Dominik Georgi
Susanne Bründler-Ulrich
Dorothea Schaffner
Esther Federspiel
Patricia Wolf
Richard Abplanalp
Bettina Minder
Jonas Frölicher
ShareCity
Sharing-Ansätze, Sharing-Verhalten,
Sharing-Strategien, Sharing-Cases in
Städten
ShareCity
Dominik Georgi · Susanne Bründler-Ulrich
Dorothea Schaffner · Esther Federspiel
Patricia Wolf · Richard Abplanalp
Bettina Minder · Jonas Frölicher
ShareCity
Sharing-Ansätze, Sharing-Verhalten,
Sharing-Strategien, Sharing-Cases in
Städten
Dominik Georgi
Institut für Kommunikation und Marketing
(IKM), Hochschule Luzern (HSLU)
Luzern, Schweiz
Richard Abplanalp
Institut für Kommunikation und Marketing
(IKM), Hochschule Luzern (HSLU)
Luzern, Schweiz
Susanne Bründler-Ulrich
Institut für Kommunikation und Marketing
(IKM), Hochschule Luzern (HSLU)
Luzern, Schweiz
Bettina Minder
Design & Kunst Hochschule Luzern
Luzern-Emmenbrücke, Schweiz
Dorothea Schaffner
Hochschule für Angewandte Psychologie
Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW
Olten, Schweiz
Jonas Frölicher
Strategie und Managementberatung
KCW GmbH
Berlin, Deutschland
Esther Federspiel
Institut für Innovation, Design und Engineering
IDEE-FHS, FHS St. Gallen
St. Gallen, Schweiz
Patricia Wolf
Centre for Integrative Innovation Management
South Danish University
Odense, Dänemark
und
Zukunftslabor CreaLab, Hochschule Luzern
Luzern, Schweiz
ISBN 978-3-658-23699-1
ISBN 978-3-658-23700-4
https://doi.org/10.1007/978-3-658-23700-4
(eBook)
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Vorwort
Sharing und die Sharing Economy sind in aller Munde. Seit Jahren sind internationale
Plattformen wie Airbnb und Uber in der Diskussion. Car-Sharing-Fahrzeuge von Mobility in der Schweiz und Car2Go oder DriveNow in Deutschland sind aus dem Verkehrsalltag kaum mehr wegzudenken.
Und auch etablierte Anbieter greifen das Thema Sharing auf. So hat der Kaffeehersteller und -händler Tchibo kürzlich sein Programm „Tchibo Share“ vorgestellt, in
dessen Rahmen Babykleidung geteilt werden kann. Auch im B2B-Bereich finden Sharing-Ansätze Anwendung, so beispielsweise das Teilen von Geräten oder Energie durch
kooperierende Gewerbebetriebe.
Gut möglich, dass das Stadtleben der Zukunft ein „Shared City Life“ sein wird,
indem die Bevölkerung mehr und mehr Sharing-Ansätze nutzt. Damit dieses Shared City
Life den Interessen einer Stadt selbst entspricht und nicht nur Externe, etwa internationale Sharing-Plattformen von diesem Trend profitieren, sollten Städte sich aktiv mit dem
Thema damit auseinandersetzen. Viele Städte haben diese Relevanz erkannt und werden
als „Sharing Cities“ bezeichnet oder taufen sich selbst so. Die Vereinigung „Eurocities“
widmete ihre Jahrestagung 2017 dem Thema „Sharing Cities“. Und auch der Schweizerische Städtetag 2017 in Montreux hatte „Sharing“ als Hauptthema – mit einer Keynote
aus den Forschungen, auf denen dieses Buch aufbaut.
Sharing wird so stark diskutiert, weil es Städte, die Bevölkerung und die Gesellschaft
als solches positiv beeinflussen kann. Sharing kann die ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit fördern. Ressourcen können durch Sharing geschont werden, der
soziale Austausch, wie etwa zwischen Generationen, kann gefördert werden, sowie neue
Geschäftspotenziale oder Kosteneinsparungen können realisiert werden.
In der öffentlichen Diskussion hat das Bild von Sharing in letzter Zeit aber gelitten. Häufig wird Sharing gleichgesetzt mit Plattformen wie Airbnb und Uber. Diese haben teilweise
auch negative Wirkungen. Über Airbnb werden auch Unterkünfte vermietet, die eigentlich
Einheimische als Wohnstätte brauchen könnten. Uber wird vorgeworfen, dass arbeitsrechtliche Vorschriften umgangen werden. Die Sharing Economy kann also auch ökologische,
soziale und ökonomische Nachteile haben – „the dark side of Sharing Economy“.
V
VI
Vorwort
Gerade das macht das Thema spannend als Forschungs- und Gestaltungsthema. Das
Sharing-Economy-Team des Instituts für Kommunikation und Marketing (IKM) an der
Hochschule Luzern (HSLU) hat sich in mehreren Projekten diversen Fragestellungen
rund um das Thema gewidmet. Ergebnisse dieser Forschungen stellen die Grundlage für
das vorliegende Buch dar.
Entsprechend gilt der Dank der Autoren jenen Personen, die die Forschung zum
Thema ermöglicht haben. Allen voran ist dies die Stiftung Mercator Schweiz und ihre
stellvertretende Geschäftsführerin Katia Weibel. Ohne die Unterstützung der Stiftung
hätte die Forschung an der HSLU nicht so umfassend erfolgen können. Weiterhin danken
die Autoren mehreren Kooperationspartnern rund um das Sharecity-Projekt und weitere
Sharing-Forschung an der HSLU. An erster Stelle sind dies Karin Hungerbühler, Harry
Künzle sowie Alfred Steingruber von der Stadt St.Gallen, die sich als Sparringspartner
in das Projekt eingebracht haben und wertvolle Inputs und Unterstützung gegeben haben.
Hervorheben möchten wir zudem: Andreas Amstutz (CEO Sharely.ch), Renate Amstutz
(Geschäftsführerin Schweizerischer Städteverband), Manuel Lehmann (Thinkpact
Zukunft), Rene Lisi (Sharecon – Schweizerische Vereinigung der Sharing Economy),
Peter Masciadri und Andreas Blumenstein (Büro für Dienstleistungen), Frank Wolff
(CEO Crowdwerk), Christoph Zeyer (Leiter Business Development, Mobility Car Sharing). Schließlich möchten wir anonym die zahlreichen Gesprächspartner hervorheben,
die unseren Forschungsprozess unterstützt haben.
Die Beschäftigung von Unternehmen und Stadtverwaltungen mit dem Thema Sharing
und ShareCity entwickelt sich gerade intensiv, beispielsweise auch im Zusammenhang
mit Smartcity-Konzepten von Städten. Gerne möchten wir von der Hochschule Luzern
uns weiter an dieser Themenentwicklung und der entsprechenden Diskussion beteiligen.
Luzern
Sommer 2018
Mit freundlicher Unterstützung der
Dominik Georgi
Susanne Bründler-Ulrich
Dorothea Schaffner
Esther Federspiel
Patricia Wolf
Richard Abplanalp
Bettina Minder
Jonas Frölicher
Inhaltsverzeichnis
1
Sharing Economy: Entwicklung und Relevanz für Städte . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
7
2
Formen von Sharing-Ansätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1 Typologisierungskriterien bezüglich des Sharing-Gegenstands . . . . . . . . .
2.2 Typologisierungskriterien bezüglich den Sharing-Teilnehmenden . . . . . . .
2.3 Typologisierungskriterien bezüglich der Sharing-Organisationsform . . . . .
2.4 Typologisierungskriterien bezüglich der Sharing-Nutzung . . . . . . . . . . . . .
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
9
15
16
17
18
3
Wirkungen von Sharing und Relevanz für Städte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1 Nachhaltigkeitswirkungen von Sharing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Ökologische Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3 Ökonomische Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4 Soziale Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5 Rebound-Effekte und Wechselwirkungen zwischen den
Nachhaltigkeitsdimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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30
31
Einflussfaktoren des Sharing-Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1 Externe Einflussfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.1 Angebotsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.2 Plattformmerkmale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.3 Kommunikation/Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.4 Umfeldfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.5 Regulatorische und politische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 User-bezogene Einflussfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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36
36
36
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42
4
VII
VIII
5
Inhaltsverzeichnis
Empirische Erkenntnisse zur Bewertung von Sharing-Angeboten und
Einflussfaktoren ihrer Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1 Studiendesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Studienergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.1 Bewertung der Sharing-Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.2 Bewertung der Einzelmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.3 Wirkung der Einflussfaktoren auf das Sharing-Verhalten . . . . . . . .
5.3 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
45
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49
50
51
54
55
6
Entwicklung einer Sharing-Strategie in Städten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1 Sharing-Strategie-Framework für Städte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2 Grundhaltung der Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.3 Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.3.1 Überblick und Zielkategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.3.2 Ökonomische Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.3.3 Soziale Ziele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.3.4 Ökologische Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.3.5 Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.3.6 Stakeholder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.3.7 Sharing-Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.3.8 Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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57
59
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65
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78
7
ShareCity-Cases . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1 „ShareCity“-Cases im deutschsprachigen Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1.1 St.Gallen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1.1.1 Entwicklung des ShareCity-Strategie-Konzepts . . . . . . . .
7.1.1.2 Beispiele für Sharing-Initiativen in St. Gallen . . . . . . . . .
7.1.2 Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1.3 München. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1.4 Schaffhausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1.5 Bern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1.6 Basel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2 Internationale Cases . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2.1 Seoul. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2.2 Kopenhagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2.3 Medellin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2.4 Amsterdam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2.5 San Francisco . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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98
Inhaltsverzeichnis
8
Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX
99
Anhang: English Summary of the Book and the ShareCity
Research Project . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
1
Sharing Economy: Entwicklung und
Relevanz für Städte
Nutzen statt besitzen – diesem Motto folgen immer mehr Menschen. Vieles zu besitzen
ist – gerade für die jüngere Generation – nicht mehr Status, sondern auch Last. Was
zählt sind die Erlebnisse. Die Sharing Economy wird ermöglicht durch das Internet,
wo Angebot und Nachfrage von unterschiedlichen Sharing-Gegenständen aufeinandertreffen. Anbieter der Sharing Economy, wie Uber oder Airbnb, verzeichnen hohe
Wachstumsraten und die Regulierung dieser Akteure gibt zurzeit Anlass für kontroverse
Diskussionen in der Öffentlichkeit. Sharing bedeutet grundsätzlich das Teilen von Ressourcen, im Sinne einer gemeinsamen Nutzung. Damit können Sharing-Objekte von
Gebrauchsgegenständen wie Staubsaugern oder Rasenmähern über Dienstleistungen
bis hin zu Arbeitskraft reichen. Botsman (2013) beschreibt die Sharing Economy „as an
economic system based on sharing underused assets or services, for free or for a fee,
directly from individuals“ [1]. Im öffentlichen Diskurs und in der Literatur finden sich
jedoch verschiedene Begriffe und Definitionen (z. B. Peer-to-Peer Economy, Collaborative Economy, Collaborative Consumption). Die Bezeichnung Sharing Economy betont,
dass Menschen Dinge besitzen, die sie nicht permanent nutzen und deshalb jemand
anderem zur temporären Nutzung zur Verfügung stellen können, wie zum Beispiel eine
Bohrmaschine, ein Zimmer in ihrem Haus oder einen Rasenmäher. So ist der Begriff
treffend für Community-Marktplätze, auf denen Übernachtungsmöglichkeiten, Haushaltsgeräte, Fahrzeuge oder Mitfahrgelegenheiten angeboten werden. Für Online-Marktplätze, auf welchen Privatpersonen Güter oder Zeit gegen Geld verkaufen, ist der Begriff
Peer-to-Peer Economy gebräuchlicher. Auf Etsy.com verkaufen beispielsweise private
Künstler ihre Kunsthandwerke oder auf Mila.com bieten Betreuer für Kinder, Senioren
oder Haustiere ihre Dienste an. Diese Leistungen werden weniger als ungenutzte Güter
betrachtet, die getauscht oder gemeinsam genutzt werden. Käufer und Verkäufer sind
Privatpersonen mit klaren Rollen. Die Begriffe Collaborative Economy oder Collaborative Consumption sind Bezeichnungen, die sich vor allem im anglo-amerikanischen
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
D. Georgi et al., ShareCity, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23700-4_1
1
2
1 Sharing Economy: Entwicklung und Relevanz für Städte
Sprachgebrauch in den letzten Jahren durchgesetzt haben. Hier wird der Begriff Sharing
Economy als Überbegriff jeglicher Formen von Güter- und Dienstleistungstausch unter
Privatpersonen und Unternehmen verwendet, welche via Online-Plattformen oder physischer Community vernetzt sind.
Die Sharing Economy wächst. Gemäß Recherchen von PwC wurde die weltweite
Wertschöpfung der Sharing Economy im Jahr 2013 auf 15 Mrd. US$ pro Jahr geschätzt
und wird bis 2025 auf 335 Mrd. US$ ansteigen [2]. Eine weitere Studie der Europäischen Union zeigt, dass sich der EU-weite Umsatz der Sharing Economy im Jahr 2015
mit 28 Mrd. € gegenüber 2014 fast verdoppelt hat [3]. Die steigenden Nutzungszahlen der
Anbieter von Sharing-Services verdeutlichen dieses Wachstum. Beispielsweise stiegen
die weltweiten Übernachtungsmöglichkeiten bei Airbnb von 0,12 Mio. im Jahr 2011 auf
3 Mio. Objekte im Jahr 2016 an. Ein weiteres Beispiel für das Wachstum der Sharing Economy ist die Car-Sharing-Branche. Die Zahl der Car-Sharing-Nutzer ist in Deutschland
im Jahr 2016 auf 1,7 Mio. Kunden angestiegen. Das sind 36 % mehr als noch im Vorjahr
[4]. Trotz ihres großen Erfolges steht die Sharing Economy erst am Anfang. Derzeit wird
weltweit viel experimentiert, aber vorerst vor allem von Startups in Nischenbereichen,
denn traditionelle Händler und Hersteller haben das Potenzial noch kaum verstanden und
nicht ansatzweise ausgeschöpft [5]. Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Sharing Economy das Marktvolumen insgesamt betrachtet höher macht und keinesfalls nur
traditionelle Unternehmen ersetzt. Das europaweite Potenzial liegt gemäß Schätzungen
der Europäischen Union bei 570 Mrd. €. Dies entspricht einem Vielfachen des heutigen
Marktvolumens von 28 Mrd. € [6]. Das Interesse der Investoren ist dementsprechend hoch.
Mittlerweile beteiligen sich namhafte multinationale Unternehmen wie Google, General
Electric, Hyatt, Avis, Daimler und BMW an Startups. Die Investitionen in Sharing-EconomyStartups sind weltweit von jährlich 300 Mio. US$ im Jahr 2010 auf über 14 Mrd. US$
im Jahr 2015 gestiegen [7]. Im Automobilbereich wollen sich Daimler und BMW durch
car2go und DriveNow, die inzwischen fusioniert haben, auch im aufkommenden CarSharing-Markt etablieren und damit sowohl neue aktuelle und vor allem zukünftige Marktsegmente erschließen. Es wird davon ausgegangen, dass Automobilhersteller zukünftig
einen Großteil ihrer Wertschöpfung über Services generieren werden – und Sharing-Services sind eine wichtige Quelle dafür. Die Abb. 1.1 veranschaulicht dieses Wachstum der
Finanzierung von Startups.
Das rasante Wachstum der Sharing Economy hat dabei zwei wesentliche Treiber:
Zum einen die technologische und zum anderen die gesellschaftliche Entwicklung. Das
Internet hat sich durch die technologische Entwicklung in den letzten Jahren zu einer globalen Plattform für den Austausch von Informationen und Gütern verändert [8]. Smartphone Apps, mobiles Internet und soziale Netzwerke haben die Transaktionskosten
solcher Austauschplattformen stark gesenkt. Der Tausch, Kauf oder Austausch von
Dienstleistungen und Gütern kann von überall und zu jeder Zeit stattfinden. Gleichzeitig
werden durch eine erhöhte Transparenz Informationsdefizite der beteiligten Personen
ausgeglichen. Beispielsweise werden Anbieter und Nutzer im Vergleich zu traditionellen
Märkten ständig über Feedbacksysteme bewertet und beurteilt. So können sich bei Uber
1 Sharing Economy: Entwicklung und Relevanz für Städte
3
Abb. 1.1 Startup Finanzierung in Mrd. USD. [7]
Fahrer und Passagiere nach jeder Fahrt gegenseitig beurteilen und riskante Fahrer oder
Mitfahrer können aufgrund dieses Feedbacks gesperrt werden. Das Teilen und Tauschen
wird also nicht nur einfacher, sondern auch vertrauenswürdiger [9].
Zugleich befindet sich auch die Gesellschaft im Wandel. Jeremy Rifkin (2000) [10]
prägte dazu den Begriff „Age of Access“. Der Konsum verändert sich und nicht mehr
Eigentum, sondern der Zugang zu Gütern ist in Zukunft wichtig. Weiter verändern sich
die gesellschaftlichen Werte. Erlebnisse werden gegenüber Eigentum immer wichtiger
[11]. Für die sogenannte Generation Y ist Eigentum nicht mehr nur Status, sondern wird
als Verpflichtung angesehen, welche die Freiheit einschränkt. Als ein weiterer Treiber für
das rasante Wachstum der Sharing Economy kann auch der Druck ungelöster Umweltprobleme angesehen werden [1]. Zahlreiche Studien zeigen auf, dass die Nutzung von
Sharing-Angeboten zu effizienterer Ressourcennutzung und geringerem Energieverbrauch führt und dadurch positive ökologische Wirkungen hat [2, 12, 13]. So heben
auch die zahlreichen Startups, die in der Sharing Economy zurzeit entstehen, den ökologischen Mehrwert hervor und verschreiben sich der ökologischen Nachhaltigkeit.
Parallel zu dieser Entwicklung bestehen traditionelle Sharing-Ansätze, die (bisher)
nicht als solche bezeichnet wurden, bei einer vollständigen Betrachtung der Sharing
4
1 Sharing Economy: Entwicklung und Relevanz für Städte
Economy aber nicht zu vernachlässigen sind. „Sharing“ im Sinne des Teilens ist kein
neuartiges Phänomen. Teilen gilt als ursprünglichste Form des sozialen Austauschs und
ist eine grundlegende Form des Verhaltens, das seit Urzeiten die Beziehungen zwischen
Menschen untereinander regelt. Teilen bildet sozusagen das Fundament des Zusammenlebens. Zwischen Eltern und Kindern, zwischen Lebenspartnern, zwischen Familienmitgliedern oder auch zwischen sehr engen Freunden wird sehr vieles geteilt (Essen,
Wohnraum, Bett, Bad, Garage, etc.) und wir fragen nicht, was wir als Gegenleistung
bekommen. Die Verpflichtung zu teilen (v. a. Nahrungsmittel) ist in einer Gemeinschaft die Grundlage der Alltagsmoral [5]. Aber auch institutionalisiertes Teilen ist
nichts Neues. Denken wir beispielsweise an Bibliotheken oder Wohngemeinschaften, in
denen schon seit jeher das Tauschen und Teilen praktiziert wird. Auch im Kontext von
Nachbarschaftshilfe und Community Building in Regionen und Stadtteilen wird es schon
immer gelebt, in der Schweiz hat es eine lange Tradition. Beispielsweise ist die starke
genossenschaftliche Prägung verschiedener Lebensbereiche, z. B. der Wohnbereich mit
den Wohnbaugenossenschaften, ein Zeichen dafür. Eines der ersten Car-Sharing-Projekte
überhaupt aus dem Jahre 1948 geht auf eine Wohngenossenschaft in Zürich zurück, und
die Wurzeln von Mobility, der größten Schweizer Plattform für Car-Sharing, auf das Jahr
1987.
Die Sharing Economy beeinflusst das Leben global. Die größte Wirkung allerdings
entfaltet sie bisher in den Städten. So bietet Airbnb die meisten seiner 600.000 Angebote
in 34.000 Städten weltweit an und in mehr als 500 Städten wurden bereits Car-Sharingund Bike-Sharing-Projekte ins Leben gerufen [14]. Neben den Angebotszahlen, die in
Städten meist höher sind, spielen bei der speziellen Rolle von Städten in der Sharing
Economy auch die Demografie und die historische Perspektive eine Rolle. Die steigende
Bevölkerungsdichte in Städten führt zu Druck auf Infrastruktur, Wirtschaft und ökologische Systeme. Gleichzeitig verfügen Städte über allgegenwärtige Informations- und
Kommunikationstechnologien [14].
Dass dabei Städte zu einer neuen zirkulären Wirtschaft werden, getrieben von
zunehmenden und nachhaltig andauernden Sharing-Aktivitäten, verwundert auch aus
historischer Perspektive wenig. Städte waren historisch gesehen schon immer Orte des
Teilens. Öffentliche Plätze, Sanitär- und Gesundheits- sowie Bildungseinrichtungen
waren nicht nur Schlüssel der städtischen Entwicklung, sondern wurden durch Bürger und politische Entscheidungsträger ko-kreiert [15]. Gegen Ende des Mittelalters
waren Städte bereits Orte des Handels von Produkten aus dem Lokal-, Regional- und
Langdistanz-Bereich. Der Handel in Städten hat sich dabei dadurch vom Handel
auf dem Land unterschieden, dass Güter, Dienstleistungen und Arbeitskräfte gegen
Geld getauscht wurden. Der Tausch lief also formalisierter ab als auf dem Land, wo
noch Güter gegen Güter getauscht wurden. Inzwischen etablieren sich in Städten wieder immer mehr weniger kommerzielle Tausch-Modelle, wie kollektiver Konsum und
Ko-Produktion [16].
Es existieren allerdings bisher nur wenige Erfahrungsberichte und Studien über die systematische Nutzung von Sharing Economy durch Städte, und wenn dann im internationalen
1 Sharing Economy: Entwicklung und Relevanz für Städte
5
Kontext: So zum Beispiel „Policies for Shareable Cities“, eine Dokumentation, die von
zwei Non-Profit-Organisationen in Zusammenarbeit mit der Berkeley University und
der Vanderbilt University herausgegeben wurde (Shareable/Sustainable Economies Law
Center 2013, www.shareable.net) oder die Case Study „Sharing Cities“ von McLaren
und Agyeman (2015) [17], die verschiedene Sharing-Arten in Städten (Sharing Consumption, Sharing Production, Sharing Politics und Sharing Society) als Fallstudien in
San Francisco, Seoul, Copenhagen, Medellin, Amsterdam und Bengaluru beschreibt.
Diese Autoren sind es dann auch, die den Begriff „Sharing Cities“ ins Leben gerufen
haben und damit die Sharing Economy im urbanen Raum beschreiben [16, 17]. Obwohl
es bisher wenig Literatur zu Sharing Cities gibt und die Literatur, die im Bereich der
Smart Cities zu finden ist, Sharing Economy meist nur am Rande aufgreift (vgl. z. B.
Bail, Détienne, Baker (2016) [18], wurden in den letzten Jahren mehrere größere Initiativen ins Leben gerufen, die Sharing Economy im urbanen Raum zum Thema haben. So
zum Beispiel „Sharing Cities“ (www.sharingcities.eu) – ein Projekt, das vom EU-Programm Horizon 2020 mit 24 Mio. € finanziert ist. Das Projekt fördert internationale
Kooperationen zwischen der Industrie und Städten, um Smart-City-Lösungen mit hohem
Marktpotenzial zu entwickeln. Partnerstädte sind unter anderem Mailand, London und
Lissabon. Ein ähnliches Ziel hat Shareable (www.shareable.net), eine Non-Profit-Organisation, die sich als Plattform versteht für weltweite Aktionen, News und das Netzwerk
rund um die Sharing Transformation.
Im vorliegenden Buch wird ein „ShareCity“-Ansatz vorgestellt, der als Grundlage für
Städte dient, ihr „Shared City Life“ aktiv (mit-)zugestalten statt nur zuzusehen, wie sich
die Sharing Economy in der eigenen Stadt entfaltet, und u. U. stark von internationalen
Plattformen statt von lokalen Anbietern dominiert wird. Die im Buch vorgestellten
Erkenntnisse und Konzepte sind teilweise im Forschungsprojekt „ShareCity“ der Hochschule Luzern, das von der Stiftung Mercator Schweiz finanziert wurde, generiert und
entwickelt worden (vgl. Kasten auf Folgeseite).
Entsprechend wird im nachfolgenden Abschnitt zunächst dieses Forschungsprojekt
kurz vorgestellt, da im weiteren Verlauf des Buches teilweise auf die Forschungen im
Rahmen des Projekts (z. B. Experteninterviews) Bezug genommen wird. Im Kap. 2 wird
die Vielfalt existierender Sharing-Ansätze aufgezeigt und systematisiert. Im Kap. 3 werden die Wirkungen von Sharing auf die ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit erörtert. Diese Auswirkungen sind Grund für die intensiven Diskussionen über
Sharing. Gleichzeitig sind sie Ausgangspunkt von strategischen Überlegungen von Stadtverwaltungen, wie Sharing im Sinne der Städte genutzt werden kann. Im Kap. 4 werden die Einflussfaktoren einer Sharing-Nutzung durch Konsumenten und Bevölkerung
vorgestellt, da diese Ansatzpunkte für Steuerungsmaßnahmen sowohl für Sharing-Anbieter als auch für Stadtverwaltungen darstellen. Im Kap. 5 werden die Ergebnisse
einer empirischen Studie vorgestellt, die die Rolle der verschiedenen Einflussfaktoren
in unterschiedlichen Sharing-Kontexten untersucht. Im Kap. 6 wird ein ShareCityStrategie-Framework vorgestellt, der eine Anleitung für Städte liefert, systematisch Sharing-Strategien abzuleiten. Kap. 7 präsentiert diverse Fallbeispiele von Städten und ihren
6
1 Sharing Economy: Entwicklung und Relevanz für Städte
Sharing-Ansätzen in Deutschland, der Schweiz und im internationalen Kontext. Im
Kap. 8 werden Kernerkenntnisse thesenartig zusammengefasst. Und am Ende des
Buches findet sich eine ausführliche Zusammenfassung in englischer Sprache.
Methodischer Steckbrief
Das vorliegende Buch basiert auf dem Forschungsprojekt „ShareCity“, welches entwickelt worden ist aus der Sichtweise, dass Städte Sharing (Economy) aktiv gestalten und unterstützen können, sodass die städtische Sharing Economy einen Beitrag zur Erreichung von gesellschaftlichen,
wirtschaftlichen und insbesondere ökologischen Zielen der Stadt leisten kann. Das Projektteam
setzte sich zusammen aus einem Forscher- und Forscherinnen-Team der Hochschule Luzern.
Finanziert wurde das Projekt größtenteils durch die Stiftung Mercator Schweiz. „Modellstadt“
als Hauptpraxispartner ist die Stadt St. Gallen, vertreten durch das Amt für Umwelt und Energie
St. Gallen. Die Begleitgruppe des Projekts bestand aus:
•
•
•
•
•
•
•
Schweizer Städteverband, Renate Amstutz
Büro für Mobilität, Andreas Blumenstein, Peter Masciadri
DANACH, Manuel Lehmann
Sharecon, René Lisi
Sharoo, Carmen Spielmann
Crowdwerk, Frank Wolff,
Mobility Carsharing, Christoph Zeier
Methodisch gliederte sich das Forschungsprojekt in zwei Phasen:
1. Qualitative Studie
– Methode: Qualitative Experteninterviews mit 22 Vertreterinnen und Vertreter folgender
Gruppen: Die Stadt St. Gallen, das Gewerbe, private Sharing-Economy-Initiativen, Nutzerinnen und Nutzer von Sharing-Economy-Angeboten in der Stadt St. Gallen.
– Ziele: Analyse der Bedürfnisse dieser Gruppen im Hinblick auf eine Sharing Economy
(Unter welchen Umständen nutzen sie Sharing-Economy-Initiativen? Wie wird die Rolle der
Stadt im Zusammenhang mit Sharing Economy beurteilt?).
– Auswertung: Transkription und anschließende Auswertung mit MaxQDA (Software für qualitative Datenanalyse).
2. Quantitative Studie
– Methode: Quantitative Online-Befragung (Querschnittsstudie) im experimentellen Design
mit 500 Personen aus dem Befragungspanel des Marktforschungsinstituts LINK.
– Ziele: Messung der Akzeptanz verschiedener Sharing-Angebote bei der städtischen
Bevölkerung (Welche Faktoren fördern oder hemmen die Nutzung von nachhaltigen
Sharing-Angeboten? Welche Auswirkungen hat die Nutzung dieser Sharing-Angebote?)
– Auswertung: Statistische Datenanalyse mit der Statistik-Software IBM SPSS-Statistics.
Literatur
7
Literatur
1. Botsmann, R. (2013). Defining the sharing economy. Fast company. http://www.fastcoexist.
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Zugegriffen: 23. Aug. 2018.
3. Goudin, P. (2016). The cost of Non-Europe in the sharing economy. Economic, social and
legal challenges and opportunities.
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Zugegriffen:14. Febr. 2018
5. Frick, K., Hauser, M., & Gürtler, D. (2013). Sharity – Die Zukunft des Teilens. GDI (GDI
Studie Nr. 39).
8
1 Sharing Economy: Entwicklung und Relevanz für Städte
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8. Hettler, U. (2010). Social Media Marketing. Marketing mit Blogs, sozialen Netzwerken und
weiteren Anwendungen des Web 2.0. München: Oldenbourg.
9. Farronato, C., & Levin, J. (2015). Ein Geben und Nehmen. Hrsg. v. Credit Suisse (Global
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10. Rifkin, J. (2000). The age of access. The new culture of hypercapitalism, where all of life is a
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11. Pavlou, P. A., & Gefen, D. (2004). Building effective online marketplaces with institutionbased trust. Information Systems Research, 15(1), 37–59.
12. Belk, R. (2014). Sharing versus pseudo-sharing in web 2.0. Anthropologist, 18(1), 7–23.
13. Zentes, J., Freer, T., & Beham, F. (2013). Neue Mietkonzepte. Nutzen statt Haben – Potenziale
und Herausforderungen für Unternehmen. Insititut für Handel & Internationales Marketing
(H.I.MA.) der Universität des Saarlandes.
14. Cohen, B., & Muñoz, P. (2016). Sharing cities and sustainable consumption and production.
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15. Harvey, D. (2012). Rebellische Städte. Vom Recht auf Stadt zur urbanen Revolution (Edition
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16. Agyeman, J., McClaren, D., & Schaefer-Borrego, A. (2013). Sharing cities. Friends of earth
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18. Bail, C., Détienne, F., & Baker, M. J. (2016). A methodological approach to the conceptualisation of a socio-technical system: A smart and collaborative neighbourhood. New York:
ACM.
2
Formen von Sharing-Ansätzen
In der Praxis existieren zahlreiche Anwendungen von Sharing. Um einen Überblick
über die verschiedenen Ansätze zu erhalten, werden in der Literatur verschiedene Typologisierungskriterien vorgeschlagen und verwendet [1–3], die sich in vier Kategorien
einordnen lassen (Abb. 2.1).
2.1
Typologisierungskriterien bezüglich des SharingGegenstands
Der Sharing-Gegenstand bezeichnet das Objekt, das geteilt wird (z. B. Automobil).
Die Art des Sharing-Gegenstands hat einen wesentlichen Einfluss auf den SharingProzess, beispielsweise auf die Logistik im Zugangsprozess und auf den Transport des
Sharing-Gegenstands. Solche Unterschiede werden beispielsweise deutlich, wenn man
sich vor Augen führt, wie unterschiedlich sich der Zugangsprozess der Nutzenden einerseits zu Automobilen im Car-Sharing oder andererseits zu Dateien beim File-Sharing
gestaltet: Der Transfer von Dateien von einer Person zur Nächsten läuft ganz anders und
vor allem meist einfacher ab als die Weitergabe eines Automobils.
Die am häufigsten anzutreffende Form von Typologien ist die jenige nach der Branchenzugehörigkeit des Sharing-Ansatzes. Eine weit verbreitete Typologie ist die sogenannte
Honeycomb-Typologie (Honigwaben-Typologie, vgl. Abb. 2.2). In der Abbildung werden
für die verschiedenen Typen Sharing-Anbieter aus der Schweiz beispielhaft aufgeführt.
In der Branche „Goods“ (Güter) befinden sich Anbieter, die das Teilen von
Gebrauchsgegenständen ermöglichen. Im Bereich „Food“ (Essen) kann unterschieden
werden zwischen geteilter Essenszubereitung wie gemeinsamem Kochen auf der einen
und auf der anderen Seite Essen, das geteilt oder weitergegeben wird, wie es beispielsweise bei öffentlichen Kühlschränken der Fall ist.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
D. Georgi et al., ShareCity, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23700-4_2
9
10
2
Formen von Sharing-Ansätzen
Kategorien für
Typologisierungskriterien für
Sharing-Ansätze
Kriterien bezüglich
Gegenstand
Kriterien bezüglich
Teilnehmenden
Kriterien bezüglich
Organisation
Kriterien bezüglich
Nutzung
Abb. 2.1 Übersicht Typologisierungskriterien für Sharing-Ansätze
Worker
Support
Learning
Insurance,
Resources,
Renter Services
Money
Municipal
Wellness
& Beauty
P2P Learning,
Instructor-led
Goods
Health
City Sponosored
Bikes,
Platforms
Services,
P2P
Food
Space
Mobility
Services
Utilities
Energy,
Telecommunications
Services
Valet Services
Vehicle
Sharing
Logistics
Storage,
Local delivery,
Shipping
Corporations /
Organizations
Analytics /
Reputation
Supply Chain,
Employee Services
Identity and
Reputation,
Renter Services
Abb. 2.2 Honeycomb-Typologie. (Quelle: eigene Darstellung nach Owyang 2016 [4])
2.1
Typologisierungskriterien bezüglich des Sharing-Gegenstands
11
Beim Raum-Sharing („Space“) gibt es ebenfalls zwei Ausprägungen. Erstens werden Unterkünfte (Wohnungen, Zimmer, Häuser) von Privatpersonen temporär an Touristen oder Geschäftsreisende vermietet, zweitens bestehen Angebote, bei welchen sich
mehrere, voneinander unabhängige Personen zusammen einen Arbeitsplatz (Co-Working-Space) teilen. Zum Bereich „Utilities“ zählt das WiFi-Sharing. Beispielsweise hat
sich das Unternehmen Fon zum Ziel gesetzt, weltweit und möglichst flächendeckend
WiFi-Hotspots zu installieren. Weiter gibt es im Bereich „Analytics“ und „Worker Support“ Software-Anbieter, die das Ausleihen von Gegenständen oder die Vermietung der
Wohnung einfacher machen. Z. B. übernimmt HostTonight.com das Management der
Vermietung für eine Person, die ihre Wohnung auf Airbnb anbietet. Auch Unternehmen
oder Gemeinden/Städte können Sharing-Möglichkeiten für ihre Stakeholder (Mitarbeiter
oder Einwohner) anbieten. Beispielsweise lässt sich ein durch die Stadt gefördertes
Bike-Sharing-System dem Bereich „Municipal“ oder eine durch ein Unternehmen aufgebaute Mitfahrzentrale dem Bereich „Corporations/Organizations“ zuordnen.
