Heiner Knell, bis 2006 Professor für Klassische Archäologie an der Technischen Universität Darmstadt im Fachbereich Architektur, hat sich in seiner Laufbahn unter anderem durch bedeutende Schriften zu Vitruv und die Erforschung römischer und griechischer Architektur einen Namen gemacht. Zuletzt veröffentlichte Knell mit seiner Zusammenfassung der „Bauprogramme römischer Kaiser“ von Augustus bis Trajan einen lehrreichen Überblick über diese Repräsentationsbauwerke in Rom. Vor dem Hintergrund der großartigen Ausstellung „Hadrian – Empire and Conflict“ im British Museum in London 2008 mit einem ebenso hervorragenden Ausstellungskatalog 1 sowie der sich wandelnden und komplexer werdenden Forschungsmeinung zu Hadrian 2 muss die neue Publikation Knells zu den Bauten dieses Kaisers ihren Platz in der Forschungsliteratur finden.
Knell geht davon aus, dass Hadrian im Gegensatz zu Trajan mehr an Architektur als an Kriegen interessiert gewesen sei. Auf Basis dieser These – die meines Erachtens nach nur auf einen Teil der Persönlichkeit Hadrians zutrifft und die ebenso wie die Behauptung, Trajan sei mehr dem militärischen Einsätzen zugeneigt gewesen, ein wenig undifferenziert ist – rückt das Buch von Knell den architektonischen Aspekt der hadrianischen Herrschaft stark in den Mittelpunkt. Unter dieser Prämisse entwickelt Knell die hadrianische Architektur in ihrem topographischen Kontext als Folie vor dem Hintergrund römischer Geschichte (S. 7). Da es ihm um eine Gesamtbetrachtung der anzusprechenden Bauten in Rom, Athen und Tivoli geht, gehören – laut Vorwort – Abbildungen der Gebäude und Quellen dazu, wenngleich nicht zur Illustration des Textes, sondern vielmehr zur Darstellung der Gebäude an sich. Ein weiteres Ziel des Buches ist es, ohne Aufbereitung wissenschaftlicher Diskussionen „Form und Bedeutung bestimmter Bauten verständlich werden zu lassen“ (S. 9). Mit dem Verweis auf die entsprechenden Monographien von Anthony Birley, Mary T. Boatwright, Dietmar Kienast, Dietrich Willers und Heinz Kähler zur dem Leser selbst überlassenen Auseinandersetzung mit neueren Forschungsergebnissen zu den Bauten (S. 7, S. 9) lässt Knell den historischen Kontext Hadrians und seiner Zeit weitgehend im Hintergrund. Bereits das Vorwort zeigt so die durchaus gerechtfertigte Intention des Autors, keine Publikation für ‚Einsteiger‘ ins Thema Hadrian und seine Architektur präsentieren zu wollen, sondern vielmehr eine ausführliche Ergänzung und Spezialdarstellung vorzulegen.
Knell bespricht die Bauten Hadrians, dem Ort ihrer Errichtung folgend, nach einem sinnvollen Schema. Von der Stadt Rom, dem Zentrum römischer Macht, mit ihren Staatsbauten (S. 11-58), über Athen für die Welt der Griechen (S. 59-78), bis hin zu Tivoli, dem Ort der Traumwelt Hadrians, realisiert in der Gestalt seiner Villa (S. 79-110). Knell befasst sich nach dem Pantheon und dem Tempel der Matidia auch mit dem Staatsheiligtum des Venus- und Roma-Tempels und rundet seinen architektonischen Rundgang mit Hadrians Mausoleum ab. Im Abschnitt zu Athen behandelt Knell Bibliothek und Gymnasion, Pantheon, Olympieion und Kaisareion sowie Hadrians Stadttorbogen. In Bezug auf Hadrians Villa in Tivoli stehen für Knell die Piazza d’Oro, das Teatro Marittimo, die Stoa Poikile, das große Triklinium, das Gartenstadium und das Canopus-Tal im Fokus der Betrachtung. Innerhalb dieser durchaus sinnvollen geographischen Gliederung wird jedoch die qualitative Reihenfolge der Bauten nicht ganz klar und die Frage nach der Beliebigkeit dieser Folge drängt sich durchaus auf. Das Pantheon als erstes Bauwerk Roms zu nennen, ist durchaus gerechtfertigt; die Betrachtung des ‚Tempel der Matidia‘ wirkt jedoch im Kontext des Buches fast deplatziert bzw. als architektonische Betrachtung überflüssig, da hier nur eine Münzdarstellung gezeigt wird und sich keine weiteren Aussagen oder Erörterungen zur Architektur des Bauwerks finden. Indem er diesen Tempel durchaus zu Recht als „dynastisches Kultmonument“ bezeichnet, konzentriert sich Knell nun doch auf eine historische Interpretation und weicht somit von seiner Intention einer architektonischen Spezialdarstellung ab.
