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ELEKTRONISCHE PUBLIKATIONEN DES
DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS
Dies ist ein digitaler Sonderdruck des Beitrags / This is a digital offprint of the article
Jutta Stroszeck
Athen, Griechenland: Kerameikos
aus / from
e-Forschungsberichte
Ausgabe / Issue 2 • 2014
Seite / Page 46–56
https://publications.dainst.org/journals/efb/1749/4657 • urn:nbn:de:0048-journals.efb-2014-2-p46-56-v4657.6
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ATHEN, GRIECHENL AND
kerameikos
die arbeiten der Jahre 2012 und 2013
Abteilung Athen des Deutschen Archäologischen Instituts
von Jutta Stroszeck
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Kooperationspartner: Griechisches Ministerium für Kultur und Sport, 3. Ephorie für Prähistorische und Klassische Altertümer, Architekturbüro J. M. Klessing (Restaurierungs- und Konservierungsmaßnahmen).
Leitung des Projektes: J. Stroszeck.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Th. Bauer, G. Charilaou, R. Docsan, E. Foto, P. Gjumes,
C. Graml, S. Heidrich, N. Henschel, T. Keßler, K. Koutrakos, K. Leopold, M. Liebisch, M. Magnissali, J. Nakas, D. Platis, J. Papagrigoriou, F. Richter, V. Scheunert, C. Schönborn, H. Spitzlay, F. Richter, M. Rigaki.
The Kerameikos excavation of the DAI’s Athens Department celebrated its
100th anniversary in 2013/2014: On 16 July 2013, a celebration at the archaeological site with speeches by the Greek Minister of Culture and Sports, Panos Panaiotopoulos (fig. 1), the DAI’s president, Friederike Fless, and others,
followed by a reception marked the 100th anniversary of granting an excavation license for further research to the DAI. The actual start of the excavation
was commemorated on 8 April 2014 with an international conference on
sanctuaries and cults near city walls and city gates. Two research projects
were carried out in 2012 and 2013. The first, started in 2011, focuses on water management in Athens. Multiple data, collected over the years at the
Kerameikos excavation, help to broaden our understanding of Athenian water management within the classical city. A second project, started in 2010,
has concentrated on the history of the sanctuaries at the Kerameikos. A special emphasis in 2012 and 2013 was placed on restoration and consolidation
work at the site, focusing on the following monuments: the Sacred Gate, the
bathhouse in front of the Dipylon, the Monument at the Third Horos, the
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sanctuary of Artemis Soteira / Hekate and the marvellous marble naiskos
from the burial precinct of a wealthy family from Herakleia (4th cent. BC).
Einhundertjähriges Jubiläum der Grabung
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Mit einem abendlichen Festakt im Kerameikos wurde am 16. Juli 2013 des
100-jährigen Jubiläums der Übergabe der Grabungsrechte an das Deutsche
Archäologische Institut gedacht. Festredner waren der griechische Minister
für Kultur und Sport, Panos Panaiotopoulos (Abb. 1), der ständige Vertreter
des deutschen Botschafters in Athen, Clemens Semtner, die Präsidentin des
Deutschen Archäologischen Instituts, Friederike Fless, der stellvertretende
Direktor des DAI in Athen, Reinhard Senff, der Generalsekretär der Archäologischen Gesellschaft in Athen, Vassilios Petrakos, die Leiterin der 3. Ephorie
für Prähistorische und klassische altertümer in athen und die grabungsleiterin im Kerameikos, Jutta Stroszeck. Den musikalischen Rahmen bildete ein
Streichquartett mit Werken von A. Vivaldi, W. A. Mozart und N. Skalkottas.
Dazu wurden Videos mit historischen Aufnahmen der Kerameikosgrabung
gezeigt, die die Entwicklung des Geländes, der Denkmäler und Monumente
im lauf der einhundert Jahre sowie die beteiligten Personen und deren zusammenarbeit im Kerameikos zum Thema hatten. Der gut besuchte Abend
klang mit einem nächtlichen Empfang aus.
