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Zur Teilbarkeit von Schuldverträgen Manuskript, veröffentlicht in Juristische Schulung 2017, S. 1045-1052 von Prof. Dr. Jan Felix Hoffmann, Freiburg i. Br.* Die Frage nach der Teilbarkeit eines Vertrages ist zu stellen, wenn sich im Rahmen eines als Einheit anzusehenden Rechtsgeschäfts ergibt, dass bezüglich eines Teils keine Bindung (mehr) besteht. Erwägt man in solchen Fällen, die Bindung an den Restvertrag aufrecht zu erhalten und dadurch eine Vertragsspaltung herbeizuführen, ist zu gewärtigen, dass ein solches Vorgehen zu einem Eingriff in die Privatautonomie in Gestalt eines Kontrahierungszwanges führen kann, wenn eine der beteiligten Parteien den Restvertrag isoliert nicht abgeschlossen hätte. Vertragsspaltungen stehen zur Diskussion, wenn ein Vertrag im rechtsgeschäftlichen Entstehungstatbestand teilweise unwirksam ist (A.). Das Problem stellt sich aber auch, wenn es bei fehlerfreiem Vertragsschluss zu teilweisen Leistungspflichtverletzungen kommt (B.). Die Teilbarkeit von Schuldverträgen ist ein grundlegendes zivilrechtliches Problem, das Rechtsgeschäftslehre und Leistungsstörungsrecht gleichermaßen betrifft, in der klassischen Ausbildungsliteratur aber nicht als einheitliches Phänomen wahrgenommen wird. A. Teilbarkeit bei Abschlussmängeln I. Teilnichtigkeit - § 139 BGB Nach § 139 BGB soll bei einem einheitlichen Rechtsgeschäft im Falle einer Teilnichtigkeit eine Gesamtnichtigkeit anzunehmen sein, wenn die Parteien den Restvertrag isoliert nicht abge- Der Autor ist Mitglied des Beirats der JuS und Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Zivilprozessrecht an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sowie Direktor am Institut für deutsches und ausländisches Zivilprozessrecht, Abt. I ebenda. * Zur Teilbarkeit von Schuldverträgen 2 schlossen hätten. Ziel des § 139 BGB ist es zu verhindern, dass eine Partei an einen nur teilweise wirksamen Vertrag gebunden wird, den sie so nicht geschlossen hätte.1 Die Norm dient dem Schutz der Privatautonomie.2 Zurückgegriffen wird auf die Maßstäbe einer ergänzenden Vertragsauslegung. Maßgebend ist, ob nach dem hypothetischen Parteiwillen auch der bloße Restvertrag abgeschlossen worden wäre.3 Zu fragen ist, ob die Parteien bereit gewesen wären, nur den Restvertrag isoliert abzuschließen, wenn sie darüber verhandelt hätten. Ein ermittelbarer wirklicher Parteiwille geht vor.4 Da es sich um Störungen im rechtsgeschäftlichen Entstehungstatbestand handelt, ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend.5 Dem hypothetischen Parteiwillen nähert man sich im Ausgangspunkt mit der Erwägung, was Durchschnittsparteien nach objektiver Betrachtungsweise vernünftigerweise in der konkreten Konstellation vereinbart hätten. Die objektive Betrachtungsweise hat alleine den Zweck, den subjektiven hypothetischen Parteiwillen zu ermitteln. Gibt es also bspw. konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich eine Partei in bestimmter Hinsicht stets „unvernünftig“ verhält, ist das maßgebend für den konkreten hypothetischen Willen.6 Da der hypothetische Parteiwille auch unter Rückgriff auf objektive Maßstäbe ermittelt werden kann, kommt die Vermutungsregel des § 139 BGB selten zum Zuge,7 sie ist Ausdruck der normativen Wertung, dass ein Reurecht im Zweifel einem Kontrahierungszwang vorzuziehen ist.8 Fraglich ist, wie sich der hypothetische Spaltungswille zu dem von § 139 BGB vorausgesetzten („ein Teil eines Rechtsgeschäfts“) Tatbestandsmerkmal des einheitlichen Rechtsgeschäfts verhält. Soweit überwiegend davon ausgegangen wird, dass insoweit ein „Einheitlichkeitswille“ der Parteien ausschlaggebend sei, wonach das Gesamtgeschäft als Einheit „stehen und fallen“ 1 Im Kontext von allgemeinen Geschäftsbedingungen wird die vertragsrechtliche Problematik teilweise überlagert, da kein individualvertraglicher Konsens über die entsprechende Klausel vorliegt, was die Sonderregel des § 306 BGB veranlasst hat, die nicht in erster Linie der Privatautonomie verpflichtet ist und auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. 2 Als solche findet sie ihre Grenzen in zwingendem Recht; siehe etwa Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 11. Aufl. 2016, § 56 Rn. 4 f. Zur besonderen Problematik, wie sich § 139 BGB zum Abstraktionsprinzip verhält, vgl. zum Stellvertretungsrecht Hartmann, ZGS 2005, S. 62 ff. und zum Verfügungsrecht etwa Staudinger/Roth, § 139 BGB, Bearb. 2015, Rn. 54; eingehend J. F. Hoffmann, ZGE/IPJ 7 (2015), S. 245, 265 ff. Auch im Hinblick auf die Teilnichtigkeit von Verfügungsgeschäften werden neben der Privatautonomie Verkehrsschutzerwägungen Relevanz haben, die folgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf Schuldverträge. 3 Vgl. bei sehr objektiver Handhabung Flume, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. 1992, § 32 5., S. 578 ff.; demgegenüber zurecht betonend, dass der Blickwinkel der Parteien maßgebend sein muss MüKo/Busche, § 139 BGB, 7. Aufl. 2015, Rn. 31; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, 11. Aufl. 2016, Rn. 508; Staudinger/Roth (Fn. 2), § 139 BGB, Rn. 75. 4 Vgl. etwa Mayer-Maly, FS Flume, 1978, S. 621, 623. 5 Staudinger/Roth (Fn. 2), § 139 BGB, Rn. 77. 6 Unklar insoweit Flume, AT II (Fn. 3), § 32 5., S. 580, der „illegitime Interessen“ für unbeachtlich erklären möchte; die Freiheit des Einzelnen findet jedoch erst in §§ 134, 138 BGB ihre Grenze. 7 Siehe Flume, AT II (Fn. 3), § 32 5., S. 581 f.; vgl. weiter Historisch-kritischer Kommentar/Dorn, §§ 139-141 BGB, 2007, Rn. 1 und Seiler, FS Kaser, 1976, S. 127, 147 („überflüssig“). 