Nothing Special   »   [go: up one dir, main page]

Zum Inhalt springen

Die Glocken

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Edgar Allan Poe
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Glocken
Untertitel:
aus: Ausgewählte Gedichte
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Verlag des Bibliographischen Bureaus
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer: Hedwig Lachmann (1865-1918)
Originaltitel: The Bells
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf commons
S. 24–29
Kurzbeschreibung:
siehe auch: Die Glocken übersetzt von Adolf Strodtmann
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[24] Die Glocken.

                    I.

Hört die Schlittenglocken, die hellen,
Die fröhlichen, silbernen Schellen!
Wie sie klingen und klingen und klingen
Zu der Rosse feurigen Sprüngen,

5
Wie es ringsherum blinkt und blitzt,

Wie die Sterne glitzern und flinkern,
Daneben blinzeln und zwinkern
          Halb verschmitzt!
Und im Mondlicht tanzen die Feyn

10
Einen seltsamen Runenreih’n

Bei den demantbestreuten Erlen
Zu den tönenden Silberperlen.
Und es klingt, klingt, klingt,
Und es dringt, dringt, dringt

15
Weithin, weit, weit, weit, weit, weit

Das klingende, das singende Geläut.

                    II.

     [25] Hört die Hochzeitsglocken, die weichen,
     Die goldenen, sangesreichen!
     Wie sie wogen und wallen,

20
     Wie sie schallen und hallen

     In schmelzenden, schönen,
     Verwehenden Tönen
     Durch die schimmernde Nacht,
     Während hoch im Blauen

25
     Der Mond mit schlauen

     Schalksaugen lacht.
O welch brausende Wogen schwellen
Aus den tönenden, dröhnenden Zellen!
     Hört, wie sie schwellen,

30
     Wie sie entquellen

     Den erzenen Kehlen,
     Sich wonnig vermählen,
     Anmuthig erzählen
     Von der Liebe, die bleibt,

35
     Von der Lust, die sie treibt,

     Sich zu schwingen, zu klingen,
Weithin, weit, weit, weit, weit, weit –
Mit tönendem, mit sehnendem Geläut!

                    III.

[26] Die Sturmglocken hört, aus Erz, aus Erz!

40
Wie zittert dabei das Menschenherz.

Von eisernen Fäusten gepackt,
Sausen sie aufwärts, scheuen
Wie wilde Rosse und schreien,
Und schreien und schreien und schreien

45
Einen gellenden Chor

Der Nacht ins Ohr
          Ohne Takt.
Ihr eignes, gespenstisches Grausen
Heulen sie aus und brausen

50
Im Klageruf an das Feuer,

Das wahnsinn’ge Ungeheuer,
Und wälzen sich höher und höher,
Dem Monde näher und näher,
Vom hölzernen, morschen Gerüste

55
Treibt sie ein tolles Gelüste,

Sie klirren zusammen und schwirren
In’s Blaue und irren und irren,
Und tollen und tollen und tollen,
Und rollen und rollen und rollen

60
Auf den zuckenden Busen der Nacht

[27] Ein bleiches, starres Entsetzen
Und wecken die Schläfer und hetzen
Sie aus der nächtlichen Ruh.
Die stürzen blindlings hinzu,

65
Mit stockendem Athem zu lauschen

Dem fluthenden, ebbenden Rauschen
          Der grausen Gefahr,
Aus dem ebbenden, fluthenden Läuten
Den Grimm des Feuers zu deuten,

70
Mit fliegenden Pulsen zu hören,

Aus der Glocken Schallen und Gellen,
Aus dem rasselnden, klirrenden Schellen
Das furchtbare Wallen und Gähren
          Der Feuersgefahr –

75
Und es jammert die zitternde Schaar

In der Not, die so fürchterlich dräut,
Weithin, weit, weit, weit, weit, weit –
Mit gellendem, zerschellendem Geläut.

                    IV.

Hört den eisernen Glockenklang!

80
Wie bang, wie bang, ein Trauergesang!

O, wie wir angstvoll schaudern und beben,
Wenn sie des Nachts die Stimmen erheben,
[28] Wie wir den Himmel suchen mit scheuen,
Erschrockenen Blicken, wenn sie so dräuen!

85
O, wie erschauert unsre Seele,

Wenn sie so hoffnungslos gramvoll tönen,
Wenn jeder Laut ihrer rostigen Kehle
          Ein Stöhnen!
Und im Thurm allein

90
Jene knöcherne Sippe,

Jene fahlen Gerippe,
Allein, allein,
Es sind nicht Männer, nicht Weiber,
Nicht Tier- und nicht Menschenleiber,

95
          Es ist Gebein!

Es sind nachtwandelnde Geister
Und ihr König, das ist der Meister,
Und er zieht, und er zieht, und er zieht
Aus den Glocken ein schauerlich Lied,

100
Und er rollt mit teuflischer Lust

Auf die zuckende Menschenbrust
          Einen Stein.
Und er zieht den ächzenden Strang
Zu einem Triumphgesang,

105
Und er jubelt und jauchzet wild,

Und sein fröhlicher Busen schwillt,
Und er tanzt zu den Melodei’n
Einen seltsamen Runenreihn
[29] Und schwingt den ächzenden Strang

110
Zu einem Triumphgesang,

Und er schwingt, und er schwingt, und er schwingt
Auf und ab, auf und ab, auf und ab,
Und er winkt, und er winkt, und er winkt
In das Grab, in das Grab, in das Grab,

115
Und er tanzt und jubelt und streut,

Weithin, weit, weit, weit, weit, weit –
Das klagende, verzagende Geläut.