Orleans als zweiter Sohn von Robert Edward Lee Oswald (1896–1939) und dessen Frau Marguerite Frances Claverie (1907–1981) geboren. Sein Vater war drei Monate vor seiner Geburt gestorben. Oswald hatte einen Halbbruder aus der früheren Ehe seiner Mutter. Ende 1942 brachte die Mutter die drei Jungen in einem [[Waisenhaus]] unter, aus dem sie sie Anfang 1944 wieder zu sich holte. 1945 heiratete sie den Geschäftsmann Edwin Ekdahl, die Ehe wurde 1948 geschieden.
Oswald war einer von zwei Söhnen von Robert Edward Lee Oswald (1896–1939) und dessen Frau Marguerite Frances Claverie (1907–1981). Sein Vater starb drei Monate vor seiner Geburt. Oswald hatte einen leiblichen Bruder, Robert E. L. Oswald jr., und einen Halbbruder namens John Pic aus einer früheren Ehe seiner Mutter. Ende 1942 brachte die Mutter die drei Jungen in einem [[Waisenhaus]] unter, aus dem sie sie Anfang 1944 wieder zu sich holte. 1945 heiratete sie den Geschäftsmann Edwin Ekdahl, die Ehe wurde 1948 geschieden. Die Familie zog in Oswalds Jugend sehr häufig um – rund zwanzig Adressen von ihm sind bekannt, unter anderem in [[Fort Worth]], [[New Orleans]] und der [[Bronx]] in [[New York City]]. Oswald war ein eher [[introvertiert]]es Kind, das häufig die [[Schulschwänzen|Schule schwänzte]]. 1953 wurde deswegen von einem New Yorker Gericht eine dreiwöchige [[Psychiatrie|psychiatrische]] Untersuchung in einer [[Jugendstrafanstalt]] angeordnet, die eine [[Persönlichkeitsstörung]] mit [[Schizoide Persönlichkeitsstörung|schizoiden]] Aspekten und [[Passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung|passiv-aggressiven]] Tendenzen zeigte. Insbesondere das Verhältnis zu seiner Mutter, einer sowohl dominierenden als auch emotional instabilen Frau, wird als problematisch beschrieben. Der anschließenden Unterbringung in einer Einrichtung für emotional gestörte Jugendliche entzog ihn die Mutter durch einen weiteren Umzug. In dieser Zeit entwickelte Oswald ein starkes Interesse am [[Marxismus]].<ref>[[Gerald Posner]]: ''Case Closed. Lee Harvey Oswald and the Assassination of JFK.'' Random House, New York 1993, S. 5–19.</ref> Er trat in einen regen Briefwechsel mit der [[Socialist Workers Party (Vereinigte Staaten)|Socialist Workers Party]], wurde dort aber kein Mitglied.<ref name="Dorian Hayes:Peter Knight">Dorian Hayes: ''Oswald, Lee Harvey.'' In: Peter Knight (Hrsg.): ''Conspiracy Theories in American History. An Encyclopedia''. Band 2, ABC Clio, Santa Barbara/Denver/London 2003, S. 564.</ref>

Die Familie zog in Oswalds Jugend sehr häufig um – rund zwanzig Adressen von ihm sind bekannt, unter anderem in [[Fort Worth]] und der [[Bronx]] in [[New York City]]. Oswald war ein [[introvertiert]]es Kind, das häufig die [[Schulschwänzen|Schule schwänzte]]. 1953 wurde deswegen von einem New Yorker Gericht eine dreiwöchige [[Psychiatrie|psychiatrische]] Untersuchung in einer [[Jugendstrafanstalt]] angeordnet, die eine [[Persönlichkeitsstörung]] mit [[Schizoide Persönlichkeitsstörung|schizoiden]] Aspekten und [[Passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung|passiv-aggressiven]] Tendenzen zeigte.

Insbesondere das Verhältnis zu seiner Mutter, einer sowohl dominierenden als auch emotional instabilen Frau, wird als problematisch beschrieben. Der anschließenden Unterbringung in einer Einrichtung für emotional gestörte Jugendliche entzog ihn die Mutter durch einen weiteren Umzug. In dieser Zeit entwickelte Oswald ein starkes Interesse am [[Marxismus]].<ref>[[Gerald Posner]]: ''Case Closed. Lee Harvey Oswald and the Assassination of JFK.'' Random House, New York 1993, S. 5–19.</ref> Er trat in einen regen Briefwechsel mit der [[Socialist Workers Party (Vereinigte Staaten)|Socialist Workers Party]], wurde dort aber kein Mitglied.<ref name="Dorian Hayes:Peter Knight">Dorian Hayes: ''Oswald, Lee Harvey.'' In: Peter Knight (Hrsg.): ''Conspiracy Theories in American History. An Encyclopedia''. Band 2, ABC Clio, Santa Barbara/Denver/London 2003, S. 564.</ref>


=== Militärische Laufbahn ===
=== Militärische Laufbahn ===
Mit 16 Jahren trat er für kurze Zeit einer [[Paramilitär|Miliz]] mit dem Namen [[Civil Air Patrol]] (CAP) in New Orleans bei. Der Einheit gehörte zeitweise auch der Pilot und spätere Privatdetektiv [[David Ferrie]] an,<ref>Gerald Posner: ''Case Closed. Lee Harvey Oswald and the Assassination of JFK.'' Random House, New York 1993, S. 142 f.</ref> der in jenen Jahren an von der [[Central Intelligence Agency|CIA]] gedeckten Geheimoperationen gegen [[Kuba]] beteiligt gewesen war.
Mit 16 Jahren trat er für kurze Zeit einer [[Paramilitär|Miliz]] mit dem Namen [[Civil Air Patrol]] (CAP) in [[New Orleans]] bei. Der Einheit gehörte zeitweise auch der Pilot und spätere Privatdetektiv [[David Ferrie]] an,<ref>Gerald Posner: ''Case Closed. Lee Harvey Oswald and the Assassination of JFK.'' Random House, New York 1993, S. 142 f.</ref> der in jenen Jahren an von der [[Central Intelligence Agency|CIA]] gedeckten Geheimoperationen gegen [[Kuba]] beteiligt gewesen war. Am 26. Oktober 1956 begann Oswald im Alter von 17 Jahren eine Ausbildung beim [[United States Marine Corps]]. Dort erwies er sich als leicht unterdurchschnittlicher Schütze:<ref name="Dorian Hayes:Peter Knight" /> Bei einer Überprüfung mit dem Gewehr [[M1 Garand|M1]] erreichte er im dreistufigen amerikanischen System für qualifizierte Schützen knapp die erforderliche Schießleistung, die einer mittleren Einstufung ''(Sharpshooter)'' entsprach.<ref>[[Larry J. Sabato]]: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 161.</ref> Er wurde später in der Luftüberwachung tätig und im Naval Air Technical Training Center in [[Jacksonville (Florida)|Jacksonville]] in [[Florida]] am [[Radar]] ausgebildet. Oswald fiel dadurch auf, dass er sich als [[Marxismus-Leninismus|Marxist-Leninist]] bekannte. Er lernte während dieser Zeit [[Russische Sprache|Russisch]] und hatte die ''[[Prawda]]'' abonniert.

Im Oktober 1956 begann Oswald im Alter von 17 Jahren eine Ausbildung beim [[United States Marine Corps]]. Dort erwies er sich als leicht unterdurchschnittlicher Schütze:<ref name="Dorian Hayes:Peter Knight" /> Bei einer Überprüfung mit dem Gewehr [[M1 Garand|M1]] erreichte er im dreistufigen amerikanischen System für qualifizierte Schützen knapp die erforderliche Schießleistung, die einer mittleren Einstufung ''(Sharpshooter)'' entsprach.<ref>[[Larry J. Sabato]]: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 161.</ref> Er wurde später in der Luftüberwachung tätig und im Naval Air Technical Training Center in [[Jacksonville (Florida)|Jacksonville]] in [[Florida]] am [[Radar]] ausgebildet. Oswald fiel dadurch auf, dass er sich als [[Marxismus-Leninismus|Marxist-Leninist]] bekannte. Er lernte während dieser Zeit [[Russische Sprache|Russisch]] und hatte die ''[[Prawda]]'' abonniert.