8 Vgl. auch Oepen, Zur Dogmatik des § 139 BGB, 2000, S. 31. Zur Teilbarkeit von Schuldverträgen 3 solle,9 wofür im Zweifel auch ein „objektiver Sinnzusammenhang“ der Geschäfte sprechen könne,10 läuft dies letztlich auf den hypothetischen Parteiwillen hinsichtlich der Teilbarkeit des Geschäfts hinaus. Hypothetischer Einheitlichkeits- und Teilbarkeitswille sind demnach zwei Seiten derselben Medaille und als einheitliches Tatbestandsmerkmal aufzufassen.11 Leitlinie bei der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens zum Restvertrag sollte es sein zu verhindern, dass § 139 BGB als Reurecht missbraucht werden kann. Es soll sich eine Partei nicht unter Berufung auf § 139 BGB vom Restvertrag lösen können, obwohl sie eigentlich („hypothetisch“) bereit gewesen wäre, diesen isoliert abzuschließen, der Schutz der Privatautonomie eine Gesamtnichtigkeit also nicht erfordert.12 Allerdings geht mit einem auch objektiv ermittelten hypothetischen Parteiwillen die Gefahr einher, dass ein abweichender, aber nicht ermittelbarer, tatsächlicher Wille objektiv heteronom überlagert wird. Um dieses Risiko, das auch einer jeden ergänzenden Vertragsauslegung immanent ist, zu minimieren, ist zu betonen, dass es um den hypothetischen Willen der konkreten Parteien geht.13 Da auch die andere Seite der Medaille, das einheitliche Rechtsgeschäft, nach dem hypothetischen Parteiwillen ermittelt wird, hat § 139 BGB trotz des etwas restriktiver erscheinenden Wortlautes („ein Teil eines Rechtsgeschäfts“) einen denkbar weiten Anwendungsbereich. Es können etwa auch Verträge zusammengefasst werden, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgeschlossen worden sind. In diesen Konstellationen hat der Erklärende allerdings einen Spaltungswillen zunächst rechtsgeschäftlich betätigt, denn jeder nachfolgende Vertragsschluss könnte von der Gegenseite schlicht verweigert werden. Bestellt beispielsweise der Käufer beim Verkäufer zuerst ein Fahrrad und wenig später einen Anhänger, drohen keine Kontrahierungszwänge, wenn sich eine Unwirksamkeit des Kaufvertrages über den Anhänger herausstellt. Stellt sich dagegen der Kaufvertrag über das Fahrrad als unwirksam heraus, besteht Raum für eine Anwendung von § 139 BGB hinsichtlich des Anhängers. Weiter werden von § 139 BGB auch Fälle erfasst, in denen an unterschiedlichen Verträgen unterschiedliche Personen beteiligt 9 BGH, NJW 2011, S. 2874, Rn. 24 m. umfangr. Nachw.; Staudinger/Roth (Fn. 2), § 139 BGB, Rn. 37 f. Wolf/Neuner, AT (Fn. 2), § 56 Rn. 10 f. 11 So etwa auch HKK/Dorn (Fn. 7), §§ 139-141, Rn. 13; Piegsa, Teilleistungsstörungen bei Verträgen über mehrere körperliche Gegenstände, 2005, S. 77; a. A. MüKo/Busche (Fn. 3), § 139 BGB, Rn. 16. 12 Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Band 3, 1840, S. 197 f. meinte, für die Parteien sei bei einer Gesamtnichtigkeit „nichts verloren“, da sie den Teilvertrag abschließen können, wenn sie wollen. Das schafft allerdings Raum für nachträgliche Willensänderungen im Sinne eines Reurechts. 13 Zutr. Cziupka, JuS 2009, S. 103, 104 f.; Finkenauer, AcP 213 (2013), S. 619, 623 f.; entgegen Flume, AT II (Fn. 3), § 6 4. d), S. 327 f.; Wolf/Neuner, AT (Fn. 2), § 35 Rn. 68 f. 10 Zur Teilbarkeit von Schuldverträgen 4 sind.14 Wegen personeller Verschiedenheit kann ein Spaltungswille jedoch wieder rechtsgeschäftlich betätigt worden sein, so dass keine Kontrahierungszwänge drohen. Auch ist ein Einheitlichkeitswille hier besonders sorgfältig zu ermitteln, denn regelmäßig wird ein Vertragspartner nicht das Risiko übernehmen wollen, dass ein anderer Vertrag, an dem er selbst nicht beteiligt ist, nicht wirksam zustande kommt bzw. gekommen ist. Auch ist die vertragliche Risikostruktur der konkreten Geschäfte zu beachten: Gewährt eine Bank ein Darlehen nur bei Stellung zweier Bürgschaften und stellt sich nach Valutierung heraus, dass eine Bürgschaft unwirksam ist, kann man der Bank hinsichtlich der wirksamen Bürgschaft grds. keinen Einheitlichkeitswillen unterstellen, so dass diese nicht nach Maßgabe von § 139 BGB für unwirksam zu erklären ist. Anders mag es sich dann verhalten, wenn in der wirksamen Bürgschaft die Mithaftung aus der unwirksamen Bürgschaft vertraglich einkalkuliert worden ist,15 was dann freilich nicht zu einer Gesamtunwirksamkeit der Bürgschaft führt, sondern zu einer Haftungsbefreiung in dem Umfang, in dem der wirksam verpflichtete Bürge bei dem anderen hätte Regress nehmen können. Der von § 139 BGB intendierte Reurechtsausschluss kann konterkariert werden, wenn nur eine Seite keinen hypothetischen Willen zum Restvertrag hatte, sich aber die andere Seite auf § 139 BGB beruft. Macht beispielsweise eine Bank die Darlehensgewährung davon abhängig, dass eine dingliche Sicherheit bestellt wird und erweist sich (nur) dieser Vertragsteil als unwirksam, wäre es vom Zweck des § 139 BGB nicht gedeckt, wenn sich nun der Kreditnehmer auf die Unwirksamkeit des gesamten Darlehensvertrages berufen könnte. Ihm ist ein entsprechendes Reurecht zu versagen16 und der Bank als zu schützender Partei ein befristetes Wahlrecht einzuräumen, was § 139 BGB in diesen Konstellationen einem Gestaltungsrecht nähert.17 14 BGH, NJW 1990, S. 442, 443; NJW 2011, S. 2874, Rn. 24; Piegsa, Teilleistungsstörungen (Fn. 11), S. 89 ff.; entgegen Flume, AT II (Fn. 3), § 32 3., S. 572; eingehend jüngst auch Maultzsch/Czarnecki, ZEuP 2016, S. 832, 844 ff., die aber (zu) umfangreich auf den subsidiären § 313 BGB zurückgreifen. Eine verbraucherschützende Kodifikation einer entsprechenden Einheitlichkeit sehen §§ 358 ff. BGB vor. 15 Eingehend dazu J. F. Hoffmann, AcP 211 (2011), S. 703, 725 ff. 16 Vgl. auch BGH, NJW 1993, S. 1587, 1589; NJW-RR 1997, S. 684, 686; grds. etwa auch Flume, AT II (Fn. 3), § 32 8., S. 586 ff. 17 Favorisiert wird offenbar eine „schwebende Unwirksamkeit“, wie sie aus dem Minderjährigenrecht bekannt ist; Flume, AT II (Fn. 3), § 32 8., S. 588; Staudinger/Roth (Fn. 2), § 139 BGB, Rn. 89. Denkbar wäre dagegen auch eine anfechtungsrechtsähnliche Gestaltung nach Art einer „schwebenden (Teil-)Wirksamkeit“ (vgl. Pierer von Esch, Teilnichtige Rechtsgeschäfte, 1968, S. 87 ff.); eingehende Gegenüberstellung der unterschiedlichen Konstruktionsmöglichkeiten mit ihren jeweiligen Folgerungen am Beispiel des fehlenden Erklärungsbewusstseins bei Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999, S. 178 ff. Zur Teilbarkeit von Schuldverträgen 5 II. Besonderheiten bei Gestaltungsoptionen am Beispiel der Anfechtung Führt die Ausübung einer Gestaltungsmöglichkeit zu einer Vertragsspaltung, ist zu beachten, dass ggf. nur die Gegenseite vor unerwünschten Teilverträgen zu schützen ist, was am Beispiel der Anfechtung18 dargelegt werden soll. Bezieht sich ein Willensmangel auf das gesamte einheitliche Rechtsgeschäft, macht der Anfechtungsberechtigte aber bewusst von seiner Dispositionsbefugnis Gebrauch und erklärt insoweit nur eine Teilanfechtung,19 muss er nicht vor ungewollten Vertragsspaltungen geschützt werden. Maßgebend ist dann nur der hypothetische Wille der Gegenseite als Grenze einer Vertragsspaltung. Für den Spaltungswillen des Anfechtungsberechtigten