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The Darker Side

Summary:

Irgendwas hatte sie falsch gemacht. Zack mied sie seit dem Kuss, wie der Teufel das Weihwasser. Aber er sprach nicht mit ihr, und sie verstand es einfach nicht. Die menschliche Psyche stellte sich am Ende doch viel komplizierter heraus, als sie bisher annahm.

Chapter 1: Black Despair

Chapter Text

Kalter Wind wehte ihr entgegen, als sie die Straßen der kleinen Stadt entlangeilte. Sie musste wirklich eine dickere Jacke bekommen, auch wenn diese ihr gefiel, mit dem hübschen Fellbesatz an der Kapuze. Zack prophezeite ihr bereits vor Wochen, wie unnütz das Stück Stoff war, und vielleicht sollte sie öfter auf ihn hören. Obwohl es wenig brachte, rückte sie das dünne Jäckchen enger um die Schultern und beschleunigte. Das Motel, in dem beide heute früh eincheckten, stand Gott sei Dank nicht mehr weit weg. Außerdem würde sich der Marsch durch die halbe Stadt lohnen. Ganz bestimmt. Zack liebte diese Burger und wenn er danach wieder normal mit ihr sprach. Sie nicht mied, wie der Teufel das Weihwasser, dann konnte sie mit dem bisschen Kälte umgehen.

 

Es war ein guter Plan. Das hoffte sie zumindest. Ansonsten wusste sie nicht, was sie noch tun sollte. Seit einer Woche verhielt er sich so. Genau genommen seit dem Desaster mit diesen Männern. Am Anfang dachte sie, er sei immer noch wütend, weil sie seine Worte ignorierte und in Schwierigkeiten geriet. Mittlerweile vermutete sie, es lag an dem Kuss. Was es nicht besser machte. Sie verstand es einfach nicht. Exakt so stand es in den Romanen, die sie ab und zu in die Finger bekam. Die Protagonistin küsste zum Dank den Retter. Allerdings stieß dieser die Frau danach nicht weg. Er fiel auch nicht in eine Badewanne und zertrümmerte sich fast den Schädel. Nein, die Männer küssten in der Regel zurück.

 

Wenn Zack wenigstens mit ihr reden würde, könnte sie evaluieren, wo der Fehler lag. Sie hielt sich haargenau an die Beschreibung. Leichter Druck, danach ein wenig Zunge und später dann sanftes Knabbern an der Unterlippe. Zu Letzterem kam sie überhaupt nicht mehr. Vielleicht mochte er es auch einfach ein wenig härter. Aber er sprach ja nicht mit ihr und blockte jeden Versuch ab. Sogar das Bett scheute er und schlief lieber auf dem Boden oder dem Sessel. Wie sollte sie das reparieren, wenn er ihr keine Chance dazu gab?

 

Sie seufzte, huschte über den Schotterplatz des Motels und steuerte auf ihr Zimmer zu. Sein Lieblingsessen würde es richten. Ganz bestimmt.

Ihre Finger waren kalt genug, damit sie zwei Anläufe brauchte, bis die Tür sich endlich öffnen ließ. Warme einladende Luft kam ihr entgegen und ein wenig hastiger als gewollt sprintete sie hinein.

„Wo warst du solang?“

Ray drehte sich um und stockte. In voller Montur verließ er das Badezimmer und griff nach der Sense.

„Ich hab` Abendessen gekauft.“

Sein Blick schweifte kurz in ihre Richtung. „Ha? Schmeiß es auf den Tisch, ich ess` später.“

„Aber… dann wird es kalt.“

Er stapfte an ihr vorbei, drückte sie zur Seite und riss die Tür auf. „Ist mir egal.“

„Zack, du solltest -“ Die Tür knallte zu und sie stand alleine in dem Raum. „- nicht alleine gehen.“

 

Die Hand mit dem Essen klatschte auf ihre Seite zurück und sie starrte auf die Tür. So… sollte das nicht laufen.

Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Das war nicht schlimm. Er aß es nur ein wenig später. Ihr Plan bekam lediglich einen kleinen Rückschlag.

Mit einem Nicken stellte sie die Burger auf den rustikalen Esstisch und kontrollierte den Knoten der Tüte. Das Personal des Restaurants verpackte es gut. Eventuell war es später auch noch warm. Selbst kalt schmeckten sie sicher hervorragend.

 

Sie zog die Jacke aus, hängte diese über den Stuhl und kramte in Zacks Rucksack nach dem kaputten Hoodie. In der Zeit, während sie wartete, flickte sie seinen Pullover. Er besaß eine Präferenz für den schönen Schwarzen. Zwar erwähnte er es nicht. Aber sie wusste, wie sehr es ihn nervte, den Pulli nicht mehr anziehen zu können.

Mitsamt dem Nähset plumpste sie auf das Bett, rieb ihre kalten Hände wärmer und bereitete die richtige Nadel mit Faden vor.

 

Die Hoffnung, das Essen wäre wenigstens noch lauwarm, wenn er wiederkam, begrub sie nach einer Stunde. Als die Zweite anbrach, es draußen stockduster wurde, beendete sie ihre Näharbeiten. Nach ganzen vier Stunden, in denen sie wartend auf dem Bett saß, kam er. Die blutige Kleidung fiel ihr zuerst ins Auge, danach der unzufriedene Blick.

„Warum bist du noch wach?“

Irritiert runzelte sie die Stirn und beobachtete, wie er die dreckige Sense gegen die Wand knallte. Sie… blieb immer wach, bis er kam.

„Ich hab auf dich gewartet und deinen -“

„Tch, du siehst aus wie eine gottverdammte Leiche!“ Damit rauschte er ins Bad und sie hörte kurz darauf die Dusche.

Die Lippen zu einer flachen Linie verziehend, stand sie auf und stellte sich vor das Fenster. Tatsächlich sah ihr Spiegelbild ein wenig blass aus. Sie schätzte, es lag an der Kälte oder dem kontinuierlichen Schlafmangel über die Woche hinweg. Ohne seine Nähe schlief sie nicht gut und wälzte sich die meiste Zeit herum. Selbst die Albträume verfolgten sie stärker.

Kritisch strichen ihre Finger über die fahlen Wangen und schlugen fest zu. Bis es schmerzte. Die rosige Haut brannte, genau wie die Handflächen. Jetzt sah sie hoffentlich besser in seinen Augen aus. Ansonsten schlug sie das nächste Mal härter zu.

 

Sie bückte sich, hob den Rucksack auf den Stuhl und suchte gezielt das Verbandszeug heraus. Mit allem für die Wundversorgung bewaffnet wartete sie. Klopfte erst an, als kein Wasser mehr floss und die ersten Flüche ihre Ohren erreichten.

 

„Kann ich rein? Du hast die Sachen für deine Wunden vergessen. Bitte.“ Er antwortete ihr nicht sofort und mit der Hand auf dem Türgriff rechnete sie bereits damit, er jage sie davon. Erneut.

„Mach, was du willst.“ Sie nahm es. Das war näher an einer Einladung als die letzten Tage. Durch den hoffnungsvollen Impuls in ihrem Magen riss sie die Tür auf und stolperte beinahe über seinen blutigen Pullover. Zack saß mit seiner Jogginghose auf dem Wannenrand und erneuerte die Gaze um seine Brandnarben. Sie mochte es, wie er nach dem Duschen aussah. Nasse, zerzauste Haare und lockere Kleidung. Er wirkte… jugendlicher und sanfter. Viel weniger rau an den Kanten. Ihr Blick begegnete seinem. Er spannte sich an. Oh, sie stand immer noch an der Tür und starrte. Die Narben hatten sie nie gestört, sie fand sie auch nicht hässlich oder abstoßend. Allerdings bezog er stets alles darauf und ging auf Angriff, wie ein tollwütiger Hund.

