„Heckler & Koch“ – Versionsunterschied
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Die '''Heckler & Koch''' GmbH ('''H&K''', '''HK''') ist ein deutsches [[Rüstungsindustrie|Rüstungsunternehmen]] mit Sitz in [[Oberndorf am Neckar]] (Stadtteil Lindenhof), [[Baden-Württemberg]]. Die Firma wurde 1949 von ehemaligen Mitarbeitern der [[Mauser (Waffenhersteller)|Mauserwerke]] gegründet. Sie besitzt Niederlassungen oder Zweigstellen in [[Virginia]], [[Georgia]] und [[New Hampshire]] ('''Heckler & Koch Inc.''', USA), [[Nottingham]], Großbritannien ('''NSAF Ltd.''') und [[Saint-Nom-la-Bretèche]], Frankreich ('''Heckler & Koch France SAS'''). Dachgesellschaft ist seit 2002 die '''Heckler & Koch Beteiligungs-GmbH''' in Oberndorf. Sie ist derzeit der bedeutendste deutsche Hersteller von [[Handfeuerwaffe|Handfeuer-]] und Infanteriewaffen und gehört zu den fünf größten [[Gewehr]]- und [[Pistole]]nherstellern weltweit.<ref name="Zeit2007-05-03">Alexander Bühler, Kerstin Kohlenberg: [http://www.zeit.de/2007/19/Kleinwaffen ''Planet der Waffen.''] [[Die Zeit]] 19/3. Mai 2007, S. 17–20</ref> |
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Version vom 24. September 2012, 10:56 Uhr
HECKLER & KOCH GmbH
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Rechtsform | GmbH |
Gründung | 1949 |
Sitz | Oberndorf am Neckar, Deutschland |
Leitung | Andreas Heeschen (Haupteigentümer, Vorstandsvorsitzender) Martin Newton (CEO)[1] Niels Ihloff (Geschäftsführung Personal) Martin Lemperle (Geschäftsführung Produktion)[2] |
Mitarbeiterzahl | 640 (31. Dezember 2010)[3] |
Umsatz | 203,6 Mio. Euro (2010) [4] |
Branche | Rüstungsindustrie |
Website | www.heckler-koch.com |
Die Heckler & Koch GmbH (H&K, HK) ist ein deutsches Rüstungsunternehmen mit Sitz in Oberndorf am Neckar (Stadtteil Lindenhof), Baden-Württemberg. Die Firma wurde 1949 von ehemaligen Mitarbeitern der Mauserwerke gegründet. Sie besitzt Niederlassungen oder Zweigstellen in Virginia, Georgia und New Hampshire (Heckler & Koch Inc., USA), Nottingham, Großbritannien (NSAF Ltd.) und Saint-Nom-la-Bretèche, Frankreich (Heckler & Koch France SAS). Dachgesellschaft ist seit 2002 die Heckler & Koch Beteiligungs-GmbH in Oberndorf. Sie ist derzeit der bedeutendste deutsche Hersteller von Handfeuer- und Infanteriewaffen und gehört zu den fünf größten Gewehr- und Pistolenherstellern weltweit.[5]
Wegen der Verbreitung seiner Produkte in Krisenregionen und Embargo-Staaten steht das Unternehmen seit Jahrzehnten in der Kritik. Mehrere staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen des Verdachts von Verstößen gegen deutsche Exportrichtlinien fanden statt. Einige sind noch nicht abgeschlossen (September 2012).
Geschichte
In Oberndorf befand sich von 1811 bis 1874 die Königlich Württembergische Gewehrfabrik und seit 1872 die Waffenfabrik Mauser. Deren Produktionsanlagen wurden 1946 im Zuge der Entmilitarisierung Deutschlands von der französischen Besatzungsmacht demontiert; die Entwicklung neuer Waffen wurde abgebrochen.[6] Die alliierten Rüstungsverbote wurden nach Gründung der Bundesrepublik 1949 und ihrem NATO-Beitritt 1952 mit Zustimmung der Bundesregierung in den Vertrag der Westeuropäischen Union von 1954 übernommen.[7]
Die ehemaligen Ingenieure der Mauserwerke Edmund Heckler, Theodor Koch und Alex Seidel gründeten am 28. Dezember 1949 mit dem Eintrag von 40.000 DM Stammkapital die Firma H&K, die anfangs Teile für Nähmaschinen, Werkzeuge, Lehren und Werkzeugmaschinen herstellte.[8] Dabei übernahm die Firma die arbeitslosen Facharbeiter der demontierten Mauser-Werke. 1950 begann die Fertigung im ehemaligen Reichsarbeitsdienstlager im Stadtteil Lindenhof.[9] Dort begann man, in einer rechtlichen Grauzone das Sturmgewehr 44, das MG42 und die P38 für die Polizei, den Bundesgrenzschutz und die alliierten Besatzungstruppen herzustellen.[10]
Auf Einladung Spaniens unter Diktator Francisco Franco von 1949 stellte Werner Heynen, der ehemalige Generaldirektor der Gustloff-Werke, eine Gruppe ehemaliger Mauser-Mitarbeiter zusammen, die das Sturmgewehr 06H in Spanien weiterentwickelte. 1951 bauten sie den ersten Prototyp des Gewehrs CETME. Das deutsche Amt Blank nahm für den vorbereiteten Wiederaufbau der Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland Kontakt mit Spanien auf und erreichte, dass die deutschen Waffenexperten zurückkehren durften.[11]
1955 wurde die Bundeswehr gegründet; die bisherigen Rüstungsbeschränkungen wurden gelockert. Daraufhin erweiterten H&K ihre wehrtechnischen Angebote.[12] Die belgische Regierung kaufte das CETME-Patent auf, entwickelte es zum FN FAL weiter und lieferte es als G1 anfangs auch an die Bundeswehr.