wäre zwar grds. der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend, jedoch kann in der bewussten Teilanfechtung jedenfalls eine teilweise Bestätigung im Sinne von § 141 BGB20 gesehen werden. Hat bspw. ein Käufer erklärt, ein orangenes Fahrrad und einen orangenen Anhänger kaufen zu wollen und hat er sich versprochen, weil er eigentlich ein grünes Fahrrad und einen grünen Anhänger kaufen wollte, kann er die Anfechtung grds. auf die kaufvertragliche Willenserklärung hinsichtlich eines der Gegenstände beschränken, da insoweit auch der Erklärungstatbestand teilbar ist. Ob eine Teilanfechtung Bestand haben kann, hängt vom hypothetischen Vertragsspaltungswillen der Gegenseite ab.21 Er kann im Beispielsfall auf Verkäuferseite etwa fehlen, wenn der Käufer nur den Kaufvertrag hinsichtlich des Anhängers anficht, dieser isoliert aber nur schwer abzusetzen ist, weil er etwa speziell für das Fahrrad angefertigt worden ist. Auch in Gestaltungssituationen ist der hypothetische Spaltungswille beider Parteien maßgebend, wenn sich der Anfechtungstatbestand nur auf einen Teil des einheitlichen Rechtsgeschäfts bezieht. Ist etwa nach objektiver Auslegung ein Kaufvertrag über ein orangenes Fahrrad und einen grauen Fahrradanhänger zustande gekommen und hat der Käufer sich versprochen, 18 Auch im Minderjährigenrecht wird man nur die Gegenseite vor Vertragsspaltungen zu schützen haben. Hat bspw. ein Minderjähriger einen Kaufvertrag über ein Fahrrad mitsamt Anhänger geschlossen und genehmigen (§ 108 Abs. 1 BGB) die Eltern nur das Fahrrad, wird man einen entgegenstehenden hypothetischen Willen des Minderjährigen, das Fahrrad nicht alleine kaufen zu wollen, für unbeachtlich zu erklären haben, da sein Wille insoweit durch denjenigen seines gesetzlichen Vertreters überlagert wird, vorausgesetzt, die Eltern wussten um den Einheitlichkeitswillen des Minderjährigen (vgl. zur Parallele der Genehmigung trotz Anfechtbarkeit im Kontext von § 144 BGB Flume, AT II (Fn. 3), § 13 7. d) cc), S. 202). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Eltern sich über das Fahrrad eigentlich nicht erklären müssen, weil dieses bspw. von § 110 BGB erfasst wird. 19 Offenbar für nicht möglich halten eine teilweise Ausübung eines Anfechtungsrechts ohne nähere Begründung MüKo/Busche (Fn. 3), § 142 BGB, Rn. 10; Staudinger/Roth (Fn. 2), § 142 BGB, Rn. 26. 20 Vgl. MüKo/Busche (Fn. 3), § 141 BGB, Rn. 14. 21 Die Frage, ob der Anfechtende die Teilanfechtung unter der Bedingung erklären kann, dass diese keine Gesamtnichtigkeit herbeiführt, thematisiert Vetter, MDR 1998, S. 573 ff. Zur Teilbarkeit von Schuldverträgen 6 weil er eigentlich ein grünes Fahrrad kaufen wollte, führt eine Anfechtung zur Gesamtnichtigkeit gem. § 139 BGB, wenn entweder der Verkäufer oder der Käufer einen Vertrag nur über den Anhänger nicht geschlossen hätten.22 Der Teleologie des Anfechtungsrechts ist es geschuldet, dass auch Fälle denkbar sind, in denen es nicht einmal auf den hypothetischen Willen der Gegenseite ankommt, da dieser ein Optionsrecht hinsichtlich einer Vertragsspaltung eingeräumt ist:23 Hat bspw. ein Käufer erklärt, 32 Gattungsgegenstände kaufen zu wollen und hat er sich versprochen, da er eigentlich nur 23 Gattungsgegenstände kaufen wollte, kann er seine Erklärung mangels Teilbarkeit des Erklärungstatbestandes nach verbreiteter Auffassung zwar insgesamt anfechten.24 Da das Anfechtungsrecht aber kein Reurecht gewährt,25 kann der Verkäufer den Anfechtungsberechtigten an seinem tatsächlichen Willen festhalten, wobei verbreitet auf § 242 BGB rekurriert wird. Tut er das, muss er vor Vertragsspaltungen nicht geschützt werden (§ 141 BGB). Der Schutz des Anfechtenden vor ungewollten Vertragsspaltungen ist gewährleistet, da er sich nur an seinem wirklichen Willen festhalten lassen muss. Eine Prüfung des hypothetischen Spaltungswillens gem. § 139 BGB erübrigt sich. B. Teilbarkeit bei Vollzugsdefiziten Vertragsspaltungen können auch bei teilweisen Leistungsstörungen zur Diskussion stehen. Es bietet sich eine Unterscheidung zwischen quantitativen (I.) und qualitativen (II.) Vertragsspaltungen an, da insbesondere auch das Gesetz zwischen Teilleistung und Schlechtleistung unterscheidet. I. Quantitative Teilbarkeit bei Teilleistung 1. Teilrücktritt bei Teilleistung Hat der Schuldner in einem synallagmatischen Vertrag bloß einen Teil der Leistung erbracht, so kann der Gläubiger nach Maßgabe des § 323 Abs. 5 S. 1 BGB vom gesamten Vertrag nur 22 Vgl. zur Teilanfechtung auch BGH, NJW 2010, S. 289, Rn. 17; Flume, AT II (Fn. 3), § 31 4., S. 561 f., § 32 6., S. 583. 23 Im Minderjährigenrecht ist das auch denkbar, wenn bspw. der Minderjährige Fahrrad und Anhänger kauft und der Verkäufer nur hinsichtlich des Anhängers gem. § 109 Abs. 1 S. 1 BGB widerruft. Genehmigen die Eltern nun den Kauf des Fahrrads, erübrigt sich eine Prüfung des § 139 BGB. 24 Vgl. Flume, AT II (Fn. 3), § 21 4., S. 421 f.: „Die Anfechtung kassiert, aber sie reformiert nicht.“ 25 Siehe dazu statt vieler Lobinger, AcP 195 (1995), S. 274 ff.; Wolf/Neuner, AT (Fn. 2), § 41 Rn. 149 ff. Zur Teilbarkeit von Schuldverträgen 7 zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein „Interesse“ hat. Wird der Gläubiger auf einen Teilrücktritt verwiesen, kommt es zu einer Vertragsspaltung, die nur legitimierbar ist, wenn beide Vertragsparteien einen entsprechenden hypothetischen Spaltungswillen haben.26 Auch die Rechtsprechung zum alten Schuldrecht hat insoweit auf die Maßstäbe des § 139 BGB zurückgegriffen.27 Der Gesamtrücktritt ist ausgeschlossen, wenn Gläubiger und Schuldner einen Vertrag auch über die bloße Teilleistung geschlossen hätten. Denkbar ist das bspw., wenn der Gläubiger 100 Kisten Wein beim Schuldner bestellt, die er einzeln in Flaschen weiterverkaufen möchte, und nur eine Teillieferung im Umfang von 50 Kisten erfolgt. Der Gläubiger kann in einem solchen Fall eine Teilleistung sinnvoll verwenden und hätte in der Regel auch isoliert über sie kontrahiert. Anders mag es sich etwa verhalten, wenn der Gläubiger den Jahrgangswein für eine Feier benötigt oder wenn er bspw. erst ab 100 Kisten Mengenrabatt erhalten kann und die Gesamttransaktion nun für ihn teurer wird, wenn er die fehlenden Kisten anderweitig besorgen muss. § 323 Abs. 5 S. 1 BGB geht es, vergleichbar zu § 139 BGB, in erster Linie darum zu verhindern, dass sich ein Gesamtrücktritt