Im August 1957 wurde er nach Abschluss seiner Ausbildung auf dem geheimen Luftwaffenstützpunkt [[Atsugi]] in [[Japan]] stationiert, von wo aus die [[Lockheed U-2]] – damals eines der geheimsten Projekte der [[United States Air Force]] – zu Spionageflügen in Richtung [[Sowjetunion]] und [[Volksrepublik China]] startete. Dort kam Oswald das erste Mal mit streng geheimen Informationen in Berührung.<ref>Dorian Hayes: ''Oswald, Lee Harvey.'' In: Peter Knight (Hrsg.): ''Conspiracy Theories in American History. An Encyclopedia''. Band 2, ABC Clio, Santa Barbara/Denver/London 2003, S. 565.</ref>


Um einer Versetzung auf die [[Philippinen]] zu entgehen, wo er seine Ausbildung fortsetzen sollte, schoss sich Oswald im Oktober 1957 absichtlich mit seiner Pistole in den Arm. Ein [[Militärgericht]] verurteilte ihn wegen illegalen Waffenbesitzes zu zwanzig Tagen harter Arbeit, anschließend wurde er versetzt. Eine zweite Militärstrafe von 28 Tagen [[Strafarrest]] folgte im Juni 1958, nachdem er einem Sergeant ein Getränk über den Kopf gegossen hatte.<ref>Larry J. Sabato: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 161 f.</ref> Im November 1958 wurde Oswald auf der [[Marine Corps Air Station El Toro|Marinebasis El Toro]] in [[Kalifornien]] stationiert, bat aber schon im August 1959 wegen des schlechten Gesundheitszustandes seiner Mutter um vorzeitige Entlassung, die ihm, vier Wochen vor dem regulären Ablauf seiner Dienstzeit, am 11. September 1959 gewährt wurde.
Am 22. August 1957 wurde er nach Abschluss seiner Ausbildung auf dem geheimen Luftwaffenstützpunkt [[Atsugi]] in [[Japan]] stationiert, von wo aus die [[Lockheed U-2]] – damals eines der geheimsten Projekte der [[United States Air Force]] – zu Spionageflügen in Richtung [[Sowjetunion]] und [[Volksrepublik China]] startete. Dort kam Oswald das erste Mal mit streng geheimen Informationen in Berührung.<ref>Dorian Hayes: ''Oswald, Lee Harvey.'' In: Peter Knight (Hrsg.): ''Conspiracy Theories in American History. An Encyclopedia''. Band 2, ABC Clio, Santa Barbara/Denver/London 2003, S. 565.</ref> Um einer Versetzung auf die [[Philippinen]] zu entgehen, wo er seine Ausbildung fortsetzen sollte, schoss sich Oswald im Oktober 1957 absichtlich mit seiner Pistole in den Arm. Ein [[Militärgericht]] verurteilte ihn wegen illegalen Waffenbesitzes zu zwanzig Tagen harter Arbeit, anschließend wurde er versetzt. Eine zweite Militärstrafe von diesmal 28 Tagen [[Strafarrest]] folgte im Juni 1958, nachdem er einem Sergeant ein Getränk über den Kopf gegossen hatte.<ref>Larry J. Sabato: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 161 f.</ref> Im November 1958 wurde Oswald auf der [[Marine Corps Air Station El Toro|Marinebasis El Toro]] in [[Kalifornien]] stationiert, bat aber schon im August 1959 wegen des schlechten Gesundheitszustandes seiner Mutter um vorzeitige Entlassung, die ihm, vier Wochen vor dem regulären Ablauf seiner Dienstzeit, am 11. September 1959 gewährt wurde.


=== In der Sowjetunion ===
=== In der Sowjetunion ===
Ursprünglich hatte Oswald vorgehabt, sich nach [[Kuba]] abzusetzen, wo [[Fidel Castro]]s [[Bewegung des 26. Juli]] gerade die Macht übernommen hatte. Stattdessen fuhr er per Schiff von New Orleans aus nach Europa und reiste über [[Helsinki]] in die [[Sowjetunion]] ein.<ref>[[David E. Kaiser|David Kaiser]]: ''The Road to Dallas. The Assassination of John. F. Kennedy.'' Harvard University Press, Cambridge, MA 2008, S.&nbsp;33&nbsp;f.</ref> Am 16. Oktober 1959 erreichte er [[Moskau]].<ref>Vgl. dazu Peter Savodnik: [https://www.jstor.org/stable/24242918 ''Lee Harvey Oswald Arrives in the USSR.''] In: ''New England Review.'' Vol. 34, No. 3/4, 2014, {{ISSN|1053-1297}}, S. 161–169.</ref> In einem Brief vom 17. Oktober schrieb Oswald den sowjetischen Behörden, dass er [[sowjetische Staatsbürgerschaft|sowjetischer Staatsbürger]] werden wolle. Daraufhin teilten ihm die zuständigen Behörden mit, dass sein Touristenvisum abgelaufen sei. Durch einen [[Suizid]]versuch gewann er Zeit. Am 31. Oktober wurde er in der amerikanischen Botschaft in Moskau vorstellig, um seine amerikanische Staatsbürgerschaft aufzugeben. Er wurde jedoch abgewiesen, da die zuständige Abteilung an diesem Tag nicht besetzt war.
Ursprünglich hatte Oswald vor, sich nach [[Kuba]] abzusetzen, wo [[Fidel Castro]]s [[Bewegung des 26. Juli]] gerade die Macht übernommen hatte. Stattdessen fuhr er per Schiff von New Orleans aus nach Europa und reiste über [[Helsinki]] in die [[Sowjetunion]] ein.<ref>[[David E. Kaiser|David Kaiser]]: ''The Road to Dallas. The Assassination of John. F. Kennedy.'' Harvard University Press, Cambridge, MA 2008, S.&nbsp;33&nbsp;f.</ref> Am 16. Oktober 1959 erreichte er [[Moskau]].<ref>Vgl. dazu Peter Savodnik: [https://www.jstor.org/stable/24242918 ''Lee Harvey Oswald Arrives in the USSR.''] In: ''New England Review.'' Vol. 34, No. 3/4, 2014, {{ISSN|1053-1297}}, S. 161–169.</ref> In einem Brief vom 17. Oktober schrieb Oswald den sowjetischen Behörden, dass er [[sowjetische Staatsbürgerschaft|sowjetischer Staatsbürger]] werden wolle. Daraufhin teilten ihm die zuständigen Behörden mit, dass sein Touristenvisum abgelaufen sei. Durch einen [[Suizid]]versuch (er schnitt sich die Pulsadern auf) gewann er Zeit. Am 31. Oktober wurde er in der amerikanischen Botschaft in Moskau vorstellig, um seine amerikanische Staatsbürgerschaft aufzugeben. Er wurde jedoch abgewiesen, da die zuständige Abteilung an diesem Tag nicht besetzt war.


Die sowjetischen Behörden wussten zu diesem Zeitpunkt nicht, ob sie Oswald vertrauen konnten oder ob er ein amerikanischer Agent war. So empfahl der [[KGB]], ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen und ihn gründlich zu überprüfen. Im ersten Jahr wurde er rund um die Uhr von [[Spionage|Agenten]] des sowjetischen Geheimdienstes abgehört, und jedes seiner Worte wurde protokolliert. Er lebte weitgehend isoliert in einem Moskauer Hotel.
Die sowjetischen Behörden wussten zu diesem Zeitpunkt nicht, ob sie Oswald vertrauen konnten oder ob er ein amerikanischer Agent war. Mit dem Auftritt in der amerikanischen Botschaft wollte er offensichtlich seine Vertrauenswürdigkeit unterstreichen. So empfahl der [[KGB]], ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen und ihn auf Herz und Nieren zu prüfen. Im ersten Jahr wurde er rund um die Uhr von [[Spionage|Agenten]] des sowjetischen Geheimdienstes abgehört, und jedes seiner Worte wurde protokolliert. Er lebte weitgehend isoliert in einem Moskauer Hotel.