Der Bundesregierung gelang es jedoch, selbst die Herstellungslizenz für das CETME-Gewehr zu erhalten und so eine eigene, vom Ausland unabhängige Kleinwaffenindustrie aufzubauen.[13] Sie vergab in den Folgejahrzehnten Herstellungslizenzen für HK-Waffen an andere Staaten, besonders an spätere Stammkunden von H&K. Dies verschaffte der deutschen Kleinwaffenindustrie entscheidende Wettbewerbsvorteile auf dem Weltmarkt, da Deutschland die Patente für diese Waffen, die dafür benötigten Maschinen und Ersatzteile besitzt.[14]
Ab Juli 1955 baute H&K das CETME in Serie und entwickelte es zum G3 weiter.[15] 1956 gewann die Firma mit dem G3 die Ausschreibung für das Ordonnanzgewehr der neu gegründeten Bundeswehr und erhielt 1958 die Generallizenz dafür. Nach Truppentests 1956 und 1957 erhielt die Firma im Januar 1959 den Auftrag des Bundesverteidigungsministeriums, 150.000 G3-Gewehre an die Bundeswehr zu liefern. Im September 1959 begann die Lieferung. Das G3 wurde zur Ordonnanzwaffe der Bundeswehr.[11] Die Bundesrepublik finanzierte seine Entwicklung und besitzt die Patentrechte dafür.[16]
Am 2. Juli 1960 starb der Firmenmitgründer Edmund Heckler. 1974 wurde das Unternehmen in die Bereiche HK Polizei- und Wehrtechnik sowie HK Jagd- und Sportwaffen aufgeteilt. Die Firma hatte zu diesem Zeitpunkt 2000 Mitarbeiter.[17] 1975 wurde das US-Tochterunternehmen Heckler & Koch Inc. in Arlington County, Virginia (USA) gegründet. Zunächst bestand diese Gesellschaft nur aus vier Personen. Infolge einer erheblichen Nachfragesteigerung nach HK-Waffen in den USA beschloss H&K 1979 den Bau eines eigenen Firmengebäudes in Chantilly (Virginia).[18] Im Juli 1976 starb auch der Firmenmitgründer Theodor Koch. Alex Seidel blieb bis 19. Dezember 1980 im Unternehmen.
Anfang der 1980er Jahre trennte die Firma die militärische von der zivilen Produktion und fasste den zivilen Maschinen- und Anlagenbau in der Heckler & Koch Maschinen- und Anlagenbau GmbH am Standort Schramberg-Waldmössingen zusammen. Die Waffenherstellung blieb ihr Kerngeschäft.[19]
Die Bundesregierung beauftragte H&K 1976 mit der Entwicklung des HK G11 für die Bundeswehr und investierte dafür bis 1990 über 90 Millionen DM.[20] Als das G11 fertig entwickelt war und die Bundeswehr bereits seine Truppentauglichkeit geprüft hatte, setzte die Bundesregierung die Anschaffung jedoch aus, weil der Warschauer Pakt inzwischen nicht mehr existierte.[21][5] Damit drohte dem Unternehmen der Konkurs. Die Bundeswehr beschloss 1993 endgültig, die teure High-Tech-Waffe nicht anzuschaffen.[22]
Nach Einflussnahme auch von CDU-Funktionären übernahm 1991 die Royal Ordnance (RO), eine Tochter des englischen Rüstungskonzerns British Aerospace (später BAE Systems), das Unternehmen.[23] Weil RO bislang keine Handfeuerwaffen nach Deutschland verkauft hatte und somit keine Addition von Marktanteilen dafür zu erwarten war, erlaubte das Kartellamt die Übernahme. Dabei wurden 450 Beschäftigte entlassen.[24]
Nach Klagen von Opferangehörigen gegen Schusswaffenhersteller in den USA versuchte BAE die aufgekaufte Tochterfirma Ende der 1990er Jahre erfolglos wieder zu verkaufen.[25] Als Grund gab BAE an, man wolle sich auf höherwertige Waffensysteme konzentrieren.[26] Die Heckler & Koch Maschinen- und Anlagenbau GmbH wurde 1995 in einem Asset Deal an die neu gegründete Schwäbische Werkzeugmaschinen GmbH verkauft.[27] Ende 1999 haben der traditionsreiche US-Waffenhersteller Colt mit BAE eine Absichtserklärung über den Kauf von H&K für 100 Mio. Dollar unterzeichnet, zum Verkauf kam es jedoch nicht.[28]
2002 wurde H&K an eine private Investorengruppe verkauft, zu der die beiden bisherigen Geschäftsführer Ernst Mauch und Dirk Holzknecht, der Londoner Kaufmann Keith Halsey und der deutsche Multiunternehmer Andreas Heeschen gehörten.[29] Die neuen Eigentümer teilten das Unternehmen 2002 in die Sparten Wehrtechnik/Behördengeschäft und Zivilwaffen auf. Der herausgelöste Jagd- und Sportwaffenbereich wird seit 2003 durch die Heckler & Koch Jagd- und Sportwaffen GmbH (HKJS) eigenständig geführt. Diese kaufte im selben Jahr das Traditionsunternehmen Merkel Jagd- und Sportwaffen (Suhler Jagd- und Sportwaffen GmbH) in Suhl, ließ es aber als eigenständige Marke und Produktionsstandort bestehen.[30] 2007 verkaufte HKJS das Tochterwerk Merkel wieder; die Tochterfirma C. G. Haenel stellt ihre Waffen her.[31]
Ab 1994 hatte H&K zusammen mit anderen Rüstungsfirmen im Rahmen des Programms Objective Individual Combat Weapon (OICW) ein neues Handfeuerwaffensystem für die US-Armee entwickelt. Diese entschied sich 1998 für den deutschen Entwurf. Ab 2008 sollte das neu entwickelte HK XM29 in der US-Armee eingeführt werden. Diese teilte das OICW-Programm 2005 jedoch in drei Teilbereiche auf und ließ auch das daraufhin entwickelte HK XM8 einstellen. Der erwartete Großauftrag zur Ausrüstung der US-Armee blieb aus.
H&K arbeitete von mindestens 2006 bis 2008 mit der US-Sicherheitsfirma Blackwater Worldwide zusammen, lieferte dieser wahrscheinlich über die US-Tochterfirma in Virgina legal Waffen, entwickelte mit ihr neue Spezialwaffen und bot ihren Söldnern Schießlehrgänge an.[32] Nach Berichten über willkürliche Morde von Blackwatersöldnern im Irak im Februar 2008 stellte H&K diese Zusammenarbeit ein.
