1 Der Römerbrief
Der Römerbrief
Text und Übersetzung
mit Kommentar
Peter Streitenberger
2 Der Römerbrief
Impressum
Die Arbeit ist frei verfügbar und kann kostenlos genutzt und kopiert werden. Sie darf nicht verkauft werden.
Wenn diese weitergereicht wird oder Passagen zitiert werden, ist ein Hinweis auf die Quelle notwendig.
Änderungen des Wortlauts etc. sind nicht zulässig. Diese und andere Arbeiten sind unter
www.bibelgriechisch.online abzurufen.
Anmerkungen, Lob, Tadel, Verbesserungen aller Art bitte an: streitenberger_Peter@yahoo.de
Unterstützung:
Kontoinhaber: Peter Streitenberger, DE46721608180008221057, Volksbank Eichtstätt.
PayPal: Petra.Streitenberger@live.de.
Coverbild: Handschrift Nr. 367, The Bibliotheca Medicea Laurenziana, ms. Conv. Soppr. 53, f. 1r,
Reproduced with permission of MiBACT. Further reproduction by any means is prohibited. Foto online
unter: http://www.csntm.org/
Ingolstadt, 6.7.2022
M.A. phil. (Univ.) Peter M. Streitenberger
3 Der Römerbrief
Inhalt
Impressum................................................2
Inhalt ........................................................3
Einleitung .................................................4
Autor, Empfänger und Inhalt des Briefes .4
Griechischer Text, Übersetzung und
Kommentar ..............................................4
4 Der Römerbrief
Einleitung
Wie bisher versucht, liefert die Arbeit nach einer kurzen Einführung eine dreiteilige Übersicht über den
griechischen Text, eine Übersetzung davon und einen Kommentar zur Grammatik bzw. Semantik, Syntax
und auch zur Analyse diskursiver Elemente. Dabei wurden Parallelen aus der griechischen Literatur vom
Autor als Hilfe für den Leser jeweils ins Deutsche übersetzt.
Wenn außerbiblische Texte zitiert werden, dann nur aufgrund deren grammatischer oder semantischer
Bedeutung, nicht immer nur aufgrund inhaltlicher Übereinstimmung mit den Autoren. Die Arbeit wurde in
Anbetracht der Verantwortung vor Gott, der sich auch der Autor bewusst ist, erstellt. Dies bedeutet leider
jedoch nicht, dass nicht auch Fehler enthalten sein können. Diese gehen zu meinen Lasten, und ein Hinweis
wäre wünschenswert. Eine Begründung, warum als Textgrundlage kein anderer Text als Robinson-Pierpont
2018 verwendet wurde, geschieht an dieser Stelle nicht. Mehr dazu ist über die Internetplattform
www.bibelgriechisch.online aufzurufen. Vielen Dank an Wolfgang für seine Fleißarbeit des Korrekturlesens
und an Hias, der viele Fehler korrigiert hat!
Autor, Empfänger und Inhalt des Briefes
Paulus nennt sich als eigentlicher Autor. Am Ende wird sein Schreiber Tertius erwähnt, sodass Paulus den
Brief diktiert hat. Die Empfänger sind die Christen in Rom, die er teilweise namentlich kennt und am Ende
grüßen lässt. Paulus sagt an einer Stelle im Brief, dass er sie zurechtbringen will, d.h. er will ihren Glauben
stärken und sie fest darin machen. Er beschreibt seine Absicht, dies persönlich vor Ort zu tun, und will zu
ihnen kommen. Da er noch andere Dienste vorher hat, schreibt er zunächst diesen Brief. Das Zentralthema
ist die Rechtfertigung aus Glauben und deren Folgen, das Thema, wie es mit dem ungläubigen Israel
weitergeht und wie Christen sich untereinander zu verhalten haben.
Griechischer Text, Übersetzung und
Kommentar
In der linken Spalte ist im folgenden Teil der griechische Text nach Robinson-Pierpont abgedruckt, gefolgt
von einer deutschen Übersetzung in der Mitte und einem Kommentar zu verschiedenen Aspekten des
griechischen Textes rechts. Im Griechischen nicht vorhandene Elemente, die aber zur Grammatikalität im
Deutschen notwendig sind, erscheinen dabei in runden Klammern, die beim Lesen betont zu lesen wären,
da das Deutsche inzwischen oft weniger Mittel als das Griechische hat, diese Feinheiten wie Hyperbata
analog auszudrücken. Im Griechischen betonte Elemente im Satz werden im Deutschen kursiv gesetzt. Alle
griechischen Texte, die zu den Versen als Kommentar herangezogen wurden, sind vom Autor auch auf
Deutsch übersetzt.
5 Der Römerbrief
1.1 Παῦλος, δοῦλος Ἰησοῦ
χριστοῦ, κλητὸς ἀπόστολος,
ἀφωρισμένος εἰς εὐαγγέλιον
θεοῦ,
Paulus, Diener Jesu Christi, berufener Apostel,
abgesondert für Gottes gute Botschaft,
Wie üblich nennt sich der Absender, Paulus, im Nominativ. In
1Korinther wird die Apposition κλητὸς ἀπόστολος („berufener
Apostel“) durch Ἰησοῦ χριστοῦ („Jesu Christi“) erweitert, da dort die
Apostelschaft von Paulus strittig war, dies ist bei den Römern nicht
der Fall. Vgl. Dion, Fragmenta 1.4: „Ἀφικομένη δὲ πρὸς τὸν τῶν
Ἀσσυρίων βασιλέα κλητὴ […]“. „Beim berufenen König der Assyrer
nun ankommen […]“. D.h. wie jemand zum König berufen wurde,
wurde Paulus von Christus als Apostel berufen und eingesetzt. Der
Zweck war, dass Paulus für die Predigt des Evangeliums abgesondert
wurde und dies sein apostolischer Auftrag war. Zum Begriff ἀφορίζω
(„abgrenzen, absondern, angrenzen, bestimmen“), das dem lat.
“definiere“ entspricht vgl. Diodorus Siculus, Bibliotheca Historiae
1.30,1: Ἡ γὰρ Αἴγυπτος κεῖται μὲν μάλιστά πως κατὰ μεσημβρίαν,
ὀχυρότητι δὲ φυσικῇ καὶ κάλλει χώρας οὐκ ὀλίγῳ δοκεῖ προέχειν
τῶν εἰς βασιλείαν ἀφωρισμένων τόπων“. „Ägypten liegt ja zwar im
Großen und Ganzen von Norden nach Süden und soll aber an
natürlicher Stärke und landschaftlicher Schönheit alle anderen Orte,
die an das Königreich angrenzen, in nicht geringem Maße
übertreffen“. D.h. wie Regionen zu einem Bereich gehören bzw. von
einem anderen abgegrenzt sind, wurde Paulus aus seinem alten
Leben berufen, nun für die Verkündigung des Evangeliums
abgesondert und in diesem Bereich nun tätig zu sein.
1.2 ὃ προεπηγγείλατο διὰ τῶν
προφητῶν αὐτοῦ ἐν γραφαῖς
ἁγίαις,
die er vorher verhieß durch seine Propheten
in heiligen Schriften,
Mittels eines Relativsatzes beschreibt Paulus das Evangelium näher
als bereits von Propheten Gottes vorher angekündigt und in heiligen
Schriften niedergeschrieben.
6 Der Römerbrief
1.3 περὶ τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ, τοῦ
γενομένου ἐκ σπέρματος Δαυὶδ
κατὰ σάρκα,
über seinen Sohn, der aus dem Samen Davids
kam nach dem Fleisch,
Mit περὶ („über“) beschreibt Paulus den Gegenstand des
Evangeliums, nämlich den Sohn Gottes, der wie durch die Propheten
angekündigt als Nachkomme Davids kommen würde.
1.4 τοῦ ὁρισθέντος υἱοῦ θεοῦ ἐν
δυνάμει, κατὰ πνεῦμα ἁγιωσύνης,
ἐξ ἀναστάσεως νεκρῶν, Ἰησοῦ
χριστοῦ τοῦ κυρίου ἡμῶν,
den als Sohn Gottes Erwiesenen in Macht
nach dem Geist (der) Heiligkeit, aufgrund der
Auferstehung von (den) Toten, Jesus Christus,
unseren Herrn,
Der Sohn Gottes hat sich aber auch dadurch, dass Gott ihn aus dem
Toten auferweckte, als derjenige beschrieben, den Gott durch
seinen Geist auferweckte und dadurch als seinen Sohn erkennbar
machte.
1.5 δι᾽ οὗ ἐλάβομεν χάριν καὶ
ἀποστολὴν εἰς ὑπακοὴν πίστεως
ἐν πᾶσιν τοῖς ἔθνεσιν, ὑπὲρ τοῦ
ὀνόματος αὐτοῦ,
durch den wir Gnade und Apostelschaft
empfingen zum Glaubensgehorsam unter all
den Nationen für seinen Namen,
Mit dem Relativsatz δι᾽ οὗ („durch den“) beschreibt Paulus, dass
Paulus durch Christus Gnade und seinen Dienst als Apostel erhalten
hat. Das Ziel dieses Dienstes ist es, dass alle Völker zum Gehorsam
des Glaubens kämen. Dies leitet Paulus mit εἰς („zum“) ein.
1.6 ἐν οἷς ἐστὲ καὶ ὑμεῖς, κλητοὶ
Ἰησοῦ χριστοῦ·
unter denen auch ihr seid, Berufene Jesu
Christi,
Paulus kommt nun von allen Gläubigen bei den Nationen auf die
Leser, die ebenfalls von Jesus Christus berufen wurden.
1.7 πᾶσιν τοῖς οὖσιν ἐν Ῥώμῃ
ἀγαπητοῖς θεοῦ, κλητοῖς ἁγίοις·
χάρις ὑμῖν καὶ εἰρήνη ἀπὸ θεοῦ
πατρὸς ἡμῶν καὶ κυρίου Ἰησοῦ
χριστοῦ.
allen denen, die in Rom sind, (den) Geliebten
Gottes, (den) berufenen Heiligen. Gnade (ist)
euch und Friede von Gott, unserem Vater, und
dem Herrn, Jesus Christus.
Nun werden die Adressaten im Dativ genannt. Paulus schließt eine
weite Apposition an, um die Leser näher zu identifizieren. Sie leben
in Rom und sind von Gott geliebt und berufen, d.h. zum Glauben an
das Evangelium gerufen, das sie zu Heiligen machte. Paulus wünscht
seinen Lesern Gnade und Friede, wobei er angibt, von wem die
Gnade und Liebe stammt, nämlich von Gott dem Vater und seinem
Sohn, Jesus Christus.
1.8 Πρῶτον μὲν εὐχαριστῶ τῷ θεῷ
μου διὰ Ἰησοῦ χριστοῦ ὑπὲρ
πάντων ὑμῶν, ὅτι ἡ πίστις ὑμῶν
καταγγέλλεται ἐν ὅλῳ τῷ κόσμῳ.
Zuerst nun danke ich meinem Gott durch
Jesus Christus für euch alle, dass euer Glaube
in der ganzen Welt verkündet wird.
Nun beginnt der Hauptteil des Briefes, den der Schreiber mit πρῶτον
(„zuerst“) einleitet, indem Paulus deutlich macht, was er darin zuerst
aufgreifen will. Das ist der Dank an seinen Gott, eingeleitet durch ὅτι
(„dass“), dass der Glaube der Leser inzwischen in der damaligen
Welt bekannt wurde, d.h. dass die Leser in Rom das Evangelium
angenommen hatten, wurde überall publik, auch unter den
7 Der Römerbrief
Gegnern, sodass es zu Verfolgungen kam, die Paulus auch in seinem
Brief ansprechen würde.
1.9 Μάρτυς γάρ μού ἐστιν ὁ θεός,
ᾧ λατρεύω ἐν τῷ πνεύματί μου ἐν
τῷ εὐαγγελίῳ τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ, ὡς
ἀδιαλείπτως μνείαν ὑμῶν
ποιοῦμαι,
Denn Gott ist mein Zeuge, dem ich diene in
meinem Geist in der guten Botschaft seines
Sohnes, wie ich unablässig eure Erwähnung
mache,
Um deutlich zu machen, wie stark die Verbundenheit von Paulus mit
den Lesern ist, beruft er sich auf Gott als Zeugen, nicht daher, dass
er dies quasi als Schwur aufgrund von Zweifeln bekräftigen müsste.
Mit ὡς („wie, dass“) kann der reine Inhalt („dass“) oder die
Intensität („wie“ im Sinne von „wie sehr“) ausgedrückt werden, da
Empfindungen unterschiedlich sein können, ist „wie“ vorzuziehen.
Vgl. zu μνείαν ὑμῶν ποιοῦμαι („ich mache eure Erwähnung“) u.a.
Isocrates, Archidamus 56.4. Er gebraucht den feststehenden
Ausdruck wie hier: „Τίνας γὰρ ἴσμεν, ὧν καὶ ποιήσασθαι μνείαν
ἄξιόν ἐστιν, οἵτινες ἅπαξ ἡττηθέντες καὶ μιᾶς εἰσβολῆς γενομένης
οὕτως ἀνάνδρως ὡμολόγησαν πάντα τὰ προσταττόμενα ποιήσειν;“
„Denn welche kennen wir, deren es würdig ist, auch eine Erwähnung
gemacht zu werden, welche sich nach einer einzigen Niederlage und
einer einzigen Invasion in ihrem Land so unmännlich bekannten,
alles Erwartete tun?“
1.10 πάντοτε ἐπὶ τῶν προσευχῶν
μου δεόμενος, εἴ πως ἤδη ποτὲ
εὐοδωθήσομαι ἐν τῷ θελήματι
τοῦ θεοῦ ἐλθεῖν πρὸς ὑμᾶς.
allezeit bei meinen Gebeten bittend, ob ich
irgendwie endlich einmal den rechten Weg
finden werde im Willen Gottes, zu euch zu
kommen.
Dass Paulus die Leser erwähnt findet bei seinen Gebeten statt, d.h.
während er betet. Dies verdeutlich Paulus mit der
Präpositionalphrase ἐπὶ τῶν προσευχῶν μου („bei meinen
Gebeten“). Dabei schließt er die Bitte an Gott an, dass er persönlich
zu ihnen kommen will und ob er dies auf irgendeine Art möglich
machen könnte.
1.11 Ἐπιποθῶ γὰρ ἰδεῖν ὑμᾶς, ἵνα
τι μεταδῶ χάρισμα ὑμῖν
πνευματικόν, εἰς τὸ στηριχθῆναι
ὑμᾶς,
Ich begehre nämlich, euch zu sehen, damit ich
euch etwas an geistiger Gnadengabe (Anteil)
gebe, sodass ihr gestärkt werdet,
Paulus erklärt mit γὰρ („nämlich“) seinen Wunsch an Gott, zu den
Lesern zu kommen, da er sich danach sehnt, sie zu sehen. Dies ist
mit der Absicht verbunden, dass er ihnen etwas von seiner
Gnadengabe abgebe, um ihren Glauben zu stärken. Diese leitet er
8 Der Römerbrief
mit ἵνα („damit“) ein. Die Folge dessen, dass Paulus ihnen geistliche
Dienste leisten will, wird mit εἰς τὸ („sodass“) mit einem
substantivierten Infinitiv deutlich gemacht. Damit er seinen Namen
nicht nennen müsste, drückt er dies mit dem Passiv στηριχθῆναι
(„gestärkt werdend“) aus, d.h. es geht ihm um die Leser und nicht
um sich selbst.
1.12 τοῦτο δέ ἐστιν,
συμπαρακληθῆναι ἐν ὑμῖν διὰ τῆς
ἐν ἀλλήλοις πίστεως ὑμῶν τε καὶ
ἐμοῦ.
dies heißt nun, zusammen ermutigt zu werden
unter euch durch den gegenseitigen Glauben,
euren sowie auch meinen.
Mit τοῦτο δέ ἐστιν („dies heißt nun“) leitet ein, was er genau damit
meint, dass die Leser gestärkt werden sollen, wenn er kommt: Er will
sie von seinem Mut anstecken und sie mitermutigen, ebenso wie er
durch den Glauben der Leser. Dieser Gedanke erweitert den ersten.
Mit ἐν ἀλλήλοις πίστεως („durch den gegenseitigen Glauben“)
nimmt er auf die Wechselseitigkeit bezug, d.h. Paulus will die Leser
mit seinem Glauben ermutigen und will von ihrem Glauben ermutigt
werden. Das Pronomen ἀλλήλοις(„gegenseitig“) erklärt Paulus näher
mit ὑμῶν τε καὶ ἐμοῦ („euren sowie auch meinen“), also ein anderer
Ausdruck für die Wechselseitigkeit.
1.13 Οὐ θέλω δὲ ὑμᾶς ἀγνοεῖν,
ἀδελφοί, ὅτι πολλάκις προεθέμην
ἐλθεῖν πρὸς ὑμᾶς καὶ ἐκωλύθην
ἄχρι τοῦ δεῦρο ἵνα τινὰ καρπὸν
σχῶ καὶ ἐν ὑμῖν, καθὼς καὶ ἐν τοῖς
λοιποῖς ἔθνεσιν.
Ich will nun nicht, dass ihr unwissend seid,
Brüder, dass ich mir oft vornahm, zu euch zu
kommen und wurde bis jetzt verhindert,
damit ich etwas Frucht hätte auch unter euch,
wie auch unter den übrigen Nationen.
Paulus geht nun darauf ein, dass er bisher es nicht geschafft hatte,
zu den Lesern zu kommen und so bei ihnen nicht tätig sein konnte
bzw. Frucht zu haben, wie es anderswo unter den Nationen der Fall
war. Dazu dienst die Einleitung als Metakommentar οὐ θέλω δὲ
ὑμᾶς ἀγνοεῖν („ich will nun nicht, dass ihr unwissend seid“). Dies ist
eine Litotes, d.h. das Gegenteil wird verneint.
1.14 Ἕλλησίν τε καὶ βαρβάροις,
σοφοῖς τε καὶ ἀνοήτοις ὀφειλέτης
εἰμί·
Griechen sowie auch Fremden, Weisen sowie
auch Unverständigen bin ich Schuldner.
Da er es Gott schuldig ist bzw. er sich verpflichtet fühlt, den Heiden
bzw. Griechen und Barbaren (wie die nichtgriechischen Heiden
genannt werden), das Evangelium zu predigen, wozu er ja
abgesondert ist. Dies umfasst alle Schichte, wie Paulus mit einem
9 Der Römerbrief
Merismus deutlich macht, indem er Gebildete und Ungebildete
nennt.
1.15 οὕτως τὸ κατ᾽ ἐμὲ πρόθυμον
καὶ ὑμῖν τοῖς ἐν Ῥώμῃ
εὐαγγελίσασθαι.
So (ist) die Bereitwilligkeit von mir aus (da),
auch euch, denen in Rom, die gute Botschaft
zu verkünden.
Mit οὕτως („so“) beschreibt Paulus, wie er als Schuldner sich auch
den Lesern verpflichtet fühlt, ihnen, den Römern, das Evangelium zu
predigen.
1.16 Οὐ γὰρ ἐπαισχύνομαι τὸ
εὐαγγέλιον τοῦ χριστοῦ· δύναμις
γὰρ θεοῦ ἐστιν εἰς σωτηρίαν παντὶ
τῷ πιστεύοντι, Ἰουδαίῳ τε πρῶτον
καὶ Ἕλληνι.
Ich schäme mich nämlich der guten Botschaft
Christi nicht, denn es ist Kraft Gottes zur
Rettung jedem Glaubenden, sowohl (dem)
Juden zuerst als auch (dem) Griechen.
Mit γὰρ („nämlich“) erklärt der Apostel, dass er das Evangelium
predigt, da er sich dafür nicht schämt. Warum er sich nicht schämt,
leitet das zweite γὰρ („denn“) ein. Es gibt für Paulus keinen Grund,
das Evangelium zu verschweigen, da es jeden, der daran glaubt
retten kann. Dies gilt für alle Menschen, deren Teile er als Jude und
Heide nennt. Ἰουδαίῳ („(dem) Jude“) und Ἕλληνι („(dem)
Griechen“) sind als Singulare generisch, d.h. die Einzahl steht für die
beiden Teile der Menschheit im Sinne eines Repräsentanten (pars
pro toto). Da es das Prinzip von Paulus ist, dass das Evangelium
zunächst πρῶτον („zuerst“) an die Juden adressiert ist, dann ging das
Evangelium aber auch an alle Nichtjuden.
1.17 Δικαιοσύνη γὰρ θεοῦ ἐν αὐτῷ
ἀποκαλύπτεται ἐκ πίστεως εἰς
πίστιν, καθὼς γέγραπται, Ὁ δὲ
δίκαιος ἐκ πίστεως ζήσεται.
Gottes Gerechtigkeit wird ja darin offenbart
aus Glauben zum Glauben, wie geschrieben
ist: Der Gerechte nun wird aus Glauben leben.
Mit ἐν αὐτῷ („in ihm“) bezieht sich Paulus auf das Evangelium, d.h.
im Evangelium zeigt sich Gottes Gerechtigkeit. Dies belegt Paulus
mit einem Zitat aus Habakuk, worin dieses Prinzip, der
Rechtfertigung aus Glauben, bereits zum Ausdruck kommt.
1.18 Ἀποκαλύπτεται γὰρ ὀργὴ
θεοῦ ἀπ᾽ οὐρανοῦ ἐπὶ πᾶσαν
ἀσέβειαν καὶ ἀδικίαν ἀνθρώπων
τῶν τὴν ἀλήθειαν ἐν ἀδικίᾳ
κατεχόντων·
Es ist nämlich Gottes Zorn vom Himmel her
geoffenbart über alle Gottlosigkeit und
Ungerechtigkeit (der) Menschen, die die
Wahrheit durch Ungerechtigkeit aufhalten,
Paulus erklärt von hier bis Vers 32, warum es eine Rechtfertigung
geben muss, da Gottes Zorn vom Himmel her über die Gottlosigkeit
der Menschen deutlich ist. Dieser Zorn bezieht sich auf Menschen,
die die Wahrheit kennen, aber sie unterdrücken.
10 Der Römerbrief
1.19 διότι τὸ γνωστὸν τοῦ θεοῦ
φανερόν ἐστιν ἐν αὐτοῖς· ὁ γὰρ
θεὸς αὐτοῖς ἐφανέρωσεν.
da ja das (von) Gott Erkennbare offenbar ist
unter ihnen, denn Gott offenbarte (es) ihnen.
Die Unterdrückung der Wahrheit über Gott wird verschlimmert
dadurch, dass das Wesen Gottes zu erkennen ist, da es Gott
mitgeteilt hat.
1.20 Τὰ γὰρ ἀόρατα αὐτοῦ ἀπὸ
κτίσεως κόσμου τοῖς ποιήμασιν
νοούμενα καθορᾶται, ἥ τε ἀΐδιος
αὐτοῦ δύναμις καὶ θειότης, εἰς τὸ
εἶναι αὐτοὺς ἀναπολογήτους·
Seine Unsichtbarkeit wird nämlich seit
Erschaffung (der) Welt anhand der gemachten
(Dinge) (als) Erkennbares angeschaut, sowohl
seine unendliche Kraft und Göttlichkeit,
sodass sie unentschuldbar sind;
Der Apostel erweitert den Gedanken der Offenbarung Gottes, dass
dies seit Anfang der Schöpfung anhand der sichtbaren Dinge zu
erkennen ist. Hinter der Schöpfung muss eine unendliche Kraft und
Göttlichkeit stehen. Da diese allen Menschen klar ist, sind sie nicht
zu entschuldigen, wenn sie dies leugnen. Diese Folge wird mit εἰς τὸ
(„sodass“) eingeleitet.
1.21 διότι γνόντες τὸν θεόν, οὐχ
ὡς θεὸν ἐδόξασαν ἢ
εὐχαρίστησαν, ἀλλ᾽ ἐματαιώθησαν
ἐν τοῖς διαλογισμοῖς αὐτῶν, καὶ
ἐσκοτίσθη ἡ ἀσύνετος αὐτῶν
καρδία.
da sie ja, Gott gekannt habend, (ihn) nicht als
Gott verherrlichten oder dankten, sondern sie
wurden in ihren Überlegungen nichtig, und ihr
unverständiges Herz wurde verfinstert.
Paulus führt weitere Gründe an, warum die Menschen
unentschuldbar sind. Da sie ihn kennen könnten, tun sie jedoch so,
als gäbe es ihn nicht, indem sie ihm nicht die Ehre geben und ihm
nicht danken.
1.22 Φάσκοντες εἶναι σοφοὶ
ἐμωράνθησαν,
Vorgebend, weise zu sein, wurden sie dumm,
Obwohl die Menschen, die mit Gott nichts zu tun haben wollen, von
sich behaupten, weise zu sein, sind sie in Wirklichkeit alles andere,
nämlich dumm und töricht und unweise geworden.
1.23 καὶ ἤλλαξαν τὴν δόξαν τοῦ
ἀφθάρτου θεοῦ ἐν ὁμοιώματι
εἰκόνος φθαρτοῦ ἀνθρώπου καὶ
πετεινῶν καὶ τετραπόδων καὶ
ἑρπετῶν.
und vertauschten die Herrlichkeit des
unvergänglichen Gottes mit dem Abbild eines
Bildes eines vergänglichen Menschen und von
Vögeln und Vierfüßlern und Kriechtieren.
Wie die Dummheit sich zeigt, beschreibt Paulus nun, da sie statt
Gottes Herrlichkeit anzuerkennen, diese mit Abbildern ersetzen, die
sie verehren. Diese können menschlicher oder tierischer Art sein.
Vgl. Psalm 105.20, der vom goldenen Kalb spricht, das statt Gott
verehrt wurde: „καὶ ἠλλάξαντο τὴν δόξαν αὐτῶν ἐν ὁμοιώματι
μόσχου ἔσθοντος χόρτον“. „und sie vertauschten deren Herrlichkeit
mit dem Abbild eines grasfressenden Kalbes“. Die Ehre und
Herrlichkeit, die die Israeliten Gott bringen sollten, wurde mit dem
gegossenen Abbild einer Stiergestalt eingetauscht. Mit ὁμοίωμα
11 Der Römerbrief
(„Abbild, Gleichnis, Ähnlich-/Gleichheit, Aussehen“) wird deutlich,
dass die Götzenbilder dem eigentlichen Menschen bzw. Tier
nachgebildet wurden, wie es im Griechentum ja bekannt war, wenn
man an Zeusstatuen etc. denkt. Vgl. Jesaja 40.18f „τίνι ὡμοιώσατε
κύριον καὶ τίνι ὁμοιώματι ὡμοιώσατε αὐτόν. μὴ εἰκόνα ἐποίησεν
τέκτων ἢ χρυσοχόος χωνεύσας χρυσίον περιεχρύσωσεν αὐτόν
ὁμοίωμα κατεσκεύασεν αὐτόν“. „Mit wem habt ihr den Herrn
verglichen, und welchem Abbild habt ihr ihn gleich gemacht? Hat
etwa ein Künstler ein Bild geschaffen, oder hat ein Goldgießer Gold
gegossen und es mit Gold überzogen, hat er es als ein Abbild
geschaffen?“ Im Satz stehen sich ἀφθάρτου („unvergänglich“) als
Eigenschaft Gottes und φθαρτοῦ („vergänglich“) als menschliche
Eigenschaft gegenüber, wodurch klar wird, dass man eine ewige und
vergängliche und unveränderliche Person, nicht mit vergänglichen
Abbildern darstellen kann.
1.24 Διὸ καὶ παρέδωκεν αὐτοὺς ὁ
Deshalb auch übergab sie Gott in die
θεὸς ἐν ταῖς ἐπιθυμίαις τῶν
Begierden ihrer Herzen zur Unreinheit, ihre
καρδιῶν αὐτῶν εἰς ἀκαθαρσίαν,
Leiber untereinander zu entehren,
τοῦ ἀτιμάζεσθαι τὰ σώματα αὐτῶν
ἐν ἑαυτοῖς·
Da die Menschen menschliche oder tierische Abbilder statt der
Herrlichkeit Gottes als Gegenstand der Verehrung verwenden, hat
sie Gott dahingegeben, sodass sie auch andere Sünden tun können,
etwa sexuelle Unreinheit, die eine logische Folge des Götzendienstes
sind. Die Phrase εἰς ἀκαθαρσίαν („zur Unreinheit“) wird mit dem
nächsten Satz näher inhaltlich verdeutlicht. Diese Unreinheit zeigt
sich, dass die von Gott abgefallenen Menschen ihren eigenen Körper
unehrenhaft missbrauchen.
1.25 οἵτινες μετήλλαξαν τὴν
ἀλήθειαν τοῦ θεοῦ ἐν τῷ ψεύδει,
καὶ ἐσεβάσθησαν καὶ ἐλάτρευσαν
τῇ κτίσει παρὰ τὸν κτίσαντα, ὅς
Paulus wiederholt noch einmal in anderen Worten, was er bereits
deutlich machte, dass es das Problem der ungläubigen Heiden ist,
dass sie die Wahrheit über Gott in Lüge verkehren. Dies zeigt sich
darin, dass sie nicht dem Schöpfer Anerkennung geben, sondern
welche die Wahrheit Gottes mit der Lüge
vertauschten, und sie verehrten und dienten
dem Geschöpf statt des Schöpfers, der gelobt
ist bis in die Ewigkeiten. Amen!
12 Der Römerbrief
ἐστιν εὐλογητὸς εἰς τοὺς αἰῶνας.
Ἀμήν.
dem, was er geschaffen hat, sodass Menschen oder Tiere verehrt
werden, wie es im damaligen Ägypten besonders der Fall war.
1.26 Διὰ τοῦτο παρέδωκεν αὐτοὺς
ὁ θεὸς εἰς πάθη ἀτιμίας· αἵ τε γὰρ
θήλειαι αὐτῶν μετήλλαξαν τὴν
φυσικὴν χρῆσιν εἰς τὴν παρὰ
φύσιν·
Deshalb übergab sie Gott in Leidenschaften
der Unehre, denn sowohl ihre weiblichen
(Personen) verwandelten den natürlichen
Verkehr in den widernatürlichen,
Διὰ τοῦτο („deshalb“) leitet die Folge ein, die der Götzendienst hat,
und den er bereits angedeutet hatte. Nun konkretisiert er, was er
mit der Unreinheit und der Entehrung der Leiber meinte
(ἀτιμάζεσθαι), nämlich das beide Geschlechter den normalen
Umgang mit dem anderen Geschlecht aufgegeben haben und einem
Umgang, der gegen die Natur ist, eintauschten. Paulus spricht
zunächst an, dass die bei weiblichen Personen der Fall ist. Dazu stellt
er auf den Begriff θήλειαι („weibliche (Personen“) ab, die das
Geschlecht betonen.
1.27 ὁμοίως τε καὶ οἱ ἄρρενες,
ἀφέντες τὴν φυσικὴν χρῆσιν τῆς
θηλείας, ἐξεκαύθησαν ἐν τῇ ὀρέξει
αὐτῶν εἰς ἀλλήλους, ἄρσενες ἐν
ἄρσεσιν τὴν ἀσχημοσύνην
κατεργαζόμενοι, καὶ τὴν
ἀντιμισθίαν ἣν ἔδει τῆς πλάνης
αὐτῶν ἐν ἑαυτοῖς
ἀπολαμβάνοντες.
ebenso wie auch die männlichen (Personen),
den natürlichen Verkehr (mit) den weiblichen
aufgebend, in ihrem Verlangen zueinander,
männliche mit männlichen (Personen)
Schande verübend, und die Vergeltung, der
ihrem Irrtum gebührte, unter sich selbst
zurückbekommend.
Auch bei den Männern gebraucht Paulus einen Begriff ἄρρενες
(„männliche (Personen)“) der das biologische Geschlecht betont.
Dabei konkretisiert er, dass, was er bei Frauen nicht näher
erläuterte, nämlich, dass nicht mehr Mann und Frau, sondern Mann
und Mann miteinander geschlechtlich verkehren. Dies ist eine
praktische Ausübung von Schande.
1.28 Καὶ καθὼς οὐκ ἐδοκίμασαν
τὸν θεὸν ἔχειν ἐν ἐπιγνώσει,
παρέδωκεν αὐτοὺς ὁ θεὸς εἰς
ἀδόκιμον νοῦν, ποιεῖν τὰ μὴ
καθήκοντα,
Und wie sie es nicht schätzten, Gott in
Erkenntnis zu haben, übergab sie Gott zu
einem unbrauchbaren Verstand, sodass sie
das sich nicht Gehörende tun,
Paulus wiederholt den Grund für diese Sünden, indem er wiederholt,
dass die Gottlosen nichts vom Schöpfer wissen wollen und so kommt
es dazu, dass ihre Gesinnung und ihr Verstand unbrauchbar werden.
Dies hat zur Folge, dass der Verstand so zerstört ist, dass sie Dinge
tun, die so nicht vorgesehen sind und sich nicht gehören.
13 Der Römerbrief
1.29 πεπληρωμένους πάσῃ ἀδικίᾳ,
πορνείᾳ, πονηρίᾳ, πλεονεξίᾳ,
κακίᾳ· μεστοὺς φθόνου, φόνου,
ἔριδος, δόλου, κακοηθείας·
angefüllt seiend mit aller Ungerechtigkeit,
Unzucht, Bosheit, Habsucht, Schlechtigkeit,
voller Neid, Mord, Streit, List, Bösartigkeit;
Paulus beschreibt nun das, was zum unbewährten und
unbrauchbaren Verstand gehört und wovon dieser voll ist, indem er
die Kategorien nennt, die im Verstand der Gottlosen zu den
genannten und weiteren Taten führt. Mit πάσῃ („aller“), das er vor
diese Begriffe platziert, kommt zum Ausdruck, dass es alle Arten von
diesen Dingen gibt. Unrecht gibt es in der Familie, Ehe, unter
Nachbarn, in der Justiz, Gesellschaft, Politik und zwar in den
verschiedensten Ausprägungen.
1.30 ψιθυριστάς, καταλάλους,
θεοστυγεῖς, ὑβριστάς,
ὑπερηφάνους, ἀλαζόνας,
ἐφευρετὰς κακῶν, γονεῦσιν
ἀπειθεῖς,
Übelredner, Verleumder, Gotteshasser,
Schurken, Arrogante, Prahler, Erfinder von
Bösem, (den) Eltern Ungehorsame,
Paulus geht nun dazu über, wie diese Personen zu bezeichnen sind,
die von den eben genannten Eigenschaften in ihrem Denken geleitet
werden. Zum Begriff ὑβριστής („Schurke, Überheblicher, Unhold,
Bösewicht“) vgl. eine Illustration bei Andocides, in Alcibiadem 14.3:
„Λαβὼν δὲ τοσαύτην προῖκα, ὅσην οὐδεὶς τῶν Ἑλλήνων, οὕτως
ὑβριστὴς ἦν, ἐπεισάγων εἰς τὴν αὐτὴν οἰκίαν ἑταίρας, καὶ δούλας
καὶ ἐλευθέρας, ὥστ’ ἠνάγκασε τὴν γυναῖκα σωφρονεστάτην οὖσαν
ἀπολιπεῖν, ἐλθοῦσαν πρὸς τὸν ἄρχοντα κατὰ τὸν νόμον“. „Eine
Mitgift erhaltend wie noch kein Grieche je zuvor, war er so ein
Schurke , Mätressen in sein eigenes Haus bringend, sowohl
Sklavinnen als auch Freie, sodass er die Ehefrau zwang, die anständig
war, zum Obersten zu gehen nach dem Gesetz sich scheiden zu
lassen“. Vgl. Xenophon, Cyropaedia 6.1.45: „ὁ δὲ νῦν βασιλεύων καὶ
ἐπεχείρησέ ποτε ἐμὲ καὶ τὸν ἄνδρα διασπάσαι ἀπ’ ἀλλήλων·
ὑβριστὴν οὖν νομίζων αὐτὸν εὖ οἶδ’ ὅτι ἄσμενος ἂν πρὸς ἄνδρα
οἷος σὺ εἶ παλλαγείη“. „Der jetzige König hat einmal sogar versucht,
mich und meinen Mann auseinanderzureißen. Insofern er den König
für einen Schurken hält, weiß ich genau, dass er seine Loyalität
gerne auf einen Mann wie dich übertragen würde“.
14 Der Römerbrief
1.31 ἀσυνέτους, ἀσυνθέτους,
ἀστόργους, ἀσπόνδους,
ἀνελεήμονας·
Unverständige, Haltlose, Gefühllose,
Unversöhnliche, Unbarmherzige,
Paulus führt seine Bezeichnung fort, wie diese Personen zu
benennen sind. Das Adjektiv ἄστοργος („gefühllos“) besteht aus
einem ἀ-privativum und στοργή („Emotion, Gefühl, Zuneigung“),
ἄσπονδος („Unversöhnlicher“) stammt aus einer Wortbildung
mittels ἀ-privativum und σπονδή („Trankopfer“), das den Bund und
die Gemeinschaft mit Gott zeigte, d.h. man will keine Einigung, kein
Bündnis, keinen Frieden, keine Gemeinschaft. Der Begriff
ἀνελεήμονας wird mittels eines ἀ-privativum und ἐλεήμων
(„Mitleid“) gebildet.
1.32 οἵτινες τὸ δικαίωμα τοῦ θεοῦ
ἐπιγνόντες, ὅτι οἱ τὰ τοιαῦτα
πράσσοντες ἄξιοι θανάτου εἰσίν,
οὐ μόνον αὐτὰ ποιοῦσιν, ἀλλὰ καὶ
συνευδοκοῦσιν τοῖς πράσσουσιν.
welche die Rechtssatzungen Gottes erkannt
habend, dass die solches Tuende des Todes
würdig sind, diese (Dinge) nicht nur machen,
sondern auch Wohlgefallen haben mit den
Tuenden.
Mit einem Relativsatz, der mit οἵτινες („welche“) eingeleitet wird,
fährt er fort, wie die genannten Personen zwar wissen, wie Gott die
erwähnten Dinge sieht und verurteilt, und jeder, der dies tut den
Tod verdient hat. Stattdessen tun sie genau dies, was Gott verboten
hat und nicht nur das, sie freuen sich auch über andere, die diese
Sünden ausüben. Hier und an weiteren Stellen (2.3; 7. 15; 7.19; 13.4)
in seinem Brief stellt Paulus die Begriffe ποιέω („machen“) und
πράσσω („machen“) gegenüber.
2.1 Διὸ ἀναπολόγητος εἶ, ὦ
ἄνθρωπε πᾶς ὁ κρίνων· ἐν ᾧ γὰρ
κρίνεις τὸν ἕτερον, σεαυτὸν
κατακρίνεις, τὰ γὰρ αὐτὰ πράσσεις
ὁ κρίνων.
Deshalb bist du unentschuldbar, o Mensch,
jeder Richtende. Denn worin du den anderen
richtest, verurteilst du dich selbst, denn du
tust dieselben (Dinge), der du richtest.
Von diesem Vers bis Kapitel 3.18 richtet sich Paulus an die Juden, die
ebenfalls trotz aller Vorzüge aufgrund des Gesetzes, das Gott ihnen
gab, vor Gott schuldig sind. Bis Vers 21 macht der Apostel deutlich,
dass jeder, der Nichtjuden dafür richten will, dass sie Böses tun und
Gott nicht kennen, auch von Gott gerichtet werden, da sie dasselbe
tun. Der Nominativ ὁ κρίνων („der du richtest“) ist als Vokativ
gebraucht.
2.2 Οἴδαμεν δὲ ὅτι τὸ κρίμα τοῦ
θεοῦ ἐστιν κατὰ ἀλήθειαν ἐπὶ τοὺς
τὰ τοιαῦτα πράσσοντας.
Wir nun wissen, dass das Gericht Gottes
gemäß (der) Wahrheit über die solches
Tuenden ist.
Paulus führt Gründe für den nächsten Vers vorweg an, nämlich, dass
Gott wahrheitsgemäß richten wird, wenn Menschen, wie
beschrieben, handeln.
15 Der Römerbrief
2.3 λογίζῃ δὲ τοῦτο, ὦ ἄνθρωπε ὁ
κρίνων τοὺς τὰ τοιαῦτα
πράσσοντας καὶ ποιῶν αὐτά, ὅτι
σὺ ἐκφεύξῃ τὸ κρίμα τοῦ θεοῦ;
Rechnest du aber damit, o Mensch, die solche
(Dinge) Tuende richtend und dasselbe tuend,
dass du dem Gericht Gottes entfliehen wirst?
Das bedeutet, dass niemand damit rechnen kann, wenn er andere
richtet, dass er irgendwie selbst besser wäre, da jeder auch selbst
Dinge falsch macht und so auch über den, der andere verurteilt, das
Gericht kommen wird. Diesen Gedanken drückt Paulus mit einer
rhetorischen Frage aus, die mit einem Nein zu beantworten ist.
2.4 Ἢ τοῦ πλούτου τῆς
χρηστότητος αὐτοῦ καὶ τῆς ἀνοχῆς
καὶ τῆς μακροθυμίας καταφρονεῖς,
ἀγνοῶν ὅτι τὸ χρηστὸν τοῦ θεοῦ
εἰς μετάνοιάν σε ἄγει;
Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte
und Geduld und Langmut, unwissend, dass die
Freundlichkeit Gottes dich zum Umdenken
führt?
Wer andere richtet sollte nicht die reiche Güte Gottes verachten und
wissen, dass auch ihn Gott zur Buße führen will. Auch diesen
Gedanken drückt Paulus mit einer rhetorischen Frage aus, die mit
einem Nein zu beantworten ist.
2.5 Κατὰ δὲ τὴν σκληρότητά σου
καὶ ἀμετανόητον καρδίαν
θησαυρίζεις σεαυτῷ ὀργὴν ἐν
ἡμέρᾳ ὀργῆς καὶ ἀποκαλύψεως
καὶ δικαιοκρισίας τοῦ θεοῦ,
Gemäß deiner Verhärtung aber und (deinem)
unbußfertigen Herzen sammelst du dir selbst
Zorn am Tag (des) Zorns und (der)
Offenbarung und (des) Rechtsurteils Gottes,
Wer andere richtet und selbst keine Buße tun will, zeigt selbst eine
Weigerung, Gott zu gehorchen und sammelt sich durch seine
Sünden Zorn an, der am Tag des Gerichts, wo Gott seinen Zorn über
die Sünde zeigen und offenbaren wird, zum Ausdruck kommen wird.
Im Einklang mit der Verhärtung und der Weigerung, Buße zu tun,
führt es dazu, dass man sich Sünden aufhäuft, die am Tag des
Gerichts Gottes zur Verurteilung führen. Dieser Gerichtstag wird von
drei Genitivattributen gefolgt: ὀργῆς καὶ ἀποκαλύψεως καὶ
δικαιοκρισίας („des Zorns und (der) Offenbarung des Rechtsurteils“).
D.h. an diesem Tag wird der Zorn Gottes geoffenbart und die Sünden
werden ins Licht kommen und das gerechte Gericht darüber
ergehen. Das Wort δικαιοκρισία („Rechtsurteil“) wird aus δίκαιος
(„gerecht“) und κρίσις („Gericht, Urteil“) gebildet.
2.6 ὃς ἀποδώσει ἑκάστῳ κατὰ τὰ
ἔργα αὐτοῦ·
der jedem gemäß seinen Werken vergelten
wird:
Das Relativpronomen ὃς („der“) nimmt Gott aus dem Satz davor
wieder auf. Gott wird also jedem nach dem am Tag des Gerichts
16 Der Römerbrief
vergelten, was dieser getan hat. Dabei unterscheidet Paulus zwei
Gruppen.
2.7 τοῖς μὲν καθ᾽ ὑπομονὴν ἔργου
ἀγαθοῦ δόξαν καὶ τιμὴν καὶ
ἀφθαρσίαν ζητοῦσιν, ζωὴν
αἰώνιον·
Den einen, die mit Geduld gute Werke,
Herrlichkeit und Ehre und Unvergänglichkeit
suchen: ewiges Leben.
Paulus beschreibt nun, was er damit meint, dass jeder nach seinen
Werken gerichtet wird. Die Erlösten in diesem Vers und die
Verlorenen im nächsten werden als zwei Gruppen beschrieben, die
es dann geben wird.
2.8 τοῖς δὲ ἐξ ἐριθείας, καὶ
ἀπειθοῦσιν μὲν τῇ ἀληθείᾳ
πειθομένοις δὲ τῇ ἀδικίᾳ, θυμὸς
καὶ ὀργή,
Den anderen aber, die einerseits aus
Streitsucht (handeln) und der Wahrheit
widerstehen, andererseits aber der
Ungerechtigkeit gehorsam sind: Grimm und
Zorn.
Paulus kennzeichnet nun die zweite Gruppe der Verlorenen. Sie
streiten gegen die Wahrheit und glauben nicht, was Gott gesagt hat,
sondern sind ihm ungehorsam. Das bewirkt Grimm und Zorn Gottes
am Tag des Gerichts.
2.9 θλίψις καὶ στενοχωρία, ἐπὶ
πᾶσαν ψυχὴν ἀνθρώπου τοῦ
κατεργαζομένου τὸ κακόν,
Ἰουδαίου τε πρῶτον καὶ Ἕλληνος·
Trübsal und Bedrängnis (kommen) über jede
Seele eines Menschen, der das Böse ausübt,
sowohl zunächst eines Juden als auch eines
Griechen.
Das Gericht kommt zunächst auf Juden, da sie privilegiert sind, aber
auch über Griechen, die ebenfalls Gott erkennen können, wie Paulus
es bereits begründet hatte.
2.10 δόξα δὲ καὶ τιμὴ καὶ εἰρήνη
παντὶ τῷ ἐργαζομένῳ τὸ ἀγαθόν,
Ἰουδαίῳ τε πρῶτον καὶ Ἕλληνι·
Herrlichkeit aber und Ehre und Friede jedem
das Gute Wirkenden, sowohl zunächst einem
Juden als auch einem Griechen.
Die Folgen im Gericht über die, die Gott glauben, werden mit
Herrlichkeit, Ehre und Friede beschrieben.
2.11 οὐ γάρ ἐστιν προσωποληψία
παρὰ τῷ θεῷ.
Es gibt nämlich kein Ansehen der Person bei
Gott.
Mit γάρ („nämlich“) erklärt Paulus, warum Gott so handelt. Das
Gericht ergeht über alle ohne Ansehen der Person, sodass alle
Menschen ein gerechtes Urteil empfangen werden.
2.12 Ὅσοι γὰρ ἀνόμως ἥμαρτον,
ἀνόμως καὶ ἀπολοῦνται· καὶ ὅσοι
ἐν νόμῳ ἥμαρτον, διὰ νόμου
κριθήσονται·
Denn wie viele ohne Gesetz sündigten,
werden auch ohne Gesetz verloren gehen,
und wie viele mit Gesetz sündigten, werden
durch (das) Gesetz gerichtet werden.
Mit γὰρ („denn“) begründet der Apostel, warum er sagen kann, dass
es kein Ansehen der Person bei Gott gibt. Egal, ob jemand das
Gesetz kannte oder nicht, wird er gerecht gerichtet.
17 Der Römerbrief
2.13 οὐ γὰρ οἱ ἀκροαταὶ τοῦ
νόμου δίκαιοι παρὰ τῷ θεῷ, ἀλλ᾽
οἱ ποιηταὶ τοῦ νόμου
δικαιωθήσονται.
Nicht die Hörer des Gesetzes (sind) ja gerecht
bei Gott, sondern die Täter des Gesetzes
werden gerechtfertigt werden.
Nun wird bekräftig, dass es nicht darum geht, das Gesetz nur zu
hören und nicht zu tun, sondern zu tun, was Gott gesagt hat.
2.14 Ὅταν γὰρ ἔθνη τὰ μὴ νόμον
ἔχοντα φύσει τὰ τοῦ νόμου ποιῇ,
οὗτοι, νόμον μὴ ἔχοντες, ἑαυτοῖς
εἰσιν νόμος·
Wenn Nationen nämlich, die kein Gesetz
haben, von Natur die (Dinge) des Gesetzes
tun, sind diese, kein Gesetz habend, sich
selbst Gesetz,
Paulus illustriert dies, indem Menschen, die kein Gesetz hatten, es
dennoch tun, da sie es auch im Gewissen haben, zeigen, dass auch
sie gottgemäß leben können.
2.15 οἵτινες ἐνδείκνυνται τὸ ἔργον
τοῦ νόμου γραπτὸν ἐν ταῖς
καρδίαις αὐτῶν, συμμαρτυρούσης
αὐτῶν τῆς συνειδήσεως, καὶ
μεταξὺ ἀλλήλων τῶν λογισμῶν
κατηγορούντων ἢ καὶ
ἀπολογουμένων,
welche das Werk des Gesetzes (als) in ihren
Herzen geschrieben erweisen, mit ihrem
Gewissen zeugend, und ihre Überlegungen
sich untereinander anklagen oder auch
verteidigen.
Die das tun, was Gott will, zeigen, dass sie das Gesetz in ihrem
Gewissen haben. Dieses beurteilt die Absichten und die Handlungen,
sodass es ein gewisser Maßstab sein kann, wie jemand handeln
sollte.
2.16 ἐν ἡμέρᾳ ὅτε κρινεῖ ὁ θεὸς τὰ
κρυπτὰ τῶν ἀνθρώπων, κατὰ τὸ
εὐαγγέλιόν μου, διὰ Ἰησοῦ
χριστοῦ.
(Das geschieht) am Tag, da Gott die
verborgenen (Dinge) der Menschen richten
wird, nach meiner guten Botschaft, durch
Jesus Christus.
Paulus greift die Gedanken des Gerichts durch Gott auf und macht
deutlich, dass dies an dem Tag stattfinden wird, wenn Gott alles ans
Licht bringen wird. Die wird im Einklang mit dem Evangelium
geschehen und von Christus ausgeführt werden.
2.17 Ἴδε σὺ Ἰουδαῖος ἐπονομάζῃ,
καὶ ἐπαναπαύῃ τῷ νόμῳ, καὶ
καυχᾶσαι ἐν θεῷ,
Siehe, du wirst als Jude bezeichnet und
verlässt dich auf das Gesetz und rühmst dich
mit Gott,
Bis Vers 24 drückt Paulus sein Befremden aus, wenn Juden, die er
direkt als Einzelne anspricht, sich rühmen, Gott und sein Wort zu
kennen aber selbst nicht tun, was Gott will. Zum Ausdruck
ἐπαναπαύῃ τῷ νόμῳ („du verlässt dich auf das Gesetzt“) vgl. als
wörtliches Beispiel Didache XII Apostolorum 4.3: “ Ἐκζητήσεις δὲ
καθ’ ἡμέραν τὰ πρόσωπα τῶν ἁγίων, ἵνα ἐπαναπαῇς τοῖς λόγοις
18 Der Römerbrief
αὐτῶν“. „Du sollst nun täglich die Angesichter der Heiligen suchen,
damit du dich auf ihren Worten ausruhen kannst“. Vgl. für den Sinn
wie bei Paulus 1Makkabäer 8.11: “μετὰ δὲ τῶν φίλων αὐτῶν καὶ τῶν
ἐπαναπαυομένων αὐτοῖς συνετήρησαν φιλίαν“.„Ihren Freunden
aber und allen, die sich auf sie verließen, hielten sie die
Freundschaft“.
2.18 καὶ γινώσκεις τὸ θέλημα, καὶ
δοκιμάζεις τὰ διαφέροντα,
κατηχούμενος ἐκ τοῦ νόμου,
und kennst den Willen und erwägst die
vorteilhafteren (Dinge), unterwiesen aus dem
Gesetz,
Paulus führt nun weitere Dinge des jüdischen Selbstverständnisses
an, nämlich, dass sie den Willen Gottes zu kennen meinen und das
zu tun, was ihm besser gefällt bzw. das, was vorteilhafter ist. Dies
alles haben die Juden aus dem Gesetz bzw. dem Wort Gottes. Zum
Wort δοκιμάζω („prüfen/erproben und ggf. für geeignet halten“)
kann das deutsche Wort „erwägen“ korrespondieren, da es ebenfalls
einen Abwägeprozess, der erfolgreich verlief, zum Ausgang nimmt,
worauf das bessere zu „erwägen“ ist. Vgl. zu τὰ διαφέροντα („die
Unterschiede“, „die entscheidenden Dinge“, „die
vorteilhafteren/vorzüglicher (Dinge)“) Herodotus, Historiae 4.42,4:
„Θωμάζω ὦν τῶν διουρισάντων καὶ διελόντων Λιβύην καὶ Ἀσίην καὶ
Εὐρώπην· οὐ γὰρ σμικρὰ τὰ διαφέροντα αὐτέων ἐστί“· „Ich
wundere mich über die, die die Welt in Libyen, Asien und Europa
geplant und aufgeteilt haben. Denn die Unterschiede zwischen
ihnen sind nicht gering.“. Philo, De fuga et inventione 1.152,1
„γενήσεται δὲ πότε; ἡνίκα ἂν τὰ διαφέροντα ἀδιαφόρων
ἀντικαταλλάξηται, τῶν γνησίων ἀγαθῶν τὰ νόθα προτιμήσασα“.