Am 8. April 1914 wurden die Grabungen des DAI im Kerameikos begonnen. Zur Feier dieses Jubiläums fand am 8. April 2014 in der Bibliothek des
DAI Athen ein internationales Festkolloquium über „Kulte und Heiligtümer
im Bereich von Stadtmauern und Toren (Λατρείες και ιερά κοντά στις πύλες
και στα τείχη)“ statt, dem am Vorabend ein festlicher Empfang in den Räumen des Institutes vorausging.
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Kerameikos. Festansprache des Ministers für Kultur und Sport, Panos Panaiotopoulos, am 16. Juli
2013 (Foto: J. Stroszeck, DAI Athen).
Forschungen
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Kerameikos 2012: Die Zisternen der klassischen Badealage der 1. Phase von Nordosten (Foto:
J. Stroszeck, DAI Athen).
Die Forschungen der Jahre 2012 und 2013 konzentrierten sich auf zwei Projekte. Im Rahmen des ersten, zum Wassermanagement im antiken Athen,
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wurde die Wasserversorgung der bei Aristophanes und Isaios erwähnten Badeanlage vor dem Dipylon untersucht. Das zweite Projekt, zu Heiligtümern
und Kulten im Kerameikos, konzentrierte sich auf die Erforschung der Geschichte des Heiligtums der Artemis Soteira / Hekate südlich der Gräberstraße.
Durch die Kombination der Aufarbeitung der alten Grabungsunterlagen mit
gezielten Nachgrabungen konnten in beiden Fällen bedeutende neue Ergebnisse erzielt werden.
1. Badeanlage vor dem Dipylon
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Plan der Badeanlage vor dem Dipylon. Phase 1 (2. Hälfte des 5. Jhs. v. Chr.) (Plan: J. Nakas/
J. Stroszeck, DAI Athen).
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Überblick über die Zisternenmündungen von Südwesten (2012) (Foto: J. Stroszeck, DAI Athen).
Mit der systematischen Erforschung wasserbaulicher Anlagen im Kerameikos
ist 2011 begonnen worden. 2012‒2013 fanden Nachuntersuchungen an der
klassischen Badeanlage am Südwestrand der Straße vor dem Dipylon statt.
Ziele waren die Vervollständigung der Dokumentation und die Klärung der
Bauphasen sowie der Nutzungsdauer der Badeanlage mit ihrer Wasserversorgung. Das Bad wird im späten 5. Jahrhundert v. Chr. von Aristophanes und in
der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. von Isaios erwähnt. Durch die
Nachgrabungen können nun zwei klassische Bauphasen des Bades unterschieden werden, in denen die Wasserversorgung der Badeanlage jeweils sowohl
durch einen brunnen als auch durch eine zisternenanlage gesichert wurde.
Phase 1 (Abb. 2‒7)
Das Bad entstand in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. Einem
kreisrunden Baderaum, der vermutlich von 20 Sitzbadewannen umgeben
war (heute nicht mehr vorhanden), schloss sich in dieser ersten Phase nach
Nordwesten hin ein Hof mit Brunnen an, um den sich eine Reihe von Räumen gruppierte (Abb. 3). Dieser Bau wurde am Ende des 5. Jahrhunderts
v. Chr. zerstört. Danach wurde das Areal von der Polis für den Neubau einer
Straße und für den Neubau von Staatsgräbern freigegeben. Diese Tatsache
spricht neben anderen Argumenten dafür, diese Badeanlage als eines der
öffentlichen Bäder Athens zu interpretieren. Die Wasserversorgung der ersten
Bauphase war durch einen Brunnen im Hof der Anlage gewährleistet. Ergänzt wurde sie durch ein unterirdisches Zisternensystem, das an eine öf-
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Rundbad Phase 1. Plan der Zisternen (2012) (Plan: T. Bauer/J. Nakas, DAI Athen).
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Rundbad Phase 1. Zisterne 19 (2012) (Foto: J. Stroszeck, DAI Athen).
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Rundbad Phase 1. Gang zwischen Zisterne 18 und Zisterne 21 (2012) (Foto: J. Stroszeck, DAI
athen).
