Banat-Bazi in Nordsyrien
und seine mögliche Identifikation mit Armanum / Armium
des 24./23. Jh. v. Chr.
Ausgelöst durch den Bau des Tishrin-Staudammes begann in den 1990er Jahren
eine intensive Erforschung des oberen syrischen Euphrattales bis zur türkischen
Grenze. Bis dahin waren nur Orte wie Karkemish (englische Grabung 1911-14) und
Til Barsip (französische Grabung 1929-31) bekannt. Erst die rezenten Untersuchungen erbrachten, welch dichtes Besiedlungsmuster insbesondere zur Frühbronzezeit
in diesem Gebiet am Rande der Regenfeldbauzone vorlag (Abb. 1). Im Namen der
Station Damaskus des Deutschen Archäologischen Institutes begannen 1993 die
Rettungsgrabungen in Tall Bazi, die von 2000-2009 von der Ludwig-MaximiliansUniversität fortgeführt und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert
wurden und nun eines der Feldforschungsprojekte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz darstellen. 1
Die größte frühbronzezeitliche Stadt des oberen syrischen Euphrattales stellt BanatBazi dar, bestehend aus einer 30 ha großen Unterstadt namens Tall Banat und einer
10 ha großen Zitadelle, dem Jebel Bazi (Abb. 2). Der von einem modernen Dorf
überbaute Tall Banat wurde von Tom McClellan und Ann Porter von 1985-1999
punktuell ausgegraben (McClellan 1999; Porter 2002). Ausgedehnte industrielle
Produktionsstätten, palastartige Bauten sowie eine monumentale Gruft (tomb 7) im
Stadtgebiet und ein riesiger Tumulus außerhalb der Stadtmauern (Tell Banat Nord)
kamen zutage, die mächtige Eliten und überregionale Kontakte der Stadt belegen.
Für den antiken Namen der Stadt ergaben sich allerdings keine Hinweise.
Die Konzeption der Zitadelle von Bazi ist jedoch ungewöhnlich und bislang ohne
Parallele im archäologischen Befund. Denn während Siedlungen des 3. Jahrtausends gewöhnlich eine Tell-Struktur aufweisen, die durch sukzessive Überlagerung
von Schichten entstand, fand sich die Zitadelle von Bazi auf einem 60 m hohen
Felsen, dem Ausläufer einer Schichtstufe des Euphrattales, angelegt (Einwag 2008).
1 Wir danken der syrischen Antikenverwaltung sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre
jahrelange Unterstützung und Hilfe. Unser Dank gilt ferner den damaligen Leitern der Station
Damaskus, T. Ulbert und K. S. Freyberger, die unsere Ausgrabungen stets wohlwollend begleiteten, und M. Roaf, der das Projekt an der LMU München willkommen hieß. Die Ausgrabungen
werden von B. Einwag und A. Otto gemeinsam geleitet. Zu den altorientalischen Projekten des
Mainzer Instituts s. www.aegyptologie-altorientalistik.uni-mainz.de/236.php.
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Die Linie gibt den möglichen
Verbindungsweg der verbündeten
Städte Ebla und Nagar wieder,
der über Armi führte (ein weiteres
Argument für die Identifikation)
Abb. 1: Nordmesopotamien und Syrien um 2400 v. Chr., erschlossen aus den Ebla-Texten
(gesicherte moderne bzw. ANTIKE Namen fett);
Abb. 2: Topographischer Plan des Siedlungsclusters von Tall (oder Jebel) Bazi,
Tall Banat und Umgebung (nach Porter 2002, 12, fig. 2).
Der Halsgraben ist südlich des Zitadellenhügels zu erkennen.
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Adelheid Otto ― Berthold Einwag
Abb. 3: Das Torgebäude am Halsgraben, Blick von Süden.
Der gesamte Bergsporn wurde bereits in der Frühbronzezeit aufwendig umgestaltet
und befestigt: Mächtige Mauerzüge umgeben den Berg ringsum, und an der Stelle im
Süden, wo der Sporn an das Randgebirge anstieß, wurden sie mittels eines ca. 40 m
breiten und 10 m tiefen Halsgrabens (ähnlich wie bei mittelalterlichen Burgen) abgetrennt. An ebendieser Stelle befindet sich ein Torgebäude, dessen 25 m breite Frontseite durch dreieckige Rücksprünge beiderseits des Eingangs gegliedert ist (Abb. 3,
4).