„Und wann wird das geschehen? Wenn sie bereitwillig das
Entscheidende gegen das Unbedeutende austauscht und das Falsche
dem echten Guten vorzieht“. Vgl. Theophilus, Ad Autolycum 1.2,7:
„ὥσπερ γὰρ οἱ βλέποντες τοῖς ὀφθαλμοῖς τοῦ σώματος κατανοοῦσι
τὴν τοῦ βίου καὶ ἐπίγειον πραγματείαν, ἅμα δοκιμάζοντες τὰ
διαφέροντα, ἤτοι φῶς ἢ σκότος, ἢ λευκὸν ἢ μέλαν, ἢ ἀειδὲς ἢ
19 Der Römerbrief
εὔμορφον, ἢ εὔρυθμον καὶ εὔμετρον ἢ ἄρυθμον καὶ ἄμετρον ἢ
ὑπέρμετρον ἢ κόλουρον…“ „Denn wie die Sehenden mit den Augen
des Körpers die irdischen Geschehnisse des Lebens erfassen,
zugleich die Dinge prüfen, die sich unterscheiden, ob hell oder
dunkel, weiß oder schwarz, deformiert oder schön, wohllautend und
wohlbemessen oder maßlos oder unverhältnismäßig und
ungeschickt, ….“.Catena in epistulam ad Philippenses beschreibt in
235.28 die Bedeutung des Ausdrucks: „τουτέστιν τὰ συμφέροντα“.
„D.h. die vorteilhafteren (Dinge)“.
2.19 πέποιθάς τε σεαυτὸν ὁδηγὸν
εἶναι τυφλῶν, φῶς τῶν ἐν σκότει,
sowie überzeugt, selbst Wegweiser von
Blinden zu sein, Licht derer in Finsternis,
Mit diesem Selbstverständnis geht die Überzeugung einher, dass
man damit anderen Menschen, die das Gesetz nicht haben ein
Wegweiser und Licht sein kann.
2.20 παιδευτὴν ἀφρόνων,
διδάσκαλον νηπίων, ἔχοντα τὴν
μόρφωσιν τῆς γνώσεως καὶ τῆς
ἀληθείας ἐν τῷ νόμῳ·
Erzieher Unverständiger, Lehrer Unmündiger,
die Verkörperung des Wissens und der
Wahrheit im Gesetz habend!
Paulus führt weitere Dinge an, die die Überlegenheit der Juden
anderen gegenüber ausmacht. Etymius Zigabenus, Commentarius in
Pauli epistulam ad Romanos 2.20, 5t: “ „Μόρφωσιν μὲν οὖν λέγει
τὴν εἰκόνα, τὸ σχῆμα“. „Verkörperung nun bedeutet doch das
Abbild, die Form“. D.h. im Gesetz manifestiert sich das Wissen um
Gott und die Wahrheit.
2.21 ὁ οὖν διδάσκων ἕτερον,
σεαυτὸν οὐ διδάσκεις; Ὁ
κηρύσσων μὴ κλέπτειν, κλέπτεις;
(Als) einen anderen also (Be)lehrender
(be)lehrst du dich selbst nicht? (Als) nicht zu
stehlen Verkündender stiehlst du?
Bei all den genannten Vorteilen eines Juden richtet sich Paulus in der
zweiten Person („du“) an einen fiktiven Adressaten und zeigt ihm
seine Verantwortung. Mit οὖν („also“) greift Paulus darauf zurück,
dass der Jude andere unterweist. Obwohl er alles hat, was Gott
geschenkt hat, wendet er es auf andere an, auf sich selbst nicht und
wird so ebenfalls vom Gesetz gerichtet. Dazu zählt Paulus einige
Sünden auf.
20 Der Römerbrief
2.22 Ὁ λέγων μὴ μοιχεύειν,
μοιχεύεις; Ὁ βδελυσσόμενος τὰ
εἴδωλα, ἱεροσυλεῖς;
Als Sagender, nicht ehezubrechen, brichst du
die Ehe? (Als) die Götzenbilder
Verabscheuender raubst du Heiliges?
Aus den Geboten Gottes erwähnt Paulus nach dem Diebstahl nun
Ehebruch und Götzendienst. Mit ἱεροσυλέω („Tempel bzw. Heiliges
rauben“) kommt zum Ausdruck, dass mit Götzendienst Vorteile
gewonnen werden, dies wohl im allgemeinen Sinn, da es nicht
geläufig war, dass Juden heidnische Tempel beraubt haben.
2.23 Ὃς ἐν νόμῳ καυχᾶσαι, διὰ
τῆς παραβάσεως τοῦ νόμου τὸν
θεὸν ἀτιμάζεις;
Der du dich mit (dem) Gesetz rühmst,
verunehrt du durch die Übertretung des
Gesetzes Gott?
Paulus zieht nun eine Schlussfolgerung, nachdem er bewiesen hat,
dass es nichts bringt, das Gesetz anderen zu lehren und es selbst
nicht zu tun. Dadurch wird Gott verunehrt.
2.24 Τὸ γὰρ ὄνομα τοῦ θεοῦ δι᾽
ὑμᾶς βλασφημεῖται ἐν τοῖς
ἔθνεσιν, καθὼς γέγραπται.
Denn Gottes Name wird wegen euch gelästert
unter den Nationen, gleichwie geschrieben ist.
Mit γὰρ („denn“) begründet der Apostel nun, wie es sich zeigt, dass
Gott verunehrt wird. Durch die Juden, die sich Gottes rühmen und
doch nicht tun, was er will, kommt es zur Lästerung durch die
Nichtjuden. Dies belegt eine Schriftstelle bereits.
2.25 Περιτομὴ μὲν γὰρ ὠφελεῖ,
ἐὰν νόμον πράσσῃς· ἐὰν δὲ
παραβάτης νόμου ᾖς, ἡ περιτομή
σου ἀκροβυστία γέγονεν.
Beschneidung nämlich ist zwar nützlich, wenn
du (das) Gesetz tust. Wenn du aber ein
Gesetzes-Übertreter bist, ist deine
Beschneidung (zur) Vorhaut geworden.
Das mosaische Gesetz ist nur dann nützlich, wenn es eingehalten
wird. Wenn es nicht getan wird, ist man trotz der Vorteile genauso
als ob man nie das Gesetz gehabt hätte. Wenn man als Jude das
Gesetz nicht befolgt, rechnet ihn Gott nicht anderes als einen
Heiden bzw. metaphorisch ausgedrückt, wird die Beschneidung dann
zur Vorhaut.
2.26 Ἐὰν οὖν ἡ ἀκροβυστία τὰ
δικαιώματα τοῦ νόμου φυλάσσῃ,
οὐχὶ ἡ ἀκροβυστία αὐτοῦ εἰς
περιτομὴν λογισθήσεται;
Wenn also die Vorhaut die Rechtssatzungen
des Gesetzes beachtet, wird nicht seine
Vorhaut für Beschneidung gerechnet werden?
Ebenso ist es anders herum: Wenn Nichtjuden das tun, was Gott
will, ist es für sie kein Nachteil, wenn sie das Gesetz nicht schriftlich
haben, da die Einhaltung dessen, was sie durch ihr Gewissen für
richtig erkannt haben, so gerechnet wird, als hätten sie das Gesetz.
Metaphorisch ausgedrückt, wird die Vorhaut dann zur
Beschneidung.
2.27 Καὶ κρινεῖ ἡ ἐκ φύσεως
ἀκροβυστία, τὸν νόμον τελοῦσα,
Und es wird die Vorhaut aus Natur, das Gesetz
vollbringend, dich richten, der du mit
Paulus spricht stellvertretend einen Juden an, der das Gesetz nicht
tut und von einem Heiden, der es über das Gewissen einhält,
21 Der Römerbrief
σὲ τὸν διὰ γράμματος καὶ
περιτομῆς παραβάτην νόμου;
Buchstabe und Beschneidung ein
Gesetzesübertreter bist.
verurteilt werden kann. Die Präposition διὰ („mit“) ist zudem
konzessiv, d.h. obwohl die Juden Buchstabe (als pars pro toto für die
inspirierte Schrift) und Beschneidung (als Zeichen, dass man die
Schrift tun will und zum Volk Gottes gehört) haben, werden sie von
Gott im Vergleich zu Heiden gerichtet, die dies nicht haben, aber
dennoch tun.
2.28 Οὐ γὰρ ὁ ἐν τῷ φανερῷ
Ἰουδαῖός ἐστιν, οὐδὲ ἡ ἐν τῷ
φανερῷ ἐν σαρκὶ περιτομή·
Denn weder ist ein Jude, wer es im Äußeren
(ist), noch ist Beschneidung die im Äußeren,
am Fleisch,
Paulus rechtfertigt das bisher Gesagte, indem er deutlich macht,
dass nicht die äußeren Rituale entscheidend sind. In den Versen 28
und 29 wird einmal die Aussage negativ, dann positiv ausgedrückt.
Dabei verstärkt sich die Aussage, dass es nicht um die äußeren
Zeichen der Beschneidung, sondern um die innere Haltung geht.
2.29 ἀλλ᾽ ὁ ἐν τῷ κρυπτῷ
Ἰουδαῖος, καὶ περιτομὴ καρδίας ἐν
πνεύματι, οὐ γράμματι· οὗ ὁ
ἔπαινος οὐκ ἐξ ἀνθρώπων, ἀλλ᾽ ἐκ
τοῦ θεοῦ.
sondern Jude (ist), wer es im Verborgenen
Paulus stellt klar, wer ein wahrer Jude ist, nämlich, der im Inneren
(ist), und Beschneidung (ist die des) Herzens,
mit dem Geist nicht die Anerkennung bei Menschen, sondern die bei
im Geist, nicht (dem) Buchstaben nach, dessen Gott sucht.
Lob nicht von Menschen, sondern von Gott
(ist).
3.1 Τί οὖν τὸ περισσὸν τοῦ
Ἰουδαίου, ἢ τίς ἡ ὠφέλεια τῆς
περιτομῆς;
Was (ist) also der Vorzug des Juden, oder was
der Nutzen der Beschneidung?
Nachdem Paulus klargemacht hatte, dass es keinen Nutzen oder
Vorteil hat, wenn man das Gesetz hat, wenn man es nicht hält,
kommt er darauf zu sprechen, was dann der Nutzen davon ist.
Paulus benutzt hebräische Poesie, indem er im ersten Satz dieselbe
Aussage wie im zweiten ausdrückt (synonymer Parallelismus), um
die Frage ganz klar zu formulieren. Zu τὸ περισσὸν („der Vorzug,
Vorteil, Vorzüglichkeit“) zeigt an, dass jemand etwas mehr hat als
andere. Vgl. Aristeas 1.161 „Δέδεικται δέ σοι καὶ τὸ περισσὸν τῆς
λογίας τῆς κατὰ τὴν διαστολὴν καὶ μνείαν“. „Die Vorzüglichkeit der
Rede in Bezug auf Unterscheidungsvermögen und Gedächtnis ist dir
nun aufgezeigt worden“.
22 Der Römerbrief
3.2 Πολὺ κατὰ πάντα τρόπον·
πρῶτον μὲν γὰρ ὅτι ἐπιστεύθησαν
τὰ λόγια τοῦ θεοῦ.
Viel in jeder Hinsicht! Zuerst doch, dass ihnen
die Aussprüche Gottes anvertraut wurden.
Paulus antwortet auf den Einwand, dass es dann kein Vorteil ist,
Jude zu sein, indem er deren Vorteile nennt. Die Partikel μὲν („doch,
ja“) dient hier der Hervorhebung der Aussage.
3.3 Τί γὰρ εἰ ἠπίστησάν τινες; Μὴ
ἡ ἀπιστία αὐτῶν τὴν πίστιν τοῦ
θεοῦ καταργήσει;
Doch was, wenn einige untreu waren? Soll
etwa deren Untreue die Treue Gottes
zunichtemachen?
Mit γὰρ („doch“) kommt der Kontrast zum vorigen Vers zum
Ausdruck: Gott hat den Juden sein Wort anvertraut, doch einige
glauben nicht daran bzw. sind untreu, wie ἠπίστησάν („sie waren
untreu“) jeweils verstanden werden kann. Was bedeutet das nun?
Auch wenn etliche Juden Gott nicht gehorchen und ihm nicht
glauben, heißt dies nicht, dass Gott nicht zu seinem Wort und den
Zusagen stehen würde und die Juden nicht, wie verheißen, segnen
würde.
3.4 Μὴ γένοιτο· γινέσθω δὲ ὁ θεὸς
ἀληθής, πᾶς δὲ ἄνθρωπος
ψεύστης, καθὼς γέγραπται, Ὅπως
ἂν δικαιωθῇς ἐν τοῖς λόγοις σου,
καὶ νικήσῃς ἐν τῷ κρίνεσθαί σε.
Das kann nicht sein! Es erweise sich aber Gott
als wahrhaftig, jeder Mensch als Lügner, wie
geschrieben ist: Damit du gerechtfertigt
werdest in deinen Worten und bei deinem
Richten den Sieg davonträgst.
Paulus rechtfertigt Gott, der zu seinen Zusagen steht, auch wenn
ihm nicht alle glauben. Μὴ γένοιτο ist ein griechisches Idiom („es
möge/kann/darf nicht geschehen/sein“) und als verneinte
Möglichkeit zeigt das Idiom, dass das vorher Gesagte nicht sein
kann, es ist unmöglich, dass es stattfinden kann oder so ist. Mit
καθὼς („wie“) wird eingeleitet, wie dies anhand der Schrift zu
belegen ist. Es ist so, wie es geschrieben ist, nämlich, dass Gott
gerechtfertigt ist, wenn er richtet und auch wenn er angeklagt wird,
überlegen sein wird. Zu γινέσθω ἀληθής („er erweise sich als
wahrhaftig“) vgl. Aeschylus, Septem contra Thebas 438: „τῶν τοι
ματαίων ἀνδράσιν φρονημάτων ἡ γλῶσσ’ ἀληθὴς γίγνεται
κατήγορος“. „Die Zunge erweist sich am Ende als wahrhaftiger
Ankläger der bösen Gedanken der Menschen“. Der Form νικήσῃς
(„du trägst den Sieg davon“) entspricht im hebräischen Text „du
stehst rein da“. Mit κρίνεσθαί („du richtest“) kommt ein Medium,
23 Der Römerbrief
kein Passiv („du wirst gerichtet“) zum Ausdruck, wenn man Psalm
51.6 betrachtet.
3.5 Εἰ δὲ ἡ ἀδικία ἡμῶν θεοῦ
δικαιοσύνην συνίστησιν, τί
ἐροῦμεν; Μὴ ἄδικος ὁ θεὸς ὁ
ἐπιφέρων τὴν ὀργήν; κατὰ
ἄνθρωπον λέγω
Wenn nun unsere Ungerechtigkeit Gottes
Gerechtigkeit demonstriert, was sollen wir
sagen? Dass Gott ungerecht (sei), der den
Zorn auferlegt? Ich rede Menschen gemäß.
Paulus begegnet einem weiteren Einwand, wobei er für Untreue
bzw. Unglauben auf Ungerechtigkeit kommt, die der göttlichen
Gerechtigkeit gegenübersteht. Wenn die menschliche
Unzulänglichkeit zeigt, wie gerecht Gott ist, wenn er diese richtet,
könnte man sagen, dann ist es ja für Gott von Vorteil, wenn die
Menschen so sind und so bräuchte er ja sie nicht richten. Mit dem
Metakommentar κατὰ ἄνθρωπον λέγω („ich rede Menschen
gemäß“) gibt Paulus zu erkennen, dass er sich in herkömmlicher Art,
wie man es unter Menschen landläufig ausdrückt, spricht, um besser
verstanden zu werden, vielmehr noch, dass er sich entschuldigt, so
zu reden und Gott Ungerechtigkeit zuzuschreiben, wie man es bei
Menschen tun könnte.
3.6 Μὴ γένοιτο· ἐπεὶ πῶς κρινεῖ ὁ
θεὸς τὸν κόσμον;
Das kann nicht sein! Wie könnte Gott sonst
die Welt richten?
Paulus schließt an seine Frage, ob Gott ungerecht sei, die Antwort
an, dass dies unmöglich ist, da ein ungerechter Gott kein gerechtes
Urteil beim Gericht über die Welt treffen könnte. Zu ἐπεὶ πῶς („wie
sonst“) mit nachfolgendem Futur, das die Modalität ausdrückt
(können, sollen, mögen, dürfen etc.) vgl. Philo, Legum allegoriarum
1.83: „τῷ δὲ ἐκ πόνου προεληλυθότι Ἰσσάχαρ δεῖ καὶ ὕλης
σωματικῆς· ἐπεὶ πῶς ἀναγνώσεται χωρὶς ὀμμάτων ὁ ἀσκητής; πῶς
δὲ ἀκούσεται τῶν προτρεπτικῶν λόγων χωρὶς ἀκοῆς;“ „Issachar
aber, der aus der Arbeit hervorging, bedarf der körperlichen
Materie; wie sonst könnte ein Gelehrter lesen ohne seine Augen?
Und wie könnte jemand Worte hören, die ihn zu irgendeiner Sache
ermahnen, wenn er nicht mit dem Gehör begabt wäre?“
24 Der Römerbrief
3.7 Εἰ γὰρ ἡ ἀλήθεια τοῦ θεοῦ ἐν
τῷ ἐμῷ ψεύσματι ἐπερίσσευσεν
εἰς τὴν δόξαν αὐτοῦ, τί ἔτι κἀγὼ
ὡς ἁμαρτωλὸς κρίνομαι;
Wenn nämlich die Wahrhaftigkeit Gottes
durch meine Unzuverlässigkeit zu seiner
Verherrlichung überströmte, was werde auch
ich noch als Sünder gerichtet?
Paulus wechselt zum nächsten Kontrast, dem der Aufrichtigkeit bzw.
Wahrhaftigkeit gegenüber der menschlichen Unzuverlässigkeit und
begegnet auch hier einem Einwand vorab. Paulus begegnet diesem
dadurch, dass durch die Lüge Gottes Gnade deutlich hervortritt,
indem er die Aussage in Vers 5 mit anderen Worten wiederholt. Es
könnte der Eindruck entstehen, dass Sünde zur Verherrlichung
Gottes führen würde und wieso richtet Gott dann Sünder noch
überhaupt? Das Wort ψεύσμα („Verlogenheit, Unzuverlässigkeit“)
kommt nur hier im Neuen Testament vor und bedeutet, dass jemand
nicht das tut, was Gott gesagt hat, sondern nur vorgibt, eben so, wie
Paulus es dargestellt hatte. Mit ἡ ἀλήθεια τοῦ θεοῦ („die
Wahrhaftigkeit Gottes“) kommt der Kontrast zur menschlichen
Unzulänglichkeit zum Ausdruck und zeigt, dass Gott zu dem, was er
sagt, steht. Die rhetorische Frage am Ende des Verses widerlegt die
Annahme, dass es ja Gott recht sein könne, wenn seine Größe durch
die Unzuverlässigkeit der Menschen herausgestellt wird, sodass es
nicht gerecht wäre, wenn er die Menschen für ihren Unglauben und
Sünde richtet.
3.8 Καὶ μή καθὼς
βλασφημούμεθα, καὶ καθώς
φασίν τινες ἡμᾶς λέγειν ὅτι
Ποιήσωμεν τὰ κακὰ ἵνα ἔλθῃ τὰ
ἀγαθά; Ὧν τὸ κρίμα ἔνδικόν ἐστιν.
Und nicht wie wir gelästert werden und wie
einige reden, dass wir sagen würden, dass wir
die schlechte (Dinge) machen wollen, damit
die guten kämen, deren Gericht verdient ist!
Paulus führt einen falschen Vorwurf gegen ihn ad absurdum, dass
man Gott ungehorsam sein könnte und dennoch wäre dies etwas
Gutes. Dazu greift er Argumente seiner Gegner auf, die dies Paulus
unterstellen. Damit drückt er die Gedanken im Vers davor auf
andere Weise aus, nämlich, dass ja Sünde etwas positives sei, da sie
Gottes Größe deutlich machen könne, indem er dazu steht, was er
sagt. Ὧν („deren“) nimmt die Personen auf, die Paulus lästern, er
würde der Morallosigkeit Vorschub leisten.
3.9 Τί οὖν; Προεχόμεθα; Οὐ
πάντως· προῃτιασάμεθα γὰρ
Was nun? Haben wir (etwas) voraus? Sicher
nicht! Wir beschuldigten ja vorher Juden
Paulus fragt sich nun, ob Juden einen Vorteil vor Gott haben bzw.
was aus dem Bisherigen zu folgern ist, wobei τί οὗν („was nun“) zum
25 Der Römerbrief
Ἰουδαίους τε καὶ Ἕλληνας πάντας
ὑφ᾽ ἁμαρτίαν εἶναι,
sowie auch Griechen, dass alle unter (der)
Sünde sind.
Ausdruck bringt, was das Gesagte, dass alle Menschen unter der
Sünde sind, nun für Konsequenzen und Folgen hat. Dies ist nicht der
Fall, da alle Sünder vor Gott sind. Juden werden also nicht bevorzugt
behandelt. Paulus beantwortet die selbstgestellte Frage, dass Juden
und Heiden unter der Sünde sind. Οὐ πάντως („sicher nicht“)
bedeutet nicht, wie schon vorgeschlagen, „nicht ganz“. Vgl.
Epictetus, Dissertationes ab Arriano digestae, 4.8, 3: „οὗτος ταχέως
λούεται.’ κακῶς οὖν ποιεῖ; οὐ πάντως. ἀλλὰ τί; ταχέως λούεται. —
Πάντα οὖν καλῶς γίνεται; — Οὐδαμῶς“. „Dieser badet sehr schnell.
Hat er dann etwas falsch gemacht? Sicherlich nicht. Aber was tut er
dann? Er badet sehr schnell. Sind dann alle Dinge gut gemacht? Ganz
und gar nicht.“
3.10 καθὼς γέγραπται ὅτι Οὐκ
ἔστιν δίκαιος οὐδὲ εἷς·
Wie geschrieben ist, dass kein Gerechter ist,
auch nicht einer.
Paulus belegt seine Behauptung, dass alle Menschen, Juden und
Griechen, unter der Sünde sind, indem er aus der Schrift zitiert, dass
es keinen Menschen gibt, der vor Gott gerecht ist. Dieser Beleg
reicht bis Vers 18.
3.11 οὐκ ἔστιν ὁ συνιῶν, οὐκ ἔστιν
ὁ ἐκζητῶν τὸν θεόν·
Es ist keiner, der verständig ist. Es ist nicht
einer, der Gott sucht.
Paulus führt weiter aus, dass alle Menschen, Juden wie Heiden, vor
Gott schuldig sind.
3.12 πάντες ἐξέκλιναν, ἅμα
ἠχρειώθησαν· οὐκ ἔστιν ποιῶν
χρηστότητα, οὐκ ἔστιν ἕως ἑνός·
Alle wichen ab, gleichzeitig wurden sie
nutzlos. Es ist nicht einer, der Güte übt, es ist
nicht einmal einer.
Durch ihren Abfall von Gott werden Menschen für ihn nutzlos und
kein einziger tut Gutes, d.h. alle handeln verkehrt. Das gilt für alle
Menschen. Zum Ausdruck ἕως ἑνός (“auch nicht einer“) vgl. Richter
4.16 „καὶ ἔπεσεν πᾶσα παρεμβολὴ Σισαρα ἐν στόματι ῥομφαίας οὐ
κατελείφθη ἕως ἑνός“. „und das ganze Heer Siseras fiel durch die
Schärfe des Schwertes: Es blieb nicht einmal einer übrig“.
26 Der Römerbrief
3.13 τάφος ἀνεῳγμένος ὁ λάρυγξ
αὐτῶν, ταῖς γλώσσαις αὐτῶν
ἐδολιοῦσαν· ἰὸς ἀσπίδων ὑπὸ τὰ
χείλη αὐτῶν·
Ein geöffnetes Grab (war) ihr Rachen, mit
ihren Zungen waren sie betrügend, Gift von
Vipern (war) unter ihren Lippen,
Der Aorist ἐδολιοῦσαν („sie betrügen“) ist offensichtlich gnomisch,
d.h. drückt eine allgemeine Wahrheit aus wie im Satz davor und
danach, die mit dem Präsens im Deutschen wiedergegeben wird.
3.14 ὧν τὸ στόμα ἀρᾶς καὶ πικρίας
γέμει·
deren Mund voller Fluch und Bitterkeit ist.
Der Begriff στόμα („Mund“) steht als Metonymie für das, was aus
dem Mund hervorkommt, nämlich das Reden. Was Menschen reden
ist voller Flüche und Verbitterung.
3.15 ὀξεῖς οἱ πόδες αὐτῶν ἐκχέαι
αἷμα·
Schnell (waren) ihre Füße, um Blut zu
vergießen.
Die Füße stehen für den Lebenswandel, der darauf aus ist, andere zu
töten. Dies beweisen allein die vielen Kriege und Morde und
Abtreibungen bis in unsere Tage.
3.16 σύντριμμα καὶ ταλαιπωρία ἐν
ταῖς ὁδοῖς αὐτῶν,
Zerstörung und Elend (war) auf ihren Wegen,
Die Kombination von σύντριμμα καὶ ταλαιπωρία („Zerstörung und
Elend“) zeigt an, dass erst Dinge zerstört werden, worauf dann das
innere Gefühl von Elend und Not folgt.
3.17 καὶ ὁδὸν εἰρήνης οὐκ
ἔγνωσαν·
und den Weg von Frieden kannten sie nicht.
Diese Aussage ist eine Verneinung der vorigen, womit die Aussage
verstärkt wird.
3.18 οὐκ ἔστιν φόβος θεοῦ
ἀπέναντι τῶν ὀφθαλμῶν αὐτῶν.
Es ist keine Furcht Gottes vor ihren Augen.
Durch ihren Unglauben haben die Gottlosen Gott aus den Augen
verloren, daraus resultieren all die genannten Sünden. Mit dieser
Zusammenfassung beendet Paulus seine Belege, dass Juden und
Heiden alle unter der Sünde stehen.
3.19 Οἴδαμεν δὲ ὅτι ὅσα ὁ νόμος
λέγει, τοῖς ἐν τῷ νόμῳ λαλεῖ, ἵνα
πᾶν στόμα φραγῇ, καὶ ὑπόδικος
γένηται πᾶς ὁ κόσμος τῷ θεῷ·
Wir wissen nun, dass wieviel das Gesetz sagt,
es zu denen unter dem Gesetz spricht, damit
jeder Mund gestopft wird, und die ganze Welt
durch Gott verurteilt wird.
Mit δὲ („weiter“) führt Paulus einen weiteren Punkt seiner
Argumente an. Das Gesetz, das Paulus soeben zitierte, redet zu den
Juden, sagt aber aus, dass diese und die Heiden, die das Gesetz nicht
kennen, unter der Sünde sind. „Jeder Mund“ ist der Stellung nach
betont, d.h. dass kein Jude oder kein Heide dagegen reden kann,
wenn Gott die Welt aufgrund der Sünde verurteilt. Zu ὑπόδικος
27 Der Römerbrief
γένηται („sie werde verurteilt“) vgl. Aeschylus, Eumenides 259: „ὁ δ’
αὖτε γοῦν ἀλκὰν ἔχων περὶ βρέτει πλεχθεὶς θεᾶς μβρότου ὑπόδικος
θέλει γενέσθαι χερῶν „Die Arme um das Bild der unsterblichen
Göttin geschlungen, wünscht er, für seine Handlungen verurteilt zu
werden“.
3.20 διότι ἐξ ἔργων νόμου οὐ
δικαιωθήσεται πᾶσα σὰρξ
ἐνώπιον αὐτοῦ· διὰ γὰρ νόμου
ἐπίγνωσις ἁμαρτίας.
Darum wird aus Werken (des) Gesetzes kein
Fleisch vor ihm gerechtfertigt. Denn durch
(das) Gesetz (kommt) Erkenntnis von Sünde.
Mit διότι („darum“) leitet Paulus das Ergebnis seiner Argumente ein.
Das Gesetz zeigt, dass kein Mensch ohne Sünde ist und so nicht vor
Gott bestehen kann und dass auch das Gesetz niemanden retten
kann, sondern zur Erkenntnis der Sündhaftigkeit beiträgt.
3.21 Νυνὶ δὲ χωρὶς νόμου
δικαιοσύνη θεοῦ πεφανέρωται,
μαρτυρουμένη ὑπὸ τοῦ νόμου καὶ
τῶν προφητῶν·
Nun aber ist ohne (das) Gesetz (die)
Gerechtigkeit Gottes offenbar geworden,
bezeugt vom Gesetz und den Propheten,
Statt der Gerechtigkeit aus dem Gesetz gilt vor Gott die aus Glauben
an Christus. Dies ist bereits im Gesetz und den Propheten selbst
erkennbar. Νυνὶ („Nun“) leitet die Lösung Gottes auf die Sünde der
Menschen ein, nämlich den Glauben an das Opfer Christi, durch das
allein ein Mensch vor Gott gerecht sein kann. Dies wird bereits vom
Gesetz selbst und den Propheten vorhergesagt.
3.22 δικαιοσύνη δὲ θεοῦ διὰ
πίστεως Ἰησοῦ χριστοῦ εἰς πάντας
καὶ ἐπὶ πάντας τοὺς πιστεύοντας·
οὐ γάρ ἐστιν διαστολή·
Gottes Gerechtigkeit nun durch Glauben an
Jesus Christus für alle und auf all die
Glaubenden. - Denn es ist kein Unterschied.
Paulus führt nun aus, was er mit der Gerechtigkeit Gottes meint und
zwar die, die durch Rechtfertigung aus Glauben ist. Dies gilt ohne
Unterschied für Juden und Heiden, wenn sie an Christus glauben.
Mit διαστολή („Unterschied“) beschreibt Paulus, dass Juden und
Heiden Sünder sind und daher in der Hinsicht kein Unterschied
besteht.
3.23 πάντες γὰρ ἥμαρτον καὶ
ὑστεροῦνται τῆς δόξης τοῦ θεοῦ,
Alle sündigten ja und ermangeln der
Herrlichkeit Gottes. -
Paulus belegt mit einer Parenthese, dass es keinen Unterschied
zwischen Juden und Heiden darin gibt, dass sie alle Sünder sind, da
beide Gruppen von der Sünde geprägt sind und nicht an die
Herrlichkeit herankommen, die Gott hat. Dies ist weiterhin eine
Antwort darauf, ob Juden einen Vorteil gegenüber anderen hätten.
Das Verb ὑστεροῦνται („sie ermangeln“) wird mit einen
28 Der Römerbrief
Genitivobjekt gebildet, hier τῆς δόξης („der Herrlichkeit“), das noch
von einem Genitivattribut τοῦ θεοῦ („Gottes“) erweitert wurde, das
wohl als ein Genitivus possessoris angibt, dass dies eine Eigenschaft
ist, die Gott hat.
3.24 δικαιούμενοι δωρεὰν τῇ
αὐτοῦ χάριτι διὰ τῆς
ἀπολυτρώσεως τῆς ἐν χριστῷ
Ἰησοῦ·
umsonst gerechtfertigt werdend (durch) seine
Gnade, durch die Erlösung in Christus Jesus,
Da sich δικαιούμενοι („gerechtfertigt werdend“) nicht auf „alle“ im
Satz davor beziehen kann, erscheint Vers 23 als Einschub. Paulus
setzt an alle Gläubigen im Vers 22 an. Diese werden umsonst
gerechtfertigt.
3.25 ὃν προέθετο ὁ θεὸς
ἱλαστήριον, διὰ τῆς πίστεως, ἐν τῷ
αὐτοῦ αἵματι, εἰς ἔνδειξιν τῆς
δικαιοσύνης αὐτοῦ, διὰ τὴν
πάρεσιν τῶν προγεγονότων
ἁμαρτημάτων,
den Gott als Sühneort vorstellte, durch
Glauben an sein Blut, zum Erweis seiner
Gerechtigkeit wegen des Absehens von den
vorher geschehenen Versündigungen,
Mit einem Relativsatz beschreibt Paulus die Erlösung näher. Gott hat
Christus öffentlich als Sühnung der Sünden der Menschen
vorgestellt. Diese wird wirksam mittels des persönlichen Glaubens
an das Blut, das zur Sühnung am Kreuz vergossen wurde. Mittels εἰς
(„zur“) gibt Paulus das Ziel und die Absicht damit an, nämlich, dass
sich Gott als gerecht erweisen will, weil er die vorher geschehenen
Sünden quasi übersehen bzw. davon absehen kann, diese zu
bestrafen. Die Sünden, die vor dem Opfer Christi geschahen konnte
Gott auf gerechter Grundlage übergehen und nicht zurechnen. Zum
Ausdruck διὰ τὴν πάρεσιν („wegen des Übergehens bzw. Absehens
oder Übersehens“) vgl. Flavius Josephus, Antiquitates Judaicae
11.236, der die ursprüngliche Bedeutung zeigt „καὶ διακεκαυμένῳ
ὑπὸ τῆς ὀργῆς τῷ προσώπῳ πάρεσις αὐτὴν εὐθὺς λαμβάνει καὶ τοῖς
παρὰ πλευρὸν οὖσιν ἀχανὴς ἐπέπεσεν“. „und mit vor Zorn
glühender Miene, bekam sie sofort eine Bewusstlosigkeit, und sie
fiel seitwärts in Ohnmacht“. D.h. die Kräfte schwanden dahin und
waren weg und die Person konnte nichts mehr wahrnehmen.
Genauso sieht Gott vollkommen davon ab, Sünden zu bestrafen, die
durch das Opfer Christi gesühnt wurden, wenn jemand an dessen
29 Der Römerbrief
Blut glaubt. Zuvor war der Erweis nicht erbracht, dass Gott gerecht
handeln würde.
3.26 ἐν τῇ ἀνοχῇ τοῦ θεοῦ, πρὸς
τὴν ἔνδειξιν τῆς δικαιοσύνης
αὐτοῦ ἐν τῷ νῦν καιρῷ, εἰς τὸ
εἶναι αὐτὸν δίκαιον καὶ δικαιοῦντα
τὸν ἐκ πίστεως Ἰησοῦ.
durch die Geduld Gottes, zum Erweis seiner
Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit, damit er
gerecht sei und den aus Glauben an Jesus
rechtfertige.
Vor dem Opfer Christi, das Gottes Gerechtigkeit erweist, wurden die
Sünden der Menschen aufgrund der Geduld Gottes nicht bestraft,
sondern geduldig ertragen, bis Christus dafür bezahlte, sodass in der
jetzigen Zeit, d.h. seit Golgatha der Erweis der Gerechtigkeit
erbracht wurde. Dieser Erweis führt dazu, dass Gott sich gerecht
zeigt, wenn er die an Christus Glaubenden gerecht spricht, weil
deren Sünden gesühnt wurden. Dies leitet Paulus mit εἰς („damit“)
ein.
3.27 Ποῦ οὖν ἡ καύχησις;
Ἐξεκλείσθη. Διὰ ποίου νόμου; Τῶν
ἔργων; Οὐχί, ἀλλὰ διὰ νόμου
πίστεως.
Wo (ist) also das Rühmen? Es ist
ausgeschlossen! Durch was für ein Gesetz?
Das der Werke? Keineswegs, sondern durch
(das) Gesetz (des) Glaubens!
Mit οὖν („also“) zieht Paulus die Folgerung, dass es daher keinen
Grund gibt, dass sich Menschen rühmen könnten, indem sie das
Gesetz befolgen, um erlöst zu werden, da dies durch Werke des
Gesetzes nicht möglich war, sondern nur durch Glauben an das, was
ein anderer, Christus, getan hat.
3.28 Λογιζόμεθα οὖν πίστει
δικαιοῦσθαι ἄνθρωπον, χωρὶς
ἔργων νόμου.
Wir rechnen also, dass ein Mensch durch
Glauben gerechtfertigt wird, ohne Werke
(des) Gesetzes.
Da ein Mensch nicht aus Werken, sondern aus Glauben gerecht ist
vor Gott, zieht Paulus genau diesen Schluss, den er mit οὖν („also“)
einleitet.
3.29 Ἢ Ἰουδαίων ὁ θεὸς μόνον;
Οὐχὶ δὲ καὶ ἐθνῶν; Ναὶ καὶ ἐθνῶν·
Oder (ist er) der Gott (der) Juden allein, nicht
vielmehr auch (der der) Nationen? Ja, auch
(der) Nationen,
Paulus stellt die Frage, ob nur Juden unter dem Gesetz an Gott
glauben können. Die Antwort ist, dass auch Nicht-Juden, d.h. die
Heiden bzw. Nationen Zugang zu Gott haben, da er nicht auf Israel
beschränkt ist.
3.30 ἐπείπερ εἷς ὁ θεός, ὃς
δικαιώσει περιτομὴν ἐκ πίστεως,
καὶ ἀκροβυστίαν διὰ τῆς πίστεως.
da doch ein einziger Gott (ist), der (die)
Beschneidung aus Glauben rechtfertigen wird
und (die) Vorhaut durch den Glauben.
Nun wird begründet, warum Gott auch der Gott der Heiden sein
kann, da er auch Heiden aus Glauben rechtfertigt, nicht nur Juden
allein.
30 Der Römerbrief
3.31 Νόμον οὖν καταργοῦμεν διὰ
τῆς πίστεως; Μὴ γένοιτο· ἀλλὰ
νόμον ἱστῶμεν.
Heben wir also (das) Gesetz durch den
Glauben auf? Das kann nicht sein! Sondern wir
bestätigen (das) Gesetz!
Nun könnte der Eindruck entstehen, dass das Gesetz im
Widerspruch zum Glauben stünde. Das ist jedoch gar nicht der Fall.
Vielmehr führt es zum Glauben. Zum Gebrauch von ἱστῶμεν („wir
bestätigen, hervorheben, aufstellen, aufrichten“) vgl. 1Makkabäer
11.34 „ἑστάκαμεν αὐτοῖς τά τε ὅρια τῆς Ιουδαίας“. „Wir bestätigen
ihnen (den Besitz) des Gebietes Judäas“.
4.1 Τί οὖν ἐροῦμεν Ἀβραὰμ τὸν
πατέρα ἡμῶν εὑρηκέναι κατὰ
σάρκα;
Was sollen wir nun sagen, dass Abraham,
unserem Vater nach (dem) Fleisch, gefunden
hat?
Von hier bis Vers 8 geht Paulus auf Abraham ein und zieht für die
Frage nach der Rechtfertigung einige Schlussfolgerungen. Er leitet
diesen Abschnitt mit οὖν („also“) ein, womit er auf das Prinzip der
Rechtfertigung eingeht, die er soeben nannte und dies nun anhand
von Abraham verdeutlicht.
4.2 Εἰ γὰρ Ἀβραὰμ ἐξ ἔργων
ἐδικαιώθη, ἔχει καύχημα, ἀλλ᾽ οὐ
πρὸς τὸν θεόν.
Denn wenn Abraham aus Werken
gerechtfertigt wurde, hat er Ruhm, doch nicht
bei Gott.
Paulus nimmt an, Abraham wäre aus Werken und nicht aus Glauben
gerechtfertigt worden. Wenn dies so wäre, dann könnte er sich
seiner Leistungen rühmen. Doch bei Gott ist dies ausgeschlossen.
4.3 Τί γὰρ ἡ γραφὴ λέγει;
Ἐπίστευσεν δὲ Ἀβραὰμ τῷ θεῷ,
καὶ ἐλογίσθη αὐτῷ εἰς
δικαιοσύνην.
Was sagt nämlich die Schrift? Es glaubte
Abraham nun Gott, und es wurde ihm zur
Gerechtigkeit gerechnet.
Paulus beruft sich auf die Schrift, um darzulegen, dass es aus
Glauben und nicht aus Werken war, wie Abraham vor Gott
gerechtfertigt wurde.
4.4 Τῷ δὲ ἐργαζομένῳ ὁ μισθὸς οὐ
λογίζεται κατὰ χάριν, ἀλλὰ κατὰ
ὀφείλημα.
Dem Wirkenden nun wird der Lohn nicht nach
Gnade gerechnet, sondern nach Schuldigkeit.
Die Rechtfertigung aus Werken wäre wie ein Lohn für einen
Arbeiter, auf den jemand Anspruch hätte und damit wäre das Prinzip
der Gnade wertlos.
4.5 Τῷ δὲ μὴ ἐργαζομένῳ,
πιστεύοντι δὲ ἐπὶ τὸν δικαιοῦντα
τὸν ἀσεβῆ, λογίζεται ἡ πίστις
αὐτοῦ εἰς δικαιοσύνην.
Dem nicht Wirkenden aber, (dem)
Glaubenden nun an den, der den Gottlosen
rechtfertigt, wird sein Glaube zu Gerechtigkeit
gerechnet.
Das Prinzip des Glaubens hingegen verzichtet auf Werke, die vor
Gott Anerkennung finden müssten, sondern glaubt Gott, dass er aus
Glauben rechtfertigt.
31 Der Römerbrief
4.6 Καθάπερ καὶ Δαυὶδ λέγει τὸν
μακαρισμὸν τοῦ ἀνθρώπου, ᾧ ὁ
θεὸς λογίζεται δικαιοσύνην χωρὶς
ἔργων,
Genau wie auch David von der Glückseligkeit
des Menschen redet, dem Gott Gerechtigkeit
zurechnet ohne Werke:
Paulus belegt dies auch mit einem Zitat von David, dass es darum
geht, dass Gott ohne Werke, sondern durch Glauben rechtfertigt.
4.7 Μακάριοι ὧν ἀφέθησαν αἱ
ἀνομίαι, καὶ ὧν ἐπεκαλύφθησαν
αἱ ἁμαρτίαι.
Glückselig, deren Gesetzlosigkeiten vergeben
und deren Sünden zugedeckt wurden!
Die Glückseligpreisung Davids zeigt als Illustration dessen, die
Vergebung der Sünden durch Gott, ohne Werke.
4.8 Μακάριος ἀνὴρ ᾧ οὐ μὴ
λογίσηται κύριος ἁμαρτίαν.
Glückselig ein Mann, dem der Herr Sünde gar
nicht zurechnet!
Paulus führt dieses Zitat an, um zu zeigen, dass ein Mensch ohne
Einhaltung des Gesetzes Vergebung der Sünden haben kann.
4.9 Ὁ μακαρισμὸς οὖν οὗτος ἐπὶ
τὴν περιτομήν, ἢ καὶ ἐπὶ τὴν
ἀκροβυστίαν; Λέγομεν γὰρ ὅτι
Ἐλογίσθη τῷ Ἀβραὰμ ἡ πίστις εἰς
δικαιοσύνην.
(Ist) diese Seligpreisung also auf die
Beschneidung (bezogen) oder auch auf die
Vorhaut? Wir sagen ja, dass Abraham der
Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet wurde.
Paulus legt dieses Zitat aus, und zwar auf dem Hintergrund, was er
zu Abraham sagte, dass Rechtfertigung aus Glauben ist, sodass es
darum geht, ob dies durch die Werke des Gesetzes oder davon
unabhängig erfolgte. Er beweist damit seine These, dass die
Gerechtigkeit nicht vom Gesetz kommt.
4.10 Πῶς οὖν ἐλογίσθη; Ἐν
περιτομῇ ὄντι, ἢ ἐν ἀκροβυστίᾳ;
Οὐκ ἐν περιτομῇ, ἀλλ᾽ ἐν
ἀκροβυστίᾳ·
Wie wurde es also zugerechnet? Dem, der in
Beschneidung war oder in Vorhaut ? Nicht in
Beschneidung (war es), sondern in Vorhaut!
Abraham wurde gerechtfertigt, bevor er beschnitten war, sodass
dies zeigt, dass die Rechtfertigung nichts mit der Beschneidung zu
tun hat, die im Gesetz vorgeschrieben ist. Abraham wurde durch den
Glauben gerechtfertigt, noch bevor er beschnitten wurde.
4.11 καὶ σημεῖον ἔλαβεν
περιτομῆς, σφραγῖδα τῆς
δικαιοσύνης τῆς πίστεως τῆς ἐν τῇ
ἀκροβυστίᾳ· εἰς τὸ εἶναι αὐτὸν
πατέρα πάντων τῶν πιστευόντων
δι᾽ ἀκροβυστίας, εἰς τὸ λογισθῆναι
καὶ αὐτοῖς τὴν δικαιοσύνην·
Und er empfing (das) Zeichen (der)
Beschneidung (als) ein Siegel der
Gerechtigkeit des Glaubens, den (er) in der
Vorhaut (hatte), sodass er Vater all der
Glaubenden aus (der) Vorhaut sei, sodass
auch ihnen die Gerechtigkeit zugerechnet
werden würde,
Die Konjunktion καὶ („und“) beschreibt hier die chronologische
Abfolge, dass Abraham erst nach seinem Glauben an Gott die
Beschneidung empfing. Die Funktion der Beschneidung war eine
Bestätigung des vorhandenen Glaubens. Damit ist er Vater bzw.
Vorbild oder Vorläufer aller Gläubigen aus den Heiden, die nicht
beschnitten sind, wie es auch Abraham zunächst nicht war.
32 Der Römerbrief
4.12 καὶ πατέρα περιτομῆς τοῖς
οὐκ ἐκ περιτομῆς μόνον, ἀλλὰ καὶ
τοῖς στοιχοῦσιν τοῖς ἴχνεσιν τῆς
πίστεως τῆς ἐν τῇ ἀκροβυστίᾳ τοῦ
πατρὸς ἡμῶν Ἀβραάμ.
und er Vater (der) Beschneidung denen (sei),
die nicht nur aus (der) Beschneidung (sind),
sondern auch den Spuren des Glaubens, den
in (der) Vorhaut, unseres Vaters Abraham
folgen.
Ebenso wurde er Vater der Gläubigen aus den Juden, die nicht nur
auf die Beschneidung vertrauen, sondern auch den Zusagen Gottes
glauben, wie es Abraham vor seiner Beschneidung schon tat. Vgl. zu
στοιχοῦσιν („sie stimmen überein/folgen“) ein Beispiel bei
Xenophon, Cyropaedia 6.3,34 wo der König Kyrus seinen Offizieren
Anweisungen gibt wie die Truppen angeordnet sein sollen: „αἱ δ’
ἕτεραι ἑκατοστύες τῶν ἁρμάτων, ἡ μὲν κατὰ τὸ δεξιὸν πλευρὸν τῆς
στρατιᾶς στοιχοῦσα ἑπέσθω τῇ φάλαγγι ἐπὶ κέρως, ἡ δὲ κατὰ τὸ
εὐώνυμον. Κῦρος μὲν οὕτω διέταττεν“. „Von den anderen
Hunderterschaften der Streitwagen soll eine, nachdem auf der
rechten Seite der Armee eingeordnet ist, der Phalanx am Horn
hinzugetan werden, die andere aber zur Linken. Kyrus ordnete es so
an“. „Καὶ δὴ ὁ μὲν Κράντωρ τὴν ὑγείαν ἐν δευτέρᾳ μοίρᾳ ἐτίθετο,
στοιχῶν τοῖς προειρημένοις φιλοσόφοις“. „Doch auch Krantor fügte
die Gesundheit als zweites Schicksal hinzu, mit den Philosophen, die
vorher geredet hatten, übereinstimmend“.
4.13 Οὐ γὰρ διὰ νόμου ἡ
ἐπαγγελία τῷ Ἀβραὰμ ἢ τῷ
σπέρματι αὐτοῦ, τὸ κληρονόμον
αὐτὸν εἶναι τοῦ κόσμου, ἀλλὰ διὰ
δικαιοσύνης πίστεως.
Denn nicht durch (das) Gesetz (erging) die
Verheißung für Abraham oder seinen Samen,
dass er der Erbe (der) Welt sei, sondern durch
Gerechtigkeit (des) Glaubens.
Abraham erhielt die Zusage Gottes an sich bzw. seine Nachkommen,
nicht, indem er dem mosaischen Gesetz gehorchte, das es damals
noch gar nicht gab, sondern indem er dem glaubte, was Gott ihm
zusagte. Der Inhalt der Zusage wird durch einen AcI inhaltlich
bestimmt: τὸ κληρονόμον αὐτὸν εἶναι τοῦ κόσμου („dass er der
Erbe (der) Welt sei“).
4.14 Εἰ γὰρ οἱ ἐκ νόμου
κληρονόμοι, κεκένωται ἡ πίστις,
καὶ κατήργηται ἡ ἐπαγγελία·
Denn wenn die aus (dem) Gesetz Erben
(wären), ist der Glaube entleert und die
Verheißung aufgehoben.
Paulus begründet seinen Gedanken mittels eines Konditionalsatzes,
in dem er annimmt, diejenigen, die das Gesetz halten, bekommen
die Verheißungen Gottes. Da das Gesetz niemand ganz halten
konnte, gäbe es somit gar keine Erben der göttlichen Zusagen. Sonst
33 Der Römerbrief
wäre der Glaube an Christus sinnlos und die Verheißungen Gottes,
die er den Glaubenden gibt, außer Kraft gesetzt. Dies ist unmöglich.
4.15 ὁ γὰρ νόμος ὀργὴν
κατεργάζεται· οὗ γὰρ οὐκ ἔστιν
νόμος, οὐδὲ παράβασις.
Das Gesetz bewirkt ja Zorn. Doch wo kein
Gesetz ist, (ist) auch keine Übertretung.
Mit γὰρ („ja“) begründet Paulus, warum das Gesetz keine Erben
hervorbringen konnte, da es Zorn bewirkt, wenn es übertreten wird.
Da Gesetze übertreten werden, ruft dies den Zorn des Gesetzgebers
hervor. Daher ist damit keine Rechtfertigung möglich, sondern
erweist die Übertretung, die den Zorn Gottes hervorruft.
4.16 Διὰ τοῦτο ἐκ πίστεως, ἵνα
κατὰ χάριν, εἰς τὸ εἶναι βεβαίαν
τὴν ἐπαγγελίαν παντὶ τῷ
σπέρματι, οὐ τῷ ἐκ τοῦ νόμου
μόνον, ἀλλὰ καὶ τῷ ἐκ πίστεως
Ἀβραάμ, ὅς ἐστιν πατὴρ πάντων
ἡμῶν
Deshalb (ist es) aus Glauben, damit (es) nach
Gnade (sei), sodass die Verheißung dem
ganzen Samen fest sei, nicht nur der aus dem
Gesetz, sondern auch der aus Glauben
Abrahams, der unser aller Vater ist,
Nachdem Paulus erklärte, dass das Gesetz dazu diente die
Übertretung aufzudecken, verweist er zur Frage der Rechtfertigung
auf den Glauben an die Verheißung Gottes. Diese bezieht sich auf
alle Nachkommen Abrahams, die aus den Juden, und die aus den
Heiden, die den gleichen Glauben wie er als ihr Vorbild haben. Die
Erweiterung mittels οὑ μόνον ἀλλὰ καὶ („nicht nur, sondern auch“)
fügt zu den Juden, die das Gesetz hatten, alle anderen Menschen
mit ein, die glauben wie Abraham, sodass dieser der Vater aller ist,
Juden und Heiden, die glauben.
4.17 καθὼς γέγραπται ὅτι Πατέρα
πολλῶν ἐθνῶν τέθεικά σε
κατέναντι οὗ ἐπίστευσεν θεοῦ,
τοῦ ζῳοποιοῦντος τοὺς νεκρούς,
καὶ καλοῦντος τὰ μὴ ὄντα ὡς ὄντα.
wie geschrieben ist: Zum Vater vieler
Nationen habe ich dich gesetzt, angesichts
Gottes, dem er glaubte, dem, der die Toten
lebendig macht und (dem), der das
Nichtseiende ruft, dass es sei,
Mit καθὼς („wie“) belegt Paulus, dass Abraham der Vater aller
Gläubigen ist, denen aus den Juden und denen aus den Heiden,
sodass er der Vater vieler Völker ist bzw. denen, die glauben, egal
aus welchem Volk sie sind. Mit κατέναντι („vor/angesichts“) wird
ausgedrückt, dass diese Aussage über Abraham, dass er Vater vieler
Völker würde, die Sicht Gottes ist. Die Attribute Gottes, der Tote
lebendig und aus dem Nichts etwas hervorbringen kann, beziehen
sich darauf, dass er Abraham und Sara zeugungsfähig machen
konnte, da ihre Körper dafür schon zu abgestorben waren.
