Ueber die Transscription Russischer Namen
[373] Ueber die Transscription Russischer Namen. Mit welchen Schwierigkeiten man bei der Transscription Russischer Namen durch Deutsche oder Lateinische Lettern zu kämpfen hat, weiss jeder, der etwas aus dem Gebiete der Russischen Literatur oder Geschichte dem Deutschen Lesepublicum zu berichten hat. Auf noch mehr formelle Schwierigkeiten, die aber oft das Sachliche im höchsten Grade beeinträchtigen, muss nothwendigerweise stossen, wer, der Russischen Sprache nicht mächtig, nur auf nichtrussische Quellen angewiesen ist, und sich in Folge dessen in der verschiedenartigsten Wiedergabe derselben historischen Namen nicht zurechtzufinden vermag. Wir brauchen nur auf gut Glück aus einigen Deutschen historischen Werken oder Zeitschriften die Principien der Transscription abzuleiten, um uns sogleich davon zu überzeugen, dass nicht nur die betreffenden Schriftsteller in dieser Beziehung unter einander uneinig sind, sondern dass meistentheils derselbe Autor mit sich selbst in einen unversöhnlichen Transscriptions-Conflict geräth. Die Verstümmelung der Russischen Namen steigert sich ins Unendliche, wenn ein Deutscher Schriftsteller ein Französisches oder Englisches Werk über Russland übersetzt.
Für die meisten anderen Slavischen Sprachen besteht diese Schwierigkeit nicht. Das Polnische und das Czechische verfügen über besondere Schriftzeichen, um den Gebrauch der Lateinischen Lettern möglich zu machen; das Serbische besitzt neben dem Slavischen Alphabet die Kroatische Transscription. Der Deutsche Schriftsteller ist also für die Westslavische Sprachengruppe, das Serbische eingeschlossen, nicht wesentlich anders gestellt, als gegenüber den Französischen und Englischen Namen; er behält die originale Schreibweise einfach bei. Anders die südöstliche Gruppe, das Russische und [374] das Bulgarische, wegen der grossen Zahl besonderer Buchstaben, die im Lateinischen Alphabet fehlen. Des näheren betrachten wir allein die Russische Transscription; denn die Bulgarische Literatur, die eine grosse Zukunft zu haben verspricht, kommt erst seit kurzer Zeit in Betracht, und das meiste, was für die Russische Transscription gilt, ist auf das Bulgarische anzuwenden, da das Bulgarische Alphabet, einige Buchstaben ausgenommen, dem Russischen gleich ist.
Es ist nun unsere Absicht nicht, hier einen philologisch-wissenschaftlichen Aufsatz, gestützt auf lautphysiologische Untersuchungen, zu schreiben, sondern wir haben nur das praktische Ziel, die herrschende Confusion an einigen Beispielen aufzuzeigen, die Nothwendigkeit einer Reform darzuthun und ein zweckmässiges Transscriptionssystem für diese Zeitschrift aufzustellen, das zugleich zu allgemeiner Annahme den Historikern empfohlen sein soll.
Zum Transscriptionsprincip kann man entweder die Laut- oder die Schriftwiedergäbe wählen, und von diesem Standpunkt aus lassen sich die meisten Schriftsteller in zwei Gruppen classificiren.
Aufs Gerathewohl nennen wir aus der Gruppe der Lauttransscription: Schlosser, Gesch. des 18. Jahrhunderts (Berlin 1879, 5. Aufl.); G. Rosen, Gesch. der Türkei (Leipzig 1866); Th. Schiemann, Russland, Polen und Livland bis ins 17. Jahrhundert (Berlin 1886 bis 1887, gleich den beiden folgenden in Oncken’s Welt-Geschichte); A. Brückner, Katharina II. (Berlin 1883); Th. Flathe, Gesch. der neuesten Zeit (Berlin 1888); A. Thun, Geschichte der revolut. Bewegung in Russland (Leipzig 1883); G. Kennan, Sibirien, Deutsch von Gärtner (Halle a. d. S., s. a.). – Auch die uns soeben zugehende Schrift von Bernh. Stern, Fürst Wladimir’s Tafelrunde; Altruss. Heldensage mit Einleitung und Bibliographie (Berlin, Cronbach 1892, 50 u. 219 p. 3 M. 50) gehört hierher.