Am 8. Januar 1960 traf Oswald in [[Minsk]] ein. Am 13. Januar trat er dort in einer Fabrik, die unter anderem Radio- und Fernsehgeräte herstellte, eine ihm von den sowjetischen Behörden zugeteilte Stelle als Metallarbeiter an.<ref>Gerald Posner: ''Case Closed. Lee Harvey Oswald and the Assassination of JFK.'' Random House, New York 1993, S. 56.</ref> Er erhielt 700 [[Rubel]] pro Woche, hatte Affären und genoss die Aufmerksamkeit, die ihm als Überläufer zuteilwurde. Seine befristete Aufenthaltsgenehmigung wurde ohne Schwierigkeiten verlängert, wobei ihm die Umwandlung seiner ehrenhaften Entlassung bei den Marines in eine unehrenhafte im September zupass gekommen zu sein schien.
Am 8. Januar 1960 traf Oswald in [[Minsk]] ein. Am 13. Januar trat er dort in einer Fabrik, die unter anderem Radio- und Fernsehgeräte herstellte, eine ihm von den sowjetischen Behörden zugeteilte Stelle als Metallarbeiter an.<ref>Gerald Posner: ''Case Closed. Lee Harvey Oswald and the Assassination of JFK.'' Random House, New York 1993, S. 56.</ref> Er erhielt 700 Rubel in der Woche, hatte Affären und genoss die Aufmerksamkeit, die ihm als Überläufer zuteilwurde. Seine befristete Aufenthaltsgenehmigung wurde ohne Schwierigkeiten verlängert, wobei ihm die Umwandlung seiner ehrenhaften Entlassung bei den Marines in eine unehrenhafte im September zupass gekommen zu sein schien. Später lernte er die [[Pharmakologie]]studentin Marina Nikolajewna Prussakowa (* 17. Juli 1941 in Molotowsk, heute [[Sewerodwinsk]], Russland) kennen, die Nichte eines Obersten des sowjetischen Geheimdienstes, die ihn auf Grund seines Akzents zunächst für einen [[Baltikum|Balten]] hielt.<ref>Gerald Posner: ''Case Closed. Lee Harvey Oswald and the Assassination of JFK.'' Random House, New York 1993, S. 64.</ref> Sie heirateten am 30. April 1961. Ihr erstes Kind, June Lee Oswald, wurde am 15. Februar 1962 geboren.

Später lernte er die [[Pharmakologie]]studentin Marina Nikolajewna Prussakowa (* 17. Juli 1941 in Molotowsk, heute [[Sewerodwinsk]], Russland) kennen, die Nichte eines Obersten des sowjetischen Geheimdienstes, die ihn auf Grund seines Akzents zunächst für einen [[Baltikum|Balten]] hielt.<ref>Gerald Posner: ''Case Closed. Lee Harvey Oswald and the Assassination of JFK.'' Random House, New York 1993, S. 64.</ref> Sie heirateten am 30. April 1961. Ihr erstes Kind, June Lee Oswald, wurde am 15. Februar 1962 geboren.


=== Rückkehr in die Vereinigten Staaten ===
=== Rückkehr in die Vereinigten Staaten ===
Schon bald war Oswald in der Sowjetunion unzufrieden: Die Sowjets hätten die Lehre von [[Karl Marx]] „pervertiert“, so sein Eindruck. Am 13. Februar 1961 bat er die amerikanische Botschaft um Hilfe bei der Rückkehr, seine Frau beantragte ein [[Visum]] für die Vereinigten Staaten. Über ein Jahr später, am 10. Mai 1962, teilte man ihm mit, dass seine Rückreise in die Vereinigten Staaten arrangiert sei. Auch die sowjetischen Behörden legten ihnen keine Steine in den Weg. Am 13. Juni 1962 kehrte Oswald mit seiner Familie in die Vereinigten Staaten zurück. Das [[Außenministerium der Vereinigten Staaten|Außenministerium]] schoss ihm die Reisekosten vor und stellte ihm einen Pass aus.<ref>Larry J. Sabato: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 166–169.</ref>
Schon bald war Oswald in der Sowjetunion unzufrieden: Die Sowjets hätten die Lehre von [[Karl Marx]] „pervertiert“, so sein Eindruck. Am 13. Februar 1961 bat er die amerikanische Botschaft um Hilfe bei der Rückkehr, seine Frau beantragte ein [[Visum]] für die Vereinigten Staaten. Über ein Jahr später, am 10. Mai 1962, teilte man ihm mit, dass seine Rückreise in die Vereinigten Staaten arrangiert sei. Auch die sowjetischen Behörden legten ihnen keine Steine in den Weg. Am 13. Juni 1962 kehrte Oswald mit seiner Familie in die Vereinigten Staaten zurück. Das [[Außenministerium der Vereinigten Staaten|Außenministerium]] schoss ihm die Reisekosten vor und stellte ihm einen Pass aus.<ref>Larry J. Sabato: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 166–169.</ref>


Unmittelbar nach der Ankunft der Oswalds in New York City zog die Familie nach Fort Worth in Texas. Dort suchte Oswald Kontakte zu Exilrussen, denn seine Frau konnte kein Englisch und litt unter Heimweh. Auf diesem Weg lernte er [[George de Mohrenschildt]] kennen, einen wohlhabenden russischen Adligen mit Geheimdienstkontakten. Mohrenschildt stellte ihm auch Michael (*&nbsp;1928) und Ruth Paine (*&nbsp;1932) vor, die in [[Irving (Texas)]] lebten, einem Vorort von Dallas. Das getrennt lebende Ehepaar war politisch links orientiert und wollte Russisch lernen. Insbesondere Ruth Paine begann, sich um die Oswalds zu kümmern, deren Ehe kriselte.<ref>Larry J. Sabato: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 168 f.</ref>
Unmittelbar nach der Ankunft der Oswalds in New York City zog die Familie nach Fort Worth in Texas. Dort suchte Oswald Kontakte zu Exilrussen, denn seine Frau konnte noch kein Englisch und litt unter Heimweh. Auf diesem Weg lernte er [[George de Mohrenschildt]] kennen, einen wohlhabenden russischen Adligen mit Geheimdienstkontakten. Mohrenschildt stellte ihm auch Michael (*&nbsp;1928) und Ruth Paine (*&nbsp;1932) vor, die in [[Irving (Texas)]] lebten, einem Vorort von Dallas. Das getrennt lebende Ehepaar war politisch links orientiert und wollte Russisch lernen. Insbesondere Ruth Paine begann sich um die Oswalds zu kümmern, deren Ehe kriselte.<ref>Larry J. Sabato: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 168 f.</ref> Am 8. Oktober 1962 siedelten die Oswalds nach Dallas um. Dort arbeitete Oswald zunächst in einer [[Schweißen|Schweißerei]], kündigte aber nach drei Wochen und nahm eine Arbeit bei der Firma ''Jaggars-Stovall-Chiles'' an, die unter anderem militärische Landkarten für die United States Army, das [[Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten]] und andere Behörden herstellte. Zu den Bereichen mit den als geheim eingestuften Dokumenten hatte Oswald keinen Zugang. Allerdings benutzte er die zur Verfügung stehende Ausrüstung der Firma, um sich falsche Ausweispapiere auf den Namen Alek James Hidell anzufertigen.<ref>[http://www.aarclibrary.org/publib/jfk/wc/wcvols/wh19/html/WH_Vol19_0153b.htm ''Warren Commission Hearings, Volume XIX''], S. 288 auf ''The Assassination Archives and Research Center''</ref> Nachdem seine Vorgesetzten schon vorher Grund zur Klage wegen Oswalds schlechter Arbeitsleistung und seines ungehobelten Verhaltens gehabt hatten – mehrmals war es in der Firma beinahe zu Handgreiflichkeiten gekommen –, kündigten sie ihm am 1. April 1963, weil er in der Kantine die sowjetische Satirezeitschrift ''[[Krokodil (Zeitschrift)|Krokodil]]'' gelesen hatte.