Die stärksten und eingängigsten Darstellungen Knells finden sich in den Beschreibungen und Erörterungen zum Pantheon und Mausoleum in Rom, zum Stadttorbogen in Athen und zur Piazza d’Oro in Hadrians Villa in Tivoli. Der Gesamteindruck des Buches verliert etwas aufgrund von einigen qualitativ nicht allzu hochwertigen Fotos und unglücklich gewählten Bildausschnitten – besonders im Kapitel zu Hadrians Villa in Tivoli. In diesem Kapitel wird jedoch auch die gesteigerte architektonische Komplexität der Bauwerke Hadrians deutlich – wenngleich leider ab und zu auch auf Kosten der Lesefreundlichkeit. Hier hätte ein geschickteres Zusammenspiel von Text, Bildern, Zeichnungen und Plänen die Schlussfolgerungen Knells besser ins rechte Licht gerückt.
Das Buch bildet zwar einerseits einen guten Einstieg in das Repertoire der hadrianischen Architektur, wie es ihn so bislang in deutscher Sprache noch nicht gegeben hat, andererseits bietet es jedoch nicht allzu viel Neues. Knells Arbeit zu Hadrians Architekturprogramm besticht in ihrer Auswahl und Beschreibung und zeigt detaillierte Gründlichkeit und Fachkenntnis, wenngleich der unachtsame Leser streckenweise Gefahr läuft, den Überblick zu verlieren. Die vielen altbekannten Bilder erhöhen den Wiedererkennungseffekt; nichtsdestotrotz wäre eine größere Zahl neuer und hochwertiger Fotos der entsprechenden Bauten wünschenswert gewesen. Lobenswert sind jedoch die zahlreichen Neuzeichnungen alter Pläne und Rekonstruktionen einiger erwähnter Bauten (z.B. Abb. 28: Rekonstruktionsmöglichkeit der Pantheonsfront in Rom), wenngleich nicht ganz nachvollziehbar ist, warum diese Pläne in Bezug auf ihre Detailgenauigkeit unterschiedlich ausgeführt wurden. Auch wären die Wirkung und Prägnanz von Knells Aussagen durch ein insgesamt etwas weniger verspieltes Layout deutlicher und nachhaltiger gewesen.
Knells Nachwort und Ausblick bestätigen – auch wenn dies im Gegensatz zu seiner ursprünglichen Intention steht, einzelne Baukörper ohne eine differenzierte Einordnung in ihren historischen Kontext zu beschreiben – dass gerade diese reduzierte Beschreibung architektonischer Befunde zwar eine gute Ausgangsbasis für weitere Interpretationen ist – mehr aber auch nicht. Die von Knell immer wieder betonte Selbstüberhöhung Hadrians (Pantheon, Villa Hadriana) und dessen angebliches Verlangen nach Gründung einer Dynastie (Mausoleum, Tempel der Matidia) werden plausibel mit architektonischen Beispielen belegt, stellen jedoch letztlich wiederum nicht Neues dar. Lobenswert ist jedoch auf jeden Fall, dass mit diesem Buch nicht nur die wichtigsten Bauten Hadrians endlich in einer Arbeit erfasst wurden, sondern auch, dass Knell wichtige neue Teilaspekte zur Hadrians Absichten und Taten aus architektonischer Perspektive beschreibt. Knell betont – vielleicht unbewusst – damit das in der althistorischen Forschung facettenreicher werdende Bild von Hadrian und seiner Herrschaft.
Anmerkungen:
1 Thorsten Opper, Hadrian: Empire and Conflict. London 2008.
2 Man vergleiche dazu beispielsweise den guten Forschungsüberblick von Susanne Mortensen, Hadrian. Eine Deutungsgeschichte. Bonn 2004.