2008 wies H&K Verluste in Millionenhöhe aus. Als Ursache wurden finanzielle Beteiligungen an Verlustgeschäften und Kreditvergaben an die H&K-Eigner Halsey und Heeschen sowie an deren Unternehmen angegeben. Ein Großteil der Beteiligung von 41 Millionen Euro an der Firma Wolf-Garten musste abgeschrieben werden, als diese im Januar 2009 in Insolvenz ging.[33]
Heeschen gab die Geschäftsführung der Wuppertaler Luhns-GmbH 2008 auf und wechselte in den Vorstand von H&K. Er hält etwa 46 Prozent der Aktien der damals neu gegründeten Dachgesellschaft H&K Beteiligungs-GmbH (HKB) und eine Option auf weitere rund fünf Prozent, also etwa 51 Prozent der Stimmrechte. Im Januar 2010 verkaufte er 4,6 Prozent seiner Anteile an seinen Schwager, den Unternehmer Alfred Schefenacker. Er gab an, dass damit keine Stimmanteile verbunden seien und es um familiensteuerliche Planungen gehe. Er werde die Anteile im Juni 2010 wieder zurückkaufen.[34]
Ende 2010 hat die Ratingagentur Standard & Poor’s das Rating für H&K auf CCC+ (Zahlungssausfall nur bei günstiger Entwicklung abwendbar) herabgestuft. Begründet wurde dies damit, dass die Refinanzierung einer im Juli 2011 fälligen Anleihe über 120 Millionen Euro nicht gesichert war. [35] Um den fälligen Kredit begleichen zu können, platzierte H&K im Mai 2011 Hochzinsanleihen mit einem Volumen von 295 Millionen Euro, welche bis 2018 laufen. Mit diesem frischen Geld soll auch ein 2013 fälliger Payment-in-Kind-Kredit über 100 Millionen Euro abgelöst werden. [36] Ein 2011 geplanter Börsengang mit dem Ziel, die Verschuldung des Unternehmens zu senken, wurde im September 2011 auf unbestimmte Zeit verschoben. [37]
Produkte
H&K unterteilt seine Produktpalette in Pistolen, Maschinenpistolen, Sturmgewehre, Maschinengewehre, Präzisionsgewehre und 40-Millimeter-Systeme. Die Firma beliefert mindestens 88 Staaten direkt mit ihren Waffen[5], darunter die Polizeien und Armeen der meisten NATO-Staaten. In mindestens 92 Staaten sind Sicherheitskräfte mit von der Firma entwickelten Waffen ausgerüstet.[38]
Bis 2003 wurden etwa 7 Millionen Stück des G3 hergestellt. Es zählt nach der Kalaschnikow AK-47 (70–100 Millionen) zu den am meisten verbreiteten Schnellfeuergewehren der Welt.[39] G3-Gewehre aus nichtdeutscher Produktion von Lizenznehmern werden weltweit eingesetzt, oft auch in Krisenregionen und Kriegen.
Polizeien, Sondereinheiten und andere Sicherheitskräfte von mindestens 61 Staaten verwenden die Maschinenpistolen-Bauserie HK MP5, oft seit Jahrzehnten.[40] H&K rüstete die Sicherungsgruppe Bonn des Bundeskriminalamts, den Bundesgrenzschutz, die GSG 9, polizeiliche MEKs, Polizeien und Sondereinsatzkommandos der Bundesländer mit der MP5 aus, zum Teil schussbereit befestigt in einem „Spezialkoffer“ zum Personenschutz.[41]
H&K produziert die aktuellen Dienstwaffen der deutschen Polizei HK P10, HK P7, HK P2000, die neue HK P30 sowie die derzeitigen Ordonnanzwaffen der Bundeswehr, die Dienstpistole HK P8 und das Infanteriegewehr HK G36. Dieses wurde zuerst bei den Krisenreaktionskräften der Bundeswehr eingeführt. Anfang 1999 beschloss Spanien, es mit 115.000 Stück als Ordonnanzwaffe seiner Streitkräfte zu beschaffen, und erhielt eine Herstellungslizenz dafür. Insgesamt soll das G36 in 35 Staaten geliefert worden sein.[42]
H&K erhielt von 2001 bis 2011 über 900 Direktaufträge und elf Forschungsaufträge der Bundeswehr. Die Höhe der dazu bereitgestellten Finanzmittel wird nicht bekannt gegeben.[43]
Geschäftszahlen
H&K legt beim Bundesanzeiger jährliche Abschlussbilanzen vor. Zugänglich sind die Jahresberichte von 2006 (mit Vergleichszahlen von 2005) bis 2010 (in Millionen Euro):[44]
Geschäftsjahr | Umsatz | Nettogewinn/-verlust |
---|---|---|
2005 | 140,1 | -14,8 |
2006 | 140,5 | -19,7 |
2007 | 124 | -15,3 |
2008 | 162,9 | -2,3 |
2009 | 182,1 | +4,1 |
2010 | 203,6 | +11,9 |
Für weitere Geschäftszahlen gibt es nur einige Medienangaben:
- Um 1985 hatte H&K laut Schwarzwälder Bote um die 2500 Beschäftigte.[45]
- Für 1990 schätzte Die Zeit den Jahresumsatz auf 150 Mio. Euro bei 2000 Beschäftigten.[46]
- Für 1995 gab die Geschäftsführung einen Jahresumsatz von 100 Mio. DM (~ 50 Mio. Euro) mit 600 Beschäftigten an.[47]
- 2003 machte H&K laut Greenpeace 120 Mio. Euro Jahresumsatz mit 650 Beschäftigten.[48]
- Für 2006 bis 2010 veröffentlichte die Financial Times Deutschland (FTD) mit Berufung auf interne Firmenangaben zum Teil erheblich höhere Umsatz- und Gewinnzahlen als deren Jahresbilanzen.[49]
- 2010 investierte H&K nach Firmenangaben rund 80 Mio. Euro in Fertigung, Entwicklung und Bau-Infrastruktur, darunter ein Ausbildungszentrum.[50]
Weitere Geschäftszahlen, etwa zu Exportaufträgen, einzelnen Lizenzgebühren [51] und Absatzmengen, gibt H&K nicht bekannt. Firmenvertreter begründeten dies mit Wettbewerbsnachteilen aufgrund deutscher Exportauflagen, denen Konkurrenten nicht unterlägen,[52] und Desinteresse an der Presse.[53] Nur Wirtschaftsjournalisten haben eine Chance auf ein Gespräch mit der Geschäftsleitung. [54]
Lizenzen und Exportgenehmigungen
