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Das Gesundheitswesen im Fokus der Investitionskontrolle

Medizinrecht

Louca/Kopf, Das Gesundheitswesen im Fokus der Investitionskontrolle Wurden die unrichtigen Gesundheitszeugnisse ausgestellt und nicht abgerechnet, kommt ein Verstoß gegen die Liquidationspflicht in Betracht. Gemäß § 12 Abs. 1 S. 3 MBO-Ä dürfen Ärztinnen und Ärzte die Sätze nach der GOÄ nicht in unlauterer Weise unterschreiten. Auf die Unrichtigkeit des Gesundheitszeugnisses kann es nicht ankommen. V. Fazit Die Skepsis gegen die gesetzlichen Regelungen mag berechtigt sein. Gerade die Masernimpfpflicht sieht sich nicht MedR (2020) 38: 1003–1007 1003 nur dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit ausgesetzt, sondern kann auch die Frage nicht beantworten, wie das Ziel, den Impfschutz möglichst aller herzustellen, erreicht werden soll, wenn Ungeimpfte die Einrichtungen meiden. Dennoch haben diese Regeln Bestand. Wer sich eigenmächtig darüber hinwegsetzt und unrichtige Gesundheitszeugnisse ausstellt, macht sich nach § 278 StGB straf bar und im Fall einer (Masern-) Erkrankung mit schwerwiegenden – ggf. sogar tödlichen – Folgen grundsätzlich auch wegen (zumindest) fahrlässiger Körperverletzung – ggf. fahrlässiger Tötung – straf bar. https://doi.org/10.1007/s00350-020-5728-3 Das Gesundheitswesen im Fokus der Investitionskontrolle Laura Louca und Alexander Kopf Abstract: Der Beitrag befasst sich mit den unter dem Eindruck der Covid-19 Epidemie verschärften Regelungen zur Investitionskontrolle im Bereich des Gesundheitswesens. Gegenstand sind dabei zum einen die Einzelheiten der neu eingeführten Regelbeispiele der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) im Kontext der Besonderheiten des Gesundheitsrechts. Darüber hinaus wird ein Ausblick auf die weitere Entwicklung sowie die Bedeutung für betroffene Unternehmen gegeben. I. Verschärfung der Investitionskontrolle im Zuge der Covid-19 Epidemie Fragen des Außenwirtschaftsrechts und der Investitionskontrolle haben bisher im Medizin- und Gesundheitsrecht eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Mit der Covid-19 Epidemie und den damit zu Tage getretenen Versorgungsproblemen hat sich dies schlagartig geändert. Als Ergebnis ist im Zuge der jüngsten Reform des Außenwirtschaftsrechts das Investitionsprüfrecht des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) erheblich gestärkt worden. Mit der am 3. 6. 2020 in Kraft getretenen 15. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (15. AWV-Novelle) und der am 17. 7. 2020 in Kraft getretenen Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes wurde der Prüfungsmaßstab vertieft und der Anwendungsbereich der Investitionskontrolle insbesondere im Gesundheitssektor erweitert. Am 29. 10. 2020 ist die 16. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (16. AWV-Novelle) in Kraft getreten. Damit werden die im Juli 2020 im Einklang mit der EU-Screening-Verordnung beschlossenen Gesetzesänderungen in die Verordnung eingefügt. Das Ziel der Investitionskontrolle besteht darin, die Übernahme und Steuerung inländischer Unternehmen bestimmter sensibler Wirtschaftsbereiche durch ausländische Investoren zu regulieren. Die Rechtsgrundlage hierfür findet sich Rechtsanwältin Dr. iur. Laura Louca, BLOMSTEIN Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, Oranienburger Straße 66, 10117 Berlin, Deutschland Rechtsanwalt Dr. iur. Alexander Kopf, D+B Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Kurfürstendamm 195, 10707 Berlin, Deutschland im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und wird in ihren Einzelheiten in der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) näher ausgestaltet. Daneben bestehen in Form der EU-ScreeningVerordnung auch europarechtliche Vorgaben. Der Gesetzgeber knüpft die Kontrollbefugnis des BMWi generalklauselartig an eine „Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit“ (§ 5 AWG n. F., § 55 Abs. 1 S. 1 AWV n. F.). Die Investitionsprüfung ist so strukturiert, dass grundsätzlich bei jedem Erwerb eines inländischen Unternehmens die potenzielle Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geprüft werden kann. Im sektorübergreifenden Bereich prüft das BMWi, ob die weiteren Voraussetzungen der §§ 55 ff. AWV vorliegen, insbesondere ob ein Unternehmen