- Grignard-Reaktion
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Die Grignard-Reaktion ist eine metallorganische chemische Reaktion, bei der Alkyl- oder Aryl-Magnesiumhalogenide (Grignard-Reagenz) als Nucleophil an elektrophile Gruppen wie z. B. Carbonylgruppen reagieren. Sie dient zum Aufbau von Kohlenstoff-Kohlenstoff-Einfachbindungen.[1] Die Grignard-Reaktion ist eine sehr wichtige Reaktion zur Synthese von Kohlenstoff-Kohlenstoff–, Kohlenstoff-Phosphor–, Kohlenstoff-Zinn–, Kohlenstoff-Silizium– oder Kohlenstoff-Bor-Bindungen.[2][3]
Das Magnesium-organische Grignard-Reagenz ist keine ionische Verbindung. Stattdessen liegen je nach Lösungsmittel diskrete und kovalente Cluster vor, welche sich in einem Gleichgewicht zueinander befinden (Schlenk-Gleichgewicht).[4] Da Grignard-Reagenzien empfindlich gegen protische Lösungsmittel sind, muss die Grignardreaktion wasserfrei, üblicherweise in getrockneten Ethern wie Diethylether oder Tetrahydrofuran, durchgeführt werden.
Die Grignard-Reaktion wurde nach ihrem Entdecker Victor Grignard benannt, der für diese Entdeckung 1912 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde.[5]
Inhaltsverzeichnis
Mechanismus
Mechanistisch gesehen handelt es sich bei der Grignard-Reaktion um eine nukleophile Addition, in der das negativ polarisierte Kohlenstoffatom (Carbanion) eines Grignard-Reagenzes an das Kohlenstoffatom einer Carbonylgruppe addiert wird. Es wird angenommen, dass am Übergangszustand der Reaktion zwei Moleküle des Grignard-Reagenzes beteiligt sind, wodurch sich ein sechsgliedriger Übergangszustand ergibt.[6]
Durch die nukleophile Addition entsteht zunächst ein Alkoholat, das in einem Aufarbeitungsschritt zum Alkohol protoniert wird.
Umsetzungen
Die Grignard-Reaktion liefert abhängig von der eingesetzten Carbonylverbindung primäre, sekundäre oder tertiäre Alkohole:
Ester ergeben unter Addition von zwei Äquivalenten Grignard-Reagenz tertiäre Alkohole, wobei durch einmalige Addition zunächst als Intermediat ein Keton entsteht. Dieses kann jedoch nicht isoliert werden, da es schneller mit dem Grignard-Reagenz reagiert als der eingesetzte Ester.
Neben Aldehyden, Ketonen und Estern können auch Kohlendioxid, Nitrile, Imine, Epoxide, Thioester etc. mit Grignard-Reagenzien umgesetzt werden.
Die bedeutsamste Anwendung ist jedoch die Umsetzung eines Grignard-Reagenzes mit Aldehyden, Ketonen oder Estern, um Alkohole herzustellen.
Edukt Produkt Formaldehyd primärer Alkohol Aldehyd sekundärer Alkohol Keton tertiärer Alkohol Ester tertiärer Alkohol Kohlendioxid Carbonsäure Nitril Keton Kohlenstoffdisulfid Dithiocarbonsäure Eine Grignard-Reaktion kann mit einer ganzen Reihe weiterer Kohlenstoff-Elektrophilen durchgeführt werden.[7]
Die Grignard-Reaktion kann auch zur Herstellung von verschiedenen anderen Element-Kohlenstoffbindungen verwendet werden. Besonders wichtig sind hier die Bor-Verbindungen welche für die Suzuki-Kupplung in Gebrauch sind.[8]
Früher hatte die Grignard-Reaktion eine große industrielle Bedeutung bei der Herstellung des Kraftstoffadditivs Tetraethylblei, welche aber aufgrund des Verbotes heute bedeutungslos ist.[9]Aryl-Alkyl-Kupplungen
Mit Hilfe der Grignard-Reaktion lassen sich in Anwesenheit von Eisen(III)-acetylacetonat Aryl-Alkyl-Kupplungen durchführen.[10]
Ebenfalls sind Nickelchlorid (Kumada-Kupplung) oder Dilithiumtetrachlorocuprat (in situ hergestellt aus Lithiumchlorid und Kupfer(II)-chlorid in Tetrahydrofuran) gute Katalysatoren für derartige Kupplungsreaktionen.
