Angriffe in Dresden Spuren in die rechtsextreme Szene
Bei den Angriffen auf Politiker in Dresden gibt es offenbar mehr Spuren in die rechtsextreme Szene als bislang bekannt. Das zeigen Recherchen von NDR, WDR und SZ. Eine wichtige Rolle spielt die Gruppe "Elblandrevolte".
Es ist ein Wohnviertel voller Einfamilienhäuser, eine Privatstraße in einer gehobenen Wohngegend im Dresdner Stadtteil Laubegast, nur ein paar Dutzend Meter entfernt von der Elbe, in der an diesem Sonntag die Polizei angerückt ist: Hausdurchsuchung. Die Ermittler sind auf der Suche nach den mutmaßlichen Tätern eines Übergriffs, der seit dem vergangenen Wochenende die Öffentlichkeit bewegt.
Innenminister von Bund und Ländern sind alarmiert, seit grüne Wahlhelfer und der SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke angegriffen wurden und letzterer anschließend im Krankenhaus operiert werden musste.
Vier Tatverdächtige im Fokus
Im Fokus der Ermittlungsbehörden seither: vier jugendliche Verdächtige und eine große Frage. Handelte es sich bei den Angriffen um Gewaltexzesse betrunkener Jugendlicher - oder um organisierte, politische Attacken rechtsextremer Aktivisten? Oder um eine Mischung aus beidem: Gewaltexzesse radikalisierter, betrunkener Jugendlicher?
Nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) scheinen mehr Spuren in die rechtsextreme Szene zu führen als bislang bekannt. Recherchen in Dresden und Heidenau, wo die verdächtigten Jugendlichen leben, führen hinein in die Welt kaum volljähriger Jungs, teils aus wohlhabenden Milieus. Und zu einer rechtsextremen Gruppe, die seit Februar dieses Jahres vor allem Jugendliche anspricht. Ihr Name: "Elblandrevolte".
Kampf um die Demokratie in Bautzen
"Elblandrevolte" - das ist der Name einer auf den ersten Blick kleinen rechtsextremen Gruppe, die durch die Taten des Wochenendes nun in die Öffentlichkeit rückt. Denn nicht nur folgten einige der mutmaßlichen Täter, die im Fokus der Ermittlungsbeamten stehen, der rechtsextremen Gruppe in sozialen Medien, auch soll mindestens einer von ihnen zuletzt im Zusammenhang mit politischen Protesten und Machtdemonstrationen der Gruppe in Bautzen aufgefallen sein.
In Bautzen wird derzeit eine Art Kampf um die Demokratie geführt, seit demokratische Bündnisse dort versuchen, die Stadt gegen das martialische Auftreten rechtsextremer Aktivistengruppen zu verteidigen. Die "Elblandrevolte" hat dazu aufgerufen, "ein starkes Zeichen für unsere Deutsche Jugend" zu setzen.
Auf der Rückreise soll es im Zusammenhang mit Teilnehmern der Veranstaltung auch zu tätlichen Auseinandersetzungen in einem Zug gekommen sein. Seither ermittelt auch in diesem Fall die Staatsanwaltschaft.
Anfragen bleiben unbeantwortet
Auch das Landeskriminalamt, das im Fall des Übergriffs auf den SPD-Mann Ecke bislang von vier Tatverdächtigen im Alter von 17 und 18 Jahren ausgeht, ermittelt derzeit, ob es jenseits der vier Verdächtigen noch weitere Tatbeteiligte geben könnte, die mit den Angriffen vom Wochenende im Zusammenhang stehen könnten - und ob weitere Tatverdächtige Berührungspunkte mit der rechtsextremen Szene hatten.
Wie exakt sich die Übergriffe abgespielt haben, ist derzeit ebenfalls noch Bestandteil der Ermittlungen. So lange gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung. Auf Gesprächsangebote und Presseanfragen reagierte bis zum Redaktionsschluss weder der Tatverdächtige noch deren Familien.
Extrem schnelle Radikalisierung
Sorge bereitet den Sicherheitsbehörden und politischen Beobachtern in Dresden die extrem schnelle Radikalisierung innerhalb der "Elblandrevolte". Die in Wirklichkeit nur kleine Gruppe machte erst vor kurzer Zeit, Anfang Februar 2024, erstmals öffentlich auf sich aufmerksam.
Im Vorfeld der politischen Mobilisierung zu Demonstrationen am 13. Februar, dem Jahrestag der Bombardierung von Dresden, tauchte die Gruppe aus dem Umfeld der sogenannten "Jungen Nationalisten" (JN) in Dresden auf - eine Jugendorganisation, die auch mit der "Heimat", ehemals NPD, in Verbindung steht.
Angeführt wird sie in Dresden von gerade einmal einer Handvoll Aktivisten, die seither offenbar teils erfolgreich versuchen, Jugendliche mit Wanderausflügen und martialischem Auftreten für sich zu gewinnen. Laut Sicherheitsbehörden bewegt sich die Mitgliederzahl der "Elblandrevolte" gerade einmal im unteren zweistelligen Bereich.
Sehr junge Demo-Teilnehmer
Gleichzeitig berichteten Beobachter in Dresden zuletzt vermehrt auch von der Teilnahme von sehr jungen Jugendlichen auf rechtsextremen Demonstrationen. So fiel etwa bei einer rechtsextremen Demonstration rund um den 1. Mai auf, dass dort sogar 14- und 15-jährige Jugendliche hinter rechtsextremen Bannern mitmarschierten.
"Dieses Auftreten besonders junger Männer um die 17 Jahre alt, teilweise noch jünger, fällt relativ schnell ins Auge", sagt Andrea Hübler, Geschäftsführerin der Opferberatungsstelle RAA, einer Beratungsstelle unter anderem für Betroffene von rechtsextremer Gewalt. "Wir beobachten hier in Dresden seit einiger Zeit wieder verstärkt das Auftreten und die Angebote von klassischen Neonazi-Organisationen, die insbesondere unter jungen Männern und Jugendlichen für sich werben."