Am 8. Oktober 1962 siedelten die Oswalds nach Dallas um. Dort arbeitete Oswald zunächst in einer [[Schweißen|Schweißerei]], kündigte aber nach drei Wochen und nahm eine Arbeit bei der Firma Jaggars-Stovall-Chiles an, die unter anderem militärische Landkarten für die United States Army, das [[Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten]] und andere Behörden herstellte. Zu den Bereichen mit den als geheim eingestuften Dokumenten hatte Oswald keinen Zugang. Allerdings benutzte er die zur Verfügung stehende Ausrüstung der Firma, um sich falsche Ausweispapiere auf den Namen Alek James Hidell anzufertigen.<ref>[http://www.aarclibrary.org/publib/jfk/wc/wcvols/wh19/html/WH_Vol19_0153b.htm ''Warren Commission Hearings, Volume XIX''], S. 288 auf ''The Assassination Archives and Research Center''</ref> Nachdem seine Vorgesetzten schon vorher Grund zur Klage wegen Oswalds schlechter Arbeitsleistung und seines ungehobelten Verhaltens gehabt hatten – mehrmals war es in der Firma beinahe zu Handgreiflichkeiten gekommen –, kündigten sie ihm am 1. April 1963, weil er in der Kantine die sowjetische Satirezeitschrift ''[[Krokodil (Zeitschrift)|Krokodil]]'' gelesen hatte.


[[Datei:Lee Harvey Oswald with rifle, taken in Oswald's back yard, Neely Street, Dallas Texas, March 1963, CE133A.jpg|mini|Eines der „Backyard-Photos“ vom 31. März 1963]]
[[Datei:Lee Harvey Oswald with rifle, taken in Oswald's back yard, Neely Street, Dallas Texas, March 1963, CE133A.jpg|mini|Eines der „Backyard-Photos“ vom 31. März 1963]]
Einen Tag vor seiner Kündigung ließ sich Oswald im Hinterhof seines Hauses in Dallas fotografieren. Auf den Bildern posierte er mit einem [[Gewehr]], einer [[Pistole]] sowie den kommunistischen Zeitungen ''The Militant'' und ''[[Daily Worker|The Worker]]''. Um seine revolutionäre Gesinnung zu beweisen, schickte er sie an ''The Militant'', wo man sich über die Naivität des Absenders wunderte, der ein [[Trotzkismus|trotzkistisches]] und ein [[stalin]]istisches Blatt gleichzeitig präsentierte.<ref>John McAdams: ''JFK Assassination Logic. How to Think About Claims of Conspiracy.'' Potomac Books, Dulles, VA 2011, S. 162.</ref>
Einen Tag vor seiner Kündigung ließ sich Oswald im Hinterhof seines Hauses in Dallas fotografieren. Auf den Bildern posierte er mit einem [[Gewehr]], einer [[Pistole]] sowie den kommunistischen Zeitungen ''The Militant'' und ''[[Daily Worker|The Worker]]''. Um seine revolutionäre Gesinnung zu beweisen, schickte er sie an ''The Militant'', wo man sich über die Naivität des Absenders wunderte, der ein [[Trotzkismus|trotzkistisches]] und ein [[stalin]]istisches Blatt gleichzeitig präsentierte.<ref>John McAdams: ''JFK Assassination Logic. How to Think About Claims of Conspiracy.'' Potomac Books, Dulles, VA 2011, S. 162.</ref> Marina Oswald sagte später wiederholt aus, sie habe die Bilder aufgenommen; die [[Warren-Kommission]] akzeptierte sie als Beweisstücke 133-A und CE 133-B. Auch das [[Attentat auf John F. Kennedy#House Select Committee on Assassinations|House Select Committee on Assassinations]] kam 1979 zum Schluss, dass sie authentisch seien. Oswald hatte die Fotos nach seiner Verhaftung als Fälschung bezeichnet. Der Bezirksstaatsanwalt von New Orleans, [[Jim Garrison]], hielt das Bild für eine [[Fotomontage]], weil der Schatten von Oswalds Körper in eine andere Richtung weise als der seiner Nase. Dieser Argumentation folgten verschiedene Theorien, die die Alleintäterschaftstheorie bezweifeln. Nach Untersuchungen von Hany Farid, einem Professor für [[Informatik]] am [[Dartmouth College]] in [[New Hampshire]], ist der Schattenfall aber natürlich und die Bilder nicht manipuliert.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.dartmouth.edu/~news/releases/2009/11/05.html |wayback=20120118190307 |text=''Dartmouth Professor finds that iconic Oswald photo was not faked'' }}, Presseerklärung des Dartmouth College vom 5. November 2009</ref><ref>Christopher Schrader: ''Der menschliche Makel.'' In: [[Süddeutsche Zeitung]] vom 13. November 2009.</ref>


Zehn Tage später, am 10. April 1963, versuchte Oswald, den außer Dienst stehenden rechtsradikalen Major General [[Edwin Anderson Walker|Edwin A. Walker]] zu erschießen. Dieser war 1961 von Präsident Kennedy seines Kommandos enthoben worden, weil er [[Propaganda]]schriften der [[John Birch Society]] unter seinen Untergebenen verteilt hatte. Daraufhin hatte Walker den Militärdienst verlassen und war nach Texas zurückgekehrt. Oswald benutzte für diesen Anschlag das Gewehr, das auf dem am 31. März aufgenommenen Foto zu sehen ist und das er sich im selben Monat unter seinem falschen Namen A. Hidell an ein Postfach schicken ließ. Auch einen Revolver erwarb er zu dieser Zeit auf dem Postwege. Oswald hatte Walkers Haus schon mehrere Tage vorher beobachtet und auch Fotos gemacht. Für den Fall, dass er nach dem Anschlag festgenommen werden würde, hinterließ er seiner Frau eine auf Russisch verfasste Notiz. Walker saß gerade im Esszimmer seines Hauses an seiner [[Einkommensteuer (Vereinigte Staaten)|Steuererklärung]], als am 10. April 1963 aus etwa dreißig Meter Entfernung auf ihn geschossen wurde. Die Kugel wurde durch den hölzernen Fensterrahmen abgelenkt und verletzte den Ex-General nur am Unterarm. Die Polizei in Dallas hatte Oswald nach dem gescheiterten Mordanschlag nicht in Verdacht. Erst nach dem Attentat auf den Präsidenten wurden die erwähnte Notiz und die Fotos von Walkers Haus in seiner Wohnung gefunden. Daraufhin gab auch seine Witwe an, dass Oswald vorgehabt habe, den General zu erschießen, er habe ihr aber erst nach dem Anschlag davon erzählt.<ref>John McAdams: ''JFK Assassination Logic. How to Think About Claims of Conspiracy''. Potomac Books, Dulles, VA 2011, S. 165 ff.; David Kaiser: ''The Road to Dallas. The Assassination of John. F. Kennedy.'' Harvard University Press, Cambridge, MA 2008, S. 182–186; Larry J. Sabato: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 170 f.</ref>
Marina Oswald sagte später wiederholt aus, sie habe die Bilder aufgenommen; die [[Warren-Kommission]] akzeptierte sie als Beweisstücke. Auch das [[Attentat auf John F. Kennedy#House Select Committee on Assassinations|House Select Committee on Assassinations]] kam 1979 zum Schluss, dass sie authentisch seien. Oswald hatte die Fotos nach seiner Verhaftung als Fälschung bezeichnet. Der Bezirksstaatsanwalt von New Orleans, [[Jim Garrison]], hielt das Bild für eine [[Fotomontage]], weil der Schatten von Oswalds Körper in eine andere Richtung weise als der seiner Nase. Dieser Argumentation folgten verschiedene Theorien, die die Alleintäterschaftstheorie bezweifeln. Nach Untersuchungen von Hany Farid, einem Professor für [[Informatik]] am [[Dartmouth College]] in [[New Hampshire]], ist der Schattenfall aber natürlich und die Bilder nicht manipuliert.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.dartmouth.edu/~news/releases/2009/11/05.html |wayback=20120118190307 |text=''Dartmouth Professor finds that iconic Oswald photo was not faked''}}, Presseerklärung des Dartmouth College vom 5. November 2009</ref><ref>Christopher Schrader: ''Der menschliche Makel.'' In: [[Süddeutsche Zeitung]] vom 13. November 2009.</ref>