Bis in die 1970er Jahre förderte die Bundesregierung die Proliferation von Kleinwaffen im Zeichen des Kalten Krieges trotz Exportbeschränkungen.[55] Bis 1988 vergab sie für das G3 Ausfuhrgenehmigungen für über 80 Staaten und Herstellungslizenzen zu dessen Nachbau an 16 Staaten:[56]
Jahr der Lizenzvergabe | Lizenzempfänger | Produzent/ Standort |
---|---|---|
1961 | Portugal | Fabrica de Braco de Prata (FBDP) Industrias Nacionais de Defesa EP |
1963 | Pakistan | Pakistan Ordnance Factory (POF) |
1964 | Schweden | FFV |
1967 | Norwegen | Norsk Fors |
1967 | Iran | MWF, Mosalsalsasi |
1967 | Türkei | MKE |
1969 | Saudi-Arabien | Al-Khardi A. |
1970 | Frankreich | MAS |
1970 | Großbritannien | Royal Small Arms Factory, Enfield |
1971 | Thailand | AWPC |
1976 | Brasilien | - |
1977 | Griechenland | EBO |
1979 | Mexiko | Fabrica de Armas |
1981 | Myanmar (Burma) | Staatliches Werk |
- | Philippinen | - |
- | Malaysia | Munora Holdings |
Die Höhe der in den Bundeshaushalt eingeflossenen Lizenzgebühren ist unbekannt.[57]
Für andere seiner Waffen und Weiterentwicklungen des G3 vergab H&K selbst private Herstellungslizenzen. Die Waffen MP5, HK21, HK23E, HK33, G36, G41, HK53, P7 und HK GMW werden von Großbritannien, Türkei, Saudi-Arabien, Pakistan, Griechenland, Mexiko, Portugal, Thailand, Türkei, Spanien und Italien hergestellt.[58] Saudi-Arabien weihte im August 2011 eine Fabrik für das G36 ein, die der saudische Rüstungskonzern Modern Industries Company (MIC) mit der Lizenz und Hilfe von H&K gebaut hatte. Proteste einiger Bundestagsabgeordneter wiesen die Bundesregierung und H&K mit Verweis auf die Rechtslage zurück.[59]
Eine 1982 geschaffene gesetzliche Kontrolle des Endverbleibs von solchen lizenzierten Nachbauten fand für die meisten bis 1988 vergebenen Lizenzen nicht statt,[60] da mindestens 13 davon schon vor 1982 vergeben worden waren.[61] Eine Endverbleibskontrolle fehlt auch für mindestens 21 Fertigungslizenzen anderer Waffen, vor allem der MP5, die H&K ins Ausland verkaufte.[62]
Beispielsweise befürwortete das Auswärtige Amt 1971 die von H&K beantragte Lieferung von 40.000 HK 33, 5000 Baugruppen und 5000 Einzelteilen an die Armee Thailands als Stabilisierung dieses Staates gegenüber den umgebenden Großmächten.[63] Eine Anfrage Zyperns von 1980, knapp 50 HK-Waffen zur Terrorismus-Bekämpfung im Inland einführen zu dürfen, beschied die Bundesregierung unter Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher ablehnend.[64] 2002 lehnte sie eine Exportlizenz für HK-Waffen an die Armee Indiens ab, weil deren Einsatz in bewaffneten Konflikten befürchtet wurde.[65] Auch eine Exportlizenz für HK-Waffen an Nepal lehnte sie aus diesem Grund ab. Belgiens Regierung erlaubte der Firma FN Herstal daraufhin die Lieferung ähnlicher Waffen an Nepal und brach dabei eine EU-Vereinbarung, den Staat zu konsultieren, der den Export abgelehnt hatte.[66]
Weiterverbreitung von HK-Waffen
Im Mai 1995 erklärte der Direktor von MKE in der Türkei, man verkaufe das G3 und MP5 in einige Staaten des Mittleren Ostens. Im Juli erklärte das Bundeswirtschaftsministerium auf parlamentarische Anfrage, man habe MKE keine Exportrechte erteilt und von deren Exporten keine Kenntnis.[67]
Von H&K gelieferte Waffen wurden in Empfängerstaaten öfter für Menschenrechtsbrüche benutzt, etwa ab 1984 für Hinrichtungen in einem Hochsicherheitsgefängnis von Bang Khwang, Thailand, oder 1992 zum Ermorden von 111 aufständischen Häftlingen in Sao Paulo, Brasilien.[68] 1992 während eines UN-Waffenembargos wurden vom Beschussamt Ulm markierte G3-Gewehre nach Jugoslawien geliefert und von serbischen Scharfschützen gegen bosnische Muslime verwendet.[69] H&K setzt sich nach eigenen Angaben für die Aufklärung solcher Verbrechen ein. Die Firma trat einer UN-Initiative gegen den illegalen Verkauf von ausgemusterten Waffen bei[70] und unterstützt die Bundesregierung dabei, die Erstkäufer von HK-Waffen zu ermitteln, die in den Slums von Rio de Janeiro für Morde verwendet, dann von einer Bürgerinitiative gesammelt und deren Seriennummern an Deutschland übergeben wurden.[71]
1992 entdeckte Notizen eines Offiziers des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) machten bekannt, dass die DDR jahrelang verdeckte Kontakte mit HK-Vertretern gepflegt und HK-Waffen gekauft hatte. Demnach bot das MfS H&K 1989 an, HK-Lieferungen im Wert von über 16 Millionen Mark mit Platzpatronen zu begleichen.[72] Unter anderem besorgte das MfS auch das von der Bundeswehr abgelehnte G11 und ließ es DDR-Rüstungsfirmen vorführen.[73] Der Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski soll 1983 legal an Österreich gelieferte HK-Waffen in die DDR importiert haben. 1988 soll er 50 MP5-Koffer für Spezialeinheiten des MfS erworben haben. Die DDR führte Waffen, Zielprojektoren, Granaten und Spezialmunition von H&K über Drittstaaten ein.[74] H&K zufolge wurden nur 39 Werkzeugmaschinen über die Heckler & Koch Maschinen- und Anlagenbau GmbH an die DDR geliefert.[75]
