„Lebensraum im Osten“ – Versionsunterschied
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'''Lebensraum im Osten''' ist ein politischer Begriff, der mit der „germanischen“ bzw. „arischen“ Besiedlung von Gebieten außerhalb der deutschen Grenzen, vor allem im Osten Deutschlands, verbunden ist. Er wurde von der [[Völkische Bewegung|völkischen Bewegung]] im wilhelminischen Kaiserreich geprägt und von der [[Nationalsozialismus|nationalsozialistischen Bewegung]] im Dritten Reich rassenbiologisch interpretiert. Er lieferte den ideologischen Hintergrund für [[Heinrich Himmler|Himmlers]] „[[Generalplan Ost]]“, der die Vertreibung der „rassisch unerwünschten“ Bevölkerung der besetzten Ostgebiete, ihre Germanisierung und wirtschaftliche Ausbeutung vorsah. |
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== Die völkische Bewegung == |
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Version vom 29. Mai 2007, 11:48 Uhr
Lebensraum im Osten ist ein politischer Begriff, der mit der „germanischen“ bzw. „arischen“ Besiedlung von Gebieten außerhalb der deutschen Grenzen, vor allem im Osten Deutschlands, verbunden ist. Er wurde von der völkischen Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich geprägt und von der nationalsozialistischen Bewegung im Dritten Reich rassenbiologisch interpretiert. Er lieferte den ideologischen Hintergrund für Himmlers „Generalplan Ost“, der die Vertreibung der „rassisch unerwünschten“ Bevölkerung der besetzten Ostgebiete, ihre Germanisierung und wirtschaftliche Ausbeutung vorsah.
Die völkische Bewegung
Friedrich Ratzel (1844-1904) popularisierte erstmals in seinen wissenschaftlichen Werken „Politische Geographie“ (1897) und „Der Lebensraum“ (1901) den Begriff „Lebensraum“. Er übertrug Darwins Theorien vom Überlebenskampf auf die Geographie und verstand Staaten als Lebewesen, die in einem permanenten Kampf um Lebensraum begriffen wären, und deren Existenz von dessen Bestehen abhinge.
Die völkische Bewegung und der Alldeutsche Verband griffen den Terminus auf und benutzten ihn im Zusammenhang mit den Auslandsdeutschen, dem Deutschtum in den Grenzgebieten und der Expansion des deutschen Volkes: deutsches Land dürfe nicht verloren gehen, und die Neugründung deutscher Siedlungen müsse Ziel sein. Den etablierten Kolonialgesellschaften in Deutschland standen sie ablehnend gegenüber: die deutsche Kolonialpolitik sei beinahe ausschließlich von wirtschaftlichen Erwägungen geprägt und stünde unter starkem jüdischen Einfluss. Es gehe um besiedlungsfähigen Raum für eine alldeutsch und allgermanisch orientierte Siedlungspolitik großen Stils. Außereuropäische Kolonien spielten dabei keine große Rolle. Es gehe um den Osten, der sich an das deutsche Mutterland unmittelbar anschließt. Dorthin weist uns das Schicksal: der Kompaß der Germanen zeigt nach Osten. Die deutschen Amerikaauswanderer müssten nach Osten umgeleitet und zur Lösung der sozialen Frage Arbeiter und städtisches Proletariat dort angesiedelt werden. Gängige völkische Vorstellung war ein germanischer Rassestaat auf dem Volksboden Mitteleuropas, besiedelt von deutschen Bauern und Handwerkern, den Vätern zukünftiger Krieger. Paul de Lagarde hatte bereits 1875 diese Vision eines deutschen Reiches beschrieben, dessen Grenzlinien
- „im Westen von Luxemburg bis Belfort, im Osten von Memel bis zum alten Gotenlande am Schwarzen Meer zu gehen, im Süden jedenfalls Triest einzuschließen haben, und das Kleinasien für künftiges Bedürfnis gegen männiglich freihält“. [1]
Stark popularisiert wurde die Idee des Lebensraumes durch den 1926 erschienen Roman von Hans Grimm „Volk ohne Raum“.
Mein Kampf
In seinem 1924/1925 geschriebenen „Mein Kampf“ entwickelte Hitler, in einem besonderen Kapitel über „Ostorientierung oder Ostpolitik“, ausführlich seine Lebensraumpläne, er rief dazu auf, dem deutschen Volk den „ihm gebührenden Grund und Boden auf dieser Erde zu sichern“ und bekundete:
- „Damit ziehen wir Nationalsozialisten bewußt einen Strich unter die außenpolitische Richtung unserer Vorkriegszeit. Wir setzen dort an, wo man vor sechs Jahrhunderten endete. Wir stoppen den ewigen Germanenzug nach dem Süden und Westen Europas und weisen den Blick nach dem Land im Osten. Wir schließen endlich ab die Kolonial- und Handelspolitik der Vorkriegszeit und gehen über zur Bodenpolitik der Zukunft. Wenn wir aber heute in Europa von neuem Grund und Boden reden, können wir in erster Linie nur an Rußland und die ihm untertanen Randstaaten denken.“[2]
In seinem unveröffentlichten zweiten Buch sprach er bereits davon die in den annektierten Gebieten ansässige Bevölkerung kurzerhand zu „entfernen“ um „den dadurch freigewordenen Grund und Boden“ an die eigene Bevölkerung übergeben zu können.