aus dem Regelkatalog des § 55 Abs. 1 S. 2 AWV n. F. erworben wird und die Beteiligungsschwellen des § 56 AWV erfüllt sind. Sofern der Erwerb eines inländischen Unternehmens den Tatbestand des § 55 Abs. 1 AWV erfüllt, muss die Transaktion gegenüber dem BMWi angezeigt werden (§ 55 Abs. 4 S. 1 AWV n. F.). Aus dem Prüfungsrecht des BMWi folgt also eine Anzeigepflicht. Das bedeutet, dass die Beteiligten eines Unternehmenskaufs oder einer Beteiligung diese Frage selbst prüfen und aufgrund dieser Prüfung vor der Transaktion eine Entscheidung über eine Meldung an das BMWi treffen müssen. § 55 Abs. 1a AWV n. F. stellt klar, dass auch Asset Deals vom Erwerbsbegriff des § 55 Abs. 1 AWV n. F. erfasst werden. 1. Erweiterung der AWG- Generalklausel Während nach § 5 AWG a. F. der (teilweise) Erwerb eines Unternehmens eine tatsächliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen musste, orientiert sich § 5 Abs. 2 AWG n. F. am Vorbild der EU-ScreeningVerordnung. Die Neuregelung ermöglicht dem BMWi nunmehr einen Erwerb auch dann zu untersagen, wenn eine „voraussichtliche Beeinträchtigung“ der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt. Eine tatsächliche Gefährdung ist demnach nicht mehr erforderlich. Vielmehr kann das BMWi vorausschauend im Sinne einer Prognoseentscheidung mögliche Beeinträchtigungen verhindern, indem es erwerbsbeschränkende Maßnahmen anordnet. Das kann sowohl in Form einer Untersagung des Erwerbs, als auch durch die Genehmigung unter Auflagen erfolgen. Der Gesetzgeber hat deutlich gemacht, dass der Fokus der Investitionsprüfung über (Landes-)Sicherheit, öffentliche Ordnung und kritische Infrastrukturen hinausgehen kann. 1004 MedR (2020) 38: 1003–1007 Louca/Kopf, Das Gesundheitswesen im Fokus der Investitionskontrolle Letztlich besteht die Gefahr, dass das BMWi wirtschaftliche, finanzielle, arbeitsmarkts- und sozialpolitische Interessen für erwerbsbeschränkende Maßnahmen heranzieht1. Mit der Geltung der neuen EU-Screening Verordnung und der Anpassung des § 4 AWG (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 AWG n. F.) und des § 55 Abs. 1 S. 1 AWV n. F. kann das BMWi zudem nun auch den Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit anderer Mitgliedstaaten der EU sowie den Schutz von Unionsinteressen bezüglich bestimmter Projekte und Programme (§ 4 Abs. 1 Nr. 4a AWG n. F. sowie § 55 Abs. 1 S. 1 n. F.) berücksichtigen. 2. Berücksichtigung des Investors und dessen Hintergrund Angelehnt an die EU-Screening-VO können gemäß § 55 Abs. 1b AWV n. F. (aber auch gemäß § 60 Abs. 1b AWV n. F.) bei der Prüfung der Erwerber bzw. Investor und dessen Hintergrund berücksichtigt werden. In dessen Person liegende Umstände kommen daher ebenso in Betracht wie zielunternehmensbezogene Faktoren2. Relevant sind dabei etwa der Einfluss eines Drittstaats, vergangenes Fehlverhalten sowie das Risiko einer von § 123 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen – z. B. Geldwäsche oder (Subventions-) Betrug –, dem AWG oder dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen erfassten Straftat. Trotz des Wortlauts, prüft das BMWi auch, ob das Risiko besteht, dass der Erwerber künftig an entsprechenden straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Aktivitäten beteiligt sein könnte oder noch ist. Sofern das BMWi Zweifel an der (künftigen) Rechtstreue des Erwerbers hat, kann es das als sicherheitsrelevanten und entscheidungserheblichen Faktor berücksichtigen3. 3. Erweiterung des AWV- Regelkatalogs Auch die Erweiterung des Regelungskatalogs des § 55 Abs. 1 S. 2 AWV n. F. sorgt bei Unternehmen für Unsicherheit. Der Katalog benennt besonders sensible Bereiche, für die eine Meldepflicht besteht. Mit der 15. AWV-Novelle wurde der Katalog insbesondere auf den Gesundheitssektor ausgeweitet. Zu den bis dato sechs genannten Fällen kommen mit den neu hinzugefügten Nummern 8 bis 114 nun auch im Bereich der Arzneimittel oder Medizinprodukte tätige Unternehmen auf die Liste der besonders sicherheitsrelevanten Bereiche. Der Abschluss eines Vertrages über den Erwerb eines inländischen Unternehmens aus diesen Bereichen ist meldepflichtig (§ 55 Abs. 4 AWV n. F.). Das ist auch bei sogenannten Asset Deals der Fall. Sollen z. B. IP-Rechte über ein Präparat übertragen werden, ist § 55 Abs. 1a AWV zu berücksichtigen. Dieser regelt, dass ein