Der Torbau weist zwei mächtige Zerstörungshorizonte aus der Frühbronzezeit IVA
auf (24./23. Jh.). Nach der ersten Zerstörung wurde das Gebäude wieder instand
gesetzt und weiter benutzt; die zweite Zerstörung war jedoch so tiefgreifend, dass
nicht nur das Gebäude, sondern der gesamte Ort für eine gewisse Zeit aufgegeben
wurde. Tausende von Schleudergeschossen, vermengt mit einigen Pfeilspitzen,
bedecken den Fußboden des Eingangsbereiches (Abb. 5) und belegen die heftigen
Kämpfe der ersten Zerstörung, die um die Zitadelle geführt wurden. Es ist anzunehmen, dass das Tor, das Bestandteil der obersten Befestigungsmauer war, den
Zugang zu bedeutenden Gebäuden auf dem Zitadellenplateau sicherte. Unsere
bisherigen Untersuchungen konzentrierten sich jedoch weitgehend auf die Schichten
des zweiten Jahrtausends, als ein mächtiger Tempel mit zahlreichen Annexbauten
das Zitadellenplateau bedeckte (Einwag – Otto 2006; Otto – Einwag 2007) und
schnitten erst an wenigen Stellen das frühbronzezeitliche Zentralgebäude an, das
sich durch ungewöhnlich sorgfältige Bauweise sowie eine Vielzahl von Räumen auszeichnet. Die genaue Untersuchung des Gebäudes steht noch aus.
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Abb. 4: Steingerechter Plan des Torgebäudes, erste und zweite Phase (mit Ergänzungen)
Abb. 5: Fundlage der Schleudergeschosse und Pfeilspitzen auf dem Boden
von Raum 1 des Torgebäudes
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Adelheid Otto ― Berthold Einwag
Abb. 6: Die Rekonstruktion der Zitadelle von Armanum gemäß der Inschrift UET I 275
(nach Foster 1982).
Unser Vorschlag für den frühbronzezeitlichen Namen der Stadt geht von der einzigartigen Struktur der Zitadelle aus, die zum gegenwärtigen Forschungsstand lediglich
in einer Inschrift des akkadischen Königs Naram-Sîn (ca. 2259-2223 v. Chr., Mittlere
Chronologie) belegt ist. In der seit langem bekannten Inschrift (UET I 275) wird der
Feldzug Naram-Sîns zum Mittelmeer beschrieben, in dessen Verlauf er die Städte
Armanum und Ebla eroberte und den König von Armanum „in seinem Eingang“ gefangen nahm. Naram-Sîn maß der Eroberung von Ebla und Armanum so großen
Wert bei, dass er sich auf mehreren Weihgaben als „Der göttliche Naram-Sîn, der
Mächtige, der König der vier Weltgegenden, der Eroberer von Armanum und Ebla“
bezeichnete. In UET I 275 wird die Zitadelle von Armanum als hoher, befestigter
Berg beschrieben, dessen Befestigungsmauern mitsamt ihren Höhen und den
Distanzen zwischen ihnen genannt werden (Abb. 6). Diese Angaben lassen sich tatsächlich mit den Maßen der Bewehrungsmauern der Zitadelle von Bazi in Beziehung
setzen, ohne dass dies jedoch als schlagender Beweis gewertet werden könnte.
