- Konstantin der Afrikaner
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Konstantin der Afrikaner (eigentlich Konstantin der Tunesier,[1] lateinisch: Constantinus Africanus (Cassinensis), Constantine of Carthage,[2] arabischer Name unbekannt) (* 1017 in Kairouan[3][4]; † 1087 im Kloster Montecassino) war ein tunesisch-arabischer medizinischer Forscher, Fachautor und Übersetzer sowie Laienbruder des Benediktinerordens des 11. Jahrhunderts.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Die wenigen überlieferten biographische Angaben über Constantinus Africanus stammen vor allem von Petrus Diaconus (ca. 1107–1140), dem Bibliothekar und Archivar des Klosters Monte Cassino.
Tunesien und Studienzeit
Konstantin wurde im nordafrikanischen Karthago geboren, dem heutigen Tunesien, seit der Römerzeit Africa[1] genannt (daher benutzte er den Namenszusatz Africanus oder Afer). Seine Eltern gehörten dem arabisierten Bevölkerungsteil der Berber an.[5]
An das Studium schlossen sich, wie damals üblich, Studienreisen an, die ihn in den Orient führten.[6] Diese Lebensphase dehnte sich bei Konstantin auf stattliche 39 Jahre aus. Er ging nach Bagdad (Mesopotamien), studierte Medizin[4] und machte sich gründlich mit der Sprache, Medizin und anderen Wissenschaften der Chaldäer, Perser und Araber vertraut.[5] Auch Kairo wird als Studienort erwähnt[7] (Al-Azhar-Moschee/Universität).
Sein Einkommen bestritt er während seiner Reise durch Geschäfte medizinischen Kräutern. Während seiner mesopotamischen Zeit soll Konstantin mit seinen Handelspartner bis in deren Heimatländer nach Indien, Äthiopien und Ägypten gekommen sein. Er erwarb so detaillierte Kenntnisse in arabischer Medizin und den in der Literatur bekannten und praktisch angewandten Heilverfahren und Heilmittel.[5]
Nach der Rückkehr in seine Heimat Nordafrika hatte Constantin einen großen Erfolg als Arzt und Lehrer. Einige eifersüchtige Kollegen ignorierten jedoch seinen hohen Wissensstand und bezichtigten ihn der Zauberei. Als der Druck zu groß und Konstantin nach einem Hinweis um sein Leben fürchte musste, verließ er Karthago heimlich auf einem Schiff und ging über Sizilien nach Süditalien. Dort tauchte er als Bettler verkleidet unter und erreichte die Stadt und Umgebung von Salerno, die zu jener Zeit von Robert Herzog Guiscardin (ca. 1015–1085) beherrscht wurde und wo ihn dessen Bruder erkannte.[5]
Salerno
In Süditalien kam er 1075 als Lehrer an die medizinische Schule von Salerno und zog durch sein Wirken große Aufmerksamkeit auf sich. Er bemängelte die Qualität der verfügbaren medizinischen Fachliteratur und trug auf einer weiteren Reise medizinische Werke der griechisch-arabischen Welt zusammen.