34 Der Römerbrief
4.18 Ὃς παρ᾽ ἐλπίδα ἐπ᾽ ἐλπίδι
ἐπίστευσεν, εἰς τὸ γενέσθαι αὐτὸν
πατέρα πολλῶν ἐθνῶν, κατὰ τὸ
εἰρημένον, Οὕτως ἔσται τὸ
σπέρμα σου.
der wider Hoffnung auf Hoffnung hin glaubte,
sodass er zum Vater vieler Nationen gemäß
dem Gesagten werde: So wird dein Same sein.
Obwohl es für Abraham hoffnungslos war, da er und seine Frau
biologisch keine Nachkommen mehr haben konnte, glaubte er
dennoch an den Gott, der, wie Paulus deutlich machte, Tote
lebendig machen kann und aus dem Nichts etwas hervorrufen kann.
4.19 Καὶ μὴ ἀσθενήσας τῇ πίστει,
οὐ κατενόησεν τὸ ἑαυτοῦ σῶμα
ἤδη νενεκρωμένον ἑκατονταέτης
που ὑπάρχων καὶ τὴν νέκρωσιν τῆς
μήτρας Σάρρας·
Und im Glauben nicht schwach geworden,
beachtete er nicht seinen schon
abgestorbenen Leib, ungefähr hundertjährig
seiend, noch das Absterben des Mutterleibs
von Sara.
Der Glaube Abrahams wird deutlich, da er nicht an den Zusagen
Gottes zweifelte, er würde zahllose Nachkommen haben, indem er
auf seinen bereits zeugungsunfägigen Körper achtete, sondern Gott
glaubte. Abraham war ja nicht selbst tot, sondern sein Körper war
nicht mehr in der Lage, Kinder zu bekommen. Dies drückt Paulus mit
der Metapher ἤδη νενεκρωμένον („bereits gestorben“) aus und
verstärkt dies mit der Altersangabe, die Paulus nur grob angeben
kann, wie es das Adverb που („ungefähr“) klar macht. Ebenso war es
mit Sara, die auch keine Kinder mehr bekommen konnte. NestleAland druckt leider die unsinnige Lesart ab, Abraham hätte seinen
Leib beachtet, womit der Kontrast verloren geht, den Paulus
ausdrückt.
4.20 εἰς δὲ τὴν ἐπαγγελίαν τοῦ
θεοῦ οὐ διεκρίθη τῇ ἀπιστίᾳ, ἀλλ᾽
ἐνεδυναμώθη τῇ πίστει, δοὺς
δόξαν τῷ θεῷ,
An der Verheißung Gottes nun zweifelte er
nicht aus Unglauben, sondern er wurde im
Glauben gekräftigt, Gott Ehre gebend.
Der Dativ τῇ ἀπιστίᾳ („aus Unglauben“) zeigt den Grund an, der
nicht vorhanden war, um Abraham zum Zweifeln zu bringen.
Abraham gab Gott die Ehre und den Dank für seine Zusage, noch
bevor diese eintrat, so wurde er im Glauben gestärkt.
4.21 καὶ πληροφορηθεὶς ὅτι ὃ
ἐπήγγελται, δυνατός ἐστιν καὶ
ποιῆσαι.
Und er war völlig überzeugt, dass, was er
versprochen hat, er fähig ist, auch zu tun.
Der Satzteil ὃ ἐπήγγελται („was er verheißen hat“) ist vorgezogen
und somit betont, d.h. die Verheißung kam von Gott, sodass
Abraham auch davon ausging, dass dieser es einhalten könne.
4.22 Διὸ καὶ ἐλογίσθη αὐτῷ εἰς
δικαιοσύνην.
Deshalb wurde es ihm auch zur Gerechtigkeit
zugerechnet.
Aufgrund seiner völligen Überzeugung darüber, was Gott verheißen
hat, wurde Abraham dieser Glaube so zugerechnet von Gott, der
35 Der Römerbrief
hier in der Passivkonstruktion als Agens verschwiegen wird, dass er
vor ihm als gerecht dasteht.
4.23 Οὐκ ἐγράφη δὲ δι᾽ αὐτὸν
μόνον, ὅτι ἐλογίσθη αὐτῷ·
Es wurde aber nicht nur wegen ihm
geschrieben, dass es ihm zugerechnet wurde,
Dass Abraham durch seinen Glauben vor Gott als gerecht erscheint,
wurde ihm zugesagt, aber auch für Christen.
4.24 ἀλλὰ καὶ δι᾽ ἡμᾶς, οἷς μέλλει
λογίζεσθαι, τοῖς πιστεύουσιν ἐπὶ
τὸν ἐγείραντα Ἰησοῦν τὸν κύριον
ἡμῶν ἐκ νεκρῶν,
sondern auch wegen uns, denen es
zugerechnet werden würde, den an den
Glaubenden, der Jesus, unseren Herrn, von
(den) Toten erweckte,
Mit ἀλλὰ („sondern“) werden die Adressaten von Abraham allein um
die Leser des Apostels erweitert. Da sie wie Abraham Gott glauben
ist diese Erwähnung ebenfalls für sie eine Zusage Gottes, dass ihr
Glaube ebenfalls sie rechtfertigt. Wie Abraham glaubte, dass Gott
aus den Toten lebendig machen könne, glauben Christen, dass Gott
Christus aus den Toten auferwecken konnte.
4.25 ὃς παρεδόθη διὰ τὰ
παραπτώματα ἡμῶν, καὶ ἠγέρθη
διὰ τὴν δικαίωσιν ἡμῶν.
der wegen unserer Übertretungen überliefert
und wegen unserer Rechtfertigung auferweckt
wurde.
Mit einem Relativsatz beschreibt Paulus Christus näher und schildert
den Grund, warum Christus von Gott dem Tod überliefert wurde. Es
war wegen den Sünden der Menschen. Seine Auferweckung
bewirkte, dass Gott die Leser rechtfertigen kann, da er das Opfer
Christi angenommen hatte, und jedem, der glaubt, rechtfertigt, d.h.
für unschuldig erklärt.
5.1 Δικαιωθέντες οὖν ἐκ πίστεως,
εἰρήνην ἔχομεν πρὸς τὸν θεὸν διὰ
τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ χριστοῦ,
Gerechtfertigt also aus Glauben, haben wir
Frieden mit Gott durch unseren Herrn, Jesus
Christus,
Mittels οὖν („also“) zieht Paulus den Schluss, dass diese
Rechtfertigung praktischer Besitz von Christen ist. Diese
Rechtfertigung bewirkt Frieden mit Gott, der durch Christus
ermöglicht wurde.
5.2 δι᾽ οὗ καὶ τὴν προσαγωγὴν
ἐσχήκαμεν τῇ πίστει εἰς τὴν χάριν
ταύτην ἐν ᾗ ἑστήκαμεν, καὶ
καυχώμεθα ἐπ᾽ ἐλπίδι τῆς δόξης
τοῦ θεοῦ.
durch den wir auch im Glauben den Zugang zu
dieser Gnade bekommen haben, in der wir
stehen, und wir rühmen uns über (die)
Hoffnung der Herrlichkeit Gottes.
Mit δι᾽ οὗ („durch den“) bezieht sich Paulus auf Christus und sein
Werk. Mittels des Perfekts ἐσχήκαμεν („wir haben bekommen“)
verdeutlicht Paulus, dass die Leser diesen Zugang zum Zeitpunkt der
Bekehrung erhielten und nun weiter haben. Da die Herrlichkeit
36 Der Römerbrief
Gottes mit Hoffnung verbunden ist, scheint es um das Erreichen der
Herrlichkeit zu gehen, die noch aussteht.
5.3 Οὐ μόνον δέ, ἀλλὰ καὶ
καυχώμεθα ἐν ταῖς θλίψεσιν,
εἰδότες ὅτι ἡ θλίψις ὑπομονὴν
κατεργάζεται,
Nicht aber nur (das), sondern wir wollen uns
auch mit den Trübsalen rühmen, wissend,
dass die Bedrängnis Geduld bewirkt,
Zum Thema vorher, also dem Frieden mit Gott durch den Glauben,
dessen sich Christen rühmen können, ergänzt Paulus einen weiteren
Gedanken und Grund zum Rühmen, nämlich den der Trübsale. Der
Konjunktiv im Hauptsatz καυχώμεθα („wir wollen rühmen“) drückt
eine Aufforderung an sich und die Leser aus. Dies muss betont
werden, da im Normalfall Leid nicht dazu führt, sich dessen zu
rühmen oder zu erfreuen. Die Trübsale, die Gläubige erfahren
müssen, führen zu Geduld bzw. Ausharren. Dieses Element wird nun
durch weitere Folgen davon erweitert.
5.4 ἡ δὲ ὑπομονὴ δοκιμήν, ἡ δὲ
δοκιμὴ ἐλπίδα·
die Geduld wiederum Bewährung, die
Bewährung wiederum Hoffnung.
Die Trübsale dienen dazu, den Glauben zu bewähren. Ist dies der Fall
führt dies zu weiterer Hoffnung für die Zukunft.
5.5 ἡ δὲ ἐλπὶς οὐ καταισχύνει, ὅτι
ἡ ἀγάπη τοῦ θεοῦ ἐκκέχυται ἐν
ταῖς καρδίαις ἡμῶν διὰ πνεύματος
ἁγίου τοῦ δοθέντος ἡμῖν.
Die Hoffnung wiederum beschämt nicht, da
die Liebe Gottes in unseren Herzen durch
(den) uns gegebenen Heiligen Geist
ausgegossen ist.
Die Hoffnung war mit dem Erreichen der Herrlichkeit Gottes
verbunden. Diese Hoffnung wird nicht enttäuschen oder
beschämen, da Gott uns den Geist als Garant dafür gab, dass er uns
liebt. Der Genitiv der Phrase ἡ ἀγάπη τοῦ θεοῦ („die Liebe Gottes“)
besagt, dass Gott uns liebt, weniger wir ihn, sodass dies als Genitivus
subiectivus bestimmt werden kann.
5.6 Ἔτι γὰρ χριστός, ὄντων ἡμῶν
ἀσθενῶν, κατὰ καιρὸν ὑπὲρ
ἀσεβῶν ἀπέθανεν.
Denn Christus starb bereits, als wir schwach
waren, zur (passenden) Zeit für Gottlose.
Paulus begründet, dass Gott uns liebt mit der Konjunktion γὰρ
(„denn“). Der Grund, der dies beweist, ist, dass Christus für uns
starb. Mit dem Genitivus absolutus ὄντων ἡμῶν ἀσθενῶν („als wir
schwach waren“), der dazu dient, die Subjekte von Haupt- und
Nebensatz, also „wir“ und „Christus“, zu unterscheiden, besagt, dass
sich die Leser nicht selbst helfen konnten, da sie dazu zu schwach
waren. Noch bevor die Leser das erkannten, fand das Opfer Christi
bereits statt, wie es ἔτι („bereits“) deutlich macht. Zur Phrase κατὰ
37 Der Römerbrief
καιρὸν („zur rechten/ richtigen/ geeigneten Zeit“) vgl. Jeremia 5.24
„καὶ οὐκ εἶπον ἐν τῇ καρδίᾳ αὐτῶν φοβηθῶμεν δὴ κύριον τὸν θεὸν
ἡμῶν τὸν διδόντα ἡμῖν ὑετὸν πρόιμον καὶ ὄψιμον κατὰ καιρὸν
πληρώσεως προστάγματος θερισμοῦ καὶ ἐφύλαξεν ἡμῖν“. „Und sie
sagten nicht in ihrem Herzen: Lasst uns doch den Herrn, unseren
Gott, fürchten, der uns Früh- und Spätregen zur (passenden) Zeit der
Erfüllung der Ernteordnung gibt und uns bewahrte“.
5.7 Μόλις γὰρ ὑπὲρ δικαίου τις
ἀποθανεῖται· ὑπὲρ γὰρ τοῦ
ἀγαθοῦ τάχα τις καὶ τολμᾷ
ἀποθανεῖν.
Es wird ja kaum jemand für einen Gerechten
Paulus erweitert den Gedanken des Todes Christi, indem er deutlich
sterben. Für den Guten wagt eventuell jemand macht, dass kaum jemand für einen anderen sterben würde, selbst
wenn dieser gerecht wäre. Für eine gute Person wäre dies unter
noch zu sterben.
Umständen vorstellbar. Paulus unterscheidet eine gerechte und eine
gute Person. Eine gerechte Person kann kaum erwarten, dass für sie
jemand stirbt, da Gerechtigkeit allein nicht ausreicht, um gut zu den
Menschen und beliebt zu sein, wie es der Gute ist.
5.8 Συνίστησιν δὲ τὴν ἑαυτοῦ
ἀγάπην εἰς ἡμᾶς ὁ θεός, ὅτι ἔτι
ἁμαρτωλῶν ὄντων ἡμῶν χριστὸς
ὑπὲρ ἡμῶν ἀπέθανεν.
Es erweist aber Gott seine eigene Liebe zu
uns, noch Sünder seiend, (darin), dass Christus
für uns starb.
5.9 Πολλῷ οὖν μᾶλλον,
δικαιωθέντες νῦν ἐν τῷ αἵματι
αὐτοῦ, σωθησόμεθα δι᾽ αὐτοῦ
ἀπὸ τῆς ὀργῆς.
Vielmehr also werden wir, jetzt durch sein Blut Dass die Leser die Herrlichkeit Gottes erreichen werden, ist daher
gerechtfertigt, durch ihn vom Zorn gerettet
sicher, da der Zorn Gottes über ihrem Leben beseitigt ist, und sie vor
Gott so dastehen, als ob sie nichts falsch gemacht bzw. gesündigt
werden.
hätten, da sie durch das Blut Christi gerechtfertigt sind. Mit πολλῷ
οὗν μᾶλλον („vielmehr also“) zeigt, dass es noch mehr an
Sicherheiten für die Liebe Gottes gibt. Mit δικαιωθέντες
(„gerechtfertigt“) kommt eine kausale Beziehung zum Ausdruck, d.h.
Mit δὲ („aber“) verdeutlicht Paulus nun den Gegensatz, dass kaum
jemand für einen anderen sterben würde, unter Umständen für eine
gute Person, indem er dem gegenüberstellt, dass Gott uns so liebte,
dass er Christus für uns, seine Feinde, d.h. Sünder, sterben ließ, also
für Personen, die weder gerecht noch gut sind. Dies dient als
weiterer Beweis der Liebe Gottes.
38 Der Römerbrief
weil Gott uns rechtfertigte, werden Christen keinen Zorn Gottes
mehr erleben. Da Christen in ihrem Leben oft nicht gerettet werden,
wie Märtyrer belegen, bezieht sich die Rettung auf das Leben nach
dem Tod.
5.10 Εἰ γὰρ ἐχθροὶ ὄντες
κατηλλάγημεν τῷ θεῷ διὰ τοῦ
θανάτου τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ, πολλῷ
μᾶλλον καταλλαγέντες
σωθησόμεθα ἐν τῇ ζωῇ αὐτοῦ·
Wenn wir nämlich, Feinde seiend, mit Gott
durch den Tod seines Sohnes versöhnt
wurden, werden wir vielmehr, versöhnt
geworden, durch sein Leben gerettet werden.
Paulus wiederholt, mit γὰρ („nämlich“) eingeleitet, wie die Rettung
zustande kommt. Diese ist durch den Tod Christi zustande
gekommen, wodurch er seine Feinde mit sich versöhnen konnte. Das
wird noch deutlicher, da er Christus zum Leben erweckte.
5.11 οὐ μόνον δέ, ἀλλὰ καὶ
καυχώμενοι ἐν τῷ θεῷ διὰ τοῦ
κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ χριστοῦ, δι᾽ οὗ
νῦν τὴν καταλλαγὴν ἐλάβομεν.
Nicht aber nur (das), sondern (wir sind) auch
mit Gott rühmend durch unseren Herrn Jesus
Christus, durch den wir jetzt die Versöhnung
bekamen.
Paulus erweitert das Gesagte um einen weiteren Punkt, mit dem
Christen sich neben den Trübsalen rühmen können, indem er
Christus nennt, der die Versöhnung mit Gott bewirkte und mit dem
sich Christen rühmen können. Das Partizip καυχώμενοι („rühmend“)
beschreibt einen anhaltenden Vorgang des Rühmens mit Gott als
Gegenstand im Leben eines Christen. Die Präposition ἐν („mit“) leitet
den Inhalt des Rühmens ein.
5.12 Διὰ τοῦτο, ὥσπερ δι᾽ ἑνὸς
ἀνθρώπου ἡ ἁμαρτία εἰς τὸν
κόσμον εἰσῆλθεν, καὶ διὰ τῆς
ἁμαρτίας ὁ θάνατος, καὶ οὕτως εἰς
πάντας ἀνθρώπους ὁ θάνατος
διῆλθεν, ἐφ᾽ ᾧ πάντες ἥμαρτον
Deshalb, wie durch einen Menschen die Sünde
in die Welt hineinkam und durch die Sünde
der Tod, und auf diese Weise der Tod zu allen
Menschen durchdrang, woraufhin alle
sündigten.
Ab hier bis Vers 21 beschreibt Paulus die Freiheit vom Tod. Mit διά
τοῦτο („deshalb“) zieht Paulus aus den vorigen Versen, dass aus den
genannten Gründen Versöhnung stattfinden kann, die Folgerung,
dass Christus somit die Sünde Adams und deren Folgen umkehrte
und Leben brachte. Dabei personifiziert Paulus Sünde und Tod. Der
mit ὥσπερ („wie“) eingeleitete Vergleich wird in diesem Satz noch
nicht zu Ende geführt. Mit ἐφ᾽ ᾧ („woraufhin“) nimmt Paulus auf die
Sünde Adams bezug, woran sich anfügt, dass auch alle seine
Nachkommen sündigten und so sterben mussten. Mit οὕτως („so,
auf diese Weise“) beantwortet der Apostel, wie es dazu kam, dass
39 Der Römerbrief
alle Menschen sterben müssen, nämlich indem alle seit Adam
Sünder sind und als solche sterben müssen.
5.13 ἄχρι γὰρ νόμου ἁμαρτία ἦν
ἐν κόσμῳ· ἁμαρτία δὲ οὐκ
ἐλλογεῖται, μὴ ὄντος νόμου.
Bis zu (dem) Gesetz war nämlich Sünde in
(der) Welt. Sünde wird aber nicht
angerechnet, kein Gesetz da(seiend),
Mit γὰρ („nämlich“) führt der Apostel weitere Argumente an, um die
Rolle des Gesetzes zu erklären. Von Adam bis zum Gesetz Moses war
die Sünde auch schon da, nur wurde sie erst mit dem Gesetz als
solche verurteilt.
5.14 Ἀλλ᾽ ἐβασίλευσεν ὁ θάνατος
ἀπὸ Ἀδὰμ μέχρι Μωϋσέως καὶ ἐπὶ
τοὺς μὴ ἁμαρτήσαντας ἐπὶ τῷ
ὁμοιώματι τῆς παραβάσεως Ἀδάμ,
ὅς ἐστιν τύπος τοῦ μέλλοντος.
doch es regierte der Tod seit Adam bis Moses
auch über die, die nicht sündigten in
Gleichheit der Übertretung Adams, der ein
Abbild des Kommenden ist.
Paulus stellt klar, dass dennoch der Tod, der hier als König
personifiziert wird, die Menschheit beherrschte, auch wenn diese
kein bestimmtes Gebot übertraten, dennoch waren sie von den
Folgen der Sünde Adams betroffen uns selbst Sünder, wie es der Tod
beweist. Mit ἐπὶ τῷ ὁμοιώματι τῆς παραβάσεως Ἀδάμ („in
Gleichheit der Übertretung Adams“) beschreibt die Sünde Adams als
Übertretung eines bestimmten göttlichen Gebots. Dies war für seine
Nachkommen bis Mose dann nicht mehr der Fall, da es da kein
Gesetz gab. Adam war als Stellvertreter der Menschen, denen er den
Tod brachte, ein Gegenbild zu Christus, der als Stellvertreter der
Menschen, das Leben brachte. Zur Zeit Adams war Christus noch der
Kommende.
5.15 Ἀλλ᾽ οὐχ ὡς τὸ παράπτωμα,
οὕτως καὶ τὸ χάρισμα. Εἰ γὰρ τῷ
τοῦ ἑνὸς παραπτώματι οἱ πολλοὶ
ἀπέθανον, πολλῷ μᾶλλον ἡ χάρις
τοῦ θεοῦ καὶ ἡ δωρεὰ ἐν χάριτι τῇ
τοῦ ἑνὸς ἀνθρώπου Ἰησοῦ χριστοῦ
εἰς τοὺς πολλοὺς ἐπερίσσευσεν.
Doch nicht wie das Übertreten (ist), so (ist)
auch die Gnadengabe. Auch wenn ja durch das
Übertreten des Einen die Vielen starben,
strömte viel mehr die Gnade Gottes und das
Geschenk in Gnade des einen Menschen,
Jesus Christus, zu den Vielen.
Paulus stellt nun klar, dass der Vergleich zwischen Adam und
Christus Unterschiede aufweist. Mit τὸ χάρισμα („die Gnadengabe“)
bezieht er sich auf das Werk Christi, durch das die Gnade möglich
wurde. Εἰ („wenn“) leitet eine Tatsache ein. Mit πολλῷ μᾶλλον („viel
mehr“) beschreibt, dass durch das Werk Christi viel mehr gewonnen
wurde, als durch Adam zerstört war. Die Phrase εἰς τοὺς πολλοὺς
(„zu den Vielen“) nimmt Bezug auf die vielen Menschen, die durch
die Gnade Gottes gerettet werden können, dies entspricht allen
40 Der Römerbrief
Menschen (Vers 12), da der Tod zu allen durchdrang, d.h. alle
Menschen sind viele Menschen.
5.16 Καὶ οὐχ ὡς δι᾽ ἑνὸς
ἁμαρτήσαντος, τὸ δώρημα· τὸ μὲν
γὰρ κρίμα ἐξ ἑνὸς εἰς κατάκριμα,
τὸ δὲ χάρισμα ἐκ πολλῶν
παραπτωμάτων εἰς δικαίωμα.
Und nicht wie durch (den) Einen, der sündigte,
(ist) die Gabe. Denn das Urteil zwar (führte)
von (der) einen zur Verurteilung, die
Gnadengabe aber (führte) von vielen
Übertretungen zur Rechtfertigung.
Paulus erweitert die Gegenüberstellung des Kontrastes. Mit ἐξ ἑνὸς
(„von (der) einen“) bezieht sich wohl eher auf die eine Übertretung
Adams im Gegensatz zu den vielen Übertretungen, die später
erwähnt werden. Das Opfer Christi führt also dazu, dass alle Sünden
vergeben werden können. Es überwiegt also die eine Sünde Adams,
die schon zur Verdammnis aller führte.
5.17 Εἰ γὰρ τῷ τοῦ ἑνὸς
παραπτώματι ὁ θάνατος
ἐβασίλευσεν διὰ τοῦ ἑνός, πολλῷ
μᾶλλον οἱ τὴν περισσείαν τῆς
χάριτος καὶ τῆς δωρεᾶς τῆς
δικαιοσύνης λαμβάνοντες ἐν ζωῇ
βασιλεύσουσιν διὰ τοῦ ἑνὸς Ἰησοῦ
χριστοῦ.
Denn wenn der Tod durch die Übertretung des
Einen regierte, werden vielmehr die, die Fülle
der Gnade und die des Geschenks der
Gerechtigkeit bekamen, im Leben regieren
durch den Einen, Jesus Christus.
Paulus erweitert die Unterschiede, indem er mittels πολλῷ μᾶλλον
(„viel mehr“) das beschreibt, was durch Christus mehr gekommen
ist, als durch Adam verloren ging. Der Genitiv τῆς δικαιοσύνης („der
Gerechtigkeit“) ist epexegetisch, d.h. beschreibt, worin das
Geschenk besteht, nämlich darin, dass Gott Christen rechtfertigt.
Wie der Tod durch Adam die Menschen beherrschte, wird durch die
Tat Christi ein Leben möglich sein, dass frei davon ist, sodass das
Leben regieren wird, für die, die es annehmen.
5.18 Ἄρα οὖν ὡς δι᾽ ἑνὸς
παραπτώματος εἰς πάντας
ἀνθρώπους εἰς κατάκριμα, οὕτως
καὶ δι᾽ ἑνὸς δικαιώματος εἰς
πάντας ἀνθρώπους εἰς δικαίωσιν
ζωῆς.
Wie es daher also durch (des) Einen
Übertretung für alle Menschen zur
Verurteilung (kam), so (kam es) auch durch die
gerechte Tat (des) Einen für alle Menschen zur
Rechtfertigung (des) Lebens.
Paulus resümiert die bisherigen Aussagen mittels ἄρα οὗν („daher
also“). Mittels δι᾽ ἑνὸς („durch des einen“) kann Paulus Adam und
Christus als Einzelpersonen gegenüberstellen, sodass das erste
Vorkommen kaum auf die einzelne Sünde Adams bezogen werden
kann. Der Ausdruck εἰς πάντας ἀνθρώπους εἰς δικαίωσιν ζωῆς („für
alle Menschen zur Rechtfertigung (des) Lebens“) beschreibt das
Ergebnis des Werkes Christi, das die Möglichkeit für alle Menschen
bietet, vor Gott gerechtfertigt zu sein und ewiges Leben zu haben.
41 Der Römerbrief
5.19 Ὥσπερ γὰρ διὰ τῆς παρακοῆς
τοῦ ἑνὸς ἀνθρώπου ἁμαρτωλοὶ
κατεστάθησαν οἱ πολλοί, οὕτως
καὶ διὰ τῆς ὑπακοῆς τοῦ ἑνὸς
δίκαιοι κατασταθήσονται οἱ
πολλοί.
Denn wie durch den Ungehorsam des einen
Menschen die Vielen zu Sündern gemacht
wurden, so werden auch durch den Gehorsam
des Einen die Vielen zu Gerechten gemacht
werden.
Paulus stellt dem Ungehorsam Adams und der Folge davon, den
Gehorsam Christi und die Folge davon gegenüber. Das Futur
κατασταθήσονται („sie werden gemacht werden“) bezieht sich auf
die Zukunft nach dem Werk Christi. Ab diesem war es möglich, dass
alle Menschen gerechtfertigt werden können, indem sie glauben.
Dem Prädikat καθίστημι („versetzen, machen zu) liegt das Muster „A
macht B zu C“ bzw. „A versetzt B in die Stellung eines C“ zugrunde.
Vgl. Homerus, Odyssea 13.257, der berichtet, dass der Akteur darum
bittet, mit einem Schiff an das gewünschte Ziel gebracht zu werden:
„τούς μ’ ἐκέλευσα Πύλονδε καταστῆσαι καὶ φέσσαι“. „Ich bat diese,
mich nach Pylos mitzunehmen und dort auszusetzen“. In einer Fabel
Aesops wird beim Resümee auch das selbe Prädikat gebraucht
(145.1,13): „ὁ λόγος δηλοῖ, ὅτι οἱ ῥᾳδίως τοῖς ἐχθροῖς πιστεύοντες,
ὅταν τῶν ἰδίων πλεονεκτημάτων ἑαυτοὺς ἀπογυμνώσωσιν,
εὐάλωτοι τούτοις γίνονται, οἷς πρότερον φοβεροὶ καθεστήκεσαν”.
“Die Geschichte macht deutlich, dass diejenigen, die schnell einem
Feind vertrauen (wenn sie sich selbst ihrer eigenen Vorzüge
entkleiden) denen eine leichte Beute werden, die sie vorher in Angst
versetzten“. Im Deutschen ist ein semantisch schwaches Wort wie
„machen“ in der Lage, die Formel „A bewirkt B, dass er C wird“
auszudrücken.
5.20 Νόμος δὲ παρεισῆλθεν, ἵνα
πλεονάσῃ τὸ παράπτωμα· οὗ δὲ
ἐπλεόνασεν ἡ ἁμαρτία,
ὑπερεπερίσσευσεν ἡ χάρις·
Ein Gesetz nun kam neben herein, damit das
Übertreten zunähme. Wo nun die Sünde
zunahm, überströmte die Gnade,
In allgemeiner Form („ein Gesetz“) bezieht sich Paulus auf die
Einführung und den Sinn des mosaischen Gesetzes, das zwischen der
Übertretung Adams und dem Werk Christi eingeführt wurde, damit
die Übertretung deutlich zutage träte und die Sünde als solche
erkennbar machte und das Übertreten in seiner Erkennbarkeit
zunehme, sodass dann die Gnade Christi noch mehr auf die
Menschen im Überfluss kommen könnte.
42 Der Römerbrief
5.21 ἵνα ὥσπερ ἐβασίλευσεν ἡ
ἁμαρτία ἐν τῷ θανάτῳ, οὕτως καὶ
ἡ χάρις βασιλεύσῃ διὰ
δικαιοσύνης εἰς ζωὴν αἰώνιον, διὰ
Ἰησοῦ χριστοῦ τοῦ κυρίου ἡμῶν.
damit, wie die Sünde regierte im Tod, so auch
die Gnade regiere durch Gerechtigkeit zu
ewigem Leben durch Jesus Christus, unseren
Herrn.
Mittels ἵνα („damit“) wird der Zweck eingeleitet, den die
überströmende Gnade hat, nämlich im Gegensatz zur Sünde und
dem nachfolgenden Tod, Leben und Gerechtigkeit einzuführen, wie
dies durch die Person Christi möglich ist. Mit der Phrase ἐν τῷ
θανάτῳ („im Tod“) zeigt Paulus, dass die Sünde im Bereich des
Todes regiert.
6.1 Τί οὖν ἐροῦμεν; Ἐπιμένομεν τῇ
ἁμαρτίᾳ, ἵνα ἡ χάρις πλεονάσῃ;
Was sollen wir nun sagen? Verharren wir (in)
der Sünde, damit die Gnade zunehme?
Ab hier bis 7.25 behandelt Paulus das folgende Thema der Heiligung,
die eine Folge ist, wenn jemand die Rechtfertigung erfahren hat.
Dies leitet er mit einer rhetorischen Frage ein, die impliziert, dass
das bisher Gesagte gerade nicht dazu führt, dass die Gläubigen nun
weiter in der Sünde leben bzw. darin verharren wollen, sodass Gott
noch mehr Gnade zeigen könnte, wenn er diese wieder vergibt.
6.2 Μὴ γένοιτο. Οἵτινες
ἀπεθάνομεν τῇ ἁμαρτίᾳ, πῶς ἔτι
ζήσομεν ἐν αὐτῇ;
Das kann nicht sein! Die wir der Sünde
starben, wie sollten wir noch in ihr leben?
Diese Annahme ist absurd, wie Paulus gleich deutlich macht, da
Christen für und wegen der Sünde mit Christus im Hinblick auf diese
mitgestorben sind und somit nicht mehr in ihr leben wollen.
6.3 Ἢ ἀγνοεῖτε ὅτι ὅσοι
ἐβαπτίσθημεν εἰς χριστὸν Ἰησοῦν,
εἰς τὸν θάνατον αὐτοῦ
ἐβαπτίσθημεν;
Oder seid ihr unwissend, dass wie viele in
Christus Jesus getauft wurden, in seinen Tod
getauft wurden?
Paulus wendet sich an die Leser und erinnert sie an die Taufe im
Heiligen Geist bzw. die darauffolgende Taufe mit Wasser, die jeweils
besagt, dass die Getauften sich mit dem Tod Christi wegen der
Sünde einsmachen.
6.4 Συνετάφημεν οὖν αὐτῷ διὰ
τοῦ βαπτίσματος εἰς τὸν θάνατον·
ἵνα ὥσπερ ἠγέρθη χριστὸς ἐκ
νεκρῶν διὰ τῆς δόξης τοῦ πατρός,
ὥσπερ καὶ ἡμεῖς ἐν καινότητι ζωῆς
περιπατήσωμεν.
Wir wurden also mit ihm begraben durch die
Taufe in den Tod, damit, wie Christus
auferweckt wurde von (den) Toten durch die
Herrlichkeit des Vaters, so wollen auch wir in
Neuheit (des) Lebens wandeln.
Mit οὗν („also“) zieht der Apostel den Schluss, dass Christen, die in
den Tod Christi getauft wurden, folglich auch mit ihm begraben
wurden, damit sie, wie Christus auferstand, auch sie zum neuen
Leben, getrennt von Sünde durchdringen. Das Begräbnis ist der
Hinweis, dass der Tod eingetreten ist und leitet die Auferstehung aus
dem Grab thematisch ein. Der Zweck der Taufe ist, ein neues Leben
führen zu können, dies wird mit ἵνα („damit“) eingeleitet. Der Tod
und die Auferstehung Christi werden dadurch dem Gläubigen
43 Der Römerbrief
zugeeignet und mit der Taufe in Wasser nach außen zum Ausdruck
gebracht, das mit dem Zweck der Sünde für tot zu gelten und ein
neues Leben unter der Herrschaft Christi zu führen. Die ὥσπερὥσπερ Verbindung drückt einen Vergleich zwischen der
Auferweckung Christi und dem neuen Leben der Christen aus Mit
dem Konjunktiv περιπατήσωμεν („wir wollen/sollen wandeln“)
kommt ein modales Verhältnis zum Ausdruck, wohl eine
Verpflichtung.
6.5 Εἰ γὰρ σύμφυτοι γεγόναμεν τῷ
ὁμοιώματι τοῦ θανάτου αὐτοῦ,
ἀλλὰ καὶ τῆς ἀναστάσεως
ἐσόμεθα·
Wenn wir nämlich zusammengewachsen sind
mit der Gleichheit seines Todes, werden wir es
doch auch mit der der Auferstehung sein,
Mit γάρ („ja, nämlich“) leitet einen Beleg bzw. eine Begründung ein,
dass Christen nicht nur mit dem Tod, sondern auch mit der
Auferstehung Christi einsgemacht sind, wie es Paulus im Vers davor
deutlich machte. Εἰ („wenn“) beschreibt die Bedingung als gegeben,
sodass es in Richtung „da, weil“ tendiert. Das neue Leben ist eine
Konsequenz, dass Christen sowohl mit dem Tod als auch der
Auferstehung Christi verbunden sind, was Paulus mit σύμφυτοι
(„zusammengewachsen, zusammengepflanzt, eingepflanzt,
vereinigt“) deutlich macht, das u.a. beim Zusammenwachsen von
Wunden gebraucht wird. Vgl. auch Lysias, In Theomnestum 29.1:
„οὕτω σύμφυτος αὐτοῖς ἡ δειλία“. „So eingepflanzt ist bei ihnen die
Feigheit“. Womit die Christen vereinigt bzw. zusammengewachsen
sind, wird mit dem Dativ τῷ ὁμοιώματι τοῦ θανάτου αὑτοῦ („mit der
Gleichheit seines Todes“) angegeben, d.h. Christen haben Anteil am
Tod Christi und sind damit verbunden. Da dies anerkanntes Faktum
ist, kann Paulus darauf schließen, dass dies auch für seine
Auferstehung gilt. Die Konjunktion ἀλλὰ und καί („doch auch“) dient
der Sicherheit der Aussage und Folgerung aufgrund der Sicherheit
der vorigen. Vor dem Genitiv τῆς ἀναστάσεως („der Auferstehung“)
ist τῷ ὁμοιώματι („der Gleichheit“) elidiert, aber mit „der“ in der
Übersetzung angedeutet. Das Futur ἐσόμεθα („wir werden sein“)
44 Der Römerbrief
dient der Sicherheit der Aussage, d.h. wenn A gilt, wird auch B
gelten.
6.6 τοῦτο γινώσκοντες, ὅτι ὁ
παλαιὸς ἡμῶν ἄνθρωπος
συνεσταυρώθη, ἵνα καταργηθῇ τὸ
σῶμα τῆς ἁμαρτίας, τοῦ μηκέτι
δουλεύειν ἡμᾶς τῇ ἁμαρτίᾳ·
dies wissend, dass unser alter Mensch
mitgekreuzigt wurde, damit der Leib der
Sünde abgeschafft werden würde, sodass wir
nicht mehr der Sünde dienen.
Paulus verstärkt das Gesagte mittels einer Betonung, dass die
folgende Wahrheit bekannt ist bzw. die Leser dies bereits wissen.
Der Ausdruck ὁ παλαιὸς ἡμῶν ἄνθρωπος („unser alter Mensch“)
betont „alter“ und bezieht sich auf den Menschen, vor der
Bekehrung, der von Sünde geprägt war und daher dem Tod verfallen
war, den Christus erlitt und mit dem Christen verbunden bzw.
mitgekreuzigt sind. Mit ἵνα („damit“) wird der Zweck des
Mitgekreuzigt-Seins erklärt. Dadurch wurde der alte Mensch bzw.
der Leib, der von der Sünde geprägt war, abgeschafft. Darauf folgt
das Ziel davon, nämlich die Befreiung davon, der Sünde weiter
dienen zu müssen. Mit μηκέτι („nicht mehr“) betont der Apostel,
dass dies die Fortsetzung des Lebens in der Sünde ausschließt. Dem
alten Menschen entspricht der Leib der Sünde, wobei dies stärker
darauf abstellt, dass die Sünde im menschlichen Körper ihren Sitz
hat.
6.7 ὁ γὰρ ἀποθανὼν δεδικαίωται
ἀπὸ τῆς ἁμαρτίας.
Wer nämlich gestorben ist, ist von der Sünde
freigesprochen worden.
Paulus erweitert den Gedanken vom Vers davor, indem er erklärt,
dass Christen der Sünde nicht mehr dienen, da sie davon befreit und
losgekommen bzw. freigesprochen wurden, so wie ein Toter, der
gestorben ist, nicht mehr für Vergehen belangt werden kann, und
freigesprochen werden muss. Vgl. Sirach, 26.29 „μόλις ἐξελεῖται
ἔμπορος ἀπὸ πλημμελείας καὶ οὐ δικαιωθήσεται κάπηλος ἀπὸ
ἁμαρτίας“. „Nur schwerlich bleibt ein Kaufmann frei von Schuld,
noch kann ein Händler von Sünde freigesprochen werden“.
45 Der Römerbrief
6.8 Εἰ δὲ ἀπεθάνομεν σὺν χριστῷ,
πιστεύομεν ὅτι καὶ συζήσομεν
αὐτῷ·
Wenn wir nun mit Christus starben, glauben
wir, dass wir auch mit ihm leben werden,
Die Subjunktion εἰ („wenn“) leitet eine wahre Aussage ein, die
gegeben ist. Mit δὲ („nun“) erweitert Paulus den Gedanken vom
Vers davor, d.h. dass Christen freigesprochen werden, da sie
gestorben sind, womit Paulus das Mitgekreuzigt-Sein mit Christus
meint. Davon ausgehend folgert Paulus wieder, dass wir auch mit
ihm leben werden. Christen leben in diesem Leben und ihm
kommenden mit Christus.
6.9 εἰδότες ὅτι χριστὸς ἐγερθεὶς ἐκ
νεκρῶν οὐκέτι ἀποθνῄσκει·
θάνατος αὐτοῦ οὐκέτι κυριεύει.
wissend, dass Christus, aus (den) Toten
auferweckt worden, nicht mehr stirbt. (Der)
Tod beherrscht ihn nicht mehr.
Paulus begründet seine Aussage, dass wir mit Christus leben, mit
dem, was er und die Leser wissen, nämlich, dass Christus nicht mehr
sterben wird, nachdem er auferweckt wurde und so der Tod keine
Macht mehr über ihn ausüben kann. Man kann ja nicht mit einem
Toten zusammen leben. Der letzte Satz ist eine Wiederholung des
vorigen, nur in anderen Worten.
6.10 Ὃ γὰρ ἀπέθανεν, τῇ ἁμαρτίᾳ
ἀπέθανεν ἐφάπαξ· ὃ δὲ ζῇ, ζῇ τῷ
θεῷ.
Was er nämlich starb, starb er für die Sünde
ein für alle Mal. Was er nun lebt, lebt er für
Gott.
Ὃ („was“) kann adverbial aufgefasst werden, d.h. indem/als er starb,
tat er dies, um die Sünde abzuschaffen. Mit γὰρ („nämlich“) erklärt
Paulus, warum Christus starb, nämlich um die Sünde ein für alle Mal
zu besiegen. Mit ἐφάπαξ („ein für alle Mal“) zeigt der Autor an, dass
der Tod Christi einmal stattfand und nie wieder zu wiederholen sei.
Nach seiner Auferstehung lebt er für Gott.
6.11 Οὕτως καὶ ὑμεῖς λογίζεσθε
ἑαυτοὺς νεκροὺς μὲν εἶναι τῇ
ἁμαρτίᾳ, ζῶντας δὲ τῷ θεῷ ἐν
χριστῷ Ἰησοῦ τῷ κυρίῳ ἡμῶν.
So auch ihr: Haltet euch selbst zwar (dafür),
dass ihr für die Sünde tot seid, für Gott aber
lebendig (seid) in Christus Jesus, unserem
Herrn!
Paulus wendet nun den Tod und die Auferstehung Christi auf die
Leser an, die sich nun für tot der Sünde gegenüber und lebendig für
Gott halten sollen. Mit οὕτως („so“) kommt Paulus vom Werk Christi
auf die Anwendung durch seine Leser. Mit λογίζομαι („haltet euch
(dafür)“) fordert Paulus auf, wie sich die Leser selbst betrachten
sollen, nämlich der Sünde gegenüber für tot, Gott gegenüber aber
für lebendig. Dies geschieht in der Verbindung mit Christus.
46 Der Römerbrief
6.12 Μὴ οὖν βασιλευέτω ἡ
ἁμαρτία ἐν τῷ θνητῷ ὑμῶν
σώματι, εἰς τὸ ὑπακούειν αὐτῇ ἐν
ταῖς ἐπιθυμίαις αὐτοῦ·
Es soll also die Sünde nicht in eurem
sterblichen Leib regieren, sodass er ihr in
seinen Begierden gehorche.
Von diesem Vers bis zu Vers 23 beschreibt Paulus, dass die Befreiung
dazu führt, dass Christen Gott dienen können. Mit οὗν („also“) zieht
Paulus eine Schussfolgerung daraus, dass Christen der Sünde
gestorben sind und Gott dienen sollen. In diesem Vers gebraucht
Paulus βασιλευέτω („es soll regieren“), in Vers 14 ein vergleichbares
Wort κυριεύσει („es wird herrschen“). Das erste Verb ist mit dem
Gehorsam des Körpers verbunden, den die Sünde von ihm fordert.
Das zweite Verb meint eher, dass die Sünde nicht mehr die
Herrschaft innehat, sondern die Leser vom Gesetz befreit sind, da sie
unter der Gnade leben. Beide Begriffe sagen jedoch aus, dass die
Sünde keine Autorität mehr hat, wenn die Leser an Christus glauben,
und sie so deren Herrschaftsbereich verlassen haben, sodass die
Gemeinsamkeiten wohl eher mehr als die Unterschiede sind. Mit
αὐτῇ („ihr“) referenziert Paulus die Sünde, der der Leib und seine
Begierden nicht mehr gehorcht werden soll.
6.13 μηδὲ παριστάνετε τὰ μέλη
ὑμῶν ὅπλα ἀδικίας τῇ ἁμαρτίᾳ·
ἀλλὰ παραστήσατε ἑαυτοὺς τῷ
θεῷ ὡς ἐκ νεκρῶν ζῶντας, καὶ τὰ
μέλη ὑμῶν ὅπλα δικαιοσύνης τῷ
θεῷ.
Noch stellt eure Glieder als Werkzeuge (der)
Ungerechtigkeit für die Sünde bereit, sondern
stellt euch für Gott als Lebende aus (den)
Toten bereit, und eure Glieder als Werkzeuge
(der) Gerechtigkeit für Gott!
Paulus erweitert die Aufforderung um einen weiteren Punkt, der
den Vers davor anders formuliert bzw. wie dies konkret aussehen
kann. Dabei kommt er vom ganzen Leib auf dessen einzelne Glieder.
Mit ὅπλα („Werkzeuge, Instrumente, Waffen“) kommt zum
Ausdruck, dass die Glieder des Leibes, z.B. die Hand, ausführende
Organe einer höheren Sache sind, entweder, um Unrecht oder
Sünde zu tun, oder um Gott zu dienen, wozu Paulus auch aufruft.
Paulus spricht die Leser als Personen an, die von den Menschen, die
tot in Sünden sind, zum Glauben fanden und somit lebendig wurden,
sodass sie Gott dienen können.
47 Der Römerbrief
6.14 Ἁμαρτία γὰρ ὑμῶν οὐ
κυριεύσει· οὐ γάρ ἐστε ὑπὸ νόμον,
ἀλλ᾽ ὑπὸ χάριν.
Denn Sünde wird euch nicht beherrschen. Ihr
seid ja nicht unter Gesetz, sondern unter
Gnade.
Mit γάρ („denn“) begründet Paulus den Aufruf aus den vorigen
Versen, nämlich Gott zu dienen und nicht der Sünde. Dies begründet
Paulus damit, dass die Leser unter Gnade und nicht unter Gesetz
sind. Erst die Gnade ermöglichte die Freiheit von der Sünde, das
Gesetz war dazu nicht in der Lage.
6.15 Τί οὖν; Ἁμαρτήσομεν, ὅτι οὐκ
ἐσμὲν ὑπὸ νόμον, ἀλλ᾽ ὑπὸ χάριν;
Μὴ γένοιτο.
Was nun? Sollen wir sündigen, weil wir nicht
unter Gesetz sind, sondern unter Gnade? Das
kann nicht sein!
Von hier bis 7.6 bespricht Paulus die Frage, ob man sündigen könne,
weil man ja unter Gnade ist, wo diese vergeben werden kann. Τί οὖν
(„was nun“ bzw. „bedeutet das also“) ist eine falsche und nun
angenommene Folgerung aus dem Bisherigen.
6.16 Οὐκ οἴδατε ὅτι ᾧ παριστάνετε
ἑαυτοὺς δούλους εἰς ὑπακοήν,
δοῦλοί ἐστε ᾧ ὑπακούετε, ἤτοι
ἁμαρτίας εἰς θάνατον, ἢ ὑπακοῆς
εἰς δικαιοσύνην;
Wisst ihr nicht, dass ihr (für) den, dem ihr
euch selbst als Sklaven zum Gehorsam
bereitstellt, Sklaven seid, dem ihr gehorcht,
entweder der (der) Sünde zum Tod oder der
(des) Gehorsams zur Gerechtigkeit?
Paulus appelliert mit einer rhetorischen Frage an das Wissen der
Leser, das ihnen klarmachen müsste, dass man der Sklave ist, wem
man gehorcht. Gehorcht man weiter der Sünde, ist man deren
Sklave. Dies führt εἰς θάνατον („zum Tod“), d.h. wenn jemand der
Sünde dient, wird er den ewigen Tod erleiden bzw. in der Sünde
sterben. Die allgemeine Aussage konkretisiert Paulus dann, indem er
das Prinzip auf den Dienst für die Sünde oder für die Gerechtigkeit
anwendet.
6.17 Χάρις δὲ τῷ θεῷ, ὅτι ἦτε
δοῦλοι τῆς ἁμαρτίας, ὑπηκούσατε
δὲ ἐκ καρδίας εἰς ὃν παρεδόθητε
τύπον διδαχῆς·
Gott nun (sei) Dank, dass ihr Sklaven der
Sünde wart, aber von Herzen gehorchtet,
wozu ihr übergeben wurdet, (dem) Ausdruck
an Lehre.
Die Diskurs-Relation zwischen dem ersten und dem zweiten Satz ist
konzessiv: Obwohl die Leser einst Sklaven waren, wurden sie einem
neuen Herrn gehorsam, nämlich der Lehre Christi. Mit τύπος („Typ,
Muster, Form, Standard, Ausdruck, Abbild“) bzw. τύπον διδαχῆς
(„Muster an Lehre“) kommt zum Ausdruck, dass die Leser dem
Evangelium als neuem Muster bzw. Standard an Lehre gehorchten,
nicht mehr der Sünde. Der Relativsatz εἰς ὃν παρεδόθητε („wozu ihr
übergeben wurdet“) stellt darauf ab, dass sie einem neuen Herrn
unterstellt und ihm übergeben wurden, dies fand unter dem Einfluss
der christlichen Predigt statt, indem sie sich Christus bzw. seiner
48 Der Römerbrief
Lehre unterwarfen. Vgl. Didache 4.11 „ὑμεῖς δὲ οἱ δοῦλοι
ὑποταγήσεσθε τοῖς κυρίοις ὑμῶν ὡς τύπῳ θεοῦ ἐν αἰσχύνῃ καὶ
φόβῳ“. „Ihr Sklaven nun unterwerft euch euren Herrn als Typus
Gottes in Beschämung und Furcht“. Mit τύπον διδαχῆς („Ausdruck
an Lehre“) deutet Paulus an, dass das, was Gott die Leser lehren will,
sich in den Lehren Christi widerspiegelt bzw. ausdrückt und zeigt.
Der Wille Gottes, dem die Leser nun dienen, drückt sich demnach in
der Lehre aus, die die Leser übernommen haben.
6.18 ἐλευθερωθέντες δὲ ἀπὸ τῆς
ἁμαρτίας, ἐδουλώθητε τῇ
δικαιοσύνῃ.
Von der Sünde nun befreit, wurdet ihr der
Gerechtigkeit dienstbar.
Paulus nennt einen weiteren Punkt und bleibt weiterhin bei der
Metapher des Sklaverei, indem er mittels einer Passivform durch
ἐλευθερωθέντες („befreit“), die Gott als Akteur nicht nennt, dass
Christen von der Sünde befreit nun Diener der Gerechtigkeit werden
konnten. Auch ἐδουλώθητε („ihr wurdet dienstbar“) ist eine Form
im Passiv, die den Akteur, sicher Gott, nicht nennt.
6.19 Ἀνθρώπινον λέγω διὰ τὴν
ἀσθένειαν τῆς σαρκὸς ὑμῶν·
ὥσπερ γὰρ παρεστήσατε τὰ μέλη
ὑμῶν δοῦλα τῇ ἀκαθαρσίᾳ καὶ τῇ
ἀνομίᾳ εἰς τὴν ἀνομίαν, οὕτως νῦν
παραστήσατε τὰ μέλη ὑμῶν δοῦλα
τῇ δικαιοσύνῃ εἰς ἁγιασμόν.
Ich rede (nach) menschlicher (Weise) wegen
der Schwachheit eures Fleisches. Wie ihr ja
eure Glieder für die Unreinheit dienstbar
bereitstelltet und für die Gesetzlosigkeit zu
Gesetzlosigkeit, so stellt nun eure Glieder als
für die Gerechtigkeit dienstbar zu Heiligung
bereit!
Paulus macht nun klar, dass er die Analogie mit der Sklaverei daher
benutzt, um der schwachen Auffassungsgabe bei diesen
Zusammenhängen Rechnung zu tragen. Er drückt sich in dieser
menschlichen Weise aus, da das Fleisch der Leser schwach ist, die
geistlichen Zusammenhänge sonst verstehen zu können. Dies ist also
ein Metakommentar, der deutlich machen soll, warum Paulus sich
so ausdrückt. Der zweite Satz dieses Verses leitet zu einer
Aufforderung mittels des Imperativs παραστήσατε („stellt bereit“)
über. Dabei benutzt Paulus einen Vergleich zum alten Leben der
Leser: So wie sie vor ihrer Bekehrung unreine Dinge taten und gegen
die Vorschriften Gottes lebten, so soll es nun nach ihrer Bekehrung
so sein, dass sie ihre Glieder benutzen, um gerecht zu leben, das das
Ziel hat, heilig zu sein. D.h. indem die Leser gerecht leben, verfolgen
sie das göttliche Ziel, für Gott abgesondert und heilig zu sein. Der
49 Der Römerbrief
Ausgang des Vergleichs wird mit ὥσπερ („wie“) eingeleitet. Dabei ist
das zweifache Vorkommen vom Neutrum im Plural δοῦλα
(„versklavt, dienstbar“) ein Adjektiv (und kein Nomen), das mit μέλη
(„Glieder“) kongruiert, sodass dies nicht mit „Sklave“ übersetzt
werden kann. Die Phrase εἰς τὴν ἀνομίαν („zur Gesetzlosigkeit“)
zeigt das Ziel an, d.h. durch das Ausüben dessen, was gegen Gottes
Gesetz ist, kommt es zu weiteren Gesetzlosigkeiten.