 

Was?“

„Ich mag es, wenn deine Haare nass sind.“

Die Abwehr in seinem Körper verschwand und er blinzelte irritiert. „Red kein´Scheiß.“

„Mach ich nicht.“ Vorsichtig trat sie näher, legte die Sachen auf die Anrichte. „Soll ich dir helfen?“

Er stieß genervt die Luft aus. „Seh` ich aus, als ob ich deine verdammte Hilfe brauche?“

Ja, eigentlich tat er das. Die Schusswunde schränkte seine Bewegungsfreiheit ein, auch wenn er zuweilen das Gegenteil behauptete. Stumm blieb sie neben ihm, legte den Kopf schief und beobachtete seine schlechten Versuche. Früher oder später knickte er ein, sie brauchte nur Geduld. Er tat es immer und selbst Stahl brach irgendwann. Während sie innerlich zählte, präparierte sie den Tupfer. Bei Sekunde drei verkrampften sich seine Hände. In der Vierten und Fünften malten seine Kiefer aufeinander. Die Sechste brach an, dann explodierte er: „Ich versteh` es verdammt noch mal nicht!“

„Was verstehst du nicht?“ Prüfend inspizierte sie die Stiche an seiner Schulter. Legte sanft das Stück Gaze darauf.

„Wie du… Vergiss es!?“ Er fixierte einen Punkt hinter ihr und mied ihren fragenden Blick. Das machte er seit Neuestem. Brach ein Gespräch mitten drin ab. Sie hasste es. Ihr Vater hatte dasselbe getan. Zuerst redete er mit ihr, erläuterte etwas, bevor er mit einem Blick zu ihr verstummte. Bis heute verstand sie nicht, warum. Weder ihr Vater, noch Zack erklärten ihr weshalb. Beide reagierten sogar fast identisch, sobald sie bohrte oder Druck ausübte. Sie hauten ab. Nun… Zack zerstörte zusätzlich auch noch die Inneneinrichtung.

 

Daher ging sie widerwillig auf das Gesprächsende ein. „Es heilt gut.“ Er zuckte unter ihren Fingerspitzen zusammen, als sie über die gerötete Haut strich. „Tut es weh?“

„Nein“, presste er steif heraus. Ray sah den Schauder, der über seinen Rücken lief und runzelte die Stirn.

„Zack, du musst mir sagen, wenn -“

„Verdammt! Kleb einfach das Dreckspflaster drauf und halt die Klappe!“

Stockend hielt sie inne, biss auf ihr Backenfleisch und trug vorsorglich mehr Salbe auf die Verletzung. Beim Anlegen der Bandagen danach, als sie um ihn herumgriff, verkrampfte sein Körper. Er wartete auch nicht ab, bis sie den Knoten fertig band. Nein, er stand auf, drückte sie weg und verließ den Raum. Ihre Hände ballten sich zusammen. Zack behandelte sie sicherlich nicht mit Absicht, wie es ihre Eltern taten… Seine Wunde schmerzte. Gleich morgen früh suchte sie die nächste Apotheke und kaufte diese Tilifin Kapseln, die ihre Mutter gerne gegen etwaige Schmerzen einnahm. Und wenn er die Medizin nicht freiwillig nahm, vermischte sie das Pulver mit seinem Essen. Ihr Vater hatte nie einen Unterschied geschmeckt. Sie riss sich los, hob den schmutzigen Hoodie auf und wusch das feuchte Blut heraus.

 

Als sie anschließend umgezogen das Badezimmer verließ, lag er bereits abgewandt von ihr auf der Couch. Die Tüte stand unberührt auf dem Tisch.

Magst du das Essen nicht?“

„Keine Lust drauf.“

Vielleicht, wenn er hörte, was sie kaufte… Es sind Burger mit extra Speck und ich -“

Genervt stieß er die Luft aus. „ G e h mir nicht auf die Eier und beweg deinen Arsch ins Bett!“

Sie schmeckte Blut auf ihrer Zungenspitze und strich überrascht über ihre zerbissene Unterlippe. Lustigerweise, stellte sie fest, tat es nicht weh. Ihr Blick wanderte zurück zu Zack.

Aber - Sie brach von selbst ab. Er würde schreien, wenn sie weitersprach. Seine Muskeln spannten sich bereits an.

Ihre Hand fiel widerstandslos hinab. „Ok.“

Leise kroch sie auf die kalte Matratze, löschte das Licht und zog die Decke über den Kopf. Das ging gegen jede Logik. Absolut gegen jede! Er liebte dieses Zeug und… Grob rieb sie sich über die Augen. Entfernte die vorwitzigen Tränen. …Ihr fiel nichts mehr ein. Sie entschuldigte sich. Suchte, bis auf diese, Städte, in denen er mehr Leute töten konnte. Ließ ihn sogar in der letzten die Teenager umbringen, obwohl es viel riskanter war. Sie flickte seine Kleidung, kaufte Süßigkeiten und bohrte nicht nach dem Grund seines Verhaltens. Und heute, heute marschierte sie frierend 10 km durch die Straßen. Kaufte Fastfood, nur, damit er es ignorierte und sie am Ende wieder alleine im Dunklen lag. Über ihre Arme rubbelnd schmiss sie sich auf die andere Seite. Wie früher, als ihre Eltern plötzlich seltsam wurden. Sie schrieb gute Noten, weil andere Väter und Mütter sich darüber freuten. Ihre nicht. Sie half im Haushalt, hielt ihr Zimmer penibel sauber, begrüßte stets freundlich alle Menschen und malte zu Geburtstagen bunte Bilder. Haargenau so, wie ihre Mitschüler es machten. Mit dem Resultat, dass ihre Eltern sich noch mehr stritten und sie behandelten, als wäre sie ein unliebsamer Ballast.

J etzt tat es weh, als sie sich auf die Lippen biss und die Füße an ihren Körper zog. Wenn ihr wenigstens jemand den Grund erklären würde, warum sich alle Menschen früher oder später seltsam benahmen.

Ray!? Schlaf endlich!“

Irgendetwas brach bei s einen Worten, weil ihr Kopf leer wurde. Am Rand e registrierte sie ihre p ulsierende Handfläche , nachdem sie gewaltsam auf den Lichtschalter schlug und i hre Decke wegriss.

„Was…“

NEIN! Nein, ich kann nicht schlafen!“ Ihre schreiende Stimme überraschte sie selbst. Ihn auch, weil er sie blinzelnd anstarrte und sich auf seine Unterarme abstützte.

„Was soll ich machen?! Ich habe alles versucht, aber du behandelst mich immer noch wie… wie ein lästiges Anhängsel.“

„Oi, Ray -“

Sie ignorierte ihn. „Ich habe dir gute Opfer beschafft. Deine Sachen immer sofort geflickt. Dein Lieblingsessen gekauft. Ich habe alles gemacht, was du gesagt hast! Und es ist nicht genug!“

Ihre Ohren klingelten. Diese s schöne, seltsame Klingeln. Genau wie damals, als die Glöckchen an ihrer Zimmertür bimmelten, wenn ihr Vater nachts zu ihr kam. Oder, als sie ihn erschoss, ihren Vater.

Es ist nie genug! Egal, was ich tue, ich kann es nicht richtig machen!“

Er setzte sich auf. „Oi, jetzt -“

NEIN!“ Sie schüttelte vehement den Kopf. Ihre Finger krallten sich schmerzhaft um den Saum ihres T-Shirts. „Rede mit mir, was habe ich falsch gemacht? Damit ich es reparieren kann… Weil – weil ich es nicht VERSTEHE! Ich versteh` es nicht, Zack.