Montecassino
1078 ließ er sich unter Abt Desiderius, dem späteren Papst Viktor III., endgültig in Montecassino nieder und übersetzte als getaufter Laienbruder seine gesammelten Werke, unter anderem auch Schriften von Hippokrates und Galenos, als Kompendien in Latein. Er begründete dadurch den hervorragenden Ruf der Schule von Salerno.[6]
Zweites Standbein seines riesigen Übersetzungswerkes waren arabischen Quellen. Hier übertrug er die großen Meister der arabischen Medizin in lateinische Bücher: Razes Ali Ibn Massaouia Baghdad, Ibn Imran, Ibn Suleiman, und Ibn Al-Jazzar. Diese Übersetzungen wurden vom Mittelalter bis zum siebzehnten Jahrhundert als Lehrbücher verwendet und befinden sich heute in Bibliotheken in Italien, Deutschland, Frankreich, Belgien und England.[8]
Plagiatsvorwurf
Einige Zeitgenossen bemängelten, Konstantin habe nicht nur die eigenen sondern auch die aus dem Arabischen übersetzten und in seinem Sinne bearbeiteten Werke mit seinem Namen unterzeichnet und damit den Eindruck erweckt, der einzige Autor zu sein. Das gelte insbesondere für den “Zad Al Mussāfir” von Ibn Al-Jazzar. Konstantin griff das Thema allerdings bereits in seiner Einführung zu Zad Al Mussāfir auf und schrieb (nach heutigem Verständnis etwas salopp): „Wenn die Menschen beabsichtigen, in diesem Buch zu nachzuforschen, was von mir kommt, lasse ich sie in ihrer Dummheit schlafen. Ich dachte, es ist meine Aufgabe, es zu unterzeichnen, denn Menschen beneiden andere Menschen für ihre Arbeit …“[8]
Auch später tauchte in der Wissenschaftsgeschichte hin und wieder der Vorwurf des Plagiats der oft freizügigen Übersetzungen auf. Er ist jedoch nicht aufrechtzuerhalten. Konstantin wollte nach seinen Angaben der Schule von Salerno keine eigenständigen Kompendien zur Verfügung stellen, sondern lediglich für den Schulgebrauch dienliche „Kompilationen“ und zweckentsprechende „Kompositionen“. Er bezeichnete sich dementsprechend auch als „coadunator“, „compilator“ oder „abbreviator“. Als solcher spielte er für die mit dem hohen Mittelalter einsetzende Aufnahme und Übernahme der Wertevorstellungen (Rezeption) der griechisch-arabischen Medizin eine vorbereitende Rolle. Für die Medizinschule von Salerno war sein Wirken so bedeutend, dass man die mit ihm beginnende Epoche als „Hochsalerno“ bezeichnet. Der Ehrentitel eines „orientis et occidentis magister“, den ihm Petrus Diaconus gab, der Archivar im Kloster Monte Cassino, unterstreicht dies.[9]
Werke
- De oculo: Augenkrankheiten
- Ali ibn Abbas al-Majusi oder Ali Ibn Al Abbas Al Majoussi:[7]
- Liber pantegni: Encyklopädie des griechisch-arabischen Heilwissen, unterteilt in Theorie und Praxis
- Al Kamil, dessen erste drei Teile auf See verloren gingen.[8]
- Hunayn ibn Ishaq (Johannitius) und sein Neffe Hubaysh ibn al-Hasan:[7]
- Isagoge ad Tegni Galeni
- Hippokrates
- Galenos:
- Megatechne: Buch über die therapeutische Methodik des Galenos
- Abu Bakr Muhammad ibn Zakariya ar-Razi oder Razes Ali Ibn Massaouia Baghdad:
- Al Hawi[8]
- Ishaq ibn Imran:[7]
- al-Maqala fi al-Malikhukiya (De melancholia): Das Buch der Melancholie (Islamische Psychologie)[8]
- Isaak ben Salomon Israeli, Ibn Suleiman oder Isaac Israeli ben Solomon:[7]
- Liber febribus, Liber de dietis universalibus et particularibus: Das Buch der Ernährungsregeln[8]
- Liber de urinis: Das Buch über den Urin[8]
- Das Buch über den Puls[8]
- Omina opera ysaac in hoc volumine contenta: cum quibusdam aliis opusculis. Bartholomaeus Trot, Lyon 1515 (online) (latein. Übersetzung der Werke Isaaks durch Konstantin den Afrikaner).