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fentliche Wasserleitung angeschlossen war (Abb. 2. 5‒7). Der Wasserspeicher besteht aus drei etwa gleich großen, zylindrischen, direkt in den
anstehenden Lehm gegrabenen Kammern (Dm Mündung 0,75–0,87 m; Dm
Boden ca. 1,45 m; T: 2,50–2,57 m), die unterirdisch durch Gänge verbunden
sind (Abb. 6. 7). Die drei Kammern erweitern sich zum Boden hin, die kreisrunden Böden weisen vom Rand zur Mitte hin ein leichtes Gefälle auf. Die
beiden verbindenden Gänge (Z 18 – Z 21 sowie Z 21 – Z 19) sind unten
ca. 0,70 bis 0,80 m breit und ca. 1,00 bis 1,10 m hoch. Die Sohlen der Gänge
weisen jeweils eine flache Mittelrinne auf. Die Decke und auch die Öffnungen zu den Kammern hin laufen oben spitz zu (Abb. 7). Während Gang
18‒21, abgesehen von einer Kurve beim Eintritt in Z 18, die beim Vortrieb
des Stollens entstanden sein muß, geradlinig verläuft, vollzieht der Gang
zwischen Z 21 und Z 19, deren Mündungen oberirdisch nebeneinander beiderseits der Außenmauer des Rundbads der zweiten Phase liegen, etwa
2,50 m östlich der Zisternen eine U-Kurve.
Die Zisternen und ihre Verbindungsgänge sind vollständig mit hydraulischem Mörtel ausgekleidet, ähnlich der ‚Ta de Lakt‘-Technik, in der noch
heute Badeeinrichtungen in Marokko hergestellt werden. Entsprechend waren ursprünglich auch die Ränder der Zisternen versiegelt, wie aus den alten
Grabungsfotos hervorgeht. Die Anlage wurde mit großer Umsicht gebaut:
Um das Absetzen von Schwebepartikeln im Wasser zu ermöglichen, steigen
die Niveaus der Böden der Zisternen und der Gänge von der ersten Kammer,
in die das Wasser eingeleitet wurde (Z 18: 41,52 m ü. NN), bis zur Schöpfzisterne (Z 19: OK 41,89 m ü. NN) kontinuierlich an: Der Boden der Schöpfzisterne Z 19 liegt dadurch ca. 35 cm höher als der von Z 18; der Boden der
dazwischen liegenden Zisterne Z 21 liegt bei 41,67 ü. NN. (Abb. 5). Insgesamt hatte die Speicheranlage ein Fassungsvermögen von 11,3 m3. die zisternen dieser Phase waren bereits bei den ausgrabungen der 1930er Jahre
vollständig ausgegraben worden. In der wieder eingefüllten Erde fanden sich
nur wenige Fragmente von rotfiguriger Keramik und das Terrakotta-Köpfchen
eines Silens (Abb. 8). Die Badeanlage wurde am Ende des 5. Jahrhunderts v.
Chr. zerstört und nach einer vollständigen Neuorganisation des Areals vor
dem Dipylon in veränderter Form neu errichtet.
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Kerameikos Inv. T 1145 (Höhe 4 cm). Terrakottaköpfchen aus der Verfüllung des Zisternensystems (Foto: V. Scheunert, DAI Athen).
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Rundbad, Phase 2. Plan der Zisternen (Plan: J. Nakas/J. Stroszeck, DAI Athen).
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Phase 2 (Abb. 9)
Das Bad dieser Phase lag an einem neu geschaffenen Weg, der eine Verbindung von der Akademiestraße vor dem Dipylon zur Eridanosbrücke und weiter zu den Häfen Athens herstellte. Die Badeanlage wurde um 90° gedreht,
nach Südwesten verschoben und parallel entlang der neuen Straße ausgerichtet (abb. 9): dem an gleicher stelle beibehaltenen rundraum wurde nun
nach südwesten hin ein ofenraum angeschlossen. weiter westlich folgte
eine Flucht weiterer Bade- und Umkleideräume, die sich nach Nordwesten
zu einem schmalen Hof hin öffneten. Im Hof wurde ein neuer Brunnen gegraben. Parallel zur nordwestlichen Außenmauer des Bades wurde ein neuer, unterirdischer Wasserspeicher von ca. 29 m Länge errichtet (Abb. 10).