als Reurecht darstellt.28 Der Gläubiger muss sich an dem festhalten lassen, was er ohnehin gewollt und vereinbart hätte, wenn dieses Wollen auf einen entsprechenden hypothetischen Konsens des Schuldners stößt. Es ist nicht erforderlich, dass dieser hypothetische Spaltungswille Eingang in den vertraglichen Konsens gefunden hat, der schließlich ohnehin auf eine Gesamtleistung gerichtet war. Wofür im Beispiel die Weinflaschen verwendet werden sollten, muss vertraglich nicht geklärt worden sein, da Stoßrichtung des § 323 Abs. 5 S. 1 BGB ist, den Gläubiger an etwas festzuhalten, was er auch vereinbart hätte.29 Im Vergleich zu § 139 BGB verschiebt sich allerdings der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt, da im Entstehungstatbestand ein wirksamer Konsens vorliegt, auf den sich der Gläubiger grds. 26 Vgl. etwa MüKo/Ernst, § 323 BGB, 7. Aufl. 2016, Rn. 203; Soergel/Gsell, § 323 BGB, 13. Aufl. 2005, Rn. 174 f.; Heiderhoff/Skamel, JZ 2006, S. 383, 385 ff. Daneben wird häufig auch eine objektive bzw. „technische“ Teilbarkeit gefordert, was neben der subjektiven Teilbarkeit keine eigenständige Funktion hat. 27 Vgl. nur BGH NJW 1990, 3011, 3012; da der Rücktritt im alten Schuldrecht ein Verschulden voraussetzte, war die Vertragsspaltung für den Gläubiger nicht ganz so prekär, da er zumindest wirtschaftlich die volle Leistung erhielt. Auch nach damaliger Rechtslage sollte und musste aber der Schuldner vor Vertragsspaltungen geschützt werden; entgegen U. Huber, Leistungsstörungen, Band II, 1999, § 45 I. 2., S. 416 ff.; zutr. Korth, Minderung beim Kauf, 2010, S. 97 Fn. 353. Das Vertretenmüssen des Schuldners widerlegt seine Schutzbedürftigkeit nicht; auch im Rahmen von § 281 Abs. 1 S. 2 BGB ist der Schuldner daher vor Vertragsspaltungen zu schützen. 28 So auch Korth, Minderung (Fn. 27), S. 99 Fn. 362; unzutr. Piegsa, Teilleistungsstörungen (Fn. 11), S. 300 ff., der davon ausgeht, der Gläubiger habe vertraglich grds. auch das Verwendungsrisiko für Teilleistungen zu tragen. 29 Setzt freilich bereits der vertragliche Verwendungszweck (Bsp.: die Weinflaschen sollen zu einer Hochzeitsfeier geliefert werden) eine vollständige Lieferung voraus, mag das ein gewichtiger Anhaltspunkt gegen einen hypothetischen Spaltungswillen sein; vgl. Heiderhoff/Skamel, JZ 2006, S. 383, 385 f. Zur Teilbarkeit von Schuldverträgen 8 verlassen und entsprechende Dispositionen tätigen darf,30 so dass trotz hypothetischen Spaltungswillens bei Vertragsschluss ein nachträglicher Fortfall des Gläubigerinteresses an der Teilleistung berücksichtigt werden muss.31 Hätten im Beispielsfall Gläubiger und Schuldner auch über 50 Kisten kontrahiert, weil der Gläubiger die Flaschen einzeln weiterveräußern wollte und hat er im Zeitpunkt der Teillieferung kein Interesse mehr an den 50 Kisten, weil er zwischenzeitlich entschieden hat, sein Geschäftsmodell und seine Vertriebsstrukturen zu ändern und nur noch zu Mindestabnahmen von 100 Kisten weiterzuveräußern, so ist dieser Sinneswandel beachtlich. Zu erkennen ist aber, dass der Gläubiger sich bei seinen Dispositionen an seinem vertraglich bindend geäußerten Interesse an 100 Kisten Wein festhalten lassen muss. Er kann die Lieferung der 50 Kisten bspw. nicht mit der Begründung ablehnen, dass er zwischenzeitlich beschlossen habe, gar keinen Wein mehr zu vertreiben.32 Spiegelbildlich führt ein hypothetischer Einheitlichkeitswille dazu, dass ein Gesamtrücktritt möglich ist. Sollten die Parteien bezüglich mehrerer Leistungen einen entsprechenden Einheitlichkeitswillen haben, so kann § 323 Abs. 5 S. 1 BGB entnommen werden, dass ein Rücktritt den gesamten Vertrag erfasst. Überwiegend wird unmittelbar auf § 139 BGB zurückgegriffen,33 was nicht erforderlich erscheint. Hat der Gläubiger ein Fahrrad und einen Anhänger beim Schuldner gekauft und wird der Anhänger trotz Fristsetzung nicht geliefert, erfasst der Rücktritt bei bestehendem Einheitlichkeitswillen die gesamte Transaktion. Zu beachten ist auch hier, dass der Käufer sich an einer selbst vorgenommenen Vertragsspaltung grds. festhalten lassen muss, wenn er etwa zuerst den Kaufvertrag über das Fahrrad und anschließend über den Anhänger abgeschlossen hat. Sollte die Teilbarkeit nur am fehlenden Spaltungswillen des Schuldners scheitern, wird man diesem konsequenterweise – vergleichbar zu § 139 BGB34 – ein Wahlrecht einzuräumen haben, ob er den Gläubiger an dessen Spaltungswillen festhalten möchte.35 Wenn also im Weinbeispiel der Gläubiger auch 50 Kisten gekauft hätte, sein Interesse insoweit fortbesteht, der Schuldner aber grds. nur zu Mindestabnahmen von 100 Kisten kontrahiert, muss er einen Gesamtrücktritt abwehren können. 30 Siehe Korth, Minderung (Fn. 27), S. 99 Fn. 362. So auch Heiderhoff/Skamel, JZ 2006, S. 383, 386; Soergel/Gsell (Fn. 26), § 323 BGB, Rn. 175. 32 Gefordert wird eine Kausalität der Teilleistungsstörung für den Interessenfortfall; vgl. Piegsa, Teilleistungsstörungen (Fn. 11), S. 355. 33 Vgl. MüKo/Busche (Fn. 3), § 139 BGB, Rn. 8; noch zum alten Schuldrecht BGH NJW 1976, S. 1931, 1932. 34 Siehe oben bei und in Fn. 16 f. 35 Womit auch den bei Canaris, FS Medicus II, 2009, S. 17, 24 f. vorgetragenen Bedenken Rechnung getragen wird. 31 Zur Teilbarkeit von Schuldverträgen 9 Liegt ein Fall der teilweisen Unmöglichkeit vor, gilt für den Rücktritt gem. §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 5 S. 1 BGB Entsprechendes. Daneben führt § 326 Abs. 1 S. 1 HS. 2 BGB grds. eine automatische Vertragsspaltung herbei. Dabei muss die Begrenzung des § 323 Abs. 5 S. 1 BGB durch einen hypothetischen Spaltungswillen ebenso in § 326 Abs. 1 S. 1 HS. 2 BGB hineingelesen werden.36 2. Problem des § 266 BGB Nach überwiegender Auffassung soll der Gläubiger die Anwendbarkeit des § 323 Abs. 5 S. 1 BGB verhindern können, indem er die Teilleistung nach § 266 BGB zurückweist.37 Besteht in dem Weinflaschenbeispiel also ein hypothetischer Spaltungswille, soll der Gläubiger vollständig zurücktreten können, wenn er die 50 angebotenen Kisten gem. § 266 BGB zurückweist, während er auf einen Teilrücktritt verwiesen wird, wenn er die Kisten annimmt. Es scheint nicht mit der Teleologie des § 323 Abs. 5 S. 1 BGB abgestimmt, wenn man den Reurechtsausschluss in die Hand seines Adressaten gibt. Zur Bewältigung des Problems ist das Fundament von § 266 BGB freizulegen: Der Gläubiger muss gem. § 266 BGB Teilleistungen