Aus der Gruppe der Schriftzeichen-Transscription: Fr. Miklosich, Vergleichende Grammatik der Slav. Sprachen (Wien 1873); Archiv für Slav. Philologie (Bd. I, 1876 ff., wir benutzten den Bd. V. Berlin 1881); A. v. Reinholdt, Gesch. der Russ. Literatur (Leipzig, Ende 1886); Konst. Jirecek, Das Fürstenthum Bulgarien (Wien-Prag 1891); Franz Joseph Prinz von Battenberg, Die volkswirthsch. Entwickelung Bulgariens von 1879 bis zur Gegenwart (Leipzig 1891).
Die Wiedergabe folgender Russischer Buchstaben bietet keine Schwierigkeiten und erfolgt bei allen Autoren beider Systeme in derselben Weise[1]: 1. der Consonanten: б (b), г (g), д (d), к (k), л (l), [375] м (m), н (n), п (p), р (r), т (t), ф (f); 2. der Vocale: а (a), і oder и (i), о (o), у (u); 3. endlich ю (ju) und я (ja)[2].
Ganz anders verhält es sich mit den Vocalen: е, ѣ, ы, mit den Consonanten в, ж, з, с, х, ц, ч, ш, щ, ѳ und endlich mit den Halbvocalen ъ, ь, й. Sehen wir nun, wie sich die Lauttransscription, die den Klang der Buchstaben und Worte wiederzugeben sucht, mit ihnen abfindet.
Das Russische в wird durch w, v, f und ff transscribirt; das ж (dem Französischen j im Worte journal ähnlich) durch j, sh oder sch; das з (immer wie das leise s in den Wörtern siegen, summen, lesen ausgesprochen) durch s und z; das с (dem Deutschen scharfen s in den Wörtern Kunst, Brunst ähnlich) durch s, ss, sz; – das ц (dem Deutschen z in den Wörtern Zunft, Zigeuner ähnlich) durch z, c, tz; das ч durch tch, ch, tsh; das ш durch sch, sh; das щ durch stsch, schtsch, stsch. Der Halbvocal ъ, auf den wir weiter unten noch ausführlicher zurückkommen, wird gewöhnlich ausgelassen. Der Halbvocal ь wird entweder ausgelassen oder durch j ersetzt; der Halbvocal й, welcher mit Vocalen Diphtonge bildet, wird durch i und j transscribirt, und in Folge dessen ist der Deutsche Leser geneigt, jede Zusammenstellung eines Vocals mit dem i als einen Diphtong zu betrachten, wo im Russischen das і und der vorangehende Vocal gesondert ausgesprochen werden müssen, wie z. B. in den Wörtern Ja-ick, na-i-lučšij. Das Russische ы, eine Art dumpfen i’s, wird durch i, y, hy, iy, das е und ѣ durch e, je, o, jo und io transscribirt, weil sie in der Aussprache schwanken.
Wir greifen nun zur Illustrirung dieser Verwirrung aus den oben angeführten Werken einige Beispiele heraus.
Das Russische в wird bei Schlosser durch ff, v, w und f gegeben, z. B. Jacoffleff, Dombrovski, Oczakow, Araktschejef, auch bei Gärtner durch ff, v, w, f, bei Rosen in der Mitte der Wörter durch w, am Ende durch ff; bei Schiemann, Brückner und Flathe figurirt immer w; und dennoch schreibt Flathe Jermoloff mit zwei f.
Das Russische ж: bei Schlosser j und sch, bei Brückner und Schiemann sh, obwohl der letzte manchmal sch schreibt, bei Thun sch, bei Gärtner zh und sch.