Auch diese Zisterne bestand aus drei Kammern mit verbindenden Gängen;
sie war ebenfalls vollständig mit hydraulischem Mörtel ausgekleidet und
durch einen dünnen, glänzend polierten, hydrophoben Anstich versiegelt,
durch den größtmögliche Hygiene bei der Wasserspeicherung gewährleistet
war (Abb. 11). Ganz verschieden sind aber die Bauweise, die Form und die
Funktionsweise der Anlage, deren Kapazität um das vierfache größer war als
die der ersten Phase (ca. 53 m3). In die Zisternen 15 und 16 wurde aufgefangenes Regenwasser eingeleitet, als Schöpfzisterne wurde die Zisterne 17 im
eckraum der badeanlage eingerichtet. dieser raum wies einen wasserfesten
Boden aus flach geschliffenen Kieseln in Kalkmörtel auf. Der Wasserspeicher
ist noch in der Antike mehrfach repariert und umgebaut worden.
Bei der Reinigung dieser Anlage 2012 wurde festgestellt, dass sich auch
nach der Ausgrabung der 1930er Jahre noch Teile der antiken Füllung und
der Sedimente erhalten hatten. Im durchschlagenen, zentralen Absetzbecken von Z 16 wurden zwei nahezu vollständige Schöpfgefäße aus der Zeit
der letzten Nutzung kurz vor 86 v. Chr. gefunden (Abb. 10 a.b). Abschließend
wurden die beiden 2011 und 2012 untersuchten Anlagen digital vermessen
und ein dreidimensionales Modell in AutoCAD erstellt.
Durch die Dokumentation der beiden gut datierten Anlagen ist erstmals
ein detaillierter Vergleich zweier athenischer Zisternensysteme des späten
5. und des 4. Jahrhunderts v. Chr. möglich. Die Unterschiede, z. B. in der Bauweise, in der Zusammensetzung des hydrophoben Anstrichs und in der
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Funktionsweise der Zisternen dürften nicht zuletzt mit fortschreitenden Erkenntnissen in der Wasserbautechnik zu erklären sein.
Porträts im Brunnen
2013 wurde einer der brunnen dieser badeanlage untersucht. die arbeiten
waren nur unter Einsatz von vier starken Pumpen möglich. Die früheren Ausgräber hielten ihn für eine Zisterne, weil seine Innenseite im oberen Bereich
verputzt ist (Abb. 12‒14). Der an der Mündung 1,20 bis 1,40 m breite
Schacht erweitert sich mit zunehmender Tiefe. In 5 m Tiefe beträgt der
Durchmesser 2,80 m (Abb. 13). Die Brunnenwand ist aus weichen Kalksteinen aufgebaut und an vielen Stellen nachträglich ausgebessert. Angelegt
wurde der Brunnen im Verlauf des 4. Jahrhunderts v. Chr., er war bis ins
6. Jahrhundert n. Chr., d. h. mehr als 800 Jahre lang in Betrieb. Nach der früheren Grabung war er wieder verfüllt, aber ‒ wohl wegen des stark nachströmenden Grundwassers ‒ niemals ganz ausgegraben worden. Etwa
2,80 m unter der Oberfläche der Verfüllung lagen weit unter dem Grundwasserspiegel vier Fragmente zweier marmorner Porträts. Je zwei Hälften
passten exakt aneinander. Die Marmorbildnisse (Abb. 15) zeigen zwei Frauen: ein Mädchen und eine junge Frau. Sie tragen beide die gleiche Frisur, die
eingeführt wurde von Salonina, der Frau des Kaisers Gallienus (253‒268 n.
Chr.). Die Beschädigungen der Porträtköpfe und der Fundzusammenhang
zeigen, dass sie vom Rumpf der Figuren abgeschlagen und dann mit einem
gezielten Meißelhieb gespalten worden sind.
10
10a
10b
10 Rundbad Phase 2. Schnitt durch das Zisternensystem Z 15 – Z 16 – Z 17 (Plan: J. Nakas u.a., DAI
athen).
10a Kerameikos Inv. 11593.1, tongrundige Kleeblattkanne aus Z 16 (Foto: J. Stroszeck, DAI Athen).
10b Kerameikos Inv. 11593.2, tongrundiger Kados aus Z 16 (Foto: J. Stroszeck, DAI Athen).