anmeldepflichtiger Erwerb auch dann vorliegt, wenn ein abgrenzbarer Betriebsteil oder wesentliche Betriebsmittel, die für die Aufrechterhaltung des Betriebs oder eines abgrenzbaren Betriebsteils erforderlich sind, erworben werden. Zudem gilt für diese Bereiche der Schwellenwert von 10 %, wenn mittelbar oder unmittelbar eine Beteiligung erworben wird (§ 56 Abs. 1 Nr. 1 AWV). Diese Maßnahme soll – speziell mit Blick auf künftige vergleichbare Krisensituationen – einen Beitrag zur dauerhaften Aufrechterhaltung eines funktionierenden Gesundheitssystems in der Bundesrepublik Deutschland leisten5. II. Einzelne Regeltatbestände des § 55 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 bis 11 AWV n. F. Die neu hinzugekommenen Regeltatbestände sind zum Teil sehr eng, zum Teil weit formuliert und auslegungsbedürftig. Während sich Nr. 8 und Nr. 11 auf einen bestimmten Produkttyp beziehen, erfassen Nr. 9 und Nr. 10 generalklauselartig die beiden wesentlichen materiellen Wirtschaftsgüter des Gesundheitswesens: Arzneimittel und Medizinprodukte. 1. § 55 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 AWV n. F. – Arzneimittel Das Regelbeispiel des § 55 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 AWV n. F. ist dann einschlägig, wenn das inländische Unternehmen 1) Arzneimittel i. S. d. § 2 Abs. 1 AMG, einschließlich deren Ausgangs- und Wirkstoffe 2) entwickelt, herstellt oder in Verkehr bringt oder Inhaber einer entsprechenden arzneimittelrechtlichen Zulassung ist und 3) diese für die Gewährleistung der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung wesentlich sind. a) Arzneimittel sowie deren Ausgangs- und Wirkstoffe In diesem Zusammenhang ist zunächst eine Abgrenzung der Begriffe Ausgangsstoff, Wirkstoff und Arzneimittel erforderlich. Der Begriff des Arzneimittels ist insbesondere gegenüber dem Medizinproduktebegriff sowie gegenüber bloßen „Lifestylepräparaten“ und anderen zum Teil ähnlichen Produkten (z. B. Lebensmitteln) abzugrenzen. Der Begriff ist in § 2 AMG legaldefiniert. Im Grundsatz6 handelt es sich bei Arzneimitteln stets um Stoffe im Sinne von § 3 AMG7. Arzneimittel sind zum einen solche Stoffe, die ihrer nach außen erkennbaren (z. B. durch Aufmachung, Werbung etc.) Bestimmung nach menschliche oder tierische Krankheiten oder krankhafte Beschwerden heilen, lindern oder verhüten sollen (sog. Präsentationsarzneimittel, § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG)8. Darüber hinaus sind Arzneimittel auch solche Stoffe, die physiologische Funktionen wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen oder medizinische Diagnosen erstellen (sog. Funktionsarzneimittel, § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG). Als dritte Kategorie gelten die in § 2 Abs. 2 AMG aufgezählten Produkte als Arzneimittel, auch wenn es sich hierbei zum Teil nicht um Stoffe im Sinne von § 3 AMG handelt (sog. Geltungsarzneimittel). § 4 Abs. 4 AMG stellt zudem klar, dass auch Impfstoffe dem Arzneimittelbegriff des § 2 AMG unterfallen. § 2 Abs. 3 AMG enthält eine Reihe von Stoffen (z. B. kosmetische Mittel) und anderen Produkten (z. B. Medizinprodukte), die nicht dem Arzneimittelbegriff unterfallen. Die Abgrenzung von Arzneimitteln zu Ausgangs- und Wirkstoffen erfolgt danach, ob der Stoff entsprechend seiner Dosierung und Darreichungsform dazu bestimmt ist, beim Patienten angewendet zu werden9. Der Begriff des Ausgangsstoffes (z. T. auch als „Rohstoff“ bezeichnet) wird in § 1 a Abs. 6 ApBetrO definiert. Ausgangsstoff ist hiernach jeder bei der Herstellung eines Arzneimittels verwendete Stoff oder jede Zubereitung aus Stoffen (ausgenommen Verpackungsmaterial). Der Ausgangsstoff erhält also erst durch weitere Verarbeitung seine Bestimmung. 1) Stein/Schwander, StB 2020, 257. 2) Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie v. 27. 4. 2020, S. 13. 3) Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie v. 27. 4. 2020, S. 14. 4) Nr. 7 bleibt hier mangels Bezugs zum Gesundheitssektor außer Betracht. 5) Verordnungsbegründung, BT-Dr. 19/19781, S. 1. 6) Mit Ausnahme einiger Geltungsarzneimittel nach § 2 Abs. 3 AMG (hierzu sogleich). 