Ein Untersuchungsausschuss des Bundestags zu DDR-Regierungskriminalität fand nach deutschen und britischen Medienberichten von 1993 und 1994 heraus, dass die damalige Staatsfirma Royal Ordnance (RO), der damalige Eigentümer von H&K, in den 1980er Jahren Lieferungen von HK-Waffen nach Sierra Leone und Kolumbien vorgetäuscht hatte. Dazu habe RO die HK-Waffen umgebaut, neu verpackt und mit gefälschten Papieren ausgestattet. Tatsächlich seien sie mit DDR-Schiffen nach Rostock an das MfS, ferner an die Contras in Nicaragua und Staaten im Mittleren Osten geliefert worden.[76] Damit habe RO deutsche Exportverbote für diese Staaten umgangen.[77]
Die Türkei lieferte 1998 500 MP5 an Indonesien, als dieses einem britischen Waffenembargo unterlag.[78] Der Iran und Pakistan hatten sich vertraglich verpflichtet, HK-Waffen nur für eigene nationale Kräfte herzustellen, verkauften sie dann aber in weitere Krisenstaaten.[79] Zudem produzieren Iran und Myanmar das G3 vertragswidrig auch nach Erlöschen der Lizenz[80] und lassen auch ungenehmigte Nachbauten der MP5 anfertigen.[81]
Von 1960 bis 1980 hatte H&K legal große Mengen G3-Gewehre an Sudan und Tschad geliefert. Zudem hatte die bundesdeutsche Firma Fritz Werner Geisenheim (heute Teil von Ferrostaal) in Khartum eine Munitionsfabrik gebaut, die bis mindestens 2007 von Pakistans POF, einem HK-Lizenzwerk, beliefert wurde. In den 1980er Jahren erhielt Sudan HK-Lizenzwaffen aus Großbritannien und Saudiarabien sowie 1992 aus dem Iran. Diese setzten sudanesische Milizen gegen südsudanesische Rebellen ein, worauf deren Gefechte 2003 zum Darfur-Konflikt eskalierten. 2004 rüstete Mohamed Ahmed Harun, Minister des Sudan, die Janjaweed erneut mit G3-Gewehren aus dem Iran auf. Daraufhin erließ der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag einen Haftbefehl gegen ihn.[82]
Im August 2008 wurde bekannt, dass Truppen Georgiens G3-Gewehre im Kaukasuskrieg einsetzten, obwohl die Bundesregierung einen Exportantrag von H&K für eine Lieferung von 230 Stück G3 nach Georgien im Januar 2006 abgelehnt hatte. Die Aufklärung des illegalen Exports und gegebenenfalls Einstellung weiterer Rüstungslieferungen an Lizenzempfänger von H&K wurden im Bundestag verlangt.[83]
2009 wurde bekannt, dass HK 2007–2008 rund 13.000 HK P7 vom Innenministerium Niedersachsen zurückgekauft hat, um sie weiterzuverwerten. Dies kritisierte unter anderen die Polizeigewerkschaft.[84]
Im Dezember 2010 berichtete Report Mainz, H&K habe seit 2005 G36-Gewehre an die Polizei von vier Unruheprovinzen Mexikos geliefert, für die wegen bürgerkriegsähnlicher Zustände seit 2007 Exportverbote gelten. Ein dortiger Polizeivertreter gab an, H&K habe dafür die zentrale Waffeneinkaufsbehörde Mexikos DCAM bestochen. Auch ein Exmitarbeiter der Firma erklärte schriftlich, H&K habe illegal Gewehre und Ersatzteile nach Mexiko geliefert, die staatliche Genehmigung dafür mit einer Falschaussage erreicht, den verantwortlichen Beamten der DCAM mit 25 US-Dollar für jedes verkaufte G36 und 20 US-Dollar für jede HK-Kurzwaffe bestochen und die Polizei einer Unruheprovinz an den HK-Waffen geschult.[85] Wahrscheinlich mit der G36 bewaffnete Lokalpolizisten erschossen am 12. Dezember 2011 im Bundesstaat Guerrero zwei Demonstranten.[86]
H&K erklärte, man habe ausschließlich die DCAM beliefert. Diese habe vertraglich zugesichert, nur die Polizeibehörden der in der Endverbleibserklärung aufgeführten Bundesstaaten Mexikos mit diesen Waffen auszurüsten. Einzelne Provinzen habe diese Erklärung aber nicht explizit ausgeschlossen; Mexikos Bundespolizei dürfe überall mit diesen Waffen operieren. Man habe keinen Anlass, die Rechtstreue der DCAM zu bezweifeln. Man habe Mexikos Behörden nach 2007 über die deutschen Exportauflagen informiert.[87] Dies bestritt der Direktor von DCAM: Weder H&K noch die Bundesregierung noch die deutsche Botschaft hätten Mexiko je über deutsche Auflagen informiert.[88] Staatssekretär Ernst Burgbacher (FDP) erklärte am 28. September 2011 auf Nachfrage im Bundestag, es habe keine Exportverbote für Einzelprovinzen Mexikos gegeben.[89] Die Bundesregierung setzte weitere Exportgenehmigungen nach Mexiko an H&K aus[90], hielt an bereits erteilten etwa 50 Genehmigungen an H&K jedoch fest und versprach nur weitere Einzelfallprüfungen. Oppositionelle Bundestagsabgeordnete verlangten dagegen einen Auftragsstopp an H&K.[91]
Im August 2011 erbeuteten Aufständische im Bürgerkrieg in Libyen in Muhammad Gaddafis Residenz in Tripolis dutzende G36-Sturmgewehre aus deutscher Herstellung von 2003, aber mit unkenntlichen Waffennummern. Der Bundesnachrichtendienst wusste nach eidlicher Aussage eines seiner Mitarbeiter seit 2005, dass libysche Sicherheitskräfte mit HK-Waffen aus Deutschland ausgerüstet waren. Auch eine private Schulung von Sondereinheiten Gaddafis durch ehemalige Polizeibeamte und GSG-9-Mitglieder in Deutschland habe der BND beobachtet. Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) verlangte daraufhin von der Bundesregierung Aufklärung über diese BND-Kenntnisse.[92] Die Firma kündigte an, ein eigenes Expertenteam nach Libyen zu senden, um die Herkunft der Waffen zu ermitteln.[93] H&K zufolge wurden die in Tripolis erbeuteten G36-Gewehre 2003 mit behördlicher Genehmigung an das ägyptische Verteidigungsministerium geliefert. Man wisse nicht, wie sie von dort nach Libyen gelangt seien.