Ihre Sicht verschwamm, doch selbst durch den Tränenschleier bemerkte sie, wie er sich anspannte. Oder vielleicht war er schon die ganze Zeit so. Sie wusste es nicht, aber er beobachtete sie. Vorsichtig und achtsam. Auf der Hut vor… vor ihr. Wie damals auf B1, während sie ihm eine Waffe an den Schädel hielt.

Beruhig dich!“ Er sprach leise. Untypisch. Mit eindeutiger Warnung in der Stimme. Sie verstand auch diese nicht.

Ich bin ruhig! Ich bin es immer?!“ Jetzt schmeckte sie wieder Blut. „Bei meinem Vater, meiner Mutter, Danny. Vielleicht ist das der Fehler… Ich weiß es nicht. Es -“

Ray!?“ Abrupt schloss sie den Mund. „Jetzt halt die Luft an, verdammt! Was laberst du für eine Scheiße?! Der Mist ergibt überhaupt keinen Sinn mehr!“ Aufstehend strich er sich genervt durch die Haare. „Was willst du eigentlich von mir, huh?“

S eine abweisend desinteressierte Art machte sie wütend. So wütend. Ihre Nägel bohrten sich schmerzhaft in d ie Handfläche n .

Sprich mit mir! Sag mir, was ich falsch gemacht habe. Sag mir, wie ich es wieder in Ordnung bringen kann. IRGENDWAS!?“ Sie hüpfte auf die Beine, und seine Augen verengten sich. Vielleicht machte die Nähe den Unterschied, weil sie einige Schritte vorwärtsging. Egal was es war, sein Körper spannte sich, wie eine Sehne.

Wenn es die Männer-“

D ie Sehne riss mit einem Knall. Seine Geduld auch. DAS IST ES NICHT, DU GESTÖRTE?!“

In derselben Lautstärke schrie sie zurück: WAS DANN?!“

DU, du bist es!“

Sie s toppte abrupt und blinzelte. „Ich?“

Seine Kiefer verkrampften sich , aber er sprach leiser, wenn auch kaum. „Ja, verdammt! Wieso würdest du -“ Er brach ab.

W ie er sich jetzt grob in seine Haare krallte, sah schmerzhaft aus. Die Geste, das frustrierte und… v erstörte Zusammenpressen seiner Lippen, es beruhigte irgendwie ihr Gemüt. Sie war nicht die Einzige, die nicht verstand.

Was sollte der Scheißdreck mit dem Kuss?“ Ihre Wut verpuffte. Unwillkürlich kicherte sie, weil die Erleichterung in ihrem Bauch sich anfühlte wie tausend Schmetterlinge. Sie hatte es vermutet, aber besaß keine stichhaltigen Beweise. Jetzt… jetzt, konnte sie es so einfach aus der Welt schaffen.

Während sie lachte, versteifte er sich und starrte sie an, als verlor sie den letzten Rest ihres Verstandes. Sie lächelte. Ein fahler Abklatsch, aber alles, was sie gerade zusammenbrachte. „Ich kann das reparieren!“, strahlte sie. „Sag mir, was soll ich besser machen? Mehr Druck? Weniger Zunge? Du musst mir nur sagen, wie du es haben willst!“

Seine Hand fiel herab. Klatschte viel zu laut gegen seinen Oberschenkel. Sein seltsamer Gesichtsausdruck irritierte sie. Nur ein wenig. „Manche Männer mögen roten Lippenstift, ich dachte nicht, dass du es magst, aber ich kann einen kaufen. Oder willst du …“

„Was zum Fick redest du?“ Leise und rau. Gefährlich. Sie sah seine Augen unter dem Schatten seiner Haare nicht mehr.

E twas in ihr stotterte, wie ein kaputtes Zahnrad, dessen Zacken nicht richtig ineinandergriffen. Die Schmetterlinge verschwanden.

Der Kuss.“ Ihre Augen huschten zu seinen Händen, die zuckend eine Faust bildeten. „Ich kann es besser machen!“ Sie beobachtete, wie seine angespannten Muskeln zittern und drängte das ängstliche Gefühl in ihrem Bauch nieder.

Wenn du mir sagst, was du willst…“ Seine Kiefer bissen aufeinander, seine Lippen zogen sich nach hinten. Es erinnerte sie an das Zähnefletschen des kleinen Welpen, bevor er sie biss. „…mach ich das. Die Bücher sind sehr genau, ich kann es bestimmt gut imitieren.“ Er lächelte. So ein Lächeln, das er Cathy gab, als er ihr den Arm abschnitt.

„In einem Buch gelesen, huh?“

Ich – ja und…“

Bei dem Bullshit aus deinem Mund muss ich kotzen.“ Er wandte sich ab, packte seinen Rucksack und verschwand im Badezimmer.

Sie verstand nicht. „Zack?“

E r kam angezogen heraus. Ihr Herzschlag beschleunigte sich.

Was machst du?“ Ihre Stimme hörte sich in ihren Ohren seltsam hohl und verzerrt an. Er griff nach seiner Sense und sie stolperte hastig nach vorne. Seine Lippen pressten sich blutleer aufeinander, als er an ihr vorbeimarschierte. Nun war es kein kleiner ängstlicher Funken mehr. Die Panik setzte sich in ihrer Magengrube nieder, krallte sich in ihre Eingeweide, wie ein glühender Schürhaken.

„Zack!? Was machst du?“

I hre Finger umfassten seinen Arm, bevor er die Tür erreichte. Sie e rwartete eine Reaktion. Er zeigte sie immer, wenn sie ihn berührte. A ber sie rechnete nicht mit seinem Arm, der sich mit ihrer Magengrube verband und sie grob wegschubste. Ihr Hüftknochen traf hart die Kante der Kommode. Das Holz gab nach und mit einem erstickten Keuchen verlor sie das Gleichgewicht. Knallte auf die Überreste des Möbelstücks und den Boden. Sie hörte kaum, was er sagte und vermisste das Zögern in seiner Stimme.

Fass mich nicht an!

Die Tür fiel leise ins Schloss und seine Schritte entfernt en sich. Harsch und stampfend. Sie blieb liegen, atmete durch den Schmerz in ihrer Hüfte, ihres Rücken s und starrte an die schmutzige Decke.

Ein Albtraum. Alles. Die Tage und die Nächte. Es war sicher ein Albtraum. Wenn sie aufwachte, lag sie neben Zack. Er würde noch schlafen, wie er es oft tat. In solchen Momenten kroch sie näher an seine Seite, legte ihren Kopf zwischen seine Schultern und genoss die Wärme. Sein Körper strahlte immer Wärme aus. Und sie mochte, wie er roch. Nach trockener Erde und Zedernholz.

Ray schloss die Augen, verzog das Gesicht. Das Holz unter ihrem Rücken tat weh und ihre Seite pochte, wie ein zweiter Herzschlag.

Au“, murmelte sie und presste die Augen zusammen. Sie wollte endlich aufwachen.