Das Russische з (= dem Deutschen weichen s): bei Schlosser s (z. B. Kutusoff), er schreibt aber auch das Russische с durch s (z. B. Soltikoff); bei Schiemann wird das з durch s und das Russische с [376] durch ss transscribirt, aber nicht immer, so schreibt er Pisemsky durch ein s; Brückner schreibt das Russische з durch s, das Russische с durch ss (z. B. Ssolowjew) und dennoch schreibt er Starina, Rasumowskiy mit einem s; wo im Russischen zwei сс, schreibt Brückner sz; Rosen schreibt das з durch z, das с durch ss; Thun з und с durch s. Voll von Widersprüchen ist hier Stern: das с gibt er promiscue durch ss und s, sowie durch ſs (z. B. Ssresnewsky, Stasow), das ss benutzt er aber einzeln auch für з (in Ssmejewitsch), obschon er diesen Buchstaben sonst durch s ausdrückt, und ausserdem kommt ss für зс vor, da der Autor kein besonderes Schriftzeichen für з und с benutzt. So kann der unkundige Leser nicht wissen, ob er Бесоновъ, Бессоновъ, Беззоновъ oder Безсоновъ lesen soll. Dass daneben з auch durch z gegeben wird (z. B. Zaporogischen) muss den Leser nur noch mehr verwirren, da z auch für ц steht.
Das Russische ц: bei Schlosser durch z und tz, bei Flathe tz, bei Brückner, Thun und Stern z, bei Gärtner ts.
Die beiden Halbvocale ъ und ь werden von Schlosser und Schiemann ausgelassen; dagegen ersetzt Brückner das ь durch j.
Das й: bei Schlosser y und i, bei Flathe y, bei Bruckner ij und einfach i, bei Thun i; bei Stern i und y (z. B. Wassili, aber Lawrowsky; Maykow, aber Kalaidowitsch), was gelegentlich dann doch zu falscher Aussprache verleitet (z. B. Kaschtschey, wo еh oder ей nicht ai auszusprechen ist).
Das Russische ы: bei Schlosser i, bei Rosen hy (z. B. Wolhynien), bei Flathe ii (im Worte Miischina) und auch i, bei Brückner y, bei Stern y und auch hy.
Das Russische ѣ: Schlosser schreibt ie und einfach e, Schiemann e, manchmal aber auch ie, Brückner gewöhnlich e, aber in Wjestnik, Dnjepr je; ähnlich auch Stern (bei dem ungerechtfertigterweise auch Stjepanowitsch vorkommt); Thun je (aber Gleb mit e).
Das Russische е: bei Schlosser e und je; Brückner schreibt überall e, wenn es als o oder als jo ausgesprochen werden muss, z. B. in Solowjew, Pugatschew, wo Solowjow, Pugatschow gelesen wird – und hiermit wird Brückner seinem System der Lauttransscription da untreu, wo es eigentlich nicht nöthig wäre; Thun schreibt e und je, auch wo jo ausgesprochen wird (z. B. Solowjew), daneben aber auch ё (z. B. in reschёtka). Stern aber schreibt io, wo das e als jo ausgesprochen wird.
Das Russische ш wird von Stern durch sch gegeben. Daneben aber kommt es z. B. im Worte Kirsha als sh vor, während zugleich auch ж (z. B. in Drushina) so transscribirt wird. Thun schreibt sch, wie für ж.
[377] Noch bedeutend grösser werden die Transscriptions-Schwierigkeiten, wo man ganze Russische Sätze, wie z. B. beim Citiren von Büchertiteln mit Deutschen Lettern wiedergeben will. Es ist dann häufig die Identität zwischen den von verschiedenen Autoren transscribirten Titeln kaum zu erkennen.
Jedoch das ganze Princip ist eben ein verkehrtes. Schon der blosse Wunsch, die Aussprache der angeführten Russischen Namen dem Deutschen Lesepublikum zugänglich zu machen, befindet sich in krassem Widerspruch mit dem Geiste der sonstigen Deutschen Orthographie fremder Wörter oder Namen, die das Deutsche Bürgerrecht noch nicht erworben haben. Welchem Deutschen Schriftsteller wird es einfallen, Französische und Englische Namen zu verstümmeln, nur aus der Furcht, dass mancher Leser sie unrichtig aussprechen wird?