Korruptionsvorwürfe
H&K wurde mehrfach vorgeworfen, Ausfuhrgenehmigungen durch unzulässige Einflussnahme auf Abgeordnete zu erwirken. Parteispenden von H&K, die in zeitlichem Zusammenhang mit Exportgenehmigungen erfolgten, weckten den Verdacht von indirekter oder direkter Bestechung.
1998 spendete H&K der CDU über 40.000 DM, mehr als doppelt so viel wie in den Jahren zuvor. Nach Bekanntgabe der Spende 1999 vermuteten einige oppositionelle Bundestagsabgeordnete und Journalisten einen Zusammenhang mit einem Millionengeschäft, der Ausfuhr von Material zur Herstellung des HK33 an die Türkei, die die Bundesregierung der Firma 1998 erlaubt hatte.[94]
Nach dem Regierungseintritt der FDP spendete H&K 2009 und 2010 je 5000 Euro an den FDP-Kreisverband Tuttlingen. Dessen Abgeordneter Ernst Burgbacher ist parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, das Waffenexporte genehmigen muss. Er ist nach eigener Aussage nicht für Waffenlieferungen zuständig.[95] FDP-Schatzmeister Patrick Döring bestritt jeden Zusammenhang der HK-Spenden an die FDP mit Ausfuhrgenehmigungen.[96]
Infolge kritischer Medienberichte über diese Spenden räumte H&K im Dezember 2011 Spenden von insgesamt 93.000 Euro für die Jahre 2002 bis 2011 ein. Davon gingen 70.000 an die CDU, 20.000 an die FDP und 3000 an die SPD.[97] Parteienvertreter bestätigten den Empfang dieser Spenden.[98] Beide Seiten bestreiten jeden Zusammenhang mit einem Einsatz von Abgeordneten für HK-Exporte.[94] Fast alle HK-Spenden an die CDU erhielt der Kreisverband Rottweil. Dessen Abgeordneter Volker Kauder ist Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion und gilt nach Aussage von HK-Mitarbeitern als zuverlässiger Unterstützer von Exportaufträgen für die Firma.[99]
Im November 2009 reichten vier Hedgefonds vor einem US-Gericht Klage gegen Andreas Heeschen und Keith Halsey ein: Die Mehrheitseigentümer von H&K hätten einen von ihnen gegebenen Kredit der US-Bank Merrill Lynch von 2006 über 100 Mio. Euro an die Dachgesellschaft HKB zweckentfremdet, indem sie Immobilien, Flugzeuge, Hubschrauber und eine Yacht für insgesamt 74,5 Mio. Euro gekauft und privat genutzt hätten. Die Kläger verlangten den gesamten Kredit deshalb sofort, nicht erst wie vorgesehen im April 2013 zurück. Heeschen hatte die Firma H&K als Kreditsicherheit angegeben. Er wies die Vorwürfe bei einer gerichtlichen Anhörung im April 2010 zurück: Privatnutzung des Firmeneigentums sei stets privat bezahlt worden. Klagemotiv seien eigene Finanznöte der Kläger.[100] Nach einem anderen Bericht schuldete HKB den Hedgefonds insgesamt 152 Mio. Euro; 130 Mio. Euro seien laut ihrer Klage für Privatzwecke veruntreut worden. Die Ratingagentur Standard & Poor’s stellte die Liquidität von H&K wegen eines weiteren laufenden Kredits von 120 Mio. Euro, fällig im Juli 2011, in Frage.[101] Im August 2010 wies das US-Gericht die Klage zurück, weil der Kreditarrangeur Merrill Lynch nicht selbst geklagt hatte. Die HKB erwog daraufhin eine Gegenklage auf Schadensersatz gegen einzelne Hedgefonds wegen Rufschädigung.[102]
Kritik und Protest
Verschiedene rüstungs- und militärkritische Organisationen kritisieren Exporte, Lizenzvergabe, unkontrollierte Verbreitung und Umgehung gesetzlicher Exportbeschränkungen durch Kleinwaffen-Produzenten. H&K ist seit den 1980er Jahren ein häufiger Adressat solcher Kritiken. 1989 stellte das Rüstungs-Informationsbüro Oberndorf fest: Es gebe „wohl kaum noch ein Land der Dritten Welt ohne G-3-Gewehre“.[103] Der Gründer des Büros und Vorsitzende der DFGVK, Jürgen Grässlin, forderte 2009 die Schließung oder eine Rüstungskonversion der Firma[104], weil vor allem das G3 in vielen bewaffneten Konflikten verwendet werde und dadurch von 1961 bis 2001 „mehr als 1,5 Millionen Tote zu verantworten“ seien.[105] Das G3 und sein Ableger HK33 seien in vielen Konflikten die häufigsten Mordinstrumente nach dem AK 47; statistisch werde alle 14 Minuten ein Mensch von einer Kugel aus einer HK-Waffe getötet.[106] - H&K weist diese Angaben als nicht überprüfbar zurück. Man müsse Zahlen von durch HK-Waffen geschützten und geretteten Personen gegenüberstellen, die ebenso wenig seriös schätzbar seien.[107]
Der BITS-Wissenschaftler Roman Deckert macht H&K für die weite Verbreitung deutscher Waffen in der Dritten Welt mitverantwortlich, da die Firma die restriktiven deutschen Waffenexportbeschränkungen mit „Testwaffen“ in kleineren Mengen, etwa 500 Stück, umgangen habe. Nach solchen Lieferungen, so Deckert, hätten „Lizenzproduzenten im Ausland, die nicht so strengen Exportrichtlinien unterliegen“, meist anschließende Großaufträge abgewickelt. Deutsche Unternehmen wie H&K hätten davon profitiert durch Lizenzgebühren, Vermittlungsgebühren oder durch Waffenverkäufe in „Einzelteilen an die Partner im Ausland – wo dann alles nur noch zusammengesetzt werden muss.“[55][94] Rüstungsexperten vom IFSH warfen H&K die Vergabe von „ungewöhnlich vielen“ Produktionslizenzen vor.[80]