Bei den Finanzdienstleistungen („Money“) gibt es Sharing-Angebote im Bereich
Crowdfunding, bei dem z. B. eine Projektfinanzierung über eine sogenannte Crowd
finanziert wird, im Bereich Peer-to-Peer-Kredite, bei denen anstelle einer Bank Private
und ggf. institutionelle Anleger Kredite finanzieren, sowie im Bereich Kryptowährung,
die ein Zahlungssystem im Peer-to-Peer-Netzwerk darstellt. Im Bereich „Services“ werden private (Private Crowd) oder professionelle Services und Arbeitskräfte (Professional Crowd) vermittelt. Darunter fallen auch die Zeitbörsen, bei denen für eine erbrachte
Dienstleistung (bspw. Ausfüllen der Steuererklärung) nicht Geld, sondern Zeit auf ein
Konto überwiesen wird, die dann vom Leistungserbringer für den Erwerb von Leistungen/Zeit eingesetzt werden kann. Auch in den Bereichen „Learning“, „Wellness &
Beauty“ und „Health“ bestehen diverse Online-Plattformen, auf denen von einer privaten
oder professionellen Crowd Dienstleistungen angeboten werden.
In den Bereich „Mobility Services“ fallen Ride-Sharing-Angebote, wie bspw. jene des
Fahrdienstvermittlers Uber, aber auch Apps, über die man freistehende Parkplätze
anbieten und finden kann. Beim Vehicle-Sharing hingegen wird das Fahrzeug (nicht die
Fahrt an sich, wie beim Ride-Sharing) gemeinsam genutzt. Dabei lassen sich Peer-toPeer-Angebote (C2C) und klassische Car-Sharing-Angebote (B2C) unterscheiden.
Beispiel: Sharing-Angebote in unterschiedlichen Branchen
Airbnb
Airbnb ist die bekannteste und größte Plattform für die Vermittlung von Unterkünften zur temporären Nutzung. Bei Airbnb werden Zimmer, Wohnungen, Häuser
und auch Hausboote für einen Tag, mehrere Wochen oder auch für Monate vermietet.
Jeder Vermieter und Mieter muss sich auf der Plattform registrieren und sein eigenes
Profil anlegen, das er mit einem Kurzbeschrieb über sich und einem Foto ausfüllen
kann. Nach der Vermietung einer Unterkunft bewerten sich die Gastgeber und Gäste
gegenseitig. Finanziert wird die Plattform über Vermittlungsgebühren sowie über eine
Servicegebühr (www.airbnb.ch).
12
2
Formen von Sharing-Ansätzen
Sharely
Alltagsgegenstände, wie Campingzubehör, Stichsäge, Bohrmaschine, Digitalkamera
etc., werden vom Besitzer oft nicht regelmäßig gebraucht. Diese Gegenstände können auf der Plattform Sharely vermietet und gemietet werden. Der Vermieter erfasst
das Objekt mit einer Beschreibung auf der Plattform und definiert den Mietpreis
pro Tag. Hat ein Mieter ein passendes Objekt gefunden, schickt er eine Mietanfrage,
welche vom Vermieter bestätigt – aber auch abgelehnt werden kann. Die Nutzer der
Plattform können sich gegenseitig bewerten, was das Vertrauen untereinander stärkt
(www.sharely.ch).
Cook Eat
Cook Eat ist ein Online-Marktplatz in Zürich, wo frisches, selbstgekochtes Essen
unter Privatpersonen vermittelt wird. Die privaten Köche können ihr Essen mit einem
selbst gewählten Preis entweder bei sich zu Hause oder zum Mitnehmen anbieten
oder ausliefern lassen. Damit schließt Cook Eat die Lücke zwischen teuren Restaurants und zeitaufwendiger Selbstversorgung. Durch Bewertungen nach dem Essen
wird die Qualität sichergestellt (www.cookeat.ch).
Crowdwerk
Crowdwerk beschreibt sich als die Crowd-Ideenschmiede für Produkte, Dienstleistungen, Marketing und Prozessoptimierungen. Es ist also eine CrowdsourcingPlattform, wo Auftraggeber (häufig Unternehmen) eine Aufgabe durch die „crowd“
bearbeiten lassen. Crowdwerk hat aktuell eine Community von über 1000 kreativen
Köpfen, die sich aus diversen Branchen, Fachgebieten, Bildungsbackgrounds und
Regionen im deutschsprachigen Raum zusammensetzen. Die Aufgaben können offen
oder vertraulich, mit ausgewählten Community-Mitgliedern oder der gesamten Community bearbeitet werden (www.crowdwerk.net).
PodShare
Bei PodShare hat man durch den Erwerb einer Mitgliedschaft Zugang zu verschiedenen
PodShare-Unterkünften in verschiedenen Städten. Diese Unterkünfte bieten
sogenannte Pods (Schlafnischen) in einem gemeinsamen Zimmer an. Ebenfalls sind
Arbeitsplätze, Gemeinschaftsräume (Küche, Aufenthaltsraum, etc.) vorhanden. Der
Austausch und die Transparenz in der Live-/Work-Community sind wichtig (www.
podshare.com).
Etsy
Etsy funktioniert wie eine Kunsthandwerkmesse auf globalem Niveau. Es ist ein
weltweiter Marktplatz für kreative Waren, wo Hobbyhersteller und Unternehmen
ihre selbst gefertigten Schmuckstücke, Kleider, Spielwaren und Wohnaccessoires an
Käufer aus der ganzen Welt vertreiben können. Verkäufer zahlen eine kleine Gebühr
für die Auflistung ihrer Produkte und 3,5 % für jeden Verkauf. Etsy entstand 2005 in
2.1
Typologisierungskriterien bezüglich des Sharing-Gegenstands
13
New York, als drei Freunde eine Website aufschalteten, auf der Künstler und Kunsthandwerker ihre Produkte vertreiben können (www.etsy.com).
Pumpipumpe
In jedem Haushalt befinden sich Werkzeuge, Küchengeräte, Produkte für Freizeit oder
Unterhaltung, die man nur selten braucht. Mit Stickern, welche man an seinen Briefkasten klebt, wird den Nachbarn mitgeteilt, was man nur selten braucht und gerne
ausleihen würde. Die Nachbarn treten so direkt miteinander in Kontakt, lernen sich
besser kennen und müssen weniger Geräte selber anschaffen (www.pumpipumpe.ch).
Spontacts
Spontacts ist eine Plattform, die Menschen in der Schweiz und in Deutschland mit
Hobbyköchen, die Gäste bei sich zu Hause bewirten möchten, zusammenbringt. Die
Gastgeber listen Menü, Preis und Datum auf der Website auf und die Gäste können
sich online anmelden (www.spontacts.com/kochen).
Wemakeit („we make it“)
Wemakeit ist eine Online-Plattform, auf der Projekte durch eine Crowd finanziert
werden. Projektinitiatoren können Privatpersonen, Startups, Organisationen oder
Unternehmen sein. Mit der Projekteingabe auf wemakeit definieren sie ihr persönliches Finanzierungsziel, die Kampagnenlaufzeit sowie eine Belohnung für die Geldgeber (www.wemakeit.com).
FabLabs
FabLabs sind kleine offene Werkstätten, in denen jedermann digitale Produktionstechnologien wie 3D-Drucker, CNC-Fräsen und Lasercutter umsonst oder gegen
einen geringen Kostenbeitrag nutzen kann. Unterstützt werden die Nutzenden vom
FabLab Manager. Inzwischen gibt es über 600 FabLabs weltweit, 17 davon in der
Schweiz (www.fablab.ch).
Beispiel: Mobilitäts-Sharing-Angebote
Uber
Uber ist ein Online-Vermittlungsdienst, der Fahrgäste an private und gewerbliche Fahrer vermittelt. Die Dienste UberX und UberBlack vermitteln Fahrgäste an Mietwagen
mit Fahrer, UberPop vermittelt sie an private Fahrer mit eigenem Auto. Mit der Registrierung auf der Uber App können Fahrgäste ihren Zielort eingeben, und der nächstgelegene Uber-Fahrer wird ermittelt. Nach der Fahrt wird der Fahrpreis direkt von der
hinterlegten Kreditkarte abgebucht. 80 % des Fahrpreises gehen an den Fahrer und
20 % gehen an Uber als Servicegebühren (www.uber.com).
14
2
Formen von Sharing-Ansätzen
BlaBlaCar
BlaBlaCar ist eine Online-Mitfahrzentrale für längere Strecken. Fahrer, die eine
Fahrt planen, können ihre freien Plätze unter Angabe der Wegstrecke und des Preises anderen Mitgliedern anbieten. Interessierte Mitfahrer kontaktieren den Fahrer. Sie
reisen zusammen und der Mitfahrer zahlt dem Fahrer eine Kostenbeteiligung. BlaBlaCar schlägt dabei für jeden Mitfahrer einen Preis vor. Um den Dienst von BlaBlaCar nutzen zu können, ist eine Registrierung und das Anlegen eines Nutzerprofils
erforderlich. Innerhalb des Profils können Einstellungen vorgenommen werden, beispielsweise wie gesprächsbereit der potenzielle Mitfahrer während einer Fahrt ist. Die
Gesprächsfreudigkeit wird in ein bis drei „Blas“ gemessen – daher der Name (www.
blablacar.de)
Mobility Car-Sharing
Mobility ist ein Schweizer Car-Sharing-Unternehmen, das aktuell 2930 Autos an
1500 Standorten in der Schweiz anbietet. Mobility-Kunden können die Fahrzeuge
in neun verschiedenen Fahrzeugkategorien (Kleinwagen bis Transporter) an einem
Standort rund um die Uhr – per Internet, App oder Telefon – reservieren und das Auto
mit der Mobility-Card öffnen. Auf der App kann der nächstgelegene Mobility-Standort gefunden werden und die Reservation verlängert, verkürzt oder vorgezogen werden. Nach der Fahrt wird das Auto wieder an den Standort zurückgebracht und die
Nutzer bezahlen einen Kilometer- und Stundentarif (www.Mobility.ch).
Mobility Scooter-Sharing
Mobility bietet seit April 2018 in Zürich 200 Elektroroller nach dem Free-FloatingKonzept an. Die E-Roller vom Schweizer Hersteller ETRIX sind für zwei Personen
konzipiert und verfügen über eine Reichweite von bis zu 150 km. Um die Aufladung
der Batterien kümmert sich Mobility. Da die Höchstgeschwindigkeit mit 45 km/h
gedeckelt ist, können die Roller auch mit einem Auto-Führerschein genutzt werden.
Die Mobility-Nutzer können per App den nächstgelegenen Roller ohne vorherige Reservierung suchen und buchen. Abgerechnet wird im Minutentakt (www.mobility.ch).
Car2go
Car2go ist ein Car-Sharing-Anbieter des deutschen Automobilherstellers Daimler.
Die Car2go-Fahrzeuge werden im Free-Floating-System (ohne feste Mietstationen)
zum Minutentarif angeboten. Die Flotte besteht aus elektrisch oder mit Verbrennungsmotor betriebenen Kleinstwagen (Marke smart). Die Reservation und die Öffnung
der Fahrzeuge erfolgen über die App. Nach der Fahrt wird auf einem öffentlichen
Parkplatz im Geschäftsgebiet geparkt und der Betrag von der Kreditkarte abgezogen
(www.car2go.com).
2.2
Typologisierungskriterien bezüglich den Sharing-Teilnehmenden
15
Sharoo
Sharoo ist ein Schweizer Anbieter von Peer-to-Peer-Car-Sharing. Die Plattform ermöglicht es Privatpersonen und Firmen, ihre Autos außerhalb der eigenen
Nutzungszeiten an Dritte zu vermieten. Die Vermieter können so die Auslastung
ihrer eigenen Fahrzeuge optimieren und die Fixkosten senken. In die Autos wird
eine sogenannte Sharoo-Box eingebaut. Die Sharoo-App ermöglicht sowohl das
Suchen und Buchen als auch das Öffnen und Schließen des Autos [5]. Der Vermieter
bestimmt die Preise und die verfügbaren Zeiten. Durch eine Vollkaskoversicherung ist
der Fahrzeugeigentümer im Schadenfall rundum geschützt (www.sharoo.com).
MOIA
MOIA ist ein im Dezember 2016 gestartetes Unternehmen und gehört zum Volkswagen Konzern. MOIA möchte mit einem eigenen Ridepooling-Shuttle eine
Ergänzung zum städtischen Nahverkehrsnetz bieten. Dazu wird ein on-demand Service angeboten, und auf Basis eines Algorithmus sollen heutige Einzelfahrten so kombiniert werden, dass die Fahrten mehrerer Personen mit ähnlichem Start- und Zielort
in einem Fahrzeug gebündelt werden können. MOIA selbst versteht sich nicht als
Automobilhersteller oder reiner Car-Sharing-Anbieter, sondern will bis 2025 einer der
weltweit führenden Mobilitätsdienstleister werden (www.moia.io).
Wenn es um grundsätzliche Unterschiede im Hinblick auf Herausforderungen und
Wirkungsweisen zwischen den Sharing-Typen geht, ist eine Brancheneinteilung nicht
immer hilfreich. Auf aggregiertem Niveau und unter Berücksichtigung von generischen
Charakteristika des Sharing-Gegenstands bietet sich eine Einordnung nach Güterarten an. Dabei wird nach materiellen und immateriellen Güterarten unterschieden.
Zu den materiellen Gütern gehören Immobilien (z. B. Accommodation-Sharing),
Gebrauchsgüter (z. B. Bike-Sharing) und Verbrauchsgüter (z. B. Food-Sharing). Zu den
immateriellen Gütern zählen Dienstleistungen (z. B. Ride-Sharing), Informationen (z. B.
Erfahrungs-Sharing) und digitale Güter (z. B. Video-Sharing) [6].
2.2
Typologisierungskriterien bezüglich den SharingTeilnehmenden
Es existiert zunächst eine große Heterogenität an Sharing-Ansätzen im Hinblick auf die
Art der Sharing-Teilnehmenden. Hier können grundsätzlich Private („C“ für Consumer)
oder Unternehmen („B“ für Businesses) Sharing-Teilnehmende sein. Danach lassen sich
grundsätzlich folgende Sharing-Konstellationen unterscheiden:
• C2C: z. B. Private stellen anderen Privaten ihr Auto zur Verfügung.
• B2B: z. B. eine Car-Sharing-Firma vermietet Autos an Firmen als Ersatz für die
eigene Firmenflotte.
16
2
Formen von Sharing-Ansätzen
• B2C: z. B. eine Car-Sharing-Firma vermietet Autos an Private.
• C2B: z. B. Private stellen ihre Fahrzeuge über eine Plattform Unternehmen zur Verfügung.
Es ist festzustellen, dass in der gleichen Produktkategorie unterschiedliche Teilnehmenden-Konstellationen Anwendung finden können. So kann Car-Sharing beispielsweise in allen vier Ausgestaltungsformen stattfinden, und dies auch beim gleichen
Sharing-Anbieter. Beispielsweise bieten bei Sharoo sowohl Private als auch Unternehmen ihre Autos zur geteilten Nutzung an, oder bei Mobility werden Autos sowohl an
Private als auch an Firmen vermietet [6].
2.3
Typologisierungskriterien bezüglich der SharingOrganisationsform
Bezüglich der Sharing-Organisationsform lassen sich folgende Kriterien festhalten:
• Eigentumsverteilung: Wird der Sharing-Gegenstand gemeinsam angeschafft und
gemeinsam genutzt, oder wird er von Personen genutzt, die kein Eigentum an diesem
haben? Wird der Sharing-Gegenstand in Zweitverwendung genutzt („Second-HandNutzung“ wie bspw. Kleidertausch oder öffentlicher Bücherschrank)?
• Rolle der Sharing-Plattform: Ist die Sharing-Plattform Bereitsteller (Bsp. Mobility)
oder nur Vermittler des Sharing-Gegenstands (Bsp. Airbnb)? Oder findet Sharing ohne
Plattform statt (Nachbarn schaffen sich gemeinsam einen Rasenmäher an)?
• Beziehungsintensität: Zwischen den Sharing-Partnern können unterschiedliche
Beziehungsintensitäten bestehen. Diese können eher anonym oder eher persönlich
sein.
• Formalisierung: Die Formalisierung spricht die Stärke der vertraglichen Bindung des
Sharing an. Hier sind zwischen losen (z. B. Organisation gemeinsamer Wanderungen) und sehr ausgefeilten Verträgen (z. B. gemeinsamer Bau eines Kraftwerks) viele
Variationsmöglichkeiten gegeben.
• Kommerzialisierung: Inwiefern zieht eine Partei aus dem Sharing finanziellen Profit?
Dies können sowohl die Sharing-Plattform als auch der Sharing-Anbieter sein.
Durch eine Zusammenführung der Typologisierungskriterien resultiert eine integrierte
Typologie von Sharing-Ansätzen (vgl. Abb. 2.3). Dabei lassen sich die Güterart und
Rolle der Plattform als zwei generische Merkmale identifizieren, die einen wesentlichen
Einfluss auf die Grundmerkmale eines Sharing-Ansatzes haben. Die weiteren Kriterien
2.4
Typologisierungskriterien bezüglich der Sharing-Nutzung
Generische Typen
Differenzierte Sharing-Gestaltung
Rolle der Plattform
Güterart
17
Vermittler
Bereitsteller
Immobilie
z.B. Airbnb
z.B. Zwischennutzung von öffentl.
Gebäuden
Gebrauchs- und
Verbrauchsgut
z.B. P2P Car
Sharing
z.B. institutionalisiertes Car Sharing
(Mobility)
Dienstleistung
z.B. Ride-Sharing
z.B. Ride-Sharing,
bereitgestellt durch
Plattform
Informationen
z.B. ErfahrungsSharing
(TripAdvisor)
z.B. Wissen,
bereitgestellt durch
Plattform
Digitales Gut
z.B. File-Sharing
(Napster)
z.B. File-Sharing,
bereitgestellt durch
Plattform
Sharing-Teilnehmer
B2B
B2C
C2B
C2C
Eigentums-Verteilung
Gem.
Anschaffung
Gem. Nutzung
Zweitverwertung
Beziehungsintensität
Anonym
Community
Persönlich
Formalisierung
Informell
Formell
Kommerzialisierung
Nichtkommerziell
Voll
kommerziell
Abb. 2.3 Integrierte Typologie von Sharing-Ansätzen. [6]
stellen variable Differenzierungskriterien dar, die bei jedem der generischen Sharing-Typen Anwendung finden können [6].
2.4
Typologisierungskriterien bezüglich der Sharing-Nutzung
Mit dem Fokus auf die Nutzung des Sharing-Gegenstands lassen sich die zwei Kriterien
Zeithorizont und Gegenleistung festhalten (vgl. Abb. 2.4).
Im Hinblick auf den Zeithorizont kann die Nutzung temporären Charakter haben,
dann erfolgt kein Eigentumswechsel des Sharing-Gegenstands, oder definitiven Charakter, dann erfolgt ein Eigentumswechsel des Sharing-Gegenstands. Die Nutzung kann
ohne Gegenleistung, mit reeller Gegenleistung oder mit monetärer Gegenleistung erfolgen. Einzelne Experten vertreten die Meinung, dass nur Leihen, Teilen, Tausch (ohne
monetäre Gegenleistung) echtes Sharing darstellen. Für dieses Buch wird von einem
breiteren Verständnis ausgegangen, dass die temporäre Nutzung mit monetärer Gegenleistung einbezieht. Hierzu zählen Angebote wie Airbnb oder auch typische Car-SharingAngebote.
18
2
Formen von Sharing-Ansätzen
Gegenleistung
Zeithorizont
Temporär
(kein Eigentumswechsel)
Definitiv
(Eigentumswechsel)
keine Gegenleistung
Leihen
Spende
Teilen
reelle Gegenleistung
Tausch
Tauschhandel
monetäre Gegenleistung
Teilen
Mieten
Kauf/Verkauf
Abb. 2.4 Typologisierung der Sharing-Ansätze nach Zeithorizont und Gegenleistung
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Engineering. IEEE.
3
Wirkungen von Sharing und Relevanz für
Städte
Sharing kann verschiedene Wirkungen haben, die aber auch nicht zwingenderweise eintreten. Wer Sharing gestaltet, bestimmt die Wirkungen mit. Daher ist eine Kenntnis der
möglichen Wirkungen Ausgangspunkt für eine zielorientierte Gestaltung des Sharing.
Abb. 3.1 gibt einen Überblick über die Wirkungen des Sharing-Verhaltens.
Abb. 3.1 Wirkung des
Sharing-Verhaltens
Verhalten
Wirkung
SharingTeilnahme:
Angebot
Ökologische
Nachhaltigkeit
SharingTeilnahme:
Nachfrage /
Nutzung
Ökonomische
Nachhaltigkeit
Soziale Nachhaltigkeit
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
D. Georgi et al., ShareCity, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23700-4_3
19
20
3.1
3
Wirkungen von Sharing und Relevanz für Städte
Nachhaltigkeitswirkungen von Sharing
Die Wirkungen von Sharing sind abhängig vom Sharing-Verhalten und sie können je
nach Sharing-Angebot und Sharing-Nutzung unterschiedlich sein. Wenn es darum geht,
den Einfluss von Sharing auf das nachhaltige Leben in Städten zu beschreiben, spielen
sowohl ökologische und soziale als auch wirtschaftliche Faktoren eine Rolle. Die drei
Nachhaltigkeitsdimensionen (ökologische, ökonomische und soziale Wirkung) dienen
hier deshalb als Basis für die Beurteilung von Sharing-Angeboten. Wirtschaftlich geht es
beispielsweise darum zu klären, inwiefern Sharing die traditionelle Wirtschaft, die nicht
auf dem Teilen von Angeboten basiert, bedrohen oder fördern kann.
Tab. 3.1 fasst die positiven sowie negativen Nachhaltigkeitswirkungen von Sharing
in Städten zusammen. Auf der linken Seite steht jeweils die Nachhaltigkeitsdimension
und auf der rechten Seite ein konkretes Beispiel dazu. In den nachfolgenden Abschnitten
wird ausführlicher auf die Wirkungen eingegangen.
Tab. 3.1 Übersicht der Nachhaltigkeitswirkungen von Sharing in Städten
Ökologische
Nutzungsverhaltenswirkung als zentrale Wirkung:
Nachhaltigkeit • Sequenzielle Mehrfachnutzung: Existierende Ressourcen werden mehrfach
genutzt und der Verbrauch von weiteren Ressourcen wird vermieden – z. B. beim
Car-Sharing, Vermietung einer leerstehenden Wohnung, Parkplatz-Sharing.
• Parallele Mehrfachnutzung: Ressourcen werden gleichzeitig von Mehreren
genutzt, z. B. Ride-Sharing.
• Verlängerung der Nutzungsdauer: Die Weiterverwendung von vom ursprünglichen Besitzer aussortierten Gegenständen („Second-Hand-Nutzung“, z. B.
Kleidertauschbörsen).
Indirekte positive ökologische Wirkungen:
• Reduktion von Ressourcenverbrauch: Ride-Sharing kann dazu führen, dass
generell weniger Autofahrten unternommen werden (bzw. in städtischen Randbezirken die Mobilität verbessert wird [1].
• Reduktion von Abfall: Durch Teilen von Produkten und Services kann Abfall
vermieden werden.
• Reduktion von Energieverbrauch: Die Reduktion von Treibhausgasen und Luftverschmutzung durch aktives Car-Sharing z. B. durch das Schweizer CarSharing-Angebot Mobility (Interface, 2011).
• Reduktion von Lärm/Verbesserte Luftqualität: Reduktion des motorisierten
Individualverkehrs in Stadtzentren durch Car-Sharing und Bike-Sharing.
Negative Wirkungen:
• Ersatz eines ökologisch wertvolleren Verhaltens: Z. B. Wechseln von ÖV zu Car
Sharing.
• Herbeiführen eines zusätzlichen ökologisch weniger wertvollen Verhaltens:
Z. B. wenn Car-Sharing der Substitution von ÖV-Fahrten dient oder das CarSharing-Auto als Zweitauto fungiert; z. B. wenn eingespartes Geld für anderen
Konsum verwendet wird, etwa wenn mehr Flugreisen aufgrund gesparter Autokosten oder durch günstigere Airbnb-Unterkünfte unternommen werden
(Fortsetzung)
3.1
Nachhaltigkeitswirkungen von Sharing
21
Tab. 3.1 (Fortsetzung)
Ökonomische positive Wirkungen:
Nachhaltigkeit • Zusätzliche Einkommen: Verbesserung der privaten Einkommenssituation
von Bürgerinnen und Bürgern z. B. durch neue Einkommensmöglichkeiten
(z. B. für Uber-Fahrende oder Airbnb-Vermietende).
• Kosteneinsparungen für Private/Konsumenten durch Mehrfachnutzung
eines hochwertigen, reparierbaren Produkts, für das ansonsten individuell günstigere Alternativen beschafft würden.
• Günstige Ergänzung städtischer Dienstleistungen: z. B. Ergänzung des
Öffentlichen Verkehrs zu Randzeiten.
• Kosteneinsparungen für Unternehmen: z. B. gemeinsame Finanzierung von
Infrastruktur
• Zeitgewinn: Geringere Transaktionskosten von Sharing-Angeboten (z. B. für
den Transport) können zeitlich-finanzielle Einsparungen bringen
• Zusatzeinnahmen für die lokale Wirtschaft: z. B. durch Frequentierung von
Quartieren durch Airbnb-Nutzer
• Innovationsförderung: Vorteile für Kreativität und Innovation z. B. durch
Interaktion und Austausch von Fachkräften und Forschungsressourcen.
Negative Wirkungen:
• Rückgang von inländischen Umsätzen: Umsätze wandern an SharingEconomy-Plattformen ab (ggf. ins Ausland).
• Verlust von Arbeitsplätzen durch die Beeinträchtigung bestehender
Geschäftsmodelle
Soziale
positive Wirkungen:
Nachhaltigkeit • Soziale Interaktion: Freundlicher Empfang und Austausch mit Vermieter auf
Airbnb.
• Soziale Verbindung: Durch steigendes Bewusstsein für die Zugehörigkeit zu
einer Gemeinschaft, in der man teilen und sich austauschen kann.
• Stärkung von Solidarität und Vertrauen: Gemeinschaftlicher Akt des Teilens
verbindet und kann ein Gefühl von Solidarität und Vertrauen entstehen lassen,
welche helfen, soziale Netzwerke zu bilden und zu stärken.
• Breiterer Zugang zu Ressourcen: z. B. über Plattformen.
• Urbane Verbesserungen: Verbessertes Stadtbild oder positive Auswirkung auf
die Gesundheit durch ökologische Wirkung von Sharing, finanzielle Einnahmen
für Läden, Restaurants, Cafés in von Quartieren/Stadtteilen, die außerhalb
touristischer Zentren liegen.
• Kultureller Wertewandel in Bezug auf den Besitz (Nutzen statt Besitzen).
• Vielfalt an Angeboten: Größere Auswahl und günstigerer Zugang zu
Sharing-Gegenständen ermöglicht einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten den Zugang zu teureren Gegenständen (Fahrrad, Auto, Freizeitgeräte,
etc.).
Negative Wirkungen:
• Reduktion von sozialer Sicherheit: Schwächung der Errungenschaften des
Sozialstaates
• Verknappung von bestehenden Ressourcen: Verknappung von Ressourcen
für bestimmte Bewohner der Stadt (z. B. Airbnb-Vermietung von Wohnungen,
obwohl andere Stadtbewohner Wohnraum suchen)
22
3.2
3
Wirkungen von Sharing und Relevanz für Städte
Ökologische Nachhaltigkeit
Sharing wird oft zuallererst mit ökologischen Wirkungen in Verbindung gebracht. Eine
aktuelle Studie zu Peer-to-Peer Sharing in Deutschland bestätigt beispielsweise, dass
über 60 % der 2000 Befragten Tauschen und gemeinsames Nutzen von Gegenständen
oder privaten Autos mit Nachhaltigkeit verbinden [2]1 . Die ökologische Nachhaltigkeit
ist auch eine zentral angestrebte Wirkung von vielen Sharing-Initiativen. Im Zusammenhang mit Ökologie steht der Begriff Suffizienz (von lat. sufficere, dt. ausreichen) für das
Bestreben nach einem möglichst geringen Rohstoff- und Energieverbrauch. Suffizienz
ergänzt somit die Nachhaltigkeitsdiskussion durch das Bestreben nach mehr Effizienz
und das Bestreben nach dem Herstellen von (z. B. Recycling-) Kreisläufen. Konsumverzicht und Verhaltensänderungen, aber auch das Abwerfen von unnötigem Ballast sind
hier wichtige Mittel des Umweltschutzes und bilden ein Gegengewicht zu technischen
Lösungen. Dem Sharing wird im Zusammenhang mit Suffizienz große Bedeutung beigemessen (z. B. [3]).
Durch Sharing werden Verhaltenswirkungen hervorgerufen, die mit ökologischer
Nachhaltigkeit und Suffizienz in direktem Zusammenhang stehen. Ökologische Nachhaltigkeit kann dadurch entstehen, dass bereits existierende Ressourcen mehrfach
genutzt werden und der Verbrauch weiterer Ressourcen vermieden wird. Verschiedene
Sharing-Initiativen sind mit diesem Ziel entstanden. Im Rahmen eines Experteninterviews wurde etwa betont: „Das Thema Ressourcen-Effizienz ist im Vordergrund: Mit
weniger Gütern mehr Nutzer zu erreichen. Dass man nicht sinnlos konsumiert, dass
nicht jeder ein Objekt kauft, das es hundertfach in der Nachbarschaft gibt.“ Dabei kann
es sich um eine sequenzielle oder parallele Mehrnutzung handeln. Bei der sequenziellen Mehrnutzung wird die gleiche Ressource (z. B. Auto) von verschiedenen Personen
nacheinander genutzt (z. B. beim Car-Sharing). Bei der parallelen Mehrnutzung wird das
Sharing-Objekt gleichzeitig von mehreren Personen genutzt (z. B. Ride-Sharing). Zudem
kann auch eine Verlängerung der Nutzungsdauer durch die Weitergabe an neue Nutzer
eine Sharing-Wirkung sein. Beispiele, bei welchen es möglich ist, weniger Ressourcen
zu verbrauchen und/oder effizienter zu nutzen, sind Car-Sharing (wenn es zu weniger
Autokäufen und nicht weniger ÖV-Nutzung führt), die Vermietung einer ansonsten leerstehenden Wohnung, die gemeinsame Verwendung von Gebrauchsgütern oder auch
die Weiterverwendung von vom ursprünglichen Besitzer aussortierten Gegenständen
(Second-Hand-Nutzung). So organisiert beispielsweise die Kleidertauschbörse Hirslanden zweimal jährlich Veranstaltungen, auf denen die Teilnehmer ihre aussortierten Kleider gegen die anderer Nutzer tauschen können (www.boersehirslanden.com/).
1Die Studie untersuchte die Einstellung und Nutzung von Peer-to-peer Sharing. In einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage wurden 2000 Personen ab 16 Jahren stellvertretend für die deutsche
Wohnbevölkerung gefragt, was sie von Peer-to-Peer Sharing halten [2].
3.2
Ökologische Nachhaltigkeit
23
Die Studie „Evaluation Car Sharing 2012“ (Originalstudie 2006) zeigt beispielsweise, dass sich ohne Car-Sharing-Angebot 22 % der befragten Personen ein zusätzliches Motorfahrzeug angeschafft hätten [4]. Auch auf der Angebotsseite sind Absichten
erkennbar, welche zu weniger Ressourcenverbrauch führen sollen. So hat sich Yerdle,
eine App-basierte Plattform, auf welcher Menschen benutzte Güter austauschen können,
das Ziel gesetzt, 25 % dessen, was Menschen neu kaufen, durch Sharing-Lösungen zu
ersetzen [5]. Weitere Beispiele sind: Ride-Sharing, durch das zusätzliche Autofahrten
vermieden werden und das dazu führen kann, dass generell weniger Autofahrten unternommen werden (bzw. in städtischen Randbezirken die Mobilität verbessert wird [1];
Food-Sharing, bei dem etwa Essensreste nach Restaurant-Schluss zum Sonderpreis
verkauft werden, anstelle in den Müll geworfen zu werden (www.toogoodtogo.ch).
Indirekte positive ökologische Wirkungen sind weiter die Reduktion von Energieverbrauch, die Reduktion von Treibhausgasen und Luftverschmutzung. Dies ist vor allem
bei Sharing-Angeboten im Mobilitätsbereich (Bike-Sharing, Car-Sharing, Ride-Sharing)
zu erkennen. Eine Studie, welche in verschiedenen europäischen Städten (Lyon, Paris,
Barcelona) den Einfluss von Bike-Sharing-Angeboten auf die Pkw-Fahrten untersuchte,
zeigte, dass aufgrund des Bike-Sharing-Angebots sieben bis zehn Prozent weniger Fahrten mit dem Auto unternommen wurden [6].
Beispiel: CO2- und Energiebilanz des Car-Sharing-Angebots von Mobility
Aktive Schweizer Car Sharer stoßen pro Person 300 kg weniger CO2 aus, im Vergleich zu ihrem Mobilitätsverhalten im Falle ohne Car-Sharing. Dadurch ergibt sich
für alle Privatkundinnen und -kunden durch das Schweizer Car-Sharing-Angebot
Mobility eine Emissionsreduktion von über 20.500 t CO2. Für alle Kunden zusammen
ergibt sich eine Energieeinsparung entsprechend einer Benzinmenge von gut
8,8 Mio. L [4].
Diese Verhaltenswirkungen haben positive ökologische Konsequenzen, welche in
Abb. 3.2 dargestellt werden.
Ökologische Konsequenzen
durch Verhaltensänderung
weniger Ressourcenverbrauch
weniger Abfall
weniger
Energieverbrauch
Abb. 3.2 Positive ökologische Konsequenzen durch Verhaltenswirkungen
weniger Lärm
24
3
Wirkungen von Sharing und Relevanz für Städte
Auf Stadtebene kann Sharing die potenziellen Umwelteffizienzvorteile erhöhen,
indem weniger Energie für Transport und für Produktion benötigt wird und weniger
Abfall generiert wird, da Produkte und Services untereinander geteilt werden [7]. Weiter kann die Nutzung existierender Ressourcen (wie bspw. Parkplätze) maximiert werden, wie zum Beispiel eine befragte Vertreterin der Stadt St. Gallen äußert: „Die Sharing
Economy hat schon das Potential, gewisse Probleme einer Stadt zu entschärfen. Zum
Beispiel die Parkplatz-Problematik oder allgemein den Überkonsum.“ Die verringerte
Zahl benötigter Flächen für Parkplätze, die Entlastung des städtischen Verkehrs und des
öffentlichen Raumes durch Sharing wurde in mehreren Studien nachgewiesen [8–11].
Stadtverträglicher Verkehr
Heute verwischen die Grenzen zwischen öffentlichem Verkehr und privatem Verkehr weltweit
zusehends. Aktuell treten zahlreiche Ride-Sharing-Anbieter wie CleverShuttle oder MOIA in den
Markt, oft als Angebote von finanzkräftigen Automobilherstellern. Autonomes Fahren dürfte in
Zukunft diesen Trend noch weiter stärken, da die Personalkosten für den Fahrer wegfallen. Die
Anbieter stehen nach eigenem Bekunden für eine klimaneutrale und stadtverträgliche Mobilität.
Für Städte bringen solche Angebote große Chancen, aber auch Risiken mit sich. Endnutzer des
öffentlichen Verkehrs der Zukunft dürfen vernetzte, nahtlose multimodale Mobilitätsangebote und
attraktive Lösungen für die letzte Meile erwarten. Eine Analyse von diversen Untersuchungen
zur Auswirkung von Ride-Sharing und Ride-Selling zeigt allerdings, dass bei Ride-Sharing und
Ride-Selling heute vor allem ÖV-Fahrten resp. Fahrrad- und Fußwege substituiert werden [12–14].