Die wissenschaftliche Haltlosigkeit der Lauttransscription hat dazu geführt, dass manche Schriftsteller den Weg conventioneller Zeichen eingeschlagen haben, und während die Historiker noch immer den Weg des alten Transscriptions-Schlendrians wandeln, sind die Philologen im Grossen und Ganzen dazu gelangt, sich über gewisse Conventionszeichen zu verständigen. Die Begründung des Bestrebens, nicht auf Grund der Lauttransscription, sondern auf Grund der orthographischen Treue die Russischen Namen oder Wörter mit Lateinischen Lettern zu schreiben, findet man in den Einleitungen zu den grundlegenden Werken von G. Krek, Einleitung in die Slavische Literaturgeschichte (Graz 1874; in der 2. Aufl., 1887), manche wichtige Aenderungen in dem Transscriptions-Verfahren, und von A. von Reinholdt[3] (der sich im allgemeinen auf Krek stützt), und ebenfalls in dem glänzenden neulich erschienenen Werke von Konstantin Jireček, das zwar nur das Bulgarische berücksichtigt, uns aber manchen nützlichen Fingerzeig lieferte[4].
Bei Miklosich und in dem Archiv für Slavische Philologie, bei Reinholdt und Jireček werden folgende Buchstaben nach derselben Art und Weise transscribirt: ч (etwa tsch) = č; ш (etwa sch) = š; щ (etwa schtsch)[5][WS 1] = šč; ж (Französisch j in journal) = ž; ц (wie [378] z in Zigeuner) = c; з (wie s in summen) = z; с (wie s in Kunst) = s (Reinholdt schreibt aber manchmal ss und sz); в = v (nur bei Reinholdt w); х = ch (nur bei Krek und Reinholdt h); е = e (bei Reinholdt e oder je); ѣ = ě (inconsequent ist Reinholdt, wenn er Belinski mit e schreibt); ы = y.
Was den Halbvocal ъ anbetrifft, der dazu dient, die harte Aussprache des Endconsonanten anzudeuten, und zwar auch dort, wo auch ohne seine Vermittelung das Wort schon hart ausgesprochen wäre, so versuchte Krek und Jireček, denselben in das Deutsche Alphabet einzuführen, wo er die meisten Deutschen Leser aber doch zu fremdartig berührt und von ihnen unverstanden bleibt. Jireček hat insofern Recht, als das ъ im Bulgarischen die Rolle eines Vocals vertritt, der in der verschiedensten Weise transscribirt wurde[6]. Auch Krek wie das Archiv für Slavische Philologie und Miklosich sind bestrebt, das ъ beizubehalten. Es wäre zu wünschen, man hätte sich in Russland, wie es in Serbien nach harten Federkämpfen der Fall gewesen ist, entschliessen können, diesen Buchstaben endlich aus dem Alphabet zu verbannen, da er unnützerweise die Schreib- und Druckzeit um sehr beträchtliche Procente vermehrt; zwar gibt es auch Fälle, wo sich beim Auslassen dieses Konsonanten die Aussprache verändern könnte, wie z. B. in den zusammengesetzten Wörtern: съѣздъ (s’ězd), подъѣздъ (pod’ězd). Würde man das ъ einfach eliminiren, so könnte der Leser geneigt sein sezd, podezd zu lesen. Dies lässt sich aber leicht vermeiden, wenn man die Bestandtheile der Wörter auseinander trennt oder durch einen Apostroph absondert, also с’ѣзд (s’ězd) schreibt.
Das ь ist als solches bei Krek, Miklosich und im Archiv vertreten, dagegen ersetzt es Reinholdt durch ein j oder eliminirt es, wie in raskolniki. Endlich schreiben Krek, Miklosich und das Archiv consequenterweise den Genitiv der Adjectiva mit go, obwohl wo ausgesprochen wird.