6.20 Ὅτε γὰρ δοῦλοι ἦτε τῆς
ἁμαρτίας, ἐλεύθεροι ἦτε τῇ
δικαιοσύνῃ.
Denn als ihr Diener der Sünde wart, wart ihr
Freie hinsichtlich der Gerechtigkeit.
Von diesem bis zu Vers 22 fügt Paulus weitere Gründe für den Appell
in Vers 19 zur Bereitstellung der Glieder zur Gerechtigkeit an. Dies
leitet er mit γὰρ („denn“) ein, um zunächst einen Kontrast
aufzuzeigen, das Leben in Sünde, das in Vers 22 dem Dienst für Gott
gegenübersteht. Der Dativ τῇ δικαιοσύνῃ („hinsichtlich der
Gerechtigkeit“) zeigt den Bezug an, in welcher Hinsicht die Leser als
Diener der Sünde befreit waren, nämlich von der Gerechtigkeit, d.h.
sie dienten der Sünde und nicht der Gerechtigkeit.
6.21 Τίνα οὖν καρπὸν εἴχετε τότε
ἐφ᾽ οἷς νῦν ἐπαισχύνεσθε; Τὸ γὰρ
τέλος ἐκείνων θάνατος.
Welche Frucht wart ihr also damals habend?
Worüber ihr euch jetzt schämt! Denn das
Ergebnis jener (Dinge ist der) Tod.
Mit οὖν („also“) folgert Paulus, dass das Leben in der
Ungerechtigkeit Konsequenzen hatte. Paulus stellt dazu eine Frage,
die er im zweiten Satz beantwortet. Das Ergebnis des Lebens in der
Sünde waren schändliche Dinge, wie die Leser es selbst empfinden.
Der letzte Satz begründet die Antwort des zweiten und kontrastiert
τότε („damals“) und νῦν („jetzt“). Die Leser schämten sich ihrer
Schandtaten, da diese den Tod zur Folge hatten. Mit ἐκείνων
(„jener“) bezieht sich Paulus auf die schändlichen Dinge, die die
Frucht des Lebens in der Sünde waren.
6.22 Νυνὶ δὲ ἐλευθερωθέντες ἀπὸ
τῆς ἁμαρτίας, δουλωθέντες δὲ τῷ
θεῷ, ἔχετε τὸν καρπὸν ὑμῶν εἰς
Jetzt aber, freigemacht von der Sünde, Gott
aber dienstbar geworden, habt ihr eure Frucht
Nun kommt Paulus auf die zweite Seite des Kontrastes, die er mit δὲ
(„aber“) kennzeichnet und mit νυνὶ („jetzt“) auf die gegenwärtige
Lage als Gläubige bezieht. Wie der Dienst für die Sünde zum ewigen
50 Der Römerbrief
ἁγιασμόν, τὸ δὲ τέλος ζωὴν
αἰώνιον.
zur Heiligkeit. Das Ergebnis aber (ist) ewiges
Leben.
Tod und zur Schändlichkeit führte, so führt ihr jetziges Leben zum
Gegenteil davon, nämlich zur Heiligkeit und nicht zur Verdammnis,
sondern zum ewigen Leben.
6.23 Τὰ γὰρ ὀψώνια τῆς ἁμαρτίας
θάνατος, τὸ δὲ χάρισμα τοῦ θεοῦ
ζωὴ αἰώνιος ἐν χριστῷ Ἰησοῦ τῷ
κυρίῳ ἡμῶν.
Der Lohn der Sünde (ist) ja (der) Tod, die
Gnadengabe Gottes aber ewiges Leben in
Christus Jesus, unserem Herrn.
In diesem Vers fasst Paulus alles bisher Gesagte noch einmal
zusammen. Mit γὰρ („ja“) verdeutlicht Paulus diesen
zusammenfassenden Vers als starke zusammenfassende Aussage. Es
stehen sich ὀψώνια („Lohn“) und χάρισμα („Gnadengabe“)
gegenüber, d.h. die Sünde zahlt sich schlimm aus, dass man den
ewigen Tod erleidet. Gott hingegen schenkt ewiges Leben. Dieses
Leben ist in Christus zu finden, wie es die Präposition ἐν („in“) zeigt.
7.1 Ἢ ἀγνοεῖτε, ἀδελφοί
γινώσκουσιν γὰρ νόμον λαλῶ ὅτι ὁ
νόμος κυριεύει τοῦ ἀνθρώπου ἐφ᾽
ὅσον χρόνον ζῇ;
Oder seid ihr unwissend, Brüder, - zu denen
ein Gesetz Kennenden spreche ich ja, - dass
das Gesetz den Menschen beherrscht, über so
lange Zeit, (wie) er lebt?
Paulus setzt nun seine Verteidigung der Folgen der Rechtfertigung
aus Glauben ab nun wieder fort, indem er bis zu Vers 3 den
Grundsatz wiederholt und in den Versen 4-6 anwendet, nämlich,
dass Christen vom Gesetz frei sind, um Christus zu dienen. Paulus
definiert, zu wem er redet, nämlich zu denen, die die Grundsätze
von Gesetzen kennen. Diese sind hier allgemein und nicht nur auf
das des Mose anwendbar. Ein Gesetz gilt nur solange jemand lebt,
ist er tot, ist jedes Gesetz nicht mehr anwendbar. Die Frage ist mit
„nein“ zu beantworten, da solche Binsenweisheiten jeder wissen
kann.
7.2 Ἡ γὰρ ὕπανδρος γυνὴ τῷ ζῶντι
ἀνδρὶ δέδεται νόμῳ· ἐὰν δὲ
ἀποθάνῃ ὁ ἀνήρ, κατήργηται ἀπὸ
τοῦ νόμου τοῦ ἀνδρός.
Die Frau unter einem Mann ist ja an den
lebenden Mann durch ein Gesetz gebunden.
Wenn aber der Mann stirbt, ist sie vom Gesetz
(bezüglich) des Manns gelöst.
Den Grundsatz wendet Paulus auf ein konkretes Beispiel an, nämlich
das einer Ehe, das er mit γὰρ („ja“) einleitet. Eine Frau ist an den
Mann gebunden, solange er lebt. Ist er tot, ist die Verbindung gelöst.
Der Ausdruck ἀπὸ τοῦ νόμου τοῦ ἀνδρός („vom Gesetz (bezüglich)
des Mannes“) beschreibt das Gesetz, das das Verhältnis zum Mann
51 Der Römerbrief
regelt. Vgl. Leviticus 14.57 ὁ νόμος τῆς λέπρας („das Gesetz über
den Aussatz“).
7.3 Ἄρα οὖν ζῶντος τοῦ ἀνδρὸς
μοιχαλὶς χρηματίσει, ἐὰν γένηται
ἀνδρὶ ἑτέρῳ· ἐὰν δὲ ἀποθάνῃ ὁ
ἀνήρ, ἐλευθέρα ἐστὶν ἀπὸ τοῦ
νόμου, τοῦ μὴ εἶναι αὐτὴν
μοιχαλίδα, γενομένην ἀνδρὶ
ἑτέρῳ.
Sie heißt also nun, solange der Mann lebt,
Ehebrecherin, wenn sie eines anderen
Mannes wird. Wenn aber der Mann stirbt, ist
sie vom Gesetz frei, sodass sie keine
Ehebrecherin ist, wenn sie eines anderen
Mannes wurde.
Paulus verdeutlicht die Angelegenheit, indem er die Konsequenzen
des Gesetzesverstoßes zu Lebezeiten des Mannes erwähnt. Nimmt
sich die Frau einen anderen Mann, ist sie eine Ehebrecherin. Dies ist
nach dem Tod ihres Mannes nicht mehr der Fall, da das Gesetz
durch den Tod nicht mehr in Kraft ist, sodass sie das Gesetz nicht
übertritt.
7.4 Ὥστε, ἀδελφοί μου, καὶ ὑμεῖς
ἐθανατώθητε τῷ νόμῳ διὰ τοῦ
σώματος τοῦ χριστοῦ, εἰς τὸ
γενέσθαι ὑμᾶς ἑτέρῳ, τῷ ἐκ
νεκρῶν ἐγερθέντι, ἵνα
καρποφορήσωμεν τῷ θεῷ.
Daher, meine Brüder, wurdet auch ihr dem
Gesetz getötet durch den Leib Christi, sodass
ihr eines anderen wurdet, dem aus Toten
Erweckten, damit wir Gott Frucht brächten.
Paulus wendet den bekannten Grundsatz nun auf die Frage des
Gesetzes und der Gnade an. Christen sind wie die Ehefrau nicht
mehr dem Gesetz verpflichtet, so konnten sie, wie die Frau einen
neuen Mann haben konnte, vom Gesetz befreit, zu Christus
kommen, da durch seinen Tod das mosaische Gesetz außer Kraft
kam.
7.5 Ὅτε γὰρ ἦμεν ἐν τῇ σαρκί, τὰ
παθήματα τῶν ἁμαρτιῶν τὰ διὰ
τοῦ νόμου ἐνηργεῖτο ἐν τοῖς
μέλεσιν ἡμῶν εἰς τὸ
καρποφορῆσαι τῷ θανάτῳ.
Als wir nämlich im Fleisch waren, waren die
Leidenschaften der Sünden wirkend, die durch
das Gesetz (hervorkamen) in unseren
Gliedern, sodass wir dem Tod Frucht brachten.
Mit γὰρ („nämlich“) leitet Paulus keine Begründung zum Vers davor
ein, sondern erweitert ihn. Im unbekehrten Zustand bewirkte das
Gesetz, dass die sündigen Leidenschaften ans Licht kamen und
dauerhaft bewirkt wurden, wie das Imperfekt ἐνηργεῖτο („sie/er war
am Wirken“) deutlich macht. Die Form ist Singular, da es sich auf ein
Neutrum im Plural τὰ παθήματα („die Leidenschaften“) bezieht. Die
Folge dessen war, dass man sich Gründe anhäufte, die zum ewigen
Tod geführt hätten. Dabei wird der Tod personifiziert.
7.6 Νυνὶ δὲ κατηργήθημεν ἀπὸ
τοῦ νόμου, ἀποθανόντες ἐν ᾧ
κατειχόμεθα, ὥστε δουλεύειν
Jetzt aber wurden wir vom Gesetz losgemacht, Paulus kontrastiert den vorigen Vers mittels νυνὶ δὲ („jetzt aber“),
gestorben, worin wir festgehalten waren,
d.h. er stellt dem alten Leben in der Sünde das vom Gesetz befreite
gegenüber. Das Gesetz wird als etwas beschrieben, von dem man
losgemacht werden musste, um den Ansprüchen nicht mehr
52 Der Römerbrief
ἡμᾶς ἐν καινότητι πνεύματος, καὶ
οὐ παλαιότητι γράμματος.
sodass wir Diener in Neuheit (des) Geistes sind gehorchen zu müssen, bzw. etwas, das wie ein Gefängnis jemand
festhalten kann. Wie ein Gestorbener nicht mehr durch ein
und nicht (im) Alten (des) Buchstabens.
Gefängnis wie das Gesetz festgehalten werden kann, konnten die
Leser neu anfangen und durch den Geist Gottes dienen und nicht
mehr dem alten und bisherigen Gesetz bzw. dessen Vorschriften, die
in Buchstaben zu erfüllen waren.
7.7 Τί οὖν ἐροῦμεν; Ὁ νόμος
ἁμαρτία; Μὴ γένοιτο· ἀλλὰ τὴν
ἁμαρτίαν οὐκ ἔγνων, εἰ μὴ διὰ
νόμου· τήν τε γὰρ ἐπιθυμίαν οὐκ
ᾔδειν, εἰ μὴ ὁ νόμος ἔλεγεν, Οὐκ
ἐπιθυμήσεις·
Was sollen wir also sagen? (Ist) das Gesetz
Sünde? Das kann nicht sein! Doch die Sünde
erkannte ich nicht, außer durch Gesetz. Und
so hätte ich Begierde ja nicht gekannt, wenn
nicht das Gesetz sagend war: Du sollst nicht
begehren!
Mittels einer rhetorischen Frage, widerlegt Paulus falsche Schlüsse,
die daraus entstehen konnten, dass man meinen könnte, dass
Gesetz selbst ist Sünde, da es diese ans Tageslicht bringt. Das Gesetz
war also kein Fehler Gottes in der Geschichte oder etwas Falsches.
Denn es diente dazu die Sünde für die Juden erkennbar zu machen.
Dadurch, dass es Sünde verboten hatte, kam diese, da sie da ist, zum
Vorschein, sodass es die Menschen erkennen konnten. Paulus gibt
ein Beispiel dafür, nämlich das der Begierde. Dieses leitet er mit τε
(„und so“) ein. Er erkannte seine Begierden, als er auf das Gebot
traf, das diese verbot.
7.8 ἀφορμὴν δὲ λαβοῦσα ἡ
ἁμαρτία διὰ τῆς ἐντολῆς
κατειργάσατο ἐν ἐμοὶ πᾶσαν
ἐπιθυμίαν· χωρὶς γὰρ νόμου
ἁμαρτία νεκρά.
Die Sünde, einen Impuls nun durch das Gebot
bekommen habend, bewirkte in mir jede
Begierde. Ohne Gesetz (ist) Sünde nämlich tot.
Paulus erklärt nun, immer noch zur Widerlegung, dass das Gesetz
nichts Falsches war, wie es funktionierte. Indem das Gebot an ihn
herantrat, bewirkte es in ihm genau das, was es verboten hatte,
nämlich, man soll nicht begehren. Das Gebot „du sollst nicht“ war
die Ursache, dass Paulus die Sünde in sich erkannte, die genau das
Verbotene in ihm bewirkte. Durch das Gebot wurde der Sünde ein
Impuls gegeben, sich als solche zu zeigen. Das Wort ἀφορμή wird
aus ἀπό („von her“) und ὁρμή („Angriff, Ansatz, Impuls, Wunsch,
Neigung“) gebildet und bedeutet „Mittel zur Erreichung eines
militärischen Zwecks“ bzw. „Basis für Operationen“,
„Ausgangspunkt“ und in der Rhetorik „Grundlage für Argumente“.
53 Der Römerbrief
Vgl. Valerius Apsines, Ars rhetorica 362.22: „ἐκ τούτου ἔσχεν
ἀφορμὴν τῆς λύσεως“. „Daraus haben wir eine Begründung der
Lösung“. Vgl. Lucianus, Rhetorum praeceptor 18.2: “Ἐπειδὰν δὲ καὶ
δέῃ λέγειν καὶ οἱ παρόντες ὑποβάλωσί τινας ὑποθέσεις καὶ
ἀφορμὰς τῶν λόγων, παντα μὲν ὁπόσα ἂν ᾖ δυσχερῆ, ψεγέσθω“.
„Dann aber, wenn du auch reden musst, und die Anwesenden
bestimmte Hypothesen und Begründungen ihrer Reden vorschlagen,
solltest du alle, sollten sie schwer handhabbar sein, zensieren“. Zur
genauen Verbalphrase vgl. Polybius, Historiae 1.79,11:“ λαβόμενος
δὲ τῆς ἀφορμῆς ταύτης ὁ Σπένδιος πρῶτον μὲν παρεκάλει μὴ
πιστεύειν τὴν ὑπὸ τοῦ στρατηγοῦ τοῦ τῶν Καρχηδονίων
γεγενημένην φιλανθρωπίαν πρὸς τοὺς αἰχμαλώτους“. „Diesen
(Brief) als Anlass nehmend, ermahnte Spendius zuerst, kein
Vertrauen in die Menschenliebe des karthagischen Generals
gegenüber den Kriegsgefangenen zu setzen“. Dito 3.32,7:
„θεωροῦμεν δὲ τὸν μὲν Ἀντιοχικὸν πόλεμον ἐκ τοῦ Φιλιππικοῦ τὰς
ἀφορμὰς εἰληφότα“. „Wir sehen, dass die Impulse zum
antiochischen Kriege vom philippischen gekommen sind“. Die Sünde
wurde, wie es der letzte Satz deutlich macht, durch das Gebot erst
zum Leben erweckt.
7.9 Ἐγὼ δὲ ἔζων χωρὶς νόμου ποτέ·
ἐλθούσης δὲ τῆς ἐντολῆς, ἡ
ἁμαρτία ἀνέζησεν, ἐγὼ δὲ
ἀπέθανον·
Ich nun war vorher ohne Gesetz lebend. Als
das Gebot aber kam, lebte die Sünde auf, ich
aber starb.
Mit ποτέ („vorher“) beschreibt der Apostel seine Erfahrungen, bevor
er sich mit den Geboten befasste. Bevor er damit zu tun hatte, lebte
die Sünde nicht auf. Als dies geschah, wusste Paulus, das er sterben
musste bzw. tot war für Gott, da er die Gebote übertreten hatte.
Mittels des Genitivus absolutus ἐλθούσης τῆς ἐντολῆς („das Gebot
gekommen/als das Gebot kam“) kann Paulus die Subjekte von
Neben- und Hauptsatz auseinanderhalten (Gebot bzw. Sünde), d.h.
das Gebot bewirkte das Aufleben der Sünde.
54 Der Römerbrief
7.10 καὶ εὑρέθη μοι ἡ ἐντολὴ ἡ εἰς
ζωήν, αὕτη εἰς θάνατον·
Und es wurde von mir das Gebot zum Leben, (eben) dieses als zum Tod befunden.
Paulus wollte durch das Halten der Gebote ewiges Leben erhalten.
Als er es versuchen wollte einzuhalten, erkannte er, dass es ihm den
Tod brachte, d.h. zeigte, dass er tot für Gott ist, da er es übertrat.
Das Pronomen αὕτη („(eben) dieses“) zeigt durch die
Linksversetzung die Betonung und den Kontrast an. Genau das
Gebot, das mir Leben bringen sollte, brachte mir den Tod.
7.11 ἡ γὰρ ἁμαρτία ἀφορμὴν
λαβοῦσα διὰ τῆς ἐντολῆς
ἐξηπάτησέν με, καὶ δι᾽ αὐτῆς
ἀπέκτεινεν.
Denn die Sünde, einen Impuls durch das
Gebot bekommen habend, betrog mich und
tötete (mich) durch dasselbe.
Mit γὰρ („denn“) begründet Paulus, warum das Gebot, durch das er
leben wollte, ihm den Tod brachte. Paulus fühlte sich dabei von der
Sünde betrogen, indem sie Paulus versprach, er könnte sie durch das
Gesetz bezwingen und ewig leben, stattdessen musste er erkennen,
dass er nicht leben könne, sondern sterben müsste, wie ihm das
Gebot deutlich machte. Mit δι᾽ αὐτῆς („durch dasselbe“) bezieht sich
Paulus auf das Gebot, durch das er einsehen musste, dass er dem
Tod verfallen ist.
7.12 Ὥστε ὁ μὲν νόμος ἅγιος, καὶ
ἡ ἐντολὴ ἁγία καὶ δικαία καὶ
ἀγαθή.
Somit (ist) das Gesetz ja heilig. Und das Gebot
heilig und gerecht und gut.
Nachdem Paulus nun die Auffassung widerlegte, dass das Gesetz
falsch ist, fasst er nun sein Ergebnis mittels ὥστε („somit/daher“)
zusammen. Weder das Gesetz als Ganzheit, noch das Gebot als
Detail sind falsch, sondern heilig und zeigen, was heilig und gerecht
und gut vor Gott ist. Das Gesetz hebt Paulus durch ὁ μὲν
(„einerseits“) vom Gebot ab, das er nicht eigens markiert.
7.13 Τὸ οὖν ἀγαθὸν ἐμοὶ γέγονεν
θάνατος; Μὴ γένοιτο. Ἀλλὰ ἡ
ἁμαρτία, ἵνα φανῇ ἁμαρτία, διὰ
τοῦ ἀγαθοῦ μοι κατεργαζομένη
θάνατον ἵνα γένηται καθ᾽
ὑπερβολὴν ἁμαρτωλὸς ἡ ἁμαρτία
διὰ τῆς ἐντολῆς.
Wurde mir also das Gute zum Tod? Es ist
unmöglich! Doch die Sünde, damit sie als
Sünde erscheine, bewirkte mir durch das Gute
(den) Tod, damit die Sünde übermäßig sündig
würde durch das Gebot.
Von hier bis Vers 25 beschreibt Paulus das Leben unter dem Gesetz.
Er greift das Motiv des Guten aus dem Satz davor auf. Wenn das
Gesetz und das Gebot gut ist, wieso führt es dann zum Tod? Ἀλλὰ
(„doch, aber, sondern“) markiert den Kontrast zum guten Gesetz. Es
bewirkte nicht den Tod, sondern machte die Sünde erkennbar, denn
durch das Gebot wird die Sünde als übermäßig falsch und sündig
erkannt.
55 Der Römerbrief
7.14 Οἴδαμεν γὰρ ὅτι ὁ νόμος
πνευματικός ἐστιν· ἐγὼ δὲ
σαρκικός εἰμι, πεπραμένος ὑπὸ
τὴν ἁμαρτίαν.
Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist.
Ich aber bin fleischlich, unter die Sünde
verkauft.
Mit γὰρ („denn“) begründet Paulus, warum das Gesetz gut ist, da es
geistlich ist, d.h. vom Geist Gottes kommt. Paulus hingegen ist
fleischlich, als ob er wie ein Sklave unter die Sünde verkauft wurde.
7.15 Ὃ γὰρ κατεργάζομαι, οὐ
γινώσκω· οὐ γὰρ ὃ θέλω, τοῦτο
πράσσω· ἀλλ᾽ ὃ μισῶ, τοῦτο ποιῶ.
Was ich nämlich bewirke, erkenne ich nicht
(an). Nicht das, was ich will, tue ich nämlich,
sondern das, was ich hasse, mache ich.
Die Konjunktion γάρ („nämlich“) erklärt die Gründe, warum Paulus
unter die Sünde verkauft ist und ihr Sklave war. Was die Sünde in
ihm hervorbringt, erkennt er nicht als richtig an, sondern er hasst es.
7.16 Εἰ δὲ ὃ οὐ θέλω, τοῦτο ποιῶ,
σύμφημι τῷ νόμῳ ὅτι καλός.
Wenn ich nun das, was ich nicht will, mache,
stimme ich dem Gesetz zu, dass es richtig (ist).
Paulus und das Gesetz haben die gleiche Auffassung, nämlich, dass
Sünde falsch ist.
7.17 Νυνὶ δὲ οὐκέτι ἐγὼ
κατεργάζομαι αὐτό, ἀλλ᾽ ἡ
οἰκοῦσα ἐν ἐμοὶ ἁμαρτία.
Jetzt aber bewirke nicht mehr ich es, sondern
die in mir wohnende Sünde.
Νυνὶ („jetzt“) kann pragmatisch mit „da dies so ist“ umschrieben
werden und setzt logisch an 7.15f an.
7.18 Οἶδα γὰρ ὅτι οὐκ οἰκεῖ ἐν
ἐμοί, τοῦτ᾽ ἔστιν ἐν τῇ σαρκί μου,
ἀγαθόν· τὸ γὰρ θέλειν παράκειταί
μοι, τὸ δὲ κατεργάζεσθαι τὸ καλὸν
οὐχ εὑρίσκω.
Ich weiß nämlich, dass in mir, dies ist in
meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt. Das
Wollen ist ja bei mir vorhanden, das Bewirken
aber des Richtigen finde ich nicht.
Mit γὰρ („nämlich“) erklärt Paulus die Aussage davor, da er weiß,
dass in ihm nichts Gutes wohnt. Das zweite γὰρ („ja“) ist eine
emphatische Aussage, die keine Begründung liefert, sondern eine
Feststellung einleitet, von der Paulus überzeugt ist.
7.19 Οὐ γὰρ ὃ θέλω, ποιῶ ἀγαθόν·
ἀλλ᾽ ὃ οὐ θέλω κακόν, τοῦτο
πράσσω.
Nicht Gutes, das ich will, mache ich ja,
sondern Schlechtes, das ich nicht will, das tue
ich.
Mittels γὰρ („ja“) wiederholt Paulus die Aussage vom Satz davor in
anderen Worten.
7.20 Εἰ δὲ ὃ οὐ θέλω ἐγώ, τοῦτο
ποιῶ, οὐκέτι ἐγὼ κατεργάζομαι
αὐτό, ἀλλ᾽ ἡ οἰκοῦσα ἐν ἐμοὶ
ἁμαρτία.
Wenn ich nun das, was ich nicht will, mache,
bewirke nicht mehr ich es, sondern die in mir
wohnende Sünde.
Εἰ („wenn“) führt eine gegebene Tatsache ein und ist nahezu kausal
(„da“). Mit οὑκέτι („nicht mehr“) kann eine temporale Logik
ausgedrückt werden, d.h. Paulus hat es früher selbst bewirkt, oder
vielmehr eine Folgerung aus den Versen 17f sein, d.h. es bewirkt die
Sünde in Paulus die negativen Dinge und nicht mehr er selbst.
56 Der Römerbrief
7.21 Εὑρίσκω ἄρα τὸν νόμον τῷ
θέλοντι ἐμοὶ ποιεῖν τὸ καλόν, ὅτι
ἐμοὶ τὸ κακὸν παράκειται.
Also finde ich das Prinzip bei mir, dem das
Richtige machen Wollenden, dass bei mir das
Schlechte vorhanden ist.
Mit ἄρα („also“) zieht Paulus nun ein Resümee. Εὑρίσκω („ich
finde“) leitet ein, was Paulus in seiner Erfahrung mit dem Gesetz
herausgefunden hat, wobei νόμον hier nicht das mosaische Gesetz
meint (auch wenn ein Akkusativ der Referenz, also „im Hinblick auf
das Gesetz“, hier auch möglich wäre), sondern einen Grundsatz bzw.
ein Prinzip, dass dieses aufdeckt: Er will das Gute, schafft es nicht
wegen der Sünde in ihm, sodass er erkennt, dass er böse ist.
7.22 Συνήδομαι γὰρ τῷ νόμῳ τοῦ
θεοῦ κατὰ τὸν ἔσω ἄνθρωπον·
Ich erfreue mich nämlich am Gesetz Gottes
dem inneren Menschen nach.
Mit γὰρ („nämlich“) erklärt Paulus, was er im Vers davor aussagte,
nämlich, dass er sich am Gesetz erfreut und es tun will, es aber nicht
schafft, sodass er die Sünde in sich erkannte. Er schildert hier den
einen Teil des Gesetzes, der das Gute von innen heraus befürwortet,
ebenso wie Paulus auch.
7.23 βλέπω δὲ ἕτερον νόμον ἐν
τοῖς μέλεσίν μου
ἀντιστρατευόμενον τῷ νόμῳ τοῦ
νοός μου καὶ αἰχμαλωτίζοντά με
ἐν τῷ νόμῳ τῆς ἁμαρτίας τῷ ὄντι
ἐν τοῖς μέλεσίν μου.
Ich sehe aber ein anderes Prinzip in meinen
Gliedern, das gegen das Prinzip meines
Denkens kämpft und mich durch das Prinzip
der Sünde in meinen Gliedern gefangen
nimmt.
Paulus erkennt nun, dass er das Gute nicht schafft, und in seinen
Gliedern die Sünde regiert, das er dem Denken nach nicht will,
sodass er sich wie ein Gefangener fühlt, der entkommen will, aber
nicht kann. Der Gefängniswärter, der Paulus gefangen hält, ist die
Sünde in ihm. Die verhindert, dass er das Gute tun kann.
7.24 Ταλαίπωρος ἐγὼ ἄνθρωπος·
τίς με ῥύσεται ἐκ τοῦ σώματος τοῦ
θανάτου τούτου;
Ich elender Mensch, wer wird mich retten aus
diesem Leib (des) Todes?
Mit einem betrübten Ausruf kommt Paulus zum Ergebnis dessen,
was er mit dem Gesetz erlebt hat. Er braucht Erlösung von seinem
Körper, in dem die Sünde herrscht. Daher sucht er nach jemandem,
der ihn retten kann.
7.25 Εὐχαριστῶ τῷ θεῷ διὰ Ἰησοῦ
χριστοῦ τοῦ κυρίου ἡμῶν. Ἄρα οὖν
αὐτὸς ἐγὼ τῷ μὲν νοῒ δουλεύω
Ich danke aber Gott durch Jesus Christus,
unseren Herrn! Also diene ich nun selbst zwar
dem Verstand nach (dem) Prinzip Gottes, aber
dem Fleisch nach (dem) Prinzip (der) Sünde.
Die Antwort auf die Frage nach einer Person, die ihn rettet von
diesem Leib ist gefunden und wird mit διά („durch“) ausgedrückt,
d.h. durch Christus ist die Rettung möglich, und so kann Paulus Gott
für diese Lösung auf sein Problem danken. Die Korrelate μὲν δὲ
(„zwar aber“) zeigen zwei Kontraste: Einerseits, so die Folgerung aus
57 Der Römerbrief
νόμῳ θεοῦ, τῇ δὲ σαρκὶ νόμῳ
ἁμαρτίας.
seinem inneren Kampf mittels ἄρα οὗν („also nun“), dient er dem
Gesetz Gottes dem Willen bzw. Verstand nach, d.h. er will das tun,
was Gott will. Aber durch die Sünde ist dies unmöglich, sodass er
Rettung brauchte.
8.1 Οὐδὲν ἄρα νῦν κατάκριμα τοῖς
ἐν χριστῷ Ἰησοῦ, μὴ κατὰ σάρκα
περιπατοῦσιν, ἀλλὰ κατὰ πνεῦμα.
Also (ist) nun keine Verurteilung für die in
Christus Jesus, die nicht nach dem Fleisch
wandeln, sondern nach dem Geist.
Mit ἄρα νῦν („also nun“) zieht Paulus die Konsequenz aus den
bisherigen Kapiteln und leitet auf den Dienst des Heiligen Geistes,
der ein Leben im Sieg über die Sünde ermöglicht. Menschen, die in
Verbindung mit Christus gekommen sind werden in einer Apposition
als solche beschrieben, die nach den Grundsätzen des Geistes und
nicht des Fleisches leben. Οὐδὲν („keine“) ist durch die
Linksversetzung betont. Mit νῦν („nun“) bezieht sich Paulus auf die
neue Stellung in Christus.
8.2 Ὁ γὰρ νόμος τοῦ πνεύματος
τῆς ζωῆς ἐν χριστῷ Ἰησοῦ
ἠλευθέρωσέν με ἀπὸ τοῦ νόμου
τῆς ἁμαρτίας καὶ τοῦ θανάτου.
Denn das Prinzip des Geistes des Lebens in
Christus Jesus befreite mich vom Prinzip der
Sünde und des Todes.
Mittels γάρ („denn“) begründet Paulus, warum es keine Verdammnis
gibt, da er und alle anderen Christen vom ewigen Tod befreit sind
und ewiges Leben durch den Geist erhielten.
8.3 Τὸ γὰρ ἀδύνατον τοῦ νόμου,
ἐν ᾧ ἠσθένει διὰ τῆς σαρκός, ὁ
θεὸς τὸν ἑαυτοῦ υἱὸν πέμψας ἐν
ὁμοιώματι σαρκὸς ἁμαρτίας καὶ
περὶ ἁμαρτίας κατέκρινεν τὴν
ἁμαρτίαν ἐν τῇ σαρκί·
Das dem Gesetz nämlich Unmöglichen,
dadurch dass es durch das Fleisch schwach
gewesen war, (tat) Gott: Den eigenen Sohn in
Gleichheit (des) Fleisches (der) Sünde und für
(die) Sünde schickend, verurteilte er die Sünde
im Fleisch,
Mit γὰρ („nämlich“) erklärt Paulus, wieso das mosaische Gesetz die
Befreiung nicht schaffte, da das menschliche Wesen zu schwach ist,
es zu erfüllen, sodass es Gott tun musste, indem er seinen Sohn
sandte, der Fleisch und Blut annahm und die Sünde an ihm
verurteilte. Mit ἐν ᾧ („dadurch dass“) gibt den Grund an, warum
das Gesetz keine Befreiung brachte, da das Fleisch zu schwach ist.
Mit ἐν ὁμοιώματι σαρκὸς ἁμαρτίας („in Gleichheit (des) Fleisches
(der) Sünde“) drückt Paulus aus, das Christus genauso wie alle
Menschen Fleisch annahm, wobei er keine Sünde hatte, sodass er
die Strafe für Sünde auf sich nehmen konnte.
58 Der Römerbrief
8.4 ἵνα τὸ δικαίωμα τοῦ νόμου
πληρωθῇ ἐν ἡμῖν, τοῖς μὴ κατὰ
σάρκα περιπατοῦσιν, ἀλλὰ κατὰ
πνεῦμα.
damit die Recht(ssatzung) des Gesetzes in uns
erfüllt würde, den nicht nach (dem) Fleisch
Wandelnden, sondern nach (dem) Geist.
Mit ἵνα („damit“) kommt der Zweck zum Ausdruck, dass Christus die
Verurteilung der Sünde bei Christen bewirken konnte, nämlich das,
was das Gesetz von Menschen verlangt, wenn er es nicht hält. Da es
nicht vollkommen zu erfüllen ist, verlangt das Gesetz den Tod des
Sünders. Diese Forderung wurde durch Christus erfüllt und für
Christen wirksam. Diese werden in einer Apposition als nach den
Grundsätzen des Geistes Gottes und nicht des Fleisches Lebende
bezeichnet.
8.5 Οἱ γὰρ κατὰ σάρκα ὄντες τὰ
τῆς σαρκὸς φρονοῦσιν· οἱ δὲ κατὰ
πνεῦμα τὰ τοῦ πνεύματος.
Denn die nach (dem) Fleisch sind, sinnen auf
die (Dinge) des Fleisches. Die aber nach (dem)
Geist, auf die (Dinge) des Geistes.
Mit γὰρ („denn“) begründet Paulus, warum die Gläubigen im
Einklang mit dem Geist leben, da sie darauf bedacht sind, nicht nach
den Prinzipien des Fleisches, sondern nach denen des Geistes zu
leben.
8.6 Τὸ γὰρ φρόνημα τῆς σαρκὸς
θάνατος· τὸ δὲ φρόνημα τοῦ
πνεύματος ζωὴ καὶ εἰρήνη·
Denn das Sinnen des Fleisches (ist) Tod. Das
Sinnen des Geistes aber Leben und Friede,
Paulus setzt den Kontrast zwischen Gläubigen und Ungläubigen fort,
indem er deren Trachten dahingehend beschreibt, was die Folge
jeweils ist: Ewiger Tod oder ewiges Leben und Friede mit Gott.
8.7 διότι τὸ φρόνημα τῆς σαρκὸς
ἔχθρα εἰς θεόν, τῷ γὰρ νόμῳ τοῦ
θεοῦ οὐχ ὑποτάσσεται, οὐδὲ γὰρ
δύναται·
daher da das Sinnen des Fleisches Feindschaft
gegen Gott (ist), denn es ordnet sich dem
Gesetz Gottes nicht unter, es kann es ja auch
nicht.
Mit διότι („deshalb“) gibt Paulus den Grund an, warum das Fleisch
zum Tod führt, da dessen Sinnen Feindschaft gegen Gott deutlich
macht, da es sich nicht dem unterordnet, was Gott angeordnet hat,
da es dies auch gar nicht kann.
8.8 οἱ δὲ ἐν σαρκὶ ὄντες θεῷ
ἀρέσαι οὐ δύνανται.
Die nun, die im Fleisch sind, können Gott nicht
gefallen.
Die Folge der Feindschaft des Fleisches gegen Gott ist, dass Gott an
Menschen im Fleisch, d.h. die ohne den Geist Gottes, keinen
Wohlgefallen haben kann.
8.9 Ὑμεῖς δὲ οὐκ ἐστὲ ἐν σαρκί,
ἀλλ᾽ ἐν πνεύματι, εἴπερ πνεῦμα
θεοῦ οἰκεῖ ἐν ὑμῖν. Εἰ δέ τις
Ihr aber seid nicht im Fleisch, sondern im
Geist, wenn doch (der) Geist Gottes in euch
Paulus wendet sich an die Leser und bezeichnet sie als nicht mehr im
Fleisch, sondern im Geist, da sie in der Bekehrung den Geist Gottes
bzw. Christi empfangen haben. Der Konditionalsatz, den Paulus mit
εἴπερ („wenn doch“) einleitet, wird als real gesehen, nicht in Frage
59 Der Römerbrief
πνεῦμα χριστοῦ οὐκ ἔχει, οὗτος
οὐκ ἔστιν αὐτοῦ.
wohnt. Wenn aber jemand Christi Geist nicht
hat, der ist nicht sein.
gestellt. Wer den Geist Christi nicht hat, ist kein Eigentum Christi
und noch im Fleisch.
8.10 Εἰ δὲ χριστὸς ἐν ὑμῖν, τὸ μὲν
σῶμα νεκρὸν διὰ ἁμαρτίαν, τὸ δὲ
πνεῦμα ζωὴ διὰ δικαιοσύνην.
Wenn nun Christus in euch (ist), ist der Leib
zwar tot wegen der Sünde, der Geist (gibt)
aber Leben wegen der Gerechtigkeit.
Εἰ („wenn“) leitet eine gegebene Bedingung ein. Wenn Christus
durch den Geist im Gläubigen wohnt, ist die Folge, dass der Leib
dennoch sterben muss und dem Tod geweiht ist, aber der Geist
Gottes gibt dem Gläubigen ewiges Leben, da die Gerechtigkeit erfüllt
ist, die Gott verlangt.
8.11 Εἰ δὲ τὸ πνεῦμα τοῦ
ἐγείραντος Ἰησοῦν ἐκ νεκρῶν οἰκεῖ
ἐν ὑμῖν, ὁ ἐγείρας τὸν χριστὸν ἐκ
νεκρῶν ζῳοποιήσει καὶ τὰ θνητὰ
σώματα ὑμῶν, διὰ τὸ ἐνοικοῦν
αὐτοῦ πνεῦμα ἐν ὑμῖν.
Wenn nun der Geist dessen, der Jesus aus
Toten erweckte, in euch wohnt, wird der, der
Christus aus Toten erweckte, auch eure
sterblichen Leiber lebendig machen aufgrund
seines in euch innewohnenden Geistes.
Εἰ („wenn“) leitet eine Tatsache ein, die gegeben ist, nämlich, dass
der Geist, der Leben bringt, in den Gläubigen wohnt. Die Folge, dass
der Geist Gottes in den Gläubigen wohnt, ist, dass Gott auch die
Gläubigen, wie er auch Christus auferweckte, zum ewigen Leben
lebendig machen wird.
8.12 Ἄρα οὖν, ἀδελφοί, ὀφειλέται
ἐσμέν, οὐ τῇ σαρκί, τοῦ κατὰ
σάρκα ζῇν·
Also, Brüder, sind wir nun Schuldner nicht für
das Fleisch, um nach (dem) Fleisch zu leben.
Ἄρα („also“) setzt am bisher Gesagten an und zeigt die logische
Folge, dessen, was der Geist tut, nämlich im Einklang mit diesem und
nicht mit dem, was das Fleisch will, zu leben.
8.13 εἰ γὰρ κατὰ σάρκα ζῆτε,
μέλλετε ἀποθνῄσκειν· εἰ δὲ
πνεύματι τὰς πράξεις τοῦ σώματος
θανατοῦτε, ζήσεσθε.
Denn wenn ihr nach (dem) Fleisch lebt,
werdet ihr sterben. Wenn ihr aber durch (den)
Geist die Taten des Leibes tötet, werdet ihr
leben.
Mit γὰρ („denn“) beschreibt Paulus den Grund, warum nicht nach
dem Fleisch zu leben ist, da man sonst sterben würde, d.h. ein Leben
im Fleisch ohne den Geist Gottes würde in das ewige Verderben
führen. Dem stellt Paulus das Leben im Geist gegenüber, das dazu
führt, dass die gegen Gott gerichteten Taten beendet werden
können und ewiges Leben die Folge ist.
8.14 Ὅσοι γὰρ πνεύματι θεοῦ
ἄγονται, οὗτοί εἰσιν υἱοὶ θεοῦ.
So viele nämlich durch (den) Geist Gottes
geführt werden, die sind Söhne Gottes.
Paulus wiederholt, was er im Vers davor angesprochen hat, nämlich
ein Leben, das vom Geist Gottes bestimmt ist, und diejenigen Söhne
60 Der Römerbrief
Gottes sind, die dies tun, und als solche nach den Grundsätzen des
Geistes leben.
8.15 Οὐ γὰρ ἐλάβετε πνεῦμα
δουλείας πάλιν εἰς φόβον, ἀλλ᾽
ἐλάβετε πνεῦμα υἱοθεσίας, ἐν ᾧ
κράζομεν, Ἀββᾶ, ὁ πατήρ.
Ihr empfingt ja nicht einen Geist (der)
Sklaverei wieder zu Furcht, sondern ihr
empfingt einen Geist (der) Sohnschaft, in dem
wir rufen: Abba, Vater!
Wie es möglich ist, Sohn Gottes zu werden, erklärt Paulus mit γὰρ
(„ja“). Da Christen den Geist Gottes haben und nicht den der
Sklaverei, ist es möglich, dass sie zu Gott Vater sagen können, also
dessen Söhne sind.
8.16 Αὐτὸ τὸ πνεῦμα συμμαρτυρεῖ
τῷ πνεύματι ἡμῶν, ὅτι ἐσμὲν
τέκνα θεοῦ·
Der Geist selbst bezeugt mit unserem Geist,
dass wir Kinder Gottes sind.
Dieser selbe Geist macht auch denen, die ihn empfingen, deutlich,
dass sie Kinder bzw. Söhne Gottes sind.
8.17 εἰ δὲ τέκνα, καὶ κληρονόμοι·
κληρονόμοι μὲν θεοῦ,
συγκληρονόμοι δὲ χριστοῦ· εἴπερ
συμπάσχομεν, ἵνα καὶ
συνδοξασθῶμεν.
Wenn nun Kinder, auch Erben. Einerseits
Erben Gottes, andererseits Miterben Christi,
wenn wir denn mitleiden, damit wir auch
mitverherrlicht werden.
Paulus führt das Motiv der Kindschaft weiter, indem er deutlich
macht, dass Kinder auch Erben sind, und das, was Gott seinem Sohn,
Jesus Christus, als Erbe zukommen lässt, auch von den Kindern
Gottes mitgeerbt wird, d.h. sie teilen das Erbe Christi. Mit εἴπερ
(„wenn ja“) kommt eine gegebene Bedingung zum Ausdruck, d.h.
wie Gott seinen Sohn leiden ließ, müssen auch Christen leiden,
damit sie auch verherrlicht werden.
8.18 Λογίζομαι γὰρ ὅτι οὐκ ἄξια τὰ
παθήματα τοῦ νῦν καιροῦ πρὸς
τὴν μέλλουσαν δόξαν
ἀποκαλυφθῆναι εἰς ἡμᾶς.
Ich rechne ja, dass die Leiden der jetzigen Zeit
nichts wert sind verglichen mit der künftigen
Herrlichkeit, die an uns offenbart werden
wird.
Paulus setzt das Motiv Leiden-Verherrlichung fort, indem er seine
Einschätzung deutlich macht, dass die Leiden derzeit nicht mit der
kommenden Herrlichkeit verglichen werden können, die an Christen
gezeigt werden wird.
8.19 Ἡ γὰρ ἀποκαραδοκία τῆς
κτίσεως τὴν ἀποκάλυψιν τῶν υἱῶν
τοῦ θεοῦ ἀπεκδέχεται.
Die Erwartung der Schöpfung sehnt sich ja
nach der Offenbarung der Söhne Gottes.
Die kommende Herrlichkeit ist die, wenn die Versammlung
öffentlich dargestellt wird, wenn Christus mit ihr wiederkommt. Die
zerstörte Schöpfung sehnt sich nach Wiederherstellung, die dann
Realität wird.
61 Der Römerbrief
8.20 Τῇ γὰρ ματαιότητι ἡ κτίσις
ὑπετάγη, οὐχ ἑκοῦσα, ἀλλὰ διὰ
τὸν ὑποτάξαντα, ἐπ᾽ ἐλπίδι·
Denn der Nichtigkeit wurde die Schöpfung
unterworfen, nicht willentlich, sondern durch
den unterworfen Habenden, auf Hoffnung,
Mit ματαιότης („Nichtigkeit, Vergänglichkeit“) kommt zum Ausdruck,
dass die Schöpfung verflucht ist, ohne dass sie es will, sondern weil
Gott sie verfluchte, dies mit der Hoffnung auf Befreiung vom Fluch.
8.21 ὅτι καὶ αὐτὴ ἡ κτίσις
ἐλευθερωθήσεται ἀπὸ τῆς
δουλείας τῆς φθορᾶς εἰς τὴν
ἐλευθερίαν τῆς δόξης τῶν τέκνων
τοῦ θεοῦ.
dass auch die Schöpfung selbst befreit werden
wird von der Knechtschaft des Verderbens zur
Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes.
Mit ὅτι („dass“) leitet Paulus den Inhalt der Hoffnung ein. Wenn Gott
die Kinder Gottes vorstellen wird, ist auch der jetzige Fluch beendet.
8.22 Οἴδαμεν γὰρ ὅτι πᾶσα ἡ
κτίσις συστενάζει καὶ συνωδίνει
ἄχρι τοῦ νῦν.
Wir wissen ja, dass die ganze Schöpfung
mitseufzt und mitleidet bis auf den heutigen
(Tag).
Paulus belegt, dass die Schöpfung bis jetzt dem Verderben und der
Nichtigkeit ausgeliefert ist, da sie leidet und daher seufzt, dies ist so
bis zum jetzigen Tag.
8.23 Οὐ μόνον δέ, ἀλλὰ καὶ αὐτοὶ
τὴν ἀπαρχὴν τοῦ πνεύματος
ἔχοντες, καὶ ἡμεῖς αὐτοὶ ἐν
ἑαυτοῖς στενάζομεν, υἱοθεσίαν
ἀπεκδεχόμενοι, τὴν ἀπολύτρωσιν
τοῦ σώματος ἡμῶν.
Nicht nur aber (das), sondern auch wir selbst,
die die Erstlingsgabe des Geistes haben,
seufzen in uns selbst, (die) Sohnschaft
erwartend, die Erlösung unseres Leibes.
Οὐ μόνον δέ („nicht nur aber“) erweitert den Gedanken, dass die
ganze Schöpfung seufzt um einen weiteren Gedanken, dass auch die
Erlösten seufzen, während sie auf die Erlösung vom Körper warten,
der dem Tod entgegengeht und viele Leiden hervorbringt. Mit
υἱοθεσίαν („Sohnschaft“), die Christen erwarten, wird die
öffentliche Darstellung derselben gemeint sein, da Paulus mit τὴν
ἀπολύτρωσιν τοῦ σώματος ἡμῶν („die Erlösung unseres Leibes“)
dies gleichsetzt, die damit einhergeht, d.h. bei der Wiederkunft
Christi wird deutlich, wer den Geist und die Kindschaft besitzt,
indem er einen Auferstehungskörper erhält.
8.24 Τῇ γὰρ ἐλπίδι ἐσώθημεν·
ἐλπὶς δὲ βλεπομένη οὐκ ἔστιν
ἐλπίς· ὃ γὰρ βλέπει τις, τί καὶ
ἐλπίζει;
Auf Hoffnung hin wurden wir ja gerettet. Eine
sichtbare Hoffnung nun, ist keine Hoffnung.
Denn was jemand sieht, was erhofft er es
noch?
Paulus setzt am Motiv der Erwartung der Erlösung an und beschreibt
dies als Hoffnung. Dies ist nicht Realität, da es sonst keine Hoffnung
bräuchte. Mit γὰρ („denn“) begründet er dies, dass man das
Vorhandene, was man sieht, ja nicht erhoffen braucht, da man es
62 Der Römerbrief
schon hat. Der Körper ist hingegen unerlöst, und nicht vorhanden,
sodass man Hoffnung braucht, um dies zu erwarten.
8.25 Εἰ δὲ ὃ οὐ βλέπομεν
ἐλπίζομεν, δι᾽ ὑπομονῆς
ἀπεκδεχόμεθα.
Wenn wir nun, was wir nicht sehen, erhoffen,
erwarten wir es durch Geduld.
Εἰ („wenn“) leitet eine reale Aussage ein, da das Prädikat im Indikativ
erscheint. Paulus erweitert den bisherigen Gedanken, dass es bis zur
Erfüllung der Hoffnung Geduld erfordert. Dadurch kann man es
erwarten, bis der Körper erlöst wird.
8.26 Ὡσαύτως δὲ καὶ τὸ πνεῦμα
συναντιλαμβάνεται ταῖς
ἀσθενείαις ἡμῶν· τὸ γὰρ τί
προσευξόμεθα καθὸ δεῖ, οὐκ
οἴδαμεν, ἀλλ᾽ αὐτὸ τὸ πνεῦμα
ὑπερεντυγχάνει ὑπὲρ ἡμῶν
στεναγμοῖς ἀλαλήτοις·
Ebenso nimmt sich aber auch der Geist
unserer Schwachheiten mit an. Denn, was wir
beten sollen, wie man soll, wissen wir nicht,
sondern der Geist selbst verwendet sich für
uns mit unaussprechlichen Seufzern.
Ὡσαύτως („ebenso“) fügt zur christlichen Hoffnung den Dienst des
Geistes hinzu, der in der Zwischenzeit sich der Gläubigen annimmt
und sie im Gebet unterstützt, indem er deutlich macht, was zu beten
ist. Der Geist verwendet sich bei Gott für die Christen, indem er ihre
Seufzer aufgrund ihrer Trübsale aufnimmt und vor Gott bringt.
8.27 ὁ δὲ ἐρευνῶν τὰς καρδίας
οἶδεν τί τὸ φρόνημα τοῦ
πνεύματος, ὅτι κατὰ θεὸν
ἐντυγχάνει ὑπὲρ ἁγίων.
Der nun die Herzen Erforschende weiß, was
die Gesinnung des Geistes (ist), da er sich
gottgemäß für Heilige verwendet.
Gott wird als der Herzenskenner umschrieben, der die Gläubigen
kennt und auch, was der Geist für sie tut, denn er verwendet sich so,
wie Gott es will. Mit ὅτι („da“) kommt der Grund zum Ausdruck,
warum Gott die Gesinnung des Geistes kennt, da dieser sich in
Übereinstimmung mit ihm für die Gläubigen verwendet.
8.28 Οἴδαμεν δὲ ὅτι τοῖς ἀγαπῶσιν
τὸν θεὸν πάντα συνεργεῖ εἰς
ἀγαθόν, τοῖς κατὰ πρόθεσιν
κλητοῖς οὖσιν.
Wir wissen nun, dass den Gott Liebenden alle
(Dinge) zum Guten mitwirken, denen, die nach
Vorsatz berufen sind,
Mit δέ („nun“) setzt Paulus den Gedanken vom Vers davor fort,
indem er mittels des Dativs τοῖς ἀγαπῶσιν τὸν θεὸν („den Gott
Liebenden“) die Nutznießer der Handlung deutlich macht. Für sie ist
alles zum Guten. Die Empfänger werden in anderen Worten als die
nach dem Vorsatz Gottes Berufenen bezeichnet, d.h. die auf das
Wort Gottes gehört hatten, sind die, die Gott lieben.
8.29 ὅτι οὓς προέγνω, καὶ
προώρισεν συμμόρφους τῆς
da er die, die er vorherkannte, auch
vorherbestimmte, mit dem Bild seines Sohnes
Mittels ὅτι („da“) führt Paulus Gründe an, warum alles für die
Gläubigen zum Guten mitwirkt, da Gott zunächst wusste, wer auf
63 Der Römerbrief
εἰκόνος τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ, εἰς τὸ
εἶναι αὐτὸν πρωτότοκον ἐν
πολλοῖς ἀδελφοῖς·
gleichgestaltet (zu sein), auf dass er der
Erstgeborene unter vielen Brüdern sei.
sein Wort positiv reagieren würde. Mit προγινώσκω
(„vorhererkennen“) kommt keine Vorherbestimmung, wer glauben
sollte und wer nicht, zum Ausdruck, sondern das Wissen, wer sich
bekehren würde, obwohl dieser Gedanke in bestimmten
Gruppierungen dahingehend uminterpretiert wird, um bestimmte
Auffassungen zu untermauern. Diese hat er dann auch dazu vorher
bestimmt, Christus ähnlicher zu werden. Dies hat das Ziel, dass
Christus als der Prototyp aller anderen das Vorbild ist, zu dem hin
Gott die vielen Brüder umgestalten will.