grds. nicht annehmen, weil er den Aufwand („Belästigung“38) der Vertragsabwicklung typischerweise anhand einer ordnungsgemäßen Vollleistung kalkuliert. Teilleistungen erhöhen unter Umständen die Transaktionskosten des Gläubigers, was von seinem vertraglichen Konsens grds. nicht erfasst ist, weshalb § 266 BGB typisierend und dispositiv kodifiziert, dass Teilleistungen nicht angenommen werden müssen. Die herrschende Handhabung von § 323 Abs. 5 S. 1 BGB könnte in diesem Kontext nur überzeugen, wenn es einen zwingenden teleologischen Zusammenhang zwischen der Transaktionskostenaversion (§ 266 BGB) und dem Einheitlichkeitswillen (§ 323 Abs. 5 S. 1 BGB) gäbe. Es müsste erstens argumentiert werden, dass der Gläubiger grds. einen hypothetischen Einheitlichkeitswillen habe, wenn er nur eine einheitliche Transaktion abwickeln möchte und dass er zweitens den ausschließlich in den Transaktionskosten begründeten Einheitlichkeitswillen aufgebe, insoweit er eine Teilleistung annimmt. Wer also 100 Kisten Wein kaufe und nur eine Leistungsannahme organisieren möchte, wolle schon deshalb nicht lediglich über 50 Kisten kontrahieren, weil er die anderen 50 Kisten dann am Markt beschaffen und eine erneute Abnahme organisieren müsste. Soweit dies unproblematisch möglich ist, müsste man also annehmen, dass der 36 Wie hier MüKo/Ernst (Fn. 26), § 326 BGB, Rn. 31; Soergel/Gsell (Fn. 26), § 326 BGB, Rn. 22. MüKo/Ernst (Fn. 26), § 323 BGB, Rn. 202; Soergel/Gsell (Fn. 26), § 323 BGB, Rn. 181; Staudinger/Schwarze, § 323 BGB, Bearb. 2015, Rn. B133. 38 Statt vieler etwa Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 21. Aufl. 2015, Rn. 147. 37 Zur Teilbarkeit von Schuldverträgen 10 Gläubiger sich lieber die 100 Kisten komplett anderweitig beschafft, damit es bei einer einzigen Abnahme bleibt. Je nach Ausmaß der Kosten der Abnahme können diese im Einzelfall durchaus gegen einen hypothetischen Spaltungswillen sprechen; ein zwingender Zusammenhang zwischen Transaktionskostenaversion und Einheitlichkeitswillen ist aber nicht anzuerkennen. Im Weinkistenbeispiel ist es eine Sache, ob der Gläubiger seinen Schuldner mittels § 266 BGB an dessen Leistungsversprechen erinnert und von ihm erwartet, dass er die Transaktionskosten nicht ohne Not erhöht, indem er die Kisten in mehreren Tranchen liefert. Eine andere Sache ist es, ob der Gläubiger daher von vornherein schon nicht bereit gewesen wäre, nur 50 Kisten zu erwerben. Mag man von einem Schuldner, der 100 Kisten versprochen hat, nicht mit 50 Kisten „belästigt“ werden wollen, eben weil der Schuldner mehr versprochen hat, kann dennoch ein hypothetischer Wille zum Erwerb von nur 50 Kisten bestehen, wenn die Kosten einer mehrfachen Abnahme ohnehin überschaubar sind.39 Grds. muss also der Gläubiger zwar die Option behalten, auf vollständiger Leistung zu beharren, seinen Erfüllungsanspruch durchzusetzen und dafür die Leistungsannahme nur einmal organisieren zu müssen. Bietet der Schuldner demnach nur 50 Kisten Wein an, kann der Gläubiger diese in der Tat gem. § 266 BGB zurückweisen und auf der Lieferung von 100 Kisten beharren. Entscheidet sich der Gläubiger jedoch dafür, seinen Leistungsanspruch nicht voll durchzusetzen und erklärt er den Rücktritt vom Vertrag, muss sein Rücktrittsrecht entgegen herrschender Meinung nach Maßgabe und unter den Voraussetzungen des § 323 Abs. 5 S. 1 BGB (bei denen die Abnahmekosten zu berücksichtigen sind) eingeschränkt werden,40 wenn dem Gläubiger vor oder bei Abgabe der Rücktrittserklärung eine Teilleistung angeboten worden ist; er ist dann zur Annahme der 50 Kisten verpflichtet und § 266 BGB ist auszuschließen. 3. Teilrücktritt bei vollständig ausbleibender Leistung Unter Umständen kann der Gläubiger auch bei einer vollumfänglichen Leistungsstörung ein Interesse an einem Teilrücktritt haben, wenn er bspw. als Verkäufer einen Teil der Ware bereits geliefert hat, der Schuldner die Zahlung der Teillieferung und darüber hinaus insgesamt aber 39 Was an der Grundproblematik des § 266 BGB rührt, dass dieser in seiner Pauschalität ohnehin nicht zweifelsfrei ist; vgl. die Fallgruppen, in denen § 266 BGB herrschend gem. § 242 BGB eingeschränkt wird bei MüKo/Krüger (Fn. 26), § 266 BGB, Rn. 14 ff.; insgesamt sehr krit. zu § 266 BGB Harke, Allgemeines Schuldrecht, 2010, Rn. 144 („Archaismus“). 40 Vgl. auch Kriechbaum, JZ 1993, S. 642, 646. Nur in den Fällen der teilweisen Unmöglichkeit ähnlich BeckOK/Lorenz, § 266 BGB, Stand: 01.02.2017, Rn. 3.1; das erscheint nicht konsequent, denn Lorenz, NJW 2013, S. 1341, 1342 begründet die geschilderte Handhabung der §§ 266, 323 Abs. 5 S. 1 BGB auch mit dem vermeintlichen Zweck, eine unökonomische Rückabwicklung zu vermeiden, die bei der Zurückweisung einer Teilleistung eben nicht drohe, was in den Teilunmöglichkeitsfällen aber gleichermaßen greifen müsste. Zur Teilbarkeit von Schuldverträgen 11 ablehnt. Dem Gläubiger muss auch in diesen Konstellationen ein Teilrücktritt gestattet sein, wenn ein hypothetischer Spaltungswille des Schuldners vorliegt. Der Spaltungswille des Gläubigers bedarf keiner besonderen Prüfung, da er die Wahl zum Gesamtrücktritt hat. II. Qualitative Teilbarkeit bei Schlechtleistung 1. Minderung bei Schlechtleistung Die qualitative Teilbarkeit bei Schlechtleistungen wird im allgemeinen Schuldrecht abweichend geregelt: Zum einen sieht § 323 Abs. 5 S. 2 BGB keinen Teilrücktritt vor und zum anderen greift auch der Automatismus einer Vertragsspaltung im Falle der Unmöglichkeit gem. § 326 Abs. 1 S. 2 BGB nicht. Letzteres hat der Gesetzgeber wegen der gewährleistungsrechtlichen Möglichkeit zur Minderung kodifiziert.41 Diese Regelungen des allgemeinen Schuldrechts erscheinen nicht unproblematisch: Da es kein gesetzliches allgemeines Minderungsrecht gibt42 und § 323 Abs. 5 S. 2 BGB keinen Teilrücktritt vorsieht,43 wird der Gläubiger bei „unerheblich“ pflichtwidriger Leistung mit der vollen Gegenleistungspflicht belastet. Nur bei schuldnerischem Vertretenmüssen wird der Gläubiger ggf. über den kleinen Schadensersatz statt der Leistung wenigstens wirtschaftlich so gestellt, als habe er die versprochene Leistung insgesamt erhalten. Dies soll nicht der Ort sein, um sich mit Konstellationen zu befassen, in denen eine schuldlose Schlechtleistung vorliegt und der jeweilige Vertragstyp keine Minderung vorsieht.44 Ob es insoweit bei bestimmten Vertragstypen eine Lücke gibt, die mit einem Teilrücktritt oder einer Minderung zu schließen wäre, soll hier nicht erörtert werden.45 Funktional an die Stelle des Teilrücktritts tritt bei § 323 Abs. 5 S. 2 BGB die Minderung,46 beim Kauf gem. § 441 Abs. 1 S. 1 BGB;47 die Minderung führt zu einer qualitativen Vertragsspaltung. Auch wenn man die Minderung als Funktionsäquivalent zum Teilrücktritt in die Betrachtung einbezieht, ergeben sich erstaunliche Abweichungen zu den Teilleistungen: Zum einen wird bei der qualitativen Spaltung des Vertrages durch Minderung herrschend nicht nach einem hypothetischen Spaltungswillen des Verkäufers gefragt und zum anderen wird die Grenze des 41 Siehe BT-Drs. 14/6040, S. 189. Ausdrücklich verworfen bei BT-Drs. 14/6040, S. 223. 