7) Das AMG enthält in § 3 die Legaldefinition des Stoff-Begriffs. Stoffe sind hiernach: 1. chemische Elemente und chemische Verbindungen sowie deren natürlich vorkommende Gemische und Lösungen, 2.Pflanzen, Pflanzenteile, Pflanzenbestandteile, Algen, Pilze und Flechten in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand, 3.Tierkörper, auch lebender Tiere, sowie Körperteile, -bestandteile und Stoffwechselprodukte von Mensch oder Tier in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand, 4.Mikroorganismen einschließlich Viren sowie deren Bestandteile oder Stoffwechselprodukte. 8) Heßhaus, in: Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 2 AMG, Rdnr. 4. 9) Heßhaus, in: Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 2 AMG, Rdnr. 3. Louca/Kopf, Das Gesundheitswesen im Fokus der Investitionskontrolle Der Wirkstoff begriff wird in § 4 Abs. 19 AMG definiert. Wirkstoffe sind hiernach Stoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von Arzneimitteln als arzneilich wirksame Bestandteile verwendet zu werden oder bei ihrer Verwendung in der Arzneimittelherstellung zu arzneilich wirksamen Bestandteilen der Arzneimittel zu werden. Eine Definition des Wirkstoff begriffs findet sich darüber hinaus im EG-GMP-Leitfaden10. In diesem heißt es, dass „jede Substanz oder Substanzmischung, die für die Herstellung eines Arzneimittels verwendet werden soll und die bei ihrer Verwendung in der Arzneimittelproduktion ein wirksamer Bestandteil des Arzneimittels wird“ als Wirkstoff anzusehen ist11. Bei der Differenzierung zwischen Wirk- und Ausgangsstoff wird somit im Ergebnis auf die subjektive Zweckbestimmung durch den Hersteller abgestellt12. Die Abgrenzung von Arzneimittel und Nicht-Arzneimittel einerseits und Arzneimittel und Ausgangs- und Wirkstoffen andererseits kann im Einzelfall schwierig sein. Da sowohl Ausgangs- wie auch Wirkstoffe § 55 Abs. 1 Nr. 9 AWV n. F. im gleichen Maße unterfallen, ist die Abgrenzung für die Erfassung durch die Vorschrift nicht entscheidend. Allerdings kann es für die Bewertung der Wesentlichkeit (hierzu sogleich unter c) durchaus relevant sein, ob es sich um einen Wirkstoff oder „nur“ einen Ausgangsstoff handelt. Zu beachten ist schließlich, dass auch nicht dem Arzneimittel- bzw. Ausgangs- und Wirkstoff begriff unterfallende Präparate – also z. B. kosmetische Produkte – im Einzelfall noch unter die Generalklausel fallen können. b) Entwickeln oder Herstellen Im zweiten Schritt ist ein näherer Blick auf die von Nr. 9 erfassten Handlungen zu werfen. Der Begriff des „Herstellens“ umfasst das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe eines Arzneimittels13. Mit Blick auf die oben genannte Differenzierung ist damit z. B. die Verarbeitung eines Wirkstoffs zu einem Arzneimittel erfasst. Der Begriff des „Entwickelns“ findet sich im AMG an mehreren Stellen, ohne vom Gesetz näher bestimmt zu werden14. Es liegt nahe, den Begriff als die Konzeption sowie das Design eines Arzneimittels zu verstehen15. Nach dieser Definition würde die Entwicklung also schon dort beginnen, wo Konzepte zur Entwicklung eines Wirkstoffs oder Arzneimittels aus einem vorhandenen Ausgangsstoff erarbeitet werden (ohne dass dies bereits in Form von Versuchen oder Studien in die Tat umgesetzt zu werden braucht). Hiernach wäre also auch ein reiner „Think Tank“, der etwa an Lösungen für einen Impfstoff forscht, bereits vom Entwicklungsbegriff erfasst. c) Wesentlichkeit für die Gewährleistung der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung Als eingrenzendes Kriterium muss eine Wesentlichkeit für die Gewährleistung der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung vorliegen. Hierzu verweist die Verordnungsbegründung auf die nicht abschließenden („insbesondere“) Liste versorgungsrelevanter und versorgungskritischer Wirkstoffe des BfArM, die allerdings bereits dem Namen nach ausschließlich Wirkstoffe i. S. v. § 4 Abs. 19 AMG umfasst. Entsprechend weist die Verordnungsbegründung explizit darauf hin, dass Impfstoffe dem Arzneimittelbegriff unterfallen16, was wiederum im Lichte der Covid-19 Epidemie deutlich macht, dass der Gesetzgeber zukünftig die Fähigkeit Deutschlands zur autonomen Entwicklung und Herstellung von Impfstoffen besonders schützen will. Im Übrigen wird der Begriff der Wesentlichkeit nicht weiter definiert. Die Verordnungsbegründung selbst spricht von Produkten, die „u.a. im Zusammenhang mit lebensbedrohlichen und hochansteckenden Infektionskrankheiten stehen“ und MedR (2020) 38: 1003–1007 1005 