Im April 1963 ging Oswald nach New Orleans, wo er zunächst bei seinem Onkel Charles Murret wohnte, einem Buchmacher und Kleinkriminellen mit Beziehungen zur [[Amerikanische Cosa Nostra|amerikanischen Mafia]]. Murret lieh ihm Geld, bis Oswald eine Anstellung bei der Reily Coffee Company fand. Im Mai 1963 siedelte auch seine Familie nach New Orleans um.<ref>Larry J. Sabato: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 173.</ref>
Zehn Tage später, am 10. April 1963, versuchte Oswald, den außer Dienst stehenden rechtsradikalen Major General [[Edwin Anderson Walker|Edwin A. Walker]] zu erschießen. Dieser war 1961 von Präsident Kennedy seines Kommandos enthoben worden, weil er [[Propaganda]]schriften der [[John Birch Society]] unter seinen Untergebenen verteilt hatte. Daraufhin hatte Walker den Militärdienst verlassen und war nach Texas zurückgekehrt. Oswald benutzte für diesen Anschlag das Gewehr, das auf dem am 31. März aufgenommenen Foto zu sehen ist und das er sich im selben Monat unter seinem falschen Namen A. Hidell an ein Postfach schicken ließ. Auch einen Revolver erwarb er zu dieser Zeit auf dem Postwege. Oswald hatte Walkers Haus schon mehrere Tage vorher beobachtet und auch Fotos gemacht. Für den Fall, dass er nach dem Anschlag festgenommen werden würde, hinterließ er seiner Frau eine auf Russisch verfasste Notiz.

Walker saß im Esszimmer seines Hauses und arbeitete an seiner [[Einkommensteuer (Vereinigte Staaten)|Steuererklärung]], als aus etwa dreißig Meter Entfernung auf ihn geschossen wurde. Die Kugel wurde durch den hölzernen Fensterrahmen abgelenkt und verletzte den Ex-General nur am Unterarm. Die Polizei in Dallas hatte Oswald nach dem gescheiterten Mordanschlag nicht in Verdacht. Erst nach dem Attentat auf den Präsidenten wurden die erwähnte Notiz und die Fotos von Walkers Haus in seiner Wohnung gefunden. Daraufhin gab auch seine Witwe an, dass Oswald vorgehabt habe, den General zu erschießen, er habe ihr aber erst nach dem Anschlag davon erzählt.<ref>John McAdams: ''JFK Assassination Logic. How to Think About Claims of Conspiracy''. Potomac Books, Dulles, VA 2011, S. 165 ff.; David Kaiser: ''The Road to Dallas. The Assassination of John. F. Kennedy.'' Harvard University Press, Cambridge, MA 2008, S. 182–186; Larry J. Sabato: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 170 f.</ref>

Im April 1963 fuhr Oswald nach New Orleans, wo er zunächst bei seinem Onkel Charles Murret wohnte, einem Buchmacher und Kleinkriminellen mit Beziehungen zur [[Amerikanische Cosa Nostra|amerikanischen Mafia]]. Murret lieh ihm Geld, bis Oswald eine Anstellung bei der Reily Coffee Company fand. Im Mai 1963 siedelte auch seine Familie nach New Orleans um.<ref>Larry J. Sabato: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 173.</ref>


=== Die Monate vor dem Attentat ===
=== Die Monate vor dem Attentat ===
Im Sommer 1963 versuchte Oswald, die Szene der antikommunistischen [[Exilkubaner]] in New Orleans zu unterwandern. So bot er [[Carlos José Bringuier]] an, als Ex-Marine Exilkubaner auszubilden und beim Sturz Castros zu helfen. Gleichzeitig engagierte er sich für die Organisation ''Fair Play for Cuba Committee'', dessen einziges Mitglied in New Orleans er war. Auf Flugblättern, die er verteilte, protestierte er gegen eine mögliche amerikanische Invasion Kubas. Als Adresse war ''New Orleans, Camp Street 544'' aufgestempelt. Im selben Gebäude, wenn auch unter einer anderen Adresse, residierte der FBI-Agent Guy Banister.
Im Sommer 1963 versuchte Oswald, die Szene der antikommunistischen [[Exilkubaner]] in New Orleans zu unterwandern. So bot er [[Carlos José Bringuier]] an, als Ex-Marine Exilkubaner auszubilden und beim Sturz Castros zu helfen. Gleichzeitig engagierte er sich für die Organisation ''Fair Play for Cuba Committee'', dessen einziges Mitglied in New Orleans er war. Auf Flugblättern, die er verteilte, protestierte er gegen eine mögliche amerikanische Invasion Kubas. Als Adresse war ''New Orleans, Camp Street 544'' aufgestempelt. Im gleichen Gebäude, wenn auch unter einer anderen Adresse, residierte der FBI-Agent Guy Banister. Wie Oswald den Druck des Flugblatts finanziert hatte, ist unbekannt. Sein Anwalt Dean Andrews berichtete später der Warren-Kommission, Oswald sei für das Verteilen bezahlt worden; es gibt auch eine Zeugenaussage, wonach ihm ein entsprechender Umschlag übergeben worden sein soll. Als er Exemplare dieses Flugblattes in der Canal Street verteilte, stellten ihn Bringuier und zwei andere Exilkubaner zur Rede und verprügelten ihn. Die Polizei nahm alle vier fest. Oswald wurde wegen Störung der öffentlichen Ordnung mit einem Bußgeld über 10 [[US-Dollar]] belegt. Sein Onkel Murret kontaktierte den Mafioso Emile Bruneau, der Oswald durch Hinterlegung einer Kaution auslöste.<ref>David Kaiser: ''The Road to Dallas. The Assassination of John. F. Kennedy.'' Harvard University Press, Cambridge, MA 2008, S. 210–219; Larry J. Sabato: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 173.</ref>


Wie Oswald den Druck des Flugblatts finanziert hatte, ist unbekannt. Sein Anwalt Dean Andrews berichtete später der Warren-Kommission, Oswald sei für das Verteilen bezahlt worden; es gibt auch eine Zeugenaussage, wonach ihm ein entsprechender Umschlag übergeben worden sein soll. Als er Exemplare dieses Flugblattes in der Canal Street verteilte, stellten ihn Bringuier und zwei andere Exilkubaner zur Rede und verprügelten ihn. Die Polizei nahm alle vier fest. Oswald wurde wegen Störung der öffentlichen Ordnung mit einem Bußgeld über 10 [[US-Dollar]] belegt. Sein Onkel Murret kontaktierte den Mafioso Emile Bruneau, der Oswald durch Hinterlegung einer Kaution auslöste.<ref>David Kaiser: ''The Road to Dallas. The Assassination of John. F. Kennedy.'' Harvard University Press, Cambridge, MA 2008, S. 210–219; Larry J. Sabato: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 173.</ref>
Diese Vorgänge erregten die Aufmerksamkeit des Lokalreporters William Stuckey, der in seiner Radioshow ''Latin Listening Post'' auf dem Sender ''WDSU'' darüber berichtete. Die Radiostation räumte Oswald zwei Termine zur Darlegung seiner Position ein, welche er am 17. und 21. August wahrnahm und in denen er sich als Anhänger Fidel Castros und als [[Marxismus-Leninismus|Marxist-Leninist]] ausgab.<ref>David Kaiser: ''The Road to Dallas. The Assassination of John. F. Kennedy.'' Harvard University Press, Cambridge, MA 2008, S. 210–219; John McAdams: ''JFK Assassination Logic. How to Think About Claims of Conspiracy''. Potomac Books, Dulles, VA 2011, S. 88–96; Larry J. Sabato: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 173 und 469.</ref>