Als ich die vorstehenden Bemerkungen schon abgesendet hatte, erhielt ich durch die Güte Herrn Dr. Herm. Roskoschny’s in Leipzig die von ihm herausgegebenen Kataloge Slavischer Bücher: 1. Nowosti russkoj literatury (Neuheiten der Russischen Literatur, Leipzig 1891), 2. Bibliotheca Slavica. S priloženijem Nowosti russkoj literatury 1889–1891. godow (Bibl. Slavica, mit dem Anhange: die Neuheiten der Russischen Literatur 1889–1891). Roskoschny, der die Russischen Büchertitel mit Lateinischen Lettern transscribirt, muss gewiss am stärksten die Nothwendigkeit einer festen Transscriptionsmethode [379] empfunden haben. Und in der That transscribirt er im Grossen und Ganzen nach der Methode der Schriftzeichenwiedergabe. Aber auch bei ihm sind nicht wenig Inconsequenzen zu constatiren. Er transscribirt: ч = č, ж = ž und sh, so z. B. in „Now. russ. lit.“ čužbinskij, in der Bibl. Slav. dagegen Cushbinski; ъ und ь schreibt er meistens nicht, doch finden wir im Worte Powjestj u. a. m. das ь vertreten; й transscribirt er durch j, eliminirt es aber in Pomjalowski und transscribirt es durch i in slolicnoi, das ій im Worte drewny gibt er durch y; das в = w, aber auch ff, z. B. Besobrasoff; das Russische с = s, das Russische з = z, und das Russische ц = c, daneben aber das Russische з = s (z. B. Besobrasoff), das Russische ц = z (z. B. Mordowzew) und das Russische с durch s, darum auch an einigen Stellen das Russische зц durch zs (wie z. B. in razskazy), an anderen dagegen durch ss (wie z. B. in Kawkasskij); ш = š: щ = šš; ы = y (aber in tainstwennij das ы = ij); was das ѣ und е anbetrifft, so sucht Dr. R. hier die Lautwiedergabe zu erreichen und widerspricht mit diesen phonetischen Bestrebungen seiner Methode der Schriftzeichenwiedergabe. Er schreibt gewöhnlich das ѣ = je, auch dort, wo das ѣ nicht so scharf wie je ausgesprochen wird, wie z. B. im Worte wjenca (= вѣнца); das е = je, jo und o, z. B. sobranije, mjortwaja und saključonnych, bleibt aber auch dieser Regel nicht immer treu, da er das Wort putjem, semenow mit e und nicht mit jo schreibt. Endlich schreibt er nach phonetischer Art und Weise den Genitiv der Adjectiva wo und nicht go, wie im Russischen geschrieben wird, trotzdem man wo ausspricht. Wie dem auch sei, in diesen Katalog-Publicationen finden wir nur die Bestätigung unserer Meinung: 1. dass das Bedürfniss einer methodischen Transscription von vielen Vermittlern Russischer Literatur in Deutschland empfunden wird und 2. dass die Lösung keineswegs auf dem Wege der Lauttransscription, die einfach unmöglich ist, sondern nur auf Grund einer consequenten Schriftzeichenwiedergabe stattfinden kann.
Was man zu Gunsten der Schriftzeichenwiedergabe sagen kann, lässt sich im Folgenden zusammenfassen: 1. erspart man Zeit und Platz, 2. bleibt man dem allgemeinen Deutschen Transscriptionssystem treu, 3. ist man vor jeder unwissenschaftlichen Verstümmelung historischer Namen gesichert, 4. kann man sich selber treu bleiben und sich vor unlösbaren Widersprüchen retten.