Nur unterproportional werden bisherige MIV(Motorisierter Individualverkehr)-Selbstfahrer als
Kunden gewonnen, der Besetzungsgrad von PKWs in Städten erhöht sich kaum. Unerwünschte
verkehrliche Wirkungen sind die Folge.
Verkehr ist notwendig, um einen Ort zu beleben. Orte und Plätze, welche aber von zu viel und
nicht verträglichem Verkehr frequentiert werden, belasten die Lebensqualität in Städten und Dörfern. Ride-Sharing und Ride-Selling-Angebote führen nur dann zu einer effizienteren Nutzung des
Raumes und der Umwelt, wenn a) ein hoher Besetzungsgrad der Fahrzeuge, b) eine niedrige Quote
betriebsnotwendiger Leerfahren und c) eine überwiegende Substitution von vormaligen MIVFahrten erreicht werden kann [15].
Sharing kann jedoch auch negative ökologische Konsequenzen haben. Erstens kommt
es vor, dass durch die Nutzung eines Sharing-Angebots ein ökologisch wertvolleres Verhalten ersetzt wird. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Nutzer des öffentlichen Verkehrs (z. B. Busse und Bahnen) zum Car-Sharing wechseln. Zweitens ist es denkbar,
dass durch das Sharing-Angebot ein zusätzliches ökologisch weniger wertvolles Verhalten induziert wird (vgl. auch „Rebound-Effekte“ in Abschn. 3.5). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das Car-Sharing-Auto als Zweit- oder Drittauto genutzt wird, oder
wenn dieses zum „Luxus-Konsum“ genutzt wird (z. B. Miete eines Oldtimers für den
Wochenendausflug). Die positiven Wirkungen werden auch kompensiert, wenn eingespartes Geld für anderen Konsum verwendet wird, z. B. wenn mehr Flugreisen aufgrund gesparter Autokosten oder durch günstigere Airbnb-Unterkünfte unternommen
werden.
3.3
3.3
25
Ökonomische Nachhaltigkeit
Ökonomische Nachhaltigkeit
Die Nutzung von Sharing-Economy-Angeboten kann auch zu ökonomischer Nachhaltigkeit führen. Die Abb. 3.3 zeigt die verschiedenen möglichen positiven ökonomischen
Auswirkungen, welche nachfolgend erläutert werden.
Dies betrifft vor allem direkte finanzielle Auswirkungen für Nutzer und Anbieter, die
sich durch die Sharing-Economy-Angebote ergeben. Ökonomische Nachhaltigkeit entsteht
aus einer Verbesserung der privaten Einkommenssituation der Einwohner [16], z. B. für
Uber-Fahrer oder Airbnb-Vermieter. Eine interviewte Vertretung eines Sharing-Anbieters
bestätigt dies: „Unser Angebot ermöglicht es, für Einzelpersonen neue Einnahmequellen zu
generieren, durch die Vermietung von eigenen Sachen.“ Eine Nutzerin machte dazu folgende Aussage: „Ich denke, so kann ich mein gekauftes Gerät besser amortisieren. Nicht
mit dem Gedanken, dann habe ich mal den ganzen Preis wieder, aber zumindest einen
Beitrag an das Gerät.“
Eine Studie von Airbnb, welche die ökonomischen Wirkungen von Airbnb in
San Francisco untersucht, zeigt, dass ein typischer Vermieter Airbnb dafür nutzt, ein
Zusatzeinkommen zu generieren und so die persönliche Einkommenssituation zu verbessern. Personen, welche ihre gesamte Wohnung auf Airbnb anbieten, verdienen im
Durchschnitt USD 9300 pro Jahr. Jene, die nur einzelne Zimmer vermieten, kommen
im Durchschnitt auf USD 6900 pro Jahr. Das jährliche Haushaltseinkommen ist für
60 % der Airbnb-Gastgeber gleich hoch wie das Medianeinkommen der städtischen
Bevölkerung in San Francisco. So stellt das Zusatzeinkommen eine wertvolle Unterstützung für die städtische Mittelklasse dar, die zu 56 % für die Miete/Hypothek ausgegeben wird [17].
Daneben können Kosteneinsparungen für Private/Konsumenten entstehen, etwa durch
die Mehrfachnutzung eines hochwertigen, reparierbaren Produkts, für das ansonsten
individuell günstigere – und häufig qualitativ schwächere – Alternativen beschafft
würden [16].
Speziell aus Stadtsicht können Dienstleistungskosten durch Sharing reduziert werden. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Internetplattformen parkit (www.parkit.ch) oder
Positive ökonomische
Auswirkungen
Zusätzliches
Einkommen für
Privatpersonen
Zeiteinsparungen
Abb. 3.3 Positive ökonomische Auswirkungen
Kosteneinsparungen
für Unternehmen
Reduktion von
Dienstleistungskosten
26
3
Wirkungen von Sharing und Relevanz für Städte
parku (www.parku.com). Frei stehende Parkplätze von Privatpersonen können einfach
über das Smartphone im Internet gefunden werden. Die Kosten für einen Parkplatz in der
Innenstadt können so teilweise um ein Vielfaches reduziert werden. Indirekt kann man
hier auch davon sprechen, dass Parkplätze gemeinsam finanziert werden. Eine ähnliche
Logik prägt die Plattform Crowd Container (www.crowdcontainer.ch), die es Konsumenten ermöglicht, gemeinsam biologische Lebensmittel in die Schweiz zu importieren.
Geteilt werden hier gewissermaßen die Fracht- und Containerkosten. Die Verteilung
der Containerfracht in der jeweiligen Stadt bietet außerdem den passenden Anlass, die
auf der Plattform vernetzten Konsumenten auch analog zusammenzubringen: Pakete
werden direkt von den Konsumenten bei einem dafür organisierten Event abgeholt.
Die Idee der gemeinsamen Finanzierung haben sich außerdem zahlreiche CrowdFinanzierungsplattformen auf die Fahne geschrieben. Prominente Beispiele hierfür sind
die Plattformen Wemakeit („we-make-it“ – www.wemakeit.ch) für Kulturprojekte, sowie
100 Days (www.100-days.net). Die Plattformen werden oft als Ergänzung zur öffentlichen Kulturförderung gesehen. Die professionell aufgezogenen Internetplattformen
erfordern wenig administrativen Aufwand und ermöglichen es nicht-kommerziellen
Projekten, Geld-Sammelaktionen im Internet zu organisieren. Wer jedoch nicht über ein
gutes Netzwerk verfügt, hat es in der Regel schwer, innerhalb der festgelegten Frist zu
Geld zu kommen.
Es können zudem Kosteneinsparungen für Unternehmen entstehen, indem beispielsweise durch eine gemeinsame Finanzierung eine hochwertigere Infrastruktur realisiert
werden kann. Ein Beispiel dafür ist das Kitchen-Sharing (www.suppenundpedale.ch).
Um eine professionelle Gastronomie-Großküche zu finanzieren, lancierte die Zürcher
Firma „Suppen und Pedale“ eine Gemeinschaftsküche, in welcher sich Kleinproduzenten
mit Fokus auf Nachhaltigkeit für ihre Produktion einmieten können. Das Projekt fokussiert auf Produzenten, die bereits in der Stadt ansässig sind und sich einer nachhaltigen
Küche verschrieben haben. Dadurch wird auch möglichen Rebound-Effekten (beispielsweise durch größere Essensüberschüsse oder überflüssige Produktion von Abfall durch
den Einsatz von nicht ökologischem Wegwerfgeschirr) vorgebeugt.
Anbieterseitig lassen sich Investitionskosten vermeiden oder delegieren, die Auslastung erhöhen und die Betriebskosten senken: „Positiv ist sicher, man kann als Unternehmen Kosten optimieren und man hat vielleicht zusammen einen Zugang zu etwas,
was man sich sonst nicht leisten kann.“ Die virtuelle Fabrik – Plattform der Mechatronik
(www.virtuellefabrik.ch) ermöglicht es beispielsweise kleineren Unternehmen, zeitlich
befristete Aufträge durch eine ad-hoc-Kooperation rechtlich unabhängiger, heterogener
Unternehmen verschiedener Kompetenzausrichtung zu einem temporären Unternehmensverbund effizient zu bearbeiten.
Beispiel: Airbnb-Tendenz zu einer Professionalisierung der Vermieter
In der Schweiz vermieten 60 % der Vermieter (14.584) ein einziges Objekt, während
15 % (3604) der Vermieter über zwei Objekte verfügen. Knapp ein Viertel (6272) vermietet drei oder mehr Objekte. Der Anteil der Vermieter mit mehreren Objekten ist
3.3
Ökonomische Nachhaltigkeit
27
in den vergangenen Jahren angestiegen. 2015 besaßen 85,5 % der Vermieter lediglich
ein einziges Objekt, während dieser Anteil 2017 auf 60 % zurückgegangen ist. 2017
sind es bereits 25 % der Vermieter, die mehr als zwei Objekte besitzen, wobei es 2015
lediglich 5 % waren [18].
Weitere ökonomische Vorteile von Sharing sind Zeiteinsparungen und ein reduzierter
Aufwand, die sich aufgrund geringerer Transaktionskosten durch Sharing-EconomyPlattformen ergeben [19]. Dies bestätigt auch eine interviewte Nutzerin des Freefloating-Car-Sharing-Anbieters Catch a Car: „Ich habe innerhalb von ganz schneller Zeit
ein einsatzbereites, gutes Auto vor Ort. Also ich muss relativ wenig tun, nur meine App
öffnen, und ich kann einfach mit dem Auto fahren.“ Neben Zeiteinsparungen aufgrund
geringerer Transaktionskosten durch plattformbasierte Sharing-Angebote sind Zeiteinsparungen auch durch den Tausch von Dienstleistungen möglich, bspw. mit einer
Zeitbörse (www.benevol-sg.ch/zeitbörse). Dabei entsteht der Zeitgewinn darin, dass
Dienstleistungen angeboten werden im Tausch gegen Zeit. Folgendes Beispiel eines
interviewten Nutzers einer Zeitbörse verdeutlicht dies: „Ich habe einen großen Garten
und ich arbeite nicht gerne im Garten. Und bei der Zeitbörse gibt es Leute, die sehr gerne
Bäume schneiden und etwas einpflanzen. Und in dieser Zeit, in welcher ich die Bäume
schneiden müsste oder den Garten machen müsste, würde ich lieber etwas Anderes
machen. Und um das geht es. Wir haben ja alle gleich viel Zeit, aber so kann ich meine
Zeit in etwas investieren, was ich gerne tue, so kann ich Zeit gewinnen.“
Weiter können Zusatzeinnahmen für die lokale Wirtschaft entstehen, indem einzelne
Quartierläden und Quartiercafés, die aufgrund der dezentralen Lage gegenüber
zentrumsnahen Quartierangeboten finanziell benachteiligt sind, von der Sharing Economy profitieren. Beispielsweise befinden sich Airbnb-Unterkünfte oft in Quartieren/
Stadtteilen, die sonst nicht oder weniger durch Touristen besucht würden. Diese werden
belebter durch den Besuch von Touristen, die auch in den lokalen Geschäften einkaufen
und sich in lokalen Restaurants und Cafés aufhalten. Eine Studie von Airbnb zeigt, dass
Airbnb-Gäste im Durchschnitt nicht nur mehr Geld pro Tag ausgeben als Hotel-Gäste,
sondern auch 60 % ihrer Ausgaben in den Quartieren, in denen sich die AirbnbUnterkünfte befinden, tätigen. Die Airbnb-Gastgeber wiederum geben 15 % ihrer
Einnahmen, die sie durch die Vermietung generieren, in den Quartieren aus, in denen sie
leben [17]. Dadurch tragen die Gäste sowie die Gastgeber dazu bei, dass die Quartierläden und Cafés erhalten bleiben, was auch zur sozialen Nachhaltigkeit beiträgt (vgl.
Abschn. 3.4).
Die Sharing Economy wird außerdem mit der Steigerung von Kreativität und Innovation verbunden, weil durch sie neue Netzwerke entstehen und vermehrter Austausch
gefördert werden kann. Somit kann sie zur Innovationsförderung beitragen. Eine solche Öffnung von Innovations- und Entwicklungsprozessen ist ein wichtiger Faktor für
die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Die Clustertheorie zeigt, wie Innovation
28
3
Wirkungen von Sharing und Relevanz für Städte
und konventionelles Wirtschaftswachstum durch die Interaktion und den Austausch von
Fachkräften und Forschungsressourcen erzeugt werden kann. Als Beispiel hierfür gilt das
Silicon Valley [7]. Grundsätzlich gilt es festzuhalten, dass etwa das Schweizer Bundesamt für Statistik keine Daten bezüglich der Nutzung oder ökonomischen Wertschöpfung
durch Sharing erhebt. Gleichzeitig sieht man etwa am Beispiel des Neubad Luzern
(www.neubad.org), bei dem sich Kreativschaffende aus Luzern an der Zwischennutzung
des alten Hallenbades beteiligen, wie ein kulturelles und ökonomisches Zentrum abseits
des eigentlichen Stadtzentrums entstehen kann [20].
Die Wertschöpfung der Sharing Economy – Wie viel trägt die Sharing Economy zum BIP der
Schweiz bei?
Die heutige BIP-Erhebung berücksichtigt die Wertschöpfung der Sharing-Aktivitäten, die vermehrt
bestehende wirtschaftliche Leistungen ergänzen und teils verdrängen, nicht. Rein hedonistisch
oder sozial motivierte Sharing-Aktivitäten zur Steigerung der Lebensqualität, wie zum Beispiel
gemeinsam zu Gärtnern, Wandern oder zu Kochen (etwa via wanderpartner-gesucht.com oder rentafriend.com), sollten notwendigerweise aus dem BIP ausgeklammert werden. Sharing-Angebote,
die Transaktionen zwischen Firmen und Konsumenten ähneln, sind für die Wirtschaftsleistung
relevant, werden aber heute nur teilweise im BIP erfasst. Wenn die Online-Plattform freelancer.
com Arbeitskräfte und Unternehmen für eine projektbasierte Kooperation zusammenführt, findet die Wertschöpfung des Projekts Eingang ins BIP. Die Entschädigung, die ein nicht professioneller Airbnb-Gastgeber für die Vermietung eines Zimmers erhält, wird dagegen im BIP nicht
berücksichtigt. Je mehr Sharing-Aktivitäten bestehende, traditionelle Angebote verdrängen oder
ergänzen, desto dringender wird es, die aktuelle BIP-Messung anzupassen.
Die Credit Suisse hat die Wertschöpfung von BIP-relevanten Sharing-Aktivitäten annähernd
geschätzt. Dafür wurde eine Kombination aus Bottom-up- und Top-down-Methode verwendet.
Beide Ansätze kamen zu den Resultaten, dass die Sharing Economy – zumindest heute noch –
einen bescheidenen Anteil am BIP in der Schweiz ausmacht (der Gesamteffekt wird im Maximalszenario auf 1 % des BIP geschätzt) und in seinem Ausmaß anderen Aktivitäten gleicht, die sich
nicht genau messen lassen. Trotz geringem Gesamteffekt impliziert das rasante Wachstum der
Sharing Economy, dass die Berechnungen des BIP-Wachstums das reale Wachstum in diesem
Bereich unterschätzen, da sich immer mehr Aktivitäten aus traditionellen Branchen in die Sharing
Economy verlagern. Zudem erfassen BIP-Berechnungen nicht alle vorteilhaften Aspekte der Sharing Economy. Falls die Sharing Economy weiter wächst und damit eine fortgesetzte Verlagerung
zu schwerer messbaren Aktivitäten stattfindet, wird man nicht um neue Ansätze der BIP-Messung
herumkommen [21].
Sharing kann auch negative Wirkungen auf die ökonomische Nachhaltigkeit haben. Unter
Umständen gehen durch die Beeinträchtigung bestehender Geschäftsmodelle Arbeitsplätze verloren [22], oder Umsätze wandern an Sharing-Economy-Plattformen, ggf. im
Ausland, ab. Ein befragter Nutzer einer Peer-to-Peer-Car Sharing-Plattform verdeutlicht dies wie folgt: „Dadurch, dass ich das mache, bin ich eine illoyale Konkurrenz den
Autovermietungsfirmen gegenüber. Im Endeffekt mache ich mit meiner Vermietung das
Geschäft von ihnen kaputt. Diese Entwicklung besorgt mich.“
3.4
3.4
Soziale Nachhaltigkeit
29
Soziale Nachhaltigkeit
Soziale Nachhaltigkeit kann entstehen, wenn in einer Sharing-Situation die soziale
Interaktion in der Bevölkerung erhöht wird. Airbnb-Nutzende erwähnen beispielsweise
häufig, dass ihnen bei Airbnb besonders der freundliche Empfang durch die Peers „auf
Augenhöhe“ gefällt. Besonders bei Skill-Sharing-Angeboten, bei welchen Dienstleistungen von Privatpersonen angeboten werden, wie Rent a Rentner (www.rentarentner.ch) oder Mila (www.mila.com), entstehen neue soziale Kontakte, auch für ältere
Personen, die nicht mehr im Berufsleben eingebunden sind. Der Erfahrungsbericht eines
Rentners verdeutlicht dies: „Aus den Bekanntschaften haben sich auch schon Freundschaften entwickelt. Eine alleinstehende Frau verbrachte schon zweimal Weihnachten
mit uns und kommt ab und zu auf einen Shopping-Ausflug mit.“ Weitere Möglichkeiten
zur sozialen Interaktion ergeben sich bspw. bei der Übergabe eines geteilten Gebrauchsgegenstands oder beim Austausch im gemeinsamen Garten. Eine interviewte Vertretung
eines Quartiervereins aus St.Gallen meint: „Solche Angebote fördern das Bewusstsein,
dass man zu einer Gemeinschaft gehört, dass man aufeinander zugehen kann und etwas
teilen kann.“
Belk (2010) [23] argumentiert, dass Sharing ein gemeinschaftlicher Akt ist, der die
soziale Verbindung erhöht und ein Gefühl von Solidarität und Vertrauen entstehen lässt.
In der Schweiz gibt es beispielsweise viele lokale und regionale Zeitbörsen, die seit Ende
der 1990er Jahre aktiv sind. Aber auch neuere Phänomene wie FabLabs und Repair-Cafés, die in verschiedenen Städten der Schweiz entstehen und in denen freiwillig engagierte Experten bei der Reparatur von Gegenständen helfen. Gemeinschaftliche
Wohnformen können zur Entstehung von neuen Verbindungen und Netzwerken beitragen
(ein Überblick über Repair-Cafés in der Schweiz gibt die internationale Plattform www.
repaircafe.org, einen Überblick über die FabLabs in der Schweiz findet sich unter https://
fablab.ch/#/map).
Ein weiteres Beispiel sind neue vertragslandwirtschaftliche Modelle, in denen
Stadtbewohner sozusagen zu Landwirten oder Gärtnern werden, indem sie sich in
Kooperativen organisieren. Beispiele hierfür sind die Gartenkooperativen Ortoloco
(www.ortoloco.ch) und Dunkelhölzli (www.dunkelhoelzli.ch) in Zürich oder die Gartencoop (www.gartencoop.org) in Freiburg. Solche Projekte können neue soziale Netzwerke
bilden und stärken, was beispielsweise für die erfolgreiche Arbeitsvermittlung zentral ist
und weitere sozioökonomische Auswirkungen hat. Dazu sagt die Nutzerin eines SharingEconomy-Angebots: „Gesellschaftlich ist es ein Gewinn, auch gesamtgesellschaftlich
gesehen, wenn man versucht, etwas miteinander zu erreichen, und nicht jeder es alleine
versucht.“
Eine weitere soziale Nachhaltigkeitswirkung ist der erweiterte Zugang zu diversen kostengünstigen Angeboten (z. B. über das Teilen von teuren technischen Geräten).
Diese Wirkung wird insbesondere unter dem Label der „Access Economy“ [24] diskutiert.
30
3
Wirkungen von Sharing und Relevanz für Städte
Zudem kann Sharing zu diversen urbanen Verbesserungen beitragen. Indirekt kann
davon ausgegangen werden, dass Sharing sich durch die positiven ökologischen Wirkungen auch positiv auf die Gesundheit auswirken wird. Außerdem kann durch Parkplatz-Sharing oder Car-Sharing die Anzahl benötigter Flächen für Parkplätze verringert
werden, was den Gestaltungsspielraum der Städte erhöht und beispielsweise städtische
Grünflächen entstehen lassen kann [7, 25]. Gemäß der Studie „Evaluation Car-Sharing“
des Schweizerischen Bundesamtes für Energie, die die positiven Wirkungen von
Car-Sharing auf das Mobilitätsverhalten untersucht, zeigt, dass durch die Nutzung des
Car-Sharing-Angebots von Mobility 31.000 Fahrzeuge und 46.500 Parkplätze eingespart
werden, was einer Fläche von 163 Fußballfeldern entspricht [4]. Zudem ist der kulturelle
Wertewandel, der sich durch Sharing in Bezug auf den Besitz einstellen dürfte, festzuhalten. Zugang wird heute bereits oft wichtiger eingestuft als Besitz. Dazu sagt der Nutzer eines Sharing-Angebots: „Ich finde es richtig und sinnvoll, wenn man Gegenstände
miteinander teilt. Ich halte Besitz in vielen Bereichen als ein unnötiges Statussymbol
von überwiegend älteren Generationen.“ Dies gilt in Bezug auf Autos [25], aber ist auch
in Bezug auf Sportausrüstung (z. B. Skis und Snowboards) oder Hightech-Geräte, wie
Drohnen, festzustellen. Die auf Sharely bereitgestellte Drohne wird z. B. besonders gern
ausgeliehen. Durch die geteilte Nutzung entfällt Aufwand für die technische Wartung.
Außerdem ist dadurch der Zugang zum neuesten Modell gewährleistet, ohne dass dieses
gleich angeschafft werden muss.
Im Hinblick auf negative soziale Wirkungen kann Sharing soziale Errungenschaften
unterwandern und infrage stellen. Sharing-Anbieter bewegen sich mit ihren Angeboten
oft in einem gesetzlichen Graubereich, was Sozialversicherung, Hygienegesetze oder
Sicherheitsmaßstäbe angeht. Die Sharing Economy führt zu einer Art Mikrounternehmertum, in der jede/r relativ einfach als Anbieter tätig werden kann. Entsprechend
wird auch stark diskutiert, ob es Gesetzesänderungen braucht, um Unklarheiten im
Zusammenhang mit Steuern oder dem Sozialversicherungsgesetz zu beseitigen (vgl.
dazu Abschn 4.1.2). Weiter fehlen beispielsweise zurzeit auch Hygiene- und Sicherheitsvorschriften für Airbnb-Wohnungen, vergleichbar mit jenen für Hotels. Negative Wirkungen können außerdem auftreten, wenn Ressourcen durch Sharing verknappt werden,
wenn beispielsweise Wohnungen über Airbnb an Touristen vermietet werden, obwohl
Stadtbewohner gleichzeitig Wohnraum suchen.
3.5
Rebound-Effekte und Wechselwirkungen zwischen den
Nachhaltigkeitsdimensionen
Es wird deutlich, dass Sharing unterschiedliche positive und negative Wirkungen
haben kann. Teilweise können gleichzeitig positive und negative Wirkungen auftreten.
Dies kann innerhalb einer Nachhaltigkeitsdimension oder zwischen den Dimensionen
geschehen. Zum Beispiel kann durch die gemeinsame Nutzung von Autos der Umsatz
einer Car-Sharing-Plattform steigen, während der Autohandel einen Umsatzrückgang
Literatur
31
erlebt. Oder durch die Bildung von Fahrgemeinschaften kann der Energieverbrauch reduziert werden, während die Taxibranche Umsatzrückgänge verzeichnet.
Durch Sharing-Angebote können sich auch Rebound-Effekte ergeben. Effizienzsteigerungen können die Kosten für Produkte oder Dienstleistungen senken, was dazu
führen kann, dass sich das Verhalten der Nutzer ändert: Sie verbrauchen mehr, und die
ursprünglichen Einsparungen werden teilweise wieder aufgehoben. Beispielsweise ist
dies der Fall, wenn Nutzer von Airbnb aufgrund günstiger Preise für Unterkünfte häufiger in den Urlaub fliegen und die Zahl der Übernachtungen deshalb steigt und damit der
ökologische Nutzen abnimmt. Eine interviewte Person verdeutlicht den Rebound-Effekt
folgendermaßen: „Es gibt Leute, die niemals Taxi gefahren sind, aber heute häufig Uber
nutzen: Das ist wahrscheinlich nicht nachhaltig.“ In diesem Sinne kann die einfache Verfügbarkeit von Gütern und Dienstleistungen, die man sich sonst nicht leisten könnte, die
Lust auf Konsum noch steigern. Diesen Befund bestätigen auch die Resultate es PeerSharing-Arbeitsberichts [2], der den gemeinsamen Konsum und den Tausch von Gütern
für Deutschland untersuchte. In Bezug auf Kleidertausch hält die Studie beispielsweise
fest, dass sich durch die Weitergabe die Nutzung eines Kleidungsstücks zwar verlängern
kann, sie gibt aber auch zu bedenken, dass andere den Zugriff auf mehr Kleider und
Mode genießen, den sie sich ohne die Share-Möglichkeit gar nicht leisten könnten. Man
kann deshalb auch kritisieren, dass auf diese Weise nicht etwa Textilien eingespart werden, sondern lediglich ihre Weitergabe beschleunigt wird.
Im Hinblick auf Wechselwirkungen zwischen den Nachhaltigkeitsdimensionen, die
sich durch Sharing-Economy-Angebote ergeben, können folgende exemplarischen Argumente festgehalten werden:
• Sharing wirkt positiv, wenn keine Nachhaltigkeitsdimension verschlechtert wird
(Idealfall).
• Aus verschiedenen Perspektiven ist es nicht wünschenswert, dass der etablierten Wirtschaft und dem Gewerbe durch Sharing geschadet wird. Wenn jedoch Sharing zu
Innovationen führt, während bestehende Geschäftsmodelle Schwächen aufweisen, ist
bezüglich der jeweiligen Vorteilhaftigkeit abzuwägen.
• Sharing kann zu Konsumverzicht führen. Dies ist ökologisch sinnvoll. Aber für die
Wirtschaft ist dies zunächst negativ. Dies könnte wiederum „umgewandelt“ werden,
wenn Sharing dazu führen würde, dass beispielsweise sogar mehr hochwertige, einheimische Produkte gekauft würden.
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4
Einflussfaktoren des Sharing-Verhaltens
Ob jemand Gegenstände oder Dienstleistungen zum Sharing anbietet bzw. nutzt oder
nicht, ist abhängig von verschiedenen Einflussfaktoren. Im Wirkungsmodell des
Sharing-Verhaltens (vgl. Abb. 4.1) werden verschiedene externe und User-bezogene Einflussfaktoren differenziert. Externe Einflussfaktoren sind Einflussfaktoren die auf das
Angebot, die Plattform und weitere gesellschaftliche und politische Umfeldfaktoren
bezogen sind. User-bezogene Einflussfaktoren umfassen alle Einflussfaktoren, die den
individuellen Nutzern zugeschrieben werden.
Externe
Einflussfaktoren
Angebotsmerkmale
Plattformmerkmale
Kommunikation /
Marketing
User-bezogene
Einflussfaktoren
Wirkung
Vertrauen
Wahrgenommener
Nutzen:
Funktional
Emotional
Sozial
Soziale Norm
Umfeld
Persönlichkeit
Regulatorische und
politische
Massnahmen
Verhalten
SharingTeilnahme:
Angebot
Ökologische
Nachhaltigkeit
SharingTeilnahme:
Nachfrage /
Nutzung
Ökonomische
Nachhaltigkeit
Soziale
Nachhaltigkeit
Soziodemographische
Merkmale
Abb. 4.1 Wirkungsmodell des Sharing-Verhaltens
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
D. Georgi et al., ShareCity, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23700-4_4
35
36
4.1
4 Einflussfaktoren des Sharing-Verhaltens
Externe Einflussfaktoren
Innerhalb der externen Einflussfaktoren differenziert das Modell zwischen Angebotsmerkmalen (1), Plattformmerkmalen (2), Marketing und Kommunikation (3), Umfeldfaktoren, sowie (4) regulatorischen und (5) politischen Faktoren.
4.1.1
Angebotsmerkmale
Die Merkmale auf Anbieterseite beschreiben, wie ein Sharing-Angebot ausgestaltet ist.
So ist zum Beispiel die Verfügbarkeit ein solches wesentliches Merkmal. Bei einem
Bike- oder Car-Sharing-Angebot spielt es etwa eine Rolle, in welcher Dichte die verfügbaren Fahrzeuge/Fahrräder und Standorte in einer Stadt vorhanden sind. Gemäß einer
Bike-Sharing-Planungsstudie lautet die Empfehlung für ein erfolgreiches, effizientes
Bike-Sharing-System wie folgt: Es sollten 10–15 Bike-Stationen pro km2, eine Netzgröße
von 10 km2 und 10–30 Bikes pro 1000 Einwohner im Geschäftsgebiet vorhanden sein [1].
Diverse andere Studien, in denen die Bike-Sharing-Nutzung untersucht wurde, betonen die
Wichtigkeit der Lokalisierung der Bike-Stationen. Diese sollten in geografischer Nähe zu
Stationen des Öffentlichen Verkehrs und Transitstellen stehen [2, 3]. Aber auch beim Sharing
von Gebrauchsgegenständen ist die Angebotsdichte ein zentraler Einflussfaktor der Nutzung.
Dies verdeutlicht die Nutzerin eines Sharing-Angebots: „Ich nutze es wegen dem fehlenden
Angebot eher eingeschränkt. Ich schaue zwar mehrmals pro Woche auf der Plattform vorbei,
aber zum eigentlichen Leihen oder Verleihen ist es bisher noch nicht gekommen.“
In der Literatur finden sich neben der Verfügbarkeit noch weitere angebotsspezifische
Merkmale, welche die Nutzung von Sharing-Angeboten beeinflussen. Beispielsweise
spielt bei der Car-Sharing-Nutzung der Preis eine zentrale Rolle. Eine Studie der Unternehmensberatung Arthur D. Little [4] untersuchte die Zukunft des Car-Sharing-Trends
aus Konsumentensicht. Auf die Frage, was die Konsumenten ermutigen könnte, CarSharing zu nutzen, stand an erster Stelle der Preis.
Weiter würde man nicht jeden Gegenstand teilen wollen (je privater desto weniger) [5]. Die Bereitschaft zu Teilen ist für unterschiedliche Angebote unterschiedlich
groß: während die Bereitschaft, Wissen zu teilen, am größten ist, ist sie für persönliche Gegenstände am geringsten [6]. Ein Vertreter der Stadt St.Gallen, umschreibt dies
folgendermaßen: „… Und ich frage mich, was würde man denn dem Nachbarn ausleihen. Klar, bei Mobility ist es nicht dein Auto. Aber bei anderen Plattformen, wo man
sein privates Auto zur Verfügung stellt, macht man sich schon so seine Gedanken.“
4.1.2
Plattformmerkmale
Digitale Plattformen spielen in der Sharing Economy eine große Rolle, denn sie verbinden Anbieter und Nachfrager durch digitale Netzwerke und schaffen so einen neuen
Marktplatz, der zugleich Angebote lokal organisiert und Anbieter global im Internet
4.1
Externe Einflussfaktoren
37
vernetzt. Das bedeutet beispielsweise, dass ein Nutzer auch aus den Ferien einen Gegenstand aus dem Nachbardorf bereits vorreservieren oder kaufen kann – oder umgekehrt
Touristen Angebote in Zielländern von zu Hause aus buchen können. Diese Plattformen stellen damit neben der Anbieter- und Nutzerschaft der Sharing-Angebote einen
neuen dritten Akteur dar, der in der klassischen Wirtschaft so bisher nicht gegenwärtig
war. Dem Aufbau von Vertrauen kommt dabei eine erfolgskritische Rolle zu. Gerade
auf Peer-to-Peer-Plattformen braucht es dazu Technologie, neue Traditionen und Rituale, die soziale Kooperationen überhaupt erst möglich machen. So können „klassische“
Taxi-Fahrer theoretisch bezüglich Preis oder genutzter Route gegen die Interessen der
Fahrgäste handeln, ohne dass diese es merken. Solche Problempotenziale werden bei
plattformbasierten Ansätzen durch Technik, Standards und Bewertungssysteme vermieden. Fahrpreise werden beispielsweise bei Uber vor der Buchung angezeigt, sind
transparent und verbindlich, die Route wird auf dem Navigationssystem abgebildet.
Dabei spielen neben der allgemeinen Technologie Merkmale der Website eine Rolle.
So ist für den Vertrauensaufbau beispielsweise entscheidend, wie lange eine P2PTransaktions-Plattform bereits besteht und ob eine langfristige „Beziehung“ möglich ist,
also wie lange die Plattform noch bestehen wird [7]. Dass die vertrauensvolle Gestaltung
von Beziehungen über Sharing-Plattformen äußerst relevant ist für das Stattfinden von
Sharing, belegt auch diese Aussage einer Interviewpartnerin: „[Es geht] schlussendlich
neben der Technik um viel Vertrauen, [um] Beziehungen zwischen den Menschen.“ Eine
weitere Informantin beschreibt die Problematik folgendermaßen: „Ein wichtiger Aspekt
neben dem Angebot ist natürlich auch das Vertrauen. Sowohl in die Plattformbetreiber,
als auch in die Personen, welche die eigenen Objekte ausleihen.“ Zudem muss eine Plattform auch eine genügend große kritische Masse an Nutzerinnen und Nutzern haben:
„Man kann ja nie zu viele Objekte haben. Aber es braucht sicher beide Seiten. Wir brauchen auch Mieter für die Objekte. Es ergibt sich halt erst etwas, wenn beide Seiten vorhanden sind. Wenn es mehr Objekte hat, gibt es mehr Mieter und wenn es mehr Mieter
hat, gibt es mehr Objekte.“
Immer mehr an Bedeutung gewinnen dürften in Zukunft die Charakteristiken der
Plattform im Umgang mit Nutzerdaten. Denn die Nutzung von Internetplattformen
generiert Nutzerdaten, welche im Werbemarkt einen großen Wert darstellen. Durch sie
wird beispielsweise sichtbar, wann wir wo einkaufen, wie lange wir uns in welchen
Geschäften aufhalten, oder mit welchen (Online-) Einkäufen wir auf schlechtes Wetter reagieren. Internetplattformen wie Google und Facebook nutzen deshalb ihre Plattformen dazu, so viele Nutzerdaten wie möglich abzuschöpfen, auch wenn heute noch
nicht immer klar ist, wozu diese später verwendet werden sollen. Wer diesem Trend kritisch gegenüber steht, wird in Zukunft versuchen, Sharing-Plattformen zu nutzen, welche
den Schutz von Nutzerdaten hochhalten.
Beim Peer-to-Peer-Sharing spielt zudem auch die Art der Organisation des Sharings
eine Rolle, d. h. wie der Sharing-Prozess gestaltet ist, damit sich neben Nachfragern
auch Anbieter von Sharing-Gegenständen finden. Eine Sharing-Initiantin beschreibt dies
zum Beispiel wie folgt: „Ein wichtiger Punkt sind Regelungen, wie man damit umgeht,
wenn etwas kaputt geht.“
38
4 Einflussfaktoren des Sharing-Verhaltens
Zudem ist die Einfachheit (Convenience), das Sharing-Angebot zu nutzen, ein wichtiger Faktor. Dies betrifft vor allem die einfache und bequeme Anmeldung und den
Reservations-, und Zahlungsprozess in Zusammenhang mit dem Sharing-Gegenstand.