Am 24. September 1963 verließ Oswald New Orleans. Seine Frau war bereits am 23. September mit Tochter June von Ruth Paine mit dem Auto nach Dallas geholt worden. Oswald selbst reiste per Bus nach Mexiko-Stadt, wo er vergebens versuchte, ein Visum für Kuba zu erhalten. Am 4. Oktober 1963 traf er wieder in New Orleans ein.<ref>Larry J. Sabato: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 177 f.</ref> Neun Tage später bekam er durch Vermittlung von Ruth Paine eine Anstellung im Schulbuchlager des Staates Texas, dem [[Texas School Book Depository]]. Am 20. Oktober kam seine zweite Tochter Audrey Marina Rachel Oswald zur Welt. Das Paar lebte zu der Zeit bereits getrennt: Marina lebte mit den Kindern in Irving, ihr Mann unter falschem Namen in Dallas.<ref>[[Vincent Bugliosi]]: ''Four Days in November. The Assassination of President John F. Kennedy.'' W.W.Norton, New York 2007, S.&nbsp;1&nbsp;ff.</ref> Ein Grund für den insgesamt unglücklichen Verlauf der Ehe waren Oswalds fortgesetzte Gewalttätigkeiten gegen seine Frau.<ref>Gerald Posner: ''Case Closed. Lee Harvey Oswald and the Assassination of JFK.'' Random House, New York 1993, S. 82, 92 und 98.</ref>
Diese Vorgänge erregten die Aufmerksamkeit des Lokalreporters William Stuckey, der in seiner Radiosendung ''Latin Listening Post'' beim Sender WDSU darüber berichtete. Der Radiosender räumte Oswald im August zwei Termine zur Darlegung seiner Position ein, die er wahrnahm und in denen er sich als Anhänger Fidel Castros und als [[Marxismus-Leninismus|Marxist-Leninist]] ausgab.<ref>David Kaiser: ''The Road to Dallas. The Assassination of John. F. Kennedy.'' Harvard University Press, Cambridge, MA 2008, S. 210–219; John McAdams: ''JFK Assassination Logic. How to Think About Claims of Conspiracy''. Potomac Books, Dulles, VA 2011, S. 88–96; Larry J. Sabato: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 173 und 469.</ref>


=== Das Attentat ===
Am 24. September 1963 verließ Oswald New Orleans. Seine Frau war bereits am 23. September mit Tochter June von Ruth Paine mit dem Auto nach Dallas geholt worden. Oswald selbst reiste per Bus nach [[Mexiko-Stadt]], wo er vergebens versuchte, ein Visum für Kuba zu erhalten. Am 4. Oktober 1963 traf er wieder in New Orleans ein.<ref>Larry J. Sabato: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 177 f.</ref> Neun Tage später bekam er durch Vermittlung von Ruth Paine eine Anstellung im Schulbuchlager des Staates Texas, dem [[Texas School Book Depository]].

Am 20. Oktober kam seine zweite Tochter Audrey Marina Rachel Oswald zur Welt. Das Paar lebte zu der Zeit bereits getrennt: Marina lebte mit den Kindern in Irving, ihr Mann unter falschem Namen in Dallas.<ref>[[Vincent Bugliosi]]: ''Four Days in November. The Assassination of President John F. Kennedy.'' W.W.Norton, New York 2007, S.&nbsp;1&nbsp;ff.</ref> Ein Grund für den insgesamt unglücklichen Verlauf der Ehe waren Oswalds fortgesetzte Gewalttätigkeiten gegen seine Frau.<ref>Gerald Posner: ''Case Closed. Lee Harvey Oswald and the Assassination of JFK.'' Random House, New York 1993, S. 82, 92 und 98.</ref>

=== Das Attentat auf John F. Kennedy ===
{{Hauptartikel|Attentat auf John F. Kennedy}}
{{Hauptartikel|Attentat auf John F. Kennedy}}


Am Morgen des 22. November 1963 nahm Lee Harvey Oswald seine Arbeit um 8:00&nbsp;Uhr im ''Texas School Book Depository'' auf. Von dort aus soll er gegen 12:30&nbsp;Uhr die tödlichen Schüsse auf den US-Präsidenten John F. Kennedy abgegeben haben. Anschließend soll Oswald seine Arbeit verlassen haben und zu seinem unter dem Namen ''O. H. Lee'' gemieteten Zimmer gegangen sein.
Am Morgen des 22. November 1963 nahm Lee Harvey Oswald seine Arbeit um 8:00&nbsp;Uhr im ''Texas School Book Depository'' auf. Von dort aus soll er gegen 12:30&nbsp;Uhr die tödlichen Schüsse auf den US-Präsidenten John F. Kennedy abgegeben haben. Anschließend soll Oswald seine Arbeit verlassen haben und zu seinem unter dem Namen ''O. H. Lee'' gemieteten Zimmer gegangen sein.
[[Datei:Mannlicher-Carcano rifle owned by Lee Harvey Oswald.jpg|mini|Das Gewehr vom Modell Mannlicher-Carcano, das im Schulbuchdepot gefunden wurde]]
[[Datei:Mannlicher-Carcano rifle owned by Lee Harvey Oswald.jpg|mini|Das Gewehr vom Modell Mannlicher-Carcano, das im Schulbuchdepot gefunden wurde]]
Circa 40 bis 45 Minuten nach dem Attentat auf Kennedy erschoss Oswald den Polizisten [[J. D. Tippit]], der sich auf Streife im Wohngebiet Oak Cliff befand.<ref>Vincent Bugliosi: ''Four Days in November. The Assassination of President John F. Kennedy'', W.W.Norton, New York 2007, S. 116 f.; Larry J. Sabato: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 249.</ref> Der Tatort befand sich eine knappe Meile entfernt von Oswalds Wohnung, in der er laut Aussage seiner Vermieterin gegen 13&nbsp;Uhr eingetroffen war, nur um sie wenige Minuten später wieder zu verlassen. Es wird vermutet, dass Tippit aufgrund der inzwischen verbreiteten Beschreibung des Tatverdächtigen im Kennedy-Mord Oswald anhielt, worauf dieser die Nerven verlor, den Polizisten niederschoss und zu Fuß flüchtete. Als Oswald gegen 13:50&nbsp;Uhr im nahe gelegenen [[Texas Theatre]] von rund 15 Polizeibeamten verhaftet wurde, trug er einen Revolver, der anhand der sichergestellten Kugeln in Tippits Leiche und der Patronenhülsen am Tatort als Tatwaffe in Frage kam.<ref>[http://www.aarclibrary.org/publib/contents/wc/contents_wh3.htm ''Warren Commission Hearings, Bd. III''], S.&nbsp;512 (Aussage von Joseph Nicol)</ref>


Das Verhör nach Oswalds Verhaftung dauerte zwölf Stunden. Aufgezeichnet wurden seine Aussagen nicht, da dies im damaligen Standardverfahren der Polizei von Dallas bei einer Vernehmung nicht vorgesehen war.<ref>Gerald Posner: ''Case Closed. Lee Harvey Oswald and the Assassination of JFK.'' Random House, New York 1993, S. 343 (Anm.).</ref> Von seinen Händen und seiner Wange nahm man [[Paraffin]]abgüsse, um sie chemisch auf [[Nitrat]]spuren zu untersuchen. Das sollte Aufschluss darüber geben, ob er in den letzten Stunden Schusswaffen abgefeuert hatte. Die Testergebnisse an seinen Händen waren positiv, der an seiner Wange negativ, was [[Vincent Bugliosi]] auf Unterschiede in der Bauweise beider Waffenarten zurückführt: Während es in einem Revolver zwischen [[Patronenlager]] und [[Lauf (Schusswaffe)|Lauf]] eine Lücke gebe, aus der [[Pulverdampf]] entweichen könne, so sei dies bei einem Gewehr nicht der Fall.<ref>Gerald Posner: ''Case Closed. Lee Harvey Oswald and the Assassination of JFK'', Random House, New York 1993, S. 348 f; Vincent Bugliosi: ''Four Days in November. The Assassination of President John F. Kennedy''. W. W. Norton, New York 2007, S. 260 ff.</ref>
Etwa 45 Minuten nach dem Attentat auf Kennedy erschoss Oswald den Polizisten [[J. D. Tippit]], der sich auf Streife im Wohngebiet Oak Cliff befand.<ref>Vincent Bugliosi: ''Four Days in November. The Assassination of President John F. Kennedy'', W.W.Norton, New York 2007, S. 116 f.; Larry J. Sabato: ''The Kennedy Half-Century. The Presidency, Assassination, and Lasting Legacy of John F. Kennedy''. Bloomsbury, New York 2013, S. 249.</ref> Der Tatort befand sich eine knappe Meile entfernt von Oswalds Wohnung, in der er laut Aussage seiner Vermieterin gegen 13&nbsp;Uhr eingetroffen war, um sie wenige Minuten später wieder zu verlassen. Es wird vermutet, dass Tippit aufgrund der inzwischen verbreiteten Beschreibung des Tatverdächtigen im Kennedy-Mord Oswald anhielt, worauf dieser die Nerven verlor, den Polizisten niederschoss und zu Fuß flüchtete. Als Oswald gegen 13:50&nbsp;Uhr im nahegelegenen [[Texas Theatre]] von rund 15 Polizeibeamten verhaftet wurde, trug er einen Revolver, der anhand der sichergestellten Kugeln in Tippits Leiche und der Patronenhülsen am Tatort als Tatwaffe in Frage kam.<ref>[http://www.aarclibrary.org/publib/contents/wc/contents_wh3.htm ''Warren Commission Hearings, Bd. III''], S.&nbsp;512 (Aussage von Joseph Nicol)</ref>