Nach diesem Fund erteilte die Leiterin der 3. Ephorie, Eleni Banou, freundlicherweise die Genehmigung zur Fortsetzung der Arbeiten zur Klärung der
Umstände, unter denen die Porträts versenkt worden sind: Die Schicht, in
der die Porträts lagen, enthielt eine Reihe von Scherben mit christlichen
Symbolen, das Fragment einer christlichen Grabinschrift des 5./6. Jahrhunderts n. Chr. sowie Reste einer Glaswerkstatt dieser Zeit, die auch Glas-Tesserae zur Herstellung von Mosaiken produziert hat. Unterhalb der Schicht
mit den Porträts änderte sich die Zusammensetzung der Füllung im Brunnen
deutlich: Eine Vielzahl vollständiger Schöpfgefäße (Kannen und Krüge) sowie
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von Amphoren und Trichtern belegen – soweit sie bisher ausgewertet werden konnten ‒ eine intensive Nutzung des Brunnens im 4. bis ins 6. Jahrhundert n. chr.
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Bei einer Beschädiung des Brunnens im 4. Jahrhundert n. Chr. ist ein großer
Burgkalkblock, der tiefe Seilspuren trägt, vom Brunnenrand in den Schacht
gestürzt. In dieser Schicht wurden mehrere Gefäße mit Graffiti gefunden,
darunter eine Kanne (Chous) mit der Besitzerinschrift eines Apollonios. Vor
dieser Zerstörung ist wiederum eine längere Nutzungsphase des Brunnens
durch eine große Anzahl von nahezu vollständigen Wasserschöpfgefäßen bezeugt, die in der Mehrheit ins 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. zu datieren sind.
Erst im darunter liegenden Abschnitt wurde überwiegend Keramik des
3. Jahrhunderts n. Chr. gefunden, darunter zwei im Kerameikos hergestellte
Gefäße: eine Steilrandtasse mit weißer Bemalung sowie ein Wassereimer im
Miniaturformat (Kadiskos), wohl eine kleine Weihegabe an die Wassernymphen. Die Arbeiten wurden mit Ablauf der Kampagne eingestellt, ohne dass
der boden des brunnens erreicht werden konnte. der freigelegte teil des
Brunnens wurde vermessen und gezeichnet (Abb. 13).
2. Heiligtum der Artemis Soteira/Hekate (Abb. 16‒20)
12
11 Rundbad Phase 2, Zisternensystem Z 15‒Z 16, Blick von Gang Z 16‒Z 15 in Z 15 (Foto: J. Stroszeck,
dai athen).
12 Rundbad, Brunnen Z 20 nach der Restaurierung 2012 (Foto: J. Stroszeck, DAI Athen).
die nachuntersuchungen im heiligtum der artemis soteira/hekate dienten
der Überprüfung und Ergänzung der vorliegenden Dokumentation (K. D. Mylonas und A. Brueckner, von 1890 und 1907‒1915), der Erstellung eines neuen Plans des heiligtums sowie der Vorbereitung der restaurierung der temenosmauern. Im Verlauf der Arbeiten wurden die zeichnerische
Dokumentation der Maueransichten und des Grundrisses (Abb. 16) sowie
die restaurierung der orthostaten der kultnische abgeschlossen (abb. 20).
Folgende Ergebnisse können hier zusammengefasst werden:
Das Heiligtum hat die Form eines großen, von niedrigen Mauern eingefassten Hofes (Abb. 16). Ein Treppenzugang lag im Osten, die Kultnische genau im Norden. In der Kultnische ist die Plinthe für ein dreiseitiges, pfeilerartiges Kultbild erhalten, die zur Benennung als Hekateion geführt hat. Direkt
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13 Rundbad, Brunnen Z 20: Schnitte (Plan: J. Nakas/T. Keßler, DAI Athen).
14 Rundbad, Brunnen Z 20 während der Ausgrabungen (Foto: J. Stroszeck, DAI Athen).
15 Kerameikos 2013, Inv. P 1824 und P 1825: Zwei weibliche Marmorporträts aus Brunnen Z 20, direkt
nach der Bergung (um 270 n. Chr.) (Foto: J. Stroszeck, DAI Athen).