43 BT-Drs. 14/6040, S. 187. 44 Nach Soergel/Gsell (Fn. 26), § 326 BGB, Rn. 33 etwa sei „die Tragweite“ des Problems „wohl doch begrenzt“. 45 Eingehend etwa Peukert, AcP 205 (2005), S. 430, 453 ff. 46 Siehe MüKo/Ernst (Fn. 26), § 323 BGB, Rn. 243: „es handelt sich im Kern um dieselbe Sache“; so auch Soergel/Gsell (Fn. 26), Vor § 320 BGB, Rn. 49; krit. dagegen BeckOGK/Hartmann, Art. 50 CISG, Stand: 01.05.2017, Rn. 2; Korth, Minderung (Fn. 27), S. 99 f. 47 Dass im Mietrecht gem. § 536 Abs. 1 S. 3 BGB „unerhebliche“ Tauglichkeitsbeeinträchtigungen nicht zur Minderung führen, ist mit Canaris, FS K. Schmidt, 2009, S. 177, 187 in der Tat als „befremdlic[h]“ zu bezeichnen. 42 Zur Teilbarkeit von Schuldverträgen 12 § 323 Abs. 5 S. 2 BGB aus Sicht des Käufers verbreitet objektiv gehandhabt. Letztlich wird anders als bei den Teilleistungen weder ein hypothetischer Spaltungswille des Gläubigers noch des Schuldners vorausgesetzt.48 a) Gegen eine objektive Handhabung von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB Überwiegend wird § 323 Abs. 5 S. 2 BGB objektiv gehandhabt, wobei die Schwelle für einen Gesamtrücktritt niedriger sein soll als bei § 323 Abs. 5 S. 1 BGB.49 Das wird damit begründet, dass bei einer Schlechtleistung, anders als bei einer Teilleistung, typischerweise davon ausgegangen werden müsse, dass der Gläubiger mit der Leistung nichts anfangen könne und daher an dieser kein „Interesse“ habe, weshalb subjektive Maßstäbe nicht ausschlaggebend seien. Es sei vielmehr zu ermitteln, welche Abweichung von der Sollbeschaffenheit nach objektiver Betrachtung dem Gläubiger noch zuzumuten sei.50 Auch wenn bei Schlechtleistungen eher davon ausgegangen werden könnte, dass der Gläubiger mit der Leistung nichts anfangen könne, vermag das jedoch allenfalls eine Vermutungsregel zu begründen oder die Beweislast abweichend zu verteilen; beides sollte bei der Ermittlung eines hypothetischen Parteiwillens freilich nicht überbewertet werden.51 An der einheitlichen Zielrichtung und dem einheitlichen materialen Fundament von § 323 Abs. 5 S. 1 und S. 2 BGB vermögen die vorgetragenen Gesichtspunkte nichts zu ändern.52 Der BGH misst Beschaffenheitsvereinbarungen eine maßgebliche Bedeutung für § 323 Abs. 5 S. 2 BGB bei.53 Grundsätzlich hat er betont, dass es stets einer Beurteilung des Einzelfalles bedürfe.54 Jedoch konnte auch der BGH der Versuchung nicht vollends widerstehen, Maßstäbe für § 323 Abs. 5 S. 2 BGB zu entwickeln, die sich nicht am hypothetischen Spaltungswillen orientieren. So hat er etwa angenommen, § 323 Abs. 5 S. 2 BGB sei bei einer arglistigen Täuschung des Verkäufers stets erfüllt.55 Weiter sei eine „Erheblichkeit“ zu verneinen, wenn der 48 Zu entsprechend heteronomen Vertragsspaltungen (Kontrahierungszwängen) kann es auch durch das hochproblematische Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage durch eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB kommen. Darauf soll hier nicht näher eingegangen werden; beifallswert und im Einklang mit den hiesigen Ausführungen ist es jedenfalls, wenn in der Literatur gefordert wird, dass eine Vertragsanpassung vom hypothetischen Parteiwillen gedeckt sein müsse; MüKo/Finkenauer (Fn. 26), § 313 BGB, Rn. 105, 117. Ausgeklammert werden soll hier auch die Rechtsprechung des BGH, die in der Sache eine Minderung über das Institut der culpa in contrahendo gewährt (BGH, NJW 2006, S. 3139, 3141); vgl. dazu grds. Lorenz, NJW 1999, S. 1001 f. 49 Siehe etwa Medicus/Lorenz, Schuldrecht I (Fn. 38), Rn. 434. 50 So wohl Soergel/Gsell (Fn. 26), § 323 BGB, Rn. 211 ff.; eingehend in diesem Sinne Piegsa, Teilleistungsstörungen (Fn. 11), S. 337 ff. 51 Siehe zu § 139 BGB bereits oben bei Fn. 7. 52 Vgl. auch Grigoleit/Riehm, ZGS 2002, S. 115, 117 f. 53 BGH, NJW 2013, S. 1365. 54 BGH, NJW-RR 2010, S. 1289, Rn. 24. 55 BGHZ 167, 19; zutr. dagegen Lorenz, NJW 2006, S. 1925 ff. Zur Teilbarkeit von Schuldverträgen 13 Mangel behebbar sei und die Mangelbeseitigungskosten ein Prozent des Kaufpreises nicht übersteigen,56 während eine „Erheblichkeit“ in der Regel zu bejahen sei, wenn die Mängelbeseitigungskosten fünf Prozent des Kaufpreises übersteigen.57 Richtigerweise wird man entgegen verbreiteter Tendenzen § 323 Abs. 5 S. 2 BGB genauso handhaben müssen wie § 323 Abs. 5 S. 1 BGB: Beiden Vorschriften geht es um einen Reurechtsausschluss.58 Der Käufer soll sich nicht von einem (qualitativen) Teilvertrag lösen können, den er isoliert geschlossen hätte. Zwar ist es zutreffend, dass ein Käufer häufig kein Interesse an einer mangelhaften Sache hat. Ausgeschlossen ist das aber nicht, wenn man etwa an behebbare Mängel bei besonderen Speziessachen denkt. Auch eine Beschaffenheitsvereinbarung schließt einen hypothetischen Spaltungswillen nicht von vornherein aus. Objektive Kriterien sind zwar unerlässlich, sie dienen aber alleine der Ermittlung des hypothetischen Spaltungswillens des Gläubigers. Insbesondere ein Vergleich der Mängelbeseitigungskosten mit dem Kaufpreis kann nur ein grober Anhaltspunkt sein. Die Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens unterscheidet sich maßgeblich von einer rein objektiven Interessenabwägung, die ggf. um eine Prüfung der „Verhältnismäßigkeit“59 angereichert wird. Als Beispiel sei der Fall zitiert, in dem ein passionierter Raucher einen Neuwagen erwirbt, bei dem der Zigarettenanzünder nicht funktioniert. Mag der Mangel auch objektiv betrachtet wertmäßig nicht ins Gewicht fallen, hätte der Gläubiger ein entsprechendes Fahrzeug dennoch nie erworben. Sein Gesamtrücktritt kann nicht nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen werden. Unbeachtlich ist, ob seine Rauchereigenschaft bei Vertragsschluss thematisiert worden ist,60 denn vertraglich muss ohnehin feststehen, dass der Neuwagen über einen Zigarettenanzünder zu verfügen hat, sonst läge bereits kein Mangel vor. Nachträgliche Sinneswandel sind wieder beachtlich,61 wenn etwa der Käufer erst nach Vertragsschluss aber vor der Komplettierung des Rücktrittsrechts mit dem Rauchen anfängt; er wird in seiner Dispositionsfreiheit insofern geschützt, da schließlich, anders als bei § 139 BGB, ein wirksames Versprechen im Hinblick auf ein Auto mit Zigarettenanzünder vorliegt. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, dass § 323 Abs. 5 S. 1 und § 323 Abs. 5 S. 2 BGB in der Sache gleichermaßen ein Reurecht des Gläubigers ausschließen sollen, ist damit nebenbei auch das besonders umstrittene Abgrenzungsproblem im Ergebnis weitgehend entschärft, ob 56 BGH, NJW 2011, S. 2872. BGHZ 201, 290. 58 So auch Korth, GPR 2014, S. 87, 91 zu Art. 3 Abs. 6 Verbrauchsgüterkauf-RL 1999/44/EG. 59 Statt vieler BGHZ 201, 290, Rn. 37. 60 Entgegen Höpfner, NJW 2011, S. 3693, 3694 f., von dem das Beispiel stammt. 61 Siehe oben bei Fn. 30. 57 Zur Teilbarkeit von Schuldverträgen 14 beim Kauf § 434 Abs. 3 Alt. 2 BGB dazu führt, dass Teilleistungen unter § 323 Abs. 5 S. 2 BGB zu subsumieren seien.62 In der Sache vermag es auch kaum zu überzeugen, dass im Weinlieferungsbeispiel der Käufer nach Maßgabe von § 323 Abs. 5 S. 1 BGB nicht insgesamt zurücktreten können soll, wenn er auch über die gelieferten 50 Kisten kontrahiert hätte, während er nach Maßgabe von §§ 434 Abs. 3 Alt. 2, 323 Abs. 5 S. 2 BGB in diesem Fall insgesamt zurücktreten können soll, da bei einer rein „objektiven“ Betrachtung eine „Erheblichkeit“ zu konstatieren wäre, da immerhin die Hälfte der Leistung ausgeblieben ist. Bei subjektiver Handhabung wäre auch die „Erheblichkeit“ der Pflichtverletzung zu verneinen und der Käufer wäre auf die Minderung als Funktionsäquivalent zum Teilrücktritt verwiesen. b) Vermeiden von minderungsbedingten Kontrahierungszwängen Während sich eine subjektive Handhabung von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB mit der herrschend praktizierten objektiven Auslegung insoweit noch versöhnen lässt, als die objektive Herangehensweise als Näherung an den hypothetischen Spaltungswillen des Gläubigers begriffen werden kann, sind die Probleme bei der Minderung tiefgreifender. Funktional wird mit der Minderung ein Teilrücktritt herbeigeführt, der den hypothetischen Spaltungswillen des Schuldners (Verkäufers) nach herrschender Auffassung nicht zur Voraussetzung hat.63 Zu konzedieren ist, dass in den Fällen des Verbrauchsgüterkaufs, für den Art. 3 Abs. 5 Verbrauchsgüterkauf-RL 1999/44/EG eine Minderungsmöglichkeit verlangt, typischerweise von einem entsprechenden Spaltungswillen des unternehmerischen Verkäufers ausgegangen werden kann. Ein unternehmerischer und auf Absatz bedachter Verkäufer, der sein „Recht zur zweiten Andienung“ nicht wahrnehmen will (§§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB) oder nicht wahrnehmen kann (§§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5 BGB) wird in der Tat regelmäßig einen Spaltungswillen und kein Interesse daran haben, den Vertrag insgesamt rückabzuwickeln.64 Erwägungen des Verbraucherschutzes mögen es rechtfertigen, diese Typisierung zwingend auszugestalten (§ 475 Abs. 1 S. 1 BGB bzw. Art. 7 Abs. 1 Verbrauchsgüterkauf-RL 1999/44/EG). Insbesondere bei nicht unternehmerischen Verkäufern entbehrt eine typisierende Vermutung aber eines Fundaments. Bei Privatverkäufen wird ein Verkäufer seinen Bindungswillen unter Umständen65 insgesamt davon abhängig machen, dass er den vereinbarten Kaufpreis auch er- 62 Eingehend zu diesem Problem etwa BeckOK/Faust (Fn. 40), § 434 BGB, Rn. 114 ff. Ausdrücklich in diesem Sinne etwa Soergel/Gsell (Fn. 26), § 323 BGB, Rn. 218. 64 Korth, Minderung (Fn. 27), S. 145 ff. 65 Auch die von Wertenbruch, AcP 213 (2013), S. 462, 466 vorgetragenen Erwägungen zugunsten der Minderung beschränken sich letztlich darauf, dass diese „in der Regel“ nicht interessenwidrig ist. 63 Zur Teilbarkeit von Schuldverträgen 15 zielen kann, weil er eben nur für den vereinbarten Preis bereit war, sich von der Sache zu trennen. Sollte die Ermittlung des (hypothetischen) Parteiwillens in solchen Fällen ergeben, dass der Verkäufer keinen Willen zur qualitativen Spaltung hatte, ist die dispositive Minderungsbefugnis im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu versagen,66 sie stellte ansonsten einen handfesten Kontrahierungszwang dar.67 Wie vorbehaltlos man auf das Institut der Minderung zurückgreift, belegt der herrschende Umgang mit dem Verweis des § 480 BGB auf das Kaufrecht: Ist eine Sache beim Tausch mangelhaft, so soll die Gegenseite mindern dürfen. Das bedeutet, dass eine Ausgleichszahlung für die mangelhafte Sache erbracht werden muss.68 Die Minderung führt dann in der Sache nicht zu einer aufgezwungenen Vertragsspaltung, sondern der Vertragspartner, der überhaupt nur ein Tauschgeschäft tätigen wollte, muss plötzlich sogar eine Geldzahlung erbringen. Während bei § 139 BGB im Ergebnis noch erkannt wird, dass eine Teilnichtigkeit nicht zu einer „Typusänderung“ führen dürfe,69 eben weil das regelmäßig nicht vom hypothetischen Parteiwillen gedeckt sein wird, muss der herrschende Umgang mit der Minderung als äußerst bedenklich bezeichnet werden. Deutlich kritischer fällt dagegen wieder die parallele Diskussion zur quantitativen Teilbarkeit beim Tauschvertrag aus. Ist bei einer Teilleistung die Gegenleistung unteilbar, wird im Rahmen von § 326 Abs. 1 S. 1 HS. 2 BGB ganz überwiegend erkannt, dass dem Schuldner eine Ausgleichszahlung nicht aufgezwungen werden darf.70 Wenn also A mit B vereinbart, dass A zwei seiner Briefmarken gegen eine des B tauscht und geht dann eine Briefmarke des A unter,71 wird der Kontrahierungszwang thematisiert und überwiegend eine Ausgleichszahlungspflicht des A im Rahmen von § 326 Abs. 1 S. 2 BGB zutreffend abgelehnt. Bezieht sich der Tauschvertrag dagegen auf je eine Briefmarke und stellt sich eine der Briefmarken als beschädigt dar, wird kurzerhand eine Pflicht zur Ausgleichszahlung nach Maßgabe von §§ 480, 441 BGB angenommen. 