 

Chapter 2: Madness

Chapter Text

Ihre Augen studierten die dreckigen Flecken an der Decke. Sie wusste nicht, wie lange sie schon auf dem zerstörten Sperrholz lag, aber die dunklen Stellen über ihr, bildete inzwischen lustige Formen und Bilder. Eine Taube ohne Flügel in der rechten Ecke. Wie das kaputtgegangene Vögelchen auf Zacks Etage. Es hatte sich leicht reparieren lassen. Und mit ein wenig mehr Zeit, vielleicht etwas Wasser, Draht und Watte, wäre es perfekt geworden. Die weißen Federn kaschierten den Faden und die Flügelchen würde der Metalldraht in hübschen Positionen halten. Ihr eigener, perfekter Vogel. Sie hob die Hand hinauf, fuhr mit einem Finger die dunklen Konturen ihrer Taube nach. Die spitze Kante unter ihrer Schulter bohrte sich bei der Bewegung schmerzhaft in ihr Fleisch. Es riss sie abrupt aus ihrem lethargischen Zustand. Ah, sie machte es schon wieder… Verlor sich in ihren Gedanken und stellte sich Dinge vor. Sie erinnerte sich, die Ärztin damals nannte ihren Zustand Delir. Irgendeine seltsame Form davon. Rachel ließ die Hand sinken und kniff die Augen zu. Dafür hatte sie keine Zeit. Sie musste aufstehen, das musste sie wirklich und nach ihm suchen. Suchen und finden. Seine letzte Jagd lag nicht lange zurück. Einige Stunden und die Polizei arbeitete schnell in kleinen Städten wie dieser. Sie hatten die Leiche inzwischen sicherlich gefunden und fuhren vermehrt durch die Straßen. Für gewöhnlich brachte sich Zack nicht in Gefahr, das wusste sie. Allerdings wusste sie auch, wie rücksichtslos er wurde, wenn er wütend war. Vorsichtig stützte sie sich mit der Handfläche ab, drückte ihren Körper nach oben. Und… er war wütend. Richtig wütend. Auf sie.

 

Zuerst waren ihre Schritte wackelig, ein wenig zitternd. Es lag weniger an dem Sturz und den Schmerzen in Rücken und Hüfte als vielmehr an ihrem Gemütszustand. Es dauerte einige Minuten, bis dieser sich völlig beruhigte. Erst, nachdem sie angezogen ihre Umhängetasche kontrollierte, empfand sie die gewohnte Stille in ihrem Inneren. Kein Zittern, keine Angst und die flatternde Unruhe löste sich endlich auf. Trotzdem fühlte sich die kalte Nachtluft himmlisch auf ihrer erhitzten Haut an, als sie das Motel verließ und in die nächste Seitengasse einbog. Sie lebte lang genug mit ihm zusammen und fand schnell die wahrscheinlichste Route. Zweifellos suchte er nach irgendeinem betrunkenen Idioten, der durch die dunkeln Ecken irrte und noch genug Ausdruck besaß, um sein Gemüt zu beruhigen.

 

Sie täuschte sich. Massiv. In der ersten Stunde suchte sie die nähere Umgebung ab. Nicht die kleinste Spur von irgendjemanden. Die Autos, die an ihr vorbeifuhren, ließen sich an einer Hand abzählen, von herumstreunenden Menschen ganz zu schweigen. In der zweiten Stunde überprüfte sie den Hauptplatz der Stadt. Der ausgestorbene Ort, mit seinen flackernden Straßenlaternen, erinnerte sie an den lustigen Film, den sie vor einiger Zeit mit ihm ansah. Nur der seltsame Typ mit den Krallen fehlte noch. Erst am Ende der dritten Stunde fand sie überhaupt jemanden. Zwei Jugendliche, die sich ihre Zeit auf einem heruntergekommenen Spielplatz vertrieben. Die Kerle lachten und tranken billigen Alkohol, während sie sich gegenseitig mit lächerlichen Geschichten übertrumpften. Ray stand versteckt im Schatten aber nah genug und hörte ihre übertriebene Darstellung von vermeintlich heißem Sex mit der sexy Kassiererin zu. Ob diese Zoe tatsächlich so viel Spaß daran gefunden hatte, sich richtig hart durchknallen zu lassen, bezweifelte sie stark. Der mit den blonden Haaren klatschte dem Geschichtenerzähler zustimmend auf die Schulter und beglückwünschte ihn für sein Werk. Die Frage ob sie eventuell Zack sahen, machte keinen Sinn, auch wenn der irrwitzige Gedanke kurzweilig auftauchte. Hätten sie ihn getroffen, wären beide Burschen lediglich ein zerfetzter Fleischsack auf dem Boden, der seine Exkremente nicht mehr halten konnte. Rachel seufzte. Die andere Seite der Stadt fehlte noch in ihrer Suche. Irgendwo musste er sein und…

 

Der Sheriff hat wohl einen dicken Fang gemacht. Du hättest den Idioten hören sollen. Er hat in einer Tour nach Verstärkung geschrien.“

 

Sie stoppte abrupt. Ihr wurde kalt.

Am Rande hörte sie die Zwei etwas von Polizeifunk und Eltern quatschen, aber sie bekam die Worte kaum mit. Nein… Zack, er ließ sich nicht so einfach… Die Behörden rückten wegen einem Feuer aus. Oder Diebstahl…

 

Es gab sogar Tote.“

 

Ihre Füße reagierten von selbst, als sie aus dem Schatten an die Jungs herantrat. Das Gespräch verstummte. Ray erkannte den genauen Moment, als beide sie für ungefährlich einstuften. Der Zoetyp grinste. Sie mochte es nie, wenn Männer sie so ansahen. Aber sie erkannte den Vorteil darin und nutzte ihn aus. Auch hier. Sie lächelte.

„Alleine unterwegs, Süße? Kann gefährlich sein“, begrüßte der Geschichtenerzähler. Er lehnte sich zurück, nahm einen kräftigen Schluck aus der Jack Flasche. Es sollte imponierend wirken. Tat es jedoch nicht.

„Möglich“, erwiderte sie lahm. „Du sagtest etwas über einen Polizeifunk?“

„Yeah, neugierig? Ich bin Luis und…“ Er zeigte auf seinen Freund. „Ian.“

Benannter nickte ihr zu. „Hi.“

Kurz zögerte sie. Es gehörte zum guten Ton, sich vorzustellen, richtig? Und vielleicht antwortete er dann auf ihre Frage. „Ich bin Rachel.“

„Also Rachel.“ Das Grinsen wurde breiter. „Du verstehst doch sicher, dass ich dir die Information nicht kostenlos geben kann, oder?“

Überrascht nickte sie. Der junge Kerl wirkte auf sie nicht wie ein intelligenter Mensch, der aus Gelegenheiten Profit schlug. Eventuell unterschätzte sie ihn. Nicht schlimm. Sie besaß noch einige hundert Dollar und mit ein wenig Verhandlungsgeschick, sollte er ihr die Informationen geben.

„Was ist dein Preis?“

Er kicherte. „Kommt drauf an, wie viel dir die Informationen wert sind. Weißt du, ich mag Blondinen wirklich gern und du bist ziemlich hübsch.“

Sie runzelte die Stirn und bemerkte aus dem Augenwinkel heraus das belustigte Kopfschütteln seines Freundes.

„Ich sag dir was, Rachel.“ Luis stützte seine Ellbogen auf den Knien ab. „Du bläst mir einen, hier und jetzt. Dann erzähl ich dir alles, was du wissen willst und von mir aus bringe ich dich auch dort hin.“

Davon las sie in einem der Bücher und sah ein oder zweimal eine Prostituierte daran würgen. Es hörte sich nicht schwer an. Ihre Augen schweiften über seine Gestalt. Er sah auch besser aus als die stinkenden Arbeiter der Huren. Außerdem sparte sie Geld, aber…

Unzufrieden verzog sie die Lippen. Die Bibel verurteilte Untreue und so viel sie wusste, fiel dieser Dienst darunter. Sie wollte nicht noch mehr sündigen, als sie es ohnehin schon tat. Und… sie wollte Zack nicht betrügen, der Gedanke gefiel ihr nicht. Zwar vereinbarten sie, wie die Hefte empfahlen, keine klaren Regeln, allerdings glaubte sie, seine Antwort zu wissen. Er teilte bereits sein Essen ungern. Sicherlich würde er auch ihren Körper nicht teilen wollen.