betont die Wichtigkeit von Produkten, die „in Einrichtungen der Gesundheitsvorsorge benötigt werden“17. Ob die produzierten bzw. entwickelten Ausgangsstoffe „wesentlich“ sind, lässt sich damit lediglich durch Auslegung im konkreten Einzelfall ermitteln. Angesichts des beschriebenen Fokus auf Covid-19 dürften jedenfalls alle Unternehmen, die in Deutschland versorgungsrelevante Impfstoffe oder sonstige zur Behandlung geeigneten Arzneimittel entwickeln oder herstellen, zweifellos als „wesentlich“ gelten. Eine besondere Sicherheitsrelevanz kann auch dann angenommen werden, wenn die Bundeswehr oder Sicherheitskräfte Empfänger der Arzneimittel sind. Abseits von Covid-19 dürften in die Bewertung eine Reihe von Kriterien einfließen, etwa ob eine abstrakte oder konkrete Bedrohungslage vorliegt, ob die Produkte ausschließlich Relevanz für potenziell pandemische Krankheiten haben, wie groß die potenziell betroffene Bevölkerungsgruppe ist und ob insgesamt mit lebensbedrohlichen oder sonstigen schweren Folgen zu rechnen ist. Ein weiteres Bewertungskriterium ist auch die Frage, ob es eine Vielzahl von Anbietern vergleichbarer Produkte gibt oder es sich eher um einen begrenzten Markt handelt und die Versorgung ohne das konkrete Unternehmen nicht mehr problemlos sichergestellt werden kann. Grundsätzlich dürfte dabei der jeweilige Markt für die meisten Ausgangsstoffe wesentlich größer sein, so dass diese – je nach ihrer Verfügbarkeit – im Regelfall seltener als „wesentlich“ einzuordnen wären. Insgesamt dürfte eine schematische Einordnung aufgrund der vielen sich gegenseitig bedingenden Kriterien schwer sein. In der Praxis kommt es hier auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. 2. § 55 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 AWV – Medizinprodukte Unter die Fallgruppe Nummer 10 fallen Unternehmen, die für die Aufrechterhaltung des Gesundheitswesens in Katastrophenfällen erforderliche Medizinprodukte, wie etwa chirurgische Masken und Beatmungsgeräte entwickeln oder herstellen. Darüber erfasst die Regelung grundsätzlich auch als Medizinprodukte zu qualifizierende Medical Apps (hierzu sogleich unter IV.). Gegenüber Arzneimitteln erfolgt die Abgrenzung nicht anhand der Frage des angestrebten Heilerfolgs, sondern vielmehr danach, ob die heilende Wirkung primär durch eine pharmakologische, immunologische, metabolische Wirkung (dann Arzneimittel) oder eine physikalische (dann Medizinprodukt) Wirkung erzielt werden soll18. Im 10) Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis (GMP), abruf bar unter www.bundesgesundheitsministerium.de/service/ gesetze-und-verordnungen/bekanntmachungen.html. 11) Abschn. 20 (Glossar) des Teils II des EG-GMP-Leitfadens. 12) Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 2. Aufl. 2016, § 13, Rdnr. 13. 13) § 4 Abs. 14 AMG. 14) Etwa §§ 25, 54 und 67 Abs. 1 AMG. 15) Brock/Stoll, in: Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 2. Aufl. 2016, § 84, Rdnr. 129. 16) Verordnungsbegründung, BT-Dr. 19/19781, S. 13. 17) S. 13: „Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit erfasst den Schutz von individuellen Rechtsgütern der Bürger wie das Leben und die Gesundheit sowie die Volksgesundheit als Gemeinschaftsgut. Vor diesem Hintergrund ist die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit den genannten relevanten Produkten erforderlich. Dies gilt insbesondere für Produkte, die in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung benötigt werden. Besonders in Krisenzeiten (Pandemien, Epidemien von nationaler Bedeutung) besteht die Gefahr einer unzureichenden Versorgung mit den genannten Produkten und damit ein hohes Gefahrenpotenzial für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit. Um die Deckung eines lebenswichtigen Bedarfs an den genannten Produkten im Inland zu sichern, ist sicherzustellen, dass die Versorgung durch inländische Unternehmen gewährleistet werden kann.“. 18) OVG Münster, PharmR 2017, 426. 1006 MedR (2020) 38: 1003–1007 Louca/Kopf, Das Gesundheitswesen im Fokus der Investitionskontrolle Gegensatz zu den Arzneimitteln ist das in den Verkehr bringen als Handlung nicht erfasst. 