Oswald bestritt die Ermordung des Polizisten. Und auf die Frage, ob er Präsident Kennedy erschossen habe, antwortete er: „Ich habe niemanden erschossen!“ und „Man hat mich verhaftet, weil ich in der Sowjetunion gelebt habe!“ Als Oswald am darauffolgenden Tag bei der ersten öffentlichen Vorstellung erfuhr, dass er des Mordes an Kennedy angeklagt werden sollte, rief er: „Ich bin nur ein [[Sündenbock]]!“ ''(I’m just a patsy!).''<ref>Vincent Bugliosi: ''Four Days in November. The Assassination of President John F. Kennedy'', W.W.Norton, New York 2007, S. 256.</ref>
Das Verhör nach Oswalds Verhaftung dauerte zwölf Stunden. Aufgezeichnet wurden seine Aussagen nicht, da dies im damaligen Standardverfahren der Polizei von Dallas bei einer Vernehmung nicht vorgesehen war.<ref>Gerald Posner: ''Case Closed. Lee Harvey Oswald and the Assassination of JFK.'' Random House, New York 1993, S. 343 (Anm.).</ref> Von seinen Händen und seiner Wange nahm man [[Paraffin]]abgüsse, um sie chemisch auf [[Nitrat]]spuren zu untersuchen. Das sollte Aufschluss darüber geben, ob er in den letzten Stunden Schusswaffen abgefeuert hatte.


Bis zu einem Drittel aller Ohrenzeugen des Kennedymords gaben an, die Schüsse seien nicht aus dem Schulbuchlager gekommen, sondern von einem Grashügel am [[Dealey Plaza]]. Knapp 9 % hatten vier oder mehr Schüsse gehört.<ref>John McAdams, ''Dealey Plaza Earwitnesses'' ([http://mcadams.posc.mu.edu/shots.htm online] Zugriff am 18. Juli 2011).</ref> In der akademischen historischen Forschung zum Leben und zur Politik Kennedys herrscht die Ansicht vor, dass Oswald als Einzeltäter den Präsidenten erschoss.<ref>So die Einschätzung des Berliner Geschichtsprofessors Knud Krakau: „Die Historiographie und seriöse Publizistik neigen im Ergebnis dazu, die Alleintäterschaft Oswalds anzunehmen – und sei es auch nur, weil alle Alternativen noch weniger überzeugen (Norman Mailer; Gerald Posner)“, Knud Krakau: ''John F. Kennedy. 22. November 1963.'' In: Alexander Demandt (Hrsg.): ''Das Attentat in der Geschichte'', area, Erftstadt 2003, S.&nbsp;421; [[Alan Posener]], ''John F. Kennedy in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten'', Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 1991, S.&nbsp;126–138; [[Seymour Hersh]], ''Kennedy. Das Ende einer Legende.'' Hoffmann und Campe, Hamburg 1998; [[Robert Dallek]]: ''John F. Kennedy. Ein unvollendetes Leben.'' DVA, München 2003, S.&nbsp;645; [[Jürgen Heideking]]: ''John F. Kennedy 1961–1963. Der imperiale Präsident.'' In: ''Die amerikanischen Präsidenten. 42 historische Porträts von George Washington bis George W. Bush.'' hrsg. von Jürgen Heideking und Christof Mauch, 4. Auflage. C.H. Beck 2005, S.&nbsp;359; Michael O’Brien: ''John F. Kennedy. A Biography.'' Thomas Dunne Books, New York 2005, S. 903f; [[Jürgen Heideking]], [[Christof Mauch]]: ''Geschichte der USA.'' 5. Auflage. A. Francke, Tübingen 2007, S.&nbsp;326; [[Willi Paul Adams]]: ''Die USA im 20.&nbsp;Jahrhundert.'' 2. Auflage. Oldenbourg, München 2007, S.&nbsp;99.</ref>
Die Testergebnisse an seinen Händen waren positiv, der an seiner Wange negativ, was [[Vincent Bugliosi]] auf Unterschiede in der Bauweise beider Waffenarten zurückführt: Während es in einem Revolver zwischen [[Patronenlager]] und [[Lauf (Schusswaffe)|Lauf]] eine Lücke gebe, aus der [[Pulverdampf]] entweichen könne, so sei dies bei einem Gewehr nicht der Fall.<ref>Gerald Posner: ''Case Closed. Lee Harvey Oswald and the Assassination of JFK'', Random House, New York 1993, S. 348 f; Vincent Bugliosi: ''Four Days in November. The Assassination of President John F. Kennedy''. W. W. Norton, New York 2007, S. 260 ff.</ref>


=== Ermordung ===
Oswald bestritt die Ermordung des Polizisten. Auf die Frage, ob er Präsident Kennedy erschossen habe, antwortete er: „Ich habe niemanden erschossen!“ und „Man hat mich verhaftet, weil ich in der Sowjetunion gelebt habe!“ Als Oswald am folgenden Tag bei der ersten öffentlichen Vorstellung erfuhr, dass er des Mordes an Kennedy angeklagt werden sollte, rief er: „Ich bin nur ein [[Sündenbock]]!“ ''(I’m just a patsy!).''<ref>Vincent Bugliosi: ''Four Days in November. The Assassination of President John F. Kennedy'', W.W.Norton, New York 2007, S. 256.</ref>

Bis zu einem Drittel aller Ohrenzeugen des Kennedy-Mords gaben an, die Schüsse seien nicht aus dem Schulbuchlager gekommen, sondern von einem Grashügel am [[Dealey Plaza]]. Knapp neun Prozent hatten vier oder mehr Schüsse gehört.<ref>John McAdams, ''Dealey Plaza Earwitnesses'' ([http://mcadams.posc.mu.edu/shots.htm online] Zugriff am 18. Juli 2011).</ref> In der akademischen historischen Forschung zum Leben und zur Politik Kennedys herrscht die Ansicht vor, dass Oswald als Einzeltäter den Präsidenten erschossen hat.<ref>So die Einschätzung des Berliner Geschichtsprofessors Knud Krakau: „Die Historiographie und seriöse Publizistik neigen im Ergebnis dazu, die Alleintäterschaft Oswalds anzunehmen – und sei es auch nur, weil alle Alternativen noch weniger überzeugen (Norman Mailer; Gerald Posner)“, Knud Krakau: ''John F. Kennedy. 22. November 1963.'' In: Alexander Demandt (Hrsg.): ''Das Attentat in der Geschichte'', area, Erftstadt 2003, S.&nbsp;421; [[Alan Posener]], ''John F. Kennedy in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten'', Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 1991, S.&nbsp;126–138; [[Seymour Hersh]], ''Kennedy. Das Ende einer Legende.'' Hoffmann und Campe, Hamburg 1998; [[Robert Dallek]]: ''John F. Kennedy. Ein unvollendetes Leben.'' DVA, München 2003, S.&nbsp;645; [[Jürgen Heideking]]: ''John F. Kennedy 1961–1963. Der imperiale Präsident.'' In: ''Die amerikanischen Präsidenten. 42 historische Porträts von George Washington bis George W. Bush.'' hrsg. von Jürgen Heideking und Christof Mauch, 4. Auflage. C.H. Beck 2005, S.&nbsp;359; Michael O’Brien: ''John F. Kennedy. A Biography.'' Thomas Dunne Books, New York 2005, S. 903f; [[Jürgen Heideking]], [[Christof Mauch]]: ''Geschichte der USA.'' 5. Auflage. A. Francke, Tübingen 2007, S.&nbsp;326; [[Willi Paul Adams]]: ''Die USA im 20.&nbsp;Jahrhundert.'' 2. Auflage. Oldenbourg, München 2007, S.&nbsp;99.</ref>