 

„Ich kann nicht.Bitte such dir etwas anderes aus.“

Belustigt hob er die Augenbrauen. „Oh, warum? Ich werde auch sanft sein oder magst du keine Männer?“

Sie stockte. Das war ihr nie in den Sinn gekommen. „Nein, das ist es nicht. Mein Partner wird -“ Der Kerl unterbrach sie und winkte lapidar ab. „Ich werde ihm nichts erzählen. Ian, du?“

Sein Kumpel verneinte stumm. „Also Hübsche, keiner wüsste etwas davon, außer du, ich und Ian.“

 

„Gott würde es wissen“, antwortete sie ruhig.

 

Stille.

 

Luis Gelächter hallte über den trostlosen Spielplatz und er schlug heiter auf die Schulter seines Freundes. Verwirrt neigte sie den Kopf. Sie sagte oder tat nichts Witziges…

 

„Gott würde es wissen? Ernsthaft?“ Langsam beruhigten die beiden Burschen sich. Lachtränen in den Augen und außer Atem.

„Ja.“

 

Er seufzte. „Dann haben wir ein Problem, Süße. Entweder du nimmst meinen Schwanz und gehst danach beichten oder du gehst mit leeren Händen nach Hause zu deinem Macker.“

 

So funktionierten Verhandlungen nicht… und ihr lief die Zeit davon.

 

„Du willst kein Geld? Nur, dass ich dir einen… blase?“, erkundigte sie sich, obwohl sein Gesichtsausdruck bereits die Antwort gab.

„Du hast es erfasst.“

 

Weshalb machten die Leute immer alles kompliziert… Er müsste doch nur das Geld nehmen, ihr die gewünschten Informationen geben und alle Parteien wären zufrieden. Bestimmt bekam er mit den paar hundert Dollar ein oder zwei Huren, die ihm das gaben, was er jetzt so unbedingt von ihr wollte. Unlogisch. So unlogisch und störend.

„Ist das dein letztes Angebot?“

Er verdrehte die Augen. „Schau, ich will deinen Mund, was anderes interessiert mich nicht. Entscheide dich, du fängst an, mich zu langweilen.“

 

Frustriert stieß sie die Luft aus. Niemand konnte ihr die Schuld geben. Denn Gott wusste, sie versuchte es. Das tat sie wirklich.

„Bedauerlich.“

Beide stockten. Erstarrten. Menschen taten das öfter in ihrer Gegenwart, sie wusste nur nicht warum. Ihre Finger fanden zielsicher die ungesicherte Waffe in ihrer Tasche. Präzise richtete sie den Lauf auf ihr Gegenüber.

„Hey, was-“

„Ich brauche die Informationen und du willst nicht verhandeln“, erklärte sie sachlich.

Luis hob die Hände, sein Freund tat es ihm gleich. „Ganz ruhig! Wenn du mich erschießt, bekommst du gar nichts.“

 

„Das weiß ich.“ Sie spannte den Abzug manuell und es erzielte die gewünschte Wirkung. Große Augen, angespannter Körper und die Gewissheit, sie würde tatsächlich abdrücken. „Ich brauche nur dich und du kannst ohne funktionierende Gliedmaßen sprechen.“

 

Luis wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht.

 

„Sag ihr, was du weißt“, fauchte Ian, er erkannte die unausgesprochene Botschaft. „Ich geh nicht drauf, nur weil du notgeiles Arschloch irgendein verrücktes Küken ficken willst.“

 

„An der Zweiunddreißigsten haben sie jemanden festgenommen. Muss einige Beamte umgebracht haben. Den genauen Namen von dem Kerl hab` ich vergessen. Die haben irgendwas von FBI gefaselt und verdammt großer Fisch.“

 

„Isaac Foster?“

 

Er hielt inne. „Ja! Ja, das war der Name! Mehr weiß ich nicht, meine Mutter kam ins Zimmer.“

 

Nicht gut… Das FBI würde schnell hier sein. Ein paar Stunden.

 

„Wo haben sie ihn hingebracht?“

„Keine Ahnung! Wahrscheinlich aufs Revier.“

 

Sie nahm die Waffe runter. Alles, was sie brauchte. „Danke.“

Beide atmeten durch und sackten in sich zusammen.

So viel Zeit, die sie hätte sparen können… Sie wandte sich ab, steckte die Waffe weg und stoppte am Eingang. Über die Schulter spähte sie zurück. „Seid bitte so freundlich und sagt niemandem etwas davon. Die Stadt ist klein und es wäre wirklich nicht ratsam, mich wiederzusehen.“

 

 

Sie fand das Police Department in der Zweiunddreißigsten überraschend schnell. Ein kleines Haus, an einer Ecke. Das Einzige in der Straße, das hell erleuchtet und mit hastig geparkten Autos vor der Tür für eine angespannte Atmosphäre sorgte.

Sie stieß erleichtert die Luft aus. Noch stand nirgends der typische schwarze Van des FBI, der für den Abtransport diente. Die Befreiung aus einem Hochsicherheitsgefängnis wäre eine weitaus schwierigere Aufgabe als aus diesem kleinen Gebäude. Hier gab es genug Schwachpunkte. Daher überraschte das offene Kellerfenster sie auch nicht. Klein und schmal, nicht groß genug für einen Mann. Aber sie war kein Mann und sie war schon immer zierlich. Trotz der Jahre, in denen ihr Körper hübsche Rundungen bekam, fiel es ihr leicht, durch den Spalt zu kriechen. Sie federte ihren Sprung, stützte sich mit beiden Händen ab und verzog die Lippen. Ihre Hüfte schickte einen schmerzhaften Stich ihren Rücken hinauf. Es pochte wieder, wie Stunden zuvor. Das konnte zu einem Problem werden, sie musste vorsichtig sein.

 

Der Raum, eine kleine Abstellkammer mit alten Ordnern und zerkratzten Tischen. Es roch muffig, nach Zigarettenrauch und kaltem Stein. Die Tür stand offen und sie fand einige Räume weiter den Sicherheitskasten. Es war… lächerlich einfach.

 

Die Hauptsicherung klemmte einen Moment, bis die Lichter mit diesem klassischen Knall ausgingen. Stille, dann setzte der erwartete Tumult oben ein. Laute, hektische Stimmen und bellende Befehle, die sie nicht ganz verstand.

Jetzt musste sie warten. Hinter der Tür, weil es ein gutes Versteck darstellte. Niemand sah je dahinter nach. Schwere Schritte, ein genervtes Seufzen. Überrascht hielt sie inne. Sie erwartete mindestens zwei Mann, die jederzeit einen Hinterhalt erwogen.

Aber der Beamte, der missmutig in den Raum polterte, entsprach nicht ihren Erwartungen.

Ray runzelte die Stirn, schloss die offene Tür ein wenig und beobachtete, wie er schwerfällig niederkniete. Er tat sich schwer auf den Knien vor dem Stromverteiler. Arthrose in den Beinen oder das Übergewicht, das er durch die regelmäßigen Feierabendbiere mit sich trug. Absurd, es rechnete niemand mit ihr… Die Beamten schoben den Stromausfall tatsächlich einer Panne in die Schuhe. Sie wusste nicht recht, ob sie beleidigt sein sollte oder dankbar dafür, dass jeder sie vergaß und unterschätzte.