8.30 οὓς δὲ προώρισεν, τούτους
καὶ ἐκάλεσεν· καὶ οὓς ἐκάλεσεν,
τούτους καὶ ἐδικαίωσεν· οὓς δὲ
ἐδικαίωσεν, τούτους καὶ
ἐδόξασεν.
Die nun, die er vorherbestimmte, die berief er
auch. Und die er berief, die rechtfertigte er
auch. Die er nun rechtfertigte, die
verherrlichte er auch.
Die Kette setzt sich weiter fort, indem er mittels Aoristformen den
Grund weiterführt, warum alles zum Guten dient.
8.31 Τί οὖν ἐροῦμεν πρὸς ταῦτα;
Εἰ ὁ θεὸς ὑπὲρ ἡμῶν, τίς καθ᾽
ἡμῶν;
Was sollen wir also zu diesen (Dingen) sagen?
Wenn Gott für uns (ist), wer (ist) gegen uns?
Mit ταῦτα („diese (Dinge“) greift Paulus die bisherigen Dinge über
die Hinweise auf, die belegen, dass Gott nicht gegen Christen,
sondern für sie ist. Dies bedeutet auch, dass niemand gegen sie sein
kann, auch wenn dies oft der Fall ist, zumindest nicht in den
Gedanken Gottes.
8.32 Ὅς γε τοῦ ἰδίου υἱοῦ οὐκ
ἐφείσατο, ἀλλ᾽ ὑπὲρ ἡμῶν πάντων
παρέδωκεν αὐτόν, πῶς οὐχὶ καὶ
σὺν αὐτῷ τὰ πάντα ἡμῖν
χαρίσεται;
Er, der doch seinen eigenen Sohn nicht
schonte, sondern ihn für uns alle überliefert
hat. Wie sollte er uns nicht auch mit ihm die
ganzen (Dinge) schenken?
Ὅς („er, der“) kommt als relativer Satzanschluss und weniger nur als
Einleitung eines Relativsatzes zum Ausdruck, wobei γε („doch“) die
Aussage verstärkt, dass Gott nicht gegen Christen ist, indem dabei
die Hingabe des Sohnes Gottes in Tod und Gericht als Beleg
angeführt wird. D.h. mit Christus wird Christen alles geschenkt.
Dabei bedient sich Paulus eines Kontrastes, d.h. Gott hat nicht A,
sondern B getan. Zu erwarten wäre, dass jemand seinen Sohn
64 Der Römerbrief
schont. Das tat Gott nicht, sondern gab ihn hin in Tod und Gericht,
daher wird er auch alles schenken.
8.33 Τίς ἐγκαλέσει κατὰ ἐκλεκτῶν
θεοῦ; Θεὸς ὁ δικαιῶν·
Wer wird gegen Gottes Erwählte Klage
erheben? Gott (ist) der Rechtfertigende.
Paulus nennt einen spezifischen Punkt, der sich daraus ergibt, dass
Gott für die Seinen ist. Dies zeigt sich darin, dass niemand sie
verurteilen kann, da Gott sie freigesprochen hat, sodass es keine
höhere Instanz gibt, die dies tun könnte. Die Gläubigen werden als
Auserwählte bezeichnet, d.h. aufgrund des Glaubens hat sie Gott
annehmen können und da er sie freigesprochen hat, kann niemand
sie vor Gott anklagen.
8.34 τίς ὁ κατακρίνων; Χριστὸς ὁ
ἀποθανών, μᾶλλον δὲ καὶ
ἐγερθείς, ὃς καὶ ἔστιν ἐν δεξιᾷ τοῦ
θεοῦ, ὃς καὶ ἐντυγχάνει ὑπὲρ
ἡμῶν.
Wer (ist) der Verurteilende? Christus (ist es),
der gestorben ist, vielmehr der sogar auch
auferweckt wurde, der auch zur Rechten
Gottes ist, der auch für uns eintritt.
Die nächste Behauptung, die aufgrund der Tatsache, dass Gott für
die Seinen ist, aufgestellt wird, ist, dass niemand sagen kann, dass
Christen schuldig sind und verurteilt werden müssen. Als Grund
führt Paulus an, dass aus dem Grund, um einen Freispruch zu
bewirken, Christus gestorben und sogar auferweckt wurde, zudem
als Hohepriester vor Gott für die Seinen eintritt. Dies alles zeigt, dass
es niemand gerechtfertigt tun kann, Christen vor Gott anzuklagen.
8.35 Τίς ἡμᾶς χωρίσει ἀπὸ τῆς
ἀγάπης τοῦ χριστοῦ; Θλίψις, ἢ
στενοχωρία, ἢ διωγμός, ἢ λιμός, ἢ
γυμνότης, ἢ κίνδυνος, ἢ μάχαιρα;
Wer soll uns von der Liebe Christi trennen?
Trübsal oder Bedrängnis oder Verfolgung oder
Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert?
Paulus beendet diesen Abschnitt, indem er bis Vers 39 deutlich
macht, dass es nichts gibt, was Christus davon abhält, die Seinen zu
lieben. Als Illustration nennt Paulus sieben schwere Lebenslagen wie
Trübsal, Bedrängnis, Hunger oder Blöße, Gefahren oder Gewalt bis
zur Hinrichtung, die metaphorisch durch das Schwert ausgedrückt
wird.
8.36 Καθὼς γέγραπται ὅτι Ἕνεκέν
σου θανατούμεθα ὅλην τὴν
ἡμέραν· ἐλογίσθημεν ὡς πρόβατα
σφαγῆς.
Wie geschrieben ist, dass wir wegen dir
getötet werden den ganzen Tag. Wir wurden
als Schafe zur Schlachtung gerechnet.
Paulus belegt die Aussage, dass es viele Gefahren gibt, mittels eines
Zitates, das dies belegt. David schrieb bereits, dass es die Absicht
vieler Menschen ist, Gläubige wie ihn zu beseitigen, wie es bei Saul
der Fall war. Dies vergleicht David mit Schafen, die geschlachtet
65 Der Römerbrief
werden. Die Perspektive der Gottlosen ist, dass Gläubige wie Schafe
zu behandeln sind, die man töten sollte.
8.37 Ἀλλ᾽ ἐν τούτοις πᾶσιν
ὑπερνικῶμεν διὰ τοῦ
ἀγαπήσαντος ἡμᾶς.
Doch in all diesen (Dingen) triumphieren wir
wegen dem, der uns liebte.
Ἀλλα („doch“) beschreibt etwas nicht zu Erwartendes hier, nämlich,
dass Paulus in den negativen Umständen siegreich triumphiert, da es
Christus möglich machte, der ihn liebt. Dass alle die genannten
Umstände eintreten, macht die Angabe ἐν τούτοις πᾶσιν („in all
diesen (Dingen)“) deutlich, d.h. Christen werden verfolgt und leiden.
8.38 Πέπεισμαι γὰρ ὅτι οὔτε
θάνατος οὔτε ζωὴ οὔτε ἄγγελοι
οὔτε ἀρχαὶ οὔτε δυνάμεις οὔτε
ἐνεστῶτα οὔτε μέλλοντα
Ich bin ja überzeugt, dass weder Tod noch
Leben noch Engel noch Gewalten noch
Mächte noch Gegenwärtiges noch Zukünftiges
Mit γὰρ („ja“) wiederholt Paulus emphatisch, dass er triumphieren
kann, da ihn nichts von der Liebe Gottes trennen kann. Mittels eines
Merismus nennt Paulus die Dinge, die eintreten können. Selbst
wenn er sterben müsste, noch die Dinge im Leben, noch bestimmte
Mächte oder das, was gegenwärtig oder künftig geschehen kann,
wird Gott davon abhalten, ihn zu lieben und ihm zu helfen.
8.39 οὔτε ὕψωμα οὔτε βάθος οὔτε
τις κτίσις ἑτέρα δυνήσεται ἡμᾶς
χωρίσαι ἀπὸ τῆς ἀγάπης τοῦ θεοῦ
τῆς ἐν χριστῷ Ἰησοῦ τῷ κυρίῳ
ἡμῶν.
noch Hohes noch Tiefes noch irgendeine
andere Schöpfung uns wird trennen können
von der Liebe Gottes in Christus Jesus,
unserem Herrn.
Paulus nennt weitere Dinge, die es nicht schaffen, Gott davon
abzuhalten, Paulus zu lieben. Hohes oder Tiefes wird im
Zusammenhang mit geschaffenen Dingen genannt, sodass deren Ort
des Daseins damit bestimmt wird, also ob sie sich ganz unten oder
ganz oben befinden, ist nicht entscheidend, sie können keine
Trennung von der Liebe Gottes bewirken. Diese zeigt Gott in
Christus, den Paulus als seinen und aller anderen Christen Herrn
bezeichnet.
9.1 Ἀλήθειαν λέγω ἐν χριστῷ, οὐ
ψεύδομαι, συμμαρτυρούσης μοι
τῆς συνειδήσεώς μου ἐν πνεύματι
ἁγίῳ,
Ich sage (die) Wahrheit in Christus, ich lüge
nicht, mein Gewissen mir mitbezeugend im
Heiligen Geist,
Mit einer Art doppelter Bekräftigung leitet Paulus nun ein, was er für
sein irdisches Volk der Juden empfindet und wie die Ablehnung der
Juden dem Evangelium gegenüber zu verstehen ist. Dieser Abschnitt
zeigt – im Gegensatz zur calvinistischen Sicht– dass die Auswahl
Gottes in seinem Handeln völlig am individuellen Glaubensgehorsam
des Einzelnen bzw. des ganzen Volkes Israel ansetzt. Die
66 Der Römerbrief
Geschichtsschreibung Gottes basiert auf Menschen, die seinem Ruf
– wie Jakob – gehorchen. Menschliche Leistungen, gute Werke oder
die biologische Abstammung (Israel) können die Notwendigkeit zum
Glauben nicht ersetzen oder Gottes Wohlwollen auf sich ziehen, da
Gott in seinem Auswahlhandeln Glauben als Grundlage voraussetzt.
Ebenso wie Gott den persönlichen Glauben zur Grundlage der
Auswahl seines Heilshandelns voraussetzt, hat der Unglaube und die
Rebellion gegen Gottes Reden die Zubereitung zum Verderben
(V.22) zur Folge. Hier kann sowohl irdisches Gericht verstanden
werden, wie das des jüdischen Volkes ab 70 n.Chr., als der jüdische
Tempel zerstört wurde, eine große Zahl Juden umkam und der Rest
in alle Welt zerstreut wurde, aber evtl. auch ewiges Gericht, das
Menschen ohne Buße und Bekehrung zu Christus erwartet.
Insgesamt sagt Paulus, dass Gottes Zurücksetzung seines erwählten
Volkes im Einklang mit seiner Gerechtigkeit ist, da dieses Volk sich
im Unglauben seinen Plänen widersetzt hat und das Evangelium von
Jesus Christus nicht angenommen hat. Zu diesen Abschnitten im
Römerbrief meint M.R. Vincent: „Diese Kapitel, da sie die
schwierigsten in den Schriften des Paulus sind, wurden am meisten
missverstanden und falsch angewandt. Ihre gefährlichste
Verdrehung ist, dass davon die Lehre Gottes willkürlicher
Vorherbestimmung Einzelner zum ewigen Leben oder ewiger
Verdammnis gefolgert wurde. Es kann gezeigt werden, dass dies
nicht der Inhalt dieser Abschnitte ist.“ (zitiert in: Fisk, 2002, S.120).
9.2 ὅτι λύπη μοι ἐστὶν μεγάλη, καὶ
ἀδιάλειπτος ὀδύνη τῇ καρδίᾳ μου.
dass mir große Trauer ist, und meinem Herzen
ununterbrochener Schmerz.
Mit ὅτι („dass“) leitet Paulus nun ein, was er zuvor feierlich
bekräftigt hatte, dass es der Wahrheit entspricht, nämlich seiner
Betroffenheit gegenüber dem Unglauben seines Volkes, der ihm
Schmerz und Trauer bereitet.
67 Der Römerbrief
9.3 Εὐχόμην γὰρ αὐτὸς ἐγὼ
ἀνάθεμα εἶναι ἀπὸ τοῦ χριστοῦ
ὑπὲρ τῶν ἀδελφῶν μου, τῶν
συγγενῶν μου κατὰ σάρκα·
Denn ich war selbst wünschend, ein Fluch zu
sein, weg von Christus, für meine Brüder,
meine Verwandten nach (dem) Fleisch,
Die zweite Reaktion auf den Unglauben seines Volkes zeigt sich
daran, dass Paulus sogar, auch wenn dies nicht geht, selbst
verdammt sein wollte, falls dies sein Volk retten könnte. Seine Liebe
zu seinem Volk geht sogar so weit, dass er selbst, obwohl dies
unmöglich ist, verflucht sein würde, wenn es ihnen etwas bringen
würde. Εὐχόμην („ich war wünschend“) beschreibt ein anhaltendes
Geschehen in der Vergangenheit.
9.4 οἵτινές εἰσιν Ἰσραηλῖται, ὧν ἡ
υἱοθεσία καὶ ἡ δόξα καὶ αἱ
διαθῆκαι καὶ ἡ νομοθεσία καὶ ἡ
λατρεία καὶ αἱ ἐπαγγελίαι,
welche Israeliten sind, deren die Sohnschaft
und die Herrlichkeit und die Bündnisse und die
Gesetzgebung und der Gottesdienst und die
Verheißungen (sind),
Paulus listet mittels eines Relativsatzes die großen Segnungen seines
Volkes auf, sodass er damit anführt, dass es für ihren Unglauben
keinen Grund gibt. Dabei geht er von dem, was Gott Mose geschenkt
hat (den alten Bund, das Gesetz vom Sinai) und die Verheißungen
auf den kommenden Messias bis zum Messias selbst, der aus diesem
Volk kam (Vers 5).
9.5 ὧν οἱ πατέρες, καὶ ἐξ ὧν ὁ
χριστὸς τὸ κατὰ σάρκα, ὁ ὢν ἐπὶ
πάντων, θεὸς εὐλογητὸς εἰς τοὺς
αἰῶνας. Ἀμήν.
deren die Väter und aus denen auch Christus
nach dem Fleisch (ist), der Gott über alles ist,
gepriesen bis in die Ewigkeiten. Amen!
Paulus erwähnt weitere Segnungen seines Volkes, die zeigen, dass es
keinen Grund für ihren Unglauben gäbe. Der menschlichen
Abstammung nach kommt der Herr Jesus aus dem Volk Israel, wie
Paulus es mittels κατὰ σάρκα („nach dem Fleisch“) ausdrückt.
Gleichzeitig ist der Messias der ewige Gott selbst, der Mensch
wurde, wie es Paulus nun deutlich macht. Alternative
Übersetzungsvorschläge wie "Gott, der da ist über allem, sei gelobt
in Ewigkeit. Amen.“ sind zum Scheitern verurteilt, da damit ein
abrupter Bruch im natürlichen Satz erfolgt, der unnatürlich wirkt.
Aus heiterem Himmel würde Paulus demnach den Satz beenden und
abrupt eine Doxologie einsetzen, die mehr Probleme als Lösungen
liefert. Man könnte den Satz stattdessen besser problemlos
weiterführen, zudem wäre ja bereits ein Relativsatz im Raum
("derer") und so erscheint es naheliegend, dass auch Christus mit
einem Relativsatz beschrieben wird. Zudem wäre ὢν ("seiend") bei
68 Der Römerbrief
einer Doxologie nicht zu verstehen, bei der Gleichsetzung Christi als
Gott hingegen einleuchtend, da das Sein Gottes in einer Doxologie
keine Rolle spielt, sondern klar und vorausgesetzt ist. Zudem
beziehen sich solche Lobpreise auf ein Bezugswort, sodass es hier
unpassend wäre, aus dem Nichts heraus eine Doxologie
einzuschalten. Auch das Prädikativ εὐλογητὸς ("gelobt") wäre bei
einer Doxologie nicht so weit rechts wie hier, sondern eher am
Anfang, jedenfalls nicht nach "Gott" wie hier.
9.6 Οὐχ οἷον δὲ ὅτι ἐκπέπτωκεν ὁ
λόγος τοῦ θεοῦ. Οὐ γὰρ πάντες οἱ
ἐξ Ἰσραήλ, οὗτοι Ἰσραήλ·
(Es ist) aber nicht so, dass das Wort Gottes
hinfällig geworden ist. Denn nicht alle aus
Israel, die (sind) Israel.
In dem Abschnitt von Vers 6 bis 13 stellt Paulus zunächst die
Behauptung auf, dass Gott sein Wort der Verheißung erfüllt, auch
wenn nicht alle dies in Anspruch nehmen, da nicht alle Nachkommen
Juden auch gläubig sind bzw. Abraham auch Nachkommen hat, die
ungläubig sind. Auch wenn nicht alle Israeliten glauben, sondern
Christus ablehnen, bedeutet dies nicht, dass Gottes Wort damit als
falsch erwiesen wurde, bzw. was er verheißen hat. Da nicht alle die
zum Volk gehören auch geistlich zu Israel gehören bzw. Glauben
haben.
9.7 οὐδ᾽ ὅτι εἰσὶν σπέρμα Ἀβραάμ,
πάντες τέκνα· ἀλλ᾽ Ἐν Ἰσαὰκ
κληθήσεταί σοι σπέρμα.
Auch nicht, weil sie Samen Abrahams sind,
(sind) alle Kinder, sondern: In Isaak wird dir
ein Same gerufen werden.
Der zweite Grund ist, dass nicht die reine Nachkommenschaft von
Abraham dazu führt, zum Volk Gottes zu gehören, sondern die
eigentlichen Nachkommen werden über Isaak definiert, nicht über
einen anderen Nachkommen wie Ismael. D.h. Isaak ist der
Repräsentant des Volkes Gottes und wer glaubt, wie Isaak, der ist
das Israel Gottes.
9.8 Τοῦτ᾽ ἔστιν, οὐ τὰ τέκνα τῆς
σαρκός, ταῦτα τέκνα τοῦ θεοῦ·
ἀλλὰ τὰ τέκνα τῆς ἐπαγγελίας
λογίζεται εἰς σπέρμα.
Dies ist: Nicht die Kinder des Fleisches, die
(sind) Kinder Gottes, sondern die Kinder der
Verheißung werden als Same gerechnet.
Paulus erklärt mittels τοῦτ᾽ ἔστιν („das ist, das heißt“), was er mit
dem Vers davor meint, nämlich, dass nicht die natürlichen
Abkömmlinge Abrahams tatsächlich zum Volk Gottes gehören,
sondern die an die Verheißungen glauben, die sich in Christus erfüllt
69 Der Römerbrief
haben. Damit zieht er die Folgerung aus dem Bisherigen und fasst es
zusammen.
9.9 Ἐπαγγελίας γὰρ ὁ λόγος οὗτος,
Κατὰ τὸν καιρὸν τοῦτον
ἐλεύσομαι, καὶ ἔσται τῇ Σάρρᾳ
υἱός.
Das Wort (der) Verheißung (ist) nämlich
dieses: Um diese Zeit werde ich kommen, und
es wird Sara ein Sohn sein.
Paulus illustriert das Prinzip, dass nicht die bloße natürliche
Abstammung den Empfang der Verheißungen ausmacht, indem er
die Zusage an Abraham, dass er einen Sohn bekäme, anführt. Dies
war als Ismael bereits als biologischer Nachkömmling Abrahams da
war, aber er war nicht der Sohn der Verheißung. Mit γὰρ („nämlich“)
leitet Paulus hier keine Begründung ein, sondern eröffnet eine
Illustration des Prinzips, dass es nicht um die biologische
Abstammung allein geht. Gott kündigt mit einer Metonymie an, dass
er eingreifen würde und selbst die betagten Eltern befähigen würde,
Nachkommen zu haben. Dies wird mit dem Ausdruck „ich werde
kommen“ beschrieben, also ein Kommen Gottes, um einzugreifen.
Die Zeitangabe wird über κατὰ τὸν καιρὸν τοῦτον („um diese Zeit“)
geleistet, d.h. der Termin der Geburt Isaaks wird in etwa angegeben.
Im Griechischen bedeutet „A wird ein B sein“ eine Angabe eines
Besitzes, d.h. „A wird B haben“.
9.10 Οὐ μόνον δέ, ἀλλὰ καὶ
Ῥεβέκκα ἐξ ἑνὸς κοίτην ἔχουσα,
Ἰσαὰκ τοῦ πατρὸς ἡμῶν
Aber nicht allein (das), sondern auch Rebekka,
von einem Nachkommen habend, Isaak,
unserem Vater.
Paulus erweitert den Gedanken, dass es nicht um reine
Abstammungsverhältnisse geht, indem er als zweites Beispiel
Rebekkas Nachkommen mit einem Mann, Isaak, anführt. Ein Vater
zeugte zwei Kinder, nur der eine wurde als echter Nachfahre gezählt,
Jakob, da Esau ungläubig blieb. Zum κοίτην ἔχουσα vgl. Sophocles,
Oedipus Coloneus, 1705: „κοίταν δ’ ἔχει νέρθεν εὐσκίαστον αἰέν“.
„Unter der Erde hat er sein wohlschattiges Bett für immer“. Vgl.
ebenso Sapientia Salomonis 3.13: „ὅτι μακαρία στεῖρα ἡ ἀμίαντος
ἥτις οὐκ ἔγνω κοίτην ἐν παραπτώματι ἕξει καρπὸν ἐν ἐπισκοπῇ
ψυχῶν“. „Weil Glückselig die Unfruchtbare ist, die nicht ein Bett
erkannte mit Übertretung“. D.h. es geht bei dem Ausdruck um eine
70 Der Römerbrief
eheliche Bettgemeinschaft, die auch Rebekka und Isaak hatten,
woraus Nachkommen hervorgingen, sodass „Ehebett haben“ eine
Metonymie für das ist, was daraus hervorgeht, nämlich
Nachkommen. So sieht es auch Etymius Zigabenus, Commentarius in
Pauli epistulam ad Romanos 9.10, 10: “ Ἐξ ἑνὸς ἀνδρὸς
σπερμογονίαν ἔχουσα. Τοῦτο γὰρ ἡ κοίτη δηλοῖ“. „Von einem
Mann Nachkommen habend. Dies macht ja das Ehebett deutlich“.
9.11 μήπω γὰρ γεννηθέντων, μηδὲ
πραξάντων τι ἀγαθὸν ἢ κακόν, ἵνα
ἡ κατ᾽ ἐκλογὴν πρόθεσις τοῦ θεοῦ
μένῃ, οὐκ ἐξ ἔργων, ἀλλ᾽ ἐκ τοῦ
καλοῦντος,
Denn als sie noch nicht geboren waren und
weder Gutes noch Böses taten, - damit der
Vorsatz Gottes gemäß Erwählung bleibe, nicht
aufgrund von Werken, sondern aufgrund des
Rufenden -,
Paulus führt als Beweis, dass es nicht um die natürliche
Nachkommenschaft als Jude geht, wie man zum Volk Gottes gezählt
wird, an, dass Gott noch bevor Jakob und Esau geboren waren und
etwas getan hatten, die Verheißung erging, dass derjenige erwählt
ist, zu Gott zu gehören, wer dem Ruf Gottes folgt. Im Fall von Jakob
und Esau war dies leider nur Jakob.
9.12 ἐρρήθη αὐτῇ ὅτι Ὁ μείζων
δουλεύσει τῷ ἐλάσσονι.
wurde ihr gesagt, dass der Ältere dem
Jüngeren dienen wird.
In Vers 12 nennt Paulus das Ziel der Erwählung: irdischer Dienst,
nicht jedoch eine ewige Errettung (z.B. »der Ältere wird verdammt –
der Jüngere gerettet«). Gott setzt den Erstgeborenen zurück und
handelt mit dem Nachgeborenen. Dies ist keine absolute
Vorherbestimmung (»der Ältere muss dem Jüngeren dienen«),
sondern eine Prophetie, die sich genau so erfüllt und Gott im
Nachhinein (V. 13) ebenso bestätigt hat. Der Vorsatz Gottes in Vers
11 ist unabhängig von Werken, sondern steht in Verbindung mit
dem Glauben an sein Wort, wie es bei Jakob im Gegensatz zu Esau
der Fall war. Ein Gesichtspunkt, der zusätzlich der These der
Vorherbestimmung zum persönlichen Heil bzw. Unheil
widersprechen würde, kann in der weiteren geschichtlichen
Entwicklung gesehen werden, nämlich dass Esau selbst nie Jakob
gedient hat, sondern diese Feststellung vielmehr den weiteren
Verlauf der Völker aufgrund der Glaubenshaltung ihrer Stammväter,
71 Der Römerbrief
wiedergibt. 1Mo 25,23. »Der HERR aber sprach zu ihr: Zwei Nationen
sind in deinem Leib, und zwei Volksstämme scheiden sich aus
deinem Innern; und ein Volksstamm wird stärker sein als der andere,
und der Ältere wird dem Jüngeren dienen. « In der Tat hat sich
vielmehr Jakob vor Esau verneigt (1Mo 33,3), ihn als seinen Herrn
und sich als dessen Diener bezeichnet (1Mo 33,5; 8; 13). Jakob hat
Esau gebeten, seine Gaben anzunehmen (1Mo 33,11) und Esaus
Gesicht schien ihm wie das Antlitz Gottes: 1Mo 33,10 »Denn ich
habe ja doch dein Angesicht gesehen, wie man das Angesicht Gottes
sieht, und du hast Gefallen an mir gehabt. Nimm doch mein
Geschenk, das dir überbracht worden ist! Denn Gott hat es mir aus
Gnaden geschenkt, und ich habe alles. Und als er in ihn drang, da
nahm er es. « Der Hauptgedanke des Paulus in diesem Vers ist der
weitere Geschichtsverlauf und die Auswahl Gottes, die auf dem
Glauben oder Unglauben basierend, in seinem Ratschluss
einbezogen und im Voraus eingeplant wurde. Diese Auswahl Jakobs
ist von dessen Werken oder Verhalten unabhängig, sondern hat
allein dessen Glauben zur Grundlage.
9.13 Καθὼς γέγραπται, Τὸν Ἰακὼβ
ἠγάπησα, τὸν δὲ Ἠσαῦ ἐμίσησα.
Wie geschrieben ist: Jakob liebte ich, Esau
aber hasste ich.
Paulus belegt die Aussage, dass Jakob aufgrund seines Glaubens
erwählt war und zum Volk Gottes zählte, indem er dies mit der
heiligen Schrift belegt, was Gott vor dessen Geburt ankündigte. Die
Aussage in Vers 13 steht im Propheten Maleachi – also nicht im
Sinne einer vorher getroffenen Auswahl: Sondern nach dem Leben
der beiden wurde diese Feststellung getroffen – aufgrund der
anhaltenden Gottlosigkeit Esaus und seiner Nachkommen. Esau
steht hier als Bild für Unglauben und Rebellion – Jakob als Bild für
Glauben und Treue. Wieder steht die gesamte Nation der Edomiter
und Israels mit ihren Repräsentanten im Blick. Paulus belegt mit der
Anführung der Geschichte von Jakob und Esau, die als
72 Der Römerbrief
Repräsentanten der jeweiligen Völker gesehen werden, dass Gottes
Heilsgeschichte nicht aufgrund der natürlichen Abstammung,
sondern aufgrund des Glaubens geschieht. Bullinger weist in seinem
Standardwerk zu sprachlichen Stilmitteln darauf hin, dass in der
Bibel »Eltern und Vorfahren häufig für ihre Nachkommen und Kinder
verwendet werden« und verweist dabei auch auf Röm 9,13 (vgl.
2004, S. 544). Jakob und seine Nachkommen, das Volk Israel,
wurden als »Gefäß zur Ehre«, Esau und die Edomiter hingegen als
»Gefäße zur Unehre« (vgl. V. 21ff) in Gottes Pläne einbezogen. Das
biologische Primat Esaus wurde beiseite gesetzt und Jakob wurde
Träger der Heilsgeschichte Gottes. Wenn es in Vers 13 heißt: »Jakob
habe ich geliebt, Esau aber habe ich gehasst«, dann kommt damit
ein sprachliches Stilmittel zum Ausdruck, das die Bevorzugung des
einen angibt und die Zurücksetzung des anderen (vgl. Bullinger,
2004, S.423ff). Der Linguist Deibler umschreibt den Sinn dieses
Verses unter Verweis auf das verwendete Stilmittel mit »Ich
bevorzugte Jakob, den Jüngeren, aber Esau, den Älteren, missbilligte
ich." (1998, S.217). Damit ist jedenfalls kein vorweltlicher Hass
Gottes gemeint, der Grundlage für die Bestimmung Esaus zur Hölle
beinhalten würde, sondern die Wege des Unglaubens Esaus und
seiner Nachkommen werden von Gott im Rückblick missbilligt. Im
Zusammenhang lehrt uns die Geschichte Jakobs und Esaus: »Ohne
Glauben aber ist es unmöglich, ihm wohlzugefallen« (Heb 11,6).
Über das ewige Schicksal Esaus kann zwar spekuliert werden, dies ist
jedoch nicht Gegenstand der paulinischen Gedankenführung in
Römer 9. Im Gesamtzusammenhang von Römer 9 führt Paulus das
Beispiel von Jakob und Esau an, um zu zeigen, dass trotz der
biologisch bevorzugten Stellung von Esau und dessen Anspruch auf
den Segen des Erstgeburtsrechts, Gott diesen zurücksetzt. Ebenso
73 Der Römerbrief
setzt Gott in der gegenwärtigen Zeit das ungläubige Israel zurück,
das trotz seiner Vorzüge, die Paulus anführt, aufgrund des
Unglaubens von Gott zurückgesetzt wird.
9.14 Τί οὖν ἐροῦμεν; Μὴ ἀδικία
παρὰ τῷ θεῷ; Μὴ γένοιτο.
Was sollen wir nun sagen? Ist etwa Unrecht
bei Gott? Das kann nicht sein!
In den weiteren Versen begegnet Paulus einem möglichen Einwand,
der gegen seine Kriterien der Erwählung vorgebracht werden
könnte: »Was wollen wir nun sagen? Deibler meint zu diesem
Einwand: »Es ist vorausgesetzt, dass der, der fragt ein Jude sei. «
(1998, S. 218). Wer auf eigene Werke pocht, wie das jüdische Volk
zur damaligen Zeit (vgl. Röm 10.3), könnte gegen die göttliche
Erwählung allein aufgrund des Glaubens Einspruch erheben. Da die
Auswahl Gottes nicht an den Werken ansetzt – wie das Beispiel
Jakob und Esau zeigt – könnte Gott Ungerechtigkeit vorgeworfen
werden. Dem widerspricht Paulus hingegen sofort: Gott ist dabei
nicht ungerecht, wenn er Gläubige erwählt und Ungläubige hingegen
in seinen Plänen als „Gefäße zur Unehre“ gebraucht. Das sollte
bereits nach der Erwähnung von Jakob und Esau deutlich geworden
sein.
9.15 Τῷ γὰρ Μωϋσῇ λέγει, Ἐλεήσω
ὃν ἂν ἐλεῶ, καὶ οἰκτειρήσω ὃν ἂν
οἰκτείρω.
Denn Moses sagt er: Ich werde mich
erbarmen, wessen immer ich mich erbarme,
und ich werde Mitleid haben, mit wem immer
ich Mitleid habe.
Als Rechtfertigung dafür, dass bei Gott keine Ungerechtigkeit in
seinem Heilshandeln vorhanden ist, führt Paulus ein Beispiel aus
2Mo 33 an, das zeigen soll, wie barmherzig Gott mit den
Nachkommen Jakobs, dem Volk Israel, gehandelt hat. Im Hinblick auf
die vorangehenden Verse widerlegt Paulus anhand von zwei
Beispielen, Mose und Pharao, vielmehr, dass bei Gott
Ungerechtigkeit vorhanden wäre, sondern, dass Gott einerseits
barmherzig ist, wie dies bei Mose deutlich wurde, aber andererseits
auch Widerstand seine Pläne nicht ins Wanken bringen und er auch
mit »Gefäßen zur Unehre« gerecht verfährt. Nach 2Mo 33,18f
redete Gott dies zu Mose, als dieser seine Herrlichkeit sehen wollte.
74 Der Römerbrief
Moses Wunsch wurde erfüllt, und als er in einer Felsenkluft war,
konnte er die Herrlichkeit des gnädigen Herrn sehen. Die
Vorherbestimmung bestimmter Sünder zum Heil ist nicht das Thema
im Kontext der von Paulus zitierten Schriftstelle. Mose als
begnadeter Führer des aus Ägypten erlösten Volkes erfuhr die Güte
Gottes, indem dieser ihm zu verstehen gibt, dass er mit dem Volk
Israel ist. „Nachdem Gott vorübergegangen war, konnte Mose die
Herrlichkeit Gottes von hinten sehen. Auf dieselbe Weise betrachtet
der Apostel mit seinen Lesern die Wege Gottes. Und wenn Paulus
auf diese Wege zurückblickt, bewundert er die Herrlichkeit Gottes.
9.16 Ἄρα οὖν οὐ τοῦ θέλοντος,
οὐδὲ τοῦ τρέχοντος, ἀλλὰ τοῦ
ἐλεοῦντος θεοῦ.
Also (ist es) nun nicht (Sache) des Wollenden
und nicht die des Laufenden, sondern des sich
erbarmenden Gottes.
Also liegt es nun nicht, sagt der Apostel, an dem Wollenden (denn
Israel hatte voller Begeisterung das Halten des Gesetzes
versprochen: 2.Mose 19.8; 24,7), noch an dem Laufenden (das Volk
hatte gerade mit dem Lauf begonnen und war schon wieder
gestrauchelt), sondern an dem begnadigenden Gott. Für Sünder –
und solche sind wir – gibt es keine andere Zuflucht.“ (Medema,
1992, S. 155f).
9.17 Λέγει γὰρ ἡ γραφὴ τῷ Φαραὼ
ὅτι Εἰς αὐτὸ τοῦτο ἐξήγειρά σε,
ὅπως ἐνδείξωμαι ἐν σοὶ τὴν
δύναμίν μου, καὶ ὅπως διαγγελῇ
τὸ ὄνομά μου ἐν πάσῃ τῇ γῇ.
Es sagt ja die Schrift dem Pharao: Gerade dazu
erweckte ich dich, damit ich an dir meine Kraft
erweise und damit mein Name auf der ganzen
Erde verkündet würde.
Ein weiteres Beispiel, das Paulus ab Vers 17 nennt, um dem Einwand
zu begegnen, Gott wäre ungerecht in seinem Handeln. Ist dessen
Reaktion und Antwort, wenn seine Barmherzigkeit abgewiesen und
gegen ihn rebelliert wird, ungerecht? Auch hier verfährt er gerecht
und kommt mit seinen Plänen zum Ziel. »Das zweite Beispiel – aus
einem etwas früheren Stadium der Geschichte – ist der Pharao, der
große Gegenspieler Gottes und seines Volkes. Hat Gott den Pharao
willkürlich behandelt? Die Geschichte zeigt das Gegenteil. Die erste
Begebenheit ist ein Beispiel für das Erbarmen, die zweite ein Beispiel
für die Verhärtung. Aber auch als Gott das Herz des Pharao
verhärtete, übte Gott seine Souveränität und Gerechtigkeit aus.
75 Der Römerbrief
Denn wenn Gott dem Pharao gegenüber dem Recht entsprechend
gehandelt hätte, hätte er den Pharao viel eher vertilgen müssen,
aber er gab ihm noch Zeit. Nutzte der Pharao die Zeit, um sich zu
Gott zu wenden? Nein, er verhärtete sein Herz. Gott war
barmherzig, aber dadurch, dass der Pharao sein Herz verhärtete,
endete die ganze Geschichte damit, dass Gott schließlich Pharaos
Herz verhärtete... Gott hat gewissermaßen zum Pharao gesagt:
‚Wenn du dich gerne verhärten willst, bitte, aber dann ziehe ich
meine Hand auch von dir zurück« (Medema, 1992, S.156). Paulus
spricht von Gottes Souveränität, die auch in der Lage ist, Unglauben
und Widerstand gegen seinen Willen in seine Pläne einzubeziehen –
ohne selbst diesen hervorgerufen oder gewollt zu haben. Das zeigt
das Beispiel von Pharao, der sich gegen das Reden Gottes verhärtet
hatte und schließlich von Gott selbst verstockt wurde. Dieser
Mensch musste dennoch als Gerichtswerkzeug und Gegenstand der
Machterweise des Herrn dienen. Wie ist dieser Abschnitt in
Übereinstimmung mit anderen klaren Aussagen der heiligen Schrift
zu bringen, wonach Gott das Heil aller Menschen und nicht des
Sünders Tod will (z.B. Hes 33.11), hier aber eine Einschränkung
seiner Auswahl beschrieben wird? Zur Klärung und Harmonisierung
des Abschnittes werden die deutlichen Bibelstellen über den Willen
Gottes zur Rettung jedes Menschen vorausgesetzt. Im Hinblick auf
Pharao würde dies bedeuten, dass Gott grundsätzlich auch das Heil
dieses Mannes gewollt hat. Durch den rebellischen Pharao, der sich
Gottes Wort nicht beugen wollte, hat Gott seine Macht gezeigt.
Seine Souveränität wird selbst durch Pharao nicht beeinträchtigt,
der sich nicht dem Gott Israels unterwerfen will und viel Leiden über
das alttestamentliche Gottesvolk gebracht hat, indem er am
ägyptischen Götzendienst festhielt. Dieses rebellische Verhalten
76 Der Römerbrief
zugrundelegend, zeigt Gott nach langer Geduld dann keine Gnade
mehr, sondern verhärtet Pharao, nachdem dieser das gnädige Reden
Gottes mehrfach von sich gestoßen hat.
9.18 Ἄρα οὖν ὃν θέλει ἐλεεῖ· ὃν δὲ
θέλει σκληρύνει.
Also nun, wen er will, (dessen) erbarmt er
sich, wen er aber will, verhärtet er.
Paulus zieht nun eine Folgerung aus dem Bisherigen: Gott erbarmt
sich der Gläubigen und verhärtet, wenn man ihm Widerstand leistet.
Die Beispiele bisher haben dies illustriert.
9.19 Ἐρεῖς οὖν μοι, Τί ἔτι
μέμφεται; Τῷ γὰρ βουλήματι
αὐτοῦ τίς ἀνθέστηκεν;
Du wirst mir nun sagen: Was tadelt er noch?
Denn wer kann seinem Ratschluss
widerstehen?
Paulus greift in Vers 19 wieder einen möglichen Einwand auf: „Nun
wirst du mich fragen: Warum tadelt er dann noch? Wer kann seinem
Willen widerstehen?“ und widerlegt diesen ab Vers 20ff, indem er
göttliche Prinzipien am Bild vom Töpfer und vom Ton deutlich
macht. Natürlich ist der vermeintliche Einwand absurd: Sicher kann
ein gerechter Gott mit voller Berechtigung Unglauben und Rebellion
tadeln. „Wer kann seinem Ratschluss widerstehen?“ ist nicht bereits
die paulinische Antwort, sondern ein hypothetischer Einwand, der
Fatalismus unterstellt, wenn ohnehin alles nach göttlichem Plan, wie
Paulus ausgeführt hat, laufen muss. Whedon meint zu dem
vorgebrachten Einwand gegen die bisherige Darlegung von Paulus in
Vers 19: „Die jüdische Fragestellung ist Folgende: Wenn Gott, wie du
sagst, alles auf seine eigene Weise durchführt, warum zieht er uns
Juden dann zur Verantwortung? Es kommt aufgrund einer falschen
calvinistischen Auffassung dieser Angelegenheit, dass hier der Jude
Einwand erhebt. Er versteht Paulus, wie er den Sachverhalt darstellt,
als Vertreter der Prädestination.“ (zitiert in: Deibler, 1998, S. 222).
Gegen den Einwand der Willkür und des Fatalismus wendet sich
Paulus in den weiteren Versen, bestreitet jedoch nicht Gottes
Souveränität. Nach calvinistischem Verständnis müsste Paulus auf
diesen Einwand jedoch gar nicht reagieren, da alles von Gott gewollt
und vorherbestimmt sei. Dann wäre es in der Tat ungerecht von
77 Der Römerbrief
Gott, dies alles zu tadeln, wenn er es selbst ja so gewollt habe. Gott
tadelt jedoch zu Recht, wenn seinem Willen widerstanden wird.
Auch kann man Gott keine Ungerechtigkeit oder Willkür vorwerfen,
wenn er Menschen oder Völker – wie das Volk der Juden in der
gegenwärtigen Zeit – aufgrund ihres Unglaubens verwirft und
andere Menschen oder gar die Heiden für seine Zwecke erwählt.
Gegen diese göttlichen Prinzipien kann nicht der Vorwurf des
Fatalismus erhoben werden, auch wenn sowohl Glaube und
Gehorsam als auch Unglaube und Rebellion in den Plänen Gottes
zum Tragen kommen. Paulus gibt für seine Antithese plausible
Gründe: Vers 18 wird von manchen so interpretiert, dass Gott
Menschen verhärtet und von der Möglichkeit zu glauben
ausschließt, bevor sie geboren werden. Gott verhärtet jedoch erst
nach Rebellion und Widerstand gegen sein Reden – wie bei Pharao,
den er nach wiederholtem Reden dann ab der sechsten Plage
verstockt hat. Israel als Nation wurde von Gott verstockt – nicht
aufgrund vorweltlicher Beschlüsse, sondern aufgrund gegenwärtigen
Ungehorsams (Röm 11,31). Diese Verstockung wird beendet sein,
wenn sich Israel zu Jesus Christus bekehren wird (Röm 11,23).
Gottes Erbarmen steht über jedem, der an seinen Sohn glaubt. Ab
Vers 20 beginnt Paulus seine Gegenrede: Kein Mensch hat das
Recht, solche Vorwürfe gegen Gott zu erheben und im nächsten Vers
argumentiert Paulus, dass wie Ton, der von einem Töpfer geformt
wird, auch der Mensch als Geschöpf Gottes, keine Anklage – in
diesem Fall auch noch unbegründet – hervorbringen darf. Wie der
Ton, so er denn sprechen könnte, kein Recht habe, gegen den Töpfer
Anklage zu erheben, so darf kein Mensch Gott auf die Anklagebank
setzen und gegen ihn die in Vers 19 geäußerten Vorwürfe machen.
78 Der Römerbrief
Dies sollten sich Ausleger vergegenwärtigen, die Gott als Urheber
der Sünde bezeichnen.
9.20 Μενοῦνγε, ὦ ἄνθρωπε, σὺ τίς
εἶ ὁ ἀνταποκρινόμενος τῷ θεῷ;
Μὴ ἐρεῖ τὸ πλάσμα τῷ πλάσαντι,
Τί με ἐποίησας οὕτως;
In der Tat, o Mensch, wer bist du, der du Gott
widersprichst? Wird etwa das Gebilde zum
Bildenden sagen: Was machtest du mich so?
Μενοῦνγε (“ja freilich, in der Tag, wahrlich, also wirklich nun”)
bedeutet nach dem Etymologium Gudianum Mu, 387: ” τρεῖς εἰσὶ
σύνδεσμοι σημαίνει δὲ βεβαιότητα καὶ ἀληθές“. „Es sind drei
Konjunktionen. Es zeigt nun die Sicherheit und Wahrheit an“. Damit
korrigiert Paulus den falschen und hochmütigen menschlichen
Einwand, den Paulus widerlegt hatte, also, dass Gott angeblich
willkürlich verfahren würde. Gott hat sehr wohl das Recht die einen
seiner Geschöpfe, die ihm glauben, so und die ihm nicht gehorchen,
anders zu behandeln.
9.21 Ἢ οὐκ ἔχει ἐξουσίαν ὁ
κεραμεὺς τοῦ πηλοῦ, ἐκ τοῦ
αὐτοῦ φυράματος ποιῆσαι ὃ μὲν
εἰς τιμὴν σκεῦος, ὃ δὲ εἰς ἀτιμίαν;
Oder hat nicht der Töpfer Vollmacht über den Paulus illustriert seine Behauptung, dass ein Mensch nicht Gott
Lehm, aus derselben Masse das eine Gefäß zur anklagen kann, indem er Gott mit einem Töpfer und den Mensch mit
Ehre zu machen, das andere aber zur Unehre, Ton vergleicht. Der Töpfer hat sicher – fährt Paulus ab V.21 fort –
das Recht, Ton zu nehmen und für bestimmte Zwecke zu formen.
Genauso hat Gott das Recht, Menschen oder Völker für bestimmte
Zwecke in seinen Plänen zu gebrauchen. Die Gegensätze der
Verwendung der Gefäße mittels „Ehre“ vs. „Unehre“ beschreiben
den Gebrauch für besondere bzw. gewöhnliche Zwecke.
9.22 Εἰ δὲ θέλων ὁ θεὸς
ἐνδείξασθαι τὴν ὀργήν, καὶ
γνωρίσαι τὸ δυνατὸν αὐτοῦ,
ἤνεγκεν ἐν πολλῇ μακροθυμίᾳ
σκεύη ὀργῆς κατηρτισμένα εἰς
ἀπώλειαν·
wenn Gott nun, den Zorn erweisen und seine
Macht bekanntmachen wollend, mit viel
Geduld (die) Gefäße (des) Zorns, die zum
Verderben bereitet sind, ertrug,
Εἰ („wenn“) setzt am Satz davor an, d.h. Paulus setzt die Frage fort,
ob nicht ein Töpfer mit dem Ton tun kann, was er will, indem er dies
auf Gott überträgt, wenn dieser dies auch so tut. Ab Vers 22 folgt die
paulinische Rechtfertigung für dieses göttliche Prinzip, also, dass er
Menschen so oder so behandelt. Gott erträgt die Menschen, trotz
ihrer Sünde und Rebellion, die seinen gerechten Zorn erregen und
erzeigt sich an denen gnädig, die Gegenstand seines Erbarmens sind,
d.h. die seinem Wort glauben. Diese Verse sprechen davon, dass
79 Der Römerbrief
Gläubige und Ungläubige – die zwei Gefäße aus dem einen Ton
Mensch – in Gottes Heilsplan ihre Relevanz finden. Die eine Gruppe
als „Gefäße zur Ehre“, die andere Gruppe als „Gefäße zur Unehre“.
Paulus hat im Römerbrief bereits deutlich gemacht, dass von Natur
aus alle Menschen sündig und in Rebellion gegen Gott leben. Im
weiteren Verlauf seiner Gedanken macht Paulus ab Vers 24 deutlich,
dass die Christen aus den Juden und den Heiden, als „Gefäße zur
Ehre“, Gegenstand des Heilshandelns und Gottes Volk sind und
nennt wiederum die traurige Tatsache, dass dabei nur ein Überrest
des jüdischen Volkes zum Heil in Christus gefunden hat. Im Hinblick
auf Vers 22 ist zu bedenken, dass, obwohl Gott das rebellische Herz
des Pharao kannte, er ihm mehrfach seine Heilsbotschaft durch
Mose hat ausrichten lassen, damit er zur Buße gelangen sollte.
Dadurch, dass er Pharao nicht sofort vernichtete und sich durch ihn
verherrlichen wollte, kann gezeigt werden, dass selbst Ungehorsam
Einbeziehung in Gottes Pläne findet. Die Zubereitung zu einem
„Gefäß zur Unehre“ in Gottes Plänen hat nicht ihren Ausgang in
Gott, sondern im Menschen selbst, der die Gnade – wie Pharao –
abgelehnt hat und dennoch mehrfach von Gott zur Umkehr gebracht
werden wollte. Die Diskursrelation ist konzessiv, d.h. obwohl Gott
seinen Zorn über Sünde deutlich machen will, erträgt er die
Menschen, die dies in ihm hervorrufen, und verdammt sie noch
nicht. Syntaktisch fehlt diesem Satz der Hauptsatz. Εἰ („wenn“) leitet
ja einen Nebensatz ein, sodass der Hauptsatz zu rekonstruieren ist
bzw. dieser im Vers davor in Frage kommt, auch wenn die Subjekte
sich ändern. Es geht im Kontext darum, dass Gott in seinem Tun
gerechtfertigt wird und niemand Gott beschuldigen kann, wie er
handelt.
80 Der Römerbrief
9.23 καὶ ἵνα γνωρίσῃ τὸν πλοῦτον
und damit den Reichtum seiner Herrlichkeit an
τῆς δόξης αὐτοῦ ἐπὶ σκεύη ἐλέους, (den) Gefäßen (des) Erbarmens
bekanntmachte, die er zu Herrlichkeit
ἃ προητοίμασεν εἰς δόξαν,
vorherbereitete,
Gott ist aus dem Grund geduldig mit den Gottlosen, damit er den
herrlichen Reichtum öffentlich bekanntmachen könne an den
Gefäßen des Erbarmens, d.h. Menschen, über die er sich aufgrund
ihres Glaubens erbarmen kann. Diese sind zur Herrlichkeit
vorherbereitet.
9.24 οὓς καὶ ἐκάλεσεν ἡμᾶς οὐ
μόνον ἐξ Ἰουδαίων, ἀλλὰ καὶ ἐξ
ἐθνῶν;
die er auch berief, uns, nicht nur von Juden,
sondern auch von Nationen?
Mit οὓς („die“) leitet Paulus einen Relativsatz ein, in dem er die
Gefäße des Erbarmens näher beschreibt und zwar als solche, die aus
Juden und Heiden berufen wurden, d.h. die Gott gerufen hatte und
die dem Ruf gefolgt sind.
9.25 Ὡς καὶ ἐν τῷ Ὡσηὲ λέγει,
Καλέσω τὸν οὐ λαόν μου λαόν
μου· καὶ τὴν οὐκ ἠγαπημένην
ἠγαπημένην.
Wie er auch in Hosea sagt: Ich werde die nicht
mein Nicht-Volk (sind), mein Volk nennen und
die Nicht-Geliebten Geliebte.
Paulus belegt die Aussage in Vers 24, nämlich, dass Gott aus Juden
und Heiden Gefäße des Erbarmens beruft, indem er Hosea als Beleg
anführt. Dort sagt Gott bereits, dass er Heiden als sein Volk
bezeichnet, wenn sie an ihn glauben. Diesen Heiden konnte
aufgrund ihres Unglaubens nicht gezeigt werden, dass Gott sie liebt,
sodass sie „Nicht-Geliebte“ sind, auch wenn Gott jeden Menschen
liebt. Nun aber kann Gott diese als seine Geliebten bezeichnen, da
sie an ihn glauben.
9.26 Καὶ ἔσται, ἐν τῷ τόπῳ οὗ
ἐρρήθη αὐτοῖς, Οὐ λαός μου
ὑμεῖς, ἐκεῖ κληθήσονται υἱοὶ θεοῦ
ζῶντος.
Und es wird geschehen: An dem Ort, da ihnen
gesagt wurde: (Ihr seid) nicht mein Volk, dort
werden sie Söhne (des) lebendigen Gottes
genannt werden.
Paulus führt ein weiteres Zitat bei Hosea 1.10 an, um zu belegen,
dass Gott auch Menschen aus den Heiden annimmt, indem er das
Zitat für Orte anwendet, wo das Volk Gottes nicht ist, aber aufgrund
des Glaubens dann doch so bezeichnet werden kann.
9.27 Ἠσαΐας δὲ κράζει ὑπὲρ τοῦ
Ἰσραήλ, Ἐὰν ᾖ ὁ ἀριθμὸς τῶν υἱῶν
Ἰσραὴλ ὡς ἡ ἄμμος τῆς θαλάσσης,
τὸ κατάλειμμα σωθήσεται·
Jesaja nun ruft über Israel: Wenn die Zahl der
Söhne Israels wie der Sand des Meeres (ist),
wird (nur) der Überrest gerettet werden.
Mittels eines weiteren Zitates belegt Paulus, dass Gott sein Volk,
wenn es ihm nicht glaubt, nicht mehr annimmt, selbst wenn dieses
Volk unzählbar wie der Sand an den Meeresufern ist. Aufgrund der
betonten Stellung von τὸ κατάλειμμα („der Überrest“) kann ein
„nur“ hinzugedacht werden, d.h. ist das Volk Gottes noch so groß,
81 Der Römerbrief
kann Gott nur die Gläubigen darin retten, die zahlenmäßig leider
sehr gering sind.
9.28 λόγον γὰρ συντελῶν καὶ
συντέμνων ἐν δικαιοσύνῃ· ὅτι
λόγον συντετμημένον ποιήσει
κύριος ἐπὶ τῆς γῆς.
Denn er ist eine Sache erfüllend und
abkürzend in Gerechtigkeit, weil (der) Herr
eine abgekürzte Sache auf der Erde machen
wird.