Webbasierte Technologien für mobile Geräte sind dabei die Voraussetzung [8, 9].
4.1.3
Kommunikation/Marketing
Ob und wie ein Sharing-Gegenstand vermarktet wird, entscheidet mit darüber, ob
und wie er von Nutzerinnen und Nutzern genutzt oder angeboten wird. Vielfach führt
mangelnde Kenntnis von Sharing-Angeboten dazu, dass sie in ihrer Verbreitung eingeschränkt sind.
Sowohl das Wissen um Sharing-Angebote als auch das bereits angesprochene Vertrauen in die Angebote können durch Kommunikationsmaßnahmen gefördert werden.
Für neue Sharing-Angebote – wie beispielsweise Lastenfahrräder – muss Vertrauen in
das Angebot bei den potenziellen Nutzenden erst aufgebaut werden. Dazu eignen sich
Beispielgeschichten, die aufzeigen, wie der Gegenstand genutzt werden kann: Eine Vertreterin einer Stadtverwaltung fügt diesbezüglich an: „Da denke ich, dass es sehr wichtig
ist, dass man die Gemeinschaft gut informiert. Etwa indem man gute Beispiele aufzeigt.“
Auch die Lifestyle-Vermarktung anstelle einer reinen Gegenstands- oder Plattform-Vermarktung kann insbesondere bei Sharing-Ansätzen mit Nachhaltigkeits-Zielen wesentliches Element der Kommunikationsstrategie sein: „Wenn es um Kommunikation geht,
muss so etwas cool sein. Also wenn ich es mache, gibt es mir ein gutes Gefühl und es
kommt gut an. Das habe ich in Kopenhagen bemerkt. Da ist es cool, mit dem Fahrrad zu
fahren, viel cooler als mit dem Auto.“
Weiter stärken auch Empfehlungen (Word of Mouth) das Vertrauen in Angebote.
Nutzerinnen und Nutzer von Transaktionsplattformen im Internet verlassen sich deshalb immer häufiger auf Bewertungen (Reviews) anderer Nutzerinnen und Nutzern.
Diese Bewertungen sind für nachfolgende potenzielle NutzerInnen einsehbar und werden als vertrauenswürdige Angaben zu entsprechenden Angeboten oder Anbietern
konsultiert [10]. Reviews führen dabei nicht nur zu Vertrauen aufgrund ihrer qualitätskontrollierenden Wirkung. Ein Vertreter einer Sharing-Economy-Initiative beschreibt
dies wie folgt: „Wir haben das Problem, wie es klassische Autovermieter haben, nicht,
weil das System sich selbst kontrolliert. Das ist wie bei Airbnb. Alle geben sich extrem
Mühe, dass man gute Bewertungen bekommt.“
4.1.4
Umfeldfaktoren
Umfeldfaktoren beschreiben geografische, topografische oder meteorologische Aspekte
eines Sharing-Gebietes wie Größe, Bevölkerungsdichte, sozioökonomische Kriterien der
Bewohner, etc. Diese Faktoren sind meist nicht beeinflussbar. So wirkt sich eine flache
4.1
Externe Einflussfaktoren
39
Topografie beispielsweise günstig auf das Bike-Sharing aus. Sind Steigungen größer als
8 %, sind Personen weniger bereit, Fahrrad zu fahren und nutzen dementsprechend
auch kein Bike-Sharing [2]. Beim Sharing von Gegenständen oder Autos spielt die
Bevölkerungsdichte eine große Rolle: Je dichter ein Gebiet bewohnt ist, desto größer die
potenzielle Nachfrage und auch das Angebot [11]. Insgesamt wirken sich Merkmale des
urbanen Raums, wie allgegenwärtige Informations- und Kommunikationstechnologie
sowie die Bevölkerungsdichte positiv auf die Nutzung von Sharing-Economy-Angeboten
aus. In letzter Zeit wird Sharing aber auch als Instrument gesehen, um Stadt und Land
näher zusammenzubringen. Ein Projekt in dieser Richtung ist „Mia Engadina“, mit dem
das Ziel verfolgt wird, Stadtbewohner tages-/phasenweise als temporäre Bewohner und
„Heimarbeiter“ in einer ländlichen Bergregion zu gewinnen.
4.1.5
Regulatorische und politische Faktoren
Regulierungen der Sharing Economy – in positiver wie in negativer Richtung – haben
Einfluss auf deren Nutzung. Wie stark reguliert oder eben nicht reguliert werden soll,
ist denn auch ein wichtiger Streitpunkt in der Diskussion um Sharing in Städten (vgl.
z. B. [12]). Auf politischer Ebene betreffen beispielsweise Entscheidungen zur Förderung von multimodalem Verkehrsverhalten die Sharing Economy. Gemäß Marktstudien
zu Car-Sharing werden in Städten folgende Maßnahmen zur Parkraumbewirtschaftung
umgesetzt, die die Car-Sharing-Nutzung fördern [1, 13]:
•
•
•
•
Reduzierung von Parkplätzen
Ersatz von normalen Parkplätzen durch Car-Sharing-Parkplätze
Ausnahme von Parklimiten für Car-Sharing-Fahrzeuge
Allgemeine Parkbewilligung für Car-Sharing-Fahrzeuge
Im Mobilitätsbereich ist ein weiteres Beispiel für regulatorische Maßnahmen die Erlaubnis für die Benutzung von Busspuren. Dürfen Autos mit mehreren Insassen beispielsweise Busspuren nutzen, kommen sie schneller voran. Entsprechend wird durch solche
Regelungen Sharing attraktiver [14].
Auch in der Übernachtungsbranche stehen Regulierungen im Kontext mit Sharing in
der Diskussion. Beispielsweise ist es für Airbnb-Vermieter wichtig, Gesetze und Regulierungen zu kennen, welche in der eigenen Stadt gelten. Viele Städte verlangen beispielsweise Business-Lizenzen für die private Vermietung von Unterkünften. Weiter
gelten oftmals Regeln bezüglich minimalen Anforderungen an die Unterhalts-, Gesundheit- und Sicherheitsstandards von Gebäuden, die als Wohnraum genutzt werden. Auch
braucht es in einigen Städten spezielle Bewilligungen, um seine Wohnung vermieten zu
können.
Bei Regulierungen in der Sharing Economy stellen sich oft auch die herausfordernden
Fragen, wie das soziale Recht zur Anwendung kommen soll sowie ob und wie eine
40
4 Einflussfaktoren des Sharing-Verhaltens
rechtliche Unterscheidung von Gewerbe und privat in der Sharing Economy möglich
ist. Da Letzteres kaum möglich ist, wird oft die Meinung vertreten, dass die konkreten
Gefährdungslagen Ausgangspunkt für Mindestvorschriften bilden sollten.
Ein weiteres Beispiel für die aktuellen Fragen zu Vorschriften und Regulierung in der
Sharing Economy ist Uber. Zurzeit sind in verschiedenen Ländern Diskussionen darüber
in Gang, ob Uber nur als Vermittler von Sharing-Leistungen auftritt, oder ob ein Arbeitsvertrag zwischen Uber und den Uber-Fahrern vorliegt. Auch in der Schweiz wird diese
Frage diskutiert. Die Gerichte werden letztlich darüber zu entscheiden haben und somit
bestimmen, wann die zwingenden Vorgaben des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts zu
berücksichtigen sind. Auf der einen Seite ist es offensichtlich, dass nicht alle, die ihre Sharing-Leistungen über Internetplattformen anbieten, des Schutzes durch das Arbeitsrecht
bedürfen. Auf der anderen Seite hat sich während der letzten gut hundert Jahre bewährt,
jenen Personen spezifische soziale Rechte (Kündigungsfristen, Lohnfortzahlung bei
Krankheit und Sozialversicherungen) zu gewähren, die in das Unternehmen ihres Arbeitgebers eingegliedert und dessen Weisungen und Instruktionen untergeordnet sind [15].
Neben den Fragen zu neuen Regulierungen bieten die Entwicklungen im Bereich Sharing Economy gleichzeitig einen Anlass, um ein Überdenken existierender Regularien zu
initiieren und eine eventuelle Überregulierung abzuschwächen (dann auch für die existierenden Anbieter). Ganz offensichtlich kann Regulierung von Nutzen sein, wenn andere
Marktteilnehmer in nicht zumutbarer Weise beeinträchtigt werden. Dies war beispielsweise in der Frühphase des Musik-File-Sharing (z. B. durch Napster) der Fall, als Eigentumsrechte missachtet wurden. Die Regelung des Marktes hat gleichzeitig zu innovativen
Geschäftsmodellen geführt.
4.2
User-bezogene Einflussfaktoren
Die externen Einflussfaktoren wirken sich auf die internen, User-bezogenen Einflussfaktoren aus. Ist ein Sharing-Angebot einfach konzipiert, so wird entsprechend von
den individuellen Nutzerinnen und Nutzern so wahrgenommen. Verschiedene verhaltenspsychologische Konstrukte sowie soziodemografische Faktoren beeinflussen das
Sharing-Verhalten.
Funktionaler, emotionaler und sozialer Nutzen
Der persönlich wahrgenommene funktionale und finanzielle Nutzen von Sharing ist für
die Nutzung von Sharing-Angeboten mitverantwortlich [6, 16–19]. Dies äußern auch verschiedene Interviewpartner, etwa: „Dafür spricht auch, dass ich mir viel Ärger ersparen
kann. Ich muss nicht dem Zeug nachlaufen.“ Hamari et al. (2005) [17] kommen in ihrer
Studie zum Schluss, dass die ökonomischen Vorteile die stärksten Treiber der SharingNutzung sind. Intrinsische Motivatoren wie das ökologische Bewusstsein oder der soziale
Gedanke beeinflussen die Haltung gegenüber der Sharing Economy durchaus positiv, ohne
zusätzlichen persönlichen Nutzen führen sie jedoch nicht zu einer Verhaltensintention [17].
4.2
User-bezogene Einflussfaktoren
41
Dies bestätigen auch Eindrücke aus qualitativen Interviews: „Dann muss auch noch der
Preis stimmen. Man kann die Leute ja schon bei den Kosten abholen.“
Weiter zeigen Umfragen, dass beispielsweise bei der Nutzung von Airbnb oder
Wimdu die soziale Komponente eine wesentliche Rolle spielt. Viele Nutzerinnen und
Nutzer buchen ihre Zimmer auf diesen Plattformen, weil sie dadurch neue Leute kennen lernen, und durch die Vernetzung mit der Community ein Zugehörigkeitsgefühl
entsteht [20]. Dieser Nutzen wird auch von Interviewpartnern betont: „Nochmals wegen
der sozialen Komponente: Ich glaube, bei Mieter und Vermieter ist dieser Faktor wichtig und dieser schwingt mit und gibt Bindung und soziale Kontrolle, auch durch das
Bewertungssystem.“ Und „… Vielleicht auch, um neue Leute kennen zu lernen. Das
ist ein Aspekt, den ich nicht ausschließen würde.“ Soziale Motive können durch ein
Gemeinschaftserlebnis beim Nutzen von Sharing befriedigt werden oder wenn es eine
Plattform schafft, das Selbstkonzept eines Nutzers/einer Nutzerin zu stärken [20, 21].
Zieht man Studien aus dem weiteren Umfeld des Kauferlebnisses hinzu, spielen auch
hedonistische Motive eine wichtige Rolle. Der hedonistische Nutzen betrifft die positiven
Emotionen, die während des Kauferlebnisses ausgelöst werden [21]. Dazu ein Interviewpartner: „Aber man hat schon das Gefühl, dass es Vielen Spaß macht, weil man Dinge
ausprobieren kann, die man sonst nicht unbedingt kaufen würde.“
Vertrauen
Noch mehr als bei herkömmlichen Produkten und Dienstleistungen ist das Vertrauen in
das Angebot ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung für die Nutzung. Ist ein Service
oder ein Objekt aus einem Peer-to-Peer-Sharing Teil eines Austauschs zwischen Wirtschaftspartnern, ist das (wahrgenommene) Risiko oft höher, als wenn der Austausch mit
einem lang bekannten, institutionell verankerten Unternehmen getätigt wird. Die Käuferinnen und Käufer kennen den Leistungsanbieter meistens noch nicht (Informationsasymmetrien, vgl. Eichhorst und Spermann 2015 [22]) und können sich auch nicht auf
die lang gewachsene Reputation eines herkömmlichen Unternehmens stützen. Da diese
Situation ein gewisses Risiko birgt, kommt dem Aufbau von Vertrauen eine erfolgskritische Komponente zu [23]. Dabei werden unter anderem Merkmale des PeerAnbieters eines Sharing-Objekts oder -Services (z. B. Glaubwürdigkeit, Kompetenz;
vgl. [24–26]) und Merkmale des Kontextes (z. B. Reviews/Bewertungen ermöglichen,
Beziehungsgrad zwischen Transaktionspartnern aufzeigen) beleuchtet. Dass die vertrauensvolle Gestaltung von Beziehungen über Sharing-Plattformen hochrelevant ist,
damit Sharing-Verhalten überhaupt stattfindet, zeigt sich auch in Interviewaussagen,
wie z. B. „…weil es schlussendlich neben der Technik um viel Vertrauen, Beziehungen
zwischen den Menschen geht.“ oder „Aber das ist dann die Schwierigkeit: Den Leuten zu vermitteln: Ihr könnt euch austauschen, ohne dass es Streit gibt. Und dass es
klar geregelt ist, wie man das handhaben will.“ Weiter spielen zeitliche Komponenten
(Zahlung wird erst fällig bei Erfüllung des Vertrags, etc.; vgl. [10, 23, 27, 28]) oder
inhaltliche/technische Merkmale der Web-Plattform (z. B. Vorhandensein von Werbung,
Möglichkeiten der sozialen Präsenz; vgl. [10, 29]) eine Rolle. Dass die soziale Präsenz
42
4 Einflussfaktoren des Sharing-Verhaltens
für die Bildung von Vertrauen wichtig ist, bestätigen auch Aussagen aus den geführten
Interviews: „Persönlicher Kontakt ist wichtig – aufgrund der Bedeutung des Vertrauens.“
Soziale Norm
Weiter zeigen Studien, dass die sog. soziale Norm ausschlaggebend für die SharingNutzung sein kann, d. h. Individuen umso eher an Sharing teilnehmen, je stärker der
„soziale Druck“ oder auch die „sozialen Vorbilder“ sind. Wenn es in meinem sozialen
Umfeld üblich ist, Car-Sharing zu nutzen, werde ich eher darauf gestoßen, es selbst zu
nutzen.
Persönlichkeitsfaktoren
Die Nutzung von Sharing-Angeboten hängt zudem von der spezifischen Ausgestaltung
der jeweiligen individuellen Persönlichkeit ab. Folgende Persönlichkeitsfaktoren sind
besonders relevant für die Sharing-Nutzung: das ökologische Bewusstsein; das Bedürfnis, sich um andere zu sorgen; das Zugehörigkeitsgefühl; die Offenheit gegenüber
Neuem; die Selbstdarstellung; die Ungebundenheit und die Flexibilität [30–32].
Gerade die ökologische Einstellung kann ein Grund dafür sein, weshalb Sharing
genutzt wird. Ein Interviewpartner unterstreicht dies: „… Also das sind Menschen, die
überzeugt sind, dass das Teilen sinnvoll ist. Dort schwingt die Komponente Sinnhaftigkeit, Nachhaltigkeit stark mit.“ Ein Sharing-Nutzer bestätigt diese Aussage: „Ich finde
es richtig, sinnvoll, verantwortungsvoll und ressourcenschonend, wenn man Gegenstände
miteinander teilt.“
Soziodemografische Merkmale
Auch soziodemografische Merkmale haben Einfluss auf die Nutzung von Sharing-Angeboten. Dabei spielen vor allem Alter, Geschlecht, Einkommen und Bildungsabschluss
eine Rolle. Tendenziell sind die Nutzerinnen und Nutzer der Sharing Economy eher
jung, häufiger männlich, haben ein leicht überdurchschnittliches Einkommen und einen
höheren Bildungsabschluss [33–35]. So sind beispielsweise die Hälfte der Catch-a-CarNutzer (Freefloating Car-Sharing in der Schweiz) zwischen 18 und 36 Jahren alt [29].
Eine Studie von Airbnb zeigt, dass Airbnb-Gäste im Vergleich zu Hotelgästen im Durchschnitt jünger (35 versus 43 Jahre) und vermehrt internationaler Herkunft (38 % versus
24 %) sind [36].
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4 Einflussfaktoren des Sharing-Verhaltens
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5
Empirische Erkenntnisse zur Bewertung
von Sharing-Angeboten und
Einflussfaktoren ihrer Nutzung
5.1
Studiendesign
Wie werden Sharing-Angebote von potenziellen Nutzerinnen und Nutzern wahrgenommen? Wie gefallen unterschiedliche Sharing-Angebote? Welche Faktoren beeinflussen die Bereitschaft, ein Sharing-Angebot zu nutzen? Wie stark ist dieser Einfluss?
Welche Rolle spielen die persönlichen Einstellungen für die Nutzung von Sharing-Angeboten?
Um diese Fragen zu beantworten, wurde bei der Stadtbevölkerung in der deutschsprachigen Schweiz eine Befragung durchgeführt. Ziel der Studie war es, die Wirkung und das Ausmaß der Wirkung der identifizierten Einflussfaktoren auf das
Sharing-Verhalten empirisch zu prüfen. Dazu wurde eine quantitative Online-Befragung
durchgeführt. Die Befragung beinhaltete ein Szenario-Experiment, in dem den Studienteilnehmenden drei verschiedene Sharing-Angebote zur Beurteilung vorgestellt wurden.
Sharing-Cases
In Zusammenarbeit mit Partnern aus der Sharing-Praxis wurden drei Sharing-Kontexte
ausgewählt. Die Auswahl erfolgte auf Basis von Relevanz für die Praxis sowie auf Basis
des Potenzials des Angebots in Bezug auf die Suffizienz:
• eCargo-Bike-Sharing
• Wohnraum-Sharing
• Garten-Sharing
Das eCargo-Bike-Sharing beinhaltete ein Angebot, bei dem elektronisch angetriebene
Lastenfahrräder bei sogenannten Bike-Hosts gemietet werden konnten (vgl. Abb. 5.1).
Über eine App kann das Fahrrad für einen bestimmten Zeitpunkt reserviert werden.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
D. Georgi et al., ShareCity, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23700-4_5
45
46
5
Empirische Erkenntnisse zur Bewertung von Sharing-Angeboten …
Abb. 5.1 eCargo-Bike-Sharing. (Quelle: Carvelo)
Das Angebot trägt zur Suffizienz bei, wenn durch dessen Nutzung auf Autofahrten verzichtet wird.
Das Wohnraum-Sharing betrifft ein Angebot mit teilweise geteilt nutzbaren Räumen
(z. B. Büroräumlichkeiten, Gästezimmer, Werk- und Bastelraum, etc.) (vgl. Abb. 5.2). Im
Wohnkomplex befinden sich zudem kleinere Läden, ein Café und ein Restaurant. Die
Abb. 5.2 Wohnraum-Sharing. (Quelle: Müller Sigrist Architekten)
5.1
Studiendesign
47
Abb. 5.3 Garten-Sharing. (Quelle: www.merkurgarten.ch)
Suffizienzpotenziale werden realisiert, indem jede individuelle Person für sich selbst
weniger privaten Wohnraum in Anspruch nimmt.
Das dritte Sharing-Angebot, das für die Beurteilung durch die Studienteilnehmenden
entwickelt wurde, ist ein Angebot, bei dem Nutzerinnen und Nutzer die Möglichkeit erhalten, selbst in einer öffentlichen Anlage (Park o. ä.) ein Stück Gartenfläche zu
bewirtschaften (vgl. Abb. 5.3). Es besteht die Möglichkeit, seinen eigenen Bereich abzustecken und dort zu „gärtnern“. Ferner gibt es einen öffentlichen Bereich, der durch die
Beteiligten gemeinsam bewirtschaftet wird.
Die Studienteilnehmenden wurden zufällig in drei Gruppen zugeordnet: Einer
Gruppe wurde das eCargo-Bike-Sharing-Angebot zugeteilt, der zweiten Gruppe wurde
das Wohnraum-Sharing-Angebot und der dritten Gruppe wurde das Garten-SharingAngebot vorgestellt. Nach der Vorstellung des jeweiligen Sharing-Angebotes wurden
die Studienteilnehmenden gebeten, das Angebot auf Basis von identischen Dimensionen zu beurteilen. Die folgenden Forschungsfragen bildeten die Ausgangslage dieses
Befragungsteils:
• Wie werden die Sharing-Angebote allgemein bewertet?
• Wie reagieren die Zielgruppen auf die unterschiedlichen Sharing-Angebote?
48
5
Empirische Erkenntnisse zur Bewertung von Sharing-Angeboten …
• Wahrnehmung des Nutzens der Sharing-Angebote:
– Wie hoch ist der wahrgenommene funktionale Nutzen?
– Wie hoch ist der wahrgenommene soziale Nutzen?
– Wie hoch ist der wahrgenommene emotionale Nutzen?
– Wie hoch ist der wahrgenommene ökologische Nutzen?
• Wie hoch ist das Vertrauen in die Sharing-Angebote?
• Verhaltensintention:
– Wie stark ist die Absicht, das Sharing-Angebot zu nutzen?
– Welche Faktoren haben signifikanten Einfluss auf die Nutzung der einzelnen
Sharing-Angebote?
– Wie beeinflusst die Persönlichkeit (Sharing-Neigung, ökologisches Bewusstsein,
Materialismus) die Verhaltensintention?
Untersuchungsmodell
Verschiedene Faktoren wurden in der Studie untersucht (vgl. Abb. 5.4). Die Faktoren
bilden sich jeweils aus mehreren Items. So misst der funktionale Nutzen das
Kosten-Nutzen-Verhältnis und ob das Angebot einen Mehrwert bringt und nützlich ist. Der
emotionale Nutzen beschreibt den Spaßfaktor und die Neugierde bezüglich des Angebots,
der soziale Nutzen die Möglichkeiten zum sozialen Austausch in der Gemeinschaft und
der ökologische Nutzen den ökologischen Mehrwert, der dem Angebot beigemessen wird.
Externe
Einflussfaktoren
User-bezogene
Einflussfaktoren
Verhalten
Vertrauen
Angebotsmerkmale
- Bike-Sharing
- Wohn-Sharing
- Garten-Sharing
Wahrgenommener
Nutzen:
Funktional
Emotional
Sozial
Soziale Norm
Persönlichkeit
Soziodemographische
Merkmale
Abb. 5.4 Untersuchungsmodell empirische Studie
SharingTeilnahme:
Nachfrage /
Nutzung
5.2
Studienergebnisse
49
Die soziale Norm beschreibt, inwiefern die Probanden davon ausgehen, dass Menschen
in ihrem Umfeld das Angebot nutzen und die Nutzung befürworten. Weiter gibt das Vertrauen Auskunft darüber, ob die Probanden Bedenken hätten, das Angebot zu nutzen. Das
Konstrukt „Persönlichkeit“ misst das ökologische Bewusstsein, den Grad des Materialismus in der persönlichen Einstellung und die persönliche Sharing-Neigung.
Stichprobe
Für die Studie wurde ein Sample von 512 Personen aus dem Befragungspanel des
Marktforschungsinstituts LINK rekrutiert. Die Studie wurde in der deutschsprachigen
Schweiz durchgeführt. Die Stichprobe ist repräsentativ für die Schweizer Bevölkerung
im Hinblick auf Alter und Geschlecht. Bewohner ländlicher Gemeinden wurden aus der
Studie ausgeschlossen.
5.2
Studienergebnisse
5.2.1
Bewertung der Sharing-Angebote
Abb. 5.5 zeigt, wieviel Prozent der Befragten zustimmen (Werte 4 oder 5 auf einer 5er
Skala), dass
• ihnen das jeweilige Sharing-Szenario gefällt („Gefallen“),
• sie das jeweilige Szenario nutzen würden („Nutzungsabsicht“),
• sie vermuten, dass andere es nutzen würden („Nutzungsvermutung“).
Abb. 5.5 Gesamtbewertung der Sharing-Angebote
50
5
Empirische Erkenntnisse zur Bewertung von Sharing-Angeboten …
Grundsätzlich sind die „Gefallen“-Werte am höchsten und die „Nutzungsabsicht“-Werte
am geringsten. Die Gefallen-Anteile liegen zwischen knapp 65 % und über 75 %. Die
Nutzungsabsicht-Anteile liegen zwischen 32 % und 41 %. Mehr Befragte denken, dass
die Sharing-Ansätze von anderen genutzt würden (Nutzungsvermutung), als dass sie sie
selbst nutzen würden. Diese Analyse lässt Aussagen im Hinblick auf die potenzielle Suffizienz von Sharing-Angeboten zu. Wenn eine relativ hohe Nutzungsbereitschaft gegeben
ist, können durch Sharing-Ansätze Suffizienz-Potenziale realisiert werden. Weiter lässt
diese Differenz zwischen der Einstellung/Haltung eines Konsumenten und dessen tatsächliche Verhaltensintention auf ein bekanntes und typisches Phänomen für ökologisch nachhaltige Angebote schließen. Dies wird als sogenanntes attitude-behavioural
intention gap (fehlende Verhaltensintention trotz positiver Haltung) bezeichnet. In der
Literatur sind vielfältige Gründe identifiziert worden: Zu hohe Preise, die fehlende Überzeugung der Wirksamkeit des eigenen Handelns oder fehlende Informationen über Implikationen von ethischen und ökologischen Produkten [1].
5.2.2
Bewertung der Einzelmerkmale
Die Mittelwerte der verschiedenen Einflussfaktoren geben einen Einblick, wie die
Sharing-Angebote wahrgenommen werden, wie das Vertrauen in die Angebote ist und
welche Rolle die soziale Norm spielt (vgl. Abb. 5.6).
Abb. 5.6 Mittelwertvergleiche der Einflussfaktoren der unterschiedlichen Sharing-Optionen.
(Skala 1 = trifft überhaupt nicht zu, 5 = trifft voll und ganz zu; ** = signifikanter Unterschied
zwischen den Sharing-Optionen p < ,01, ***p < ,001)
5.2
Studienergebnisse
51
Es zeigt sich, dass über die Sharing-Angebote hinweg die Nutzendimensionen
(funktional, ökologisch, emotionale und sozial) im Vergleich zum Vertrauen etwas höher
bewertet werden. Bei den Nutzendimensionen wird der ökologische Nutzen insgesamt
am höchsten eingestuft, mit mindestens 4,15. Vergleicht man die Angebote untereinander
in Bezug auf den ökologischen Nutzen, wird das Bike-Sharing-Angebot als am ökologisch attraktivsten eingestuft (4,39) und dem Wohnraum-Sharing wird der geringste
ökologische Nutzen beigemessen (4,01). Der emotionale Nutzen wird insgesamt ebenfalls grundsätzlich positiv beurteilt. Am höchsten ist der wahrgenommene Nutzen für
das Garten-Sharing. In diesem Angebot wird also ein relativ hoher Spaß-Faktor (3,8)
gesehen. Beim sozialen Nutzen bestehen die höchsten Unterschiede zwischen den
Sharing-Angeboten. Diese Komponente wird beim Bike-Sharing relativ schwach eingestuft (3,1), beim Wohn-Sharing (4,0) und Garten-Sharing (4,1) signifikant höher. Die
soziale Norm wird mittel eingestuft. Die Befragten empfinden nur geringen „sozialen“
Druck, Sharing-Ansätze zu nutzen. Dies kann auch so interpretiert werden, dass in ihrem
Umfeld Sharing-Ansätze nicht so ausgeprägt genutzt werden. Auch das Vertrauen in die
Angebote liegt in einem mittleren Bereich (3,32), wird jedoch im Vergleich zu den anderen Faktoren am schwächsten beurteilt. Vergleicht man die Sharing-Angebote untereinander, ist das Vertrauen in das Teilen von Wohnraum signifikant geringer als bei den
anderen Angeboten.
5.2.3
Wirkung der Einflussfaktoren auf das Sharing-Verhalten
Analysiert man die statistischen Zusammenhänge zwischen allen gemessenen Einflussfaktoren und der Nutzungsabsicht über alle Sharing-Angebote hinweg, zeigen sich folgende Ergebnisse in einem Gesamtmodell: Den weitaus stärksten Einfluss hat die soziale
Norm, d. h. der Eindruck, dass relevante Andere erwarten, dass man Sharing-Angebote
nutzt. Weiter sind es das Vertrauen und der wahrgenommene emotionale Nutzen, welche
die Bereitschaft, das Sharing-Angebot anzunehmen, beeinflussen. Alle anderen Faktoren
haben (über alle getesteten Szenarien) einen nicht-signifikanten Einfluss auf die Nutzung
(vgl. Abb. 5.7).
Bei einem Vergleich der Zusammenhänge zwischen den Einflussfaktoren und der
Nutzungsabsicht für die drei untersuchten Sharing-Cases zeigt sich, dass die soziale
Norm und das Vertrauen in allen drei Konstellationen die wichtigsten Faktoren sind
(vgl. Abb. 5.8, 5.9 und 5.10). Kleinere Unterschiede ergeben sich hinsichtlich der Relevanz der Nutzendimensionen. Beim eCargo-Bike-Sharing (vgl. Abb. 5.8) wirken nur die
soziale Norm und das Vertrauen signifikant. Beim Wohnraum-Sharing (vgl. Abb. 5.9)
haben sowohl der funktionale als auch der emotionale Nutzen einen signifikanten Effekt.
Beim Garten-Sharing (vgl. Abb. 5.10) ist es ebenfalls der emotionale Nutzen, der eine
Rolle spielt.
52
5
Externe
Einflussfaktoren
Empirische Erkenntnisse zur Bewertung von Sharing-Angeboten …
User-bezogene
Einflussfaktoren
Verhalten
Vertrauen
.20*
Funktionaler Nutzen
Angebote
- Bike-Sharing
- Wohn-Sharing
- Garten-Sharing
Sozialer Nutzen
n.s.
n.s.
.12*
SharingTeilnahme:
Nachfrage /
Nutzung
Emotionaler Nutzen
.58*
Soziale Norm
n.s.
Persönlichkeit
Abb. 5.7 Stärke des Einflusses der Faktoren auf die Nutzungsabsicht über alle Sharing-Angebote
hinweg. (Anmerkung: *signifikante/statistisch relevante Regressionskoeffizienten: 1 = perfekter
Zusammenhang, 0 = überhaupt keinen Zusammenhang)
Externe
Einflussfaktoren
User-bezogene
Einflussfaktoren
Vertrauen
Bike-Sharing
Verhalten
.19*
Funktionaler Nutzen
n.s.
Sozialer Nutzen
n.s.
.17*
SharingTeilnahme:
Nachfrage /
Nutzung
Emotionaler Nutzen
.58*
Soziale Norm
n.s.
Persönlichkeit
Abb. 5.8 Stärke des Einflusses der Faktoren auf die Nutzungsabsicht für Bike-SharingAngebote. (Anmerkung: *signifikante/statistisch relevante Regressionskoeffizienten: 1 = perfekter
Zusammenhang, 0 = überhaupt kein Zusammenhang)
5.2
Studienergebnisse
Externe
Einflussfaktoren
53
User-bezogene
Einflussfaktoren
Vertrauen
Wohnraum-Sharing
Verhalten
.32*
Funktionaler Nutzen
.15*
Sozialer Nutzen
n.s.
.11*
SharingTeilnahme:
Nachfrage /
Nutzung
Emotionaler Nutzen
.40*
Soziale Norm
n.s.
Persönlichkeit
Abb. 5.9 Stärke des Einflusses der Faktoren auf die Nutzungsabsicht für Wohnraum-SharingAngebote. (Anmerkung: *signifikante/statistisch relevante Regressionskoeffizienten: 1 = perfekter
Zusammenhang, 0 = überhaupt keinen Zusammenhang)
Externe
Einflussfaktoren
User-bezogene
Einflussfaktoren
Verhalten
Vertrauen
.19*
Garten-Sharing
Funktionaler Nutzen
n.s.
Sozialer Nutzen
n.s.
.25*
SharingTeilnahme:
Nachfrage /
Nutzung
Emotionaler Nutzen
.45*
Soziale Norm
n.s.
Persönlichkeit
Abb. 5.10 Stärke des Einflusses der Faktoren auf die Nutzungsabsicht für Garten-SharingAngebote
54
5.3
5
Empirische Erkenntnisse zur Bewertung von Sharing-Angeboten …
Fazit
Zur Beantwortung der Forschungsfragen können als Zusammenfassung folgende Punkte
festgehalten werden:
Wie reagieren die Zielgruppen auf die unterschiedlichen Sharing-Angebote?
Grundsätzlich begrüßen die Befragten die in der Umfrage vorgestellten SharingAngebote: Einem Großteil der Studienteilnehmer gefallen die Angebote. Die Absicht,
diese Sharing-Angebote zu nutzen, ist über die gesamte Stichprobe auf einem mittleren Niveau. Sharing ist nicht für alle Personen von Interesse. Grundsätzlich gibt es aber
einen relativ hohen Anteil in der befragten städtischen Bevölkerung in der deutschsprachigen Schweiz, die durchaus bereit sind, Sharing-Angebote zu nutzen. Damit kann
eine Tendenz zu suffizienzförderndem Verhalten durch Sharing festgestellt werden.
Deutlich mehr Personen sind sogar der Meinung, dass andere solche Angebote gerne
nutzen würden.
Wie wird der Nutzen der Sharing-Angebote wahrgenommen?
Von den Nutzenkomponenten wird der ökologische Nutzen der Sharing-Angebote
hoch eingestuft. Dies stützt zusätzlich das festgestellte Suffizienz-Potenzial. Dabei
wurde in der Befragung allen Angeboten (Wohn-Sharing, eCargo-Bike-Sharing und
Garten-Sharing) ein positiver funktionaler Nutzen zugeschrieben. Für das Wohn- und
Garten-Sharing sieht die befragte Bevölkerung auch einen positiven sozialen Nutzen.
Der emotionale Nutzen steht vor allem beim Garten-Sharing im Vordergrund. Eher in
einem mittleren Bereich sind die soziale Norm und das Vertrauen. Insbesondere dem
Wohn-Sharing Angebot wird wenig Vertrauen geschenkt.
Wie stark ist die Absicht, das Sharing-Angebot zu nutzen, und welche Faktoren haben einen signifikanten Einfluss auf die Nutzung der einzelnen SharingAngebote?
Die soziale Norm und das Vertrauen sind für alle Sharing-Angebote die wichtigsten Einflussfaktoren bezüglich der Absicht, die Sharing-Angebote zu nutzen. Abgesehen von
diesen beiden Faktoren beeinflussen bei den verschiedenen Angeboten jedoch zusätzlich jeweils unterschiedliche Einflussfaktoren die Verhaltensabsicht. Beim Bike-Sharing
ist es der emotionale Nutzen und für das Wohn-Sharing-Angebot hingegen ist der funktionale Nutzen ein relevanter Einflussfaktor. Beim Garten-Sharing haben keine weiteren
Faktoren einen bedeutenden Einfluss. Ansonsten konnten keine signifikanten Zusammenhänge zwischen den Persönlichkeitsfaktoren (Sharing-Neigung, Materialismus etc.) und
der Verhaltensabsicht nachgewiesen werden.