Stereoselektive Grignard-Reaktion
Da viele Ketone und alle Aldehyde (außer Formaldehyd) prochirale Verbindungen sind, entstehen bei einer Grignard-Reaktion sehr häufig Enantiomeren-Paare oder bei einem schon vorhandenem Stereozentrum Diastereomere. Um die Grignard-Reaktion stereoselektiv zu erweitern, hat Dieter Seebach das chirale Reagenz TADDOL, ein Weinsäure-Derivat, entwickelt. Unter Ausnutzung des Schlenk-Gleichgewichtes wurden bei der Umsetzung mit Aldehyden Enantiomerenüberschüsse von 84-96% erreicht.[11]
Konkurrenzreaktionen
Bei sterisch aufwendigen Grignard-Reagenzien oder sterisch gehinderten Carbonylverbindungen können Nebenreaktionen ablaufen. Die wichtigsten sind die Reduktion der Carbonylkomponente, bezeichnet als Grignard-Reduktion[12], und, bei vorhandenem α-Wasserstoffatom, die Enolisierung der Carbonylverbindung.
Praktische Umsetzung
Im Labor werden die benötigten Grignard-Reagenzien meist in situ in einem Ether als Lösungsmittel hergestellt und unmittelbar mit der Carbonylkomponente umgesetzt. Anschließend wird die Reaktionsmischung in leicht oder stark saurer wässriger Lösung aufgearbeitet und das Reaktionsprodukt daraus isoliert.
Verwendung
Eine Anwendung der Grignard-Reaktion zur quantitativen Bestimmung CH-acider Verbindung ist die Zerewitinow-Reaktion.
Einzelnachweise
- ↑ V. Grignard :In "Sur quelques nouvelles combinaisons organométalliques du magnèsium et leur application à des synthèses d'alcools et d'hydrocarbures (On some new organometallic compounds of magnesium and their application to syntheses of alcohols and hydrocarbons" Comp. Rend. 1990, 130, 1322.
- ↑ D.A. Shirley: In Organic Reactions 1954,8, 28–58.
- ↑ D.M. Huryn: In Comp. Org. Syn. 1991, 1, 49–75.
- ↑ C. Elschenbroich, A. Salzer: Organometallics - A Concise Introduction. 2nd Ed., Wiley-VCH, Weinheim 1995 S. 43–44, ISBN 3-527-28164-9.
- ↑ Nobelprize.org zur Preisverleihung an V. Grignard.
- ↑ K. Maruyama, T. Katagiri: In "Mechanism of the Grignard reaction" J. Phys. Org. Chem 1989,2, 205, doi:10.1002/poc.610020303.
- ↑ Jerry March: Advanced Organic Chemistry, John Wiley & Sons New York 1985, ISBN 0-471-88841-9.
- ↑ A. Suzuki, P.J. Stang (Ed.), F. Diedrich (Ed.); Metal-Catalyzed Cross-coupling Reactions. Wiley-VCH, Weinheim 1998.
- ↑ C. Elschenbroich, A. Salzer: Organometallics - A Concise Introduction. 2nd Ed., Wiley-VCH, Weinheim 1995 S. 139, ISBN 3-527-28164-9.
- ↑ A. Fürstner, A. Leitner, G. Seidel (2004), "4-Nonylbenzoic Acid" Org. Synth. 81, 33–42.
- ↑ Joanna Linda von dem Bussche-Hünnefeld, Dieter Seebach: In "Enantioselective preparation of sec. Alcohols from aldehydes and dialkyl zinc compounds, generated in situ from Grignard reagents, using substoichiometric amounts of TADDOL-titanates" Tetrahedron 1992, 48, 5719-5730. doi:10.1016/0040-4020(92)80023-9.
- ↑ Reinhard Brückner: Reaktionsmechanismen. 3. über. und aktual. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, München 2004, S. 429f. ISBN 3-8274-1579-9.
Siehe auch
Weblinks
Commons: Grignard-Reaktion – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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