Matthias John, Rüstungsexperte von Amnesty International (AI), kritisierte die Bundesregierung 2002: Sie habe entgegen ihrer erklärten Orientierung an den Menschenrechten Exporte von Kleinwaffen, Munition und Mittel zu deren Herstellung in Staaten genehmigt, in denen „eine unbefriedigende Menschenrechtssituation oder innere Konflikte bestehen“. Dabei habe sie Warnungen von Politikwissenschaftlern missachtet, dass „gerade Kleinwaffen und Munition schon in geringen Mengen zur Eskalation von Konflikten und zu Menschenrechtsverletzungen beitragen können“.[108] Michael Naumann (SPD) forderte 2002 ein „weltweites Export- und Importverbot für Handfeuerwaffen“ wie denen von H&K. Dieses sei ein weitaus wirksamerer Beitrag zur Terrorismusbekämpfung als der von den USA ausgerufene Antiterrorkrieg.[109] Der Bundestagsabgeordnete Jan van Aken kritisierte 2011: Die Bundesregierung kontrolliere Waffenexportverbote in Krisengebiete „so lasch …, dass deutsche Waffen am Ende überall in der Welt zu finden sind. Einmal exportiert, wird überhaupt nicht mehr überprüft, ob die Waffen nicht einfach weiterverkauft werden.“[110] Seine Partei Die Linke beantragte am 8. Februar 2011 ein Exportverbot für alle HK-Waffen.[111] AI begann im März 2012 eine Kampagne für ein wirksames internationales Abkommen zur Kontrolle des Waffenhandels, zum Beispiel wegen der Erschießung von Demonstranten in Mexiko mit illegal verbreiteten HK-Waffen.[112]
Am 3. September 2012 protestierte das Laienorchester „Lebenslaute“ mit rund 100 Musikern aus ganz Deutschland vor der Firmenzentrale von H&K in Oberndorf gegen die dortige Waffenherstellung und für eine Umwandlung (Konversion) auf zivile Produkte. Mit einem mehrstündigen Open-Air-Konzert blockierten die Musiker die Werkstore und Zufahrtswege der Firma.[113] Gegen die britische Zweigstelle von H&K, NSAF Ltd. in Nottingham, finden seit 2009 teils wöchentlich Proteste mit dem Ziel statt, über HK-Exporte in Krisen- und Kriegsgebiete aufzuklären und die Firma zu schließen.[114]
Ermittlungen
Mehrere Ermittlungsverfahren wegen mutmaßlich unerlaubter Waffenexporte und mutmaßlichen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz wurden gegen H&K eingeleitet. 1988 untersuchten Staatsanwälte, ob H&K Waffen mit Hilfe der CIA an die Contras in Nicaragua geliefert hatte. Die belastenden Dokumente, angebliche Briefe des HK-Direktors Wolfhart Fritze an Kunden in den USA und Mittelamerika, stellten sich als Fälschungen eines HK-Mitarbeiters heraus.[115]
1991 wurde wegen der entdeckten DDR-Kontakte ein Ermittlungsverfahren gegen H&K eingeleitet; die Firmenzentrale wurde erst im August 1992 durchsucht.[116] 1993 wurde HK-Geschäftsführer Walter Lamp angeklagt, er habe Waffen als Bausätze ohne Ausfuhrerlaubnis über das britische Tochterunternehmen von H&K nach Dubai geliefert. Das Gericht sprach ihn frei, da der Vorgang deutsche Gesetze nicht verletzt habe.[94] 1994 ermittelte das Bundeskriminalamt wegen mutmaßlicher Umgehung deutscher Exportverbote erneut gegen H&K.[5]
Das Bundeskartellamt ermittelt seit März 2010 gegen H&K und andere Rüstungsfirmen wegen vermuteter Boykottabsprachen gegen die Münchner Waffensicherheitstechnikfirma Armatix. Diese hatte mit dem ehemaligen HK-Entwicklungstechnikchef Ernst Mauch ein elektronisches Sicherungssystem für HK-Waffen entwickelt, um deren Missbrauch zu erschweren. H&K kaufte das System jedoch nicht, weil es angeblich keinen Markt dafür gebe.[117]
Auf eine Strafanzeige von Jürgen Grässlin hin nahm die Staatsanwaltschaft Stuttgart im Dezember 2010 Ermittlungen gegen H&K wegen vermuteter illegaler Exporte nach Mexiko auf.[118] Am 21. Dezember 2010 durchsuchten 20 Polizeibeamte die Geschäftsräume von H&K. [119] Die Staatsanwältin Claudia Krauth vermutete, H&K habe eine Spende von 2010 an die FDP Tuttlingen „im Zusammenhang mit Genehmigungen von Waffen nach Mexiko gezielt platziert“.[120]
Ab 6. April 2011 ermittelte die Staatsanwaltschaft Bonn gegen H&K und die Bundeswehr wegen des Verdachts illegaler, wettbewerbsbeschränkender Absprachen. So hatte im August 2010 ein Treffen im Verteidungsministerium mit HK-Vertretern stattgefunden, bei dem diese zwei Versionen für ein besseres Scharfschützengewehr anboten. Kurz darauf lieferte H&K eine kostengünstigere, von den Soldaten abgelehnte Version des G3 DMR an die Bundeswehr. Die Ausschreibung dafür endete erst am 15. Dezember 2010.[121]
Jürgen Grässlin stellte im September 2011 Strafanzeige gegen H&K wegen des Verdachts illegaler Waffenlieferungen an Libyen; H&K selbst stellte Strafanzeige gegen Unbekannt, da man keine Waffen an Libyen geliefert habe.[122] Seit Oktober 2011 ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen H&K wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz bei den nach Libyen gelangten HK-Waffen.[123]
Im November 2011 durchsuchten erneut 300 Polizeibeamte den Firmensitz sowie Privatwohnungen von Vorstandsmitgliedern wegen des Verdachts einer langjährigen Bestechung inländischer und ausländischer Amtsträger mit Bargeldzahlungen für Lieferaufträge.[124] Dabei gefundene interne E-Mails weisen nach Angaben der Staatsanwaltschaft auf Versuche aus der Firma hin, mit legalen, gezielten und absichtlich gestückelten Parteispenden amtliche Exportgenehmigungen zu erlangen. Solche Versuche sind nach § 334 StGB strafbar.[125]
Bis September 2012 wurde H&K kein Verstoß gegen deutsche Gesetze nachgewiesen. Die Verfahren wegen vermuteter illegaler Lieferungen nach Mexiko und Libyen sowie mutmaßlicher Bestechung von Amtsträgern in Deutschland und Mexiko sind unabgeschlossen.