Aus den Ergebnissen lässt sich ableiten, dass das Vertrauen eine hohe Bedeutung
hat, für die betrachteten Cases aber relativ schwach ausgeprägt ist. Vertrauensbildende
Maßnahmen würden die Verbreitung der Angebote also unterstützen. Ähnliches gilt für
Literatur
55
die soziale Norm, also das Gefühl, dass das soziale Umfeld der Befragten es gutheißen
würde, wenn man sich am Sharing beteiligt. Hier bestehen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, wie Vorbildfunktion übernehmen, Rollenbilder zeigen, Opinion Leader in der
Kommunikation einsetzen oder eine Sharing Community aufbauen.
Literatur
1. ITDP Institute for Transportation & Development Policy. (2013). The bike-share planning
guide. New York: ITDP.
6
Entwicklung einer Sharing-Strategie
in Städten
6.1
Sharing-Strategie-Framework für Städte
Das Strategie-Framework gibt Städten ein Instrument an die Hand, das das komplexe
Thema analysier- und steuerbar macht. Das Framework dient zum einen dazu, sich in
Bezug auf die Sharing Economy zu positionieren. Zum anderen helfen die einzelnen
Module des Frameworks, die Komplexität des Themas zu entschlüsseln und Abhängigkeiten zwischen einzelnen Aspekten aufzuzeigen. Vorab soll hier darauf hingewiesen
werden, dass politische Ziele des Bundes für Bundesländer/Kantone und Städte oft
Grundlage für die Formulierung politischer Agenden auch in Bezug auf Sharing bilden. So stützen sich beispielsweise die politischen Ziele im Bereich Sharing der Stadt
St.Gallen auf das Energiekonzept 2050. Sharing wird hier deshalb insbesondere mit einer
nachhaltigeren Stadt und Gesellschaft diskutiert. Die Verknüpfung mit übergreifenden
Rahmenwerken entscheidet deshalb oft auch, aus welcher Perspektive Sharing betrachtet
und in welchem Kontext Sharing gefördert werden kann.
Das Framework besteht aus sechs Elementen (vgl. Abb. 6.1). Die zu definierende
Sharing-Strategie wird grundsätzlich von der Grundhaltung der Stadtverwaltung
determiniert. Es existieren starke Unterschiede zwischen dem Charakter von Städten,
wie etwa ökologisch orientierte Städte oder stärker wirtschaftlich orientierte Städte. Die
Grundhaltung ist teilweise historisch bedingt und hängt auch mit den politischen Mehrheitsverhältnissen in der Stadt zusammen. Die eigentliche Sharing-Strategie wird von der
Stadt formuliert, um die von der Stadt angestrebte Richtung im Bereich Sharing explizit
zu machen. Für ein strategisches Vorgehen empfiehlt es sich, konkrete Ziele im Rahmen
der Sharing-Strategie zu definieren. Der Kontext, für den Sharing betrachtet wird, ist
ebenfalls zu definieren. Weiterhin sind die Stakeholder zu identifizieren, die bei den strategischen Überlegungen einbezogen werden sollten. Und schließlich gilt es, konkrete
Maßnahmen festzulegen, die die Strategie operationalisieren.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
D. Georgi et al., ShareCity, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23700-4_6
57
58
6
Entwicklung einer Sharing-Strategie in Städten
ShareCity-Strategie
Grundhaltung
der Stadt
Ziele
Kontext
Stakeholder
SharingAngebote
Maßnahmen
Abb. 6.1 Kernmodule der Sharing-Strategie
Die folgenden Abschnitte dienen dazu, das Entwickeln einer Sharing-Strategie zu
ermöglichen. Die von der Stadt angestrebte Richtung im Bereich Sharing soll definiert
und beschrieben werden, um so als Richtschnur für die zukünftigen Projekte und Maßnahmen der Stadt dienen zu können. Die Sharing-Strategie beschreibt Ziele, priorisierte
Sharing-Kontexte, relevante Stakeholder sowie Maßnahmen bzw. sogenannte Stellhebel,
wie z. B. Förderung und Regulierungen. Die folgenden Abschnitte diskutieren die entsprechenden Elemente.
6.2
Grundhaltung der Stadt
59
ShareCity-Strategie-Elemente
Der ShareCity-Strategie-Framework umfasst sechs Kernmodule einer Sharing-Strategie
von Städten. Die sechs Module bedingen und beeinflussen sich gegenseitig. Trotzdem sollen sie hier einzeln diskutiert werden. Ziel ist es, einen Überblick über die
Komponenten der einzelnen Module zu geben. Dadurch wird das komplexe Thema in
Einzelteile zergliedert und handhabbar gemacht. Gleichzeitig werden Zusammenhänge
mit anderen Modulen der Strategie hervorgehoben und zentrale Fragestellungen, die es
zu beantworten gilt, thematisiert.
6.2
Grundhaltung der Stadt
Sharing ist ein neues – und gleichzeitig ein altes Phänomen. Denken wir nur an Bibliotheken, wo wir schon seit jeher das Tauschen von Büchern praktizieren. Der neue Begriff
„Sharing“ markiert deshalb insbesondere die große Bedeutung, die das Teilen im digitalen Zeitalter erhalten hat. Wir teilen Neuigkeiten auf Plattformen wie Facebook, Twitter oder Instagram. Wir teilen aber auch Bücher, Filme, Wohnungen, Autos, E-Bikes
oder technische Geräte über digitale Plattformen. Dieser Entwicklung kann man unterschiedlich gegenübertreten. Im Zusammenhang mit den Forschungen zu diesem Buch
wurden drei Haltungen identifiziert, die von Städten hauptsächlich eingenommen werden: Aktiv, reaktiv und beobachtend. Selbstverständlich sind die drei Haltungen in der
Realität nicht exakt anzutreffen, vielmehr treten sie in Mischformen auf. Die drei Typen
sollen beschreiben, also eher die Hauptstoßrichtung skizzieren, die die Stadt in Bezug
auf Sharing einnimmt. Ein Experte betonte beispielsweise, dass man sich als Stadt zwischen „gestalten“ und „verwalten“ entscheiden muss. Die drei typischen Grundhaltungen
können gekennzeichnet werden als: 1) Die Stadt als aktiver Gestalter; 2) die Stadt, die
bei Handlungsbedarf reagiert; 3) die Stadt als Beobachter von Sharing. Die Tabelle (vgl.
Tab. 6.1) gibt eine Übersicht über die drei Typen und ihre Hauptmerkmale.
Reaktives Verhalten von Städten ist oft dann zu beobachten, wenn unschöne Begleiterscheinungen der Digitalisierung, wie jene des verzerrten Wettbewerbs, zu offensichtlich werden. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Konkurrenz zwischen angestammten
Taxis und neuen Fahr-Service-Angeboten, wie z. B. Uber. Es geht Städten dann oft
darum, solche Begleiterscheinungen der Digitalisierung durch Regulierung in den Griff
zu bekommen. Dieses Verhalten ist auch in der nationalen Gesetzgebung erkennbar:
Weil in der Schweiz beispielsweise das Geldspielgesetz durch die Angebote im Internet leicht umgangen werden kann, hat der Bundesrat und das Parlament jüngst einen
virtuellen Grenzzaun rund um ein vermeintlich national kontrollierbares Internet diskutiert. Die Wirksamkeit solcher Netzsperren wird von Fachleuten stark angezweifelt,
weil das Internet zahlreiche Möglichkeiten bietet, diese zu umgehen. Es gilt deshalb
kritisch abzuwägen, ob es bei der Einführung neuer Regelungen tatsächlich, wie in
diesem Fall behauptet wird, um den Schutz der Spielsüchtigen geht, oder ob die Maßnahmen insbesondere traditionelle Kasinobetreiber vor neuer Konkurrenz schützen
60
6
Entwicklung einer Sharing-Strategie in Städten
Tab. 6.1 Übersicht Grundhaltungen der Stadt
Typen
Charakteristiken
Beispiele
Aktiv
Gestaltend
Schwerpunkte setzend
Kommentierend
Die Stadt bringt sich aktiv in das SharingGeschehen ein, indem sie selbst Sharing-Angebote
entwickelt. Stadträumlichkeiten werden beispielsweise außerhalb der Bürozeiten für Kulturanlässe
zur Verfügung gestellt. Sharing-Initiativen können auch finanziell oder mit Sachunterstützung
gefördert werden
Reaktiv
Aktiv bei Handlungsbedarf
Die Stadt reagiert, wenn durch Sharing-Initiativen
Handlungsdruck entsteht, und erlässt beispielsweise
Regulatorien im Hinblick auf die Vermietung von
Wohnungen auf Airbnb
Beobachtend Das Geschehen registrierend In der Stadt mag es Sharing-Initiativen geben, die
Stadt bleibt dahin gehend aber passiv. Stattdessen
wird die Entwicklung aktiv verfolgt
sollen (vergleiche dazu [1]). Regelungen, die beispielsweise der Buchungsplattform
booking.com verbieten wollen, ihre Geschäftsbedingungen so zu definieren, wie sie
das tut (dass die Hotelzimmer beispielsweise nirgendwo sonst im Internet günstiger
angeboten werden dürfen), werden hier als protektionistisch diskutiert, weil es den Hotels
weiterhin freigestellt ist, diesen Dienst in Anspruch zu nehmen. Die Balance zu finden,
zwischen dem Erhalt traditioneller, hochwertiger Services und dem Zulassen von innovativem Unternehmertum, dürfte für Städte in Zukunft eine zentrale Herausforderung darstellen. Erkannt wurde die Spannung in der Sharing Economy zwischen Regulierung und
Innovation vor einigen Jahren. Bereits 2014 veranstaltete der private Interessensverbund
der Sharing Economy Sharecon einen Anlass mit dem entsprechenden Titel „Regulation“.
Die beobachtende Haltung kann insofern interessant sein, als eine solche im
Zusammenhang mit der Förderung von Kreativität und Innovation in Städten positiv diskutiert wird. Die passive, beobachtende Haltung ermöglicht es externen Akteuren aus der
Bevölkerung und Wirtschaft, aktiv zu werden. Glaeser und Kerr (2010) [2] schlagen im
Zusammenhang mit unternehmerischen Städten deshalb sogar vor, dass die „wirtschaftlich
beste Strategie wäre, intelligente Leute zu finden und ihnen aus dem Weg zu gehen.“ [2].
6.3
Ziele
6.3.1
Überblick und Zielkategorien
Sharing kann die Ziele einer Stadt direkt oder indirekt unterstützen. Städte sollten
sich deshalb überlegen, welche Ziele mit Sharing verfolgt werden sollen. Ziele sollten
zumindest mit den übergeordneten Zielen der Stadt kompatibel sein – sie können diese
aber auch weiterführen oder ergänzen.
6.3
Ziele
61
Die Sharing Economy im urbanen Raum kann die Ziele einer Stadt fördern, aber
auch behindern. Sharing-Angebote wie beispielhaft Uber oder Airbnb können Strukturen
und Regeln, die Städte beispielsweise aus Sicherheitsgründen oder Gründen der Marktregulierung eingeführt haben, aushebeln. So führen subventionierte Stadtwohnungen
beispielsweise nicht zu sozialer Kohäsion, wenn diese illegal auf Airbnb untervermietet
werden. Business-Logiken kollidieren somit mit Logiken des öffentlichen Interesses.
Mit anderen Worten unterwandert eine zahlungsbereite Kundschaft die sozialen und
ökologischen Ziele der Stadt [3]. Cohen und Munoz (2016) [3] sehen hier die Möglichkeit, hybride Modelle zu entwickeln. Diese sollen sowohl die Logik der Marktkräfte als
auch soziale oder ökologische Ziele adressieren. Wollen Städte Sharing also aktiv mitgestalten, sollten sie deshalb nach Möglichkeit ökonomische, ökologische und soziale Ziele
im Blick haben. Aussagen aus den qualitativen Interviews bestätigen die Bedeutung
solcher hybriden Modelle für die Realisierung von Sharing: „Im Moment verharrt die
Verwaltung in der Verwaltungslogik. Die Unternehmen und Zivilgesellschaft hingegen
verharren in ihrer Logik. Stattdessen bräuchte es jemand, der die Kommunikation zwischen diesen Logiken organisieren könnte. […] Die Stadt muss sich in der Rolle vom
Kommunikator sehen. In die Richtung ‚intermediär‘ müsste es gehen.“
Wenn es darum geht, Ziele von Sharing festzulegen, kann eine Fokussierung auf die
Wirkung von Sharing in Bezug auf das nachhaltige Leben in Städten erfolgen. Die drei
Nachhaltigkeitsdimensionen (ökologisch, ökonomisch, sozial) dienen hier deshalb als
Grundstruktur für die Beschreibung von Sharing-Zielen. Ziele lassen sich deshalb auf
der ökologischen, auf der sozialen und auf der wirtschaftlichen Ebene beschreiben.
Eine positive Wirkung von Sharing Economy im Stadtraum sollte grundsätzlich auf
keine der drei Dimensionen eine negative Auswirkung haben. Sharing sollte sozial, ökologisch und ökonomisch sinnvoll sein. Es ist klar, dass es auch hier immer Vor- und
Nachteile abzuwägen gilt. Führt beispielsweise eine Initiative aus der Sharing Economy
zu Innovationen, ist abzuwägen, ob ein kurzfristiger ökonomischer Nachteil sich allenfalls längerfristig zu einem Vorteil entwickeln könnte.
Tab. 6.2 illustriert Nachhaltigkeitsziele mit Beispielen. Die Beispiele sind entsprechend den drei Ebenen der Nachhaltigkeit organisiert.
6.3.2
Ökonomische Ziele
Städte haben auf wirtschaftlicher Ebene unterschiedliche Ziele. Ein zentrales Ziel ist ein
hoher Beschäftigungsgrad in der Bevölkerung. Hierzu kann Sharing durch die Schaffung neuer Einkommensmöglichkeiten beitragen, insbesondere durch Peer-to-PeerPlattformen. Für die Stadt bedeutet dies eine Reduzierung der Sozialkosten.
Weiterhin ist die Innovationsfähigkeit der lokalen Wirtschaft ein Ziel von Städten. Viele internationale Innovationen sind im Bereich Sharing Economy angesiedelt.
Durch eine Fokussierung auf Sharing kann die lokale Wirtschaft einer Stadt an international relevanten Neuentwicklungen mitwirken. Die Folge ist die Absicherung der
62
6
Entwicklung einer Sharing-Strategie in Städten
Tab. 6.2 Exemplarische Ziele von Städten, die durch Sharing unterstützt werden können
Zielkategorie Ziel
Beispiel für mögliche Sharing-Wirkung
Ökonomisch Hoher Beschäftigungsgrad
Neue Einkommensmöglichkeiten für
Einwohner
In der Folge weniger Ausgaben für
Sozialleistungen
Sozial
Ökologisch
Innovationsfähigkeit der lokalen Wirtschaft
Förderung des Startup-Mikrokosmos im
Bereich Sharing Economy; Steuereinnahmen; Standortattraktivität
Profitabilität der lokalen Wirtschaft
Kosteneinsparungen durch geteilte
Ressourcen
Verbessertes Stadtbild durch bessere
Raumnutzung
Durch Parkplatz-Sharing und andere
Verkehrs-Sharing-Ansätze beispielsweise Notwendigkeit von weniger
Parkplätzen
Verbesserung der Mobilität in Randbezirken
Durch Sharing beispielsweise bessere
Verkehrsinfrastruktur in Gegenden oder
zu Zeiten, in/zu denen kein öffentlicher
Verkehr angeboten wird
Erhöhung der sozialen Interaktion
Durch Ansätze wie Wohn-Sharing oder
Eat-Sharing wird der soziale Austausch
erhöht und damit der Segregation entgegengewirkt
Generationen-Integration
Wohnkomplexe mit SharingElemente und insbesondere
Mehrgenerationen-Wohnen
Weniger Verkehr
Car-Sharing (wenn es zu weniger Autokäufen und nicht weniger ÖV-Nutzung
führt)
Weniger Ressourcenverbrauch durch
Unternehmen
Gemeinsame Verwendung von
Gebrauchsgütern; Weiterverwendung
von aussortierten Gegenständen
(„Second-Hand-Nutzung“) Dadurch
weniger Energie für Transport, für
Produktion und weniger Abfall
Weniger Ressourcenverbrauch durch
Private
Durch Sharing-Ansätze Wieder-/
Weiterverwendung von Gegenständen/
Ressourcen, z. B. gemeinsame Nutzung
von Gegenständen, Food-Sharing
Steuereinnahmen sowie die Sicherstellung der Standortattraktivität. Gerade auch das
Sharing von Ressourcen zwischen Unternehmen kann zu einer Stärkung der Wirtschaft
beitragen. Die Clustertheorie zeigt, wie Innovation und konventionelles Wirtschaftswachstum durch die Interaktion und den Austausch von Fachkräften und Forschungsressourcen erzeugt werden kann. Als Beispiel hierfür gilt das Silicon Valley [4].
6.3
Ziele
63
Auch die Profitabilität der lokalen Wirtschaft ist ein Ziel von Städten. Viele Einzelhändler an erstklassiger Lage in der Innenstadt sind oft mit hohen Mieten konfrontiert.
Dazu kommt der Online-Handel, der dem Einzelhandel zusetzt. Das Aufgeben der
Geschäftstätigkeit von lokalen Unternehmen und leerstehende Geschäftsräume in Innenstädten sind die Folge. Dies ist jedoch nicht im Interesse der Städte. Hier kann Sharing
auf der Kostenseite zur Profitabilität der lokalen Einzelhändler beitragen. Ein Beispiel
sind Shop-Sharing-Ansätze, durch die Einzelhändler ihre Mietkosten reduzieren können,
indem kleine Marken und Popup-Stores, die nicht das nötige Kapital haben, Verkaufsflächen an zentraler Lage anzumieten, sich bei bestehenden Einzelhändlern einmieten
(vgl. Abb. 6.2). Dies bietet viele Vorteile für alle Beteiligten. Das bestehende Unternehmen kann seine Ladenflächen optimaler nutzen, hat durch die Vermietung eine neue
Einnahmequelle und profitiert zudem von neuen potenziellen Kunden. Die Popup-Stores
profitieren von Präsenz an bester Lage, und die Straßen in den Innenstädten bleiben
attraktiv und belebt.
6.3.3
Soziale Ziele
Auch in sozialer Hinsicht kann Sharing einen Beitrag zu den Zielen einer Stadt leisten.
So kann das Ziel „Verbessertes Stadtbild durch bessere Raumnutzung“ durch Sharing
unterstützt werden. Durch Sharing-Ansätze, wie Wohn-Sharing oder Parkplatz-Sharing,
kann das Stadtbild durch eine verringerte Zahl benötigter Flächen für Parkplätze und
somit mehr Grünflächen verschönert werden [4, 5]. Weiterhin kann die Mobilität in
Randbezirken verbessert werden. Mit Sharing-Ansätzen kann ein schwaches Angebot
des öffentlichen Nahverkehrs in bestimmten Gegenden oder zu bestimmten Zeiten
kompensiert werden. Dadurch wird die Integrationsfähigkeit der Einwohner dieser
Gegenden erhöht. Viele Städte streben die Erhöhung der sozialen Interaktion an, sprich
den Austausch in der Bevölkerung generell oder zwischen bestimmten Bevölkerungsgruppen speziell. Der Grad der sozialen Interaktion wird generell als Quelle von sozialer
Stabilität gesehen und einer Stärkung der Gesellschaft gegenüber potenziellen negativen
Einflüssen. Auch der soziale Austausch zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen,
z. B. unterschiedlicher Herkunft, erhöht die Integration verschiedener Subgruppen und
damit die Stabilität der Gesellschaft. Ein Teilziel diesbezüglich ist auch die Integration
der Generationen, insbesondere sicherzustellen, dass ältere Mitglieder der Gesellschaft
nach wie vor am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Hier können beispielsweise Wohn-Sharing-Ansätze im Sinne eines Mehrgenerationen-Wohnens einen Beitrag
leisten. Bei solchen Ansätzen wohnen bewusst jüngere und ältere Generationen in einem
Mehrfamilienhaus bzw. einem gesamten Wohnkomplex und unterstützen sich gegenseitig. Beispielsweise übernehmen Jüngere Einkaufsgänge für Ältere, und Senioren übernehmen die Kinderbetreuung für junge Familien.
64
6
Entwicklung einer Sharing-Strategie in Städten
Abb. 6.2 Beispiel Shop-Sharing in Basel. (Quelle: 20min.ch)
Beispiel: Mehrgenerationenhaus Giesserei in Winterthur
In der „Giesserei“, einem Mehrgenerationenhaus, wohnen Menschen aller Altersgruppen und Lebensformen. Die nach ökologischen Grundsätzen errichtete Überbauung
umfasst rund 150 Wohnungen und diverse Gewerberäume verschiedenster Größen
und bietet rund 300 Menschen ein Zuhause. Den Kern bildet eine altersdurchmischte
6.3
Ziele
65
Siedlung, die das Verständnis zwischen den Generationen und die Solidarität unter den
Bewohnern fördert. Dazu gehört auch die Integration von unterstützungsbedürftigen
Personen, für die ebenfalls Wohn- und Arbeitsraum zur Verfügung steht. Alle Bewohner
übernehmen, soweit sie dazu in der Lage sind, 36 Arbeitsstunden im Jahr, um gemeinschaftliche Aufgaben zu erledigen. Eine vielfältige Gemeinschaftsinfrastruktur, zu der
u. a. Veranstaltungsräume und Werkstätten gehören, bietet die räumliche Voraussetzung
für alle möglichen Aktivitäten, die das Zusammenleben in der Siedlung bereichern
(www.giesserei-geswo.ch).
6.3.4
Ökologische Ziele
Gerade vor dem Hintergrund von Suffizienz ist die ökologische Nachhaltigkeit eine
zentrale Wirkung von Sharing. Ökologische Wirkungen, welche die der Nutzung von
Sharing-Economy-Angeboten zugeschrieben werden, sind vor allem Ressourceneffizienz
und Ressourcenschonung. Ökologische Nachhaltigkeit kann dadurch entstehen, dass
bereits existierende Ressourcen mehrfach genutzt werden und die Anschaffung weiterer Ressourcen vermieden wird. Auch verschiedene Sharing-Initiativen sind mit diesem
Ziel entstanden. Ein typisches Ziel von Städten ist die Reduzierung des Verkehrs in der
Stadt. Dadurch würden diverse Wirkungen erzielt, angefangen von weniger Energieverbrauch über weniger Umweltverschmutzung zu weniger Verkehrsrisiken. Verschiedene
Sharing-Ansätze im Mobilitätsbereich können dieses Ziel unterstützen. Weiterhin streben viele Städte eine Reduzierung des Ressourcenverbrauchs durch Unternehmen an.
Sharing-Ansätze im gewerblichen Bereich, die beispielsweise die gemeinsame Nutzung
von Werkzeugen durch benachbarte Unternehmen ermöglichen, können hierzu beitragen.
Auch eine Reduzierung des Ressourcenverbrauchs durch Private kann mit SharingAnsätzen forciert werden. Durch Plattformen wie sharely.ch, auf denen Alltagsgegenstände getauscht und vermietet werden, oder durch Food-Sharing-Plattformen kann der
Ressourcenverbrauch verringert werden.
6.3.5
Kontext
Der Kontext beschreibt, auf welchen Ebenen Sharing allgemein oder eine bestimmte
Sharing-Initiative wirken sollen. Geografische, topografische, meteorologische Aspekte
oder Gegebenheiten wie Bevölkerungsdichte oder sozioökonomische Kriterien der
Bewohner haben Einfluss auf die Möglichkeiten einer Sharing-Initiative. So wirkt
sich eine flache Topografie beispielsweise günstig auf das Bike-Sharing aus [6]. Beim
Car-Sharing spielt die Bevölkerungsdichte eine Rolle. Je dichter ein Gebiet bewohnt ist,
desto größer sind die potenzielle Nachfrage und dementsprechend auch das Angebot [7].
Insgesamt wirken sich Merkmale des urbanen Raums, wie allgegenwärtige Informationsund Kommunikationstechnologie sowie die Bevölkerungsdichte, positiv auf die Nutzung
66
6
Entwicklung einer Sharing-Strategie in Städten
von Sharing-Economy-Angeboten aus. Teilweise können Sharing-Angebote auch
bestimmte Teile einer Stadt betreffen. Von den in der Presse stark diskutierten negativen
Wirkungen von Airbnb auf den Wohnungsmarkt sind in großen Städten, wie Zürich oder
Berlin, meist nur bestimmte Stadtviertel betroffen. Auch im Hinblick auf positive Wirkungen können Sharing-Ansätze eine unterschiedliche Relevanz in unterschiedlichen
Teilen der Stadt haben. Garten-Sharing-Ansätze sind beispielsweise eher für Bezirke der
Innenstadt relevant.
Eine wichtige Entscheidung in Bezug auf den Kontext der Sharing-Strategie sind
damit die Kontextebenen, die bei einzelnen Entscheidungen relevant sind. Folgende Ebenen können dabei differenziert werden:
•
•
•
•
•
Greater Area
Stadt
Quartier
Straße
Wohnkomplex/-gebäude
Übergeordnet spielen auch der Charakter einer Stadt und die vorhandenen wirtschaftlichen Strukturen eine Rolle. In einer eher konservativ geprägten Stadt ist die Verbreitung
von Sharing als innovatives Konzept schwieriger als in einer Stadt, die primär ökologisch
orientiert ist und schon immer viel experimentiert hat. Die wirtschaftlichen Strukturen
einer Stadt, bspw. ob die Wirtschaft mehrheitlich von Kleingewerbe oder von großen
Einzelhändlern geprägt ist, oder ob klassische Strukturen die lokale Wirtschaft auszeichnen, können das Aufkommen oder Wegbleiben von Sharing-Initiativen beeinflussen.
Beispiel: Sharing City Seoul – Städtische Probleme lösen durch Sharing
Die „Sharing City“ Seoul mildert unterschiedliche soziale Probleme durch die Förderung geteilter Nutzung von öffentlichen und privaten Ressourcen. Gleichzeitig wird
bürgerliches Engagement und die Unterstützung lokaler Unternehmen gefördert.
Die Städtische Regierung Seouls lancierte die „Sharing City Seoul Initiative“,
um die Grundlage für Sharing aufzubauen und zu erweitern. Es besteht ein Plan,
um Sharing-Projekte zu implementieren, die engen Bezug zum städtischen Leben
der Bürger/innen aufweisen. Die Regierung sieht die „Sharing City Seoul Initiative“
als Maßnahme zur sozialen Innovation. Sie ist konzipiert, um neue ökonomische
Möglichkeiten zu kreieren, um verlässliche Beziehungen wiederherzustellen und
um Abfall und Ressourcenverbrauch zu reduzieren, mit Blick auf die Lösung von
ökonomischen, sozialen und ökologischen Problemen im städtischen Raum.
Die Sharing City ist eine Kollaboration von verschiedenen Parteien. Die Regierung entwickelt und implementiert unterschiedliche Strategien und Politiken, die die
Grundlage der „Sharing City Initiative“ bilden. Unternehmen und Organisationen
teilen ihre Erfahrungen und beteiligen sich an gemeinschaftlichen Sharing-Projekten.
6.3
Ziele
67
Der ShareHub vermarktet durch online- und offline-Kanäle die positiven Wirkungen
von Sharing gegenüber der Bevölkerung und verbindet die städtische Regierung, die
Unternehmen und Bürger/innen miteinander (http://english.sharehub.kr/).
6.3.6
Stakeholder
Sharing ist ein Querschnittsthema, das in einer Stadtverwaltung unterschiedliche
Abteilungen betrifft. Zusätzlich betrifft es auch unterschiedlichste Stakeholder außerhalb
der Stadtverwaltung, wie das Gewerbe, Vereine und Verbände sowie Einwohnerinnen
und Einwohner. Es empfiehlt sich, die Betroffenen sinnvoll einzubinden und frühzeitig
zu „Mitgestaltern“ zu machen, wenn eine Sharing-Initiative in einer Stadt eine positive
Wirkung entfalten soll. Dabei sind folgende „Stakeholder-Gruppen“ zu berücksichtigen:
Einwohner Ihre Einbeziehung ist wichtig, da eine Verbreitung des Sharing davon
abhängig ist, dass sich möglichst viele Einwohner daran beteiligen. Eine frühzeitige Einbindung im Rahmen der Sharing-Strategie kann dazu beitragen, das Sharing in der Stadt
eher an den Bedürfnissen der Bevölkerung auszurichten und damit eine Beteiligung an
für die Stadt sinnvollen Sharing-Ansätzen frühzeitig sicherzustellen.
Stadt-Administration Die Mitarbeitenden der Stadt kennen die Erfahrungen, Herausforderungen, Probleme und Lösungsmöglichkeiten in ihrem Funktionsbereich. Die
Angestellten des Umweltamtes beispielsweise sind Fachleute in diesem Gebiet und
haben einen Überblick über Initiativen, die mit Umweltthemen zu tun haben. Ihr Einbezug stellt sicher, dass auf Sharing-Ansätze fokussiert wird, die eine positive
Umweltwirkung haben können. Gleiches gilt für weitere Funktionen innerhalb der Stadtorganisation, wie Quartiersentwicklung, Verkehr, Wirtschaft usw. So können die verschiedenen Zielkategorien durch die verschiedenen Fachleute der Stadt-Administration
abgedeckt werden. Die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung haben gleichzeitig einen
Vorbildcharakter gegenüber der Bevölkerung und können somit bei entsprechender
Einbeziehung – im Sinne der „sozialen Norm“ als wichtigem Einflussfaktor der
Sharing-Nutzung – die Nutzung der Sharing-Ansätze mitunterstützen.
Sharing-Initiativen Sharing-Initiativen spielen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung
und Umsetzung einer Sharing-Strategie in der Stadt. Meist gibt es in den Städten bereits
Sharing-Initiativen. Dies können Online-Plattformen sein, sei es nationale oder internationale Plattformen, die eben auch in der betroffenen Stadt Anwendung finden, oder
lokale Plattformen. Außerdem können „Offline“-Initiativen eingebunden werden, sei
es neuere (wie z. B. Ostsinn in St.Gallen) oder traditionelle Initiativen (z. B. Quartiersbibliothek). Die Einbeziehung von Sharing-Initiativen stellt sicher, dass bereits gemachte
Erfahrungen im Sharing-Bereich für die Sharing-Strategie der Stadt genutzt werden.
68
6
Entwicklung einer Sharing-Strategie in Städten
Zudem wirkt sich ein solch kooperativer Ansatz positiv auf die Motivation der Sharing-Initiativen und ihre Mitwirkung bei der Strategieentwicklung und -umsetzung aus.
Lokale Wirtschaft/Verbände Von der traditionellen lokalen Wirtschaft wird Sharing –
falls überhaupt wahrgenommen – bisher eher negativ betrachtet. Insbesondere Branchen,
die von Sharing-Ansätzen konkurrenziert werden, wie dies beispielsweise bei der Hotelbranche durch Airbnb oder bei Taxis durch Uber der Fall ist, haben eine eher ablehnende
Haltung. Durch entsprechende Berichterstattung ist auch in der breiteren Öffentlichkeit
teilweise eine negative Sicht auf die Sharing Economy zu beobachten. Dabei kann die
Sharing Economy Chancen für die bestehende Wirtschaft mit sich bringen. Beispielsweise ist es vorstellbar, dass durch Sharing-Ansätze in bestimmten Produktkategorien
einheimische höherpreisige Produkte im Vergleich zu „Billigimporten“ mehr Verbreitung
finden könnten. Die Aufgabe einer Sharing-Strategie in Bezug auf die bestehende Wirtschaft kann es zunächst sein, diese dabei zu unterstützen, bestehende Chancen zu nutzen.
Dies kann beispielsweise durch Shop-Sharing-Ansätze zur Belebung der Innenstädte
geschehen oder durch Seminarangebote im Sinne von „Innovationspotenzialen durch
Sharing“. Gleichzeitig kann es sinnvoll sein, Widerstände gegen Sharing-Entwicklungen,
die sich positiv auf die Stadt insgesamt auswirken können, abzubauen, und gleichzeitig
die lokale Wirtschaft dabei zu unterstützen, sich auf neue Entwicklungen einzustellen.
Einer Stadt hilft es mittelfristig meist nicht, wenn sich die lokale Wirtschaft auf alten
Gepflogenheiten ausruht und sich nicht weiterentwickelt.
Ein solcher Einbezug der Stakeholder kann auch institutionalisiert werden, beispielsweise als Sharing Promotion Committee oder Sharing Hub, etc. in dem alle
erwähnten Stakeholder-Gruppen mit einer Person Einsitz haben und sich regelmäßig zu
Sharing-Initiativen in der Stadt austauschen. Dabei geht es unter anderem auch darum,
zwischen unterschiedlichen Stakeholder-Gruppen Vertrauen zu entwickeln und damit die
mit den Stadtzielen übereinstimmenden Sharing-Initiativen grundlegend zu fördern.
Datenschützer Für Sharing-Anbieter sind Daten unabkömmlich. Ohne das Sammeln
von Informationen über die Nutzer kann z. B. ein Freefloating-Car-Sharing-Anbieter
nicht wissen, welche Person wann wie lange und wie weit und wohin gefahren ist.
Nur mit diesen Informationen kann die App anzeigen, wo sich das erstbeste Fahrzeug
befindet. Der Einbezug eines Datenbeauftragten bei neu auftretenden Sharing-Anbietern
ist wichtig, um Klarheit zu schaffen, welche Daten erhoben werden dürfen und wie sie
ausgewertet resp. weiterver-wertet werden dürfen.
Beispiel: Sharing partizipativ angehen -Ein konkretes Projekt aus dem Quartier
Remishueb der Stadt St.Gallen
Das Quartier Remishueb der Stadt St. Gallen ist ein Pilotquartier der Stadt St.Gallen
im Rahmen der Smart-City-Initiativen der Stadt. In diesem Kontext ist auch Sharing immer wieder Thema, etwa in den bearbeiteten Themenclustern Partizipation,
Mobilität, Wohnen, Energie und Ökologie sowie unter dem Dach der Remis-App, die
6.3
Ziele
69
im Rahmen des Pilotquartier-Projektes entwickelt werden soll. Ziel ist es, als Stadt
gemeinsam mit der Bevölkerung einen Beitrag zur „schlauen Remishueb“ zu leisten. Bestehende Strukturen sollen sinnvoll miteinander verbunden, bestehende Infrastrukturen genutzt und eingebunden werden. Mit diesem Ziel wurde gemeinsam mit
der Bevölkerung eine Vision der Remishueb für das Jahr 2036 entwickelt und es
wurde zu jedem Themencluster eine Arbeitsgruppe initialisiert.
Die koordinative Funktion übernimmt pro Arbeitsgruppe ein Mitglied der Stadtverwaltung. Die Arbeitsgruppen setzen sich durchmischt zusammen aus Quartierbewohnern, ansässigen Unternehmen und Institutionen.
Angelaufen ist die Integration des Quartiers im September 2016 mit dem ersten
Quartiersworkshop. Am zweiten Quartiersworkshop im August 2017 wurden von
einzelnen Projektgruppen konkrete Umsetzungsziele inkl. Projektanträge definiert
und parallel eine entsprechende Organisation aufgebaut. Zwischenzeitlich wurde
vom Stadtrat auch ein Chief Digital Officer gewählt. Mit der Querschnittsstelle soll in
einem solch partizipativen Projekt auch die Übereinkunft mit den Strukturen der Stadt
ermöglicht werden.