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südlich der Kultnische befindet sich ein rechteckiges Pflaster aus Bruchsteinen, in das eine quadratische Marmorplatte eingesetzt ist. Eine kreisrunde
Öffnung in der marmornen Deckplatte ist durch den Boden einer umgedrehten, hier wiederverwendeten Marmorlekythos zugesetzt (Abb. 17). An der
marmornen Deckplatte und über dem eiförmigen Lekythosboden sind Reste
eines Überzuges aus weißem Stuck erhalten, der ursprünglich alle Marmorteile bedeckt hat. Die Ähnlichkeit der Anlage mit antiken Brunnenfassungen
lässt darauf schließen, dass sich unter der Deckplatte eine bislang nicht ausgegrabene Öffnung, vielleicht ein Opferbothros, befindet. Die Anlage weist
Brandspuren auf, sie hat also als Brandopferaltar gedient.
In der Flucht dieses Monuments und der Kultnische liegt weiter südlich
der aus Spolien zusammengesetzte Altar des Heiligtums, in dessen Nordseite absichtsvoll ein hellenistisches Weihrelief verbaut ist (Abb. 18). In der gleichen Flucht befindet sich weiter südlich eine Monumentbasis an der Stelle
eines Vorsprungs in der Südmauer des Heiligtums (Abb. 16). Die Basis besteht aus Konglomeratblöcken auf einem Bruchsteinfundament, das aufliegende Monument – ein rechteckiger Block, in dessen Oberseite eine breite
Rinne eingearbeitet ist, aus Burgkalkstein. Da die ‚Rinne’ des Monuments
genau nord-südlich ausgerichtet ist, kommt nach dem Vorschlag von
Constanze Graml eine Interpretation als Sonnenuhr in Betracht.
In der Südosthälfte des Heiligtums befindet sich ein Brunnen mit einem
kalksteinblock als brunnenrand. der obere teil des brunnens ist auf der
Nordseite aus mehreren Schichten von Bruchsteinen aufgebaut, da das Gelände hier nach Norden hin steil abfällt und das Niveau ausgeglichen werden
musste. Auf der Oberseite des Randsteins zeugen Einlassungen und Dübellöcher von mehrfach veränderten Schöpfmechanismen (Abb. 19).
Das Heiligtum wurde über Teilen eines älteren Grabbezirkes angelegt, der
2013 in der Nordosthälfte des Heiligtums untersucht werden konnte und der
sich unter dem hellenistischen Grabbezirk des Isthmonikos aus dem Demos
Berenikidai fortsetzte, dessen Westmauer mit der Mauer 3 des kaiserzeitlichen Heiligtums identisch ist. Ein unter Mauer 3 aufgefundenes, aber 2013
nicht ausgegrabenes Kindergrab aus Kanalziegeln gehörte zum klassischen
Bezirk (Abb. 20).
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Restaurierungsmaßnahmen
Die Werkstatträume an der Salamisstraße wurden für die speziellen Anforderungen der im folgenden genannten Restaurierungsmaßnahmen hergerichtet und die nötigen Neuanschaffungen von Geräten und Material erledigt. zur durchführung der restaurierungsarbeiten an den baudenkmälern
wurde ein Portalkran beschafft. Zunächst wurde eine Serie von Versuchen
zur Herstellung geeigneter Ergänzungsmaterialien für Konglomerat- und Porossteine ausgeführt. eine bewährte Formel für die künstliche herstellung
von Konglomeratsteinen wurde in kollegialer Weise von den Mitarbeitern
der Restaurierung des Dionysostheaters (W. Papaefthymiou, A. Samara,
Chr. Papastamati-von Moock) dem Kerameikos-Team zur Verfügung gestellt.
Durch diese Hilfestellung konnte das Genehmigungsverfahren erheblich abgekürzt werden.