Literatur
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- Manfred Kersten, Walter Schmid: Heckler & Koch: HK; die offizielle Geschichte der Oberndorfer Firma Heckler & Koch; Einblicke in die Historie, Beschreibung der Waffenmodelle, Darstellung der Technik. Weispfennig, Wuppertal 1999, ISBN 3-00-005091-4.
Weblinks
- Commons: Heckler & Koch – Sammlung von Bildern
- Offizielle Homepage der Heckler & Koch GmbH mit Unternehmensgeschichte
- Jürgen Grässlin, André Maertens: Die Firmengeschichte von Heckler & Koch. In: RüstungsInformationsBüro Baden-Württemberg e.V., 26. Februar 2005
Einzelnachweise
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- ↑ Report Mainz (SWR, 28. August 2012): Waffengeschäfte für Parteispenden? Wie Heckler & Koch politische Landschaftspflege betreibt
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- ↑ Henryk Hielscher, Rüdiger Kiani-Kreß (Wirtschaftswoche, 20. Mai 2010: Waffenhersteller Heckler & Koch drückt gewaltige Schuldenlast
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- ↑ Jürgen Grässlin: Versteck dich, wenn sie schießen. München 2003, S. 353–356. - Grässlin errechnet seine Schätzung aus einer Angabe von UNICEF, wonach fast 10 Millionen G3-Gewehre (8 Prozent von 125 Mio Sturmgewehren insgesamt) in Umlauf seien, und aus Schätzungen des Roten Kreuzes, wonach 63 Prozent (18,9 Mio.) der Todesopfer in bewaffneten Konflikten seit 1961 durch solche Waffen getötet wurden. 8 Prozent davon entsprächen also 1.512.000 Todesopfern.
- ↑ Aus: Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung: Jahresbericht zu Waffenexporten (Januar 2012)
- ↑ Heckler & Koch, 31. August 2012: Beitrag zur Friedenssicherung in Freiheit
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- ↑ Hauke Friedrichs (Die Zeit, 14. März 2011): Deutsche Waffen für die Welt
- ↑ Deutscher Bundestag, Drucksache 17/4677, 17. Wahlperiode, 08. 02. 2011: Alle Waffenexporte des Oberndorfer Kleinwaffenherstellers verbieten
- ↑ Amnesty.de, 23. März 2012: Amnesty startet Kampagne für effektive Kontrolle des internationalen Waffenhandels
- ↑ Tagblatt, 3. September 2012: Konzert gegen Kriegswaffen: Protest bei Heckler & Koch in Oberndorf; TAZ, 3. September 2012: Waffenschmiede in Oberndorf blockiert: Alle 14 Minuten ein Toter; TAZ, 3. September 2012: Protest gegen Heckler & Koch: „Erst der Ungehorsam, dann die Musik“
- ↑ Kirk Douglas (Ceasefire, 9. Januar 2009): The gun-maker next door; Shut Down H&K, 27. Mai 2010: Nottingham’s fight against the arms trade
- ↑ Rückspiegel. Zitate, Der Spiegel berichtete …. In: Der Spiegel Nr. 9, 27. Februar 1989.
- ↑ Der Spiegel, 28. September 1992: Waffenhandel: Kleiner Beitrag
- ↑ FTD, 20. März 2010: David gegen Goliath: Kartellamt durchsucht Waffenfirmen
- ↑ SWR, 13. November 2011: Nachgefragt 2011: Waffenlieferungen von Heckler und Koch nach Mexiko eingestellt
- ↑ Der Spiegel, 21. Dezember 2010: Waffenexport: Ermittler durchsuchen Büros von Heckler & Koch
- ↑ Report Mainz (SWR, 28. August 2012): Waffengeschäfte für Parteispenden? Wie Heckler & Koch politische Landschaftspflege betreibt
- ↑ Lars Winkelsdorf (Tagesspiegel, 6. April 2011): Politik: In der Schusslinie
- ↑ Christoph Reisinger, Franz Feyder (Stuttgarter Nachrichten, 1. September 2011): Waffen nach Libyen: Strafanzeigen wegen Gewehr-Lieferung
- ↑ Der Spiegel, 23. Oktober 2011: Deutsche Waffen in Libyen: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Heckler & Koch. Abgerufen 15. August 2012
- ↑ Der Spiegel, 10. November 2011: Verdacht auf illegale Geschäfte: Razzia bei Waffenhersteller Heckler & Koch
- ↑ Rüdiger Soldt (FAZ, 16. November 2011): Heckler & Koch: Bestechungsverdacht bei Waffenhersteller; BMJ: § 334 Bestechung
Koordinaten: 48° 17′ 26,2″ N, 8° 33′ 8,6″ O