Im Rahmen des zweiten Workshops fällt die partizipative Haltung der Stadt
auf. Einerseits tritt diese selbst sehr aktiv im Bereich Infrastrukturförderung auf
(eine zusätzliche Fotovoltaik-Anlage wird installiert, ein Standort für ein SharingElektroauto wird zur Verfügung gestellt, eine neue Überbauung mit dem Dachkonzept
„Generationen-Wohnen“ wird für die noch vorhandenen Baulandreserven des Quartiers, die der Stadt gehören, geprüft). Andererseits wird das Quartier in die gesamte
Ideenentwicklung von Anfang an einbezogen. So präsentieren dann – neben Stadtvertreterinnen und -vertretern – vor allem Quartierbewohnerinnen und -bewohner die konkreten Umsetzungsziele und zu prüfenden Projektanträge zu den Themen Partizipation,
Mobilität, Wohnen, Energie, Ökologie und Remishueb-App. Auch für das proaktive
Zugehen auf die Medien wird eine Vertretung aus dem Quartier gesucht. Der Workshop
zeigt sich dann auch als Austauschplattform, die den Austausch sowohl zwischen Vertretern und Vertreterinnen der Stadt und den Quartierbewohnerinnen und -bewohnern
sowie dem hier ansässigen Gewerbe (insbesondere der Klinik Stephanshorn), als auch
zwischen den einzelnen Ämtern der Stadt ermöglicht. Wo am Anfang auch Konfliktpunkte standen, wie beispielsweise ein erhöhtes Verkehrsaufkommen durch die
quartiersansässige Klinik Stephanshorn, hat das Projekt bereits eine wesentliche Entwicklung geleistet: Es hat Dialogkultur entwickelt, wie es der Vertreter der Klinik
Stephanshorn treffend auf den Punkt bringt.
6.3.7
Sharing-Angebote
Es besteht eine Vielzahl möglicher Sharing-Ansätze und -Angebote (vgl. Kap. 2). Teilweise handelt es sich um Sharing-Ansätze, die in der Stadt bereits existieren, teilweise
um Ansätze, die „im Markt“ vorhanden sind, noch nicht aber in der eigenen Stadt
70
6
Entwicklung einer Sharing-Strategie in Städten
angeboten werden. Zudem kann es sinnvoll sein, für die Ziele der Sharing-Strategie neue
Sharing-Angebote zu entwickeln. In der Sharing-Strategie geht es darum, die Ansätze
auszuwählen, die für die Stadt am relevantesten und daher zu priorisieren sind. Dabei
bietet sich eine Orientierung an den Zielen der Sharing-Strategie an. Ausgehend von
den festgelegten Zielen können die Sharing-Ansätze identifiziert werden, die am ehesten
einen Beitrag zur Zielerreichung leisten. Wenn beispielsweise der Verkehr eine Herausforderung in einer Stadt ist, können Ansätze wie Car Pooling relevant sein. Ebenso spielen die Stakeholder eine Rolle. Wenn mit/für bestimmte Stakeholder Sharing als Ansatz
eingesetzt werden soll, liegen jene Ansätze näher, die einen Beitrag zur Erfüllung der
jeweiligen Stakeholderbedürfnisse leisten.
Bei der Bewertung und Priorisierung der Sharing-Ansätze kann folgendermaßen vorgegangen werden:
1. Erstellung einer Liste mit Sharing-Ansätzen: Hierbei können sowohl in der Stadt existierende als auch noch nicht existierende Ansätze aufgenommen werden. Wenn es beispielsweise weniger Gärten in einer Stadt gibt, würde man „Garten-Sharing“ in die
Liste aufnehmen, auch wenn dieser Ansatz noch nicht angeboten wird.
2. Bewertung der Ansätze anhand spezifischer Kriterien: In einem nächsten Schritt werden die ausgewählten Ansätze bewertet. Kriterien hierfür können sein:
a) Relevanz-Kriterien, die angeben, wie wichtig ein Ansatz für die Stadt und die
Stakeholder ist, z. B. Beitrag zu einer wichtigen Problemlösung, Kompatibilität
mit Zielen.
b) Umsetzungs-Kriterien, bei denen es darum geht, wie realistisch die Umsetzung des
Sharing-Ansatzes ist.
Die Bewertung erfolgt beispielsweise anhand einer Skala von 1 („trifft überhaupt
nicht zu“) bis 10 („trifft sehr zu“).
3. Gegenüberstellung der Relevanz- und Umsetzungskriterien
4. Priorisierung von Sharing-Ansätzen/-Angeboten
Durch die Gegenüberstellung der Relevanz- und der Umsetzungskriterien erfolgt eine
zweidimensionale Bewertung von Sharing-Ansätzen. Die Bewertung von SharingAnsätzen kann für unterschiedliche Städte unterschiedlich ausfallen. Die Logik wird hier
dennoch verallgemeinert anhand von vier Sharing-Ansätzen erläutert.
Im Telekommunikationsbereich wird/wurde lange ein WLAN-Sharing diskutiert. Die
Idee ist dabei, dass WLAN-Nutzer ihr WLAN Anderen bereitstellen, z. B. indem das
eigene WLAN für Passanten frei verfügbar wäre. Dadurch könnte im Extremfall eine flächenmäßige Abdeckung mit WLAN sichergestellt werden. Die Umsetzbarkeit ist hier eher
tief. Zu viele rechtliche und Sicherheitsbedenken würden Individuen von einer Beteiligung
abhalten. Gleichzeitig wird die Relevanz zunehmend geringer. Durch die Durchsetzung
von Flatrates im mobilen Internet und/oder die öffentliche Bereitstellung von Hotspots
wird das Aufwand-Nutzen-Verhältnis eines WLAN-Sharing immer schwächer.
6.3
Ziele
71
Ein Sharing-Ansatz, der relativ leicht umsetzbar ist, sind sog. „Park-Bibliotheken“,
öffentliche Schränke, beispielsweise in Parks, aus denen Bücher ausgeliehen werden
können und gleichzeitig eigene Bücher Anderen zur Verfügung gestellt werden können.
Ein solches Angebot ist relativ leicht umsetzbar. Gleichzeitig ist die Relevanz für Städte
und das Stadtleben relativ gering. Es ist eine „nette Idee“, die der Stadt aber kaum bei
der Bewältigung ihrer Herausforderungen hilft.
Genau das Gegenteil ist beispielsweise bei „Food-Sharing“ der Fall. Die Gesellschaft
insgesamt und damit auch Städte speziell müssen dem Food Waste Einhalt gebieten.
Food-Sharing-Ansätze sind dabei eine mögliche Lösung. Die bisherigen Ansätze sind
allerdings nur als erste Schritte zu sehen: Beispielsweise „offene Kühlschränke“, in
denen Einwohner Nahrungsmittel, die sie nicht mehr benötigen, einlegen können;
Restaurants, die, bevor die Küche abends schließt, Suppen zu reduzierten Preisen ausgeben; Plattformen, auf denen Private andere Privaten, Geschäftsleute oder Touristen
zum Lunch oder Dinner zu sich „einladen“. Damit mit solchen Ansätzen in der Breite
Food Waste eingeschränkt wird, sind noch einige Entwicklungsschritte erforderlich. Die
Umsetzbarkeit scheint also noch eingeschränkt – auch wenn die Relevanz als hoch einzustufen ist.
Ein Sharing-Ansatz, der eine hohe Relevanz hat und leicht umsetzbar, ist beispielsweise Bike-Sharing. Die leichte Umsetzbarkeit lässt sich aktuell auch daran beobachten,
dass „geteilte Fahrräder“ aktuell in den Städten aus dem Boden schießen. Gleichzeitig
ist die Relevanz hoch: Für jede Stadt wäre es sinnvoll, mehr Verkehr von motorisierten
Fahrzeugen auf Fahrräder zu bringen. Und Bike-Sharing kann eine solche Entwicklung
unterstützen. Gleichzeitig besteht hoher Handlungsbedarf, wie die negativen Wirkungen
einiger Bike-Sharing-Anbieter wie oBike (vgl. Abb. 6.3), aber ebenso die häufig schwache Infrastruktur zum Fahrradfahren deutlich machen.
Es zeigt sich, dass eine Bewertung von Sharing-Angeboten nach Relevanz und
Umsetzbarkeit hilfreich sein kann, um Handlungsmöglichkeiten sowie -bedarf zu identifizieren und auf dieser Basis eine Priorisierung von Sharing-Ansätzen vorzunehmen. Das
Ergebnis der Priorisierung kann in jeder Stadt unterschiedlich ausfallen, gerade eben
abhängig von den Kontexten, Zielen und Stakeholdern in der Stadt.
Die Darstellung hier geht von einem eher proaktiven Vorgehen der Stadt aus, indem
Sharing-Ansätze ausgewählt werden sollen, die beispielsweise gefördert werden oder
nicht. Daneben ist eine reaktive Herangehensweise denkbar. Diese ist dann relevant,
wenn bestimmte Sharing-Angebote in einer Stadt auftreten und sich die Stadt fragt, ob
diese nun wünschenswert und sinnvoll sind oder nicht.
6.3.8
Maßnahmen
Städten stehen verschiedene Maßnahmen zur Verfügung, mit denen sie das Sharing in
der Stadt forcieren oder auch beschränken können. Diese Maßnahmen lassen sich in vier
Maßnahmenkategorien einteilen (vgl. Abb. 6.4).
72
6
Entwicklung einer Sharing-Strategie in Städten
Abb. 6.3 Beispiel oBike Zürich. (Quelle: Tages Anzeiger)
Maßnahmenkategorien einer
Sharing-Strategie
Positionieren
Regulieren
Abb. 6.4 Maßnahmen der Sharing-Strategie
Fördern
Vorleben /
Inspirieren
6.3
Ziele
73
1. Positionieren
Eine Herausforderung vieler lokaler Sharing-Initiativen ist die mangelnde Verbreitung
und Bekanntheit. Oder wenn sie bekannt sind, bestehen dennoch Barrieren für potenzielle Nutzer, beispielsweise mangelnde Kenntnis über die Funktionsweise oder Scheu
vor dem Zeitaufwand, der mit der Auseinandersetzung mit dem Sharing-Angebot einhergeht. Städte können Sharing-Initiativen und damit das „Shared City Life“ fördern
und unterstützen, indem sie eine Positionierung der Sharing Community in der Stadt
beflügeln. Hierzu sind beispielsweise folgende Maßnahmen denkbar:
• Kommunikative Positionierung: Unterstützung bei der Positionierung von
Sharing-Angeboten über einen coolen Lifestyle („wer Sharing nutzt, ist cool“).
Bei den Kommunikationsbotschaften sollen zudem der emotionale, soziale, ökonomische und funktionale Nutzen, die als Hauptmotive für die Sharing-Nutzung
bekannt sind, in den Vordergrund gestellt werden.
• Schaffen einer Sharing-Plattform, die online und/oder offline Sharing-Interessierte
vernetzt und damit eine Sharing-Community bildet, die sich regelmäßig trifft und
austauscht. Damit würde das Vertrauen zwischen den einzelnen Sharing-Aktiven und
damit auch die Interaktionen gefördert.
• Bündeln von Sharing-Angeboten, z. B. auf einer Online-Plattform „Sharing in unserer Stadt“: Eine solche Initiative würde ebenfalls bei der Bekanntmachung von
Sharing-Angeboten helfen.
• Positionierung zu Sharing in wichtigen Strategiepapieren aus Bereichen wie Stadtentwicklung, Mobilitätskonzept etc.
Beispiel: München erprobt Sharing-Systeme in Modellquartieren
Weniger Verkehr mit weniger Emissionen für mehr Lebensqualität mit besserer
Mobilität – so lautet das Ziel des Forschungsprojekts „City2Share“. Von 2016 bis
2020 untersuchen zehn Partner aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft in ausgewählten Innenstadtrandgebieten Münchens den Erfolg neuer Konzepte auf Basis
der e-Mobilität.
City2Share verbindet in einem völlig neuen Ansatz Multimodalität, urbane
Elektromobilität, autonomes Fahren, e-Car-Sharing und Bike-Sharing mit der
Erhöhung der Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum. In München wird dieser
Ansatz in den Modellquartieren Untersendling und Isarvorstadt erprobt. Dort arbeitet die Stadt mit verschiedenen Partnern an einem Angebot von integriertem Individual und Lieferverkehr. Mittels Partizipation werden Konzepte und Lösungen und
deren Wirkungen gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern, Anwohnerinnen und
Anwohnern sowie dem Einzelhandel diskutiert und umgesetzt. Es folgen Tests zur
Akzeptanz der Nutzer und zur verkehrlichen Wirkung (www.city2share.de).
74
6
Entwicklung einer Sharing-Strategie in Städten
2. Regulieren
Selbst wenn Städte sich nicht aktiv an der Sharing Economy beteiligen möchten, können
sie durch das Gestalten der Rahmenbedingungen von Sharing die Entwicklung des Shared City Life wesentlich beeinflussen. Hierzu sind beispielsweise folgende Maßnahmen
denkbar:
• Ausgestaltung der Nutzungsbedingungen des öffentlichen Raumes, z. B. zur Zulassung
geteilter Fahrzeuge auf öffentlichen Parkplätzen
• Ausgestaltung von Zulassungsverfahren für neue Sharing-Anbieter, welche den
öffentlichen Raum kommerziell nutzen wollen.
• Ausgestaltung von Vorgaben zu Arbeitsgesetzen, Steuern und Sozialversicherungen
sowohl auf Nutzer- als auch auf Anbieterseite
„Regulierung“ hat jedoch meist einen negativen Touch, sie wird als Beschränkung
angesehen. Bei der öffentlichen Diskussion zur Sharing Economy wird auch häufig nach
Regulierung gerufen. Im Tourismusbereich, Stichwort Airbnb, wird häufig gefordert,
dass für Airbnb-Angebote die gleichen Regeln gelten müssten wie für Hotels, z. B. im
Hinblick auf Hygienevorschriften. Oder in Bezug auf „Ride Selling“, Stichwort Uber,
wird von Taxiverbänden gefordert, dass Uber-Fahrer die gleichen Anforderungen
erfüllen müssten wie Taxifahrer (vgl. Abb. 6.5).
Diese „Negativ-Regulierung“ hat teilweise ihre Berechtigung, wenn Sharing-Ansätze dem Gemeinwohl, oder spezifischer ausgewählten Stakeholdern der Stadt in ökologischer, ökonomischer oder sozialer Hinsicht schaden. Stark diskutiert werden solch
negative Effekte beispielsweise im Hinblick auf die Vermietung von Wohnungen über
Airbnb. Hierzu müssen unterschiedliche Nutzungsformen von Airbnb unterschieden werden: Eine typische „Sharing“-Anwendung von Airbnb ist es, wenn die eigene Wohnung
während der eigenen Ferien weitervermietet wird. Der Wohnraum würde ansonsten nicht
genutzt. Häufig und zunehmend werden über Airbnb aber auch Wohnungen vermietet,
die dadurch dem regulären Wohnungsmarkt entzogen werden. Dadurch entstehen negative soziale und ökonomische Wirkungen. Viertel werden zersiedelt und die Mietpreise
in diesen Vierteln steigen. In einem solchen Fall kann es im Interesse der Stadt sein, die
Nutzung der Sharing-Plattform eher zu beschränken.
Beispiel: Airbnb führt zu Wohnungsnot und höheren Mietpreisen
London, UK
Obwohl in Großbritannien der Anteil an Airbnb-Unterkünften am gesamten
Wohnungsmarkt relativ gering ist, korreliert in Großbritannien eine Zunahme von
Airbnb-Angeboten moderat mit einem Anstieg der Mietpreise seit 2011. Eine Untersuchung zu den Angeboten in London kommt zum Schluss, dass bis zu 13.000
Wohnobjekte aufgrund ihrer Nutzung für kurzfristige Vermietungen nicht für den
normalen Mietmarkt zur Verfügung stehen. Insgesamt 38 % der Angebote werden von
Anbietern inseriert, die mehr als ein Objekt verwalten, und rund 61 % der Angebote
stand für mehr als 90 Tage zur Verfügung.
6.3
Ziele
75
Abb. 6.5 Beispiel Uber-Verbot in Frankreich. (Quelle: Handelszeitung)
Vancouver, Kanada
In Vancouver zeigt sich, dass im Dezember 2015 die Mehrzahl der Anbieter nur ein
Objekt auf Airbnb anboten, jedoch die Anzahl von Anbietern mit mehr als einem
Inserat auf 35 % angestiegen ist. Insgesamt wurden 22 % aller Angebote sowohl
regelmäßig wie auch häufig gebucht und waren beinahe ganzjährig verfügbar und
damit mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit rein kommerziell genutzt. Diese 22 %
des Angebots entsprechen rund 1000 Objekten, oder 1,25 bis 1,77-mal mehr als im
gleichen Zeitraum verfügbare Mietwohnungen vorhanden waren. Es erscheint daher
gegeben, dass diese Angebote dem Mietmarkt entzogen wurden und allenfalls auch
die Mietpreise beeinflussen.
Boston, MA, USA
Obwohl in Boston im Oktober 2015 82 % der Airbnb-Anbieter jeweils nur ein
Angebot auf der Plattform hatten, verfügten die 18 % der Anbieter mit mehr als einer
76
6
Entwicklung einer Sharing-Strategie in Städten
ausgeschriebenen Unterkunft über rund 46 % des gesamten Angebotes. Dies lässt die
Vermutung zu, dass viele dieser Objekte ansonsten normal vermietet worden wären.
Eine weitergehende Analyse ergibt, dass eine Zunahme von Airbnb-Objekten zu einer
durchschnittlichen Zunahme der (geforderten) Mietpreise um 0,4 % führte, wobei die
Zunahme bei den obersten 10 % sogar zwischen 1,3 % bis 3,1 % lag. Zudem ist ein
Anstieg (innerhalb der Standardabweichung) der Airbnb-Angebote mit einer Reduktion von 5,9 % der angebotenen Mietobjekte korreliert [8].
Die Stadt kann allerdings auch Regelungen im Sinne einer „Positiv-Regulierung“ festlegen. In dem Fall werden Rahmenbedingungen so gestaltet, dass sie die Entwicklung
von Sharing fördern. Beispiele hierfür sind „Extraspuren“ für Fahrgemeinschaften oder
die Erlaubnis für Fahrgemeinschaften, die Busspur zu nutzen. Fahrgemeinschaften sind
eine Form von Mobilitäts-Sharing, entweder privat gebildet oder über „Ride-Sharing“und Carpooling-Plattformen wie BlaBlaCar. Fahrgemeinschaften haben grundsätzlich
positive Wirkungen, vor allem in ökologischer Hinsicht (in ökonomischer Hinsicht können sie natürlich für die Autoindustrie negativ sein). Gleichzeitig wirken sie der Convenience in der individuellen Mobilität entgegen. Daher werden sie weniger genutzt, als es
sich manche öffentlichen Gestalter wünschen. Die genannten Extraspuren bieten einen
funktionalen Nutzen, sie verbessern die Funktionalität des Verkehrs für die Reisenden in
Fahrgemeinschaften. Dies kann als Anreiz wirken, in Fahrgemeinschaften unterwegs zu
sein – privat gebildet oder über Plattformen.
Fahrgemeinschaftsspuren
In den USA sind Fahrgemeinschaftsspuren – HOV Lanes (High Occupancy Vehicle), wie sie in
den USA genannt werden – schon lange im Einsatz und ihr Netz umfasst rund 5000 km. Damit
Fahrzeuge diese Spur nutzen können, müssen mindestens zwei, manchmal auch drei oder mehr
Personen im Auto sitzen. In Europa sind Fahrgemeinschaftsspuren noch wenig anzutreffen. Aber
auch hier gibt es schon seit einigen Jahren Projekte mit gutem Erfolg. In Madrid zum Beispiel ist
seit 1995 eine 15 km lange Fahrgemeinschaftsspur in Betrieb. Die Fahrzeit auf der Extraspur hat
sich in der Rush Hour von 40 auf 22 min reduziert und auch auf den normalen Spuren hat sich die
Verkehrssituation verbessert [9].
Beispiel: Das eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und
Kommunikation (UVEK) testet ein Carpooling-Projekt
Im Kampf gegen verstopfte Straßen lancierte in der Schweiz das eidgenössische
Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) im Herbst
2017 ein Mitfahrprojekt und will mit gutem Beispiel vorangehen. Die Mitarbeiter der
UVEK-Bundesämter sollen sich für den Arbeitsweg ein Auto teilen. Mittels einer App
können sich Interessierte vernetzen und gemeinsam zum Arbeitsort fahren. Den Preis
machen die Mitarbeiter unter sich aus. Mit dem Pilotprojekt, welches 1–2 Jahre laufen
soll, will das UVEK herausfinden, ob sich Pendler auf Carpooling-Angebote einlassen.
Das Projekt soll Erkenntnisse bringen für ein größeres Carpooling-Angebot [10].
6.3
Ziele
77
3. Fördern
Sharing-Initiativen haben häufig ein Nischendasein. In ihrer Community werden sie
wertgeschätzt, aber einer weiteren Verbreitung stehen häufig Finanzierungshürden
im Weg. Um die „kritische Masse“ an Nutzern zu erreichen, sind häufig Investitionen
erforderlich, die von den Initiativen nicht gestemmt werden können.
Städte können Sharing-Initiativen auch direkt fördern. Hier können Städte durch
einen „Sharing-Fonds“ oder die Ausschreibung eines Sharing-Wettbewerbs unterstützen,
bei dem es Finanz- oder Sachmittel (z. B. Räumlichkeiten) als Preise zu gewinnen gibt.
Generell sind beispielsweise folgende Maßnahmen denkbar:
• Investitionsunterstützung für Sharing-Anbieter, bei denen ein kostendeckender
Betrieb zwar möglich ist, aber die Anfangsinvestition nicht refinanziert werden kann
• Finanzielle Unterstützung von innovativen Initiativen, z. B. Sharing-Vereine
• Ideelle, personelle oder logistische Unterstützung für neue Sharing-Anbieter, z. B.
ideell durch Öffentlichkeitsarbeit oder Fördern der Sichtbarkeit im öffentlichen
Raum, personell oder logistisch beim Aufbau oder dem Bereitstellen der notwendigen
Infrastruktur
• Finanzielle Anreize für Unternehmen, sich selbst an Sharing-Plattformen zu
beteiligen, z. B. durch das Teilen der Unternehmensfahrzeugflotte oder dem
Beteiligen an Co-Working Spaces.
Die Stadt St.Gallen könnte beispielsweise Sharing-Initiativen über ihren Energiefonds
fördern. Häufig sehen sich Städte in solchen Fällen höchstens für Startfinanzierung
zuständig und nicht für die laufende finanzielle Unterstützung. Eine Beispielmaßnahme
wäre die Ausschreibung eines Sharing-Wettbewerbs, dessen Gewinner eine Startfinanzierung für ihr Projekt erhalten. Ein weiteres Beispiel ist die sog. „Defizit-Garantie“
für Sharing-Ansätze. Ein Beispiel: In der Schweiz ist Mobility ein weit verbreiteter CarSharing-Anbieter. Und gleichzeitig finden sich nicht in jeder Kleinstadt Mobility-Autos.
Manche kleinere Stadt sieht Mobility-Fahrzeuge als Chance, um Lücken im öffentlichen
Verkehr zu schließen, beispielsweise zu Tagesrandzeiten wie spät abends, wenn keine
Busse mehr vom Bahnhof fahren. Für diese Städte gibt es die Möglichkeit, dass Mobility einen Standort mit Fahrzeugen errichtet, wenn die Stadt ein zu erwartendes Defizit
finanziert.
Beispiel: Die Aargauer Gemeinde Wittnau erhält dank der Defizitgarantie von Mobility
ein erweitertes Mobilitätsangebot
Nicht mehr jede Familie möchte zwei Autos kaufen, Parkplatz-Mangel ist ein Problem, das heute viele kennen und auch an die Umwelt muss gedacht werden. Die
Lösung lautet in diesem Fall für die 1100-Einwohner Gemeinde Wittnau: Mobility. So
sieht das zumindest der Wittnauer Gemeinderat. Dabei gilt das Motto: Angebot fördert die Nachfrage. Dennoch weiß der Gemeinderat, dass der Anfang schwer ist. Bei
der Realisierung des Projekts muss die Gemeinde eine jährliche Defizitgarantie von
78
6
Entwicklung einer Sharing-Strategie in Städten
14.000 Franken tragen. Die Defizitgarantie wird kleiner, sobald das Fahrzeug jährlich
10.000 km oder mehr zurücklegt. Mittel- bis langfristig hofft man darauf, sich den
10.000 km pro Jahr immer mehr zu nähern. Der Gemeinderat geht auch mit gutem
Beispiel voran und wird das Mobility-Auto für die Fahrten zu Terminen nutzen. Der
Gemeinderat sieht, dass mit dem Mobility-Auto ein erweitertes Mobilitätsangebot und
somit eine sinnvolle Ergänzung zum öffentlichen Verkehr geschaffen werden konnte.
Das sei auch ein Standortargument für künftige und bestehende Einwohner [11].
4. Vorleben/Inspirieren
Städte können eine Vorbildrolle bei der Verbreitung von Sharing übernehmen. Hierzu
sind beispielsweise folgende Maßnahmen denkbar:
• Motivieren der Verwaltungsmitarbeitenden selbst an Sharing-Angeboten teilzunehmen,
z. B. durch finanzielle Zuschüsse, Kommunikationsmaßnahmen oder Nutzung der Vorbildfunktion als Vorgesetzter
• Bereitstellen der eigenen Infrastruktur, z. B. Teilen der städtischen Fahrzeugflotte
außerhalb der Dienstzeiten (am Wochenende)
Ein Beispiel von St.Gallen: Zwei „autofreie“ Wochen des Stadtpräsidenten in St. Gallen
im Rahmen der Aktion bike4car.
Beispiel: Stadt Antwerpen: Reduzierung der eigenen Dienstwagenflotte
Städtische Fahrzeuge sind relativ teuer und weisen eine tiefe Nutzungsintensität auf,
da sie meist nur zu Bürozeiten genutzt werden. Darum hat sich die Stadt Antwerpen
entschieden ihre eigene Dienstwagenflotte zu reduzieren und stattdessen Fahrzeuge
eines Car-Sharing-Anbieters für zumindest einen Teil seiner Dienstfahrten zu nutzen. Auf dem Parkplatz des Verwaltungsgebäudes wurde eine Car-Sharing Station
eines bekannten Car-Sharing Anbieters eingerichtet. Damit konnte die städtische Verwaltung nicht nur die Anzahl der Dienstfahrzeuge verringern und Kosten sparen, sondern auch die Verwaltung, Wartung und Reinigung der Fahrzeuge auslagern. Geprüft
wird auch, ob ein Teil der eigenen Dienstflotte über den entsprechenden P2P CarSharing-Anbieter den Einwohnerinnen und Einwohner zur Verfügung gestellt werden
soll [12].
Literatur
1. Flückiger, J. (11 Mai 2017). Den Wandel nicht verschlafen. Neue Zürcher Zeitung, Kommentar.
https://www.nzz.ch/meinung/digitalisierung-den-wandel-nicht-verschlafen-ld.1292328.
Zugegriffen: 7. Febr. 2018.
2. Glaeser, E. L., & Kerr, W. R. (2010). What makes a city entrepreneurial? Harvard Kennedy
School (Hrsg.): Policy Briefs, Boston.
Literatur
79
3. Cohen, B., & Muñoz, P. (2016). Sharing cities and sustainable consumption and production.
Towards an integrated framework. Journal of Cleaner Production, 134, 87–97. https://doi.
org/10.1016/j.jclepro.2015.07.133.
4. Agyeman, J., McClaren, D., & Schaefer-Borrego, A. (2013). Sharing cities. Friends of earth briefing paper. https://friendsoftheearth.uk/sites/default/files/downloads/agyeman_sharing_cities.pdf.
Zugegriffen: 26. Sept. 2017.
5. Gossen, M. (2012). Nutzen statt Besitzen. Motive und Potenziale der internetgestützten
gemeinsamen Nutzung am Beispiel des Peer-to-Peer Car-Sharing. In Institut für ökologische
Wirtschaftsforschung (Hrsg), Schriftenreihe des IÖW 202/12. Berlin: Institut für ökologische
Wirtschaftsforschung.
6. Midgley, P. (2011). Bicycle-sharing schemes: Enhancing sustainable mobility in urban areas:
United Nations, Departement of economic and social affairs. https://sustainabledevelopment.
un.org/content/dsd/resources/res_pdfs/csd-19/Background-Paper8-P.Midgley-Bicycle.pdf.
Zugegriffen: 23. Aug. 2018.
7. Moser, M., et al. (2016). Shared Mobility – Kollaborative Mobilitätsservices europäischer
Städte im Vergleich. Winterthur. https://www.zhaw.ch/storage/hochschule/medien/sharedmobility-deut.pdf. Zugegriffen: 23. Aug. 2018.
8. Donati, S., & Klaus, P. (2017). Unterkunfts-Vermittlungsplattformen: Effekte, Regulierungen
und Erfahrungen. Zürich: INURA Zürich Institut.
9. Twogo Blog. (2015). Fahrgemeinschaftsspuren: Die Lösung für die Rush Hour? Blog, 23.04.2015.
https://blog.twogo.com/2015/04/23/fahrgemeinschaftsspuren-die-losung-fur-die-rush-hour/.
Zugegriffen: 5. Jan. 2018.
10. Bundesamt für Strassen ASTRA. (2017). UVEK-Ämter praktizieren Carpooling. https://www.
astra.admin.ch/astra/de/home/themen/intelligente-mobilitaet/carpooling.html. Zugrgriffen: 5. Febr.
2018.
11. Probst, R. (20. November 2016). Mobility fährt in Wittnau ein – Aber nur mit Defizitgarantie.
Argauer Zeitung AZ. https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/fricktal/mobility-faehrt-inwittnau-ein-aber-nur-mit-defizitgarantie-130728982. Zugrgriffen: 15. Apr. 2018.
12. Vanhee, J. (2011). momo Car-sharing. More options for energy efficient mobility through
Car-sharing. Intelligent Energy Europe.
7
ShareCity-Cases
7.1
„ShareCity“-Cases im deutschsprachigen Raum
Dieses Kapitel zeigt exemplarisch auf, wie die Stadtverwaltungen und die Wirtschaft in
verschiedenen Städten im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus mit dem Thema
Sharing umgehen und inwiefern sie Sharing-Strategien verfolgen. Die Cases orientieren
sich grundsätzlich am Sharecity-Strategie-Framework, variieren jedoch in Abhängigkeit der Informationen, die für die jeweiligen Städte gewonnen werden konnten. Als
Informationsbasis dienen neben Sekundärmaterial Experteninterviews, die im Rahmen
des ShareCity-Forschungsprojekts geführt wurden.
7.1.1
St.Gallen
Die Stadt St.Gallen als „Modellstadt“ im ShareCity-Projekt war „Sparringspartner“ bei
der Entwicklung des ShareCity-Strategie-Konzepts. An verschiedenen Stellen im Buch
wurde dabei auf den Fall St.Gallen Bezug genommen. An dieser Stelle wird zuerst der
entsprechende Prozess zusammenfassend dargestellt. In einem zweiten Teil werden Beispiele für Sharing-Initiativen ausgeführt, die in St.Gallen bereits umgesetzt wurden.
7.1.1.1 Entwicklung des ShareCity-Strategie-Konzepts
Die Entwicklung der Sharing-Strategie für St.Gallen war ein iterativer und partizipativer Prozess, bei dem mehrere Stakeholder eingebunden wurden. Das Strategie-Framework
wurde auf Basis einer qualitativen Befragung von Vertretenden der Gruppen Stadtverwaltung, Gewerbe, private Sharing-Economy-Initiativen sowie Nutzenden der Sharing-Angebote von der Hochschule Luzern entwickelt. Ein erster Prototyp wurde in einem
Workshop von der Projekt-Begleitgruppe getestet. Die darauffolgende Weiterentwicklung
fand in enger Zusammenarbeit mit der Pilotstadt St.Gallen statt. Neben einem Workshop
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
D. Georgi et al., ShareCity, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23700-4_7
81
82
7
ShareCity-Cases
mit dem Amt für Umwelt und Energie, St.Gallen, wurde auch ein Strategieworkshop
durchgeführt, bei dem 18 Personen aus diversen Stakeholder-Gruppen der Stadt eingeladen
wurden. Unter den Teilnehmenden waren Vertretungen von diversen Sharing-EconomyInitiativen, von Wirtschaftsverbänden, des lokalen Gewerbes, von Quartiervereinen und der
Stadt St.Gallen. An diesem Workshop wurde der ShareCity-Strategieentwurf für St.Gallen
diskutiert und einzelne Strategie-Elemente konkretisiert. Die diskutierten StrategieElemente waren (bestehende) Herausforderungen, Ziele und Stellhebel (vgl. Abb. 7.1).
Das Ergebnis dieses Prozesses sind Konkretisierungen der verschiedenen Strategie-Elemente im Sharing-Strategie-Framework (vgl. Tab. 7.1).
Im Hinblick auf konkrete Maßnahmen zur Gestaltung des Sharing in der Stadt
sieht sich St.Gallen vor allem als Vorbild, Katalysator, Vernetzer und Förderer. Um diese
Rollen umzusetzen, existieren diverse Maßnahmen. Zwei Maßnahmen, die konkret im
Zusammenhang mit dem ShareCity-Projekt realisiert wurden, sind folgende:
• Ableitung von Empfehlungen aus dem Projekt heraus für bestehende Initiativen der
Stadt (SmartCity-Konzept, bei dem neue Wohnformen entwickelt werden sollen, speziell bezogen auf das Projekt „Remishueb-App“) (vgl. Abschn. 6.3.6).
• Durchführung eines Sharing-Tages „ShareGallen“ (vgl. Abb. 7.2).
Die Auswahl erfolgte anhand einer Beurteilung verschiedener Anforderungen, die sich
aus den Diskussionen zur Sharing-Strategie ergeben. Im Einzelnen werden durch die
festgelegten Maßnahmen folgende Kriterien berücksichtigt:
•
•
•
•
Bottom-up-Ansatz, Einbeziehung bestehender Sharing-Initiativen
Plattform schaffen, Raum geben
Unterstützung von Sharing-Initiativen bei der Verbreitung
Vorbildfunktion der Stadt
Abb. 7.1 Konkretisierung einzelner Strategie-Elemente im partizipativen Strategieworkshop
7.1
„ShareCity“-Cases im deutschsprachigen Raum
83
Tab. 7.1 ShareCity-Strategie-Steckbrief St. Gallen
Strategie-Element
Konkretisierung für St. Gallen
Grundhaltung
• Vision 2030 und Legislaturziele 2017–2020: „St. Gallen ist als
lebenswerte, weltoffene, ökologische und innovative Stadt das
wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Zentrum der
Ostschweiz“
• Strategische Handlungsfelder mit Sharing-Bezug:
– Kooperation
– Smarte Stadt
– Gesellschaft
– Mobilität
– Umwelt
– Lebensraum
Nachhaltigkeitsziele
• Ökologische, ökonomische und soziale Ziele werden grundsätzlich
gleichgewichtet verfolgt
• Auch ökologische Ziele lassen sich nur durch Einbezug der lokalen
Wirtschaft realisieren
• Idealtypisch werden mit Sharing Ziele in einer oder mehreren
Kategorien erreicht, ohne Nachteile in anderen Zielkategorien
Spezifische Ziele in
Bezug auf Sharing
• Unterstützung bestehender Konzepte (Smart City, Energiekonzept
2050, Mobilitätskonzept 2040) durch Sharing-Projekte
• Sharing und bestehende Initiativen bekannt machen
• Befähigung, Motivation und Vernetzung privater Anbieter
Stakeholder
• Innerhalb der Stadtverwaltung: Stadtrat, Amt für Umwelt und
Energie, St. Galler Stadtwerke, Amt für Gesellschaftsfragen,
Standortförderung, Kommunikation u. a.