Mit γὰρ („denn“) begründet Paulus, warum Gott nur einen Überrest
rettet, indem er Jesaja 10.23 frei anwendet. D.h. Gott rettet nur den
Überrest, da er dies in seinem Wort so angekündigt hatte, indem er
dieses erfüllt. Mittels συντέμνων („verkürzend“) beschreibt Paulus,
dass die Zeit verkürzt wird, in denen Gott sein Wort beschleunigt
und zeitlich verkürzt zur Erfüllung bringt, da seine Gerechtigkeit dies
verlangt. Das Wort λόγος („Sache“) bedeutet i.d.R. „Wort“, ist hier
aber konkret, d.h. etwas, das getan wird, sodass es die Bedeutung
„Angelegenheit, Sache“ bzw. „Abrechnung“ annimmt. Mit ἐν
δικαιοσύνῃ („in Gerechtigkeit“) beschreibt Paulus die Art und Weise,
wie Gott sein Wort über das ungläubige Israel erfüllt. Da sie ihm
nicht glauben, ist es gerecht, dass er das Gericht bringt. Mit ὅτι
(„weil“) leitet Paulus ein, warum Gott schnell und gerecht handelt,
da er aufgrund des Unglaubens auf Erden in seinem Volk schnell
handeln will.
9.29 Καὶ καθὼς προείρηκεν
Ἠσαΐας, Εἰ μὴ κύριος Σαβαὼθ
ἐγκατέλιπεν ἡμῖν σπέρμα, ὡς
Σόδομα ἂν ἐγενήθημεν, καὶ ὡς
Γόμορρα ἂν ὡμοιώθημεν.
Und wie Jesaja vorhergesagt hat: Wenn nicht
(der) Herr Zebaoth uns Samen übriggelassen
hätte, wären wir wie Sodom geworden und
wie Gomorra wären wir wohl gleichgemacht
worden.
Paulus illustriert die These, dass Gott aus Gnade einen Überrest
rette, indem er Jesaja anführt, der prophezeite, dass Gott aus Gnade
nicht alle vernichtete, sondern einen Überrest begnadigte. Wäre
dies anders, hätte es eine verdiente völlige Vernichtung der Feinde
Gottes wie in Sodom und Gomorra gegeben. Diese Begebenheit
führt Paulus mittels eines Irrealis der Vergangenheit an, d.h. Gott
hat nicht wie in Sodom und Gomorra alle Bewohner vernichtet, da
einige doch glaubten.
9.30 Τί οὖν ἐροῦμεν; Ὅτι ἔθνη τὰ
μὴ διώκοντα δικαιοσύνην,
Was sollen wir nun sagen? Dass Nationen, die
nicht (der) Gerechtigkeit nachgingen,
Τί οὖν ἐροῦμεν („was sollen wir nun sagen“) leitet eine
Schlussfolgerung mittels einer rhetorischen Frage ein, nämlich, dass
82 Der Römerbrief
κατέλαβεν δικαιοσύνην,
δικαιοσύνην δὲ τὴν ἐκ πίστεως·
Gerechtigkeit erhielten, eine Gerechtigkeit
nun, die aus Glauben (ist),
Heiden, die von Gott nichts wussten, und ungerecht lebten, die
Rechtfertigung vor Gott erhielten, die aus Glauben an Christus
kommt.
9.31 Ἰσραὴλ δέ, διώκων νόμον
δικαιοσύνης, εἰς νόμον
δικαιοσύνης οὐκ ἔφθασεν.
Israel aber, (das) Gesetz (der) Gerechtigkeit
verfolgend, gelangte nicht hin zu (dem) Gesetz
(der) Gerechtigkeit.
Der zweite Teil der Schlussfolgerung bezieht sich auf die jüdischen
Menschen, die das mosaische Gesetz befolgen wollten, um
gerechtfertigt zu werden, aber es nicht erreichten.
9.32 Διὰ τί; Ὅτι οὐκ ἐκ πίστεως,
ἀλλ᾽ ὡς ἐξ ἔργων νόμου·
προσέκοψαν γὰρ τῷ λίθῳ τοῦ
προσκόμματος,
Weswegen? Weil es nicht aus Glauben (war),
sondern als aus Werken (des) Gesetzes. Sie
stießen ja am Stein des Anstoßes an,
Διὰ τί („weswegen“) leitet die Antwort ein, warum Israel es nicht
schaffte, die Forderungen Gottes im Gesetz zu erfüllen und so vor
Gott gerechtfertigt zu werden, da sie zwar bestimmte Dinge des
Gesetzes tun wollten, aber dies war im Unglauben dem Messias
gegenüber. Die Partikel ὡς („wie, als“) zeigt, dass diese Methode der
Werke nicht erfolgreich ist, um vor Gott gerecht zu sein, da die
Werke, die das Gesetz vorsah, nicht dazu geeignet sind, vor Gott
gerecht zu sein, da dies nur durch Glauben an den Messias möglich
ist. Mit γὰρ („ja“) beschreibt Paulus den Beleg, wie ihr Unglaube
deutlich wird, da sie ja Christus als Erlöser ablehnten und so nicht
bei dem ankamen, was das mosaische Gesetz vorsah.
9.33 καθὼς γέγραπται, Ἰδοὺ τίθημι
ἐν Σιὼν λίθον προσκόμματος καὶ
πέτραν σκανδάλου· καὶ πᾶς ὁ
πιστεύων ἐπ᾽ αὐτῷ οὐ
καταισχυνθήσεται.
wie geschrieben ist: Siehe, ich lege in Zion
einen Stein (des) Anstoßes und einen Felsen
(des) Ärgernisses, und jeder an ihn Glaubende
wird nicht beschämt werden!
Als Beleg für seine Aussage, dass Israel dem Messias nicht glaubte,
führt Paulus Jesaja an, der dies vorhersagte. Dabei vergleicht Gott
seinen Gesalbten mit einem Stein, der von ihm platziert wurde und
an dem Menschen, die ihn ablehnen zu Fall kommen, wenn sie an
ihm Anstoß und Ärgernis nehmen. Mittels eines adversativen καὶ
(„und (doch)“) beschreibt Paulus, dass die an den Messias glauben,
jedoch nicht enttäuscht werden, was das Heil anbelangt.
83 Der Römerbrief
10.1 Ἀδελφοί, ἡ μὲν εὐδοκία τῆς
ἐμῆς καρδίας καὶ ἡ δέησις ἡ πρὸς
τὸν θεὸν ὑπὲρ τοῦ Ἰσραήλ ἐστιν εἰς
σωτηρίαν.
Brüder, das Wohlgefallen meines Herzens und
das Flehen zu Gott für Israel ist um Rettung.
In den Versen 1-4 drückt Paulus seine Gefühle hinsichtlich des
Unglaubens und des Problems von Israel aus, sodass er Gott um
deren Rettung bittet.
10.2 Μαρτυρῶ γὰρ αὐτοῖς ὅτι
ζῆλον θεοῦ ἔχουσιν, ἀλλ᾽ οὐ κατ᾽
ἐπίγνωσιν.
Ich bezeuge ihnen ja, dass sie Eifer (für) Gott
haben, aber nicht nach Erkenntnis.
Der Hintergrund der Bitte an Gott um Rettung ist seine
Überzeugung, dass die Juden zwar Eifer für Gott haben, aber die
Erkenntnis ablehnen, wie sie ihm gefallen können.
10.3 Ἀγνοοῦντες γὰρ τὴν τοῦ θεοῦ
δικαιοσύνην, καὶ τὴν ἰδίαν
δικαιοσύνην ζητοῦντες στῆσαι, τῇ
δικαιοσύνῃ τοῦ θεοῦ οὐχ
ὑπετάγησαν.
Die Gerechtigkeit Gottes nämlich nicht
kennend und die eigene Gerechtigkeit
aufzurichten suchend, ordneten sie sich der
Gerechtigkeit Gottes nicht unter.
Mit γὰρ („nämlich“) erklärt Paulus, wie es dazu kommt, dass sie für
Gott ohne Erkenntnis eifern, da sie nicht erkennen, was vor Gott als
gerecht gilt, und so meinen, sie selbst können vor Gott gerecht sein,
indem sie ihre eigene Gerechtigkeit, die es nicht gibt, geltend
machen. Dies führt dazu, dass sie den Forderungen Gottes nach
Gerechtigkeit nicht entsprechen können und sich dieser nicht
beugen wollen, da diese nur durch Glauben möglich ist, den Israel
als Ganzes ablehnt.
10.4 Τέλος γὰρ νόμου χριστὸς εἰς
δικαιοσύνην παντὶ τῷ πιστεύοντι.
(Das) Gesetzes Ziel (ist) ja Christus, zur
Gerechtigkeit jedem Glaubenden.
Mit einem emphatischen Satz, der mit γὰρ („ja“) eingeleitet wird,
beschreibt Paulus das Problem genauer. Das mosaische Gesetz zielt
auf den Glauben an Christus ab, wodurch Rechtfertigung vor Gott
möglich ist. Dies heißt, dass Israel das Ziel und den Sinn des Gesetzes
ablehnt, indem sie nicht an den Messias glauben, obwohl jeder, der
glaubt, gerechtfertigt werden kann.
10.5 Μωϋσῆς γὰρ γράφει τὴν
δικαιοσύνην τὴν ἐκ τοῦ νόμου, ὅτι
ὁ ποιήσας αὐτὰ ἄνθρωπος ζήσεται
ἐν αὐτοῖς.
Moses schreibt nämlich über die Gerechtigkeit
aus (dem) Gesetz, dass der sie getan habende
Mensch durch sie leben wird.
Paulus erklärt nun den Sinn des Gesetzes und stellt dazu die
Gerechtigkeit, die durch das Gesetz käme, dem aus Glauben
gegenüber. So stellt er zunächst fest, dass nur derjenige, der das
Gesetz genau getan hat, was durch den Aorist ποιήσας („getan
habend“) zum Ausdruck kommt, dadurch ewiges Leben hat und vor
Gott gerechtfertigt ist. Mit ἐν αὐτοῖς („durch sie“) kommen implizit
84 Der Römerbrief
die Taten zur Ansprache, die das mosaische Gesetze verlangt, z.B.
die Beschneidung etc.
10.6 Ἡ δὲ ἐκ πίστεως δικαιοσύνη
οὕτως λέγει, Μὴ εἴπῃς ἐν τῇ
καρδίᾳ σου, Τίς ἀναβήσεται εἰς
τὸν οὐρανόν; τοῦτ᾽ ἔστιν χριστὸν
καταγαγεῖν
Die Gerechtigkeit aus Glauben aber redet so:
Sprich nicht in deinem Herzen: Wer wird in
den Himmel hinaufsteigen? Dies ist: Christus
herabzuführen.
Mittels δὲ („aber“) stellt er die Gerechtigkeit aus Glauben dem aus
Gesetz gegenüber, indem er jemanden, der aus Glauben
gerechtfertigt ist, sagen lässt, was sein Gegenüber in seinem Inneren
nicht denken soll. Dazu personifiziert Paulus den Glauben als ob er
reden könnte. Die Aussage ist eine verzweifelte Frage, wer in den
Himmel gehen könnte, um dort Rettung zu holen bzw. Christus
herzubringen. Diese Frage ist falsch und zweifelnd, wie Paulus später
zeigen wird, da Christus ja gekommen ist, sodass dies eine Aussage
des Unglaubens ist.
10.7 ἤ, Τίς καταβήσεται εἰς τὴν
ἄβυσσον; τοῦτ᾽ ἔστιν χριστὸν ἐκ
νεκρῶν ἀναγαγεῖν.
Oder, wer wird in den Abgrund hinabsteigen?
Dies ist: Christus aus (den) Toten
heraufzuführen.
Ebenso ist die nächste Frage ein Ausdruck des Zweifels und
Unglaubens, die Paulus mit ἤ („oder“) anschließt, nämlich, ob nicht
jemand in die Unterwelt gehen könnte, um dort den Retter
heraufzuholen. Dies ist eine Aussage des Unglaubens, da dies bereits
geschehen ist, nachdem Christus auferstanden ist.
10.8 Ἀλλὰ τί λέγει; Ἐγγύς σου τὸ
ῥῆμά ἐστιν, ἐν τῷ στόματί σου καὶ
ἐν τῇ καρδίᾳ σου· τοῦτ᾽ ἔστιν τὸ
ῥῆμα τῆς πίστεως ὃ κηρύσσομεν·
Doch, was sagt sie? Nahe ist dir der
Ausspruch, in deinem Mund und in deinem
Herzen. Dies ist: Der Ausspruch des Glaubens,
den wir verkünden,
Paulus lässt nun die personifizierte Gerechtigkeit aus Glauben sagen,
was stattdessen zutreffend ist, nämlich dass das was Gott
gesprochen hat, d.h. sein Ausspruch im Evangelium, zugänglich ist
und man davon reden kann, nämlich der Glauben an Christus. Dieser
wird von Paulus und den anderen ja überall verkündigt, sodass jeder
glauben kann.
10.9 ὅτι ἐὰν ὁμολογήσῃς ἐν τῷ
στόματί σου κύριον Ἰησοῦν, καὶ
πιστεύσῃς ἐν τῇ καρδίᾳ σου ὅτι ὁ
dass du, wenn du in deinem Mund Jesus als
Herrn bekennst und in deinem Herzen glaubst,
dass Gott ihn aus (den) Toten erweckte,
gerettet werden wirst.
Die Subjunktion ὅτι („dass“) leitet den Inhalt der Predigt ein, der
verkündigt wird, nämlich, dass jeder, der an Christus glaubt und ihn
in Folge auch bekennt, gerettet wird. Paulus gebraucht das Stilmittel
Hysteron proteron, indem er das Bekenntnis vor dem Glauben
erwähnt, obwohl erst der Glaube da sein muss, um dann bekannt zu
85 Der Römerbrief
θεὸς αὐτὸν ἤγειρεν ἐκ νεκρῶν,
σωθήσῃ·
werden. Dadurch zieht er die Folge vor die Ursache, um diese als
zentral zu beschreiben, d.h. durch das öffentliche Bekenntnis wird
der Glaube sichtbar. Mit dem zweiten ὅτι („dass“) wird ebenfalls
wieder der Inhalt eingeleitet, hier der des Glaubens im Herzen,
nämlich, dass Christus auferstanden ist. Der Akkusativ 2 κύριον („als
Herrn“) ist zur Betonung vor Ἰησοῦν („Jesus“), d.h. dem Akkusativ 1,
vorangestellt.
10.10 καρδίᾳ γὰρ πιστεύεται εἰς
δικαιοσύνην, στόματι δὲ
ὁμολογεῖται εἰς σωτηρίαν.
Mit (dem) Herzen wird nämlich zur
Gerechtigkeit geglaubt, mit (dem) Mund nun
wird zur Rettung bekannt.
Mit γὰρ („nämlich“) erklärt Paulus, warum man im Herzen glauben
muss, wodurch er die Aussage von Vers 9 erweitert. Dabei
unterscheidet Paulus wieder das unsichtbare und sichtbare
Moment.
10.11 Λέγει γὰρ ἡ γραφή, Πᾶς ὁ
πιστεύων ἐπ᾽ αὐτῷ οὐ
καταισχυνθήσεται.
Es sagt ja die Schrift: Jeder an ihn Glaubende
wird nicht beschämt werden.
Mit γὰρ („ja“) belegt Paulus seine Aussage, dass der Gläubige
gerettet wird, indem er Jesajas Aussage über den Messias anführt:
Wer an ihn glaubt, wird gerettet werden und muss sich nicht vor
Gott schämen.
10.12 Οὐ γάρ ἐστιν διαστολὴ
Ἰουδαίου τε καὶ Ἕλληνος· ὁ γὰρ
αὐτὸς κύριος πάντων, πλουτῶν εἰς
πάντας τοὺς ἐπικαλουμένους
αὐτόν.
Denn es ist kein Unterschied zwischen Juden
und Griechen, denn (er ist) derselbe Herr von
allen, reich seiend für alle ihn Anrufenden.
Mit γάρ („denn“) leitet Paulus eine Begründung dafür ein, dass Gott
ohne Unterschied die rettet, die glauben, indem er deutlich macht,
dass alle, Juden wie Heiden, wenn sie glauben, unterschiedslos
denselben Herrn haben, der alle reich segnen wird, die ihn als
solchen anrufen.
10.13 Πᾶς γὰρ ὃς ἂν ἐπικαλέσηται
τὸ ὄνομα κυρίου σωθήσεται.
Denn jeder, wer auch immer den Namen (des)
Herrn anrufen wird, wird gerettet werden.
Dies belegt Paulus, indem er Joel anführt, der sagt, dass egal wer,
Gott anrufen kann, wodurch jeder Rettung erfahren kann.
10.14 Πῶς οὖν ἐπικαλέσονται εἰς
ὃν οὐκ ἐπίστευσαν; Πῶς δὲ
πιστεύσουσιν οὗ οὐκ ἤκουσαν;
Doch wie können sie anrufen, an den sie nicht
glaubten? Wie nun können sie (dem) glauben,
Paulus führt im Folgenden Belege an, warum es keinen Grund für
Unglauben beim jüdischen Volk gibt. Die Konjunktion οὖν („doch“)
ist hier weniger eine Folgerung als vielmehr eine Vorwegnahme
eines Einwandes, der besagen könnte, dass Juden ja nicht glauben
86 Der Römerbrief
Πῶς δὲ ἀκούσουσιν χωρὶς
κηρύσσοντος;
von dem sie nicht hörten? Wie nun können sie
hören ohne einen Verkünder?
können, da sie das Evangelium ja nicht kennen würden. Dies
widerlegt Paulus im weiteren Verlauf. Die Futurformen sind hier
offenbar modal (sollen, können) und zeigen innerhalb der Frage, die
Paulus dann widerlegt, ob Juden überhaupt glauben können. Die
Lesart von Nestle-Aland mit einer Aoristform ist vom Kontext her
ausgeschlossen, da es um Modalität geht und die Frage, ob Juden
glauben können.
10.15 Πῶς δὲ κηρύξουσιν ἐὰν μὴ
ἀποσταλῶσιν; Καθὼς γέγραπται,
Ὡς ὡραῖοι οἱ πόδες τῶν
εὐαγγελιζομένων εἰρήνην, τῶν
εὐαγγελιζομένων τὰ ἀγαθά.
Und wie nun können sie verkünden, wenn sie
nicht gesandt sind? Wie geschrieben ist: Wie
lieblich (sind) die Füße derer, die Frieden
verkünden, derer, die das Gute als gute
Botschaft verkünden.
Paulus greift weitere Fragen auf, die er dann beantwortet. Hier geht
es um die Aufgabe der Juden, der Welt das Heil zu predigen. Ist dies
überhaupt zu erwarten, d.h. sind sie überhaupt beauftragt? Diese
Aufgabe ist in der Schrift ja bereits genannt. Dies zeigt Paulus, indem
er darauf verweist, wie erfreulich es ist, wenn Frieden mit Gott
verkündigt wird.
10.16 Ἀλλ᾽ οὐ πάντες ὑπήκουσαν
τῷ εὐαγγελίῳ. Ἠσαΐας γὰρ λέγει,
Κύριε, τίς ἐπίστευσεν τῇ ἀκοῇ
ἡμῶν;
Doch nicht alle gehorchten der guten
Botschaft. Jesaja sagt ja: Herr, wer glaubte
unserer Kunde?
Paulus belegt mit einem Zitat von Jesaja, dass es tragischerweise
dazu kommt, dass, wie Jesaja, auch den Predigern des Evangeliums
nicht alle glauben, obwohl das Evangelium gepredigt wurde. Dies
führt Paulus dazu an, um den Unglauben des jüdischen Volkes zu
belegen. Zu τῇ ἀκοῇ („der Kunde“) vgl. Thucydides, Historiae 1.20,1:
„Τὰ μὲν οὖν παλαιὰ τοιαῦτα ηὗρον, χαλεπὰ ὄντα παντὶ ἑξῆς
τεκμηρίῳ πιστεῦσαι. οἱ γὰρ ἄνθρωποι τὰς ἀκοὰς τῶν
προγεγενημένων, καὶ ἢν ἐπιχώρια σφίσιν ᾖ, ὁμοίως ἀβασανίστως
παρ’ ἀλλήλων δέχονται“. „Solcher war dann der Zustand
vergangener Dinge, die schwer durch jeden Beweis zu glauben sind.
Denn die Männer erhielten die Kunden über die vorher geschehenen
Dinge, auch wenn sie von ihrem eigenen Land war, nur genauso
ungeprüft einer vom anderen“. D.h. dem Inhalt der Verkündigung,
der Kunde, wurde nur von wenigen Glauben geschenkt. Dies heißt,
87 Der Römerbrief
dass nicht viele aus Israel dem Evangelium glaubten, wie es Jesaja
schon vorhergesehen hatte.
10.17 Ἄρα ἡ πίστις ἐξ ἀκοῆς, ἡ δὲ
ἀκοὴ διὰ ῥήματος θεοῦ.
Also (ist) der Glaube aufgrund (der) Kunde
(da), die Kunde wiederum durch (den)
Ausspruch Gottes.
Der Satz ermangelt ein Verb, schließt aber am Vorigen mit ἄρα
(„also“) an. Paulus sagt also, dass, obwohl viele Juden nicht glauben,
es doch so ist, dass aus der Predigt dessen, was Gott gesagt ist,
Glauben kommt, sodass es um das Vorhandensein des Glaubens
geht, auch wenn nicht alle Menschen glauben. Daher kann „ist da“
als Prädikat angenommen werden. Die Ursache für den Glauben ist,
dass es zuvor gepredigt wurde. Dies erfolgt durch ἐξ („aufgrund“).
10.18 Ἀλλὰ λέγω, μὴ οὐκ ἤκουσαν;
Μενοῦνγε· Εἰς πᾶσαν τὴν γῆν
ἐξῆλθεν ὁ φθόγγος αὐτῶν, καὶ εἰς
τὰ πέρατα τῆς οἰκουμένης τὰ
ῥήματα αὐτῶν.
Doch sage ich etwa, dass sie nicht hörten? In
der Tat: In die ganze Erde ging ihr Klang aus
und bis zu den Grenzen des Erdkreises ihre
Aussprüche.
Wenn Glaube vorhanden ist, aber nicht alle glauben, könnte das
daran liegen, dass man nicht zuhört oder es nicht versteht. Paulus
widerlegt die Auffassung, dass die Juden das Evangelium nicht zu
hören bekamen, da sie nicht glauben, indem er ein Zitat anführt, das
besagt, dass die ganze Erde und der gesamte Erdkreis, d.h. die
damals bekannte Welt, die Botschaft hören konnte, also auch die
Juden darin. Zur Begründung führt Paulus Psalm 19.4 an, wo es um
die Sterne geht, die überall von Gottes Herrlichkeit sprechen und
überall gesehen werden können. Genauso konnte das Evangelium
durch die Verkündigung überall gehört werden, also auch von Juden,
auch wenn sie nicht glauben.
10.19 Ἀλλὰ λέγω, μὴ οὐκ ἔγνω
Ἰσραήλ; Πρῶτος Μωϋσῆς λέγει,
Ἐγὼ παραζηλώσω ὑμᾶς ἐπ᾽ οὐκ
ἔθνει, ἐπὶ ἔθνει ἀσυνέτῳ
παροργιῶ ὑμᾶς.
Doch sage ich etwa, dass Israel es nicht
verstand? Als erster sagt Moses: Ich werde
euch eifersüchtig machen auf eine NichtNation, auf eine unverständige Nation werde
ich euch zornig machen.
Als nächsten Einwand greift Paulus auf, ob die Juden das Evangelium
vielleicht nicht begriffen haben könnten. Dies widerlegt er, indem er
Mose anführt. Er bezeugte noch vor Jesaja als erster, dass die Juden
sehr wohl verstanden, wenn andere an ihren Gott glauben, selbst
wenn sie es selbst nicht täten, da sie dies eifersüchtig und zornig
macht.
88 Der Römerbrief
10.20 Ἠσαΐας δὲ ἀποτολμᾷ καὶ
λέγει, Εὑρέθην τοῖς ἐμὲ μὴ
ζητοῦσιν, ἐμφανὴς ἐγενόμην τοῖς
ἐμὲ μὴ ἐπερωτῶσιν.
Jesaja wiederum erkühnt sich und sagt: Ich
wurde gefunden von denen, die mich nicht
suchen, offenbar wurde ich denen, die nicht
nach mir fragen.
Nach Mose als Beleg führt Paulus noch Jesaja an, der ebenso
bestätigt, dass das jüdische Volk wissen konnte, dass die Heiden nun
an ihren Gott glauben würden. Die gottlosen Heiden glaubten an
den Gott Israels, dies wussten auch die Juden, sodass der Einwand
widerlegt ist, die Juden hätten das Evangelium nicht verstanden.
10.21Πρὸς δὲ τὸν Ἰσραὴλ λέγει,
Ὅλην τὴν ἡμέραν ἐξεπέτασα τὰς
χεῖράς μου πρὸς λαὸν ἀπειθοῦντα
καὶ ἀντιλέγοντα.
Über Israel aber sagt er: Den ganzen Tag
streckte ich meine Hände zu einem Volk aus,
das ungehorsam und widersprechend ist.
Mit δὲ („aber“) leitet Paulus einen Kontrast ein. Die Heiden glauben
an den Gott Israels, aber diese selbst nicht. Dies drückt Paulus
konkret dadurch aus, dass Gott die ganze Zeit durch sein Reden
quasi als mit Händen nach seinem Volk greifen wollte, um sie zu ihm
zu führen, da sie ihm nicht gehorchen und gegen ihn reden.
11.1 Λέγω οὖν, μὴ ἀπώσατο ὁ
θεὸς τὸν λαὸν αὐτοῦ; Μὴ γένοιτο.
Καὶ γὰρ ἐγὼ Ἰσραηλίτης εἰμί, ἐκ
σπέρματος Ἀβραάμ, φυλῆς
Βενιαμίν.
Sage ich also etwa, dass Gott sein Volk
verstieß? Das kann nicht sein! Denn auch ich
bin ein Israelit, vom Samen Abrahams, (vom)
Stamm Benjamin.
Bis zum Vers 32 bespricht Paulus einen weiteren Einwand, nämlich
den, es läge an Gott, der Israel verworfen hätte. Dies ist nicht der
Fall, da Paulus selbst ein Gegenbeispiel ist, das er mit γὰρ („denn“)
anführt, indem er seine jüdische Herkunft nennt.
11.2 Οὐκ ἀπώσατο ὁ θεὸς τὸν
λαὸν αὐτοῦ ὃν προέγνω. Ἢ οὐκ
οἴδατε ἐν Ἠλίᾳ τί λέγει ἡ γραφή;
Ὡς ἐντυγχάνει τῷ θεῷ κατὰ τοῦ
Ἰσραήλ, λέγων,
Gott verstieß sein Volk nicht, das er
vorhererkannte. Oder wisst ihr nicht, was die
Schrift bei Elia sagt, als er bei Gott gegen Israel
auftritt, sagend:
Als weiteres Gegenbeispiel, dass Gott sein Volk nicht verstoßen hat,
führt Paulus die Begebenheit bei Elia an, der sich fälschlicherweise
für den einzigen Gläubigen hielt, obwohl ein Überrest von
siebentausend Mann im Land war. Dies ist ein Hinweis, dass auch in
der gegenwärtigen Zeit ein jüdischer Überrest an Christus glaubt,
und so der Gegenbeleg vorhanden ist, dass Gott sein Volk nicht
aufgegeben hat, da es diesen Überrest sonst nicht gäbe. Die
Auffassung Elias, die auch heute in bestimmten Kreisen vorhanden
ist, wird als Angriff auf das Volk Gottes gesehen, da dies von
Hochmut Elias spricht, der nur sich selbst noch für treu befand.
11.3 Κύριε, τοὺς προφήτας σου
ἀπέκτειναν, καὶ τὰ θυσιαστήριά
Herr, deine Propheten töteten sie, deine
Altäre rissen sie nieder, und ich wurde allein
Paulus zitiert das Gebet des Elia, in dem er Gott vorbringt, alle in
seinem Volk seien abgefallen. Dies würde sich daran zeigen, dass die
89 Der Römerbrief
σου κατέσκαψαν· κἀγὼ
ὑπελείφθην μόνος, καὶ ζητοῦσιν
τὴν ψυχήν μου.
übriggelassen, und sie trachten nach meinem
Leben.
Propheten getötet werden, die Altäre Gottes zerstört werden und
nur er Gott treu sei, da das Volk Gottes auch ihn töten will.
11.4 Ἀλλὰ τί λέγει αὐτῷ ὁ
χρηματισμός; Κατέλιπον ἐμαυτῷ
ἑπτακισχιλίους ἄνδρας, οἵτινες
οὐκ ἔκαμψαν γόνυ τῇ Βάαλ.
Doch was sagt ihm die Weissagung? Ich
behielt mir siebentausend Männer übrig,
welche dem Baal nicht (das) Knie beugten.
Ἀλλὰ („doch“) leitet die göttliche Antwort auf die falsche Auffassung
von Elia ein, nämlich, dass er nicht alleine ist, sondern weitere
siebentausend.
11.5 Οὕτως οὖν καὶ ἐν τῷ νῦν
καιρῷ λεῖμμα κατ᾽ ἐκλογὴν
χάριτος γέγονεν.
So (ist) nun auch in der jetzigen Zeit ein
Überrest nach (der) Erwählung (der) Gnade
geworden.
Οὕτως („so“) leistet eine Anwendung auf die gegenwärtige Zeit. So
wie es damals bei Elia war, ist es auch heute, wie Paulus mit ἐν τῷ
νῦν καιρῷ („in der jetzigen Zeit“) deutlich macht. Damals wie heute
gibt es im Volk Israel Gläubige, sodass die Auffassung falsch ist, Gott
hätte sein Volk verstoßen. Auch in der jetzigen Zeit ist ein Überrest
vorhanden, den Gott aufgrund des Glaubens erwählen konnte.
11.6 Εἰ δὲ χάριτι, οὐκέτι ἐξ ἔργων·
ἐπεὶ ἡ χάρις οὐκέτι γίνεται χάρις.
Εἰ δὲ ἐξ ἔργων, οὐκέτι ἐστὶν χάρις·
ἐπεὶ τὸ ἔργον οὐκέτι ἐστὶν ἔργον.
Wenn aber (aus) Gnade, (ist es) nicht mehr
aus Werken, da sonst die Gnade nicht mehr
Gnade wird. Wenn aber aus Werken, ist es
keine Gnade mehr, da sonst das Werk nicht
mehr Werk ist.
Paulus setzt das Motiv der Erwählung aus Gnade fort, indem er
diesem Werke gegenüberstellt, die keine Erwählung bewirken
können. Dies begründet Paulus damit, dass Werke einen Verdienst
fordern. Gnade hingegen kann nicht verdient werden, sondern muss
angenommen werden.
11.7 Τί οὖν; Ὃ ἐπιζητεῖ Ἰσραήλ,
τοῦτο οὐκ ἐπέτυχεν, ἡ δὲ ἐκλογὴ
ἐπέτυχεν, οἱ δὲ λοιποὶ
ἐπωρώθησαν·
Was also? Was Israel erstrebt, das erlangte es
nicht. Die Auswahl aber erlangte es. Die
übrigen aber wurden verhärtet.
Τί οὖν („was also“) leitet ein, was das bisher Gesagte zu bedeuten
hat. Paulus fasst es so zusammen, dass Israel als Ganzes es nicht
schaffte, Gott zu gefallen, indem es aus Werken des Gesetzes
gerettet werden will, aber eine kleine Auswahl erlangte das
Wohlgefallen Gottes. Die große Masse, d.h. alle ungläubigen Juden,
aber musste von Gott verstockt werden, da sie ihm nicht glaubten.
11.8 καθὼς γέγραπται, Ἔδωκεν
αὐτοῖς ὁ θεὸς πνεῦμα
Gleichwie geschrieben ist: (Es) gab ihnen Gott
einen Geist (der) Betäubung, Augen, um nicht
Mit καθὼς („wie“) leitet ein, dass diese Aussage im Einklang mit
Gottes Wort ist. Dies belegt die traurige Tatsache, dass Gott das
90 Der Römerbrief
κατανύξεως, ὀφθαλμοὺς τοῦ μὴ
βλέπειν, καὶ ὦτα τοῦ μὴ ἀκούειν,
ἕως τῆς σήμερον ἡμέρας.
zu sehen, und Ohren, um nicht zu hören, bis
auf den heutigen Tag.
ungläubige Israel verstocken musste. Dies betrifft den Geist, der wie
in einem Rausch untauglich wurde. Die Augen, sodass sie nicht mehr
richtig sehen können und die Ohren, dass sie nicht mehr richtig
hören können. Dieser Zustand gilt bis zum Termin der Niederschrift
und hält bis heute an.
11.9 Καὶ Δαυὶδ λέγει, Γενηθήτω ἡ
τράπεζα αὐτῶν εἰς παγίδα καὶ εἰς
θήραν, καὶ εἰς σκάνδαλον, καὶ εἰς
ἀνταπόδομα αὐτοῖς·
Auch David sagt: Es werde ihr Tisch zur Falle
und zum Fallstrick und zum Anstoß und ihnen
zur Vergeltung,
Καὶ („auch“) ist hier adverbial, d.h. fügt zum vorigen Zitat das von
David, der belegt, dass Israel verhärtet ist. Der Opfertisch wurde
Israel zur Falle, da sie weiterhin Tieropfer brachten und so das Opfer
Christi verachten. Dies erregte Gottes Zorn, sodass er dies vergelten
musste. Dies drückt David mit Wünschen aus, die von Rache
sprechen.
11.10 σκοτισθήτωσαν οἱ ὀφθαλμοὶ
αὐτῶν τοῦ μὴ βλέπειν, καὶ τὸν
νῶτον αὐτῶν διὰ παντὸς
σύγκαμψον.
verfinstert sollen ihre Augen werden, um nicht
zu sehen, und ihren Rücken beuge die ganze
(Zeit) über.
Aufgrund der Ablehnung Israels dem Opfer Christi gegenüber
wünscht David Vergeltung, sodass die Gottlosen nicht mehr richtig
sehen können und sie von Gott niedergebeugt werden sollen.
11.11 Λέγω οὖν, μὴ ἔπταισαν ἵνα
πέσωσιν; Μὴ γένοιτο· ἀλλὰ τῷ
αὐτῶν παραπτώματι ἡ σωτηρία
τοῖς ἔθνεσιν, εἰς τὸ παραζηλῶσαι
αὐτούς.
Sage ich nun etwa, dass sie strauchelten,
damit sie fallen? Das kann nicht sein! Durch
ihre Übertretung (kam) vielmehr die Rettung
für die Nationen, sodass er sie eifersüchtig
mache.
In diesem und dem nächsten Vers widerlegt Paulus die falsche
Folgerung, die Juden sollten im Unglauben für immer zugrunde
kommen. Dies ist vollkommen falsch. Richtig ist, dass in der Zeit von
Israels Unglauben die Zeit der Rettung der Menschen aus den NichtJuden möglich ist. Dies mit dem Ziel, dass die gläubigen Menschen
aus den Heiden, die ungläubigen Juden eifersüchtig machen sollten,
auch an ihren Gott zu glauben.
11.12 Εἰ δὲ τὸ παράπτωμα αὐτῶν
πλοῦτος κόσμου, καὶ τὸ ἥττημα
αὐτῶν πλοῦτος ἐθνῶν, πόσῳ
μᾶλλον τὸ πλήρωμα αὐτῶν;
Wenn nun ihre Übertretung Reichtum (der)
Welt (ist) und ihre Niederlage Reichtum (der)
Nationen, wieviel mehr ihre Vollzahl?
Paulus greift mit παράπτωμα („Übertretung“) auf, dass die Juden
das Gebot an ihren Erlöser zu glauben nicht befolgen, sondern
übertreten. Die Konsequenz war nun, dass das Heil auch zu den
Heiden ging. Ihre Übertretung führte zu ihrer Niederlage. Jedoch
91 Der Römerbrief
greift Paulus auf, dass eines Tages alle Juden glauben werden, was
noch zu größeren Segnungen führen würde.
11.13 Ὑμῖν γὰρ λέγω τοῖς ἔθνεσιν.
Ἐφ᾽ ὅσον μέν εἰμι ἐγὼ ἐθνῶν
ἀπόστολος, τὴν διακονίαν μου
δοξάζω·
Denn euch sage ich, den Nationen: Insofern
ich zwar (der) Apostel (der) Nationen bin,
verherrliche ich meinen Dienst,
Nach der Beschreibung, wie es mit dem Volk Israel aus Gottes Sicht
weitergeht, nachdem sie ihren Messias abgelehnt hatten, wendet er
sich an die Christen aus den Heiden und betont, dass er zwar ihr
Apostel ist, aber sein Dienst auch im Hinblick auf die Juden
geschieht, indem diese durch den Glauben der Heiden an den Gott
Israels und seinen Messias, zur Eifersucht auf die Heidenchristen
kommen und selbst gerettet werden, wenn sie glauben.
11.14 εἴ πως παραζηλώσω μου τὴν
σάρκα, καὶ σώσω τινὰς ἐξ αὐτῶν.
ob ich irgendwie mein Fleisch eifersüchtig
machen und einige von ihnen retten (kann).
Die Phrase μου τὴν σάρκα („mein Fleisch“) benutzt Paulus, um seine
starke Beziehung zum Volk Israel auszudrücken, sodass er sie sogar
als sein eigenes Fleisch bezeichnet.
11.15 Εἰ γὰρ ἡ ἀποβολὴ αὐτῶν
καταλλαγὴ κόσμου, τίς ἡ
πρόσληψις, εἰ μὴ ζωὴ ἐκ νεκρῶν;
Denn wenn ihre Verwerfung Versöhnung (der)
Welt (ist), was (ist) die Annahme, wenn nicht
Leben aus Toten?
Mit γὰρ („denn“) liefert Paulus die Begründung für den nächsten
Vers bereits. Da Gott die ungläubigen Juden verworfen hat, wandte
er sich zu den Heiden und nimmt dort Menschen an, die an den
Messias glauben. Paulus blickt auch in die Zukunft, wenn Gott ganz
Israel annehmen wird, wenn sie glauben. Paulus beschreibt diese
Bekehrung so, als ob Tote lebendig werden.
11.16 Εἰ δὲ ἡ ἀπαρχὴ ἁγία, καὶ τὸ
φύραμα· καὶ εἰ ἡ ῥίζα ἁγία, καὶ οἱ
κλάδοι.
Wenn nun der Erstling heilig (ist), (so) auch
der Teig. Und wenn die Wurzel heilig (ist), (so)
auch die Zweige.
Paulus illustriert, dass Israel ihm gehört, da es ihre Vorfahren auch
waren. Dies tut er mit einem Teil-Ganzes Vergleich und schließt von
den gläubigen Vorfahren bzw. dem Überrest, der an Christus
glaubte, auf den ganzen Rest, der ebenfalls glauben sollte bzw. es
auch wird. Dazu benutzt er das Bild von Teig und Brot und das von
Wurzeln und Zweigen. Wenn der erste Teil für Gott geheiligt war, ist
es auch der ganze Teig. Dies kann sich auf Numeri 15 beziehen, wo
Brote für Gott geheiligt wurden und ihm gebracht wurden. Damit ist
auch der ganze Teig heilig. Wenn die Wurzel eines Baumes gut bzw.
92 Der Römerbrief
heilig ist, dann sind es auch die Zweige, d.h. wenn die Vorfahren
bzw. die ersten, die an Jesus als ihren Messias glaubten, Gott
gehörte bzw. heilig waren, so sind auch deren Nachkommen für Gott
bestimmt.
11.17 Εἰ δέ τινες τῶν κλάδων
ἐξεκλάσθησαν, σὺ δὲ ἀγριέλαιος
ὢν ἐνεκεντρίσθης ἐν αὐτοῖς, καὶ
συγκοινωνὸς τῆς ῥίζης καὶ τῆς
πιότητος τῆς ἐλαίας ἐγένου,
Wenn nun einige der Zweige ausgebrochen
wurden, du aber ein wilder Ölbaum seiend,
unter sie eingepfropft wurdest und
Mitteilhaber der Wurzel und des Marks des
Ölbaums wurdest,
Εἰ („wenn“) leitet einige gegebene Bedingung ein, d.h. dass Gott die
ungläubigen Juden vom Segen abgeschnitten hat wie Zweige an
einem Baum. Die Heidenchristen hingegen wurden den Segnungen
zugeführt, wie ein Zweig eines wilden Ölbaums in einem guten
Ölbaum eingepfropft wurde, sodass dieser vom Mark des guten
Ölbaums profitieren kann.
11.18 μὴ κατακαυχῶ τῶν κλάδων·
εἰ δὲ κατακαυχᾶσαι, οὐ σὺ τὴν
ῥίζαν βαστάζεις, ἀλλ᾽ ἡ ῥίζα σέ.
überhebe dich nicht über die Zweige! Wenn
du dich aber überhebst: Nicht du trägst die
Wurzel, sondern die Wurzel dich.
Das hat zur Folge, dass die Heidenchristen nicht meinen sollen, sie
könnten über das ungläubige Judentum triumphieren. Im Gegenteil:
Sie haben gegen die Natur Anteil an den Segnungen für Israel
erhalten und die Wurzel sind die Zusagen Gottes an sein Volk, zu
dem Heiden nicht gehörten.
11.19 Ἐρεῖς οὖν, Ἐξεκλάσθησαν
κλάδοι, ἵνα ἐγὼ ἐγκεντρισθῶ.
Du wirst nun sagen: Ausgebrochen wurden
Zweige, damit ich eingepfropft werde.
Paulus nimmt eine Auffassung von Heidenchristen auf. Mit κλάδοι
(„Zweige“) mit fehlendem Artikel kommt zum Ausdruck, dass nicht
alle Zweige abgebrochen wurden, sondern nur die ungläubigen
Juden. Dadurch kam die Möglichkeit der Heiden zum Zugang zu
Gott, wie fremde Zweige in einen Baum eingepfropft werden.
11.20 Καλῶς· τῇ ἀπιστίᾳ
ἐξεκλάσθησαν, σὺ δὲ τῇ πίστει
ἕστηκας. Μὴ ὑψηλοφρόνει, ἀλλὰ
φοβοῦ·
Gut! Aus Unglauben wurden sie
ausgebrochen, du aber (be)stehst durch
Glauben. Sei nicht hochmütig, sondern fürchte
dich,
Paulus räumt ein, dass die Juden vom Zugang zu Gott und den
Segnungen aufgrund des Unglaubens abgeschnitten wurden, der
Heidenchrist, der hier mit „du“ angesprochen wird, durch den
Glauben bestehen kann. Das soll aber nicht zum Hochmut führen,
sondern zur Bescheidenheit und Furcht.
93 Der Römerbrief
11.21 εἰ γὰρ ὁ θεὸς τῶν κατὰ
φύσιν κλάδων οὐκ ἐφείσατο,
μήπως οὐδέ σου φείσεται.
- wenn doch Gott die naturgemäßen Zweige
nicht schonte -, dass er vielleicht auch dich
nicht schonen könnte!
Paulus schiebt eine Parenthese ein, die die Furcht der
Heidenchristen begründet, nämlich, dass Gott sein Volk Israel nicht
verschont hat, dies könnte auch die Heiden betreffen. Die
Subjunktion μήπως („dass wohl/vielleicht“) bezieht sich wie in
2Korinther 11.3 auf das Verb „fürchten“ und leitet ein, was zu
fürchten ist. Das Futur φείσεται („er könnte schonen“) erscheint hier
in Verbindung mit μήπως modal, d.h. die Möglichkeit besteht, dass
Gott auch die Heiden nicht schonen wird, wenn diese von ihm
abfallen würden.
11.22 Ἴδε οὖν χρηστότητα καὶ
ἀποτομίαν θεοῦ· ἐπὶ μὲν τοὺς
πεσόντας, ἀποτομίαν· ἐπὶ δὲ σὲ
χρηστότητα, ἐὰν ἐπιμείνῃς τῇ
χρηστότητι· ἐπεὶ καὶ σὺ ἐκκοπήσῃ.
Siehe also Gottes Güte und Strenge: Über die
Gefallenen zwar (kam) Strenge, über dich aber
Güte, wenn du bei der Güte verbleibst, sonst
wirst auch du ausgehauen.
Heidenchristen sollen also Gottes Güte aber auch Strenge
betrachten. Strenge zu den Ungläubigen, Güte zu den Gläubigen,
d.h. die Heiden sollten beim Glauben und der Güte bleiben, wenn sie
nicht mehr glauben, werden auch sie, wie damals das Judentum,
vom Zugang zu Gott getrennt, wie Zweige abgehauen werden. Der
Vergleich mit dem Judentum wird mittels καὶ („auch“) geleistet.
Nach dem Konsens der Handschriften ist „Gottes“ ein erklärender
Zusatz und wurde von Nestle-Aland aufgrund von 2%
minderwertiger Handschriften, die untereinander den Fehler
vererbten abgedruckt, fehlt aber in 98% der Handschriften.
11.23 Καὶ ἐκεῖνοι δέ, ἐὰν μὴ
ἐπιμείνωσιν τῇ ἀπιστίᾳ,
ἐγκεντρισθήσονται· δυνατὸς γὰρ ὁ
θεός ἐστιν πάλιν ἐγκεντρίσαι
αὐτούς.
Und jene aber, wenn sie nicht im Unglauben
verbleiben, werden eingepfropft werden. Gott
ist ja fähig, sie wieder einzupfropfen.
Das Judentum wird von Gott, wie damals die Heiden, wieder
angenommen, wenn sie glauben. Dies kann Gott mit ihnen tun,
wenn sie glauben, wie man Zweige einpflanzen kann.
11.24 Εἰ γὰρ σὺ ἐκ τῆς κατὰ φύσιν
ἐξεκόπης ἀγριελαίου, καὶ παρὰ
φύσιν ἐνεκεντρίσθης εἰς
καλλιέλαιον, πόσῳ μᾶλλον οὗτοι,
Denn wenn du aus dem naturgemäß wilden
Ölbaum abgeschlagen wurdest und gegen
(die) Natur an einen guten Ölbaum
eingepfropft wurdest, wieviel mehr werden
Paulus argumentiert von weniger wahrscheinlichen zum
wahrscheinlichen Zusammenhang, indem es möglich war, die fernen
Heiden anzunehmen, die nichts mit ihm zu tun hatten und wieviel
94 Der Römerbrief
οἱ κατὰ φύσιν, ἐγκεντρισθήσονται
τῇ ἰδίᾳ ἐλαίᾳ;
diese naturgemäß dem eigenen Ölbaum
eingepfropft werden.
mehr wird es möglich sein, sein Volk, wenn es zum Glauben kommt,
wieder anzunehmen. Dabei bleibt er bei der Metapher vom Ölbaum.
11.25 Οὐ γὰρ θέλω ὑμᾶς ἀγνοεῖν,
ἀδελφοί, τὸ μυστήριον τοῦτο, ἵνα
μὴ ἦτε παρ᾽ ἑαυτοῖς φρόνιμοι, ὅτι
πώρωσις ἀπὸ μέρους τῷ Ἰσραὴλ
γέγονεν, ἄχρι οὗ τὸ πλήρωμα τῶν
ἐθνῶν εἰσέλθῃ·
Denn ich will nicht, dass ihr unwissend seid,
Brüder, in Bezug auf dieses Geheimnis, damit
ihr nicht bei euch selbst klug seid: Verhärtung
ist Israel zum Teil geschehen, bis die Vollzahl
der Nationen eingeht.
Der Gedanke des Einpfropfens bringt Paulus auf die Prophetie, dass
dies eines Tages geschehen wird. Die Heiden werden vom Glauben
abfallen, die Juden werden zum Glauben kommen, dies findet statt,
wenn alle aus den Heiden, deren Zahl Gott kennt, zum Glauben
kamen.
11.26 καὶ οὕτως πᾶς Ἰσραὴλ
σωθήσεται· καθὼς γέγραπται,
Ἥξει ἐκ Σιὼν ὁ ῥυόμενος, καὶ
ἀποστρέψει ἀσεβείας ἀπὸ Ἰακώβ·
Und so wird ganz Israel gerettet werden, wie
geschrieben ist: Es wird kommen aus Zion der
Rettende und abwenden die Gottlosigkeiten
von Jakob.
Paulus beschreibt mit οὕτως („so“), das nach rechts zeigt, wie Israel
dann gerettet werden wird, nämlich, indem Christus als ihr Retter
erscheint, wenn sie ihn annehmen werden, um ihren Zugang zu Gott
herzustellen.
11.27 καὶ αὕτη αὐτοῖς ἡ παρ᾽ ἐμοῦ
διαθήκη, ὅταν ἀφέλωμαι τὰς
ἁμαρτίας αὐτῶν.
Und dies (ist) für sie das Bündnis von mir,
wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde.
Zu dem Zeitpunkt werden die gläubigen Juden dann mit Gott in ein
Bundesverhältnis kommen, d.h. Teil des Neuen Bundes im Blut
Christi werden. Das, wenn ihre Sünden vergeben sind.
11.28 Κατὰ μὲν τὸ εὐαγγέλιον,
ἐχθροὶ δι᾽ ὑμᾶς· κατὰ δὲ τὴν
ἐκλογήν, ἀγαπητοὶ διὰ τοὺς
πατέρας.
In Bezug auf die gute Botschaft (sind sie) zwar
Feinde wegen euch. In Bezug auf die
Auserwählung aber Geliebte wegen der Väter.
Paulus benutzt eine Feind-Geliebter Gegenüberstellung, wenn er
über das jüdische Volk redet. Einerseits sind sie Gottes Feinde, die er
ewig verdammen wird. Das Ergebnis ist der Nutzen der
Heidenchristen, da so das Evangelium auch zu ihnen kam, was
Paulus mit δι᾽ ὑμᾶς („wegen euch“) deutlich macht. Andererseits
sind sie Geliebte, wegen den Verheißungen, die er ihren Patriarchen
Abraham etc. gegeben hatte.
11.29 Αμεταμέλητα γὰρ τὰ
χαρίσματα καὶ ἡ κλῆσις τοῦ θεοῦ.
Denn unbereubar (sind) die Gnadengaben und
die Berufung Gottes.
Mit γὰρ („denn“) begründet er, warum das Volk Israel auch Geliebte
sind, da Gott seine Zusagen nicht widerrufen wird.
95 Der Römerbrief
11.30 Ὥσπερ γὰρ καὶ ὑμεῖς ποτὲ
ἠπειθήσατε τῷ θεῷ, νῦν δὲ
ἠλεήθητε τῇ τούτων ἀπειθείᾳ·
Wie ja auch ihr einst Gott ungehorsam wart,
jetzt aber durch deren Ungehorsam begnadigt
wurdet,
Paulus vergleicht das Schicksal der Juden mit dem der Heiden:
Früher gehorchten die Heiden Gott nicht. Da die Juden Gott
ungehorsam wurden, entstand die Möglichkeit für Heiden, das
Evangelium zu bekommen, das von den Juden auch auf Heiden kam.
11.31 οὕτως καὶ οὗτοι νῦν
ἠπείθησαν, τῷ ὑμετέρῳ ἐλέει ἵνα
καὶ αὐτοὶ ἐλεηθῶσιν·
so wurden auch diese jetzt ungehorsam
wegen eures Erbarmens, damit auch sie
begnadigt würden.
Genauso ist es mit den Juden: Sie gehorchten Gott nicht, nun kann
Gott den Heiden sein Erbarmen zeigen. Eines Tages werden auch sie
begnadigt werden.
11.32 συνέκλεισεν γὰρ ὁ θεὸς τοὺς Denn es schloss Gott alle in Ungehorsam
πάντας εἰς ἀπείθειαν, ἵνα τοὺς
zusammen, damit er alle begnadige.
πάντας ἐλεήσῃ.
Das führt Paulus zum Ergebnis, dass Juden und Heiden beide
ungehorsam sind, dabei hat er deren Gehorsam zum Ziel, damit er
alle begnadigen könnte.
11.33 Ὦ βάθος πλούτου καὶ
σοφίας καὶ γνώσεως θεοῦ. Ὡς
ἀνεξερεύνητα τὰ κρίματα αὐτοῦ,
καὶ ἀνεξιχνίαστοι αἱ ὁδοὶ αὐτοῦ.
O Tiefe an Reichtum und Weisheit und
Erkenntnis Gottes! Wie unfassbar (sind) seine
Gerichte und unausspürbar seine Wege.
Die genannte Heilsgeschichte führt Paulus zu einem erstaunten
Ausruf über den tiefen Reichtum, Weisheit und Erkenntnis, die Gott
hat. Es ist für Paulus nicht zu fassen, wie Gott Gericht ausübt und
welche Wege er geht.
