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Misty – The Erroll Garner Story
© GachotFilm

Misty – The Erroll Garner Story

Misty – The Erroll Garner Story
„Misty – The Erroll Garner Story“ // Deutschland-Start: 23. Januar 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Jazz-Pianist Erroll Garner – sagt Ihnen nichts? Keine Sorge, Sie sind nicht allein. Obwohl Garner zu Lebzeiten eine der großen Größen der amerikanischen Musikszene war, ist er nach seinem Tod 1977 ein bisschen in Vergessenheit geraten – und zwar nicht nur bei uns in Europa, sondern auch in seiner Heimat, den USA. Dabei war er ein absoluter Virtuose am Klavier, dessen Status als genialer Musiker nie angezweifelt wurde. Erst in den letzten Jahren taucht sein Name wieder etwas häufiger auf: 2006 gab es die erste deutschsprachige Biografie von Ernst Burger, 2013 einen Dokumentarfilm namens Erroll Garner: No One Can Hear You Read und 2021 sogar eine posthume Zusammenarbeit mit Adele (ja, der Adele!) durch ein Sample samt Nennung seines Namens im Titel des Stücks auf ihrem Album 30. Trotzdem bleibt Garner der breiten Öffentlichkeit noch immer weniger bekannt als Zeitgenossen wie Louis Armstrong oder Duke Ellington.

Vielleicht hat sich der französisch-schweizerische Filmemacher Georges Gachot genau das zum Anlass genommen, einen Film über Garner zu drehen. Sein Dokumentarfilm Misty – The Erroll Garner Story trägt den Titel von Garners berühmtester Komposition: Misty. Falls Ihnen der Song gerade nicht einfällt – hören Sie mal rein, Sie kennen ihn bestimmt. 1954 geschrieben, wurde er sofort zum Jazzstandard und ist bis heute eine beliebte Nummer. Sogar Clint Eastwood griff darauf zurück: Play Misty for Me, sein Regiedebüt, machte den Titel sogar zum Teil der Filmgeschichte (wobei der deutsche Verleihtitel Sadistico – Wunschkonzert für einen Toten den Songtitel ausspart).

Der Mensch hinter der Musik bleibt blass

Gachot, der schon in Wo bist du, João Gilberto? seine Leidenschaft für Musikerporträts gezeigt hat, hat für Misty – The Erroll Garner Story einen klassischen Doku-Stil gewählt. Er arbeitet mit reichlich Archivmaterial – kein Problem bei Garner, der in den 1950er- und 60er-Jahren oft in amerikanischen TV-Shows auftrat und dort nicht nur am Klavier glänzte, sondern auch als charmanter Gesprächspartner. Dazu kommen aktuelle Interviews mit Zeitzeugen: ehemalige Bandmitglieder, Garners Biograf Jim Doran und Menschen aus seinem privaten Umfeld, wie seine Tochter Kim Garner und seine letzte Lebensgefährtin Rosalyn Noisette.

Das ist zwar handwerklich solide gemacht, aber nicht besonders aufregend. Es entsteht das Porträt eines Musikers, der es definitiv verdient, wiederentdeckt zu werden. Aber der Mensch hinter der Musik bleibt dabei erstaunlich unbeleuchtet, was daran liegen könnte, dass Garner privat ein recht verschlossener Mensch war. Gachot lässt zudem kaum kritische Töne zu. Die Interviewpartner haben nur Gutes über Garner zu berichten, und natürlich plaudern Familie und Freunde keine pikanten Details aus und versuchen, sich in einem guten Licht dastehen zu lassen. Das ist einerseits verständlich, andererseits bleibt der Film dadurch stellenweise fast zu brav.

Problematischer ist, dass Gachot es komplett versäumt, Garners Werk in den gesellschaftlichen Kontext der 1960er-Jahre einzuordnen. Die Herausforderungen, mit denen ein schwarzer Musiker in den USA damals zu kämpfen hatte, werden kaum angeschnitten. Ein halbherziger Versuch, Garners Managerin Martha Glaser als mögliche Gegenspielerin darzustellen, verpufft ebenfalls – was daran liegen könnte, dass die Doku nie wirklich klarmacht, warum sie diesen Antagonisten-Stempel überhaupt tragen sollte.

Die Musik ist das Herzstück

Was aber wirklich zählt, ist die Musik. Und die hat es in sich. Erroll Garner in Aktion zuzusehen und zuzuhören, ist schlicht magisch. Sein Stil ist so voller Energie, Lebensfreude und Raffinesse, dass man sich kaum sattsehen kann. Wer gehofft hat, dass Misty – The Erroll Garner Story ein Konzertfilm ist, könnte allerdings enttäuscht sein: Die musikalischen Passagen sind beeindruckend, aber sparsam verteilt. Der Film versteht sich ja als Biografie – und wenn er eines schafft, dann Lust darauf, Garners Musik selbst zu entdecken. Dank YouTube, Spotify & Co. ist das heute glücklicherweise ein Kinderspiel.

Credits

OT: „Misty – The Erroll Garner Story“
Land: Schweiz, Frankreich, Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Georges Gachot
Drehbuch: Georges Gachot, Paolo Poloni
Musik: Nils-Petter Molvær, Ernest McCarty
Kamera: Filip Zumbrunn
Mitwirkende: Ernest McCarty, Jimmie Smith, Jim Doran, Kim Garner, Dan Morgenstern, Rosalyn Noisette, Thelma Spencer, Brian Torff

Bilder

Trailer

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Misty – The Erroll Garner Story
fazit
“Misty – The Erroll Garner Story” ist ein solider Dokumentarfilm, der vor allem eines will: den vergessenen Pianisten wieder ins Rampenlicht rücken. Und das gelingt ihm auch – allerdings mit recht konventionellen Mitteln und ohne wirklich in die Tiefe zu gehen. Kritische Einordnungen? Fehlanzeige. Aber wenn der Film dafür sorgt, dass Garners Musik eine neue Generation von Hörern erreicht, dann hat er sein Ziel voll und ganz erreicht.
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