3. § 55 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 und 11 AWV n. F. Unter die persönliche Schutzausrüstung (Nr. 8) fallen ausweislich der Verordnungsbegründung insbesondere FFP2und FFP3-Masken, Schutzhandschuhe oder Schutzanzüge sowie Bestandteile und Verbindungssysteme. Darüber hinaus lassen sich hierunter alle Bedarfsgüter fassen, die im Falle einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ der Eigensicherung des medizinischen Fachpersonals und von Pflegekräften dienen19. Unter Nr. 11 fällt ausweislich der Verordnungsbegründung die Entwicklung oder Herstellung diagnostischer Tests zum Nachweis eines Infektionserregers („Corona-Test“). 4. Zwischenfazit Im Ergebnis wird deutlich, dass sich der Gesetzgeber bei der Gestaltung des § 55 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 bis 11 AWV n. F. sehr eng an den bisherigen Erfahrungen im Zusammenhang mit der Covid-19 Epidemie orientiert hat. So liest sich der Katalog wie eine „Checkliste“ der erforderlichen Produkte, um die medizinische und seuchenpräventive Versorgung der Bevölkerung in einer solchen oder ähnlich gelagerten Pandemie sicherzustellen. Gerade die derzeitige besondere Situation und die generell verstärkte Kontrolle ausländischer Investitionen machen deutlich, dass der Gesundheitssektor zukünftig geradezu prädestiniert ist, verschärften Kontrollen zu unterliegen. Das entspricht auch der Auslegungsleitlinie der EU-Kommission zur EU-Screening-Verordnung vom 25. 3. 2020. Darin betont die EU-Kommission die zentrale Rolle des Gesundheitssektors für die Grundversorgung der Bevölkerungen der EU-Mitgliedstaaten20. Insofern wird dem Gesundheitssektor bei Investitionsprüfungen ein besonderes Augenmerk zukommen. III. Rechtsfolgen unterlassener Anmeldungen Sofern eine Meldepflicht besteht, sind die Folgen einer Unterlassung nicht unerheblich. Zum einen ist das ohne die erforderliche Genehmigung vorgenommene Rechtsgeschäft gemäß § 15 Abs. 1 AWG n. F. unwirksam. Zum anderen wollte der Gesetzgeber verhindern, dass das BMWi vor Ende der Prüfung durch einen rechtlichen Vollzug vor vollendete Tatsachen gestellt wird21. Daher hat er in § 15 Abs. 3 AWG n. F. geregelt, dass ein Rechtsgeschäft, das dem Vollzug des Erwerbs eines inländischen Unternehmens oder einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einem inländischen Unternehmen dient, bis zum Abschluss des Prüfverfahrens schwebend unwirksam ist. Um zudem auch den faktischen Vollzug zu verhindern, verbietet § 15 Abs. 4 AWG n. F. bis zur Freigabe durch das BMWi die Ausübung von Stimmrechten durch den Erwerber, die Gewährung von Gewinnauszahlungsansprüchen und die Weitergabe unternehmensbezogener, sicherheitsrelevanter Informationen. Ein Verstoß hiergegen kann bei vorsätzlicher Begehung gemäß § 18 Abs. 1b AWG n. F. mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe und bei fahrlässigen Verstößen gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 AWG n. F. mit einer Geldstrafe von bis zu 500.000 Euro geahndet werden. Im Ergebnis gelten dieses faktische Vollzugsverbot und die damit einhergehenden Sanktionen auch für Transaktionen, die fälschlicherweise nicht gemeldet wurden. Zudem kann ein Verstoß gegen das Vollzugsverbot während einer laufenden Prüfung dazu führen, dass das BMWi in diesem Fall eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit annimmt und die Investition untersagt22. IV. Ausblick auf die 17. AWV-Novelle Die 16. AWV-Novelle überträgt Vorgaben der EU-Screening-Verordnung in das deutsche Investitionsrecht und dient wie die 15. AWV-Novelle primär der Klarstellung der geltenden Rechtslage23. In einem zusätzlichen Schritt soll zum einen ein langer Katalog von Regelungsbereichen hinzukommen, der die schlagwortartige Liste des Art. 4 der Verordnung konkretisiert. Das bezieht sich insbesondere – jedoch nicht abschließend – auf kritische Technologien im Bereich Dual-use, Robotik und Künstliche Intelligenz. Zum anderen könnte die 17. AWV-Novelle auch den Bereich der Digitalisierung berücksichtigen. Zwar ist branchenspezifische Software bereits jetzt von § 55 AWV erfasst, die Änderungen könnten den Anwendungsbereich jedoch erheblich erweitern. Dies dürfte im medizinischen Bereich insbesondere für den stetig an Bedeutung gewinnenden Bereich der Medical Apps relevant sein. Grundsätzlich würden Medical Apps – soweit es sich bei ihnen um ein Medizinprodukt im Sinne von § 3 Nr. 1 MPG bzw. Art. 2 Nr. 1 MDR handelt – schon jetzt zum Teil in den Anwendungsbereich von § 55 