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Naiskos des Agathon im Bezirk der Herakleoten
Die Fortsetzung der im Dezember 2011 begonnenen Restaurierungsarbeiten
am Naiskos des Agathon im Bezirk des Agathon und Sosikrates aus Herakleia
an der Gräberstraße erfolgte als Kooperationsprojekt zwischen der Kerameikosgrabung des Deutschen Archäologischen Institutes und der 3. Ephorie für
Prähistorische und Klassische Altertümer: Die von T. Keßler erstellte zeichnerische Dokumentation wurde zunächst durch eine Fotokampagne ergänzt,
bei der reste roter Farbe auf der rückwand des naiskos festgestellt werden
konnten. im Juli 2013 wurde ein gerüst am naiskos errichtet und ein neues
Schutzdach für die Frontmauer des Grabbezirks gebaut. Anschließend wurden das dach sowie teile der seiten- und der rückwand des naiskos abgetragen und zur Reinigung und weiteren sachgerechten Restaurierung ins
Museum gebracht.
18
16 Heiligtum der Artemis Soteira/ Hekateion (Plan: J. Nakas/A. Struck, DAI Athen).
17‒18
Heiligtum der Artemis Soteira / Hekateion. Kultnische, Eschara und Altar aus Spolien (Fotos: J. Stroszeck, DAI Athen).
Heiligtum der Artemis Soteira / Hekateion
im heiligtum der artemis soteira / hekateion wurden die stark beschädigten
und dadurch instabilen konglomeratblöcke der kultnische gereinigt und mit
künstlich hergestelltem Konglomeratstein ergänzt (Abb. 21).
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Rundbad
Die aufgehenden Mauern des Eckraumes des Rundbades wurden gezeichnet, gereinigt, dann über mehrere Wochen hin mit Kalkmörtel gefestigt und
ergänzt sowie abschließend durch Metallstreben zusätzlich gesichert (Abb.
22).
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Monument am Dritten Horos (Abb. 23)
Die durch die Witterungsbedingungen stark geschädigten Konglomeratblöcke der südöstlichen Einfassungsmauer des Monumentes am 3. Horos wurden mit künstlichem Konglomeratmaterial anergänzt und die Mauer durch
diese Maßnahme in ihrer Statik gesichert.
Heiliges Tor
Von der Oberfläche des Turmes C des Heiligen Tores wurden ein Kalksteinblock und Fragmente zweier Konglomeratblöcke abgehoben, um sie in der
Werkstatt zu festigen und anschließend an ihren alten Platz versetzen zu
können.
In der Nordkurtine des Heiligen Tores wurden zwei instabile Blöcke der
obersten erhaltenen Schicht abgenommen, das Fundament konsolidiert,
ergänzt und dann die Blöcke zusammen mit einem 2011 abgestürzten Quader wieder an ihren ursprünglichen Ort versetzt. Anschließend wurde das
Fundament der Mauerkurtine aufgefüllt. Der Eckblock der Nordseite des
Eridanosübergangs vor dem Heiligen Tor und direkt westlich des monumentalen Bogens der spätantiken Phase des Tores wurde für die Restaurierung
abgenommen. Das Fundament unter dem Block wurde gereinigt, gezeichnet
und der Stein abschließend restauriert und wieder an seinen Platz versetzt
(abb. 24).
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19 Heiligtum der Artemis Soteira / Hekateion. Brunnen A (Foto: J. Stroszeck, DAI Athen).
20 Heiligtum der Artemis Soteira / Hekateion. Kindergrab unter Mauer 3 (Foto: J. Stroszeck, DAI
athen).
21 heiligtum der artemis soteira / hekateion. die kultnische nach der restaurierung 2012 (Foto:
J. Stroszeck, DAI Athen).
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Instandsetzung der Arbeitsräume und der Magazine
Im Juli/August 2012 konnte die Renovierung der Arbeitsräume am Magazin
an der Salamisstraße abgeschlossen werden, die asbesthaltigen Deckplatten
wurden entfernt und durch Dachziegel aus Ton ersetzt, der Raum innen verputzt und frisch gestrichen. Die schadhaften Plastikdächer im Skulpturenhof
an der Melidonistraße sind durch neue ersetzt worden.
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22 Rundbad, Restaurierung des Eckraumes nach Abschluss der Arbeiten 2012 (Foto: J. Stroszeck,
dai athen).
23 Monument am 3. Horos. Restaurierung der südöstlichen Einfassungsmauer (Foto: J. Stroszeck,
dai athen).
24 Heiliges Tor, spätantikes Turmfundament auf der Nordostseite des Eridanos nach den Konsolidierungsmaßnahmen 2012 (Foto: J. Stroszeck, DAI Athen).
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