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Der Wolfsbrunnen (Schreiber)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Alois Wilhelm Schreiber
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Titel: Der Wolfsbrunnen
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 546–547
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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Der Wolfsbrunnen.

Als der bei Heidelberg liegende, nun Jettenbühl genannte Hügel noch dichter Wald war, wohnte in seinen Schatten eine Seherin, Namens Jetta. Hoch und würdevoll war ihre Gestalt und in Schönheit und Anmuth der einer Unsterblichen gleich. Ein edler Jüngling aus dem Frankenvolke, zu dem der Ruf von dieser Seherin gedrungen war, faßte den Entschluß, sie aufzusuchen und sie über sein künftiges Schicksal zu befragen. Sein Herz kannte keine Furcht; als er aber nun in ihrem Haine vor ihr stand und eine Jungfrau aus Walhalla zu erblicken wähnte, gerieth er in Verwirrung und konnte vor einer Weile seine Anrede nicht vorbringen. Endlich sprach er in schüchternem Tone: „Hohe Jungfrau! Dir ist, wie mir der Ruf verkündet, die göttliche Gabe verliehen, klar in die Zukunft zu sehen; wolltest du mir nicht auch weissagen, welch ein Loos meiner wartet?“ – Jetta warf einen forschenden Blick, der aber bald in ein wohlgefälliges Lächeln überging, auf den jungen Helden und erwiederte:

„Morgen Abend, sobald sich die Sonne zum Untergange neigt, stelle dich wieder hier bei mir ein; ich will indessen die Runen über deine Zukunft befragen!“

Der Jüngling verfehlte nicht, des andern Tages pünktlich um die bestimmte Zeit im geweihten Haine zu erscheinen. Er traf die Seherin in trübe Gedanken versunken. „Was haben die Runen geantwortet?“ frug er leise. Jetta schüttelte wehmüthig das lockigte Haupt und erwiederte mit einem Seufzer: „Die Deutung ist mir nicht ganz klar geworden; allein ich fürchte, unsre Lebenssterne berühren sich.“

„Dann war’ ich ja überglücklich!“ – rief der Jüngling, ihr zu Füßen stürzend und ihre Hand ergreifend, die er mit glühenden Küssen bedeckte. – „Willst du denn dein Loos an das meinige knüpfen?“ – fragte die Jungfrau. Der Jüngling schwur ihr bei allen Göttern, fortan nur ihr allein anzugehören.

„Dann muß unser Glück vor den Augen der Menschen verborgen bleiben!“ – flüsterte mit bebenden Lippen die Seherin und bezeichnete ihm die Quelle, die nahe bei jenem Haine sprudelte, [547] zum Ort ihrer ferneren Zusammenkünfte, wozu jedoch nur die Nacht gewählt werden dürfe. Aber schon in der ersten Nacht, als der liebeglühende Jüngling zur Quelle kam, bot sich ihm ein entsetzliches Schauspiel dar: Jetta lag, bereits leblos, unter den Klauen eines mächtigen Wolfes, der ihre zarten Glieder zerfleischte, zu Boden. Der Mond beleuchtete die gräßliche Scene. Der Jüngling stürzte augenblicklich mit gezücktem Schwert auf das Unthier los, welches ihm nach kurzer Gegenwehr, von seiner Klinge durch den dampfenden Schlund gebohrt, erlag.

Dann begrub er seine geliebte Jetta unter heißen Thränen an der Quelle und sich selbst in die Waldeseinsamkeit einer Klause nahe dabei, wo er wenige Monde darauf aus Schmerz auch sein Leben verhauchte.

Seit jener Zeit führt die Quelle den Namen Wolfsbrunnen.

(S. Al. Schreiber’s „Sagen etc.“)

(Ferner: „Die Sage vom Wolfsbrunnen.“ Von Amalie von Hellwig, geb. v. Imhof. Hdlbg. Engelmann. In verschiedenen Ausgaben.)