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 AWV fallen. Als Medizinprodukt sind allerdings nur solche Apps zu klassifizieren, die eine medizinische Zweckbestimmung aufweisen und damit eine eigenständige diagnostische oder therapeutische Leistung erbringen24. Allerdings sind auch Fälle denkbar, in denen eine App nicht als Medizinprodukt zu qualifizieren ist – z. B. weil sie lediglich der Speicherung von medizinisch relevanten Daten dient – und trotzdem für die öffentliche Ordnung und Sicherheit relevant sein kann. Es bleibt abzuwarten, ob diese Lücke an der Schnittstelle zwischen Digitalisierung und Gesundheitswesen durch die weiteren Änderungen geschlossen werden wird. Das BMWi bemüht sich, die Vorgaben der EU-Screening-Verordnung derart zu konkretisieren, dass die Investoren durch eine eigene Vorabprüfung bereits einschätzen können, ob sie in einen der prüfungsrelevanten Bereiche fallen. Allerdings befürchtet die Wirtschaft, dass im Zuge dessen eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe und Verfahrensregelungen aufgenommen werden, die im Ergebnis beinahe jeden Unternehmenserwerb meldepflichtig machen könnten. Vor diesem Hintergrund ist mit einem starken Anstieg von Investitionsanmeldungen zu rechnen. Aufgrund des erweiterten Regelungskatalogs, des engeren Prüfungsmaßstabes und der Unsicherheit der Unternehmen, werden Unternehmen anstehende Investitionen zunehmend dem BMWi melden. Daher wird eine Verzögerung auch jener Anmeldeverfahren befürchtet, die eigentlich als weitestgehend unproblematisch gelten. Die Möglichkeit zweier Anmeldungsprozesse – ein verkürzter für die „unproblematischen“ und ein regulärer für die sonstigen Fälle – wurde wohl bereits diskutiert, aber aus Sicherheitsgründen abgelehnt. Es ist anzunehmen, dass das BMWi gerade während der Covid-19 Pandemie darauf bedacht sein wird, Unternehmenserwerbe oder den Erwerb einer unmittelbaren 19) Verordnungsbegründung, BT-Dr. 19/19781, S. 13. 20) Leitlinien für die Mitgliedstaaten betreffend ausländische Direkt investitionen, freien Kapitalverkehr aus Drittländern und Schutz der strategischen Vermögenswerte Europas im Vorfeld der Anwendung der Verordnung (EU) 2019/452 über die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen, C/2020/1981. 21) Gesetzesentwurf zur Änderung des AWG, S. 22 f. sowie BT-Dr. 19/23834. 22) Stein/Schwander, StB 2020, 259. 23) Verordnungsbegründung, BT-Dr. 19/19781, S. 1. 24) Lücker, in: Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 3 MPG, Rdnr. 1; Rehmann, in: Rehmann/Wagner, Medizinproduktegesetz, 3. Aufl.2018, § 3, Rdnr. 1. Klein, Der Tod als relativ-funktioneller Rechtsbegriff oder mittelbaren Beteiligung eines inländischen Unternehmens genau zu prüfen. Die Praxis wird zeigen, wie sich dies auf die Dauer der Prüfverfahren und die Entscheidungen des BMWi auswirken wird. V. Fazit Auch wenn die beschriebenen Regelungen klar im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie erlassen worden sind, reicht ihre Bedeutung schon jetzt aufgrund der zum Teil weit gefassten Tatbestände hierüber hinaus. MedR (2020) 38: 1007–1012 1007 Für Unternehmenskäufe im Gesundheitsbereich wird es zukünftig (mehr als schon bisher) unerlässlich sein, die Frage der Meldepflicht gegenüber dem BMWi mitzudenken. In der Praxis wird sich dann zeigen, wie weit oder eng die Meldepflichten im Einzelnen ausgelegt werden müssen. Unternehmen werden sich in Zukunft jedenfalls zunehmend fragen müssen, ob sie im konkreten Fall eine Transaktion anmelden und eine Unbedenklichkeitsbescheinigung beantragen. Gerade am Anfang ist jedoch grundsätzlich dazu zu raten, im Zweifel eine Meldung vorzunehmen, um die Rechtsfolgen einer unterlassenen Anmeldung zu vermeiden. Der Tod als relativ-funktioneller Rechtsbegriff – Die Lösung der unendlichen juristischen Diskussion zur Todesfeststellung?! Christian Klein Abstract Nicht nur die Medizin, sondern auch die Rechtsdogmatik beschäftigt sich im Zivilrecht, dem Strafrecht und dem Öffentlichen Recht mit dem Todesbegriff. Neben der absoluten Gleichsetzung des Todesbegriffes mit dem Hirntod oder dem Herz-Kreislauf-Stillstand (Herztod), kommt auch eine relativ-funktionale Bestimmung des Signifikats des Todesbegriffes in Betracht. Diesem Verständnis will der nachfolgende Aufsatz nachspüren. Aus der geschichtlichen Entwicklung des Todesbegriffes