Das von uns gewählte Transscriptionsalphabet setzt sich demgemäss folgendermassen zusammen: Eine Anzahl schon oben aufgeführter Vocale und Consonanten kann man einfach, wie allgemein üblich, durch die ihnen im Lateinischen Alphabet ähnlichen Buchstaben ersetzen; ferner das Russische ы durch y, ю durch ju, я durch ja [380] transscribiren. – Das Russische е muss immer durch das Lateinische e, das ѣ durch ě wiedergegeben werden, ohne Rücksicht auf ihre Aussprache. Für das selten vorkommende э, (gesprochen e, wie im Worte Epoche, Epos) gewöhnlich in fremden Wörtern, muss man dann zur Unterscheidung von e é wählen. Was die Halbvocale anbetrifft, so können ь und й beide durch j ersetzt werden, da das ь nur in Combination mit Consonanten und das й nur in Combination mit Vocalen vorkommt, das ъ kann man vollständig eliminiren, und wo es nöthig ist, wie in der Mitte mancher Wörter vor einem Vocal, durch einen Apostroph ersetzen. – Das Russische в wird besser durch v als durch w gegeben; denn, wenn letzteres auch im Deutschen die constante Aussprache voraus hat, so spricht für v die internationale Geltung dieses Buchstabens. – Man muss dann ferner consequent unterscheiden ц = c, з = z, с = s. Dazu kommen die oben erwähnten conventionellen Zeichen für ж (ž), ч (č), ш (š), щ (šč). Wenn man dann noch das х durch ch, das selten gebräuchliche ѳ, welches dem Griechischen ϑ und Lateinischen th entspricht, durch th transscribirt, und endlich noch das nur in manchen Griechischen Worten benutzte, im Aussterben begriffene ѵ (das Griechische υ, gesprochen wie i) durch ý, so verfügt man über ein consequentes, nach einem Princip festgesetztes Transscriptionssystem und man kann ohne jegliches Bedenken jeden beliebigen Russischen Satz mit Lateinischen Buchstaben schreiben und ihn ohne irgendwelche Schwierigkeit correct in das Russische zurücktransscribiren.
Das Alphabet würde sich also folgendermassen ausnehmen:
і i | т t |
к k | у u |
л l | ф f |
м m | х ch |
н n | ц c |
о o | ч č |
п p | ш š |
р r | щ šč |
Das Bedürfniss nach einem einheitlichen Transscriptionssystem ist ein unleugbares, und jeder Historiker, der sich für Russische Geschichte interessirt, oder bei seinen Studien mit Russischen Namen zu thun bekam, hat uns dasselbe aus eigenen unangenehmen Erfahrungen heraus bestätigt. Wenn möglich sollte dasselbe international
[381] sein, was ein phonetisches System nie werden kann, da der Deutsche, der Franzose, der Engländer denselben Laut verschieden bezeichnen müssen. Wir gestatten uns nun, das hier entwickelte Alphabet als Grundlage einer solchen allgemeinen Verständigung den Fachgenossen vorzulegen. Ohne uns zu schmeicheln, dass dasselbe sofort Annahme finden wird, hoffen wir die gute Sache doch um einen Schritt zu fördern.
Sofia, 19. Nov./1. Dec. 1891.
Siehe auch:
- Zur Russischen Orthographie, DZfG 8, 1892, S. 159–160.
- Ueber die Transscription Russischer Namen, DZfG 9, 1893, S. 314–319.
Anmerkungen
- ↑ In den Klammern sind die entsprechenden Lateinischen Buchstaben angegeben.
- ↑ Obwohl fast alle Schriftsteller der Wiedergabe des Russischen я durch ja treu bleiben, schreiben Flathe und Schiemann jä, und Schlosser schwankt zwischen ja und ia.
- ↑ Einleitung bei Reinhold pag. X; Einleitung bei Krek, 1. Aufl. pag. VI–VII, 2. Aufl. pag. X.
- ↑ Franz Joseph von Battenberg bleibt den Principien Jireček’s treu.
- ↑ Das schtsch entspricht keineswegs der Aussprache des Russischen щ, weil dieses als ein kurzer Laut ausgesprochen wird und nicht gedehnt, wie das sch-t-sch andeutet, das ч (tsch) ist dem Italienischen C vor e und i conform, wie in civile und nicht dem gedehnten t-sch-Laut.
- ↑ So z. B. das ъ im Worte Въдкъ: durch u, i, e, y, ù, è, ö, ŭ.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage (in der Anmerkung): t-sch-laut