=== Oswalds Ermordung===
[[Datei:Pappas Exh1-murder Oswald-21-19.jpg|mini|Attentat auf Lee Oswald während seiner Überführung ins Staatsgefängnis von Dallas]]
[[Datei:Pappas Exh1-murder Oswald-21-19.jpg|mini|Attentat auf Lee Oswald während seiner Überführung ins Staatsgefängnis von Dallas]]
Am 24. November 1963, zwei Tage nach seiner Verhaftung, wurde Oswald um 11:21&nbsp;Uhr von dem [[Nachtclub]]-Besitzer [[Jack Ruby]] bei der Überführung in das Staatsgefängnis von Dallas in den Bauch geschossen. Er starb um 13:07 Uhr im Parkland Hospital der Stadt.<ref>Vincent Bugliosi: ''Four Days in November. The Assassination of President John F. Kennedy.'' W.W.Norton, New York 2007, S. 510 f.</ref> Er wurde 24 Jahre alt.
Am 24. November 1963, zwei Tage nach seiner Verhaftung, wurde Oswald um 11:21&nbsp;Uhr von dem Nachtclub-Besitzer [[Jack Ruby]] bei der Überführung in das Staatsgefängnis von Dallas in den Bauch geschossen. Er starb um 13:07 Uhr im Parkland Hospital der Stadt.<ref>Vincent Bugliosi: ''Four Days in November. The Assassination of President John F. Kennedy.'' W.W.Norton, New York 2007, S. 510 f.</ref>

Ruby hatte das Polizeigebäude ungehindert betreten können, der [[Mord]] ereignete sich vor laufenden Kameras. Die Tatsache, dass die Warren-Kommission im Ermittlungsverfahren Beweise unterschlagen und wichtige Zeugen nicht zugelassen hatte, trug ebenso wie die Rolle des Opfers – einer Symbolfigur für ein sich erneuerndes Amerika – erheblich zu den bis heute andauernden Kontroversen und [[Attentat auf John F. Kennedy#Verschwörungstheorien|Verschwörungstheorien]] im Mordfall bei. Lee Harvey Oswald wurde auf dem Shannon Rose Hill Memorial Park in [[Fort Worth]], Texas beigesetzt.


1981 wurde Oswalds Leiche [[Exhumierung|exhumiert]], um den im Zuge dieser Theorien entstandenen Verdacht zu überprüfen, ein anderer sei an seiner Stelle beerdigt worden und Oswalds sterbliche Überreste befänden sich an einem geheimen Ort. Der Verdacht bestätigte sich nicht.<ref>Peter D. Knight: ''Conspiracy Culture. From the Kennedy Assassination to the X-Files.'' Routledge, London/New York 2000, S.&nbsp;97.</ref>
Ruby hatte das Polizeigebäude ungehindert betreten können, der [[Mord]] ereignete sich vor laufenden Kameras. Die Tatsache, dass die Warren-Kommission im Ermittlungsverfahren Beweise unterschlug und wichtige Zeugen nicht zuließ, trug ebenso wie die Rolle des Opfers – einer Symbolfigur für ein sich erneuerndes Amerika – erheblich zu den bis heute andauernden Kontroversen und [[Verschwörungstheorie]]n im Mordfall bei. 1981 wurde Oswalds Leiche [[Exhumierung|exhumiert]], um den im Zuge dieser Theorien entstandenen Verdacht zu überprüfen, ein anderer sei an seiner Stelle beerdigt worden und Oswalds sterbliche Überreste befänden sich an einem geheimen Ort. Der Verdacht bestätigte sich jedoch nicht.<ref>Peter D. Knight: ''Conspiracy Culture. From the Kennedy Assassination to the X-Files.'' Routledge, London/New York 2000, S.&nbsp;97.</ref>


Lee Harvey Oswald wurde am 25. November 1963 (am selben Tag wie John F. Kennedy) auf dem Shannon Rose Hill Memorial Park in [[Fort Worth]], Texas beigesetzt.
[[Datei:Oswald Grab Dallas.jpg|mini|Oswalds Grab im Shannon Rose Hill Memorial Park, Fort Worth]]
[[Datei:Oswald Grab Dallas.jpg|mini|Oswalds Grab im Shannon Rose Hill Memorial Park, Fort Worth]]


== Rezeption in der Belletristik ==
== Rezeption im Roman ==
Die amerikanischen Schriftsteller [[Don DeLillo]] und [[Norman Mailer]] verarbeiteten die Lebensgeschichte Oswalds in ihren Büchern ''Sieben Sekunden'' (1988) bzw. ''Oswald’s Tale: An American Mystery'' (1995).
Die amerikanischen Schriftsteller [[Don DeLillo]] und [[Norman Mailer]] verarbeiteten die Lebensgeschichte Oswalds in ihren Büchern ''Sieben Sekunden'' (1988) bzw. ''Oswald’s Tale: An American Mystery'' (1995).


Das Werk ''[[Der Anschlag (Roman)|Der Anschlag]]'' von [[Stephen King]] ist ein umfassend recherchierter [[Zeitreise]]-Roman über die Ereignisse des Kennedy-Attentats.<ref>http://www.stephenking.com/index.html</ref>
Das Werk ''[[Der Anschlag (Roman)|Der Anschlag]]'' des Schriftstellers [[Stephen King]] ist ein umfassend recherchierter [[Zeitreise]]-Roman anhand der Ereignisse des Kennedy-Attentats.<ref>http://www.stephenking.com/index.html</ref>


== Film und Fernsehen ==
== Film und Fernsehen ==
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* ''[[Parkland (Film)|Parkland]]'' – Spielfilm (2013) von [[Peter Landesman]], in dem offenbleibt, ob Oswald Kennedys Mörder ist.
* ''[[Parkland (Film)|Parkland]]'' – Spielfilm (2013) von [[Peter Landesman]], in dem offenbleibt, ob Oswald Kennedys Mörder ist.
* ''[[11.22.63 – Der Anschlag]]'' (2016), eine Fernsehserie, die auf dem gleichnamigen Roman von Stephen King basiert. Darin will ein Zeitreisender das Attentat auf Kennedy verhindern. Oswald wird von [[Daniel Webber]] gespielt.
* ''[[11.22.63 – Der Anschlag]]'' (2016), eine Fernsehserie, die auf dem gleichnamigen Roman von Stephen King basiert. Darin will ein Zeitreisender das Attentat auf Kennedy verhindern. Oswald wird von [[Daniel Webber]] gespielt.
* ''[[Flashpoint - Die Grenzwölfe]]'' - Spielfilm aus den USA von 1984 mit Kris Kristofferson und Treat Williams. District-Polizei geriet auf die Spur des wahren Mörders von John F. Kennedy


== Popkultur ==
== Popkultur ==

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In dieser Seite verwendete Wikidata-Objekte

  • Arbeiter: Bezeichnung: de
  • Lee Harvey Oswald: Titel, Bezeichnung: de, Websitelink, Aussage: P227, Aussage: P535, Aussage: P214, Aussage: P244, Beschreibung: de, Aussage: P31, Aussage: P106
  • Mensch: Bezeichnung: de

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