• Außerhalb der Stadtverwaltung: Sharing-Initiativen, weitere ökologische/soziale Organisationen, lokale Wirtschaft,
Wirtschaftsverbände, EinwohnerInnen
Maßnahmenfelder
• Stadt als Vorbild; interner Sharing-Katalog, z. B. Pooling von
Fahrzeugen, Veranstaltungsmaterial oder teuren Werkzeugen
• Stadt als Katalysator: z. B. Plattformen/Foren
• Stadt als Vernetzer/Kommunikator: z. B. Sharing-Katalog,
Internet-Plattform, Ideenmesse
• Stadt als Förderer: z. B. Zwischennutzungen, Pop-up-Stores,
Co-Working Space, Benevol, Benewohnen, Garten teilen,
Quartierprojekt Remi-App, Kleidertausch
7.1.1.2 Beispiele für Sharing-Initiativen in St. Gallen
Aktuelle Sharing-Beispiele sind in St. Gallen aktuell im Bereich der Mobilität, des
Foods, der Dienstleistungen, der Güter sowie des Raumes zu finden.
Eine der ersten St.Galler Sharing-Initiativen war Ostsinn (www.ostsinn.ch). Was mit
einem Co-Working-Space begann, wurde ein Verein, der Wissen teilt und Zukunftsmachende darin unterstützt, ihre Ideen für eine „enkeltaugliche“ Zukunft zu verwirklichen. Einzigartig in der Schweiz ist auch das Projekt Zeitvorsorge (www.zeitvorsorge.ch).
84
7
ShareCity-Cases
Abb. 7.2 Einladung zum „Sharing-Tag“ St. Gallen
Die Zeitvorsorge will aktive Rentnerinnen und Rentner dazu ermutigen, andere Seniorinnen und Senioren in ihrer Alltagsbewältigung zu unterstützen und damit möglichst lange
ein selbstbestimmtes Leben zu Hause zu ermöglichen. Die Währung in diesem Modell ist
die Zeit. Mit der Unterstützung, die man für andere leistet, wird ein Zeitguthaben angespart.
Die Stadt St.Gallen garantiert dabei die Einlösbarkeit. Wenn keine neuen Unterstützerinnen
und Unterstützer gefunden werden, springt die Stadt ein und stellt die entsprechenden Leistungen sicher. Sie finanziert auch den laufenden Betrieb der Stiftung Zeitvorsorge. Ein weiteres Sharing-Projekt der ersten Stunde sind die Quartierkomposte. Mit der Position einer
Kompostbeauftragten hat die Stadt den Zugang verwaltet sowie Schulungen durchgeführt
und damit in den gemeinschaftlich geführten Komposten eine hohe Professionalität gewährleistet.
Neben der Förderung von Sharing-Ideen durch Startfinanzierung (z. B. carvelo2go)
oder Unterstützung im Betrieb ist die Stadt St.Gallen auch als Vorbild tätig. Vergleichbar mit einem organisationsinternen „sharely“ verwaltet sie einen Materialpool für Zelte,
Marktstände, E-Bikes, Geräte, u. v. m.
Vernetzend ist die Stadt vor allem im Bereich der Immobilien aktiv. Zwischennutzungen werden zur Belebung von Innenstädten und größeren Betriebsarealen immer
wichtiger. In Zeiten des Online-Handels stehen viele Ladenlokale leer. Die Standortförderung der Stadt St. Gallen bringt Nachfragende und Anbietende zusammen. Das
jüngste Beispiel ist das ehemalige italienische Konsulat, das für kulturelle Zwecke
zwischengenutzt wird. Der Projektraum Nextex ist dort beispielsweise beheimatet sowie
eine Ausstellung zu Performances in fahrenden Zügen, die „Stellwerkstörung“. Die
Trägerschaft des Konsulats übernimmt für diese Zeit ein Verein, in dem auch die Stadt
St. Gallen vertreten ist. Weitere erfolgreiche Beispiele von Zwischennutzungen sind das
7.1
„ShareCity“-Cases im deutschsprachigen Raum
85
Weihnachtscafé oder der temporäre Coiffeursalon, der durch Lehrlinge an der Multergasse betrieben wurde.
Die Stadt denkt ihr Unterstützungsangebot weiter in Richtung einer Vernetzungsplattform. Auch die Hilfestellung bei der Vertragsausarbeitung mithilfe von Musterverträgen ist eine mögliche angedachte Weiterentwicklung der städtischen Unterstützung.
Zahlreiche weitere Sharing-Projekte (für eine Übersicht siehe www.sharegallen.ch),
wie ein Kleider-Swap (gebrauchte Kleider werden getauscht), diverse Co-Working-Spaces (Creative Space, Village Office), oder cookeat, wo Mahlzeiten-Sharing die Idee von
Airbnb auf den Mittagstisch überträgt, wurden von Privaten initiiert. Die Stadt steht den
Initiativen auf Wunsch unterstützend zur Seite. Die aus dem vorliegenden Projekt entstandene Plattform www.sharegallen.ch sowie der zugehörige Event sind im Moment
Vernetzungsort und Katalysator für bestehende Sharing-Initiativen im Raum St. Gallen.
7.1.2
Berlin
In Berlin hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt in Zusammenarbeit mit einem wissenschaftlichen Begleitgremium, Experten des internationalen
Städtenetzwerkes ICLEI – Local Governments for Sustainability, dem Berliner Institut für Zukunftsstudien und Technologieforschung IZT und dem Kommunikationsbüro
suedlicht ein Nachhaltigkeitsprofil mit Kernindikatoren zur nachhaltigen Entwicklung
Berlins erarbeitet. Das Berliner Nachhaltigkeitsprofil beschreibt neue Wege der
Zukunftsgestaltung und des Nachhaltigkeitsmanagements. Berlin hat mit dem Nachhaltigkeitsprofil und den dazugehörigen Kernindikatoren ein neues Instrument entwickelt, das besonders auf den Nachhaltigkeitsprozess in Metropolen zugeschnitten ist
und effizient und flexibel auf urbane Entwicklungsprozesse reagieren kann. Das Nachhaltigkeitsprofil lässt sich dem Stadtentwicklungskonzept „Berlin 2030“ unterordnen,
und es macht den thematischen Schwerpunkt „Nachhaltigkeit“ des Konzepts greifbar.
Im Nachhaltigkeitsprofil bestehen drei Profilierungspfeiler: Ermöglichendes Berlin,
produktives Berlin und zugängliches Berlin. Unter dem letzten Profilierungspfeiler
(zugängliches Berlin) ist das Thema „Sharing“ angesiedelt. Dabei gilt der Grundsatz, dass
die zugängliche Stadt die Bereitstellung grundsätzlich öffentlicher Dienstleistungen und
Infrastruktur (Bildung, Kultur, Parks und Gärten, Wohnraum, Mobilität, etc.) garantiert.
Die Berliner brauchen kein eigenes Auto, keinen eigenen Garten, denn die meisten Berlinerinnen und Berliner haben Zugang zu allem, was es für ein erfülltes Leben und zur
Daseinsversorgung braucht. Abb. 7.3 zeigt bildhaft wie das „zugängliche Berlin“ aussieht.
Sharing-Initiativen/-Angebote in Berlin
Dienstleistungsunternehmen wie Car-Sharing-Anbieter, Vermieter von Co-workingSpaces oder kommerzielle Internetplattformen für die Vermittlung von Unterkünften
prägen über ihre Angebote Berlins Stadtbild. Doch egal ob kommerziell oder nicht: Wer
aufmerksam durch die Kieze und Bezirke geht, sieht die Zeichen der Sharing-Bewegung.
86
7
ShareCity-Cases
Abb. 7.3 Zugängliches Berlin. (Quelle: ICLEI – Local Governments for Sustainability und
Strunk Stadtplanung + Kommunikation, für Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen,
Berlin)
7.1
„ShareCity“-Cases im deutschsprachigen Raum
87
Nachfolgend werden einige Initiativen, Projekte und Plattformen vorgestellt, die die
Sharing-Idee in Berlin Tag für Tag leben.
Im Bereich Lebensmittel gibt es in Berlin Food-Sharing-Initiativen, die öffentliche
Kühlschränke (sogenannte „Fair-Teiler“) an frei zugänglichen Orten und in Geschäften
anbieten, oder Internetplattformen, die „Lebensmittelretter“ aus privaten Haushalten
oder kleineren und größeren Betrieben mit Bedürftigen oder Mitgliedern der Food-Sharing-Community zusammenbringen (www.foodsharing.de). Neben Food-Sharing-Initiativen gibt es Meal-Sharing-Initiativen, bei denen sich Menschen zum Kochen und
gemeinsamen Essen treffen, wobei der soziale Aspekt im Vordergrund steht. Bei „über
den Tellerrand kochen“ wird das Kochen als eine Form des kulturellen Austausches
gesehen, mit dem es gelingt, das Thema „Asyl“ aus einer positiven Perspektive zu
beleuchten und die breite Gesellschaft in den Begegnungsprozess einzubinden. Der in
Berlin gegründete Verein organisiert regelmäßig Kochkurse, bei denen Flüchtlinge aus
aller Welt zeigen, wie man ein Menü in ihrem Heimatland zubereitet (www.ueberdentellerrand.org). In Berlin sind auch viele kollektiv betriebene Gemeinschaftsgärten zu
finden. Das prominenteste Beispiel ist der Prinzessinnengarten in Kreuzberg (www.
prinzessinnengarten.net). Auf einer 6000 m2 großen ehemaligen Brachfläche ist ein
Nutzgarten entstanden, in dem fleißig gegärtnert wird. Auch ein Gartenrestaurant und
regelmäßige Veranstaltungen gehören zum Angebot.
Um Gegenstände zu teilen, gibt es in Berlin Umsonst- und Leihläden, Tauschringe
und Tauschbörsen für Alltags- und Gebrauchsgegenstände. Bei dem Leihladen „Leila“
(www.leila-berlin.de) mit Sitz in Prenzlauer Berg kommt man mit einem eigenen
Gebrauchsgegenstand, wie Bohrmaschine oder Waffeleisen, in den Laden, leiht etwas
aus dem Leihfundus aus und bringt es nach der vereinbarten Leihfrist wieder zurück.
Weiter gibt es beispielsweise den Tausch- und Verschenkmarkt der Berliner Stadtreinigung (https://www.bsr.de/verschenkmarkt). Mit dem kostenlosen Online-Angebot
will das Landesunternehmen die Vermeidung von Abfällen im Land Berlin fördern und
gleichzeitig einen Beitrag zur Ressourcenschonung leisten.
Weiter gibt es Angebote von offenen Werkstätten, wo alles zur Verfügung gestellt
wird, was fürs DIY-Abenteuer nötig ist, oder Repair Cafés und Reparaturdienste, wo
sich Teilnehmer an die Reparatur von defekten Alltags- und Gebrauchsgegenständen
machen.
Im Bereich Mobilität sind in der Stadt Berlin die Car-Sharing-Anbieter Car2Go, DriveNow und Flinkster vertreten. Fahrräder können von den Fahrradverleihsystemen Nextbike, Lidl-Bikes, oBike, Mobike oder Byke ausgeliehen werden. Das Roller-Sharing
wird von Coup oder emmy angeboten.
Wer einen Überblick über bestehende Sharing-Angebote in Berlin haben möchte, findet auf der interaktiven SharingBerlin Map (www.sharingberling.de) über 200 Projekte,
Startups und Unternehmen, welche der kollaborativen Wirtschaft angehören.
88
7.1.3
7
ShareCity-Cases
München
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Stadt München hat in ihrem strategischen Stadtentwicklungskonzept „Perspektive München“, das auf eine nachhaltige,
zukunftsfähige Stadtentwicklung abzielt, Leitlinien zu relevanten Themen, wie z. B.
Wohnen, Zusammenleben, Beschäftigung oder Mobilität, definiert. Die Leitlinien enthalten Zielaussagen, die für die Umsetzung von Massnahmen verbindlich sind und
von nachhaltigem Charakter sind. Beispiele dafür sind die Förderung innovativer, insbesondere ökologisch fortschrittlicher Wirtschaftsweisen, Konzepte zur Umnutzung und
Umstrukturierung bestehender Baugebiete, wie ehemalige Gewerbe- und Industrieflächen,
oder das integrative Mobilitätsmanagement, das durch Parkinformationssysteme, Verkehrsleitsysteme, Car-Sharing-Projekte oder Fahrgemeinschaften ermöglicht wird. Als
wichtiger Bestandteil der „Perspektive München“ gilt auch eine aktive Beteiligungskultur
und der Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern. Das Stadtentwicklungskonzept definiert auch verschiedene geografische Handlungsräume. Eines davon ist beispielweise das
„Werksviertel München“ (vgl. Abb. 7.4). Hier waren früher Produktionsstätten von großen
Firmen angesiedelt. In den brach liegenden Hallen etablierte sich seit 1996 der Kunstpark
Ost (heute Kultfabrik und Optimolgelände) mit Restaurants, Clubs, Ateliers, Konzerthallen, Ausstellungsflächen, Werkstätten und Büros. Diese Zwischennutzung machte das
Gelände weit über die Stadtgrenzen Münchens hinaus bekannt. Viele gewerbliche Nutzungen kamen hinzu, unter anderem Büros, Großhändler und eine Kletterhalle.
Abb. 7.4 Zwischennutzung im Werksviertel München. (Quelle: sueddeutsche.de)
7.1
„ShareCity“-Cases im deutschsprachigen Raum
89
München hat zahlreiche weitere spannende Beispiele erfolgreicher Zwischennutzung, wo an sonst leerstehenden Orten Platz für Konzerte, Ausstellungen und Nachtleben geschaffen wird. Ein ungewöhnliches Beispiel ist „The Lovelance“. Bei diesem
Zwischennutzungsprojekt entsteht im Gebäude der ehemaligen königlichen Filialbank ein kultureller Treffpunkt mit Bars, Clubs, Studios und Läden. Im Gebäude stehen fast 5000 Quadratmeter zur Verfügung und es ist deshalb bislang in München ein
einzigartiges Projekt. Ein weiteres Beispiel ist das Köşk (Köşk bedeutet auf Türkisch
Pavillon). Hier werden in den ehemaligen Räumlichkeiten der Stadtteilbibliothek im
Stadtbezirk Westend Kunst und Fotografie von Münchner Jugendlichen ausgestellt. Im
Köşk befindet sich auch das „offene Museumslabor“, ein Gemeinschaftsprojekt, das sich
mit der Migrationsgeschichte des Westends beschäftigt.
Neben den unterschiedlichen Zwischennutzungsprojekten stehen den MünchnerInnen eine große Auswahl an Car-, Bike- und Roller-Sharing-Angeboten in der Stadt
zur Verfügung. Um dieses Angebot zu verbessern, einen verträglicheren Stadtverkehr
mit weniger Emissionen für mehr Lebensqualität und Erhöhung der Aufenthaltsqualität
im öffentlichen Raum zu erreichen, besteht in München unter dem Namen „City2Share“
ein Forschungsprojekt, in dem ein Sharing-System auf Basis der e-Mobilität entwickelt
und erprobt wird. Die Stadtwerke München, die Münchner Verkehrsgesellschaft und die
Landeshauptstadt München richten unterschiedlich ausgestattete e-Mobilitätsstationen
ein sowie erweitern und optimieren die bestehenden e-Sharing-Systeme mit e-Car- und
Bike-Sharing-Angeboten. Dabei kommen im Rahmen des Fahrradverleih-Services
der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG Rad) erstmals Elektrofahrräder zum Einsatz. Zudem werden spezielle Stellplätze für Car-Sharing-Fahrzeuge eingerichtet und
die e-Ladeinfrastruktur in den Quartieren verbessert. Ebenfalls werden insgesamt die
Serviceangebote verbessert. Die Fahrzeuge des Car-Sharing-Anbieters DriveNow etwa
haben seit Mai 2017 einen Parksuchdienst. Das Feature hilft Kunden dabei, freie und speziell für Car-Sharing-Fahrzeuge ausgewiesene Parkplätze an naheliegenden Mobilitätsstationen zu finden.
Weitere Sharing-Aktivitäten bestehen im Bereich Garten-Sharing. In München
hat sich in den letzten Jahren, gemessen an der Anzahl Gemeinschaftsgärten, eine ausgeprägte Urban-Gardening-Szene entwickelt. Es besteht in München eine Initiative
„Urbane Gärten München“, die sich die Etablierung von urbanen Gärten zur Aufgabe
gemacht hat. Sie wollen auf die soziale und ökologische Wichtigkeit von Gärten aufmerksam machen. Auf der Vernetzungs- und Informationsplattform www.urbanegaerten-muenchen.de werden einzelne Projekte beschrieben, und es besteht eine
Übersichtskarte mit allen Gemeinschaftsgärten in München. Weiter hat der Stadtrat
in München 2014 in einem Grundsatzbeschluss festgelegt, dass das Referat für Stadtplanung und Bauordnung potenzielle Standorte für das urbane Gärtnern in die Konzepte
im Rahmen der Bauleitplanung einfließen lässt, dies insbesondere bei neuen Stadtentwicklungsprojekten.
90
7.1.4
7
ShareCity-Cases
Schaffhausen
In Schaffhausen sind diverse Sharing-Initiativen anzutreffen. Beim Versuch, die Projekte in eine übergeordnete Zielsetzung der Stadt einzuordnen, werden vor allem die
soziale Integration sowie die ökologische Nachhaltigkeit gefördert. Weitere Ziele, bei
denen Sharing-Aktivitäten als Strategie relevant werden könnten, sind derzeit auch die
auf Anfang 2017 verabschiedeten Legislaturschwerpunkte bzw. -ziele, bei denen es konkret heißt: „Eine umweltgerechte wirtschaftliche Energieversorgung sowie eine effiziente
Energienutzung tragen zur Erreichung der übergeordneten Klimaziele bei.“ Eines der
verabschiedeten Ziele in diesem Zusammenhang ist es, „die Chancen der Elektromobilität zu nutzen“. Auch Energieeffizienz ist ein solches übergeordnetes Thema. Insgesamt
ist es schwierig, Sharing-Initiativen zu lancieren, die nicht zu den Grundzielen eines
Referates passen. Diese sind in der Stadtverfassung verankert.
So sind die Sharing-Initiativen in Schaffhausen dann auch entweder aus der Initiative eines Referats der städtischen Verwaltung entstanden, etwa aus dem Potenzial eines
„Förderungstopfes“, für welchen sich Projektinitiantinnen und -initianten mit ihren Ideen
bewerben konnten. Oder aber es wurden Regulierungen für beschränkte Ressourcen
nötig. Eine explizite Sharing-Strategie gibt es in Schaffhausen nicht. Für außerordentliche Initiativen, die nicht den Grundzielen eines Referats entsprechen, müssen politisch
zuerst der Stadtrat und je nach Budget auch das Stadtparlament überzeugt werden. Da in
Schaffhausen die Regierung oft alle vier Jahre zwischen links und rechts wechselt, ist es
schwierig, für Sharing-Initiativen eine Mehrheit politisch überzeugen zu können.
Neben vielen anderen Initiativen, die im Bereich der Sharing-Initiativen eingeordnet
werden können, sind folgende Projekte für Schaffhausen bemerkenswert: Schaffhausen
ist eine Stadt am Rhein. Weidlinge, das sind 10 m lange Flachboote, sind in der Stadt ein
Volkshobby. Dementsprechend lange warten Privatpersonen auf einen Bootspfahl. Auf
regulärem Weg beträgt die Wartezeit Jahrzehnte. Schnelleren Weidling-Zugang ermöglicht die Stadtpolizei, indem sie frei werdende Weidling-Pfähle abwechslungsweise
an Privatpersonen und an Gruppen, die sich einen Weidling teilen, vergibt. Ein weiteres Beispiel ist die Restess-Bar. Auch hier unterstützt die Stadtpolizei im Rahmen von
Bewilligungen. Zusätzlich wurde das aus der Bevölkerung initiierte Sharing-Projekt mit
einem freien Stromanschluss und einem freien Platz unterstützt.
Ein nächstes Beispiel für eine Sharing-Initiative ist bei der Quartierentwicklung
angesiedelt. Diese hat 2015/2016 die Sharing-Plattform „obugoo“ entwickelt. Die Plattform ist Mittler zwischen Schaffhauserinnen und Schaffhausern, die ihr Wissen und
ihre Kompetenzen unentgeltlich zur Verfügung stellen wollen. Ziel des Projektes ist es,
insbesondere ältere Menschen in der Gesellschaft integriert zu halten. Die Stabstelle
Quartierentwicklung bewirtschaftet einerseits das Content-Management-System und ist
andererseits auch für die Bekanntmachung der Plattform zuständig.
7.1
„ShareCity“-Cases im deutschsprachigen Raum
7.1.5
91
Bern
Im Hinblick auf Sharing-Initiativen der Stadt Bern bemerkt Jürg Wichtermann, Stadtschreiber der Stadt: „Sharing wird in Bern dann zur Strategie, wenn es sich vom Thema
oder vom Projekt her anbietet.“ So ist das aktuelle Vorgehen in Bezug zu Sharing bei der
Stadt Bern im Moment inkrementell. Die Stadt führt dort Sharing ein bzw. fördert dort
Sharing-Initiativen, wo es inhaltlich Sinn macht. Häuft sich das Vorkommen von Sharing
in der Stadt Bern, wäre es denkbar, dass dieses längerfristig konzeptionell gefasst und
verankert wird.
Aktuell bietet sich in der Stadt Bern Sharing in Bezug zu folgenden übergeordneten
Zielen an: Im Immobilienbereich versucht die Stadt Bern, durch Zwischennutzungen
Vandalismus oder das Besetzen von Häusern zu verhindern. Im Mobilitätsbereich wird
Sharing zur Förderung der Lebensqualität und Verkehrsentlastung eingesetzt. In den
2017 verabschiedeten Legislaturzielen sind die Lebensqualität und die Nachhaltigkeit
verankert. Zusätzlich kann Sharing auch einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung
des Ziels leisten, dass Bern als Antwort auf die Demokratisierungskrise eine Stadt der
Beteiligung werden soll. Auf das Ziel der Durchlässigkeit der Gesellschaft, der sozialen
Kohäsion, zielen insbesondere Sharing-Projekte im Bereich des Gemeinwesens ab.
Bekannte Rollen der Stadt im Kontext von Sharing-Initiativen sind in Bern im
Moment die des Facilitators, des finanziellen Förderers oder des Anbieters (Beispiel
Velo-Sharing). Der Fokus liegt auf den unterstützenden Rollen, ganz nach dem Prinzip
der Subsidiarität.
Neben vielen anderen Projekten lassen sich folgende Sharing-Initiativen für die
Stadt Bern besonders hervorheben: Im Bereich der Mobilität erwähnt Jürg Wichtermann neben neuen Projekten auch den öffentlichen Verkehr als typisches „altes“
Sharing-Beispiel. Dieser sei in Bern sehr gut ausgebaut und akzeptiert. Weiter fördert
die Stadt Bern Car-Sharing. Sie stellt Car-Sharing-Unternehmen wie Mobility öffentlichen Grund zur Verfügung. Auch Fahrrad-Sharing ist in Bern ein Thema, im Moment
wohl das am meisten gehypte. So baut die Stadt zum einen ihre Infrastruktur für Velofahrer aus (beispielsweise Fahrradrouten u. ä.) und zum anderen werden eigentliche
Fahrrad-Sharing-Aktivitäten installiert. Bereits 2017 konnten in der Stadt Bern an
verschiedenen Punkten in der Stadt Velos kostenlos ausgeliehen werden. 2018 wird
Fahrrad-Sharing mit dem Partner PubliBike noch größer ausgerollt.
Im Bereich des Sozialen ist in Bern der Familiengartenbereich (Schrebergarten) stark
verankert. Dieser Gedanke wurde in der Stadt Bern unter dem Stichwort „Urban Gardening“ mit gemeinsam genutzten Pflanzkästen in Quartieren weitergetrieben.
Auch auf der Ebene Quartiers- und Gemeinwesenarbeit gibt es zahlreiche kleinere
Sharing-Aktivitäten, die die Stadt unterstützt und fördert, dies insbesondere durch finanzielle Anreize oder Subventionen.
Intensiv aktiv ist die Stadt Bern auch im Immobilienbereich. Organisatorisch
zuständig für alle solchen Zwischen- und Mehrfachnutzungen ist die Fachstelle
92
7
ShareCity-Cases
Zwischennutzung, welche in der Stadtverwaltung bei der Immobilienverwaltung
angesiedelt ist. Diese hilft, Zwischen- und Mehrfachnutzungen zu unterstützen und das
vorhandene Potenzial optimal auszuschöpfen. So wird sie aktiv, sobald Gebäudeareale
frei werden, diese nicht mehr im ursprünglichen Sinn genutzt werden oder für eine
Mehrfachnutzung geöffnet werden. Leuchtturm-Beispiele, neben vielen anderen, sind
in Bern die alte Feuerwehrkaserne Viktoria, die alte Kehrrichtverbrennung Warmbächli,
das Tramdepot Burgernziel oder das alte Ziegler-Spital. In der alten Feuerwehrkaserne
beispielsweise ist Quartiernähe Programm. Projekte aus dem Bereich Essen, Kultur,
Kunst und Soziales sind dort niedergelassen. Organisiert ist die Zwischennutzung über
einen Verein. Ein solcher koordiniert auch die Projekte auf der Brache der ehemaligen
Kehrrichtverbrennungsanlage Warmbächli. Diese ist im Moment Naherholungszone,
Robinson-Spielplatz und Fahnen-Projekt. Sie bietet Platz für Urban Gardening, Graffiti-Projekte, die Bus Stop Bar und vieles mehr. Am vielfältigsten zwischengenutzt wird
im Moment wohl das Areal des alten Zieglerspitals. Neben einem Hostel beherbergt das
frühere Personalhaus 13 Künstlerateliers und 16 Zimmer für betreutes Wohnen. Verschiedene Ateliers und Werkstätten bieten Asylsuchenden Raum. Und eines der Spitalhäuser soll den hundert zusätzlichen Medizinstudierenden Platz bieten, die der Kanton
künftig ausbilden will. In Planung ist auch noch eine Quartierküche, die im Ziegler-Spital untergebracht werden soll. Etwas eindimensionaler, nämlich primär für Kulturanlässe,
wird das ehemalige Tramdepot Burgernziel genutzt.
Ebenfalls ein klassisches Angebot von Sharing im Bereich der Immobilien sind die
Sportinfrastrukturen. Die Stadt nimmt hier die Rolle der Anbieterin, Unterhalterin und
Optimiererin ein, die Platz anbietet für Spitzen-, Breiten- und Hobbysport.
7.1.6
Basel
In Basel ist die nachhaltige Entwicklung in der neuen Kantonsverfassung seit 2005 in
den „Leitlinien staatlichen Handelns“ verankert (§ 15). Im Legislaturplan wird die Strategie für die Entwicklung des Kantons Basel-Stadt definiert. Als Grundlage dient dabei
die Nachhaltigkeitsstrategie. Es gibt eine Strategie „Smart City Basel-Stadt“, welche die
nachhaltige Entwicklung des Stadtkantons gemäß § 15 der Kantonsverfassung weiter
vorantreiben soll. Die Aktivitäten bezüglich der Sharing Economy werden dabei als Teil
von diesen übergeordneten Strategien (Smart City, Nachhaltigkeitsstrategie) angesehen.
Die Ziele der übergeordneten Strategien sind Treiber für Sharing-Economy-Projekte und
sie werden dafür eingesetzt, um diese Ziele zu erreichen.
Konkretes Beispiel: Es bestehen übergeordnete Ziele der CO2-Reduktion und
der Ressourcenschonung. Im Amt für Umwelt und Energie besteht ein Förderfonds
‚Energieeffizienz‘, mit dem Energieeffizienz und erneuerbare Energien gefördert werden. Dabei ist Sharing ein Thema und entsprechende Sharing-Angebote werden aus dem
Fonds gefördert.
7.1
„ShareCity“-Cases im deutschsprachigen Raum
93
Die Grundhaltung der Stadt Basel ist, dass Sharing vor allem bottom-up entsteht, in
der Bevölkerung stattfindet, und für die Stadtbewohner/innen einen Nutzen stiften soll.
Die Stadt sieht ihre Rolle in Bezug auf Sharing-Initiativen im Schaffen von optimalen
Rahmenbedingungen und Voraussetzungen, damit Sharing entstehen kann. Die Stadt
selbst lanciert primär keine Sharing-Projekte, sondern sie vermittelt z. B. nützliche Kontakte oder sie sorgt mit der entsprechenden Verordnung dafür, dass Private im Rahmen
von Sharing etwas anbieten können. Teils folgt auch eine finanzielle Unterstützung von
Sharing-Initiativen als Anschubfinanzierung. Ein entsprechender Business-Plan soll dann
aber aufzeigen, dass Sharing selbstständig betrieben werden kann.
Basel ist in der Schweiz aktuell die Sharing-Stadt mit den sharing-affinsten Stadteinwohnerinnen und -einwohnern. Dementsprechend viele Sharing-Initiativen der Schweiz
lassen ihren Testballon zuerst in Basel steigen, bevor sie sich an andere Schweizer
Regionen wagen. So startete auch das Freefloating-Car-Sharing-Angebot „Catch a Car“
ihr zweijähriges Pilotprojekt neben Genf in Basel. Während der Testphase wurde der
Catch-a-Car-Bereich in Basel mehrfach ausgeweitet: Neben dem EuroAirport BaselMulhouse-Freiburg kamen auch Allschwil, Birsfelden, Riehen, Binningen und Muttenz
hinzu. Aufgrund der positiven Ergebnisse des Pilotprojektes hat sich Catch a Car entschlossen, das stationsungebundene Car-Sharing-Angebot weiterhin in Basel anzubieten.
Weiter nimmt das Amt für Umwelt und Energie eine Vorbildrolle ein, was das stationsbasierte Car-Sharing betrifft. Das Amt ist Mitglied bei Mobility und es werden Standorte
direkt beim Amt angeboten. Auch elektrische Cargo-Bikes stehen den Baslerinnen und
Baslern zur Verfügung. Für die beiden urbanen, innovativen Quartiere Erlenmatt und Wettstein bestehen sogenannte Quartier-Apps. Über diese Apps kann man mit wenigen Klicks
erfahren, wo man die nächste Bohrmaschine oder Heckenschere ausleihen kann. Diese
Apps fördern zudem den sozialen Austausch und die Begegnung zwischen den Bewohnern
des Quartiers und geben ihnen praktische Informationen rund um ihre Wohnung, ihr
Gebäude und ihr Quartier. Diese Apps wurden vom Amt für Umwelt mitfinanziert.
Im Bereich Food-Sharing bestehen in Basel ebenfalls vielfältige Sharing-Initiativen:
Öffentliche Kühlschränke und „Fair-Teiler“-Stationen sowie ein Bäckereien-Outlet
(www.backwarenoutlet.ch) treten an gegen das Problem des „food waste“.
Eine weitere Initiative unterstützt das Urban Gardening. Der Verein „Urban Agriculture Basel“ fördert explizit die Erzeugung von Lebensmitteln, Kräutern und Blumen
durch Menschen, die in der Stadt Basel und deren Agglomeration leben.
Ein bekanntes Projekt der Stadt Basel ist auch die Initiative „Tauschen am Fluss“
(www.tauschenamfluss.ch). Über eine Zeitwährung werden Dienstleistungen, Wissen
und Können, Selbstproduziertes und Secondhandwaren getauscht. Ziel ist es, dass jede
und jeder anbieten kann, was er/sie besonders gut kann. Bezahlt wird mit Zeit, die dann
wieder individuell im Tausch eingesetzt werden kann. Ebenfalls hervorzuheben ist die
Basel Sharing Night, die 2018 zum vierten Mal durchgeführt wurde.
94
7.2
7
ShareCity-Cases
Internationale Cases
Im internationalen Kontext werden verschiedene Städte als „Sharing Cities“ bezeichnet
und positioniert (vgl. auch im Folgenden [1]). Im Folgenden werden einige Stadtbeispiele exemplarisch herausgegriffen und deren Sharing-Aktivitäten, die Stadtkultur,
die Rolle oder Haltung der Stadt wie auch die organisatorische Abbildung der SharingInitiativen beschrieben.
7.2.1
Seoul
In Seoul hat das Sharing-Phänomen eine starke soziokulturelle Basis. Eine Art Altruismus-Karma ist stark in der Bevölkerung verankert und unter dem Begriff „Jeong“
bekannt. Co-Kreation ist in Seoul ein Ausdruck demokratischer Erneuerung, und CoGovernance ist tief verankert. Dies hängt stark mit dem Bürgermeister Par Won-soon
zusammen, der unter dem Slogan „Citizens are the mayor“ gewählt wurde und als sozialer Aktivist gilt. So ist Seoul unter anderem auch für sein Open Government bekannt.
Die Stadt bietet öffentlichen Zugang zu allen offiziellen Stadtdokumenten, auch zu
jenen, welche in Bearbeitung sind. Weiter gibt es einen Speakers Corner, wo Stadtbürger
Videobotschaften aufnehmen können und Anliegen an die Stadtverwaltung senden können. Der Bürgermeister ist zudem auf Twitter präsent und im Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern von Seoul [1].
Sharing-Aktivitäten: Seoul ist im Rahmen des Sharing-Phänomens auf drei Ebenen aktiv: Ausbau von physischer und digitaler Sharing-Infrastruktur, Unterstützung
von Sharing-Economy-Startups sowie öffentliches Zurverfügungstellen freier Kapazitäten, wie beispielsweise Räumlichkeiten der Stadt. Zusätzlich bindet die Stadt die
Innovationskraft ihrer Bürgerinnen und Bürger in Entwicklungen ein. Im Bereich der
Infrastruktur bewirtschaftet Seoul gemeinsam mit Creative Commons Korea das Onlineportal ShareHub. Dieses bietet Stadtbürgerinnen und -bürgern Informationen zum
Sharing-City-Projekt mit News und als Verzeichnis zu Sharing-Economy-Initiativen
und -Services. Weiter wurde allgemein in eine digitalisierte Umgebung investiert. Eine
elektronische Währung vereinfacht Transaktionen, kontaktlose Smartcards ermöglichen
ein unkompliziertes Nutzen des öffentlichen Verkehrs, und kostenloses WLAN auf dem
ganzen Stadtgebiet sowie 1 Mio. kostenlos abgegebene Smart Devices für digital unterversorgte Bürgerinnen und Bürger fördern die Vernetzung auf dem ganzen Stadtgebiet.
Weiter unterstützt die Stadt Sharing-Economy-Startups. So profitieren 20 ausgewählte
Jungunternehmen von kostenlosem Büro-Raum, technischer Unterstützung und finanziellen Zuschüssen. Zusätzlich wurden auch etablierte Sharing-Unternehmen gefördert
und bei der Skalierung ihrer Plattformen unterstützt. Freie Räumlichkeiten der Stadt
werden außerdem Sharing-Economy-Initiativen zur Verfügung gestellt. So baut die Stadt
ihr Bibliotheksnetz aus und nutzt freie Appartmentwohnflächen für das Einrichten neuer
Quartierbibliotheken. Ausgewählte Parking Lots und Gebäude werden außerhalb der
Geschäftszeiten der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Die Stadt selbst profitiert von
7.2
Internationale Cases
95
der Einbindung der Innovationskraft ihrer Bürgerinnen und Bürger. So wurden beispielsweise 50 Digitalunternehmen im Social Innovation Camp zusammengeführt, um sich in
der Entwicklung einer Web- und Mobile-basierten Lösung für den öffentlichen Sektor zu
messen. Thema waren die Herausforderungen der heutigen Städte. Das Gewinner-Team
entwickelte die App Finger-Town. Auf unterhaltsame Art und Weise können mit der App
Probleme im öffentlichen Service rapportiert und damit der Kundenservice der Stadt verbessert werden [1].