11.34 Τίς γὰρ ἔγνω νοῦν κυρίου; Ἢ
τίς σύμβουλος αὐτοῦ ἐγένετο;
Denn wer kannte (den) Sinn (des) Herrn? Oder
wer wurde sein Mitberater?
Mit γὰρ („denn“) begründet Paulus, warum die Wege und Gerichte
Gottes nicht zu erklären sind, da seine Absichten niemand erkennen
kann oder er von niemand diese Dinge bekam, um sie zu tun.
11.35 Ἢ τίς προέδωκεν αὐτῷ, καὶ
ἀνταποδοθήσεται αὐτῷ;
Oder wer hat ihm zuvor gegeben, und es wird
ihm vergolten werden,
Paulus erweitert die Begründung, indem er feststellt, dass niemand
Gott etwas vorgegeben hat, was er dann ihm zurückerstatten
müsste.
11.36 Ὅτι ἐξ αὐτοῦ καὶ δι᾽ αὐτοῦ
καὶ εἰς αὐτὸν τὰ πάντα· αὐτῷ ἡ
δόξα εἰς τοὺς αἰῶνας. Ἀμήν.
da von ihm und durch ihn und für ihn alle
Dinge sind. Ihm (ist) die Ehre bis in die
Ewigkeiten! Amen!
Ὅτι („da“) begründet in einem Nebensatz, wieso Gott nicht
verpflichtet ist, jemandem etwas zurückgeben zu müssen, da alles
von ihm kommt. Paulus endet seine Ausführung mit einem Lobpreis.
12.1 Παρακαλῶ οὖν ὑμᾶς,
ἀδελφοί, διὰ τῶν οἰκτιρμῶν τοῦ
Ich ermuntere euch also, Brüder, durch die
Erbarmungen Gottes, eure Leiber als lebendes
Mittels der Erweise an Erbarmen ermuntert Paulus die Leser, als
Konsequenz Gott mit ihrem ganzen Wesen bzw. Leib zu dienen,
96 Der Römerbrief
θεοῦ, παραστῆσαι τὰ σώματα
ὑμῶν θυσίαν ζῶσαν, ἁγίαν,
εὐάρεστον τῷ θεῷ, τὴν λογικὴν
λατρείαν ὑμῶν,
heiliges Opfer bereitzustellen, wohlgefällig für
Gott, euren vernünftigen Dienst.
indem er dies mit einem Opfer vergleicht, dass die Leser bringen
können, das Gott gerne annimmt. Dies setzt Paulus mit einem
vernünftigen Gottesdienst gleich.
12.2 καὶ μὴ συσχηματίζεσθαι τῷ
αἰῶνι τούτῳ, ἀλλὰ
μεταμορφοῦσθαι τῇ ἀνακαινώσει
τοῦ νοὸς ὑμῶν, εἰς τὸ δοκιμάζειν
ὑμᾶς τί τὸ θέλημα τοῦ θεοῦ τὸ
ἀγαθὸν καὶ εὐάρεστον καὶ τέλειον.
Und seid nicht gleichförmig mit diesem
Zeitalter, sondern lasst euch umgestalten
durch die Erneuerung eures Verstandes,
sodass ihr prüft, was der Wille Gottes, der
gute und wohlgefällige und vollkommene!
Die zweite Aufmunterung bezieht sich darauf, dass die böse Welt
kein Maßstab für das Verhalten ist, da dort nur Sünde bestimmend
ist, sondern die Leser sollen sich von Gott umgestalten lassen, indem
der Verstand erneuert wird. Die Absicht dabei sollte sein, dass jeder
erkennen kann, was Gott und nicht die Welt gut findet und was ihm
gefällt und perfekt oder vollkommen ist.
12.3 Λέγω γάρ, διὰ τῆς χάριτος τῆς
δοθείσης μοι, παντὶ τῷ ὄντι ἐν
ὑμῖν, μὴ ὑπερφρονεῖν παρ᾽ ὃ δεῖ
φρονεῖν, ἀλλὰ φρονεῖν εἰς τὸ
σωφρονεῖν, ἑκάστῳ ὡς ὁ θεὸς
ἐμέρισεν μέτρον πίστεως.
Ich sage ja durch die mir gegebene Gnade,
jedem, der unter euch ist, nicht über das
hinaus zu denken, außer dem, was man
denken soll, sondern zu denken, um besonnen
zu sein, wie Gott es jedem als Maß an Glauben
zuteilte.
Der nächste Aufruft ist, demütig zu sein und nicht mehr von sich zu
halten, als plausibel ist. Mit γάρ („ja“) kommt keine Begründung des
vorigen Verses, sondern ein neuer Gedanke, der emphatisch
eingeleitet wird. Dabei leitet er die Aufforderung unter Anspielung
auf seine von Gott gegebene Gnade ein, die ihn befugt, solche
Anweisungen geben zu können.
12.4 Καθάπερ γὰρ ἐν ἑνὶ σώματι
μέλη πολλὰ ἔχομεν, τὰ δὲ μέλη
πάντα οὐ τὴν αὐτὴν ἔχει πρᾶξιν·
Denn genauso wie wir an einem Leib viele
Glieder haben, die Glieder aber nicht alle
dieselbe Tätigkeit haben,
Als Basis für seine Aufforderungen bedient sich Paulus des Bildes
vom Körper, der viele Teile hat, die sich gegenseitig helfen, wobei
jeder Teil eine eigene Aufgabe hat.
12.5 οὕτως οἱ πολλοὶ ἓν σῶμά
ἐσμεν ἐν χριστῷ, ὁ δὲ καθ᾽ εἷς
ἀλλήλων μέλη.
so sind wir, die Vielen, ein Leib in Christus, der
eine wie der andere aber untereinander
Glieder,
Paulus wendet das Bild des Körpers an, um die Christen als Glieder
des Leibes Christi zu beschreiben, worin sie sich gegenseitig helfen
sollen. Zum Ausdruck ὁ δὲ καθ᾽ εἷς („der eine wie der andere“) vgl.
Aesopus, Fabulae 57.1,3. Er berichtet von einem Augenarzt, der bei
jedem Besuch eine Patientin bestahl: „ὁ δὲ εἰσιών, ὁπότε αὐτὴν
ἔχρισε, διετέλει ἐκείνης συμμυούσης καθ’ ἓν ἕκαστον τῶν σκευῶν
ὑφαιρούμενος“. „Beim Besuchen nun, als er sie salbte, pflegte,
nachdem jene zugesperrt hatte, einen der Gegenstände nach dem
97 Der Römerbrief
anderen zu entwenden“. Testamentum Solominis, 16.3: „ἐπεὶ δὲ ὁ
Βεελζεβοὺλ ὁ τῶν ἀερίων καὶ ἐπιγείων καὶ καταχθονίων πνευμάτων
δεσπότης συμβουλεύει εἰς τὰς καθ᾽ ἑνὸς ἑκάστου ἡμῶν πράξεις, διὰ
τοῦτο κἀγὼ ἀνέβην ἐκ τῆς θαλάσσης σκέψιν τινὰ λαβεῖν παρ᾽
αὐτῷ“. „Aber da Beelzebul, der Herr der Geister der Luft und auf der
Erde und unter der Erde, Ratschläge für die Aktivitäten eines jeden
von uns gibt, bin ich aus diesem Grund auch vom Meer aufgestiegen,
um von ihm eine Beratung zu erhalten“. 2Makkabäer 5.34: „ὁ καθ᾽
εἷς δὲ τῶν φίλων σκυθρωπῶς ὑπεκρέων, τοὺς συνηθροισμένους
ἀπέλυσαν ἕκαστον ἐπὶ τὴν ἰδίαν ἀσχολίαν.“. „Während sich aber
von den Freunden einer nach dem anderen mit finsterer Miene
entfernte, entließen sie die Versammelten, einen jeden zu seiner
eigenen Beschäftigung“. Der Ausdruck ist somit distributiv, d.h. die
einzelnen Gläubigen sind für sich gesehen untereinander Glieder des
einen Leibes.
12.6 Ἔχοντες δὲ χαρίσματα κατὰ
τὴν χάριν τὴν δοθεῖσαν ἡμῖν
διάφορα, εἴτε προφητείαν, κατὰ
τὴν ἀναλογίαν τῆς πίστεως·
verschiedene Gnadengaben nun nach der uns
gegebenen Gnade habend: Sei es Weissagung:
nach der Entsprechung des Glaubens,
Wie Glieder eines Leibes haben Christen verschiedene Aufgaben
bekommen. Paulus listet einzelne Gnadengaben auf und wo und wie
sie stattfinden. Wenn die Gnade Weissagung gegeben hat, soll diese
ausgeführt werden. Dies findet im Einklang mit dem Glauben statt,
d.h. was man glaubt, dass es Gott will.
12.7 εἴτε διακονίαν, ἐν τῇ
διακονίᾳ· εἴτε ὁ διδάσκων, ἐν τῇ
διδασκαλίᾳ·
sei es ein Dienst: im Dienst, sei es der
Lehrende: in der Lehre,
Wie Glieder eines Leibes haben Christen verschiedene Aufgaben
bekommen. Paulus listet einzelne Gnadengaben auf und wo und wie
sie stattfinden. Wenn die Gnade Weissagung gegeben hat, soll diese
aufgeführt werden.
12.8 εἴτε ὁ παρακαλῶν, ἐν τῇ
παρακλήσει· ὁ μεταδιδούς, ἐν
sei es der Ermunternde: in der Ermunterung,
der Gebende: in Selbstlosigkeit, der
Paulus setzt die Liste der auszuführenden Gnadengaben fort. Zum
Begriff ἁπλότης („Schlichtheit, Einfalt, Einfachheit, Lauterkeit,
Großzügigkeit, Freigebigkeit, Selbstlosigkeit“) vgl. Testamentum XII
98 Der Römerbrief
ἁπλότητι· ὁ προϊστάμενος, ἐν
σπουδῇ· ὁ ἐλεῶν, ἐν ἱλαρότητι.
Vorstehende: in Eifer, der sich Erbarmende: in
Herzlichkeit.
Patriarcharum 5.4,1: „ Καὶ νῦν ἀκούσατέ μου, τέκνα, καὶ πορεύεσθε
ἐν ἁπλότητι καρδίας, ὅτι εἶδον ἐν αὐτῇ πᾶσαν εὐαρέστησιν κυρίου.
ὁ ἁπλοῦς χρυσίον οὐκ ἐπιθυμεῖ, τὸν πλησίον οὐ πλεονεκτεῖ,
βρωμάτων ποικίλων οὐκ ἐφίεται, ἐσθῆτα διάφορον οὐ θέλει“. „Und
nun hört auf mich, Kinder, und wandelt in Selbstlosigkeit des
Herzens, weil ich darin jedes Wohlgefallen des Herrn sah. Der
Selbstlose begehrt nicht Gold, den Nächsten übervorteilt er nicht, er
isst nicht viele Speisen, er will keine verschiedenen Kleider“. In
diesem Kontext ist die Freigebigkeit und Großzügigkeit das
vorherrschende Moment dieser Eigenschaft. Vgl. Flavius Josephus,
Antiquitates Judaicae 7.332, als David die Tenne kostenlos hätte
haben können, darauf antwortete: „ὁ δὲ βασιλεὺς ἀγαπᾶν μὲν
αὐτὸν τῆς ἁπλότητος καὶ τῆς μεγαλοψυχίας ἔλεγε καὶ δέχεσθαι τὴν
χάριν τιμὴν δ᾽ αὐτὸν ἠξίου λαμβάνειν πάντων“. „Der König
antwortete aber, dass er seine Großzügigkeit und Großmut liebe und
sein Wohlwollen annehme; aber er hielt es für angemessen, dass er
den Preis von allem bekäme“.
12.9 Ἡ ἀγάπη ἀνυπόκριτος.
Ἀποστυγοῦντες τὸ πονηρόν,
κολλώμενοι τῷ ἀγαθῷ.
Die Liebe (sei) ungeheuchelt. (Seid) das Böse
verabscheuend, dem Guten anhaftend,
Von hier bis Vers 18 bespricht Paulus die verschiedenen Bezüge, in
denen sich die Liebe zeigen soll bzw. die Verabscheuung des Bösen,
wovon die Welt geprägt ist. Die verwendeten Partizipien weisen die
Aufforderungen als dauerhaft praktizierbar aus.
12.10 Τῇ φιλαδελφίᾳ εἰς ἀλλήλους
φιλόστοργοι· τῇ τιμῇ ἀλλήλους
προηγούμενοι·
hinsichtlich der Bruderliebe zueinander
herzlich, hinsichtlich der Ehre einander
zuvorkommend,
Die im Folgenden gebrauchten Dative geben die Referenz an, d.h. sie
stellen den Bezug klar, den Paulus meint.
12.11 τῇ σπουδῇ μὴ ὀκνηροί· τῷ
πνεύματι ζέοντες· τῷ κυρίῳ
δουλεύοντες·
hinsichtlich des Fleißes nicht faul, hinsichtlich
des Geistes glühend, dem Herrn dienend,
Die Liebe zeigt sich darin, dass man etwas mit Eifer und nicht
nachlässig tut, dazu dass man in geistlichen Belangen glüht und nicht
lau ist, und dabei dem Herrn dient.
99 Der Römerbrief
12.12 τῇ ἐλπίδι χαίροντες· τῇ
θλίψει ὑπομένοντες· τῇ προσευχῇ
προσκαρτεροῦντες·
hinsichtlich der Hoffnung freuend, hinsichtlich
der Bedrängnis geduldig, hinsichtlich des
Gebets beharrlich,
Die jeweils mit dem Artikel τῇ eingeleiteten Begriffe Hoffnung,
Bedrängnis, Gebet erscheinen wieder als Dative der Referenz.
12.13 ταῖς χρείαις τῶν ἁγίων
κοινωνοῦντες· τὴν φιλοξενίαν
διώκοντες.
hinsichtlich der Bedürfnisse der Heiligen Anteil
nehmend, der Fremdenfreundlichkeit
nachjagend!
Zur Ausübung von Liebe gehört auch, dass die Probleme anderer
nicht übersehen werden, ebenso, dass man Fremde gerne
aufnimmt.
12.14 Εὐλογεῖτε τοὺς διώκοντας
ὑμᾶς· εὐλογεῖτε, καὶ μὴ
καταρᾶσθε.
Segnet die euch Verfolgenden! Segnet und
flucht nicht!
Das nächste Set an Anweisungen betritt zunächst die Verfolger, die
nicht beschimpft oder gelästert, sondern gesegnet werden sollen.
12.15 Χαίρειν μετὰ χαιρόντων, καὶ
κλαίειν μετὰ κλαιόντων.
Es ist sich zu freuen mit den sich Freuenden,
und zu weinen mit den Weinenden.
Paulus wechselt hier den Stil und gebracht Infinitive, die hier als
Aufforderung gebraucht werden, wie es gelegentlich insbesondere
noch im klassischen Griechisch vorkommt. Da die Wörter denselben
Stamm aufweisen und nur anders flektiert werden, kann hier auch
vom Stilmittel Paregmenon gesprochen werden. In dieser Figur
werden die flektierten Wörter wiederholt, wogegen bei der fast
ähnlichen Figur «figura etymologica» oder auch Etymologiefigur ein
intransitives Verb mit einem Objekt verbunden wird. Nebst diesen
beiden Figuren Alliteration und Paregmenon ist auch noch ein
antithetischer Parallelismus zu erkennen. Das bedeutet, dass der
Inhalt dieser beiden Teile entgegengesetzt zueinander ist: Freude vs.
Trauer, auf beide Situationen ist angemessen zu reagieren.
12.16 Τὸ αὐτὸ εἰς ἀλλήλους
φρονοῦντες. Μὴ τὰ ὑψηλὰ
φρονοῦντες, ἀλλὰ τοῖς ταπεινοῖς
συναπαγόμενοι. Μὴ γίνεσθε
φρόνιμοι παρ᾽ ἑαυτοῖς.
Dasselbe (seid) füreinander denkend, nicht die
hohen (Dinge) denkend, sondern euch mit den
niedrigen (Dingen) mitfortführen lassend!
Werdet nicht verständig bei euch selbst!
Das Akkusativobjekt Τὸ αὐτὸ („das selbe“), das an das Denken
angeschlossen wird, meint, dass man nicht für sich etwas anders
ausdenkt als für andere. Zudem sind es nicht stolze, hohe
Weisheiten und Dinge, die zu erwägen sind, sondern die einfachen
und bescheidenen. Diese werden personifiziert, indem sie als Führer
100 Der Römerbrief
beschrieben werden, die die Gläubigen mitnehmen können. Zuletzt
sollten sich Christen nicht selbst für klug halten.
12.17 Μηδενὶ κακὸν ἀντὶ κακοῦ
ἀποδιδόντες. Προνοούμενοι καλὰ
ἐνώπιον πάντων ἀνθρώπων.
Niemandem Böses für Böses vergeltend, auf
Gutes achtend vor allen Menschen.
Als weiteren Unterpunkt dieses Sets betont Paulus, dass man nicht
wie die Welt Böses mit Bösem vergelten soll, sondern darauf zu
achten, dass man vor aller Augen Gutes tut. Paulus spielt auf
Sprüche 3.3 an: „καὶ προνοοῦ καλὰ ἐνώπιον κυρίου καὶ ἀνθρώπων“.
„und achte auf Gutes vor dem Herrn und den Menschen“.
12.18 Εἰ δυνατόν, τὸ ἐξ ὑμῶν, μετὰ
πάντων ἀνθρώπων εἰρηνεύοντες.
Wenn möglich, von euch aus mit allen
Menschen Frieden habend.
Zuletzt ruft Paulus zum Frieden auf, das mit der Restriktion, sofern
es von den Gläubigen zu kontrollieren ist. Zu τὸ ἐξ ὑμῶν („von euch
aus“) vgl. Dionysius Halicanassensis 6.9.3: „οὐ πρὸς ὑμῶν, ὦ ἄνδρες
Ῥωμαῖοι, τὰ μὲν πολλὰ ὑπάρχειν καὶ θαυμαστὰ ἔργα παρ’ ἑτέροις,
οὓς οὐδεὶς ὑμνήσει λόγος ἀξίως; πολλὰς δὲ καὶ περιβοήτους
πράξεις οἰκείας τὸ ἐξ ὑμῶν καρπώσεται γένος, ἢν τοῦτον ἔτι
κατορθώσητε τὸν πόλεμον“. Ist es nicht ein Ansporn für euch,
römische Männer, dass, so wie ihr die Aufzeichnung der vielen
wunderbaren Taten vor Augen habt, die eure Väter vollbracht
haben, die keine Worte angemessen preisen können, auch eure
Nachkommen die Früchte vieler glänzender Taten von euch aus
ernten werden, wenn ihr auch in diesem Krieg Erfolg habt?“. D.h. die
Initiative geht von den Lesern aus, Frieden zu halten.
12.19 Μὴ ἑαυτοὺς ἐκδικοῦντες,
ἀγαπητοί, ἀλλὰ δότε τόπον τῇ
ὀργῇ· γέγραπται γάρ, Ἐμοὶ
ἐκδίκησις, ἐγὼ ἀνταποδώσω, λέγει
κύριος.
Nicht euch selbst rächend, Geliebte, sondern
gebt Raum dem Zorn! Denn es ist geschrieben:
Mir (gehört die) Rache, ich werde vergelten,
sagt (der) Herr.
Paulus kommt nun auf Situationen, in denen es keinen Frieden gibt,
nämlich, wenn man es mit Personen zu tun hat, die den Frieden
nicht wollen. Dann gilt es, sich an ihnen nicht selbst zur rächen,
sondern Gott die Möglichkeit zur Rache zu geben. Diese Rache findet
wohl erst nach diesem Leben statt, da immer noch das Böse
triumphiert.
101 Der Römerbrief
12.20 Ἐὰν οὖν πεινᾷ ὁ ἐχθρός
σου, ψώμιζε αὐτόν· ἐὰν διψᾷ,
πότιζε αὐτόν· τοῦτο γὰρ ποιῶν,
ἄνθρακας πυρὸς σωρεύσεις ἐπὶ
τὴν κεφαλὴν αὐτοῦ.
Wenn also dein Feind hungert, gib ihm zu
essen! Wenn er dürstet, gib ihm zu trinken!
Denn dies tuend, wirst du Kohlen von Feuer
auf seinen Kopf häufen.
Was es konkret heißt, sich nicht selbst zu rächen, sondern zu segnen,
illustriert Paulus nun, indem er mittels οὖν („also“) die
Konsequenzen einleitet, die es mit sich bringt, dass Gott der Rächer
ist und nicht wir. Konkret illustriert der Apostel dies, indem
hungernden oder dürstenden Feinden Essen und Trinken gegeben
wird, damit werden auf ihren Kopf feurige Kohlen gehäuft.
12.21 Μὴ νικῶ ὑπὸ τοῦ κακοῦ,
ἀλλὰ νίκα ἐν τῷ ἀγαθῷ τὸ κακόν.
Lass dich nicht vom Schlechten besiegen,
sondern besiege mit dem Guten das
Schlechte!
Paulus beendet diesen Exkurs mit einem Aufruf, sich nicht mit
Bösem zu rächen, sondern angesichts des Bösen mit Gutem zu
reagieren.
13.1 Πᾶσα ψυχὴ ἐξουσίαις
ὑπερεχούσαις ὑποτασσέσθω· οὐ
γάρ ἐστιν ἐξουσία εἰ μὴ ὑπὸ θεοῦ,
αἱ δὲ οὖσαι ἐξουσίαι ὑπὸ τοῦ θεοῦ
τεταγμέναι εἰσίν.
Jede Seele soll sich (den) übergeordneten
Autoritäten unterordnen. Denn es ist keine
Autorität, außer von Gott, die bestehenden
Autoritäten nun sind von Gott angeordnet!
Paulus greift die nächste Ermutigung auf, indem er dazu aufruft, sich
den Autoritäten zu beugen, da diese dem Grundsatz nach von Gott
eingesetzt ist. Dies war auch zur Zeit von Paulus, als römische Kaiser
brutal herrschten und Christen töteten, der Fall. D.h. es ist auch so,
dass es Autoritäten gibt, wenn diese gegen Gottes Wort handeln.
Die Unterordnung geht bis dahin, dass diese anzuerkennen sind,
außer Gott hat etwas anderes gesagt. Dann greift das Prinzip von
Petrus, dass man Gott mehr zu gehorchen hat. Gott hat aber zur
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Autoritäten eingesetzt,
da sonst die Welt in völliges Chaos geraten würde, wie Zeiten der
Anarchie zeigen, sodass es besser ist, eine gottlose Obrigkeit zu
haben als gar keine, da der Mensch böse ist, und sonst nur Mord
und Totschlag herrschen würden.
13.2 Ὥστε ὁ ἀντιτασσόμενος τῇ
ἐξουσίᾳ, τῇ τοῦ θεοῦ διαταγῇ
ἀνθέστηκεν· οἱ δὲ ἀνθεστηκότες
ἑαυτοῖς κρίμα λήψονται.
Wer sich daher der Autorität widersetzt,
widersteht der Anordnung Gottes. Die sich
aber widersetzen, werden für sich selbst ein
Urteil erhalten.
Ὥστε („daher“) leitet die Folgerung des Apostels ein, dass Rebellion
keine Aufgabe von Christen ist, da Gott die Ordnung über
Autoritäten angeordnet hat, sodass diejenigen, die zur Rebellion
aufrufen, gegen Gottes Willen handeln.
102 Der Römerbrief
13.3 Οἱ γὰρ ἄρχοντες οὐκ εἰσὶν
φόβος τῶν ἀγαθῶν ἔργων, ἀλλὰ
τῶν κακῶν. Θέλεις δὲ μὴ
φοβεῖσθαι τὴν ἐξουσίαν; Τὸ
ἀγαθὸν ποίει, καὶ ἕξεις ἔπαινον ἐξ
αὐτῆς·
Denn die Machthaber sind nicht (zur) Furcht
für die guten Werke, sondern für die
schlechten. Willst du nun die Autorität nicht
fürchten, tue das Gute, und du wirst Lob von
ihr haben.
Paulus begründet den Vers davor, nämlich, dass man Autoritäten
anzuerkennen hat, indem er beschreibt, wozu diese eingesetzt sind,
auch wenn dies oft vollkommen anders realisiert ist. Die Obrigkeit
hat die Aufgabe Gutes zu belohnen und Schlechtes zu bestrafen.
Dies führt dazu, dass man, wenn man keine Angst vor der Strafe der
Obrigkeit haben will, Gutes tun sollte, sodass man statt Strafe ein
Lob erhält. Ob dies erfolgt in der Realität, ist nicht der Gegenstand
bei Paulus, der Grundsatz ist jedoch eindeutig. Nur Nestle-Aland 28
hat Werk im Singular (4% der Handschriften), alle anderen haben
Plural (96%).
13.4 θεοῦ γὰρ διάκονός ἐστίν σοι
εἰς τὸ ἀγαθόν. Ἐὰν δὲ τὸ κακὸν
ποιῇς, φοβοῦ· οὐ γὰρ εἰκῇ τὴν
μάχαιραν φορεῖ· θεοῦ γὰρ
διάκονός ἐστιν, ἔκδικος εἰς ὀργὴν
τῷ τὸ κακὸν πράσσοντι.
Gottes Dienerin nämlich ist sie dir zum Guten.
Wenn du aber das Schlechte tust, fürchte
dich! Sie trägt ja das Schwert nicht umsonst.
Sie ist ja Gottes Dienerin, ein Rächer zum Zorn
dem das Schlechte Tuenden.
Mit γὰρ („nämlich“) erklärt Paulus genauer, wie er den Satz vorher
meinte. Die Obrigkeit und Autorität hat zwei Aufgaben: Das Gute zu
fördern und das Schlechte zu verfolgen und mit Zorn zu bestrafen.
Damit tut sie Gottes Auftrag. Vom Positiven kommt Paulus auf das
Böse. Wenn das getan wird, sollte man Angst vor der Obrigkeit
aufgrund der Strafe haben. Mit der Metapher des Schwertes, mit
dem man tötet, beschreibt Paulus, dass die Obrigkeit zurecht das
Recht hat, zu töten, wenn dies notwendig ist, etwa bei Mord und
anderen Kapitaldelikten, wie es bereits vor dem Gesetz angeordnet
war. Mit dem zweiten γὰρ („ja“) erläutert Paulus, wie er es meint,
dass die Obrigkeit das Schwert zu Recht und nicht umsonst trägt: Sie
übt Rache für Böses.
13.5 Διὸ ἀνάγκη ὑποτάσσεσθαι,
οὐ μόνον διὰ τὴν ὀργήν, ἀλλὰ καὶ
διὰ τὴν συνείδησιν.
Deshalb (ist es) eine Notwendigkeit, sich
unterzuordnen, nicht allein wegen des Zorns,
sondern auch wegen des Gewissens.
Διὸ („deshalb“) setzt an den genannten Argumenten an und
beschreibt es noch einmal als notwendig, dass sich Christen nicht
gegen den Staat wenden, sondern sich den Gesetzen unterordnen,
die diese erlässt. Der Grund ist nicht allein, dass man den Zorn der
Strafe zu fürchten hätte, sondern auch, dass man kein schlechtes
Gewissen haben sollte, wenn man unerlaubte Dinge tut.
103 Der Römerbrief
13.6 Διὰ τοῦτο γὰρ καὶ φόρους
τελεῖτε· λειτουργοὶ γὰρ θεοῦ εἰσιν,
εἰς αὐτὸ τοῦτο προσκαρτεροῦντες.
Deswegen zahlt ihr ja auch Steuern. Denn
Gehilfen Gottes sind sie, eben dafür
beschäftigt.
Διὰ τοῦτο („deswegen“) setzt den Gedanken fort, dass die Obrigkeit
Aufgaben im Sinne Gottes zu erledigen hat und es nötig ist, dass
diese dazu finanziert werden und Steuern nötig sind. Mit ihrer Hilfe
wird das Böse noch unterdrückt. Ob die Obrigkeit im Sinne Gottes
dies de facto überhaupt tut, ist eine vollkommen andere Frage.
Wenn sie das Böse belohnt bzw. nicht bestraft und das Gute bestraft
bzw. in die Rechte Christi eingreift, etwa Lieder zur Ehre Gottes bzw.
das Brotbrechen verbietet, das Christus selbst eingesetzt hat, kann
man Daniel als Vorbild heranziehen, wie er in Babylon handelte.
13.7 Ἀπόδοτε οὖν πᾶσιν τὰς
ὀφειλάς· τῷ τὸν φόρον τὸν φόρον·
τῷ τὸ τέλος τὸ τέλος· τῷ τὸν
φόβον τὸν φόβον· τῷ τὴν τιμὴν
τὴν τιμήν.
Erstattet also allen die geschuldeten (Dinge):
Dem die Steuer (geschuldet ist), die Steuer.
Dem der Zoll, den Zoll. Dem die Furcht, die
Furcht. Dem die Ehre, die Ehre.
Da, wie begründet, der Staat die Aufgaben im Sinne Gottes zu
erledigen hat, ist es eine Verpflichtung, dies zu ermöglichen, indem
man deren Aufgabe mittels Steuern und Zöllen und Anerkennung
von Furcht und Ehre unterstützt.
13.8 Μηδενὶ μηδὲν ὀφείλετε, εἰ μὴ
τὸ ἀγαπᾷν ἀλλήλους· ὁ γὰρ
ἀγαπῶν τὸν ἕτερον, νόμον
πεπλήρωκεν.
Niemandem schuldet etwas, außer das
Einander-Lieben, denn der den andern
Liebende hat (das) Gesetz erfüllt.
Dass man niemandem etwas wie Steuern schuldig bleiben sollte,
bedeutet nun nicht, dass man nicht schuldig bleiben sollte, andere
zu lieben, da damit der Sinn des Gesetzes erfüllt wird.
13.9 Τὸ γάρ, Οὐ μοιχεύσεις, οὐ
φονεύσεις, οὐ κλέψεις, οὐκ
ἐπιθυμήσεις, καὶ εἴ τις ἑτέρα
ἐντολή, ἐν τούτῳ τῷ λόγῳ
ἀνακεφαλαιοῦται, ἐν τῷ,
Ἀγαπήσεις τὸν πλησίον σου ὡς
σεαυτόν.
Denn das: Du sollst nicht ehebrechen, du sollst
nicht morden, du sollst nicht stehlen, du sollst
nicht begehren, und wenn es irgendein
weiteres Gebot (gibt), wird in dieser Aussage
zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten
lieben wie dich selbst!
Die Futurformen der Gebote sind wie im Hebräischen (JIQTOL) als
starke Befehle zu verstehen, etwa wie „Du wirst jetzt sofort dein
Zimmer aufräumen“. Mit ἐν τούτῳ τῷ λόγῳ („in dieser Aussage“) ist
kein einzelnes Wort gemeint, sondern der ganze Satz bzw. die
folgende Aussage. Mit ἀνακεφαλαιοῦται („zusammengefasst
werden“) bedeutet, dass die einzelnen Gebote auf den Punkt
gebracht werden können, den anderen zu lieben. Der Ausdruck ἐν
τῷ („in dem“) entspricht dem Deutschen „nämlich“, d.h. Paulus führt
damit an, welches Wort er genau meint.
104 Der Römerbrief
13.10 Ἡ ἀγάπη τῷ πλησίον κακὸν
οὐκ ἐργάζεται· πλήρωμα οὖν
νόμου ἡ ἀγάπη.
Die Liebe tut dem Nächsten nicht Schlechtes.
(Des) Gesetzes Summe (ist) also die Liebe.
Paulus folgert mit οὖν („also“) aus dem bisher Gesagten, dass die
Liebe das Gesetz ausmacht bzw. darin zusammengefasst werden
kann. Die Liebe tut niemandem etwas Schlechtes an, daher sind die
einzelnen Gebote nur Beispiele, was nicht sein darf, wenn Liebe
vorhanden ist.
13.11 Καὶ τοῦτο, εἰδότες τὸν
καιρόν, ὅτι ὥρα ἡμᾶς ἤδη ἐξ
ὕπνου ἐγερθῆναι· νῦν γὰρ
ἐγγύτερον ἡμῶν ἡ σωτηρία ἢ ὅτε
ἐπιστεύσαμεν.
Und dies (tut), die Zeit kennend, dass (die)
Stunde (da ist), vom Schlaf aufzustehen, denn
jetzt (ist) unserer Rettung näher, als da wir
glaubten.
Mi τοῦτο („dies“) verweist Paulus auf die bisherigen
Aufforderungen. Die Basis dafür ist die Erkenntnis, in welcher Zeit
wir leben, nämlich in einer, zu der man aufstehen soll, um aktiv zu
werden, da die Rettung vom Bösen und der Sünde und der Welt
insgesamt näher gerückt ist. Seitdem die Leser und Paulus zum
Glauben kamen, ist bereits Zeit vergangen. Diese Zeitperiode erklärt
Paulus im nächsten Vers.
13.12 Ἡ νὺξ προέκοψεν, ἡ δὲ
ἡμέρα ἤγγικεν· ἀποθώμεθα οὖν τὰ
ἔργα τοῦ σκότους, καὶ
ἐνδυσώμεθα τὰ ὅπλα τοῦ φωτός.
Die Nacht schritt voran, der Tag nun ist
nahegekommen. Lasst uns also die Werke der
Finsternis ablegen und die Waffen des Lichts
anziehen!
Die Zeit, dass Christen von der Welt erlöst werden, rückt immer
näher, sodass die Zeit bis dahin genutzt werden sollte. Paulus
operiert zur Veranschaulichung mit den Gegensätzen Nacht-Tag
bzw. Finsternis-Licht. Im Hinblick auf den kommenden Tag, die
Wiederkunft Christi, sind Sünden, die zur gegenwärtigen finsteren
Zeit gehören, abzulegen und bereits die Waffen des Lichts
anzulegen.
13.13 Ὡς ἐν ἡμέρᾳ, εὐσχημόνως
περιπατήσωμεν, μὴ κώμοις καὶ
μέθαις, μὴ κοίταις καὶ ἀσελγείαις,
μὴ ἔριδι καὶ ζήλῳ.
Wie am Tag lasst uns anständig wandeln, nicht
mit Gelagen und Trunkenheiten, nicht mit
Beischläfereien und Ausschweifungen, nicht
mit Streit und Eifersucht,
Als zum kommenden Tag gehörig, fordert nun Paulus auf, die
Kennzeichen der Nacht und Finsternis abzulegen. Dazu nennt er
einige dieser Dinge, die vornehmlich nachts von Ungläubigen getan
werden. Der Begriff κοίταις („Betten“) bedeutet die Sünden, die im
Bett stattfinden.
105 Der Römerbrief
13.14 Ἀλλ᾽ ἐνδύσασθε τὸν κύριον
Ἰησοῦν χριστόν, καὶ τῆς σαρκὸς
πρόνοιαν μὴ ποιεῖσθε, εἰς
ἐπιθυμίας.
sondern zieht den Herrn Jesus Christus an,
betreibt keine Vorsorge des Fleisches für
Begierden!
Nach den Unterlassungen fordert Paulus die Leser auf, die positiven
Dinge zu eigen zu machen. Dies drückt er aus, indem man die
Eigenschaften Christi wie ein Gewandt anziehen möge. Dazu gehört
es nicht, für die Dinge des alten Menschen zu sorgen, die zur
Erfüllung der genannten Begierden führen.
14.1 Τὸν δὲ ἀσθενοῦντα τῇ πίστει
προσλαμβάνεσθε, μὴ εἰς
διακρίσεις διαλογισμῶν.
Den nun im Glauben schwach Seienden nehmt
auf, nicht zur Entscheidung von Streitfragen.
Schwache im Glauben sind zwar aufzunehmen, dies geht jedoch
nicht soweit, dass sie mitentscheiden, wenn es um die Klärung von
strittigen Fragen geht.
14.2 Ὃς μὲν πιστεύει φαγεῖν
πάντα, ὁ δὲ ἀσθενῶν λάχανα
ἐσθίει.
Der eine glaubt, alles essen (zu können), der
schwach Seiende aber isst Gemüse.
Paulus führt eine solche strittige Frage als Illustration an, indem er
auf die Frage der Ernährung kommt.
14.3 Ὁ ἐσθίων τὸν μὴ ἐσθίοντα μὴ
ἐξουθενείτω, καὶ ὁ μὴ ἐσθίων τὸν
ἐσθίοντα μὴ κρινέτω· ὁ θεὸς γὰρ
αὐτὸν προσελάβετο.
Der Essende verachte den nicht Essenden
nicht, und der nicht Essende richte den
Essenden nicht, denn Gott nahm ihn an.
Die Frage, was jemand isst, ob alles oder nur Pflanzen, ist offen,
sodass jeder essen kann, was er will, ohne, dass dies zu Streit führen
darf.
14.4 Σὺ τίς εἶ ὁ κρίνων ἀλλότριον
οἰκέτην; Τῷ ἰδίῳ κυρίῳ στήκει ἢ
πίπτει. Σταθήσεται δέ· δυνατὸς
γάρ ἐστιν ὁ θεὸς στῆσαι αὐτόν.
Wer bist du, der einen fremden Hausdiener
richtet? Er steht oder fällt dem eigenen Herrn.
Er wird nun bestehen, denn Gott ist fähig, ihm
Stand zu geben.
Zur Syntax des letzten Satzes vgl. Aesopus, Fabulae 207.t, 1:
„ὀρνιθοθήρας πτηνοῖς πάγην ἵστα“. „Ein Vogelfänger stellte Vögeln
eine Falle auf“. Vgl. Leviticus 27.14 „ὡς ἂν τιμήσεται αὐτὴν ὁ ἱερεύς
οὕτως σταθήσεται“ „So, wie es der Priester einschätzt, so soll es
festgestellt werden“. Bzw. Matthäus 12.26 „πῶς οὖν σταθήσεται ἡ
βασιλεία αὐτοῦ;“ „Wie nun wird sein Reich Bestand haben?“.
14.5 Ὃς μὲν κρίνει ἡμέραν παρ᾽
ἡμέραν, ὃς δὲ κρίνει πᾶσαν
ἡμέραν. Ἕκαστος ἐν τῷ ἰδίῳ νοῒ
πληροφορείσθω.
Der eine hält einen Tag vor (einem anderen)
Tag, der andere hält jeden Tag. Jeder soll in
seinem eigenen Sinn überzeugt sein.
Dasselbe Prinzip vom Essen gilt auch für die Bewertung bestimmter
Tage als etwas Besonderes oder nicht. Paulus stellt zwei
Überzeugungen dar, eine Person meint, alle Tag sind gleich geeignet,
Gott anzubeten etc. der andere legt bestimmte Tage dazu fest.
106 Der Römerbrief
Beides ist eine Gewissensentscheidung. Das Passiv bei Personen
πληροφορείσθω bedeutet „völlig überzeugt sein“.
14.6 Ὁ φρονῶν τὴν ἡμέραν, κυρίῳ
φρονεῖ· καὶ ὁ μὴ φρονῶν τὴν
ἡμέραν, κυρίῳ οὐ φρονεῖ. Καὶ ὁ
ἐσθίων κυρίῳ ἐσθίει, εὐχαριστεῖ
γὰρ τῷ θεῷ· καὶ ὁ μὴ ἐσθίων
κυρίῳ οὐκ ἐσθίει, καὶ εὐχαριστεῖ
τῷ θεῷ.
Der den Tag beachtet, beachtet (ihn) für (den)
Herrn. Und der den Tag nicht Beachtende,
beachtet (ihn) für (den) Herrn nicht. Und der
Essende, isst für (den) Herrn, denn er dankt
Gott. Und der nicht Essende, isst für (den)
Herrn nicht, und er dankt Gott.
Da diese Frage nicht biblisch festgelegt ist, darf keiner den andern
verurteilen, der es anders sieht, da beide es für den Herrn so oder so
tun. Dabei greift Paulus auf das Motiv des Essens zurück, wobei da
das gleiche Prinzip greift.
14.7 Οὐδεὶς γὰρ ἡμῶν ἑαυτῷ ζῇ,
καὶ οὐδεὶς ἑαυτῷ ἀποθνῄσκει.
Denn keiner von uns lebt für sich selbst, und
keiner stirbt für sich selbst.
Mit γὰρ („denn“) leitet Paulus die Begründung ein, warum jeder es
so machen kann, wie er es richtig findet, da es allen darum geht,
nicht für sich, sondern für den Herrn zu leben und zu sterben.
14.8 Ἐάν τε γὰρ ζῶμεν, τῷ κυρίῳ
ζῶμεν· ἐάν τε ἀποθνῄσκωμεν, τῷ
κυρίῳ ἀποθνῄσκομεν· ἐάν τε οὖν
ζῶμεν, ἐάν τε ἀποθνῄσκωμεν, τοῦ
κυρίου ἐσμέν.
Sowohl wenn wir nämlich leben, leben wir
dem Herrn, als auch, wenn wir sterben,
sterben wir dem Herrn. Sowohl wenn wir nun
leben als auch wenn wir sterben, sind wir des
Herrn.
Das Bindewort τε (sowie, und, sowohl-als auch“) verknüpft die
Aussagen eng zusammen, so dass beide Aussagen stark
zusammengehören und auf jeden Fall beides gilt. Im Leben und Tod
gehören wir dem Herrn und wollen ihm gefallen.
14.9 Εἰς τοῦτο γὰρ χριστὸς καὶ
ἀπέθανεν καὶ ἀνέστη καὶ ἔζησεν,
ἵνα καὶ νεκρῶν καὶ ζώντων
κυριεύσῃ.
Denn dazu starb Christus auch und stand auf
und wurde lebendig, damit er sowohl über
Tote als auch Lebende herrsche.
Paulus begründet nun, warum wir Christus als Herrn angehören, da
er nämlich für unsere Sünden starb und auferstand, um Herr sein zu
können, sodass er über Menschen, die leben oder die schon tot sind,
Herr sein kann.
107 Der Römerbrief
14.10 Σὺ δὲ τί κρίνεις τὸν ἀδελφόν
σου; Ἢ καὶ σὺ τί ἐξουθενεῖς τὸν
ἀδελφόν σου; Πάντες γὰρ
παραστησόμεθα τῷ βήματι τοῦ
χριστοῦ.
Du nun, was richtest du deinen Bruder? Oder
auch du, was verachtest du deinen Bruder?
Denn alle werden wir vor der Tribüne Christi
stehen.
Mit γὰρ („denn“) begründet Paulus, warum es wichtig ist,
niemanden ungerechtfertigt zu richten und zu verachten, weil er zu
bestimmten nebensächlichen Dingen andere Überzeugungen hat, da
wir eines Tages vor ihm erscheinen werden. Dort wird dies beurteilt,
zumal niemand die Motive eines anderen genau beurteilen kann.
Dies wird vor einem erhöhten Ort geschehen. Mit βῆμα („Tribüne,
Plattform, Bühne“) kommt wörtlich zum Ausdruck, dass zu einer
erhöhten Position gestiegen wurde (βαίνω „laufen“), die zu einer
Tribüne oder erhöhten Plattform gehört. Bei Herodotus wird das
Wort auch für den Schritt eines Menschen gebraucht (Historiae,
4.82, 5); vgl. auch Heraclitus, Testimonia, 3b.4: „ἀναβὰς ἐπὶ τὸ
βῆμα“. „auf die Tribüne hinaufsteigend“. Auch ging es von dort
nach unten, sodass man hinabsteigen musste, vgl. Diodorus Siculus,
Bibliotheca Historica 17.109,2: „καταβὰς ἀπὸ τοῦ βήματος“.
„Herabsteigend von der Tribüne“. Dort wurde nach Wettkämpfen
das Urteil über die Spieler gesprochen. Es muss nicht ein Stuhl oder
Sitz etc. sein, denn dafür stünden andere Worte bereit, sodass es
offen bleibt, ob der Preisrichter stand oder saß. Dass es ein
Richterstuhl war, wird durch eine Stelle bei Antiphon, De choreuta
40.4 fraglich: „Τὸ τελευταῖον, ὦ Ζεῦ καὶ θεοὶ πάντες, Φιλοκράτης
αὐτὸς οὑτοσὶ ἐν τῷ βουλευτηρίῳ ἐναντίον τῆς βουλῆς, ἑστὼς μετ’
ἐμοῦ ἐπὶ τοῦ βήματος, ἁπτόμενος ἐμοῦ διελέγετο, ὀνόματι οὗτος
ἐμὲ προσαγορεύων“. „Der Abschluss, oh Zeus und ihr Götter alle,
wurde in der Kammer vor dem Rat erreicht, als Philokrates selbst mit
auf der Tribüne stehend, mich berührend, sich mit mir unterhielt, als
dieser mich mit meinem Namen anredete“. Vgl. Flavius Josephus,
Antiquitates Judaicae 4.209,3: „ὁ ἀρχιερεὺς ἐπὶ βήματος ὑψηλοῦ
σταθείς“. „Der Hohepriester, der auf einer hohen Tribüne stand“. Da
die Personen auf der Tribüne standen, zu ihr hinauf und
108 Der Römerbrief
herunterstiegen, ist ein Stuhl per se unplausibel, auch wenn es wohl
dort auch zusätzlich Stühle gegeben haben kann, wie dies bei
einigen Autoren anzunehmen ist, sodass man sich auf der Tribüne
zusätzlich auch setzen konnte, im Begriff selbst ist dies jedoch wohl
nicht inbegriffen, so könnte man auch Johannes 19.13 etc.
verstehen. Diese Dinge kannten die Korinther aus der Begebenheit
in Apostelgeschichte 18.12ff. Dazu kommt noch Folgendes: Flavius
Josephus verwendet an einer Stelle beide Begriffe in einem Satz:
"Der Thron (θρόνος), den der König sich anfertigen ließ, war aus
Elfenbein, ungemein groß und von einem aus sechs Stufen
bestehenden Auftritt (βῆματος) umgeben. Auf jeder Stufe standen
zwei Löwen zu beiden Seiten und ebenso viele oben neben dem
Thronsessel." (Antiquitates Judaicae, 8.140.2). Der Begriff θρόνος
(„Thron“) ist hier also der Stuhl oder Sitz des Königs selbst und βῆμα
(„die Tribüne“) der Auftritt mit Stufen dazu. Dann verwendet auch
Chrysostomus in seinem Kommentar zum Römerbrief (60.669.9)
beide Nomen: "Wie kann also der Apostel sagen: ‘Zu lehren gestatte
ich dem Weibe aber nicht?’ Damit untersagt er ihr nur, den Vorsitz
in der Versammlung zu führen und den Sitz auf der Rednerbühne
(τοῦ θρόνου τοῦ ἐν τῷ βήματι „des Throns auf der Bühne“)
einzunehmen, nicht aber überhaupt mit Worten zu lehren." Der
θρόνος ist also der Sitz selbst und βῆμα die Bühne (vgl. auch
Bauer/Aland, Sp. 280). Somit könnte man festhalten, dass θρόνος
Sitz eines Königs, βῆμα die Bühne bzw. Tribüne oder das Podest
bedeutet. Vom βῆμα aus kann man also reden, jedoch auch zu
Gericht sitzen: Platon schreibt an einer Stelle von den βῆματα als
den Gerichtsstellen (Politeia, 564.d.10). An anderer Stelle schreibt
auch Platon, dass ein Redner auf eine hohe βῆμα hinaufsteigen
muss: ἀναβάντα ἐπί τι βῆμα ὑψηλὸν, „Hinaufsteigend auf eine
109 Der Römerbrief
erhöhte Bühne“ (Politeia, 617.d.5). In der griechischen Polis wurden
βῆματα als Bühnen zur politischen Rede genutzt. Das macht Platon
deutlich, wenn er schreibt: καὶ ἔγωγε ἐξ ἐκείνου λις ἔσχον τοῦ
βήματος καὶ χαλεπώτερον οὐδὲν ἐφάνη μοι πολιτείας". „und ich
hatte seitdem genug von der Rednerbühne und es scheint mir, es ist
nichts ärgerlicher als die Politik“ (Spuria, 369.a, 4). Der Sprecher hat
also genug davon, auf der Rednerbühne zu stehen und Politik zu
betreiben. Polybius beschreibt eine ganz interessante Begebenheit:
μέλλοντός τινος τῶν ἐκ τῆς γερουσίας ἀντιλέγειν τοῖς
προτεινομένοις καὶ καταρχομένου, προελθόντα τὸν Ἀννίβαν
κατασπάσαι τὸν ἄνψρωπον ἀπὸ τοῦ βήματος . „Als um diese Zeit
ein Mitglied des Rates gegen die Friedensbedingungen Einspruch
erheben wollte und zu reden begann, da, erzählt man, trat Hannibal
auf und zog ihn von der Rednerbühne herab“ (Historiae 15.19,3). Ein
Ratsmitglied wollte also eine Rede gegen die Friedensbedingungen
halten. Als er zu reden begann, wurde er von Hannibal von der βῆμα
(Rednerbühne) heruntergeholt. An anderer Stelle schreibt Polybius,
dass eine βῆμα aufgerichtet wurde (es handelt sich also um eine
Konstruktion, wohl aus Holz), um von dort den Tod des Königs zu
verkündigen (Historiae 15.25.3). Das Genitivattribut τοῦ χριστοῦ
(„Christi“) ist possessiv zu verstehen, d.h. es handelt sich um den Ort
der Bewertung, den Christus hat, um dort die Gläubigen zu
bewerten.
14.11 Γέγραπται γάρ, Ζῶ ἐγώ,
λέγει κύριος· ὅτι ἐμοὶ κάμψει πᾶν
γόνυ, καὶ πᾶσα γλῶσσα
ἐξομολογήσεται τῷ θεῷ.
Denn es ist geschrieben: (So wahr) ich lebe,
sagt (der) Herr, dass sich mir jedes Knie
beugen wird und jede Zunge Gott bekennen
wird.
Nun wird begründet, warum es klar ist, dass wir vor Christus
erscheinen werden, da sich jedes Knie vor ihm beugen wird, d.h. er
spricht das Urteil über diese Fragen, nicht wir.
110 Der Römerbrief
14.12 Ἄρα οὖν ἕκαστος ἡμῶν περὶ
ἑαυτοῦ λόγον δώσει τῷ θεῷ.
Also wird nun jeder von uns für sich selbst
Gott Rechenschaft geben.
Aus dem im Vers davor genannten Zitat wird die Konsequenz
deutlich, nämlich, dass jeder Gott Antwort geben muss, was er im
Leben getan hat.
14.13 Μηκέτι οὖν ἀλλήλους
κρίνωμεν· ἀλλὰ τοῦτο κρίνατε
μᾶλλον, τὸ μὴ τιθέναι πρόσκομμα
τῷ ἀδελφῷ ἢ σκάνδαλον.
Also wollen wir nicht mehr einander richten.
Richtet doch vielmehr dies, dass ihr dem
Bruder keinen Anstoß gebt oder ein Ärgernis!
Mit οὖν („also“) zieht Paulus die Konsequenz, dass jeder Gott
Rechenschaft geben muss, nämlich, dass man nicht der Richter
anderer ist, sondern dies Gottes Aufgabe ist. Wenn man richten will,
sollte man sich stattdessen selbst richten, indem man das, was den
anderen ärgert verurteilt und unterlässt.
14.14 Οἶδα καὶ πέπεισμαι ἐν κυρίῳ
Ἰησοῦ, ὅτι οὐδὲν κοινὸν δι᾽ αὐτοῦ·
εἰ μὴ τῷ λογιζομένῳ τι κοινὸν
εἶναι, ἐκείνῳ κοινόν.
Ich weiß und ich bin überzeugt im Herrn Jesus,
dass nichts durch sich unrein (ist), außer für
den Urteilenden, dass etwas unrein sei: Jenem
(ist es) gemein.
Paulus drückt nun das Prinzip aus, von dem er vollkommen
überzeugt ist, nämlich, dass nichts aus sicher heraus abzulehnen ist,
nur, wenn jemand es subjektiv für falsch hält, dann ist es für den
Betreffenden so. Der Begriff κοινός („gemein, unrein, unheilig“) ist
der Gegenbegriff zu ἅγιος („heilig“).
14.15 Εἰ δὲ διὰ βρῶμα ὁ ἀδελφός
σου λυπεῖται, οὐκέτι κατὰ ἀγάπην
περιπατεῖς. Μὴ τῷ βρώματί σου
ἐκεῖνον ἀπόλλυε, ὑπὲρ οὗ χριστὸς
ἀπέθανεν.
Wenn nun durch Essen dein Bruder betrübt
wird, wandelst du nicht mehr nach (der) Liebe.
Zerstöre nicht durch deine Speise jenen, für
den Christus starb!