 

„Du verdammtes Ding!“ Der Mann schlug grob auf den Kasten. In der Hoffnung, der Verteiler nahm die Arbeit durch rohe Gewalt wieder auf. Eigentlich plante sie die Beamten zu erschießen. Mehr als einer gestaltete sich immer schwer zu überwältigen, aber für diesen verschwendete sie keine Kugel. Lautlos steckte sie die Schusswaffe in ihren Hosenbund, hörte seinem Fluchen zu und zog das neue Survivalmesser aus der Tasche. Sie hattees zusammen mit der Sportvariante der Glock aus dem Armeeshop gekauft. Rostfreier Stahl, doppelt verstärkt. Sie liebte es. Die Klinge schnitt durch Knochen, wie Butter.

 

Der Mann bemerkte sie bis zum Schluss nicht. Sie trat hinter ihn, spähte über seine Schulter und wartete, bis er endlich die herausgedrehte Sicherung bemerkte. Ihre Handfläche fand seinen Mund und im selben Moment bohrte sie die Klinge in sein Rückenmark. Es gab kaum Widerstand und sie wählte absichtlich die Stelle über seinen Schultern. Arme und Beine gaben nach. So wie es sein sollte. Sein Körper sackte gelähmt nach hinten und ihre Hand dämpfte die erstickten Schreie.

„Es tut mir leid.“ Ihre Lippen nah an seinem Ohr. „Aber ihr habt jemanden, der mir gehört.“ Sie stieß die Klinge zielsicher in seine Leber, der Ruck ging durch seinen Körper. „Und ich möchte ihn gerne wiederhaben.“

Er gurgelte. Sie drückte fester auf Mund und Nase. Blut quoll über ihre Finger und sie wartete. Es dauerte einige Sekunden, bis er völlig still wurde – die Art von Stille, die nur die Toten schafften. Kein Herzschlag, keine Atmung. Es irritierte sie schon lange nicht mehr. Steine fühlten sich genauso an, nur verloren diese keine Körperflüssigkeiten.

 

Der scharfe Geruch von Urin stieg in ihre Nase und sie legte ihn vorsichtig auf den Boden. Unzufrieden mit dem Blut an ihren Händen. Sie mochte das Zeug nicht auf der Haut. Wenn es noch warm war, klebte es und juckte, sobald es kalt wurde. Unangenehm - und widerlich.

 

Sie wischte die Klinge an seiner Uniform ab, fand ein Taschentuch in seiner Hosentasche und versuchte, mehr schlecht als recht, das Blut von sich zu bekommen. Vergebliche Liebesmüh. Es trocknete bereits. Sie seufzte und schmiss es weg.

 

Seinen Taser drehte sie auf Anschlag und ließ ihn in ihre Tasche wandern. Die Waffe auch. Sie würden sich als nützlich erweisen. Und wenn nicht, dann brachten sie auf dem Schwarzmarkt einiges ein.

 

Die Sicherung ging leicht rein und das Summen des Generators startete mit einem ungesunden Knacken. Ray stand auf. Der erste Part lief besser als erhofft. Und sie lag in der Zeit. Sie schätzte, ihr blieben zwanzig Minuten, bis das Fehlen des Beamten auffiel. Eventuell dreißig. Sie schloss die Tür hinter sichund fast wäre ihr die lose herumliegende Metallstange nicht aufgefallen. Fast. Sie nahm diese ebenfalls mit und fand ihren Weg vorsichtig durch den Gang, die Treppe hinauf. Zwei verschiedene Stimmen drangen aus dem Hauptraum.

Sonderbar… Es sollten mehr sein. Vier Autos standen vor dem Haus.

Andererseits…Luis erwähnte einige tote Beamte und Zack ließ sich zweifellos nicht ohne Gegenwehr einfangen. Nun, sie würde es früher oder später sehen. In ihrem Fall, früher.

 

Sie erreichte die Männertoilette genauso einfach wie den Verteilerkasten. Dieses Police Department musste unbedingt an ihren Sicherheitslücken arbeiten… Am Ende dieser Nacht taten sie es bestimmt.

Sie drehte die Leitung unter einem der Waschbecken auf. Rauschen und dann holte sie mit der Stange aus. Fest schlug sie drauf.Der Metallschlauch ächzte unter der Wucht. Drei weitere Schläge brauchte es. Ihre Hüfte tat weh, ihr Rücken und jetzt auch ihr Arm, aber das Wasser lief über den Boden. Schneller als sie dachte, flutete die beschädigte Wasserleitung den Raum. Hoffentlich ging ihr Plan auf…

 

Sie knallte die Tür auf, laut genug, damit die Stimmen verstummten. Ihr Versteck, die erste Kabine, stellte den strategisch besten Punkt dar. Das Wasser brauchte am längsten um bei ihr zu sein. Was gut war, weil sie sich samt gezogener Taserwaffe auf den Boden legte. Ah, zurück im Motel brauchte sie unbedingt ein langes Bad. Sie würde diesen neuen Badezusatz testen, den sie kürzlich kaufte. Und eine warme Schokolade.

Der Beamte, der kam, stoppte vor der Toilette. Viel vorsichtiger als der Dicke im Keller blieb er im Eingang stehen. Sie sah seine Stiefel.

„Was…“ Er zog seine Waffe. Das Geräusch erkannte sie. Es klang wie damals bei ihrem Vater. Ja - dieser Mann agierte vorsichtiger.

„Alles in Ordnung?“ Sein Kollege.

„Ja!“, rief er zurück.

 

Die Schwingtür schloss sich. Seine Füße bewegten sich. Langsam. Sie passte ihre Atmung an und wartete. Ihr Finger legte sich auf den Abzug. Aus diesem Winkel würde sie seinen breiten Rücken treffen. Durchtrainierte Muskeln, welche die Uniform kaum in Zaum hielt. Im Keller wäre er ihr lieber gewesen. Hier gab es zu viele Variablen. Dieser Mann konnte ihr gefährlich werden.

Er hielt vor dem Wasser. Natürlich tat er das…

Sekunden verstrichen. Ein Schritt, er musste nur einen Schritt machen. Und das bald…

 

Er stieß die Luft aus, ging nach vorne und sie schmunzelte zufrieden, als er sich in das Wasser, vor die Leitung hockte. So vielversprechend… Sie drückte ab. Die Haken trafen sein Schulterblatt und den Zwischenraum seiner Halsbeuge. Ein guter Schuss. Sein Körper zuckte, er schrie und keuchte. Dann fiel er wie ein Sack Reis einfach um. Klatschte auf den Boden. Ihr Finger blieb solange auf dem Abzug, bis sie vor ihm stand. Mit einem sachten Fußtritt beförderte sie seine Schusswaffe außer Reichweite. Laut. Sie hatte sein Gejammer, als ihn die Widerhaken trafen, unterschätzt.

„Irgendwie habe ich erwartet, du lieferst mehr Gegenwehr“, murmelte sie, schmiss den Taser auf seinen schlaffen Körper und zog das Messer aus der Tasche. Zack hielt so viel mehr aus…

Ray kniete vor ihm nieder, setzte die Klinge auf seine Rippen und runzelte die Stirn. Das waren nicht nur Muskeln, sondern eine – schusssichere Weste…

Der ausschlagende Handrücken traf ihre Wange, das Messer flog ihr aus der Hand und ihr Kopf krachte hart auf die Fliesen.

„Du verdammtes Miststück!“ Seine Stimme klingelte in ihren Ohren und mit einem Keuchen, spürte sie seinen Griff in ihren Haaren. Er riss sie herum. Donnerte sie auf den Boden, umfasste ihren Hals und würgte.

„Hast du David auch erwischt?“, fauchte er. Seine Finger bohrten sich in ihren Nacken. Es tat weh und sie bekam kaum Luft. Langsam übermannte die Angst ihren Magen. Polizisten und ihre emotionale Unreife. Er würde sie tatsächlich umbringen und sich lieber dem FBI verantworten, als sie einfach nur festzunehmen.