Maßgebend für diese Idee war, ausgehend von der Rassenideologie, Hitlers Glaube an eine überlegene arische Rasse und unterlegenen anderen Rassen, zu denen auch die Slawen gehörten. Aus diesem Grund wurde auch der Russlandfeldzug mit einer so ungeheuren Grausamkeit geführt, um das Land zu entvölkern und so Platz zu machen für die spätere Besiedlung.
Schlüsseldokumente
Eine umfangreiche Liste von Schlüsseldokumenten bezeugt das Hitler konsequent an seinen Kriegszielvorstellungen festhielt.
- Gleich nach der Machtübergabe verkündete Hitler bei seinem Antrittsbesuch bei den Generälen in der Wohnung des Generals Hammerstein-Equord am 3. Februar 1933 sein Lebensraumprogramm:
- „Wie soll pol. Macht, wenn sie gewonnen ist, gebraucht werden? Jetzt noch nicht zu sagen. Vielleicht Erkämpfung neuer Export-Mögl., vielleicht - und wohl besser - Eroberung neuen Lebensraums im Osten u. dessen rücksichtslose Germanisierung.“[3]
- In seiner geheimen Denkschrift zum Vierjahresplan, in der gefordert wurde, dass die deutsche Armee und die deutsche Wirtschaft in 4 Jahren kriegsbereit zu sein haben, führte Hitler aus:
- „Die endgültige Lösung liegt in einer Erweiterung des Lebensraumes bzw. der Rohstoff- und Ernährungsbasis unseres Volkes. Es ist Aufgabe der politischen Führung, diese Frage dereinst zu lösen.“[4]
- Am 5. November 1937 führte Hitler vor den wichtigsten Vertretern der Wehrmacht aus, dass die deutsche Raumfrage nur durch einen Krieg gelöst werden könne. (Hoßbach-Protokoll)
- Am 23. Mai 1939 führte Hitler vor seinen Oberbefehlshabern aus:
- „Der Lebensraum, der staatl. Größe angemessen, ist die Grundlage für jede Macht. Eine Zeit lang kann man Verzicht leisten, dann aber kommt die Lösung der Probleme so oder so. Es bleibt die Wahl zwischen Aufstieg oder Abstieg. In 15 oder 20 Jahren wird für uns die Lösung zwangsweise notwendig. Länger kann sich kein deutscher Staatsmann um die Frage herumdrücken.“ [5]
- Am 23. November 1939 führte Hitler vor seinen Oberbefehlshabern aus:
- „Die steigende Volkszahl erforderte größeren Lebensraum. Mein Ziel war, ein vernünftiges Verhältnis zwischen Volkszahl und Volksraum herbeizuführen. Hier muß der Kampf einsetzen. Um die Lösung dieser Aufgabe kommt kein Volk herum oder es muß verzichten und allmählich untergehen“ [6]
In den eroberten Ostgebieten wollte Hitler 100 Millionen Deutsche ansiedeln, dazu sollte mit dem Generalplan Ost ein Großteil der slawischen Völker ausgerottet oder nach Sibirien deportiert bzw. als Arbeitssklaven gehalten werden. Der massenhafte Abtransport von Lebensmitteln und die Plünderung durch Soldaten der Wehrmacht sowie der Hungertod sowjetischer Kriegsgefangener und russischer Zivilisten wurde dabei bewusst in Kauf genommen (siehe auch: Hungerplan, Programm Heinrich).
Verwandte Themen
- Blut-und-Boden-Ideologie
- Ober Ost
- Generalgouvernement
- Polen-Erlasse, Polenstrafrechtsverordnung
- Reichskommissariat, Reichskommissariat Ostland, Reichskommissariat Ukraine
Quellen
- ↑ Zitate des Abschnitts „Die völkische Bewegung“ zitiert nach Uwe Puschner: Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich, Darmstadt 2001, ISBN 3-534-15052-X
- ↑ Adolf Hitler, Mein Kampf, Zwei Bände in einem Band, S. 742
- ↑ Walther Hofer, Der Nationalsozialismus Dokumente 1933-1945, Frankfurt am Main 1957, S. 181
- ↑ Wilhelm Treue, Hitlers Denkschrift zum Vierjahresplan, in VfZG 2/1955, S. 204
- ↑ Wolfgang Michalka, Deutsche Geschichte 1933-1945, Frankfurt am Main 1999, S. 165
- ↑ Wolfgang Michalka, Deutsche Geschichte 1933-1945, Frankfurt am Main 1999, S. 181
Weblinks
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