Wenn jemand etwas isst, was ein anderer ablehnt, wandelt der
Essende nicht nach dem Grundsatz der Liebe, etwa wenn erwartet
wird, der andere soll es auch so tun, das bringt Gewissensnöte, die
zerstörerisch sind. Da der Bruder Christus gehört, ist das zu
vermeiden. Mit βρῶμα („Speise“) wird das, was konkret gegessen
wird, gemeint. Mit βρῶσις („Essen“) hingegen ist der Vorgang
gemeint.
14.16 Μὴ βλασφημείσθω οὖν
ὑμῶν τὸ ἀγαθόν·
Es soll also euer Gutes nicht verlästert
werden.
Paulus lässt einen Zwischenschritt aus, der rekonstruiert werden
kann. Das Ergebnis ist, dass das, was jemand Gut findet, nicht
gelästert wird, wenn andere dies anders einschätzen sollten.
111 Der Römerbrief
14.17 οὐ γάρ ἐστιν ἡ βασιλεία τοῦ
θεοῦ βρῶσις καὶ πόσις, ἀλλὰ
δικαιοσύνη καὶ εἰρήνη καὶ χαρὰ ἐν
πνεύματι ἁγίῳ.
Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und
Es geht in der gesamten Frage also nicht darum, was es zu Essen
Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und oder Trinken gibt, sondern um gerechtes Verhalten, das Friede und
Freude im Heiligen Geist.
Freude im Heiligen Geist schenkt.
14.18 Ὁ γὰρ ἐν τούτοις δουλεύων
τῷ χριστῷ εὐάρεστος τῷ θεῷ, καὶ
δόκιμος τοῖς ἀνθρώποις.
Denn der in diesen (Dingen) Christus Dienende Wer also persönlich Rücksicht nimmt und damit Christus dienen will,
(ist) Gott wohlgefällig und bewährt bei
gefällt Gott und auch Menschen erkennen die Bewährung.
Menschen.
14.19 Ἄρα οὖν τὰ τῆς εἰρήνης
διώκωμεν, καὶ τὰ τῆς οἰκοδομῆς
τῆς εἰς ἀλλήλους.
Also lasst uns nun den (Dingen) des Friedens
nachjagen und denen der Erbauung für
einander!
Als Konsequenz ruft Paulus mittels eines Adhortativs auf, das zu
suchen und dem nachzujagen, was dem Frieden dient.
14.20 Μὴ ἕνεκεν βρώματος
κατάλυε τὸ ἔργον τοῦ θεοῦ. Πάντα
μὲν καθαρά, ἀλλὰ κακὸν τῷ
ἀνθρώπῳ τῷ διὰ προσκόμματος
ἐσθίοντι.
Zerstöre nicht wegen Essen das Werk Gottes!
Alle (Dinge) (sind) zwar rein, doch schlecht
dem mit Anstoß essenden Menschen.
Die negative Seite ist zu vermeiden, indem man nicht wegen Essen
andere in Nöte bringt und das Werk Gottes gefährdet. In anderen
Worten heißt das, was Paulus schon deutlich gemacht hatte,
nämlich, dass das Gewissen zu beachten ist.
14.21 Καλὸν τὸ μὴ φαγεῖν κρέα,
μηδὲ πιεῖν οἶνον, μηδὲ ἐν ᾧ ὁ
ἀδελφός σου προσκόπτει ἢ
σκανδαλίζεται ἢ ἀσθενεῖ.
Gut (ist es), Fleisch nicht zu essen und Wein
nicht zu trinken, noch (zu tun), woran dein
Bruder sich anstößt oder zu Fall kommt oder
schwach ist.
Das Wort σκανδαλίζεται („er kommt zu Fall“) kommt vom Wort für
Stellholz einer Falle, worin sich ein Tier, wenn es daran kommt,
verfängt.
14.22 Σὺ πίστιν ἔχεις; Κατὰ
σεαυτὸν ἔχε ἐνώπιον τοῦ θεοῦ.
Μακάριος ὁ μὴ κρίνων ἑαυτὸν ἐν
ᾧ δοκιμάζει.
Du hast Glauben? Habe ihn bei dir selbst vor
Gott! Glückselig der sich selbst nicht
Richtende, in (dem), was er prüft!
Die Frage, was jemand gut und richtig findet ist eine Glaubenssache
zwischen ihm und Gott und dies bleibt dort und ist keinen Streit
wert.
14.23 Ὁ δὲ διακρινόμενος, ἐὰν
φάγῃ, κατακέκριται, ὅτι οὐκ ἐκ
Der Zweifelnde aber, wenn er isst, ist
verurteilt, da (es) nicht aus Glauben
Wer unsicher ist, ob Gott das will, was er genau an Speisen isst, ist
verurteilt (von Gott bzw. dem Gewissen), da es nicht im Einklang mit
112 Der Römerbrief
πίστεως· πᾶν δὲ ὃ οὐκ ἐκ πίστεως,
ἁμαρτία ἐστίν.
(geschieht). Alles nun, was nicht aus Glauben
(geschieht), ist Sünde.
dem Glauben ist, denn wenn man etwas tut, was das Gewissen für
falsch einstuft, ist es falsch bzw. Sünde, es dennoch zu tun.
14.24 Τῷ δὲ δυναμένῳ ὑμᾶς
στηρίξαι κατὰ τὸ εὐαγγέλιόν μου
καὶ τὸ κήρυγμα Ἰησοῦ χριστοῦ,
κατὰ ἀποκάλυψιν μυστηρίου
χρόνοις αἰωνίοις σεσιγημένου,
Dem nun euch zu stärken Vermögenden
gemäß meiner guten Botschaft und der
Verkündung Jesu Christi, gemäß (der)
Offenbarung (des) Geheimnisses, (das) ewige
Zeiten verschwiegen,
Nach dem Konsens der Handschriften ist hier die Doxologie
angesiedelt, die leider in Nestle-Aland am Ende des 16. Kapitels
abgedruckt wurde, wohl da ein Schreiber meinte, sei müsste besser
an den Schluss gerückt werden.
14.25 φανερωθέντος δὲ νῦν, διά
τε γραφῶν προφητικῶν, κατ᾽
ἐπιταγὴν τοῦ αἰωνίου θεοῦ, εἰς
ὑπακοὴν πίστεως εἰς πάντα τὰ
ἔθνη γνωρισθέντος,
nun aber offenbar gemacht worden, und
durch prophetische Schriften nach dem
Auftrag des ewigen Gottes zum
Glaubensgehorsam an all die Nationen
kundgetan wurde.
Dieser Vers gibt die lange Nominalphrase um μυστηρίου („des
Geheimnisses“) weiter an, da die Partizipien damit kongruieren. Die
Partikel τε („sowohl“) scheint die Bekanntmachung durch
prophetische Schriften sowie deren Verkündigung an alle Nationen
zu kombinieren. Das Ziel der Verkündigung des Geheminsses Gottes
ist der Glaubensgehorsam aller Nationen, d.h. der Menschen aller
Nationen.
14.26 μόνῳ σοφῷ θεῷ, διὰ Ἰησοῦ
χριστοῦ, ᾧ ἡ δόξα εἰς τοὺς αἰῶνας.
Ἀμήν.
Ihm, dem allein weisen Gott, durch Jesus
Christus, (ist) die Ehre bis in die Ewigkeiten.
Amen!
Paulus greift mit dem Dativ μόνῳ σοφῷ θεῷ („ihm, dem allein
weisen Gott“) das in Vers 24 begonnene Dativobjek des Lobpreises,
also Gott, wieder auf und führt den Lobpreis zu Ende.
15.1 Ὀφείλομεν δὲ ἡμεῖς οἱ
δυνατοὶ τὰ ἀσθενήματα τῶν
ἀδυνάτων βαστάζειν, καὶ μὴ
ἑαυτοῖς ἀρέσκειν.
Wir sind nun schuldig, wir, die Kräftigen, die
Schwachheiten der Kraftlosen zu tragen und
nicht uns selbst zu gefallen.
Paulus richtet nun einen Appell an die, die überzeugt sind, dass es
keine Einschränkungen mehr wie im mosaischen Gesetz im Hinblick
darauf gibt, was man essen darf, und bezeichnet sie als „die
Kräftigen“. Das bedeutet, dass man andere ertragen sollte, die
soweit noch nicht sind, da es nicht darum geht, nur für sich allein zu
leben, egal, wie es den anderen dabei geht.
15.2 Ἕκαστος ἡμῶν τῷ πλησίον
ἀρεσκέτω εἰς τὸ ἀγαθὸν πρὸς
οἰκοδομήν.
Jeder von uns gefalle dem Nächsten zum
Guten, zur Erbauung,
Als zweiten Bestandteil des Appells fordert Paulus dazu auf, den
Nächsten zu erfreuen und ihm Gutes zu tun, was zu seiner Erbauung
führen soll.
113 Der Römerbrief
15.3 Καὶ γὰρ ὁ χριστὸς οὐχ ἑαυτῷ
ἤρεσεν, ἀλλά, καθὼς γέγραπται,
Οἱ ὀνειδισμοὶ τῶν ὀνειδιζόντων σε
ἐπέπεσον ἐπ᾽ ἐμέ.
denn sogar Christus gefiel sich nicht selbst,
sondern wie geschrieben ist: Die
Beschimpfungen der dich Beschimpfenden
fielen auf mich.
Mit γὰρ („denn“) begründet Paulus die Ermunterungen mit dem
Vorbild Christi, der auch nicht das tat, was ihm guttat, sondern sogar
bereit war, sich beschimpfen und lästern zu lassen, während er
Gutes für andere tat.
15.4 Ὅσα γὰρ προεγράφη, εἰς τὴν
ἡμετέραν διδασκαλίαν
προεγράφη, ἵνα διὰ τῆς ὑπομονῆς
καὶ διὰ τῆς παρακλήσεως τῶν
γραφῶν τὴν ἐλπίδα ἔχωμεν.
Denn alles was zuvor geschrieben wurde,
wurde zu unserer Belehrung zuvor
geschrieben, damit wir durch die Geduld und
durch die Ermutigung der Schriften die
Hoffnung hätten.
Paulus belegt diese Aufforderung mit der Schrift, worin diese
Belehrung bereits enthalten ist. Der Zweck der Schrift ist, dass wir
Geduld und Ermutigung erlernen.
15.5 Ὁ δὲ θεὸς τῆς ὑπομονῆς καὶ
τῆς παρακλήσεως δῴη ὑμῖν τὸ
αὐτὸ φρονεῖν ἐν ἀλλήλοις κατὰ
χριστὸν Ἰησοῦν·
Der Gott nun der Geduld und der Ermutigung
gebe euch, untereinander dasselbe zu denken,
Jesus Christus gemäß,
Von der Schrift kommt er auf deren Urheber, nämlich Gott. Dieser
wird gebeten, dass alle Christen eine Gesinnung wie Christus haben
mögen.
15.6 ἵνα ὁμοθυμαδὸν ἐν ἑνὶ
στόματι δοξάζητε τὸν θεὸν καὶ
πατέρα τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ
χριστοῦ.
damit ihr einmütig mit einem Mund den Gott
und Vater unseres Herrn Jesus Christus
verherrlicht.
Dies würde zur Einmütigkeit führen und zu einem gemeinsamen Lob
Gottes, als ob es aus nur einem Mund käme.
15.7 Διὸ προσλαμβάνεσθε
ἀλλήλους, καθὼς καὶ ὁ χριστὸς
προσελάβετο ὑμᾶς, εἰς δόξαν
θεοῦ.
Deshalb nehmt einander an, wie auch Christus
euch zur Herrlichkeit Gottes annahm!
Wie Christus jeden Christen annahm, sollten sie sich auch
untereinander annehmen. Mit καθὼς („wie“) führt Paulus den
Maßstab für das Handeln an.
15.8 Λέγω δέ, χριστὸν Ἰησοῦν
διάκονον γεγενῆσθαι περιτομῆς
ὑπὲρ ἀληθείας θεοῦ, εἰς τὸ
Ich sage nun, dass Christus Jesus Diener (der)
Beschneidung geworden ist für Gottes
Wahrheit, um die Verheißungen der Väter
festzumachen.
Als Grundlage seiner Bitte, sich gegenseitig zu akzeptieren, erinnert
er an das, was Christus getan hat, sowohl für Juden als auch für
Heiden. Zum einen hat Christus die Verheißungen an die Patriarchen
114 Der Römerbrief
βεβαιῶσαι τὰς ἐπαγγελίας τῶν
πατέρων·
erfüllt. Mit βεβαιῶσαι („festzumachen“) kommt zum Ausdruck, dass
Christus die Versprechen Gottes realisiert hat.
15.9 τὰ δὲ ἔθνη ὑπὲρ ἐλέους
δοξάσαι τὸν θεόν, καθὼς
γέγραπται, Διὰ τοῦτο
ἐξομολογήσομαί σοι ἐν ἔθνεσιν,
καὶ τῷ ὀνόματί σου ψαλῶ.
Die Nationen aber sollen Gott für (das)
Erbarmen verherrlichen, wie geschrieben ist:
Deshalb werde ich mich zu dir unter (den)
Nationen bekennen und deinem Namen
lobsingen.
Als zweiter Teil der Begründung kommt Paulus auf das, was Christus
für die Heiden tat, indem er sich über sie erbarmen will. Dies ist im
Einklang mit dem was David sagte, der als Jude sich zu Gott
bekannte, als er bei nichtjüdischen Völkern war, indem er ihm
Loblieder sang.
15.10 Καὶ πάλιν λέγει,
Εὐφράνθητε, ἔθνη, μετὰ τοῦ λαοῦ
αὐτοῦ.
Und wiederum sagt er: Seid fröhlich,
Nationen, mit seinem Volk!
An einer anderen Stelle heißt es ebenso, dass sich nichtjüdische
Menschen mit dem jüdischen Volk freuen sollen.
15.11 Καὶ πάλιν, Αἰνεῖτε τὸν κύριον Und wiederum: Lobt den Herrn, alle Nationen,
πάντα τὰ ἔθνη, καὶ ἐπαινέσατε
und preisen sollen ihn alle Völker!
αὐτὸν πάντες οἱ λαοί.
Paulus führt ein weiteres Zitat an, aus dem hervorgeht, dass alle
Nationen Gott loben sollen.
15.12 Καὶ πάλιν Ἠσαΐας λέγει,
Ἔσται ἡ ῥίζα τοῦ Ἰεσσαί, καὶ ὁ
ἀνιστάμενος ἄρχειν ἐθνῶν· ἐπ᾽
αὐτῷ ἔθνη ἐλπιοῦσιν.
Und wiederum sagt Jesaja: (Es) wird die
Wurzel des Isais sein und der Aufstehende,
um die Nationen zu beherrschen. Auf ihn
werden (die) Nationen hoffen.
Als letzten Beleg führt er Jesaja an, um anzugeben, dass die Wurzel
Davids, das ist Christus, kommt, um auch Herr über Nationen zu
sein. Damit beendet Paulus die Begründung, warum sich Christen
annehmen sollen, da Gott auch Juden und Heiden annimmt.
15.13 Ὁ δὲ θεὸς τῆς ἐλπίδος
πληρώσαι ὑμᾶς πάσης χαρᾶς καὶ
εἰρήνης ἐν τῷ πιστεύειν, εἰς τὸ
περισσεύειν ὑμᾶς ἐν τῇ ἐλπίδι, ἐν
δυνάμει πνεύματος ἁγίου.
Der Gott der Hoffnung nun erfülle euch mit
aller Freude und Frieden im Glauben, damit
ihr überfließt in der Hoffnung durch die Kraft
(des) Heiligen Geistes.
Mit einer weiteren Bitte an Gott wünscht sich Paulus, dass die Leser
vollkommen mit Freude und Frieden erfüllt werden, sodass sie stark
von der Hoffnung auf die kommende Welt erfüllt werden. Dies wird
durch die Wirkung des Geistes hervorgerufen.
15.14 Πέπεισμαι δέ, ἀδελφοί μου,
καὶ αὐτὸς ἐγὼ περὶ ὑμῶν, ὅτι καὶ
αὐτοὶ μεστοί ἐστε ἀγαθωσύνης,
Es bin nun auch ich selbst von euch überzeugt,
meine Brüder, dass auch ihr selbst voll seid an
Paulus greift das Thema Zurechtweisung auf, bei dem er davon
ausgeht, dass die Leser gütig und einsichtig genug sind, um dies für
andere zu tun.
115 Der Römerbrief
πεπληρωμένοι πάσης γνώσεως,
δυνάμενοι καὶ ἄλλους νουθετεῖν.
Güte, erfüllt von aller Kenntnis, fähig, auch
einander zurechtzuweisen.
15.15 Τολμηρότερον δὲ ἔγραψα
ὑμῖν, ἀδελφοί, ἀπὸ μέρους, ὡς
ἐπαναμιμνήσκων ὑμᾶς, διὰ τὴν
χάριν τὴν δοθεῖσάν μοι ὑπὸ τοῦ
θεοῦ,
Recht mutig aber schrieb ich euch, Brüder,
zum Teil, um euch zu erinnern durch die mir
von Gott gegebene Gnade,
So wie die Leser sich gegenseitig zurechtbringen sollten, tat es auch
Paulus mittels des Briefes an sie. Obwohl Paulus den Lesern ein
positives Zeugnis ausstellt, schreibt er ihnen doch mutig diesen Brief,
um sie an einige Dinge, die sie schon wussten, zu erinnern. Dieser
Dienst geschah durch die dem Apostel gegebene Gnade. Mit ἀπὸ
μέρους („zum Teil“) bezieht sich Paulus wohl darauf, dass er an
manchen Stellen in seinem Brief mutig bestimmte Wahrheiten
angesprochen hat, z.B. dass sie als Heidenchristen nicht hochmütig
zu sein haben.
15.16 εἰς τὸ εἶναί με λειτουργὸν
Ἰησοῦ χριστοῦ εἰς τὰ ἔθνη,
ἱερουργοῦντα τὸ εὐαγγέλιον τοῦ
θεοῦ, ἵνα γένηται ἡ προσφορὰ τῶν
ἐθνῶν εὐπρόσδεκτος, ἡγιασμένη
ἐν πνεύματι ἁγίῳ.
um ein Gehilfe Jesu Christi für die Nationen zu
sein, die gute Botschaft Gottes priesterlich
verwaltend, damit die Darbringung der Völker
wohlannehmbar werde, geheiligt durch (den)
Heiligen Geist.
Der Zweck des Dienstes des Apostels ist, für Jesus Christus
priesterlich tätig zu sein, damit Gott die Nationen, die an Christus
glauben, wie eine Darbringung eines Opfers annehmen kann. Dass
Gott sie annehmen kann bewirkt die Heiligung durch das Opfer
Christi, das durch den Geist Gottes geschieht.
15.17 Ἔχω οὖν καύχησιν ἐν
χριστῷ Ἰησοῦ τὰ πρὸς τὸν θεόν.
Ich habe nun Rühmen in Christus Jesus in
bezug auf die (Dinge) für Gott.
Mit οὖν („nun“) drückt Paulus keine logische Folgerung vom letzten
Satz aus, sondern schließt einen neuen Abschnitt an. Mit τὰ
(„bezüglich der Dinge“) ist ein Akkusativ der Referenz und besagt,
worauf sich das Rühmen bezieht.
15.18 Οὐ γὰρ τολμήσω λαλεῖν τι
ὧν οὐ κατειργάσατο χριστὸς δι᾽
ἐμοῦ, εἰς ὑπακοὴν ἐθνῶν, λόγῳ
καὶ ἔργῳ,
Ich werde es ja nicht wagen, etwas zu
sprechen, das Christus nicht durch mich
bewirkte zum Gehorsam (der) Nationen,
durch Wort und Werk,
Mit γὰρ („ja“) folgt keine Begründung, sondern eine Wiederholung
der Aussage in Vers 17. D.h. Paulus ist stolz auf seine Arbeit für Gott
und wagt nichts anders zu sagen, als was Gott durch ihn bewirken
konnte, damit Menschen aus den Heiden Gott gehorsam würden.
116 Der Römerbrief
Dies bezieht sich auf seinen Dienst in der Predigt und durch seine
Wirksamkeit.
15.19 ἐν δυνάμει σημείων καὶ
τεράτων, ἐν δυνάμει πνεύματος
θεοῦ· ὥστε με ἀπὸ Ἱερουσαλὴμ
καὶ κύκλῳ μέχρι τοῦ Ἰλλυρικοῦ
πεπληρωκέναι τὸ εὐαγγέλιον τοῦ
χριστοῦ·
in (der) Macht von Zeichen und Wundern, in
(der) Kraft (des) Geistes Gottes, so dass ich
von Jerusalem und ringsumher bis Illyrikum
die gute Botschaft Christi vollständig
(verbreitet) habe,
Paulus setzt den Satz fort, indem er beschreibt, wie Gott durch
Zeichen und Wunder seinen Dienst begleitet und bestätigt hat, die
er durch seinen Geist bei Paulus bewirkte. Die Folge war, dass er von
Jerusalem ausgehend bis nach Illyrikum das Evangelium vollständig
bekannt machte. Mit κύκλῳ μέχρι („ringsumher bis“) beschreibt
Paulus, dass er ringförmig vorging und bis nach Illyrikum kam, d.h.
von Jerusalem aus predigte er ringsherum und zog so immer weiter
bis nach Illyrikum, sodass er immer größere Kreise zog.
15.20 οὕτως δὲ φιλοτιμούμενον
εὐαγγελίζεσθαι, οὐχ ὅπου
ὠνομάσθη χριστός, ἵνα μὴ ἐπ᾽
ἀλλότριον θεμέλιον οἰκοδομῶ·
nun so bestrebt seiend, sie als gute Botschaft
zu verkünden, nicht wo Christus genannt
wurde, damit ich nicht auf ein fremdes
Fundament baue,
Mittels φιλοτιμούμενον („bestrebt seiend“) drückt Paulus aus, wie
er bei der Verbreitung des Evangeliums vorgeht, nämlich nicht dort
zu predigen, wo dies bereits erfolgt ist. Dies vergleicht er mit einem
Hausbau, auf das Fundament eines anderen Bauherrn.
15.21 ἀλλά, καθὼς γέγραπται, Οἷς
οὐκ ἀνηγγέλη περὶ αὐτοῦ,
ὄψονται· καὶ οἳ οὐκ ἀκηκόασιν
συνήσουσιν.
sondern wie geschrieben ist: Denen nicht von
ihm berichtet wurde, - sie werden sehen. Und
die nicht gehört haben, - sie werden
verstehen.
Mit ἀλλά („sondern“) leitet Paulus ein und begründet, warum er es
im Kontrast dazu so tut. Dazu führt er eine Begründung aus der
Schrift an, dort zu verkündigen, wo es nicht der Fall war.
15.22 Διὸ καὶ ἐνεκοπτόμην τὰ
πολλὰ τοῦ ἐλθεῖν πρὸς ὑμᾶς·
Deshalb war ich auch die vielen (Male) vom zu
euch Kommen abgehalten werdend.
Διὸ („deshalb“) macht deutlich, dass der bisherige Dienst es nicht
ermöglichte, zu den Lesern zu kommen.
15.23 νυνὶ δὲ μηκέτι τόπον ἔχων
ἐν τοῖς κλίμασιν τούτοις,
ἐπιποθίαν δὲ ἔχων τοῦ ἐλθεῖν
πρὸς ὑμᾶς ἀπὸ πολλῶν ἐτῶν,
Jetzt aber, keinen Raum mehr in diesen
Gegenden habend, aber Sehnsucht habend,
seit vielen Jahren zu euch zu kommen,
Paulus führt nun Gründe an, wieso er nun bald kommen wollte: Im
bisherigen Wirkungskreis hat Paulus keinen Raum bzw. keine
Aufgaben mehr und würde daher weiterreisen, da er schon seit
vielen Jahren die Sehnsucht hat, die Christen in Rom zu sehen.
117 Der Römerbrief
15.24 ὡς ἐὰν πορεύωμαι εἰς τὴν
Σπανίαν, ἐλεύσομαι πρὸς ὑμᾶς·
ἐλπίζω γὰρ διαπορευόμενος
θεάσασθαι ὑμᾶς, καὶ ὑφ᾽ ὑμῶν
προπεμφθῆναι ἐκεῖ, ἐὰν ὑμῶν
πρῶτον ἀπὸ μέρους ἐμπλησθῶ.
sodass wenn ich nach Spanien reise, ich zu
euch kommen werde. Ich hoffe ja,
durchreisend, euch zu sehen und von euch
dorthin geleitet zu werden, wenn ich von euch
zunächst ein wenig gesättigt wurde.
Mit ὡς („sodass“) führt Paulus die Folge ein, die er hat, wenn er nun
keine Aufgaben anderswo hat und so zu den Lesern kommen will,
d.h. er will sie in Rom treffen, um dann von ihnen ausgestattet zu
werden, wenn er nach Spanien reisen will, was er mit ἐκεῖ
(„dorthin“) wieder aufnimmt. Mit προπεμφθῆναι („geleitet zu
werden“) sagt Paulus aus, dass er erwartet, dass er mit allem
ausgerüstet würde, was er zur Weiterreise braucht. Mit ἀπὸ μέρους
ἐμπλησθῶ („ich wurde gesättigt“) nimmt aus der
vorweggenommenen Rückschau mittels πρῶτον („zunächst“) den
Standpunkt ein, das Paulus, nachdem er zuerst die Gemeinschaft mit
den Lesern genossen hat, dann weiterreisen würde, sodass der
Aufenthalt weniger ist als er sich wünscht, was er mit ἀπὸ μέρους
(„ein wenig“) deutlich macht, d.h. es ist für ihn besser, die Leser
etwas zu sehen, auch wenn es nur kurz sein kann.
15.25 Νυνὶ δὲ πορεύομαι εἰς
Ἱερουσαλήμ, διακονῶν τοῖς ἁγίοις.
Jetzt aber reise ich nach Jerusalem, den
Heiligen dienend.
Paulus räumt ein, dass er noch nicht über Rom nach Spanien reisen
kann, da seine Pläne ihn nach Jerusalem bringen. Νυνὶ („jetzt“) ist
der Form und Stellung nach betont, d.h. unmittelbar sofort geht er
erst nach Jerusalem, um einen Dienst für die Gläubigen zu tun.
15.26 Εὐδόκησαν γὰρ Μακεδονία
καὶ Ἀχαΐα κοινωνίαν τινὰ
ποιήσασθαι εἰς τοὺς πτωχοὺς τῶν
ἁγίων τῶν ἐν Ἱερουσαλήμ.
Es hat nämlich Mazedonien und Achaja
wohlgefallen, eine bestimmte Anteil(nahme)
für die Armen der Heiligen in Jerusalem zu
leisten.
Wie Paulus eingehend im 2Korintherbrief erklärt, hat er für die
Heiligen in Jerusalem einen hohen Betrag gesammelt, den er dorthin
überbringen will. Dies ist der Grund, den Paulus mit γὰρ („nämlich“)
als Hinderung angibt, nicht direkt kommen zu können. Mit
κοινωνίαν („eine Anteil(nahme“) meint Paulus wie im zweiten
Korintherbrief die Spende für die Heiligen in Jerusalem.
15.27 Εὐδόκησαν γάρ, καὶ
ὀφειλέται αὐτῶν εἰσιν. Εἰ γὰρ τοῖς
πνευματικοῖς αὐτῶν ἐκοινώνησαν
Es erschien ihnen ja gut und sie sind ihre
Schuldner, denn wenn die Nationen an ihren
geistigen (Dingen) Anteil bekamen, sind sie
Paulus erklärt nun den Hintergrund für den Dienst in Jerusalem, der
ihn noch abhält zu den Lesern sogleich zu kommen, da die Gläubigen
in Mazedonien und Achaia Geld für Jerusalem gesammelt hatten, da
118 Der Römerbrief
τὰ ἔθνη, ὀφείλουσιν καὶ ἐν τοῖς
σαρκικοῖς λειτουργῆσαι αὐτοῖς.
schuldig, ihnen auch in den fleischlichen
(Dingen) einen Dienst zu tun.
sie sich als deren Schuldner sahen, da sie an deren Gott glauben
dürften, und so auch für ihre irdischen Bedürfnisse sorgen wollten.
15.28 Τοῦτο οὖν ἐπιτελέσας, καὶ
σφραγισάμενος αὐτοῖς τὸν καρπὸν
τοῦτον, ἀπελεύσομαι δι᾽ ὑμῶν εἰς
τὴν Σπανίαν.
Dies nun vollendet und diese Frucht für sie
versiegelt habend, werde ich bei euch nach
Spanien abreisen.
Wenn Paulus das Geld in Jerusalem abgegeben haben wird, wird er
nach Rom kommen, um dann nach Spanien zu gelangen.
15.29 Οἶδα δὲ ὅτι ἐρχόμενος πρὸς
ὑμᾶς ἐν πληρώματι εὐλογίας τοῦ
εὐαγγελίου τοῦ χριστοῦ
ἐλεύσομαι.
Ich weiß nun, dass, wenn ich zu euch komme,
ich in der Fülle von Segen der guten Botschaft
Christi kommen werde.
Paulus drückt seine Überzeugung aus, dass der Aufenthalt
segensreich sein wird, da Gott es ihm ermöglicht, mit dem Segen des
Evangeliums zu kommen.
15.30 Παρακαλῶ δὲ ὑμᾶς,
ἀδελφοί, διὰ τοῦ κυρίου ἡμῶν
Ἰησοῦ χριστοῦ, καὶ διὰ τῆς ἀγάπης
τοῦ πνεύματος, συναγωνίσασθαί
μοι ἐν ταῖς προσευχαῖς ὑπὲρ ἐμοῦ
πρὸς τὸν θεόν·
Ich ermuntere euch nun, Brüder, durch
unseren Herrn Jesus Christus und durch die
Liebe des Geistes, für mich mitzukämpfen in
den Gebeten für mich zu Gott,
Paulus ermuntert die Leser nun, für ihn zu beten, dass seine Spende
an Jerusalem nicht von Gegnern verhindert wird und von den
Heiligen gut angenommen werde. Mit συναγωνίσασθαί
(„mitzukämpfen“) drückt der Apostel aus, dass die Leser in seinen
Gebetskampf mit eintreten sollen.
15.31 ἵνα ῥυσθῶ ἀπὸ τῶν
ἀπειθούντων ἐν τῇ Ἰουδαίᾳ, καὶ
ἵνα ἡ διακονία μου ἡ εἰς
Ἱερουσαλὴμ εὐπρόσδεκτος
γένηται τοῖς ἁγίοις·
dass ich gerettet werde von den
Ungehorsamen in Judäa, und dass mein Dienst
für Jerusalem den Heiligen wohlannehmbar
werde,
Die zwei Vorkommen von ἵνα („dass“) leiten den Inhalt der
erwünschten Gebete ein: Rettung vor Ungläubigen und Annahme
der Gabe durch die Gläubigen.
15.32 ἵνα ἐν χαρᾷ ἔλθω πρὸς ὑμᾶς
διὰ θελήματος θεοῦ, καὶ
συναναπαύσωμαι ὑμῖν.
damit ich in Freude zu euch komme durch
(den) Willen Gottes und ich zusammen mit
euch erfrischt werde.
Die Bitte, dass der Dienst in Jerusalem erfolgreich sein sollte und
nicht von Feinden zu verhindern sein sollte, dient dazu, dass Paulus
unbeschwert und mit Freude zu den Römern kommen könnte, wenn
es Gott will, und beide, Paulus und die Leser, dadurch geistliche
119 Der Römerbrief
Erfrischung haben könnten. Diesen Zweck leitet Paulus mit ἵνα
(„damit“) ein.
15.33 Ὁ δὲ θεὸς τῆς εἰρήνης μετὰ
πάντων ὑμῶν. Ἀμήν.
Der Gott des Friedens nun (ist) mit euch allen.
Amen!
Mit diesem Satz des Segenswunsches schließt Paulus den Hauptteil
des Briefes ab, um auf die Schlussworte zu kommen.
16.1 Συνίστημι δὲ ὑμῖν Φοίβην τὴν
ἀδελφὴν ἡμῶν, οὖσαν διάκονον
τῆς ἐκκλησίας τῆς ἐν Κεγχρεαῖς·
Ich empfehle euch nun Phöbe, unsere
Schwester, die eine Dienerin der
Versammlung in Kenchreä ist,
Paulus empfiehlt im Schluss des Briefes Phöbe, da sie der
Versammlung in Kenchrea dient.
16.2 ἵνα αὐτὴν προσδέξησθε ἐν
κυρίῳ ἀξίως τῶν ἁγίων, καὶ
παραστῆτε αὐτῇ ἐν ᾧ ἂν ὑμῶν
χρῄζῃ πράγματι· καὶ γὰρ αὐτὴ
προστάτις πολλῶν ἐγενήθη, καὶ
αὐτοῦ ἐμοῦ.
damit ihr sie aufnehmt im Herrn würdig der
Heiligen und ihr beisteht, worin immer sie
euer bedarf. Auch sie wurde ja Beistand von
vielen, auch von mir selbst.
Der Zweck der Empfehlung ist ihre freundliche Aufnahme in Rom, so
wie es sich für sie als Heilige gehört. Mit γὰρ („ja“) wird wohl kaum
der Grund für eine freundliche Aufnahme, sondern eine
emphatische Aussage, dass Phöbe dies selbst ja auch tut, gegeben,
auch Paulus hat sie Beistand geleistet.
16.3 Ἀσπάσασθε Πρίσκαν καὶ
Ἀκύλαν τοὺς συνεργούς μου ἐν
χριστῷ Ἰησοῦ,
Grüßt Priska und Aquila, meine Mitarbeiter in
Christus Jesus,
Nun beginnt Paulus, die Leser zu bitten bestimmte Personen
namentlich zu grüßen. Πρίσκαν ist offenbar die Kurzform von
Priszilla, das auch bestimmte Schreiber meinten, ausschreiben zu
müssen.
16.4 οἵτινες ὑπὲρ τῆς ψυχῆς μου
τὸν ἑαυτῶν τράχηλον ὑπέθηκαν,
οἷς οὐκ ἐγὼ μόνος εὐχαριστῶ,
ἀλλὰ καὶ πᾶσαι αἱ ἐκκλησίαι τῶν
ἐθνῶν·
welche für mein Leben ihren eigenen Nacken
beugten, denen nicht ich allein danke,
sondern auch alle Versammlungen der
Nationen,
Zu τράχηλον ὑπέθηκαν („sie beugten den Nacken“) vgl. Sirach 51.26,
der dieses Idiom aufgreift und das Joch, das Paulus nur implizit
aufgreift, eigens nennen: „τὸν τράχηλον ὑμῶν ὑπόθετε ὑπὸ ζυγόν
καὶ ἐπιδεξάσθω ἡ ψυχὴ ὑμῶν παιδείαν ἐγγύς ἐστιν εὑρεῖν αὐτήν“
„Beugt euren Nacken unter ihr Joch, und nehmt ihre Last auf euch!“.
D.h. Priska und Aquila haben für Paulus seine Last getragen, wie ein
Zugpferd seinen Nacken beugt, um in das Joch zu kommen, um
arbeiten zu können. Der Dank für die beiden kommt nicht nur von
Paulus allein, sondern kommt von allen Versammlungen der Heiden,
120 Der Römerbrief
sodass dies eine große Aufgabe war, die eine umfassende
Implikation hatte, die Paulus hier anspricht.
16.5 καὶ τὴν κατ᾽ οἶκον αὐτῶν
ἐκκλησίαν. Ἀσπάσασθε Ἐπαίνετον
τὸν ἀγαπητόν μου, ὅς ἐστιν
ἀπαρχὴ τῆς Ἀχαΐας εἰς χριστόν.
und die Versammlung in deren Haus! Grüßt
meinen geliebten Epänetus, der Erstling
Achajas für Christus ist!
Paulus erweitert die Grüße um die Versammlung im Haus von
Priskilla und Aquila. Auch der erste Gläubige in Achaia ist den Lesern
bekannt und kann gegrüßt werden.
16.6 Ἀσπάσασθε Μαριάμ, ἥτις
πολλὰ ἐκοπίασεν εἰς ἡμᾶς.
Grüßt Maria, welche sich viel für uns mühte!
Die Leser sind in Kontakt mit Maria, die ebenfalls eine
hervorragende Beschreibung erhält, da sie viel zum Vorteil für
Paulus und seinen Mitarbeitern getan hatte.
16.7 Ἀσπάσασθε Ἀνδρόνικον καὶ
Ἰουνίαν τοὺς συγγενεῖς μου καὶ
συναιχμαλώτους μου, οἵτινές εἰσιν
ἐπίσημοι ἐν τοῖς ἀποστόλοις, οἳ
καὶ πρὸ ἐμοῦ γεγόνασιν ἐν χριστῷ.
Grüßt Andronikus und Junia, meine
Verwandten und meine Mitgefangenen,
welche bei den Aposteln angesehen sind, die
sogar vor mir in Christus gewesen sind!
Die Liste der Grüße setzt sich fort. Einige Ausleger warfen die Frage
auf, ob Junia bzw. Junias eine Frau oder ein Mann ist. In
außerbiblischer Literatur kommt der Name fast nur für eine Frau vor
(anders sieht es Epiphanius). In den lateinischen Schriften ist Junia
ein allgemein gebräuchlicher Name, Junias hingegen kommt nicht
vor. Johannes Chrysostomus sagte in einer Predigt über Römer 16.7
mit einem Bezug auf Junias: „Oh! Wie großartig ist die Hingabe
dieser Frau, dass sie sogar wert geachtet ist, vom Apostel genannt zu
werden!“. Junia war zumindest keine „Apostelin“, wie einige ein
Zitat von Chrysostomus dazu interpretieren, da der Ausdruck
ἐπίσημοι ἐν τοῖς ἀποστόλοις nicht als deren Zugehörigkeit zu den
Aposteln bestimmt werden kann. Das Adjektiv ist vom Nomen
ἐπίσημα abgeleitet, das Abzeichen (auf einem Schild oder einer
Münze) bedeutet. Einige Stellen für das Adjektiv ἐπίσημος zum
Vergleich, im Zusammenhang mit einem folgenden ἐν: Psalmen
Salomos 2.6 „Die Söhne und die Töchter (kamen) in schlimme
Gefangenschaft, in einem Verschlusssiegel (steckte) ihr Hals, sichtbar
unter den Heidenvölkern (ἐπισήμῳ ἐν τοῖς ἔθνεσιν)“. Vgl. Eusebius,
121 Der Römerbrief
Praeparatio evangelica 10.14.11: „ἐγένετο δ’ ὁ ἀνὴρ ἐπισημότατος
ἐν τοῖς Ἕλλησι“. “Dieser Mann wurde sehr von den Griechen
ausgezeichnet“. Vgl. ebenso Eusebius, Historia ecclesiastica 8,1,5:
„πῶς δ’ ἄν τις διαγράψειεν τὰς μυριάνδρους ἐκείνας ἐπισυναγωγὰς
καὶ τὰ πλήθη τῶν κατὰ πᾶσαν πόλιν ἀθροισμάτων τάς τε ἐπισήμους
ἐν τοῖς προσευκτηρίοις συνδρομάς;“ „Aber wie kann jemand jene
großen Zusammenkünfte beschreiben und die Menge derer, die in
jeder Stadt zusammenströmten und die von den Gebetshäusern
angesehenen Zusammenkünfte“. 3Makkabäer 6.1: „Ελεαζαρος δέ τις
ἀνὴρ ἐπίσημος“. „Eleasar war ein anerkannter Mann“. Ein
Kommentar von Theodoret, Interpretatio in xiv epistulas sancti Pauli.
82.220 zeigt, dass dieser Leser die beiden als im Kreis der Apostel
bewährt und anerkannt versteht, indem er dies als Belobigung durch
die ersten Apostel versteht: „Πολλὰ κατὰ ταυτὸν τὰ ἐγκώμια· καὶ
πρῶτον μὲν ὅτι κοινωνοὶ τῶν τοῦ θείου Παύλου κινδύνων.
Συναιχμαλώτους γὰρ, ὡς τῶν παθημάτων αὐτῷ συμμετασχόντας,
ἐκάλεσεν. Ἔπειτα ἐπισήμους εἶναι λέγει, οὐκ ἐν τοῖς μαθηταῖς, ἀλλ’
ἐν τοῖς διδασκάλοις, οὐδὲ ἐν τοῖς τυχοῦσι διδασκάλοις, ἀλλ’ ἐν τοῖς
ἀποστόλοις. Ἐπαινεῖ δὲ αὐτοὺς καὶ ἀπὸ τοῦ χρόνου τῆς πίστεως·“.
Bei der Übersetzung „unter“ bleibt offen, ob sich die
„Ausgezeichneten/Angesehenen“ innerhalb der Gruppe der Apostel
befinden oder außerhalb. Eine einschließende Deutung ist nicht
zwingend; d. h.: „unter den Aposteln“ nötigt keineswegs zur
Annahme, dass Andronikus und Junia selber zu der Schar jener
Apostel gerechnet werden. Wenn sie „unter den Aposteln“
angesehen und geschätzt sind, müssen sie selber nicht
notwendigerweise zur Gruppe der Apostel zählen. Einen ähnlichen
Fall finden wir in 2Kr 2,15, wo Paulus schreibt: „wir sind ein
angenehmer Duft Christi für Gott … unter denen, die ins Verderben
122 Der Römerbrief
gehen“. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Junia eine Frau
war und aufgrund ihres Glaubens bereits die frühe Anerkennung der
Apostel hatte, worauf sich Paulus beruft, um beide zu empfehlen.
Der Apostel kann daher einfach sagen wollen: Andronikus und Junia
sind Ausgezeichnete/Angesehene – nicht nur bei/unter den Heiligen
allgemein, sondern vor allem bei/unter den Aposteln; unter ihnen
werden sie hoch geschätzt, sind sie angesehen, ausgezeichnet.
Auffällig ist, dass Paulus sich selbst nicht mit einschloss. Er schrieb
nicht „uns Aposteln“.
16.8 Ασπάσασθε Ἀμπλίαν τὸν
ἀγαπητόν μου ἐν κυρίῳ.
Grüßt Amplias, meinen Geliebten im Herrn!
Der nächste Gruß geht an einen Bruder namens Amplias, wohl einer
Kurzform von Ampliatus, dessen Verbundenheit im Glauben ein von
Liebe geprägtes Verhältnis hervorgerufen hatte.
16.9 Ἀσπάσασθε Οὐρβανὸν τὸν
συνεργὸν ἡμῶν ἐν χριστῷ, καὶ
Στάχυν τὸν ἀγαπητόν μου.
Grüßt Urbanus, unseren Mitarbeiter in
Christus, und Stachys, meinen Geliebten!
Als nächstes ist Urbanus zu grüßen, der ein Mitarbeiter von Paulus
und der Leser war, wie ἡμῶν („unser“) inklusiv verstanden werden
kann. Stachys stand in einem besonderen Verhältnis zu Paulus, da er
ihn sehr liebte.
16.10 Ἀσπάσασθε Ἀπελλῆν τὸν
δόκιμον ἐν χριστῷ. Ἀσπάσασθε
τοὺς ἐκ τῶν Ἀριστοβούλου.
Grüßt Apelles, den in Christus Bewährten!
Grüßt die von denen (des) Aristobulus!
Apelles kann als im Glauben an Christus Bewährter gegrüßt werden,
was ihn sicher sehr gefreut hatte. Danach soll eine ganze Gruppe
rund um Aristobulus gegrüßt werden, wohl dessen Haushalt, wobei
es dort auch Christen gab, die Paulus kannte.
16.11 Ἀσπάσασθε Ἡρῳδίωνα τὸν
συγγενῆ μου. Ἀσπάσασθε τοὺς ἐκ
τῶν Ναρκίσσου, τοὺς ὄντας ἐν
κυρίῳ.
Grüßt Herodion, meinen Verwandten! Grüßt
die von denen (des) Narzissus, die im Herrn
sind!
Als nächstes wird ein jüdischer Gläubiger namens Herodion gegrüßt,
gefolgt von einer Gruppe Gläubiger, wohl dem Haushalt von
Narzissus, die Christus kennen.
123 Der Römerbrief
16.12 Ἀσπάσασθε Τρύφαιναν καὶ
Τρυφῶσαν τὰς κοπιώσας ἐν
κυρίῳ. Ἀσπάσασθε Περσίδα τὴν
ἀγαπητήν, ἥτις πολλὰ ἐκοπίασεν
ἐν κυρίῳ.
Grüßt Tryphena und Tryphosa, die sich
Mühenden im Herrn! Grüßt Persis, die
Geliebte, welche sich viel mühte im Herrn!
Nun folgen Grüße an zwei Frauen, die viel für den Herrn arbeiten
und an Peris, die Paulus als Gläubige liebt, wohl da sie viel Mühe
aufbringt, um dem Herrn zu dienen.
16.13 Ἀσπάσασθε Ῥοῦφον τὸν
ἐκλεκτὸν ἐν κυρίῳ, καὶ τὴν μητέρα
αὐτοῦ καὶ ἐμοῦ.
Grüßt Rufus, den Erwählten im Herrn, und
seine und meine Mutter!
Rufus ist ein typisch römischer Name, der als Erwählter zu grüßen
ist, d.h. aufgrund seines Glaubens hat ihn Gott erwählt. Er hat eine
Mutter, die Paulus auch im übertragenen Sinne als seine Mutter
grüßt, wohl, da sie es gut mit ihm meinte, wie es eine Mutter tut.
16.14 Ἀσπάσασθε Ἀσύγκριτον,
Φλέγοντα, Ἑρμᾶν, Πατρόβαν,
Ἑρμῆν, καὶ τοὺς σὺν αὐτοῖς
ἀδελφούς.
Grüßt Asynkritus, Phlegon, Hermas, Patrobas,
Hermes und die Brüder bei ihnen!
Es folgen Grüße an mehrere Brüder, die sich mit weiteren Brüdern
treffen, ggf. eine Zusammenkunft.
16.15 Ἀσπάσασθε Φιλόλογον καὶ
Ἰουλίαν, Νηρέα καὶ τὴν ἀδελφὴν
αὐτοῦ, καὶ Ὀλυμπᾶν, καὶ τοὺς σὺν
αὐτοῖς πάντας ἁγίους.
Grüßt Philologus und Julia, Nereus und seine
Schwester und Olympas und alle Heiligen bei
ihnen!
Dann werden zwei Paare gegrüßt, entweder Ehepartner oder
Geschwister mit einer Paulus bekannten Person namens Olympas
und weiteren Heiligen bei ihnen.
16.16 Ἀσπάσασθε ἀλλήλους ἐν
φιλήματι ἁγίῳ. Ἀσπάζονται ὑμᾶς
αἱ ἐκκλησίαι τοῦ χριστοῦ.
Grüßt einander mit heiligem Kuss! Es grüßen
euch die Versammlungen Christi!
Die Grüße sind mit dem vertrauten Kuss bzw. einer Umarmung
auszurichten, die die christliche Verbundenheit ausdrückt. Die
Versammlungen, die Paulus kannte, wussten von seinem Brief an die
Römer und lassen grüßen.
16.17 Παρακαλῶ δὲ ὑμᾶς,
ἀδελφοί, σκοπεῖν τοὺς τὰς
διχοστασίας καὶ τὰ σκάνδαλα,
παρὰ τὴν διδαχὴν ἣν ὑμεῖς
Ich ermuntere euch nun, Brüder, auf die zu
achten, welche die Entzweiungen und die
Ärgernisse, abseits der Lehre, die ihr lerntet,
machen. Und wendet euch von ihnen weg!
Die innere Verbundenheit und Grüße bringen Paulus darauf, dass es
nicht nur so ist, sondern es auch Sektierer gibt, die zwar
schmeicheln, aber doch nur Streit und Trennung unter Christen
bewirken wollen, indem sie etwas anderes lehren als die Bibel, die
124 Der Römerbrief
ἐμάθετε, ποιοῦντας· καὶ ἐκκλίνατε
ἀπ᾽ αὐτῶν.
die Leser lernten. Diese sind allen bekannt, wie der Artikel τὰς
(„die“) deutlich macht.
16.18 Οἱ γὰρ τοιοῦτοι τῷ κυρίῳ
ἡμῶν Ἰησοῦ χριστῷ οὐ
δουλεύουσιν, ἀλλὰ τῇ ἑαυτῶν
κοιλίᾳ· καὶ διὰ τῆς χρηστολογίας
καὶ εὐλογίας ἐξαπατῶσιν τὰς
καρδίας τῶν ἀκάκων.
Denn solche dienen nicht unserem Herrn
Jesus Christus, sondern ihrem eigenen Bauch.
Und durch die Schmeichelrede und Wohlrede
täuschen sie die Herzen der Arglosen.
Paulus begründet mit γὰρ („denn“), warum man sich von denen, die
Entzweiungen und Ärgernisse unter Christen bringen, wegwenden
soll, da sie dem Herrn nicht dienen, sondern ihren eigenen
Bedürfnissen. Und sie täuschen andere, indem sie ihnen
schmeicheln und dennoch Gott ungehorsam sind.
16.19 Ἡ γὰρ ὑμῶν ὑπακοὴ εἰς
πάντας ἀφίκετο. Χαίρω οὖν τὸ ἐφ᾽
ὑμῖν· θέλω δὲ ὑμᾶς σοφοὺς μὲν
εἶναι εἰς τὸ ἀγαθόν, ἀκεραίους δὲ
εἰς τὸ κακόν.
Euer Gehorsam gelangte ja zu allen. Ich freue
mich also über das bei euch. Ich will nun, dass
ihr zwar weise seid hinsichtlich des Guten,
einfältig aber hinsichtlich des Schlechten.
Der Ungehorsam der einen bringt Paulus auf den Gehorsam der
Leser, der zu allen seinen Bekannten durchdrang, sodass dies die
Freude des Paulus auslöste.
16.20 Ὁ δὲ θεὸς τῆς εἰρήνης
συντρίψει τὸν Σατανᾶν ὑπὸ τοὺς
πόδας ὑμῶν ἐν τάχει. Ἡ χάρις τοῦ
κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ χριστοῦ μεθ᾽
ὑμῶν.
Der Gott des Friedens nun wird den Satan in
kurzem unter eure Füße zertreten. Die Gnade
unseres Herrn Jesus Christus (ist) mit euch!
Das Schlechte, wovon sich die Leser fern halten sollten, bringt Paulus
auf dessen Urheber, Satan. Diesen würde Gott bald unter die Füße
der Leser zertreten.
16.21 Ἀσπάζονται ὑμᾶς Τιμόθεος
ὁ συνεργός μου, καὶ Λούκιος καὶ
Ἰάσων καὶ Σωσίπατρος οἱ
συγγενεῖς μου.
Es grüßen euch Timotheus, mein Mitarbeiter,
und Lukius und Jason und Sosipater, meine
Verwandten.
Nun nimmt Paulus die Grüße einiger Mitarbeiter auf. Jason und
Sosipater sind offenbar von jüdischer Abstammung.
125 Der Römerbrief
16.22 Ἀσπάζομαι ὑμᾶς ἐγὼ
Τέρτιος, ὁ γράψας τὴν ἐπιστολήν,
ἐν κυρίῳ.
Ich grüße euch, ich Tertius, der den Brief
schrieb, im Herrn!
In diesem Vers unterbricht Paulus sein Diktat und Tertius der
Schreiber grüßt selbst die Leser. Mit ἐν κυρίῳ („im Herrn“) wird
weniger auf das Abfassen des Briefes Bezug genommen, sondern
vielmehr auf die Grüße, um die christliche Verbundenheit
auszudrücken.
16.23 Ασπάζεται ὑμᾶς Γάϊος ὁ
ξένος μου καὶ τῆς ἐκκλησίας ὅλης.
Ἀσπάζεται ὑμᾶς Ἔραστος ὁ
οἰκονόμος τῆς πόλεως, καὶ
Κούαρτος ὁ ἀδελφός.
(Es) grüßt euch Gaius, mein Gastgeber und der
der ganzen Versammlung. (Es) grüßt euch
Erastus, der Verwalter der Stadt, und Quartus,
der Bruder.
Auch Gaius grüßt die Römer, bei dem Paulus untergebracht ist. Er
beherbergt aber nicht nur Paulus, sondern die ganze Versammlung.
16.24 Ἡ χάρις τοῦ κυρίου ἡμῶν
Ἰησοῦ χριστοῦ μετὰ πάντων ὑμῶν.
Ἀμήν.
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus (ist)
mit euch allen. Amen!
Nach den Grüßen beendet Paulus den Brief mit dem Segenswunsch
bzw. der Feststellung, dass die Gnade Christi mit allen Lesern ist.