„Rachel Gardner, das arme, arme Mädchen. Wurde entführt, nachdem sie auf tragische Weise ihre Eltern verlor. Bullshit! Ich habe diesen Mist nie geglaubt. Nie!“ Die witzigen Punkte vor ihren Augen blitzten und huschten, wie ein Feuerwerk an Silvester. Das Messer landete nicht weit von ihr entfernt. Wenn sie sich nur ein wenig mehr anstrengte, nur ein paar Zentimeter weiter durch das Wasser tastete…

„Ich kenne Menschen wie dich, Rachel.“ Das bezweifelte sie stark. „Damals als du in den Medien aufgetaucht bist, wusste ich es. Du bist kein Opfer, nein, du bist ein Mörder wie Foster. Schlimmer, du hast deine Eltern umgebracht! Einen Kollegen, einen guten Mann!“ Obwohl ihr die Luft fehlte, das Atmen schwerfiel und ihre Fingerspitzen noch immer nicht den Griff des Messers erreichten, lachte sie auf. Er stockte.

„Laut Definition“, keuchte sie, „war mein Vater vieles. Ein - Säufer, ein Schläger, ein Vergewaltiger, - aber ein guter Mann - das war er nicht.“

Er stieß sie grob gegen die Fliesen. „Sagt die Hure eines Monsters, das sechs meiner Kollegen auf dem Gewissen hat! Du wirst hier sterben und ich werde persönlich anwesend sein, wenn sie ihm die verdammte Spritze in die Vene jagen!“ Ruhe ersetzte die Angst. Ihre Faust rammte seine Schläfe. Ein leichter, schwacher Schlag, aber es erzielte die kurze Kraftverschiebung. Seine Hände würgten weniger und er rückte einige Zentimeter von ihr ab. Genug, um endlich das Messer zu erreichen.

Seine Finger lösten sich, griffen nach ihrem Arm und der Fußtritt traf ungeplant seinen Oberschenkel.

„Du…“ Er riss sie an der Schulter herum, zurück auf den Rücken und wurde still. Ihr fiel vorher nicht auf, wie grün seine Augen waren. Hübsche kleine Sprenkel, in kaffeefarbenem Braun. Faszinierend, wie sich die Pupillen jetzt vergrößerten. Das Blut, das auf ihr Gesicht tropfte, fühlte sich heiß an. Es hinterließ farbige Spuren auf ihrer Wange. Färbte ihr Haar und das Wasser. Sie neigte den Kopf, stieß das Messer tiefer in seine Schläfe. Stumm, einem Fisch ähnlich, bewegte er seinen Mund.

„Zack gehört mir…“

 

Schwer sackte er auf ihr zusammen. Ihre Worte, sie erreichten ihn nicht mehr. Trotz seines Kopfes, der auf ihrer Schulter lastete und dem Blut, das ihren Nacken entlanglief, schloss sie die Augen. Schlecht ausgearbeiteter Plan. Sie hätte seinen Hals anvisieren sollen. Der Zwischenfall warf sie zurück und sie vergeudete kostbare Zeit. Ärgerlich. Wirklich ärgerlich.

 

Ihre Hände umfassten seine Schultern und drückten den Leib herunter. Ein toter Körper ohne jegliche Muskelspannung ließ sich unheimlich schwer bewegen. Sie benötigte zwei Anläufe, bis er endlich von ihr abrollte. Tief atmete sie durch, stützte sich auf dem rutschigen Boden ab und stand auf. Ihre Beine zitterten und sie brauchte einige Minuten, um das lästige Klappern abzuschütteln.

 

Ihr Spiegelbild sah… unvorteilhaft aus. Überall Blut, eine aufgeplatzte Lippe und ihre Haare, ein einziges nasses Durcheinander. Den Dreck aus ihnen waschen, würde ewig dauern.

Sie nahm sich die Zeit und säuberte ihr Gesicht. Vorsichtig, da ihre Wange unangenehm zog und die Lippe brannte. Das Gefühl kannte sie von früher, wenn ihre Mutter ihr eine Ohrfeige gab. Spätestens in einigen Stunden färbte sich ihre Wange dunkelviolett. Ihre Augen huschten zu der Leiche. Ihm zusätzlich eine Kugel in die Stirn zu jagen, machte leider keinen Sinn. Was schade war, weil sie es wirklich gerne tun würde.

 

Sie wandte sich ab, holte aus der ersten Kabine die Stange und verzog das Gesicht, während sie sich aufrichtete. Den Hauptraum erreichte sie langsamer. Alles tat weh und das Metall wirkte viel schwerer.

 

Ihr FBI-Leute glaubt vielleicht, wir Vorstadtpolizisten wissen nicht, was wir tun aber ich garantiere Ihnen, Agent Barret, Foster wird nicht entkommen!“

Der Mann telefonierte, wirkte genervt und… beleidigt. Anscheinend besaß das FBI diese Wirkung auf Menschen. Das Verhör vor vielen Jahren, hatte sie selbst auch an diesen Punkt getrieben. Er saß mit dem Rücken zu ihr, stützte sich mit dem Ellbogen auf den Tisch und starrte in den Bildschirm seines Computers. Eine gute Chance, die sich ihr bot und die sie nutzte. Die niedrige Schwingtür blieb stumm, als sie hindurchging. Erst geölt. Ihr Glück.

Rachel Gardner?“ Im toten Winkel, hinter ihm, blieb sie stehen. Atmete flach und wartete.

Wir haben keine Spur von ihr gefunden. Glauben Sie wirklich… Foster hat sie nicht umgebracht? Warum?

Ja… das fragte sie sich auch…

Verstanden. Nein, verdammt! Er entkommt nicht! Der Sheriff ist die ganze Zeit bei ihm!“

Ihre Hände umfassten die Stange fester, ein sicherer Stand, damit sie die Kraft aus ihrem Schwung benutzte. Zack machte das immer so…

In einer Stunde? Ja, Sir!“ Er seufzte, schmiss den Hörer beiseite. „Arschloch.“

 

Sie holte aus und in dem Moment, als er sich umdrehte, traf die Stange mit einem widerlichen Knacksen sein Gesicht. Das Geräusch, das er machte, als er auf den Boden krachte, konnte sie nicht genau benennen. Eine Mischung aus gurgeln und stöhnen.

Sein Blut schoss aus seiner zerstörten Nase, wie ein Wasserfall, und der Bürostuhl donnerte gegen den Tisch. Rollte vergessen in die Ecke.

 

Mh, bei Zack sah es einfacher aus. Theoretisch dürfte sich der Kerl nach dem ersten Treffer nicht mehr bewegen… Aber er tat es. Stöhnte und klammerte beide Hände um die kaputten Knochen. Seine Augen öffneten sich. Von Schmerz und Entsetzen groß.

 

Sie schlug abermals zu. Und noch einmal. Insgesamt fünf Mal. Bei dem Ersten und Zweiten, da schrie er. Nicht laut, da er mehr Blut schluckte, als Luft atmete. Praktisch. Während des Dritten und Vierten stöhnte er, flehte mit verwaschenen Worten um Gnade. Sie verstand ihn schlecht, da seine Zähne verstreut herumlagen.

 

Nach dem Fünften stöhnte er nur noch. Schaukelte mit den Armen über dem Kopf träge herum.

Sein Gesicht sah… unappetitlich aus. Wie gehacktes Fleisch.