Rolle und organisatorische Verankerung: Neben der Rolle als Förderin (finanziell
und infrastrukturell), Unterstützerin (kulturell) und Nutzerin von Sharing, greift Seoul
bei internationalen Sharing-Initiativen auch regulierend ein. Die Stadt verbietet beispielsweise Uber, lanciert dafür aber eine eigene Taxi-Ruf-App. Wichtige Entscheidungsträger aus dem privaten Sektor und der Verwaltung bilden ein 12-köpfiges Sharing
Promotion Committee. Dieses soll Sharing in der Stadt noch stärker katalisieren und die
Beziehungen zwischen Tech Startups und Bürger-Bewegungen weiter etablieren [1].
Weiter verfügt die Stadt über eine Innovation Planning Division. Diese untersucht, wie
Innovationen aus der ganzen Welt in Seoul implementiert werden können und soll die
Kommunikation zwischen Startups und der Stadtregierung vereinfachen. Sie greift Inputs
von Bürgerinnen und Bürgern auf und adressiert gesetzliche Hindernisse zur Ausbreitung
des Impacts von Sharing-Aktivitäten und -Unternehmen. Ziel der Division ist es außerdem, die Kommunikation zwischen Startups und der Stadtregierung zu vereinfachen [1].
7.2.2
Kopenhagen
Die Sharing-Aktivitäten in Kopenhagen wurden vor allem rund um den europäischen
Green Capital Award bekannt (gemacht) mit dem Ziel, die geforderten Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Die Stadt wurde im Rahmen des Awards 2014 in einen riesigen
„Sharing-Showcase“ verwandelt [1].
Im Rahmen dieser Anstrengungen zeigte sich auch die kollektive Kultur der Stadt.
Bewohnerinnen und Bewohner investierten teilweise ihr eigenes Geld, um die Stadt in
der Erreichung ihrer Nachhaltigkeitsziele zu unterstützen. So wurde die Hälfte der Turbinen in der Windfarm des Middelgrunden Harbor von Stadtbewohnern finanziert. Die
kollektive Kultur zeigt sich auch im Co-Housing-Prinzip, das in Kopenhagen seit den
70er Jahren gelebt wird und – so wird behauptet – dort auch ihren Ursprung hat. Mehrere
Familien leben dabei separat mit extensiv genutztem kommunalem Raum [1].
Im Kontext von Open Data öffnet auch Kopenhagen den Zugang zu Stadtdokumenten
und macht die übersetzte Zusammenfassung des City’s Urban Landscape Design Manual
öffentlich zugänglich [1].
Sharing-Initiativen: Treiber der Sharing-Aktivitäten in Kopenhagen ist insbesondere
das Stadtplanungsamt. Es treibt die Umnutzung von Stadtraum voran, fordert den Austausch zwischen der Verwaltung und den Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt durch
bauliche Vorschriften oder Bewilligungen oder aber entwickelt Raumprojekte, die zur
96
7
ShareCity-Cases
Partizipation einladen oder diese symbolisch festhalten. So wurden beispielsweise ehemalige Parkplätze zu geteilten öffentlichen Räumen, Besitzer von Häusern in der Stadt
werden ermutigt, Tische, Stühle und Pflanzen auf das Trottoir zu stellen, und damit zum
Austausch einzuladen. Als bauliches Symbol für den gewünschten Austausch zwischen
Bevölkerung und Verwaltung werden die Erdgeschosse öffentlicher Gebäude mit Glasfassaden ausgestattet. Mit der spielerischen Infrastruktur wie öffentlichen Trampolinen
am Wasser oder bekletterbaren Skulpturen propagiert die Stadt ein längeres Verweilen
sowie das Gemeinsame [1].
Nutzen von öffentlichen Räumen. Interkulturelle Diversität wird gefeiert und die
bottom-up-Demokratie symbolisch festgehalten, indem sich die ethisch diversen
Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers Norrebro im Superkilen-Park einbringen
konnten mit ihren eigenen Ideen und Artefakts aus ihrer ethischen Subkultur. Auch „The
Wall“, eine 12 m lange mobile Struktur mit Multi-Touch-Screen, zelebriert eine partizipative Kultur, indem sie die Geschichte Kopenhagens in Form von 20.000 Bildern zeigt,
die von der Bevölkerung zur Verfügung gestellt wurden. Weiter ist Kopenhagen auch eine
Stadt der Fahrradfahrer und hat intensiv in diese Infrastruktur investiert. Es stehen 1850
Bikes zum Sharen zur Verfügung. Außerdem wurde ein Netzwerk von 26 Bike-Routen,
sogenannte Superhighways geschaffen. Diese sind gegenüber den Autostraßen erhöht,
breit ausgebaut und werden bei Schnee schneller als die Autostraßen geräumt. Damit sollen Pendler aus dem suburbanen Raum zur Fahrrad-Nutzung motiviert werden [1].
7.2.3
Medellin
Medellin wurde zu einer Modellstadt für Stadtplanungsstrategien. Mithilfe gezielter
Investitionen konnten problematische Stadtquartiere revitalisiert werden. Es wurden
isolierte Quartiere durch Verkehrsanbindungen wieder mit der Innenstadt sowie untereinander verbunden. Zudem wurden Orte des positiven Austauschs geschaffen, die alternative Beschäftigungsmöglichkeiten als die Beteiligung in Straßengangs bieten. Die
Verbindung mit der Innenstadt wurde auch mithilfe architektonischer Schlüsselwerke
geschaffen, die Besucherströme wieder in die ärmeren Quartiere leiten sollen und diesen
mit neuen Besucherströmen auch entsprechende Einkünfte ermöglichen sollen [1].
Vernetzung und öffentlicher geshareter Raum für Bibliotheken und Initiativen der
Quartierbevölkerung sind in Medellin Schlüsselaspekte. Die Stadt investiert fünf Prozent
ihres Budgets in Initiativen, die bottom-up entstehen und Sharing zum Thema haben. So
teilt eine afro-kolumbianische Band beispielsweise ihr Musik-Talent und erteilt kostenlos
Musikunterricht. Die Stadt subventioniert die Instrumente. Mit solchen Initiativen sollen insbesondere Jugendliche von der Straße geholt und motiviert werden, ihre Freizeit
anderweitig als mit gewalttätigem Gang-Leben zu verbringen [1].
Die oben genannten Anstrengungen haben der Stadt 2013 den US’s Urban Land Institute’s „Innovative City of the Year“-Titel eingebracht [1].
7.2
Internationale Cases
7.2.4
97
Amsterdam
Amsterdam ist Europas erste offizielle „Sharing City“. Die Stadt zeichnet sich aus durch
eine offene Partizipationskultur. Alle Stadtbewohner dürfen politisch partizipieren. Gleiches gilt für Immigranten, welche seit fünf Jahren legal im Land leben. Inklusion steht
insgesamt weit oben auf Amsterdams Agenda. Sharing in Form von Co-Produktion
sowie der Vernetzung zwischen Stadtverwaltung, Unternehmen sowie Bürgerinnen und
Bürgern hat dabei einen hohen Stellenwert. Ein weiteres Rahmenziel, das Amsterdam
mit seinen Sharing-Aktivitäten verfolgt, ist die Entwicklung zu einer Smart City, in welcher die CO2-Emission in Energie- und Transportsystemen erheblich gesenkt werden
soll. Amsterdam hat wie Kopenhagen und Seoul ein Open-Data-Programm, wo Bürgern
städtische Daten zur Verfügung stehen, damit sie Entscheidungen in Bezug auf die Stadt
auf Basis von Facts and Figures treffen können [1].
Sharing-Initiativen: Wie Kopenhagen hat Amsterdam eine lange Co-HousingTradition. Die Stadt war dann auch die erste, die Kurzzeit-Mieten von Wohnungen offiziell legalisiert hat. Solches Untervermieten ist maximal 60 Tage im Jahr möglich,
Einkommens- und Touristen-Taxen sind Pflicht. 2009 wurde in Amsterdam das erste
Repair Café gegründet (heute gibt es 15). Auch Peerby, welche Anbieter und Nachfrager
aller Arten von Dingen zusammenbringt, wurde damals gegründet, ebenso wie Floow2,
eine B2B-Sharing-Plattform, welche untergenutzte Fähigkeiten und Equipment vermittelt.
Unter dem Motto „to help one another in exchange for free co-working space“ wurde
dann auch die neue Bibliothek von Almere eröffnet. Auch im Bereich der Mobilität, im
Bike-Sharing, hat Amsterdam bereits 1965 das erste Projekt gegründet. Seit 2009 ist auch
noch das (Peer-to-Peer-) Car-Sharing-Programm MyWheels dazugekommen. Neben der
Unterstützung oben genannter Initiativen investiert die Stadt auch in Infrastruktur wie beispielsweise das Amsterdam Free Wifi oder die oben genannte Co-Working-Bibliothek [1].
7.2.5
San Francisco
San Francisco ist sozusagen Epizentrum des wachsenden High-Tech-Sharing. Unternehmen wie Twitter, Dropbox oder Airbnb sind in der Stadt beheimatet. Millenials verbreiten neue Normen, welche die Nutzung von Sharing-Angeboten unterstützen, und
die Nähe zum Silicon Valley fördert die wachsende Szene der Sharing-Startups. San
Francisco vertraut in Bezug auf Sharing vor allem auf den privaten Sektor und ist lediglich mit einigen wenigen Projekten und Regulationen aktiv. Die Sharing-EconomyArbeitsgruppe, die von der Stadt als Austausch-Organ ins Leben gerufen wurde, konnte
sich nicht etablieren [1].
Regulationen für Kurzzeit-Vermietungen: Die Stadt hat früh Regeln eingeführt, was
die Kurzzeit-Vermietungen von Wohnungen angeht. So dürfen nur „permanent residents“
ihre Unterkünfte kurzzeitig vermieten. Die Vermieter müssen sich bei der Stadt registrieren und Hoteltaxen bezahlen. Das Vermieten einer ganzen Wohnung ist auf 90 Tage im
Jahr beschränkt [1].
98
7
ShareCity-Cases
Aktivitäten der Stadt: In einigen wenigen Projekten ist San Francisco auch selbst
aktiv im Sharing-Economy-Bereich. So hat das Departement of Emergency Management der Stadt beispielsweise in Kooperation mit Airbnb ein Tool für die Vermittlung
gebührenfreier Unterkünfte in Regionen entwickelt, die von Naturkatastrophen betroffen
sind. Dann hat sich die Stadtverwaltung selbst die Innovationskraft von Startups zunutze
gemacht. In einem Entrepreneurship-In-Residence-Programm wurden ausgewählte
Startup-Unternehmen 16 Wochen mit der Stadtverwaltung zusammengebracht. Ziel
war es, die Verwaltung effizienter und responsiver zu machen. Die Startups erhielten im
Gegenzug kostenlose Co-Working-Arbeitsplätze, Mentorship, Workshops und Trainings.
Nicht nur die Verwaltung selbst, sondern auch die öffentlichen Räume sollen durch
Sharing-Aktivitäten verbessert und belebt werden. Das Office of Civic Innovation hat
dazu das Living-Innovation-Zone (LIZ)-Programm ins Leben gerufen. In öffentlichen
Räumen können Sharing-Unternehmen ihre Projekte zeigen. Das Ganze funktioniert im
Pop-Up-Stil. Die Ausstellungsräume wechseln je nach Verfügbarkeit. Eine dazugehörige
App mit dem Namen POPOS fungiert als digitale Karte. Besucherströme können mit
dem Projekt abseits der kommerziellen Touristik-Areale geführt werden. Damit werden
neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnet [1].
Eine organisationale Abbildung unterschiedlicher Sharing-Interessensgruppen in der
Stadt wurde 2013 als Sharing-Economy-Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Ziel war es,
die ökonomischen Benefits der wachsenden Sharing-Economy-Branche zu untersuchen
und auf die Ängste von Unternehmen in Bezug auf Policies und Regulationen einzugehen. Die Gruppe wurde zusammengesetzt aus Vertretern der Stadtverwaltung, der
Community-Organisationen und der Sharing Economy [1].
Die Betrachtung der internationalen Cases zeigt, dass sowohl das Label „Sharing
City“ als auch entsprechende Aktivitäten der Stadtverwaltungen teilweise expliziter
angewandt werden, als dies in den Schweizerischen Städten der Fall ist. Dies hat unterschiedliche Ursachen. In Städten wie Medellin liegt selbstverständlich eine andere
Dringlichkeit vor. Teilweise ist es aber auch eine Prioritätensetzung der Stadtverwaltungen, ob sie in Bezug auf Sharing einen Schwerpunkt setzen, wie die Beispiele
Kopenhagen und Amsterdam zeigen [1].
Literatur
1. Agyeman, J., & McClaren, D. (2015). Sharing cities. A case for truly smart and sustainable
cities. Cambridge: MIT.
8
Ausblick
Zusammenfassend können die folgenden Learnings für ShareCity-Aktivitäten einer Stadt
festgehalten werden.
1. Auf dem Weg zum Shared City Life
In den untersuchten Städten findet viel Sharing statt. Gleichwohl kann meist nicht
von einem flächendeckenden „Shared City Life“ gesprochen werden. An vielen
Stellen engagieren sich Menschen aber beim Teilen, und es kann eine zunehmende
Verbreitung des Sharing-Gedankens und der Sharing-Nutzung konstatiert werden.
2. Vielfältiges Sharing
Auch wenn die typischen Sharing-Beispiele im Bereich Unterkünfte und Verkehr/
Mobilität angesiedelt sind, finden sich in den Städten vielfältige Sharing-Anwendungen.
Dies wird den Trend zu einem intensiverem Shared City Life mit stärken.
3. Städte engagieren sich beim Sharing
In allen beobachteten Städten existieren verschiedene Sharing-Initiativen, teils auch
von den Städten aktiv initiiert oder gefördert. Viele Städte nennen sich aber nicht
explizit „Sharing Cities“. Städte verfolgen verschiedene Strategien/Konzepte, wie
Umweltkonzepte oder Smart-City-Konzepte, für die Sharing ein wesentlicher Input ist.
4. Potenziale und Risiken im Blick haben
Sharing hat grundsätzlich viele Potenziale im Hinblick auf ökologische, ökonomische
und soziale Nachhaltigkeit, aber teils auch Risiken in diesen Bereichen. Als Stadt ist
es wichtig, die Chancen und Risiken im Blick zu haben, und das Shared City Life
entsprechend zu kanalisieren.
5. Kombinieren von „Vernunft“ und „Spaß“
Sharing kann sehr wichtige gesellschaftliche Wirkungen haben. Allerdings ist dies für
den Einzelnen häufig kein ausreichender Antrieb. Der „erhobene Zeigefinger“ alleine
trägt zu wenig zu einer Sharing-Orientierung der Bevölkerung bei. Städte können mit
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
D. Georgi et al., ShareCity, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23700-4_8
99
100
8
Ausblick
dafür sorgen, dass Mehrwerte durch Sharing sowie eine Sharing Community in der
Stadt entstehen.
6. Sharing hat eine Querschnittsfunktion
In den gegebenen Organisationsformen der Stadtverwaltungen existiert kein
„Sharing-Amt“ o. ä. Dagegen betrifft Sharing vielen organisatorische Einheiten einer
Stadtverwaltung. Sharing hat eine Querschnittsfunktion zu vielen Bereichen, wie
Umwelt, Verkehr, Stadtentwicklung, Wohnen usw. Eine solche Querschnittsfunktion
bedeutet potenziell viel Bedeutung, bringt aber auch die Gefahr mit sich, dass ein solches Thema nicht entsprechend eingebracht wird, da sich niemand dafür verantwortlich fühlt. Daher werden jene Städte eher eine Sharing-Orientierung realisieren,
in denen sich Einzelpersonen oder Bereiche der Stadtverwaltung des Themas aktiv
annehmen.
7. Balance aus Bottom-up und Top-down
Es zeigt sich, dass es in vielen Städten Sharing-Initiativen gibt, die eine gute Grundlage für die Entwicklung einer Stadt zur „Sharing City“ sind. Gleichzeitig können
Städte diese Entwicklung unterstützen, indem sie selbst aktiv werden, und sei es
zumindest bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen der Sharing Economy. Eine
gute Balance zu finden zwischen Bottom-up- und Top-down-Herangehensweisen ist
ein wichtiger Erfolgsfaktor auf dem Weg zur Sharing City.
8. Frühzeitige Auseinandersetzung mit aufkommenden Digitalisierungstrends
Aktuelle und zukünftige Trends wie autonomes Fahren, das Internet der Dinge oder
Big Data werden zweifelsohne die Sharing Economy in den nächsten Jahren stark
prägen. Plötzlich sind völlig neue Ansätze denkbar, die vor kurzer Zeit noch nach
„Science Fiction“ geklungen haben. Dabei sollte sich die Diskussion nicht darauf
beschränken, was (technisch) machbar ist, sondern Städte sollten vielmehr diskutieren,
was ein gewünschter Zielzustand wäre. Es braucht ein „Herantasten“ und „Hineinwachsen“ in neue Ansätze, bei dem alle Akteure noch hinzulernen dürfen sollen.
Anhang: English Summary of the Book and the
ShareCity Research Project
Introduction
A short while ago the retailer Tchibo launched a rental service for baby clothing under
the sub-brand “Tchibo Share”.—The Swiss sharing icon Mobility continuously tests
new sharing innovations. Since the 1980s Mobility has been offering so-called stationbased car sharing, in which cars have to be picked up from certain stations and returned
to them. For a few years now the provider has been piloting “Catch a Car”, a so-called
free-floating car sharing, which is also offered by Car2Go and DriveNow in Germany,
for example.—The latter are the sharing arms of Daimler and BMW—the car manufacturers see their future in the service business instead of the product business—and
sharing is a promising service field. Societal trends are leading to an increasing number of customer segments no longer buying a car—using instead of possessing is the
motto. The feared declining sales are to be compensated by sharing offers.—Everyone
has heard of Airbnb by now—and many have already used it. The online platform for—
mainly, or at least originally—temporary private accommodation for private individuals
is the epitome of the modern sharing economy.—Platforms also offer the exchange of
goods and services in the so-called “P2P economy” in other areas. On Sharoo, your own
car is temporarily offered to other users. At Sharely, daily used items and services can
be found—from a ladder to a drone to a haircut. At Blabla-Car so called “Ride Sharing”
is offered. Members announce their planned trips on the site to give other users a lift if
necessary.
Is Sharing Anything New?
So the sharing economy has come right to the heart of life. But, wait a minute:
BlaBlaCar—is that so new? In some countries, there always have existed agencies that
organize car pooling by telephone. Right. Sharing is an old thing. Many have cited libraries as being one of the oldest forms of sharing. If you go that far, every street and every
park is sharing. But you don’t have to go that far. There are several new developments in
sharing. On the one hand, they were created for technological reasons. Online platforms
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
D. Georgi et al., ShareCity, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23700-4
101
102
Anhang: English Summary of the Book and the ShareCity Research Project
make it possible to bring together suppliers and consumers who would not be able to
come together without online support. On the other hand societal tendencies also play
a role. It can be observed—at least in part—that we are moving away from pronounced
individualism and increasingly accepting responsibility for society. This second reason is
also the cause of sharing initiatives that are explicitly not taking place online, but locally,
or “in the public space”, as we were told in an expert interview.
Sharing Economy as an Economic Growth Engine
From an economic point of view, the sharing economy is seen as one of the main engines
of growth. For some time now the sharing economy has been predicted to develop
steeply in the future. In 2013, the management consultancy PWC estimated the global
value added by the sharing economy at 15 billion dollars and it assumes an increase to
335 billion dollars in 2025.
Shared City Life and ShareCity Approach
From the perspective of cities one can assume that the future urban life will be a “shared
city life”. This raises the question whether cities want their city life to be determined by
international platforms in the future? Or whether they take up the reins themselves and
play an active role in shaping the sharing economy in their city. In terms of a ShareCity
strategy, cities can determine how their future “shared city life” will look like. In international contexts some cities already refer to themselves as “sharing cities”, such as e.g.
Barcelona, Milan, Singapore or Seoul.
ShareCity Project with the Mercator Foundation Switzerland and the City of St.
Gallen
In order to investigate more closely how cities can develop a ShareCity strategy and thus
influence shared city life in their towns, a research team from the Lucerne University
of Applied Sciences and Arts has carried out the research project “ShareCity—Sharing
Strategy for Swiss Cities”. The project was supported by the Mercator Foundation Switzerland. The city of St. Gallen was a sparring partner in the project.
“ShareCity” Research Project
Project Members
• Research-Lead: Lucerne University of Applied Sciences and Arts (HSLU)—Business,
Institute for Communication and Marketing (IKM)
• Main financing partner: Mercator Foundation Switzerland
• Main practice partner: City of St. Gallen
– Karin Hungerbühler, Deputy Head, Office for Environment and Energy
– Harry Künzle, Head of Environment and Energy Office
Anhang: English Summary of the Book and the ShareCity Research Project
103
• Accompanying group:
– Renate Amstutz, Director of the Swiss Association of Cities
– Andreas Blumenstein, Peter Masciadri, Office for Mobility AG
– Manuel Lehmann, Management Board DANACH
– René Lisi, President Sharecon
– Carmen Spielmann, Managing Director Sharoo
– Frank Wolff, Managing Director Crowdwerk
– Christoph Zeier, Head of Strategic Projects Mobility
Approach
• Qualitative study: Approx. 30 qualitative interviews with representatives of city administrations, the local economy, sharing companies and initiatives as well as sharing
users
• Quantitative-empirical study: Standardized, representative survey of 512 members of
the LINK panel
• Strategy workshop with over 20 representatives from the St. Gallen city administration,
business, sharing companies and institutions
• Four expert workshops with approx. eight participants each
Effects of Sharing
What Makes Sharing so Interesting? The Positive Effects
The fact that sharing is on everyone’s lips—despite its future development looking rather vague—is due to the potential effects of sharing and the sharing economy. The first
reaction is usually: Sharing is a good thing! Sharing is so tempting because it promises a
number of real benefits—in ecological, economic and social terms (cf. Fig. A.1).
Sharing Helps the Environment
Most discussed are ecological advantages, which are mainly due to the economization of
resources through multiple use. If several people share a car as part of car sharing or ride
sharing, less energy is consumed and less exhaust fumes are produced. If several delivery
services use the same kitchen infrastructure, material and energy are saved. When private
living space in residential complexes is reduced and shared areas are increased, energy is
also saved.
Economic Advantages for New Players and the Established Economy
Sharing approaches can also generate economic benefits. This applies e.g. to private
users, as sharing users can use certain products and services more cheaply than if they
had to procure them themselves. Sharing approaches can create business opportunities for companies. This is true, of course, primarily for sharing platforms that mediate
between supply and demand. But classic B2C or B2B providers can also develop new
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Anhang: English Summary of the Book and the ShareCity Research Project
Positive effects
Ecological
sustainability
Sharing
Economic
sustainability
Social
sustainability
Negative effects
• Less consumption
• Better space utilization
• Rebound effects
• Increased consumption through
private business models
• Expansion of supply - expansion of
demand (induced demand)
• Income opportunities for private
individuals
• Revenue/savings opportunities for
companies
• New business models
• Transparency (e.g. through
feedback systems)
• Fairness / participation /
democratization of access
• Flexible employment models
• Higher demand in other areas
through savings
• General: Growth opportunities
• Threat to existing industries
• Shift of risk to
employees/consumers
• Exploitation of workers ('race to the
bottom'; platform capitalism)
• Bypassing regulations
• New monopolies
• Social exchange
• Multigenerational interaction
• Social networking/cohesion
(community)
• Changing values towards
sustainability
• Unequal access for lower income
groups
• Signs of social division
Fig. A.1 Effects of sharing
opportunities through sharing, e.g. by identifying new target groups for whom the purchase of the products offered is not possible for cost reasons. Companies can also realize
cost savings through sharing approaches.
Social Effects of Sharing
Sharing creates social interaction. Social interaction promotes stability within societies.
Sharing can advance societal integration in various ways, ethnic, age-related, according
toeducational backgrounds. In some residential complexes of housing cooperatives,
multi-generational housing is intentionally promoted. This generates very specific “sharing advantages” for those involved in everyday life: seniors support younger families in
childcare, for example, while younger people do their shopping for them.
Or is Sharing not “Caring” at all, but “Scaring”? Negative Effects of Sharing
However, sharing offers can also generate negative effects. In environmental terms, sharing can even lead to increased consumption, for example if users of buses and trains
switch to car sharing; or if the money saved through sharing is used for other activities
entailing increased consumption (e.g. long-distance travel). In economic terms established industries may be weakened as well. Uber, for example, reduces the use of taxis
while the new revenues are generated in other countries. Even though it can be argued
that established industries should meet this challenge and develop innovative services
and business models themselves in order to remain competitive, this initially represents an economic disadvantage, also accompanied, for example, by job cuts. From a
social point of view, some argue that sharing platforms help wealthier people who e.g.
Anhang: English Summary of the Book and the ShareCity Research Project
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own accommodations which can be let, rather than the less wealthy. Airbnb and the like
reduce long-term housing offers in some quarters in favour of holiday offers. The coexistence of tourists and locals can be stimulating but can also disturb the everyday life of
the locals, depending on the behaviour of the tourists. In this regard, the “Kurier” in Berlin headlined: “Trolley bag noise, boozing parties: trendy district wants to teach tourists
manners”.
Influencing Factors of Sharing
What Motivates People to Share? Even though there are negative effects of sharing,
it can potentially contribute to meeting societal challenges. If cities or the public sector
in general wish to participate in shaping sharing, knowledge of the motivational factors
of sharing users is relevant. It is therefore all about the influencing factors of sharing
behaviour, i.e. the willingness to participate in sharing initiatives or to participate in sharing via platforms or similar. The following factors play a role in the decision to share
(Fig. A.2):
• Functional benefit: If sharing is practical and “makes life easier”, if it adds value,
one is more likely to participate. If it is easier and cheaper to board a car-sharing
vehicle at the station than to call a taxi, this increases the probability of use. An example of overall conditions that bring functional benefits are extra traffic lanes for car
pools, such as those found in some international metropolises. Such a measure automatically makes sharing more attractive.
• Hedonistic benefit: If sharing is “fun”, it is more likely to be used. A surveyed expert
emphasized that sharing could not develop in an ecological niche, but had to be attractive and modern. Another expert reported that it was simply cooler to ride a bicycle
(“shared” or an own one) than to drive by car in Copenhagen.
• Social benefit: If sharing contributes to experiencing positive social interactions,
it is more likely to be used. Airbnb users report, for example, how refreshing contact with Airbnb landlords is, compared to “anonymous” hotel employees. Or if the
social interaction between the inhabitants of housing complexes with shared rooms is
valued, this increases the use of such offers.
• Trust: In sharing, resources are used simultaneously or at intervals which are also
used by others. Therefore trust is needed that this multiple use does not worsen the
user experience (cue: dirt in a shared car). Due to the role of trust, sharing platforms
often use valuation systems. Sharing-specific insurances are also being developed.
And bodies such as cities can act as a source of trust.
• Social norm: The so-called social norm describes the orientation of people with
regard to the behaviour of others. If our social environment or role models or other
like-minded people participate in sharing, the individual is also more likely to participate. If, for example, the mayor of a city doesn’t use her car for two weeks, she sets an
example. It also helps to spread sharing offers when a kind of “sharing community” is
created, i.e. a common understanding in the city that sharing should take place.
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Anhang: English Summary of the Book and the ShareCity Research Project
Fig. A.2 Drivers of sharing
Empirical Study of Influencing Factors The ShareCity project investigated the relative importance of these factors. An experimental approach based on the model shown in
Fig. A.3 was chosen for this purpose. One of three sharing services was briefly introduced to the test persons.
The three approaches were: 1) E-cargo bike sharing, in which electric freight bicycles
are offered, for example to transport purchases; 2) residential sharing, in which relatively small private units and generous common rooms (e.g. shared office, shared kitchen,
etc.) are offered in a residential complex; 3) garden sharing, in which garden space is
offered in the middle of the city for (joint) gardening. These scenarios were then evaluated on the basis of various criteria with which the above-mentioned influencing factors
were measured, by statements such as “This offer would bring me great added value”. In
addition, the likelihood of using the sharing offers was questioned.
The relative impact of the influencing factors on this behaviour intention were then
analysed by means of a regression analysis. The factors with the greatest influence were
the social norm, trust and hedonistic benefits. Sharing offers are therefore more likely to
be used if sharing is valued by the social environment, there is confidence in the sharing
offers and the sharing offers promise fun.
The knowledge of these factors supports designers of the sharing economy in the
design of sharing and its framework. These designers can be platform operators or the
public sector, such as city administrations. From the point of view of city administrations, the study results can be used in the following ways: The relevance of the social
norm means that the more sharing communities there are in a city, the more widespread
sharing becomes. Even if there are many private or business communities, the city can
offer a good platform for community building. If a city explicitly describes itself as a
sharing city, exemplifies this and makes the benefits visible, a city-wide sharing awareness can be created. The relevance of trust can encourage cities to take on the role of an
anchor of trust by helping potential sharing participants to feel less uncertainty about
the use of sharing offers. Finally, the importance of added value provides the basis for
Anhang: English Summary of the Book and the ShareCity Research Project
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Functional benefit
Ecological benefit
Hedonistic benefit
Social benefit
Sharing
participation
Social norm
Trust
Personality traits /
personality
Fig. A.3 Empirical research model indicating the most important sharing drivers
generating and communicating additional benefits from sharing offers. For example,
through communication measures, regulatory measures (e.g. extra traffic lanes) or a role
model function.
ShareCity Strategies
Framework for a Systematic Derivation of ShareCity Strategies The ShareCity approach
is based on the idea that cities are more likely to use the potential of sharing for more ecological, economic and social sustainability if they develop systematic sharing strategies. For
this purpose, a strategy framework was developed during the ShareCity project, which was
then applied to various constellations, in particular together with the city of St. Gallen. To
define a sharing strategy, the following questions are asked using the framework (Fig. A.4):
1. Which goals? First of all it should be clarified what goals are to be achieved by sharing? Or at least which targets should not be affected by sharing. As a starting point it
is worthwhile to take the general objectives (e.g. legislative goals,visions) of the city
into consideration. In addition, other specific goals can be derived from a city’s current challenges, e.g. reducing traffic, revitalising the city centre, increasing interaction
between the generations, creating jobs, etc.
2. Which context? The context in which sharing is to be applied should also be defined. It could refer to the entire city, for which a holistic sharing strategy is to be
developed. It could also be applied to a specific quarter which is to be revitalised by
sharing. Furthermore it could relate to streets that are particularly affected by Airbnb
rentals, for example. The focus could also be on integration between the city and the
surrounding area.
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Anhang: English Summary of the Book and the ShareCity Research Project
Fig. A.4 Sharecity strategy
framework
3. Which stakeholders? It must be examined which stakeholders are to be involved in
the organization of the sharing. An isolated approach by the city administration alone
is usually not sensible. In our work with, for example, the city of St. Gallen it was
emphasized that the existing sharing initiatives should be included, in the sense of a
“bottom-up” approach. It was also considered relevant that the existing “non-sharing”
economy plays a strong role in the sharing strategy process. This allows possible
resistances in the process to be taken into account. Simultaneously, the local economy
can be supported in its innovation process.
4. Which sharing approaches? From the whole variety of sharing approaches those
are to be selected by which the defined goals can be achieved. Depending on the initial situation and challenges, different sharing approaches are more or less relevant.
5. Which measures? Finally, the measures to be taken to achieve the desired objectives must be defined. Five areas of measures can hereby be discerned: Initiate, position, regulate, promote and inspire (cp. the following section for a more detailed
explanation).
The five phases of this strategy process can be run through in different order. The given
sequence can be used, for example, if a city wants to develop a holistic sharing strategy.
Accordingly, it would follow the five phases. This order also applies when sharing strategies are to be developed for individual sub-areas. If, for example, the traffic situation is
to be improved by sharing (goal), questions in the other four areas would follow accordingly. The starting point could also be the fourth module “sharing approach”. This is the
case, for example, if a city is considering how it should deal with possible excess Airbnb
offers. Then the strategy process starts with potential problems caused by Airbnb. Afterwards it is defined what the city's goals are in this respect, etc.
Anhang: English Summary of the Book and the ShareCity Research Project
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Specific Sharecity Measures Various measures are available to cities to shape sharing,
i.e. to promote, restrict, shape, etc. These measures can be subdivided into the following
five areas (Fig. A.5):
1. Initiate Cities can develop and offer sharing services themselves. One example of
this is the development of a neighbourhood app offering sharing elements. Or: The
Swiss Federal Office for Energy (BfE) has carried out pilot projects with companies
to promote the use of car pools by employees.
2. Position Cities can help sharing providers to position themselves in the city, gain
attention and make the citizens more aware of them. Cities can give existing sharing
initiatives a platform, either online through a kind of “sharing portal” or in “real life”.
For example, the city of St. Gallen has organized a “ShareGallen” sharing market as
a specific measure derived from the ShareCity project. At the event, more than 20
sharing initiatives presented their sharing approaches at exhibition stands. The event,
which bore a “festive character” due to musical and gastronomic accompaniment, was
well received by the population and well attended.
3. Regulate Regulation is often called for when new developments endanger existing
business models and a restriction of new providers is to be achieved by regulation, or
when new offers circumvent the guidelines that existing providers must comply with.
Due to the spread of Airbnb, the hotel industry wants to regulate such offers. And the
spread of Uber brings the taxi lobby to the fore, which demands to limit such offers.
In addition to such negative regulation, positive regulation is also possible, which
contributes to the spread of sharing. A prominent example are separate traffic lanes
for users of car-pooling. This increases the functional benefit of sharing, as shared driving in car pools usually results in faster transport, as these lanes are less busy.
Fig. A.5 ShareCity measures
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Anhang: English Summary of the Book and the ShareCity Research Project
4. Finance Cities can promote general or individual sharing initiatives through financial
support. One example of this are idea competitions, which support projects with certain topics, such as saving energy.
5. Inspire A city can also explicitly promote the dissemination of sharing by inspiring
citizens to participate, e.g. by setting an example. One such example are cities that
offer car-sharing to their employees or in which important personalities, such as the
mayor or other city celebrities, take part in sharing initiatives.
ShareCity Workshops The Sharecity strategy framework can be used to systematically
develop a ShareCity strategy in cities. In the case of St. Gallen, for example, a ShareCity
strategy workshop was held with over 20 participants from the city administration, local
business and sharing initiatives. Based on the questions of the framework, fundamental
considerations were made for the city of St. Gallen with regard to sharing in the city.
Organizational Requirements for a Sharing Orientation
As with other topics, sharing is only systematically implemented if someone in the city
administration feels responsible for it. In many cities there is no sharing department or
person responsible for sharing. Sharing often has a typical cross-departmental function. It permeates many municipal functions, such as building construction, education,
health, urban development, transport. In order to integrate new ideas such as sharing into
established structures, it is necessary that particular people in authority take care of the
topic. In St. Gallen this was, for example, the co-head of the Office for Environment and
Energy. In addition, organizational embedding can help to establish the idea of sharing
more firmly, for example, by setting up rules which force those responsible to check sharing potential in new projects or to assign people being explicitly responsible for sharing.
In some international cities, for example, sharing departments have been created.
By actively addressing sharing in the sense of a ShareCity strategy, city administrations (and, more generally, the public sector) can create a framework that allows them to
exploit the positive potential of sharing and the sharing economy.