und der Kontextualisierung ausgesuchter Rechtsvorschriften – aus allen Rechtsgebieten – wird aufgezeigt, dass ein relativ-funktionaler Todesbegriff am besten geeignet ist, dogmatische und verfassungsrechtliche Fragen- und Problemstellungen einer konsistenten, gerechten und widerspruchsfreien Lösung zuzuführen. Einleitung Der Tod ist wohl eines der einschneidendsten Ereignisse im Leben eines Menschen. Im Vergleich zum Tatbestandsmerkmal Beginn menschlichen Lebens, hat die Rechtswissenschaft seit Friedrich Carl von Savigny den Begriff des Todes als ein natürliches Ereignis angesehen, welches keiner näheren Definition bedarf 1. Gleichzeitig hat der Tod verschiedene Dimensionen in fast allen wissenschaftlichen Disziplinen. Auch die Rechtsdogmatik muss sich mit dem Todesbegriff auseinandersetzen. In allen Rechtsgebieten existieren Normen, in denen an den Begriff des Todes Rechtswirkungen anknüpfen. § 1922 Abs. 1 BGB knüpft den Eintritt des Erbfalles an den Tod des Menschen. § 212 StGB (Totschlag) setzt zur Begründung der Strafandrohung die aktive täterschaftliche Tötung eines anderen Menschen voraus. Die Vorschriften des SGB verwenden den Begriff des Todes als Anknüpfungsmerkmal für die Beendigung von Leistungen (z. B. § 56 SGB I) oder als Voraussetzung für die Leistungsgewährung, z. B. Witwenrente (§ 46 SGB VI). Auch im Medizin(straf )recht findet der Begriff des Todes in einer Fülle von Vorschriften Verwendung. So stellt das ESchG unter Strafe, wer wissentlich eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tode künstlich Kirchenrat und Rechtsanwalt Dipl. Jur. Christian Klein, Dürrenebersdorfer Straße 19 b, 07549 Gera, Deutschland befruchtet (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG). Auch wird unter Strafe gestellt, wenn es jemand unternimmt, bei einer Frau, welche bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen (Ersatzmutter), eine künstliche Befruchtung durchzuführen oder auf sie einen menschlichen Embryo zu übertragen (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG). Darüber hinaus knüpft § 3 Abs. 1 TPG die Organentnahme bei der Organspende an den Tod des Organ- oder Gewebespenders. Seit dem medizinischen Fortschritt, insbesondere im Bereich der Intensivmedizin, wird seit Jahrzehnten eine unendliche Diskussion über die Bedeutung des Todesbegriffes geführt. Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Frage, ob der Begriff des Todes in jeder Rechtsnorm den gleichen Bedeutungsinhalt (Signifikat) hat. Um den Bedeutungsinhalt kämpfen seit Jahrzehnten die Befürworter des Hirntodkriteriums2 (irreversibler Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirnes, des Kleinhirns und des Hirnstammes) gegen die Befürworter des bis Ende des 1960er Jahre vorherrschenden Kriteriums des Herz-Kreislauf-Stillstandes (Herztodkriterium)3. Dabei hat die Frage, welches Kriterium anwendbar sein soll, durch die gerichtliche Entscheidung (Beschluss des AG Würzburg4 zur Anordnung einer Betreuung einer hirntoten Schwangeren im Februar 2018) nach etwas längerer Lethargie wieder an Fahrt in der Diskussion aufgenommen. Dieser Beschluss wurde in der Literatur5 kritisiert, da der zuständige Richter die absolute Geltung des Hirntodkriteriums als Begriff für eine Definition des Todes ablehnte. Das AG Würzburg be1) Von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. II (1840), S. 17: „Der Tod, als die Gränze der natürlichen Rechtsfähigkeit, ist ein so einfaches Naturereigniß, daß derselbe nicht, so wie die Geburt, eine genauere Feststellung seiner Elemente nöthig macht.“. 2) OLG Frankfurt, Beschl. v. 11. 7. 1997 – 10 W 254/95 – = NJW 1997, 3099–3101; OLG Köln, Beschl. v. 24. 2. 1992 – 2 Wx 41/91 – = FamRZ 1992, 860–862; Bundesärztekammer: Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TPG für die Regeln zur Feststellung des Todes nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TPG und die Verfahrensregeln zur Feststellung des endgültigen und nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstammes nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG, Vierte Fortschreibung, Bekanntmachung in DÄBl. 2015, A-1256. 3) Beckmann, NJ 2020, 298. 4) AG Würzburg, Beschl. v. 13. 2. 2018 – 25 XVII 208/18 – = MedR 2020, 43 m. Bespr. Höfling, MedR 2020, 14 ff.; AG Würzburg NJ 2020, 70 ff. 5) Schäfer, NJ 2020, 58 ff.