- Ibn al-Jazzar:[10][7]
- De Gradibus
- Zad Al Mussāfir (Viaticus peregrinantis): Handbuch für reisende Ärzte[8]
- Liber de stomacho: Magenkrankheiten
- De elephantiasi
- De coitu: über das Geschlechtsleben
- De oblivione
Zu den Manuskripte der Medizin, die er von Tunis fand und nach Cassino brachte, gehören auch die Werke:[8]
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- Die Kairouaner Bücher
- Die El Baghdadi Bücher
Literatur
- Gerhard Baader: Zur Terminologie des Constantinus Africanus. In: Medizinhistorisches Journal 2 (1967), S. 36–53
- Annette Hettinger: Zur Lebensgeschichte und zum Todesdatum des Constantinus Africanus. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 46 (1990), S. 517–529.
- Raphaela Veit: Quellenkundliches zu Leben und Werk des Constantinus Africanus. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 59 (2003), S. 121–152.
- Ahmed Ben Miled, Ibn Al Jazzar: Constantin l’Africain. Ed. Salammbô, Tunis 1987.
- Charles SF Burnett, Danielle Jacquart (Hrsg.),Konstantin der Afrikaner und Ali ibn al-Abbas Al-Magūsī: Die Pantegni und verwandte Texte. Brill, Leiden 1995, ISBN 90-04-10014-8.
- James Joseph Walsh: Constantine Africanus. In: The Catholic Encyclopedia. Robert Appleton Company, New York 1908 (transcribed for New Advent by Chris Byrnes) newadvent.org (englisch)
- Gibbon:The Decline And Fall Of The Roman Empire (Chapter LVI: The Saracens, The Franks And The Normans). In: Anno Urbis – The Roman Empire, annourbis.com (englisch)
- Michael McVaugh: Constantine the African. In: Complete Dictionary of Scientific Biography, 2008. Encyclopedia.com (englisch)
Weblinks
Commons: Constantine the African – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Literatur von und über Konstantin der Afrikaner im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Heinrich Schipperges: Constantinus Africanus. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 16, Herzberg 1999, ISBN 3-88309-079-4, Sp. 323–325.
- Salerno and Constantine the African von FSTC Limited am 31. August 2004 Muslimheritage.com (englisch)
- Revolutionizing Medicine Around the Year 1100: International Team of Scholars Examines Transformative Period in Medical History, 12. Oktober 2010 by National Humanities Center, North Carolina, USA nationalhumanitiescenter.org (englisch)
- John H. Lienhard: Constantine the African. In: Engines of our Ingenuity. University of Houston’s College of Engineering uh.edu (englisch)
- Archive.org: zahlreiche digitalisierte Volltexte
- Michigan State University: Introduction to Late Medieval Medicine msu.edu (englisch)
- Universiteit Leiden: Erik Kwakkel discovers oldest medical manual, the Liber pantegni (Complete Book of Medical Science) leiden.edu (englisch)
- Arno Forsius: Constantinus Africanus Biografie (finnisch)
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ a b zu Konstantins Zeiten hieß Tunesien Ifriqiya, abgeleitet von Africa, dem Namen der früheren römischen Musterprovinz. Die Bezeichnung wurde später für den gesamten Kontinent übernommen (Siehe Weblink Muslimheritage.com)
- ↑ wegen ungenauer Bezeichnung seines Geburtsorts Karthago statt Kairouan
- ↑ Manuscript in der Schoenberg Collection – Schoenberg Center for Electronic Text & Image (Version vom 10. März 2003) (englisch)
- ↑ a b siehe Weblink Salerno and Constantine the African von FSTC Limited
- ↑ a b c d siehe Weblink Arno Forsius: Constantinus Africanus
- ↑ a b siehe Weblink James Joseph Walsh: Constantine Africanus
- ↑ a b c d e f aus Latin translations of the 12th century in der englischsprachigen Wikipedia
- ↑ a b c d e f g h i j aus Constantine the African in der englischsprachigen Wikipedia
- ↑ siehe Weblink Heinrich Schipperges: Constantinus Africanus
- ↑ Ibn Al-Jazzar in der englischsprachigen Wikipedia
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