66 Zum umstr. Vorrang der ergänzenden Vertragsauslegung vor dispositivem Recht wie hier etwa auch Cziupka, JuS 2009, S. 103, 105 f.; Finkenauer, AcP 213 (2013), S. 619, 625; Kötz, JuS 2013, S. 289, 294; zurückhaltender etwa Staudinger/Roth (Fn. 2), § 157 BGB, Rn. 23 m. Nachw. aus der Rspr. Alternativ ließe sich das Ergebnis methodisch über eine teleologische Reduktion der Minderung oder eine Erstreckung des Teilbarkeitskonzepts der §§ 139, 323 Abs. 5 S. 1 BGB erreichen; vgl. Korth, Minderung (Fn. 27), S. 123 f. 67 Vgl. auch Hartmann, Der Anspruch auf das stellvertretende commodum, 2007, S. 310 f.; eingehend, wenngleich etwas schwerer zugänglich mit § 119 Abs. 2 BGB auf der Grundlage der ihrerseits heftig umstrittenen Lehre Flumes arbeitend Korth, Minderung (Fn. 27), S. 101 ff. und passim. In Konstellationen, in denen der Verkäufer eine höherwertige Sache liefert, sieht das geltende Recht entsprechende Vertragsanpassung nicht vor (vgl. Thier, AcP 203 (2003), S. 399, 420, der das für einen „Eingriff in einen Kernbereich der Privatautonomie“ hielte). 68 Statt vieler RGZ 72, 299, 301; 73, 152, 153; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, 17. Aufl. 2014, Rn. 380; Staudinger/Schermaier, § 480 BGB, Bearb. 2013, Rn. 18; MüKo/Westermann, § 480 BGB, 7. Aufl. 2016, Rn. 6; vgl. auch BeckOK/Faust (Fn. 40), § 441 BGB, Rn. 24. 69 Wolf/Neuner, AT (Fn. 2), § 56 Rn. 19. 70 MüKo/Ernst (Fn. 26), § 326 BGB, Rn. 33; Soergel/Gsell (Fn. 26), § 326 BGB, Rn. 24. 71 Fallbeispiel nach Canaris, FS Medicus II (Fn. 35), S. 17, 27. Zur Teilbarkeit von Schuldverträgen 16 2. Problem der Zurückweisung Auch eine mangelhafte Leistung muss der Gläubiger grds. nicht annehmen. Der BGH hat das normativ zwar jüngst nicht aus § 266 BGB sondern aus § 273 BGB hergeleitet,72 in der Sache sind die Zurückweisungsrechte aber vergleichbar. Wie bei § 323 Abs. 5 S. 1 BGB entspricht es bei § 323 Abs. 5 S. 2 BGB herrschender Auffassung, dass der Gläubiger dem Ausschluss des Rücktrittsrechts dadurch entgehen könne, dass er die Leistung zurückweist.73 Das wird dem Anliegen von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB, Reurechte auszuschließen, wiederum nicht gerecht. Zu verfahren ist, wie bei § 323 Abs. 5 S. 1 BGB geschildert: Dem Gläubiger bleibt es unbenommen, seinen Primärerfüllungsanspruch zu verfolgen und durchzusetzen, insoweit ist er zur Annahme einer mangelhaften Leistung in der Tat nicht verpflichtet. Entscheidet er sich aber für einen Rücktritt und will § 323 Abs. 5 S. 2 BGB diesen ausschließen, ist der Gläubiger auf eine Minderung verwiesen; er hat die Schlechtleistung anzunehmen, wenn sie ihm vor oder spätestens bei Abgabe der Rücktrittserklärung angeboten worden ist.74 3. Minderung bei vollständig ausbleibender Leistung Wie beim Teilrücktritt kann der Gläubiger unter Umständen auch bei vollständig ausbleibender Leistung mindern. Das setzt nach hier vertretener Auffassung einen entsprechenden hypothetischen Spaltungswillen des Schuldners voraus, der nur in Betracht kommen dürfte, wenn dieser sich im Besitz einer entsprechend mangelhaften Sache befindet und die Leistungspflicht sich konkret auf diese bezieht.75 III. Fazit Nach derzeit herrschender Handhabung besteht ein unüberbrückbarer Unterschied zwischen § 323 Abs. 5 S. 1 BGB und § 323 Abs. 5 S. 2 BGB. Nur bei § 323 Abs. 5 S. 1 BGB wird, im Einklang mit § 139 BGB, herrschend auf den hypothetischen Spaltungswillen der Parteien rekurriert.76 § 323 Abs. 5 S. 2 BGB wird dagegen verbreitet objektiv ausgelegt und die 72 BGH, NJW 2017, S. 1100; auf § 266 BGB stellen dagegen etwa Medicus/Lorenz, Schulrecht I (Fn. 38), Rn. 148; MüKo/Krüger (Fn. 26), § 266 BGB, Rn. 4 ab. 73 Lorenz, NJW 2013, S. 1341, 1343; Riehm, JuS 2017, S. 463, 466. 74 Nur in den Fällen der teilweisen Unmöglichkeit ähnlich BeckOK/Lorenz (Fn. 40), § 266 BGB, Rn. 3a.1. 75 Im Ergebnis ähnlich Soergel/Gsell (Fn. 26), Vor § 320 BGB, Rn. 54. 76 Ebenso konsequent wie bedenklich gegen die herrschende Auffassung Canaris, FS Medicus II (Fn. 35), S. 17 ff., 25 f., der für das gesamte Leistungsstörungsrecht meint, es könne nach dem Vorbild der Minderung auf eine Teilbarkeit nach dem Parteiwillen nicht ankommen. Kontrahierungszwänge seien „genuine Konsequenz von Leistungsstörungen“. Zur Teilbarkeit von Schuldverträgen 17 Minderung als Äquivalent zum Teilrücktritt ohne Rücksicht auf einen hypothetischen Willen des Verkäufers zur Anwendung gebracht. C. Zusammenfassung 1. Kommt es zu teilweisen Störungen im Entstehungstatbestand eines Vertrages oder im Verlauf des Leistungsaustauschs, stellt sich die Frage, ob der fehlerfrei zustande gekommene bzw. teilabgewickelte Vertrag insoweit aufrechterhalten werden kann. Eine Gesamtunwirksamkeit bzw. ein Gesamtrücktritt kann sich unter Umständen als ein Reurecht darstellen, während eine Vertragsspaltung die Gefahr eines Teilkontrahierungszwanges birgt. 2. Für die Rechtsgeschäftslehre und die quantitative Teilleistungsstörung entscheidet das geltende Recht nicht blind im Sinne eines favor contractus für eine Vertragsspaltung, sondern fordert im Rahmen der §§ 139, 323 Abs. 5 S. 1 BGB einen hypothetischen Spaltungswillen der Parteien. §§ 139, 323 Abs. 5 S. 1 BGB liegt der Gedanke eines Reurechtsausschlusses zugrunde, wobei § 323 Abs. 5 S. 1 BGB die Dispositionsfreiheit des Gläubigers schützt, sodass auch ein nachträglicher Interessenwegfall noch Berücksichtigung findet. 3. Anders entscheidet die herrschende Auffassung bei qualitativen Teilleistungsstörungen. Das allgemeine Schuldrecht wird weitgehend von der gewährleistungsrechtlichen Minderung überlagert, die potenziell an einem privatautonomen Legitimationsdefizit leidet, da sie dem Verkäufer nach herrschender Lesart auch in den Fällen eine qualitative Vertragsspaltung aufnötigt, in denen er zu einem entsprechenden Vertragsschluss nicht bereit gewesen wäre. Beim europarechtlich determinierten Verbrauchsgüterkauf mag man noch regelmäßig annehmen können, dass die Minderung typischerweise dem hypothetischen Willen eines auf Absatz bedachten Verkäufers entspricht. Ist der Verkäufer aber kein Unternehmer, sollte eine Minderung versagt werden, wenn kein hypothetischer Spaltungswille auf Verkäuferseite angenommen werden kann. Es ist parallel zu § 323 Abs. 5 S. 1 BGB zu verfahren: Der Gläubiger (Käufer) und der Schuldner (Verkäufer) können grds. nur dann nach Maßgabe von §§ 323 Abs. 5 S. 2, 441 Abs. 1 S. 1 BGB auf eine Vertragsspaltung durch Minderung verwiesen werden, wenn der hypothetische Wille beider Parteien dies trägt.