Weitere Argumente zur Identifikation erhalten wir aus den Archiven der Stadt Ebla
(24. Jh.). Die Stadt, die Armi oder Armium hieß, war nach Mari und Emar der in den
Eblatexten am häufigsten belegte Ort und ein mächtiger Gegenspieler Eblas. Der Ort
war zu Beginn der 40 in Texten belegten Jahre ein mächtiger Verbündeter Eblas,
was u.a. durch die Episode veranschaulicht wird, dass der König von Armi namens
Mazaum nach Ebla kommt mit einem speziellen Geschenk, nämlich den Köpfen
zweier Könige, die Ebla nicht so freundlich gesonnen waren, und kostbare Textilien
als Dank erhält (Otto – Biga 2010). Gegen Ende der dokumentierten Periode verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Ebla und Armi so dramatisch, dass
Armi schließlich von Ebla eingenommen wurde. Da dies nur zwei Jahre vor der
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gewaltsamen Zerstörung Eblas stattfand, gehen die Ausgräber von Ebla davon aus,
dass Armi hierfür Vergeltung übte und mit zum Untergang von Ebla beitrug.
Die Korrelation der historisch belegten Ereignisse bzw. militärischen Eroberungen
von Armi bzw. Armanum mit den Bauschichten und Zerstörungshorizonten des Jebel
Bazi ist durchaus möglich: Der erste Zerstörungshorizont wäre dann durch die
Streitmacht Eblas, die zweite und endgültige Zerstörung durch die Akkader herbeigeführt worden. Jedoch lässt sich die größte Artefakt-Gruppe, die Keramik, bislang
nicht so präzise datieren, dass der Beweis auf archäologischem Wege geführt
werden könnte. Anders herum läge jedoch – sollte sich die genannte Hypothese
bestätigen – ein historisch exakt und auf wenige Jahre datiertes Material vor, das für
die Archäologie Syriens von ungeheurem Wert wäre.
Um die vorgeschlagene Identifizierung (Otto 2006) zu überprüfen, besteht seit 2007
eine Kooperation mit M. G. Biga, Philologin des Ebla-Teams (s. erste Ergebnisse in
Otto – Biga 2010). Zahlreiche Informationen zu Armium aus den Eblatexten stützen
die Gleichsetzung von Banat-Bazi mit Armi/Armium. Dass jüngst Zweifel an der Identifikation geäußert wurden (Archi 2011), bestätigt uns nur in dem Bestreben, die
Untersuchungen in Tall Bazi baldmöglichst fortzusetzen.
Prof. Dr. Adelheid Otto
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Institut für Ägyptologie und Altorientalistik
Hegelstr. 59
D-55122 Mainz
ottoad@uni-mainz.de
Dr. Berthold Einwag
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Institut für Ägyptologie und Altorientalistik
Hegelstr. 59
D-55122 Mainz
einwag@uni-mainz.de
Literatur
ARCHI, A., 2011: In Search of Armi, JCS 63, 1-34.
EINWAG, B., 2008: Fortified Citadels in the Early Bronze Age? New Evidence from Tall
Bazi (Syria) in: J. CORDOBA (Hrsg.), Proceedings of the Fifth International Congress
on the Archaeology of the Ancient Near East, Madrid 2006 (Madrid), 741-53.
EINWAG. B. ― OTTO, A., 2006: Tall Bazi 2000 und 2001 – Die Untersuchungen auf der
Zitadelle und in der Nordstadt, DaM 15, 105-130.
FOSTER, B. R., 1982: The Siege of Armanum, JANES 14, 27–36.
MCCLELLAN, T. L., 1999: Urbanism on the Upper Syrian Euphrates, in: G. DEL OLMO
LETE – J.-L. MONTERO FENOLLÓS (Hrsg.), Archaeology of the Upper Syrian Euphrates,
The Tishreen Dam Area (Barcelona), 413-425.
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Adelheid Otto ― Berthold Einwag
OTTO, A., 2006: Archaeological Perspectives on the Localization of Naram-Sin’s
Armanum, JCS 58, 1-43.
OTTO, A. ― BIGA, M. G., 2010: Thoughts about the identification of Tall Bazi with Armi
of the Ebla Texts, in: P. MATTHIAE et al. (Hrsg.), Proceedings of the 6th International
Congress of the Archaeology of the Ancient Near East, Vol. 1 (Wiesbaden), 481-494.
OTTO, A. ― EINWAG, B., 2007: Ein Tempel hoch über dem Euphrattal, Antike Welt 4,
39-46.
PORTER, A., 2002: The Dynamics of Death: Ancestors, Pastoralism, and the Origins
of a Third-Millenium City in Syria, BASOR 325, 1-36.