 

Sie stieß erschöpft die Luft aus, stützte sich auf die blutige Stange. „Warum lebst du noch?“

Er sollte längst tot sein. Sie hörte vorher seinen Schädel spalten. Zack brauchte einen Schlag und die Leute waren tot. Erst vor einigen Wochen beobachtete sie ihn dabei, wie er mit der flachen Seite seiner Sense den Kopf eines Betrunkenen zerteilte.

Das sollte alles nicht so schwer sein…

Sie holte tief Luft und machte weiter. Ihre Arme schmerzten irgendwann und zitterten vor Anstrengung.

Nach Minuten, endlich, rührte er sich nicht mehr. Seine Arme fielen herab und sie ließ die Stange keuchend los.

Nur noch ein Mann. Einer.

Sie holte die Glock aus ihrer Tasche. Volles Magazin, ungesichert und schussbereit. Jetzt brauchte sie nicht mehr leise sein.

Energielos wandte sie sich ab. Schlurfte durch den Gang, der zu den Zellen führte. Witzig. Die dazugehörige Tür war angelehnt, es ermöglichte ihr, lautlos in den Gefangenentrakt zu schlüpfen.

 

„Du hast sechs meiner Leute umgebracht, du verdammtes Monster!“ Sie spähte um die Ecke. Der Sheriff war ein großer Mann, mit breiten Schultern und einer von Zigaretten rau gefärbten Stimme. Er stand mit verschränkten Armen vor der hintersten Zelle. Der erhoffte Blick auf Zack blieb ihr aus diesem Winkel verwehrt.

Sie zog ihren Kopf zurück, lehnte sich an die Wand und betrachtete ihre erschöpft bebenden Finger. Schlecht. Sie brauchte eine ruhige Hand.

 

„Das waren gute Männer!“ Dieser Satz, sie konnte ihn nicht mehr hören. Das Rascheln von Handschellen und dann machte ihr Herz einen erleichterten Hüpfer. Zack.

 

„Alter Mann, wie lange willst du mir diesen Scheiß noch erzählen, huh?“

 

„HALT DEIN MAUL!“ Irgendetwas, sie vermute einen Schlagstock, krachte gegen die Gitter. „Wie viele Menschen hast du in meiner Stadt getötet?“

 

Zack stieß amüsiert die Luft aus. „Heute oder die letzten Tage?“

 

Seine Stimme trug das Grinsen bis zu ihr. Der Beamte musste ihn wirklich nerven. Gewöhnlich provozierte er nicht auf diese Art.

 

„Du verdammter…“ Der Mann zog die Luft zwischen den Zähnen ein, dann sprach er weiter, viel ruhiger. „Sag Foster. Deine kleine Hure, wo hast du sie versteckt?“

 

„Nenn sie nicht so.“ Ray stockte. Dieser Tonfall war neu. Tief, rau und gefährlich. Er versprach Blut. Viel Blut. Sie wusste nicht, welchen Ausdruck Zack machte, allerdings räusperte der Sheriff sich, bevor er erneut seine Stimme erhob. Viel weniger selbstbewusst, aber nicht minder herausfordernd.

„Was, willst du das nicht hören?“ Eine kurze Pause. „Ich werde sie finden, Isaac, und wenn ich sie gefunden habe, wer weiß, vielleicht löst sich eine Kugel. Ein Unfall. Es-“ Etwas donnerte gegen die Zelle.

„Ich reiß dich in Stücke, sobald ich hier rauskomme.“

 

Sie hatte genug gehört und ihre Finger zitterten nicht mehr. Daher trat sie um die Ecke und zielte. Beide bemerkten sie nicht. Zu sehr aufeinander fixiert. Vielleicht sollte sie ein Tattoo bekommen. Irgendetwas, damit die Leute sie wahrnahmen. Langsam wurde es beleidigend.

 

„Fahr zur Hölle, du Monster!“, knurrte der alte Mann, und sie drückte ab. Das Knie explodierte aus dieser kurzen Entfernung regelrecht. Er schrie auf, sackte zusammen und fiel gegen die Zelle. Bevor er daran dachte, seine Waffe zu ziehen und die Situation richtig einschätzte, stand sie neben ihm. Drückte den Lauf gegen seine Schläfe.

Gelächter hallte wider. Sie hatte ihn lange nicht mehr so fröhlich lachen hören. Ihre Mundwinkel zuckten unwillkürlich nach oben. Sie mochte es, wenn er so war. Die Augen des Sheriffs landeten auf ihr. Groß, ungläubig und resigniert. Sie verstand die Fülle an Emotionen nicht. Kein bisschen. Allerdings fing sie jetzt auch nicht an, darüber nachzudenken. Sie wollte endlich ein Bad…

 

„Yo, Arschloch!“ Zack kniete, samt den gefesselten Armen hinter seinem Rücken, vor dem Mann nieder. Ein breites Grinsen, mit amüsiert leuchtenden Augen. Er genoss jeden Augenblick, wusste sie. Der Mann blickte zu ihm und in dem Moment, griff Zack das von damals auf.

 

„Bang.“

 

Sie schoss. Der Körper klatschte mit einem matschigen Geräusch auf den Boden. Zack lachte, während sich das Blut unter dem Toten ausbreitete. Sie steckte die Waffe weg, fand den Schlüssel in der Hosentasche der Leiche und schloss seine Zellentür auf. Er sah schlimm aus, verprügelt. Seine Schusswunde war aufgegangen und seine Kleidung, eine Ansammlung blutiger Fetzen.

 

„Was zur Hölle hast du gemacht?!“

 

Sie befreite ihn von den Handschellen und runzelte die Stirn. „Es tut mir leid, ich habe länger gebrau…“

 

„Du dumme Frau, das meine ich nicht!“ Er umfasste grob ihr Kinn, drehte ihren Kopf auf die Seite. Oh, er meinte ihr Aussehen.

 

„Mein Plan hat nur zur Hälfte funktioniert.“

 

Er stieß die Luft aus. „Du bist nicht verletzt, oder?“

 

„Nein. Zack, wir müssen gehen, das FBI ist auf dem Weg hierher.“

 

„Dann lass uns abhau`n!“

 

Seine Hand löste sich von ihrem Gesicht und sie bereute fast, etwas gesagt zu haben. Seine Berührungen, selten in letzter Zeit. Er stieg über den Toten und sie folgte ihm bis in den Hauptraum.

„Ich bin gleich da.“ Sie huschte an ihm vorbei in die Asservatenkammer und fand, wie vermutet, seine Waffe.

 

Als sie wieder zu ihm kam, stand er über der Leiche.

 

„Sie waren im Weg“, meinte sie, da er still blieb.

 

Der Anblick, er gefiel ihm, sie konnte es sagen. Die anderen Emotionen in seinen Augen verstand sie allerdings nicht. Begeisterung, Vergnügen und irgendetwas anderes.

Seine Zufriedenheit reichte ihr im Moment jedenfalls. Es machte ihr Freude.

 

„Du bist echt abgefuckt.“

 

Sie runzelte die Stirn. „Was mein…“ Ihre Stimme verschwand, abgeschnitten von seinen Lippen auf ihren und seiner Hand um ihren Hals, die sie grob näher zog. Zuerst war alles schwindelerregend, einen Moment schmerzhaft, weil ihre verletzte Unterlippe brannte. Dann warm, einladend und hart. Nicht sanft und zärtlich. Auch nicht langsam, wie in den Büchern beschrieben. Aber sie mochte es, das tat sie, weil es typisch Zack war. Er löste sich erst, als sie keine Luft mehr bekam. Sie wusste nicht genau, was sie machen sollte, welche Worte die richtigen waren und sie hatte auch keine Badewanne, in die sie fallen könnte. Aber er nahm es ihr ab. „Keine verfickten Bücher mehr, Ray.“

 

 

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